agora42 4/2019 - DEMOKRATIE und WIRTSCHAFT - Vorschau

Page 1

Ausgabe Ausgabe04/2019 03/2019| |Deutschland Deutschland9,80 9,80EUR EUR Österreich Österreich9,80 9,80EUR EUR| |Schweiz Schweiz13,90 13,90CHF CHF

10 Jahre

AUSGABE 04/2019

DEMOKRATIE UND WIRTSCHAFT


INHALT

agora 42

T

—3 EDITORIAL —4 INHALT

TERRAIN Hier werden Begriffe, Theorien und Phänomene vorgestellt, die für unser gesellschaftliches Selbstverständnis grundlegend sind.

—8 DIE AUTOREN —9 Lars Distelhorst

Die Zerbrechlichkeit der Demokratie oder: Demokratie und Kapitalismus — 94 ABSCHIED

von Wolfram Bernhardt — 95 AUFRUF

für mehr kommunalpolitisches Engagement — 98 IMPRESSUM

4

— 14 Gustav Bergmann

Demokratie braucht Weile und Zuversicht — 20 Anselm Vogler/ Erik Fritzsche

Eine andere Politik ist möglich!

— 26 Aristotelis Agridopoulos

Demokratie radikal denken – Warum Demokratien demokratisiert werden müssen — 32 DÄMONKRATIE

Eine Ausstellung über die Suche nach den Dämonen der Demokratie


agora 42

Inhalt

I

H

INTERVIEW

HORIZONT Auf zu neuen Ufern! Wie lässt sich eine andere gesellschaftliche Wirklichkeit denken, wie lassen sich konkrete Veränderungen herbeiführen?

— 56 DIE AUTOREN — 57 Lia Polotzek

2065 - Endlich Wirtschaftsdemokratie — 62 Torsten Meiffert — 40

Das Befreiende der Demokratie Interview mit Jörg Hähnlein

Vom utopischen Potenzial des Geldes

— 80 VERANTWORTUNG ÜBERNEHMEN

Demokratisch arbeiten? – von Philippe Merz — 86 WEITWINKEL

Führt Kapitalismus zur Demokratie?

von Silja Graupe und Walter Otto Ötsch LAND IN SICHT

— 68 Ulrike Guérot

Komm, wir bauen einen europäischen Staat … — 74 Frank Trümper

Eliten – was zu tun wäre

— 88

Respekt und Mut — 90

Politik zum Anfassen e.V. — 92 GEDANKENSPIELE

von Kai Jannek

5


DIE AUTOREN

T E R R A I N 8

agora 42

Lars Distelhorst

Gustav Bergmann

ist Professor für Sozialwissenschaft an der Fachhochschule Clara Hoffbauer Potsdam. Seine letzte Veröffentlichung beschäftigt sich mit dem Zusammenhang von Postfaktizität und Kapitalismus. Sie ist dieses Jahr unter dem Titel Kritik des Postfaktischen: Der Kapitalismus und seine Spätfolgen im Wilhelm Fink Verlag erschienen.

lehrt und forscht an der Universität Siegen im Bereich Plurale Ökonomik. Seine Forschungsschwerpunkte sind Demokratie in der Wirtschaft, Mitweltökonomie, Organisationsentwicklung und Ethik. Zuletzt von ihm erschienen (als Herausgeber): Wirtschaft demokratisch (Vandenhoeck & Ruprecht, 2019).

— Seite 9

— Seite 14

Anselm Vogler

Erik Fritzsche

Aristotelis Agridopoulos

studierte Politikwissenschaft in Dresden und New York. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur für Internationale Politik der TU Dresden. Zu seinen Forschungsinteressen zählen – neben Institutionen der Postwachstumsökonomie – wissenschaftliche Prognoseverfahren sowie Migrationsund Integrationspolitik.

ist promovierter Politikwissenschaftler und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für internationale Studien/ Institut für Politikwissenschaft der TU Dresden. Zu seinen Forschungsinteressen zählen – neben Institutionen der Postwachstumsökonomie – die Vergleichende Politikwissenschaft, Integration und Migration sowie die Europäische Union.

ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur für Moderne Politische Theorie der Universität Heidelberg. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen insbesondere radikale und agonistische Demokratietheorien, politische Subjektivierung und radikaldemokratische Bildung sowie poststrukturalistische Diskurstheorien.

— Seite 20

— Seite 20

— Seite 26


agora 42

Die Zerbrechlichkeit der Demokratie T E R R A I N

oder: Demokratie und Kapitalismus Text: Lars Distelhorst

Die politische Landschaft kippt nach rechts. Ob Trump in den USA, Erdogan in der Türkei, Duterte auf den Philippinen, Bolsonaro in Brasilien oder Le Pen, Orban, Morawiecki, Beatrix von Storch, Alice Weidel und Björn Höcke in Europa. Hatte es eine Zeitlang so ausgesehen, als gehörten die geflügelten Worte „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch“ der Vergangenheit an, scheint Bertolt Brecht angesichts der aktuellen Verschiebungen des politischen Gefüges Recht zu behalten. Bei näherer Betrachtung des Phänomens muss es jedoch eher verwundern, dass wir vor dem Rechtsradikalismus so lange Ruhe hatten und das Pendel erst mit solcher Verspätung zurückschlägt. 9


agora 42

T E R R A I N

Demokratie braucht Weile und Zuversicht — Text: Gustav Bergmann

Die Demokratie, die Herrschaft aller über alle, ist eine Form der Gesellschaft, in der alle gemeinsam gestalten und alle in sozialer, also gemeinsamer Freiheit leben können. Wir leben jedoch in der Unkultur der Beschleunigung, Konkurrenz und Effizienz. Die Demokratie wird nicht weiterentwickelt, sondern eher beschnitten. Statt eines Primats der Politik hat die Ökonomie die Oberhand, wo sie doch eigentlich eine dienende Funktion innehaben sollte. Den Bürgern werden Mitwirkungsmöglichkeiten erschwert oder verwehrt. In einer ökonomisierten Welt der Raserei ist Demokratie kaum zu verwirklichen. Demokratie braucht Weile, Muße und Möglichkeiten zur leidenschaftlichen Teilhabe. 14


Muße oder Fleiß?

„Sich total anstrengen ist totaler Quatsch“ – so bringt es der Kabarettist Helge Schneider auf den Punkt; „Schlendern ist Luxus“, tönte es im Schlager; und der Philosoph Martin Seel sagt: „Nur wer überlegen kann, kann sich aus eigenem Antrieb verändern. Nur wer überlegen kann, ist in seinem Tun und Lassen frei.“ Es gibt wohl keine gute Idee oder Erfindung, die aus Eile entstanden ist. Vielmehr ist die Muße aller Lösung Anfang. Muße (lateinisch scola, altgriechisch scole) ist selbstbestimmte Zeit. Mit der Industriegesellschaft (von industria, lateinisch für Betriebsamkeit, Fleiß) hingegen hat sich schon früh eine Kultur des Rennens und Schuftens etabliert. Der auferlegte Zwang zur Arbeit und zur Tätigkeit fördert Entfremdung und Verunsicherung. Im entfesselten Kapitalismus wird materieller Reichtum für wenige auf diesem Planeten geschaffen, der auf Kosten der meisten Menschen, der Zukunft und der Natur realisiert wurde und wird (Stichwort Externalisierung). Mittlerweile geht es nur noch um Expansion, das „Mehr desselben“, die Ausweitung der Kampfzone, eindimensional und materiell. Es geht um sinnlose Kapitalvermehrung, wo doch das Wichtigste im Leben (Liebe, Freundschaft, Fähigkeiten) ohnehin nicht mit Geld erworben werden kann. Es entstand ein Rennen im Kreis, immer mehr, immer höher und insbesondere schneller, egal wie, womit, wozu und auf welche Kosten. Das Rasen und die Unruhe werden total. Man kann sich den Anforderungen des erbarmungslosen Wettbewerbs kaum noch entziehen. Marktökonomie herrscht nicht nur in der Wirtschaft, sie dringt in alle Lebensbereiche vor. Diese Raserei, das Schwirren und Sausen haben einen großen Nachteil: Sie verhindern das Warten. Wer aber nicht wartet, kann nichts mehr erwarten. Die Beschleunigung führt zu Ungeduld, es passiert viel, aber es läuft an einem vorbei. Das Sein ist Potenzialität, doch um bestimmte Möglichkeiten ergreifen zu können, muss sich der Mensch für das

mögliche Andere auch öffnen, gelassen und geduldig lauschen, schmecken und schauen. In der Eile ändert sich nichts, es herrscht ein rasender Stillstand, eine hysterische Betriebsamkeit mit suizidalem Charakter für die gesamte Menschheit. Entwicklung bedeutet einen Zuwachs an Möglichkeiten, eine Erweiterung des Repertoires, die Entfaltung der Großzügigkeit. Darin könnte die wahre Bildung des Menschen bestehen. Doch wir rennen und kommen dennoch nicht weiter, da wir nichts dem Zufall überlassen wollen. Nichts Zufälliges, nichts Überraschendes kann passieren, da wir uns entweder auf Erbeutungstouren begeben oder aber – so die meisten auf dem Planeten – dem Überlebenskampf widmen müssen. Schon Nietzsche klagte in der Fröhlichen Wissenschaft: „Man schämt sich jetzt schon der Ruhe; das lange Nachsinnen macht beinahe Gewissensbisse. Man denkt mit der Uhr in der Hand, wie man zu Mittag isst, das Auge auf das Börsenblatt gerichtet, man lebt wie einer, der fortwährend etwas versäumen könnte. ‚Lieber irgendetwas tun als nichts’.“ Der Schriftsteller und Philosoph Albert Camus, der uns schon in seinen ersten Büchern die Liebe zum Leben und der Natur nahebrachte, formuliert in seinem Roman La Peste: „Unsere Mitbürger arbeiten viel, aber immer nur, um reich zu werden. Sie interessieren sich hauptsächlich für den Handel und befassen sich in erster Linie damit, was sie Geschäftemachen nennen.“ Der Mensch ist in der kapitalistischen Industrie (worunter ich alle Fleißsysteme verstehe) eingebaut in ein System der Effizienzzwänge und der Naturverachtung. Das hohe Maß an geforderter Betriebsamkeit (die neuerdings Agilität heißt) verhindert zudem die Reflexion, das Lernen, Mitwirken und Erfinden. Der Mensch entfremdet sich vom Leben, verblödet, tröstet sich mit Konsum und gerät in zunehmende Abhängigkeit. Schon in den Anfängen der Industrialisierung kritisierten viele Philosophen die Tendenz zur Betrieb15

T E R R A I N

agora 42

Demokratie braucht Weile und Zuversicht


agora 42

Eine andere Politik ist möglich! T E R R A I N Text: Anselm Vogler/Erik Fritzsche

Brauchen wir Wirtschaftswachstum, um unser Zusammenleben zu sichern? Funktioniert Demokratie nur in einer Welt mit Wachstum? Nein, denn Demokratien benötigen zunächst und vor allem Legitimität. Wirtschaftswachstum hingegen sorgt zunehmend sogar für Demokratieverdruss. 20


A

REBOUND-EFFEKT: In der Ökonomie ist der ReboundEffekt auch als Jevons‘ Paradoxon bekannt. William Stanley Jevons (1835–1882) beschrieb in seinem Buch The Coal Question, dass technische Erfindungen, die die Energieeffizienz verbessern, einen erhöhten Energieverbrauch zur Folge haben, sodass es unter dem Strich nicht zu einer Energieeinsparung kommt. Jevons bezog sich dabei auf die Effizienzsteigerung durch die Einführung der kohlebefeuerten Dampfmaschine in England, die von einem Anstieg des Kohleverbrauchs begleitet wurde. Hierbei handelt es sich um einen finanziellen ReboundEffekt, da für die Unternehmen mit zunehmender Effizienz auch die Kosten der Produktion sinken – und die Unternehmen diese Einsparung nutzen, um durch Preissenkungen Konkurrenzvorteile zu erzielen. Die gesunkenen Preise wiederum führen zu einer Erhöhung der Nachfrage. Neben solchen finanziellen gibt es auch noch materielle, psychologische und politische ReboundEffekte.

ls am 8. Juli 2019 Klimaaktivisten in Basel kurzzeitig die Eingänge mehrerer Großbanken blockierten, machten sie auf die Verbindung zwischen unserem Wirtschaftssystem und der ökologischen Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaften aufmerksam. Können wir weiter wirtschaften, verbrauchen und haushalten wie bisher? Welche Folgen wird es haben, wenn wir nicht zu einem nachhaltigeren Lebensstil finden? Die Klimaaktivisten warfen den Banken vor, mit ihren Finanzgeschäften Unternehmen bei klimaschädlichen Geschäften zu unterstützen. Neu sind diese Vorwürfe nicht. Generell wächst das Bedürfnis nach einer ökologischeren Alltagspraxis. Fridays for Future und der jüngste demoskopische Höhenflug der Grünen sind Ausdruck einer bereits im ersten Bericht des Club of Rome von 1972 angelegten Skepsis darüber, ob ein immer weiter steigender Ressourcenverbrauch und eine immer weiter steigende Emission von Schadstoffen dauerhaft möglich sind. Diese ökologische Neuorientierung gesellt sich zu einer wachsenden Sehnsucht nach einem „weniger hektischen“ Leben. Beides, Ökologie und Entschleunigung, sind nicht ohne Weiteres mit Wirtschaftswachstum vereinbar. Selbst wenn menschlicher Erfindergeist den Ressourcenverbrauch und die Schadstoffemissionen senken sollten, ist es alleine schon in Anbetracht des Rebound-Effekts geboten, nach Lösungen zu suchen, die

eine „reduktive“ oder „grüne Moderne“ (Harald Welzer) ermöglichen. Obendrein: Auch „grünes Wachstum“ ginge mit dem Erfordernis anhaltender Effizienzsteigerungen einher und würde so darauf abzielen, Arbeitsabläufe in immer kürzeren Zeitspannen zu bewältigen. Insofern ist grünes Wachstum kein Angebot an jene, die sich Entschleunigung wünschen. Warum halten unsere Gesellschaften also am Wirtschaftswachstum fest? Brauchen wir Wirtschaftswachstum, um unser Zusammenleben zu sichern? Genauer: Würde Demokratie auch in einer Welt ohne Wachstum funktionieren? Brauchen Demokratien Wirtschaftswachstum? Damit fragen wir ausdrücklich nicht, ob andere Teilsysteme moderner Industriegesellschaften, wie etwa Sozialversicherungssysteme, das Zins- und Finanzwesen oder Arbeitsmärkte auf Wachstum angewiesen sind. Im vorliegenden Beitrag geht es um Demokratien als Herrschaftssysteme. Also: Braucht es materielles Wachstum, damit eine Herrschaft des Volkes dauerhaft stabilisiert werden kann? Diese Frage muss unbedingt geklärt werden: Denn wenn Wirtschaftswachstum nicht dauerhaft zu erhalten ist, Demokratien aber auf Wirtschaftswachstum angewiesen sind, dann sind auch Demokratien in einer Welt endlicher Ressourcen nicht dauerhaft überlebensfähig. Demokratien brauchen Legitimität

Auf welche Weise könnte eine Vermehrung des wirtschaftlichen Outputs sich auf die Stabilität einer Demokratie auswirken? Wohl vor allem dadurch, dass eine steigende Prosperität die allgemeine Zufriedenheit der Bürger erhöht. Ein politisches System, welches seinen Bürgern anhaltend wachsenden Wohlstand gewährt, wird dafür wohl Zuspruch erhalten und sich allgemeiner Beliebtheit erfreuen. Die Politikwissenschaft bezeichnet den Grad der Zustimmung seiner Bürger zu einem politischen System als „Legitimität“. Bürger können im Allgemeinen vier Aspekte eines politischen Systems wertschätzen, und es ist davon auszugehen, dass sie für jede dieser vier Aspekte bestimmte Erwartungen erfüllt sehen wollen.

21

T E R R A I N

agora 42

Eine andere Politik ist möglich!


agora 42

Demokratie radikal denken

T E R R A I N

Warum Demokratien demokratisiert werden müssen

Text: Aristotelis Agridopoulos

Wenn ein demokratisches Miteinander erhalten werden soll, müssen die Formen unseres Zusammenlebens grundsätzlich überdacht und neu geordnet werden. Demokratie hat kein Problem mit autoritären Führern, sie hat ein Problem mit sich selbst: Sie muss demokratischer werden.

26


agora 42

Demokratie radikal denken

dern als eine tiefgreifende „moralische Krise“ unserer demokratischen Systeme bezeichnet. Denn diese würden sich nur vordergründig als den universellen Menschenrechten verpflichtete Gesellschaften ausgeben. Tatsächlich flüchten Menschen aus dem globalen Süden aufgrund von Kriegen und Armut, für die der Westen mitverantwortlich ist, und wir lassen diese Menschen an den Grenzen sterben oder in Lager einsperren. Seenotrettungen werden kriminalisiert und autoritäre PolitikerInnen fordern Mauern an den Nationalstaatsgrenzen. Rechtsnationalistische und rassistische Führungsfiguren und ihre Parteien, die den Volksbegriff völkisch aufladen, sind schon längst an der Macht, von Trump über Orban und Erdoğan bis hin zu Bolsonaro; in der Warteschlange stehen Le Pen und Salvini. Neben diesen beiden historischen Ereignissen könnten hier noch weitere regressive Entwicklungen genannt werden, wie das Blühen von Verschwörungstheorien und hate speeches in den digitalen Medien. Kurzum: Man könnte meinen, die westlichen Demokratien treiben ihrem Ende entgegen. Hat die Demokratie versagt? Auf keinen Fall, meint der französische Philosoph Jacques Rancière. In seinen Augen schwächeln die Demokratien gerade nur aufgrund ihrer noch undemokratischen Elemente. Er schreibt: „Wir leben nicht in Demokratien. (…) Wir leben in oligarchischen Rechtsstaaten, das heißt in Staaten, in denen die Macht der Oligarchen durch die doppelte Anerkennung der Volkssouveränität und der individuellen Freiheiten begrenzt ist.“ Um einen Ausweg aus diesen oligarchischen Rechtsstaaten zu finden, lohne es sich, Demokratie radikaler zu denken und umzusetzen. Rancière ist damit Teil der DenkerInnen, die sich der radikalen Demokratietheorie zuordnen, 27

T E R R A I N

D

ie parlamentarischen Demokratien und ihre politischen Eliten im gegenwärtigen neoliberalen Kapitalismus, allen voran diejenigen, die sich dem Westen zugehörig fühlen, werden durch zwei Ereignisse in der jüngeren Geschichte massiv infrage gestellt. Erstens durch den Crash der internationalen Finanzmärkte im Jahr 2007/08. Er hatte nicht nur zur Folge, das die enormen Verluste auf ganze Bevölkerungen abgewälzt wurden, sondern führte auch dazu, dass die südlichen Eurostaaten von den Kreditgebern und EU-Institutionen dazu gezwungen wurden, ihre sozialen Grundrechte abzubauen, Sozialleistungen massiv zu reduzieren, Staatseigentum zu privatisieren und zu deregulieren, um wieder „auf Linie“ zu kommen. In unseren global vernetzten Finanzregimen ist eine „seigniorale Macht“ am Werk, ein Begriff, den der Literaturwissenschaftler Joseph Vogl entwickelt hat. Er bezeichnet damit die Macht der internationalen Wirtschafts- und Politiknetzwerke sowie nicht demokratisch legitimierter Akteure, die mit unseren Regierungen – im Namen angeblicher Alternativlosigkeit – Entscheidungen treffen und damit direkten Einfluss auf die Bevölkerung haben. Das Einzige, was zählt, sind Zahlen. Das BIP und die Wachstumsrate müssen stimmen, um das Vertrauen der „Märkte“ und Ratingagenturen zu gewinnen. Die Hilfsorganisation Oxfam und Ökonomen wie Thomas Piketty oder Joseph Stiglitz weisen stetig darauf hin, dass die sozioökonomische Ungleichheit rapide wächst. Die Konzentration von Reichtum und Macht in den Händen weniger geht mit einem gleichzeitigen Abbau von ehemals erkämpften demokratischen und sozialen Rechten einher. Das zweite „demokratieerschütternde“ Ereignis wird seit 2015 mit dem zynischen Begriff „Flüchtlingskrise“ belegt. Noam Chomsky benennt den eigentlichen Kern dieser Krise, wenn er die Ereignisse, die tagtäglich vor allem an den Grenzen der USA und der EU stattfinden, nicht als „Flüchtlingskrise“, son-


A.K.T;

agora 42

No. 01

→ → → www. akate. de

T E R R A I N

AUSSTELLUNG: DÄMON KRATIE 11.10. → → → 24.11.2019 im A.K.T; & EMMAKreativzentrum Pforzheim

Theaterstraße 21 75175 Pforzheim

Vernissage 10.10.2019 19.00Uhr

Emma-Jaeger-Straße 20 75175 Pforzheim

Mi. → → → So. 11.00 bis 19.00Uhr In Kooperation mit:

Bild: „Die Angela Merkel der Kunst“ Philip Götze, 2010 (Detail)

32


agora 42

Dämonkratie —

T E R R A I N

Eine Ausstellung über die Suche nach den Dämonen der Demokratie

Seit über 2500 Jahren haben sich in Europa und in anderen Teilen der Welt Formen der Demokratie entwickelt. In jedem Land sind dabei die historischen, sozialen und kulturellen Ausprägungen genauso unterschiedlich wie die jeweiligen Voraussetzungen, Bedingungen und demokratischen Gehalte. Gemeinsam ist ihnen, dass die Demokratie auf einer ständigen Aushandlung um das Gleichgewicht zwischen Individuum und Gemeinschaft, Freiheit und Ordnung, Gleichheit und Führung basiert. Im aktuellen Diskurs macht sich jedoch das Gefühl breit, dass sich Mächte verschieben und die Verfassungsform der Demokratie durch den Strukturwandel moderner Gesellschaften, komplexe globale Problemstellungen, Digitalisierung, Populismus, Fake News sowie die Infragestellung von Wissen und universellen Werten zunehmend bedroht und instabil zu sein scheint. 11. Oktober bis 24. November 2019 Öffnungszeiten: Mittwoch bis Sonntag, 11 bis 19 Uhr Eröffnung: Donnerstag, 10. Oktober 2019 Künstlerische Leitung: Janusz Czech

In der Ausstellung "Dämonkratie" im A.K.T; und EMMA - Kreativzentrum in Pforzheim begeben sich internationale Künstlerinnen und Künstler auf die Suche nach den Dämonen der Demokratie: Sind es die politischen Vertreter, Wirtschaftskonzerne oder einfach das Volk selbst? Die gezeigten Werke stellen den Kampf um die Grundsäulen, Gesetze und die Beständigkeit der demokratischen Verfassungen dar und hinterfragen unser heutiges Verständnis von Demokratie. Die Ausstellung findet in Kooperation mit der Werner Wild Stiftung, dem Ornamenta Verein, agora42, dem EMMA – Kreativzentrum Pforzheim und der Hochschule Pforzheim statt. 33


Peter Weibel

agora 42

E N D S TAT I O N

T E R R A I N

Statt Hügeln sanft und blass Statt Blättern feucht und nass Schwarze Konten, schwarze Flüsse Zerplatzte Blasen, Schaumabschlüsse Verstrahlte Städte, versiegte Quellen Statt des Meeres Fluten nur Kreditewellen Flure, Häuser, toxische Papiere, letzte Spuren toter Tiere Das Gespenst des Kapital reitet durch das wüste Tal Wo Kreditruinen winken, die im Schuldenberg versinken Statt Apfelblüten falsche Blüten Pfandpapiere, volle Tüten Statt Biosphäre Bankmisere Zinsknechte atmen unter Tage die Giftschwaden der Finanzlage Planet Erde - Beute der Banken Gier ohne Schranken Wüste von Menschen aufgegeben Leben in der Todeszone Kreditlandschaft - Endstation Das Gespenst des Kapital Reitet durch das öde Tal Wo Kreditruinen winken Die in Schuldenbergen sinken Statt Apfelblüten falsche Blüten Pfandpapiere, volle Tüten Statt Biosphären Bankmiseren Zinsknechte atmen unter Tage die Giftschwaden der Finanzlage Planet Erde - Beute der Banken Gier ohne Schranken Planet Erde Wüste von Menschen aufgegeben Leben in der Todeszone Kreditlandschaft Leben in der Handelszone Endstation Peter Weibel, 2007

Mehr dazu unter peter-weibel.at

38


agora 42

Infos zur Ausstellung

FILMBEITRÄGE:

"Pre-Crime" von Monika Hielscher und Matthias Heeder, "The Other Chelsea - A story from Donetsk" von Jakob Preuss, „Die Story im Ersten. Die unheimliche Macht der Berater“ von Michael Wech, Georg Wellmann, Massimo Bognanni, Petra Nagel, Petra Blum, Lena Kampf und Katja Riedel, "Never Again - Amerikas Jugend gegen den Waffenwahn“ von Sebastian Bellwinkel, „Die Erdzerstörer“ von Jean-Robert Viallet

PROGRAMM ZUR AUSSTELLUNG

Führungen: So, 13. Oktober / 20. Oktober/ 3. November / 24. November 2019/ jeweils 11 Uhr Treffpunkt: Café Roland im A.K.T; (EG). Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Film: „What is democracy“ (Was ist Demokratie) von Oliver Ressler Samstag, 23. November 2019, 17 Uhr

ORTE:

A.K.T; Theaterstraße 21, 75175 Pforzheim, www.akate.de EMMA – Kreativzentrum Pforzheim, Emma-Jaeger Straße 20, 75175 Pforzheim, www.emma-pf.de A.K.T;

Der A.K.T; ist ein Ort für gesellschaftliche Diskurse und ein interdisziplinäres Labor der Zukunft. Aktuelle Fragestellungen werden im A.K.T; aus dem Blickwinkel des Designs und der Kunst beleuchtet und die gesellschaftliche Relevanz von Kunst und Design sichtbar gemacht. Der A.K.T; bietet dafür Raum auf mehreren Ebenen: Auf zwei Stockwerken finden regelmäßig Ausstellungen statt. Im obersten Geschoss erforschen Studierende des Studiengangs „Design and Future Making“ der Hochschule Pforzheim im MAD LAB Zukunftsfragen.

T E R R A I N

KÜNSTLER/-INNEN:

Mathieu Asselin, Tanja Boukal, Jonas Burgert, Janusz Czech, Wiktor Dyndo, Beate Engl, Philip Götze, Heather Dewey-Hagborg/Chelsea E. Manning, Thomas Höpker, Jakub Janovský, Franka Kaßner, Jon Kessler, Iñigo Manglano-Ovalle, Milo Rau, Oliver Ressler, Lisa Schlenker, Klaus Staeck, Wolfgang Tillmans, The Yes Men, Peter Weibel, Peter Weibel & Hotel Morphila Orchester, Umut Yasat

EMMA – KREATIVZENTRUM PFORZHEIM

Das EMMA – Kreativzentrum Pforzheim ist seit 2014 die zentrale Plattform für Pforzheims Kreativschaffende. In einem ehemaligen Jugendstilbad an der Enz gelegen, bietet das Kreativzentrum auf 3000m² Werkstatt- und CoworkingArbeitsplätze, Ateliers, Büros und Ausstellungsflächen. Darüber hinaus realisiert das EMMA zahlreiche Ausstellungen und Projekte, wie etwa das internationale Stipendienprogramm „Designers in Residence“.

39


Interview

agora 42

I N T E R V I E W

Das Befreiende der Demokratie

– Interview mit Jörg Hähnlein

42


agora 42

Jörg Hähnlein

Fotos: Janusch Tschech

geboren 1955 in Oranienburg, studierte von 1977 bis 1981 Rechtswissenschaft an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. 1981 bis 1989 war er in der DDR für die Staatsanwaltschaften Weimar und Rostock tätig. Nach der Wende übernahm er 1991 die Geschäftsführung der Steuerberaterkammer Mecklenburg-Vorpommern. 1993 erhielt er die Zulassung als Rechtsanwalt gemäß der Bundesrechtsanwaltsordnung. Im Jahr 2000 übernahm er zusätzlich die Geschäftsführung des Steuerberaterversorgungswerks Mecklenburg-Vorpommern. Er ist Mitbegründer des Landesverbandes der Freien Berufe in Mecklenburg-Vorpommern e. V. und seit 2016 Präsident des Landesverbandes der Freien Berufe Mecklenburg-Vorpommern e. V.

Herr Hähnlein, Demokratie und Kapitalismus – geht das zusammen oder bedeutet die Verwirklichung des einen die Abschaffung des anderen?

Grundsätzlich stellen Demokratie und Wirtschaft keinen Gegensatz dar, sondern bilden zwei Seiten unseres Gemeinwesens. Insofern muss es darum gehen, welche der beiden Sphären gesellschaftsgestaltend ist. Welcher Sphäre gestehen wir zu, dass sie die Spielregeln vorgibt, nach denen die Gesellschaft ausgestaltet wird? Kapitalismus als spezielle Form des Wirtschaftens bezeichnet zunächst einmal nur, dass jemand Geld in die Hand nimmt und investiert und somit einen Wirtschaftskreislauf in Gang setzt. Dass er versucht, sein Kapital zu vermehren. Das ist im Grunde auch die Definition von Kapital: Geld, das mit der Absicht der Gewinnerzielung investiert wird. Ob das nun durch Unternehmer oder Staaten passiert, spielt erst einmal keine große Rolle. Die Frage ist eher, wo liegt das Primat? Wer gibt die Regeln für das Zusammenleben vor und wer definiert, was für das Soziale wünschenswert ist? Die Kritik ist ja heutzutage, dass der Kapitalismus zunehmend die Spielregeln vorgibt und sich demokratische Institutionen immer mehr dem Wirtschaftlichen beugen müssen.

Das hat in erster Linie mit dem Missbrauch von Marktmacht zu tun. Es hat sich eine neoliberale Ansicht der Wirtschaft durchgesetzt, der zufolge die Wirtschaft aus sich heraus bessere Antworten auf gesellschaftliche Fragen findet als die Politik. Aber anders als in derzeit gängigen Interpretationen des Liberalismus sahen die Begründer dieser Theorie immer noch die Politik als diejenige Instanz, die den gesellschaftlichen Rahmen vorgibt. Im Film Inside Job aus dem Jahre 2010 wird eindringlich gezeigt, dass die Finanzkrise zustande kam, weil die Politik immer mehr von denjenigen gestaltet wurde, die einseitige ökonomische Interessen hatten. Wirtschaftsführer übernahmen politische Ämter und umgekehrt. Diese Entscheider vertraten eine ganz bestimmte Wirtschaftsschule, nämlich die der minimalen Regulierung durch den Staat. Diese Theorie baut auf der Annahme auf, dass die freien Kräfte des Marktes die Investitionen dahin lenken, wo sie auch für die Gesellschaft den größtmöglichen Nutzen hervorbringen können. Allerdings funktioniert das nicht mehr, wenn die zentrale Triebfeder die Gier ist und die Gemeinschaft aus dem Blick verloren wird – wenn also gesetzliche Regelungen bewusst umgangen oder zielorientiert geschaffen werden, um sich selbst einen Vorteil zu verschaffen. Hier kam es zu einer unheiligen Allianz zwischen Politik, Banken, Ratingagenturen und Wissenschaftseinrichtungen.

43

I N T E R V I E W

Jörg Hähnlein


DIE AUTOREN

agora 42

H O R I Z O N T

Lia Polotzek

Torsten Meiffert

ist Referentin für Wirtschaftsund Finanzpolitik beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. und Redakteurin der agora42. Sie ist Teil des Arbeitskreises Wirtschaftsdemokratie der Zivilen Enquête Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität, die seit 2014 Akteure der Degrowth- und Postwachstumsbewegung zusammenbringt.

berät Menschen in Organisationen, wenn es ums Erkennen und Verändern von Denk-, Verhaltens- und Kulturmustern geht. Er studierte Germanistik und Philosophie. Mehr unter tmeb.de. — Seite 62

— Seite 57

Ulrike Guérot

Frank Trümper

Kai Jannek

ist Gründerin und Direktorin des European Democracy Lab (EDL) in Berlin und seit 2016 Professorin und Leiterin des Departments für Europapolitik und Demokratieforschung an der Donau-Universität Krems/ Österreich. Ende Oktober erscheint ihr neues Buch Was ist die Nation? (Steidl Verlag).

ist u.a. Mitglied der AtlantikBrücke und im Ideenrat des Zentrums für Gesellschaftlichen Fortschritt, „Young Leader of Tomorrow“ des World Economic Forums in Davos sowie seit 2011 Geschäftsführer der Baden-Badener Unternehmergespräche. Davor war er u.a. Geschäftsführer der S. Fischer Verlage und der Bertelsmann Stiftung.

ist Director Foresight Consulting bei Z_punkt. Seit der Ausgabe 01/2011 wirft er für agora42 einen Blick in die Zukunft.

— Seite 68

— Seite 74 56

— Seite 92


agora 42

2065

H O R I Z O N T

— Endlich Wirtschaftsdemokratie Text: Lia Polotzek

57


Interview

agora 42

Vom utopischen Potenzial des Geldes H O R I Z O N T

Those who play the identity game should be prepared to lose it. Mark Lilla

The longer they (the Democrats) talk about identity politics, I got ’em ‌ If the left is focused on race and identity, and we go with economic nationalism, we can crush the Democrats. Steve Bannon

62


agora 42

Vom utopischen Potenzial des Geldes

Text: Torsten Meiffert

Brexit, Trump, eine lautstarke illiberale Politik weltweit – der scheinbar unaufhaltbare Erfolg des Rechtspopulismus macht deutlich, wie fragil und gefährdet Menschenrechte und Demokratie gegenwärtig sind. Diesen Gefahren kann nur mit einer Transformation des Kapitalismus begegnet werden. Doch auf der Suche nach einer WirIdentität das Engagement für Diversität zurückzufahren, heißt Gefahr zu laufen, das Geschäft des Rechtspopulismus zu betreiben und autoritär-aggressive Ressentiments zu wecken. Diese bedient der Populismus mit seinem Fokus auf ein homogen sich abschottendes Wir sowieso wesentlich gekonnter. Seinen Vertretern gelingt sogar das Kunststück, sich als Elite von ihrer marginalisierten Zielgruppe abzuschotten und sich gleichzeitig von dieser wählen zu lassen. Es ist schon sonderbar: Das Identitätsspiel müsste eigentlich auf dem tiefen Einverständnis aller Spieler beruhen, dass Identitäten das unveräußerliche Recht auf Diversität haben – mögen sie noch so queer sein. Dass das Gefährdungs-, Gewalt- und Bedrohungspotenzial im Spiel wächst, ist ja gerade nicht Folge der Diversität von Identitäten, wie der Populismus behauptet, sondern vielmehr Folge des ökonomischen Denkund Verhaltensmusters von Konkurrenz und Wettbewerb. Statt dieses Denk- und Verhaltensmuster infrage zu stellen, wie es der Linksliberalismus viel zu zaghaft versucht, hat sich der Rechtspopulismus mit den Wettbewerbsregeln des Identitätsspiels nicht nur abgefunden, sondern überhöht sie in sozialdarwinistischer Tradition zum biologistischen Lebensprinzip. Sein absurdes Erfolgsrezept besteht darin, die Schwäche und Ohnmacht des Einzelnen im inszenierten Kampf ums Dasein zur Aggressivität von Wir-Kollektiven zu verhärten, die meinen, sich gegen Bedrohungen durch andere Identitäten behaupten zu müssen. Doch als Resultat des eskalierenden Wettbewerbs um Selbstbehauptung verschärfen sich diese

H O R I Z O N T

Das Identitätsspiel Es herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass die Ursache für die Gefährdung der Demokratie in der Verunsicherung durch die Auswirkungen von Globalisierung, technologischem Wandel, Migration und anderer vernetzter Großkrisen zu suchen ist. Darüber, welchen Anteil der Linksliberalismus an dem Erfolg illiberalen Denkens hat, wird allerdings gestritten. Fragen die einen nur, warum der Linksliberalismus rechten Demagogen so wenig entgegenzusetzen hat, behaupten andere, dass er für das Erstarken rechter Parteien mitverantwortlich ist. Die Begründung dafür lieferte der Kulturwissenschaftler Marc Lilla 2016 nach Trumps Wahlsieg. Der Linksliberalismus habe sich damit abgefunden, dass dem Kapitalismus nicht mehr beizukommen sei. Sein Ideal vom Gemeinwohl hätte er auf die Emanzipation von Minderheiten im „Identitätsspiel“ um Selbstverwirklichung und Selbstbehauptung verschoben. Dadurch habe der Linksliberalismus aber nicht nur das Verständnis für die Mehrheit der Bevölkerung verloren. Schlimmer noch: weil seine Ideale neoliberalen Dogmen vertrackt nahekommen, habe er seine Glaubwürdigkeit in weiten Bevölkerungskreisen vollständig eingebüßt. Denn wer sich im täglichen Kampf um Selbstbehauptung abgehängt fühlt, nimmt Vielfalt und Diversität eher als Bedrohung statt als Bereicherung wahr. Wollten die Linksliberalen den Rechtspopulisten nicht das Feld überlassen, wäre es daher notwendig – so Lillas oft kritisierter Vorschlag – auf der Suche nach einem mehrheitsfähigen Wir die Fähigkeit zur Toleranz nicht zu überfordern.

63


agora 42

H O R I Z O N T

Komm, wir bauen einen europäischen Staat …

Text: Ulrike Guérot

„Die Nation ist eine gefühlsmäßige Gemeinschaft, deren adäquater Ausdruck ein eigener Staat wäre, die also normalerweise die Tendenz hat, einen solchen aus sich herauszutreiben.“ Max Weber (1912)

68


agora 42

Komm, wir bauen einen europäischen Staat …

Die Sehnsucht nach mehr oder jedenfalls einem anderen Europa scheint groß bei den europäischen Bürgerinnen und Bürgern.

weiligen nationalen Untergruppe gegenüber rechenschaftspflichtig und müssen versuchen, für diese – und nur für diese – das „Beste“ herauszuholen. Dadurch werden permanent Bürgerinnen und Bürger eines europäischen Staates gegen diejenigen eines anderen gestellt. Wie soll sich vor diesem Hintergrund ein gesamteuropäisches Bürgertum etablieren können? Im letzten Wahlkampf drängten die europäischen Bürgerinnen und Bürger nun aber erstmals massiv in das europäische Bewusstsein: Sie wollten gehört werden. Es gab Bürgerbefragungen und Informationsveranstaltungen noch und nöcher und Emmanuel Macron adressierte die Europäer – und nicht die Staatsund Regierungschefs (!) – direkt in einem Brief, den er wenige Wochen vor den Europawahlen in 28 europäischen Sprachen und Zeitungen veröffentlichte. Dächte man also ernsthaft über Volkssouveränität im europäischen Rahmen nach beziehungsweise möchte man die Frontstellung zwischen Staatenunion und Bürgerunion der EU durchbrechen, dann müsste man erstens den EU-Rat mit seiner intransparenten Entscheidungsfindung abschaffen und zweitens die Souveränität der europäischen Bürgerinnen und Bürger durch eine vollständige Parlamentarisierung des europäischen Systems aufwerten, die im 21. Jahrhundert auch partizipative Elemente enthalten müsste. Eine veritable europäische Staatsbürgerschaft und die konsequente Durchsetzung des allgemeinen politischen Gleichheitsgrundsatzes für alle europäischen Bürgerinnen und Bürger

H O R I Z O N T

W

ie viele Texte wurden in den letzten Wochen und Monaten vor den Europawahlen vom Mai 2019 geschrieben über „Europa erneuern“, „Europa richtig machen“ oder „Europa neu denken“? Dutzende europäische Verfassungsentwürfe zirkulierten im Vorfeld der Wahlen im Internet, Jan Böhmermann veröffentlichte auf Twitter einen fiktiven europäischen Pass und so weiter und so fort. Die Sehnsucht nach mehr oder jedenfalls einem anderen Europa scheint groß bei den europäischen Bürgerinnen und Bürgern. Doch die Realität sieht anders aus: Kaum war die Europawahl vorbei, wurde das Spitzenkandidaten-Verfahren, das erst zum zweiten Mal in Anwendung war und Unionsbürgern ein Mitspracherecht bei der Auswahl der Kandidatin beziehungsweise des Kandidaten für das Amt des EUKommissionspräsidenten einräumt, quasi außer Kraft gesetzt – und Ursula von der Leyen zur Kommissionspräsidentin bestimmt. Der Europäische Rat (EU-Rat) hatte sich wieder einmal durchgesetzt. Europäische Demokratie mit Bauchschmerzen … „Alle Souveränität geht vom Volke aus“, so steht es in vielen Verfassungen der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Frei nach Kurt Tucholsky möchte man fragen: „Und wo geht sie hin?“ Tatsächlich verhindert schon die bloße Existenz des EU-Rats, dass die politischen Subjekte der EU, also die Bürgerinnen und Bürger Europas, ihrer Souveränität Ausdruck und rechtlichen Bestand geben können (Souveränität wird hier verstanden als Wahl- beziehungsweise Abwahlrecht; sprich: Die europäischen BürgerInnen können weder den Rat in seiner Gänze abwählen noch ihre Präferenzen – beispielsweise eine europäische Arbeitslosenversicherung – durchsetzen; es besteht also eine Krise der politischen Repräsentation). Überdies sind die Mitglieder des Europäischen Rats, der den Großteil der Entscheidungskompetenzen in der EU auf sich vereint, jeweils bloß national, nicht aber gesamteuropäisch legitimiert. Hier ist eine europäische Institution absurderweise nationalstaatlich ausgerichtet, das heißt, die einzelnen Ratsmitglieder sind immer nur ihrer je-

69


agora 42

Eliten – was zu tun wäre H O R I Z O N T Text: Frank Trümper

Beim folgendem Text handelt es sich um einen Vortrag von Frank Trümper, Geschäftsführer des Vereins BadenBadener Unternehmergespräche und Beiratsmitglied von Common Purpose Deutschland, auf der Veranstaltung „Eliten – das sind immer die anderen?! Eine gefühlte und faktische Annäherung“, die von der Friedrich-Ebert-Stiftung und Teach First Deutschland am 2. Juli 2019 in Stuttgart organisiert wurde.

74


L

assen Sie mich mit einer grundsätzlichen Frage beginnen: Wer ist überhaupt gemeint, wenn wir von Elite sprechen? Ich würde drei Dimensionen unterscheiden, in denen wir über Eliten sprechen. Die erste Dimension betrifft so etwas wie die kulturelle, politische und intellektuelle Avantgarde. Darunter fallen für mich große politische Denker, Aktivisten, Wissenschaftler, Philosophen, einige große Journalisten (wir erinnern uns alle an Leute wie Augstein, Nannen oder Bucerius) – Menschen, die ihrer jeweiligen Zeit gedanklich voraus waren, die etwas bewegt haben und uns letztlich mit ihren Ideen und Initiativen dahin gebracht haben, wo wir heute sind. Das waren und sind Menschen, die der Stachel im Fleisch sind, die sich in die öffentliche Diskussion und in das öffentliche Leben einmischen. Dann gibt es eine Elite, die man als „Performer“ bezeichnen könnte, Leute, die in ihrem Feld Höchstleistungen erbringen. Man denke beispielsweise an Sportler oder an Musiker, an Personen, die es ihrem jeweiligen Bereich zur absoluten Perfektion gebracht haben. Auch diese Personen würde man als Eliten bezeichnen – und vermutlich ist bei ihnen der Begriff am wenigsten negativ konnotiert. Und dann gibt es noch die Eliten, um die es hier bei dieser Veranstaltung vermutlich hauptsächlich geht und die in der Öffentlichkeit am umstrittensten sind. Ich nenne sie die Funktionseliten. Das sind Personen, die in herausragenden Positionen – als Politiker, Unternehmensleiter oder Richter, als Vorsitzende

von großen Behörden oder Aktiengesellschaften – tätig und aufgrund dieser Position mit großem Einfluss ausgestattet sind. Diese Eliten sind üblicherweise doppelt legitimiert. Einerseits müssen auch sie eine besondere Leistung erbracht haben, um in diese herausgehobene Position zu kommen, aber meist müssen sie auch gewählt werden. Funktionseliten sind selten nur aufgrund einer Wahl oder nur aufgrund ihrer Leistung in die Position gekommen, in der sie sind. Auch Politiker müssen vor der Wahl eine beachtliche Leistung erbringen – im Volksmund wird das nicht zu Unrecht als die „Ochsentour“ bezeichnet –, und auch Mitglieder des Vorstands einer AG werden in diese Position vom Aufsichtsrat gewählt, der selbst wiederum von der Hauptversammlung der Aktionäre bestimmt wird. Im Weiteren will ich mich auf die Funktionseliten konzentrieren und insbesondere auf die Wirtschaftseliten – also die Manager –, weil ich von denen am meisten weiß und mich somit in der Lage sehe, hier fundiertere Beobachtungen und Einschätzungen mit Ihnen zu teilen. Bei den Baden-Badener Unternehmergesprächen (BBUG), die ich organisiere, kommen zweimal im Jahr für drei Wochen rund 30 Top-Manager zusammen, die in ihren Unternehmen dafür vorgesehen sind, später einmal in die oberste Führungsebene – Vorstand und Geschäftsführung – aufzurücken. In dem Programm geht es vornehmlich um die großen Querschnittsaufgaben, mit denen man sich als Wirtschaftselite auseinandersetzen muss. Um, salopp gesprochen, die Frage: Was sind die eigentlichen Herausforderungen, die wir als Unternehmenslenker gebacken kriegen müssen? Was sind die großen Aufgaben unserer Generation – unabhängig von Branche oder Funktionsbereich im Unternehmen? Die rund 500 Menschen, die ich so über die letzten Jahre bei den BBUG kennengelernt habe, sind, wenn man so will, die empirische Basis für

H O R I Z O N T

agora 42

Eliten – was zu tun wäre

BBUG Die Baden-Badener Unternehmer Gespräche werden – rechtlich und finanziell – getragen von dem gleichnamigen gemeinnützigen Verein, der 1955 zunächst unter dem Namen Gesellschaft zur Förderung des Unternehmernachwuchses e.V. (GFU) gegründet wurde. Unter den rund 120 Mitgliedern finden sich ein Großteil der DAX-30-Unternehmen genauso wie mittelständische Global Player. Zweimal im Jahr bringen die BBUG angehende und frisch berufene Vorstände und Geschäftsführer der bedeutendsten Unternehmen in Baden-Baden zusammen, um sich funktions- und branchenübergreifend mit den großen Herausforderungen ihrer Generation auseinanderzusetzen – sowohl im Unternehmen als auch darüber hinaus.

75


VER ANT WOR TUNG ÜBERNEHMEN

agora 42

In der Reihe VERANTWORTUNG ÜBERNEHMEN führen die Köpfe der Thales-Akademie offene Gespräche mit progressiven mittelständischen Unternehmerpersönlichkeiten oder stellen eigene Erfahrungen und Positionen aus ihrer Forschungs- und Bildungsarbeit zur Diskussion.

THALES-AKADEMIE:

Die gemeinnützige Thales-Akademie bietet heutigen und zukünftigen Verantwortungsträgern die Möglichkeit, fundiertes Expertenwissen und eigenständige Lösungsstrategien zu den aktuellen Herausforderungen der Wirtschaftsethik, Medizinethik und Digitalethik zu entwickeln. Hierfür bietet die Thales-Akademie praxisnahe philosophische Seminare für Unternehmen und Hochschulen sowie – gemeinsam mit der Universität Freiburg und der Hochschule Furtwangen – die berufsbegleitenden Weiterbildungen Wirtschaftsethik und Medizinethik an. Beide Weiterbildungen schließen mit dem international anerkannten Certificate of Advanced Studies (CAS) ab. www.thales-akademie.de

H O R I Z O N T Seminarhaus für die Weiterbildungen zur Wirtschaftsethik und Medizinethik in Freiburg

80


agora 42

Demokratisch arbeiten? —

H O R I Z O N T

Der Arbeitsplatz als Ort der Demokratiebildung Text: Philippe Merz

Zu den vielen Widersprüchen unseres Alltags gehört auch dieser: Wir verstehen uns gerne als selbstbestimmte Bürgerinnen und Bürger einer liberalen Demokratie, die ihre Lebensumstände selbst gestalten können, doch die meisten von uns verbringen den größten Teil ihrer wachen wöchentlichen Lebenszeit in Strukturen, die alles andere als selbstbestimmt sind – nämlich am Arbeitsplatz. Hier sind die Möglichkeiten der Selbstbestimmung sowohl im Kleinen, etwa bei einer marginalen Veränderung der Arbeitsabläufe, als auch im größeren Rahmen, etwa bei der strategischen Organisationsentwicklung, oft erstaunlich begrenzt. Auch viele Menschen, die an den Weiterbildungen und Seminaren der Thales-Akademie teilnehmen, beschreiben solche alltäglichen Erfahrungen der Fremdbestimmung auf ähnliche Weise, unabhängig davon, ob sie in einem mittelständischen Unternehmen oder einem internationalen Konzern, einer Unternehmensberatung oder einer NGO, einer Hochschule oder einem Krankenhaus arbeiten: Sie erleben Organisationen, in denen Führungskräfte einsame Entscheidungen treffen, über die die Betroffenen häufig nur den Kopf schütteln können. Sie erleben Organisationen, in denen die Beschäftigten zum Spielball der Stimmungen ihrer Vorgesetzten werden, in denen Informationen primär über informelle Netzwerke fließen, Entscheidungen auf unübersichtlichen Wegen getroffen werden oder interne Machtkämpfe nur hilflos erduldet werden können. Und nicht zuletzt erleben sie Organisationen mit intransparenten Vergütungsmodellen, in denen das Gehalt stark vom Verhandlungsgeschick jedes Einzelnen oder der persönlichen Gunst von Vorgesetzten abhängt.

Auch Arbeitgeber tragen Verantwortung für die Demokratiebildung.

Die demokratische Verantwortung von Arbeitgebern

Diese Diagnose ist zwar präzisierungsbedürftig, legt aber bereits eine dringende Frage nahe: Wie können wir eigentlich erwarten, dass Menschen dauerhaft die Demokratie unterstützen oder sogar bereit sind, sie mit klarer Haltung gegenüber autoritären Bewegungen zu verteidigen, wenn demokratische Prinzipien wie Mitbestimmung, Transparenz, Chancengleichheit und der Respekt für andere Perspektiven und Bedürfnisse in ihrem Arbeitsalltag eine derart untergeordnete Rolle spielen? Oder pointierter formuliert: Welche Verantwortung tragen nicht nur privatwirtschaftliche Unternehmen, sondern Arbeitgeber generell (etwa auch der Staat als Arbeitgeber von Lehrerinnen, Hochschulmitarbeitern, Friedhofsgärtnern, Reinigungskräften etc.), Beschäftigte in ihrem Selbstverständnis als mündige Erwachsene zu stärken? Dringend ist diese Frage aus mindestens drei Gründen: Zum einen, weil laut der aktuellen Leipziger Autoritarismus-Studie mittlerweile fast die Hälfte der BundesbürgerInnen betonen, 81


agora 42

Abschied

Zehn Jahre meines Lebens prägte mich die agora42. Zehn Jahre prägte ich die agora42.

Dies ist die letzte Ausgabe, die ich aktiv mitgestaltet habe, da ich zum ersten September das Amt des Bürgermeisters in meiner Heimatstadt Adelsheim angetreten habe. Natürlich werde ich agora42 verbunden bleiben, denn solch eine intensive Zeit legt man nicht einfach ab wie einen alten Mantel. Diese Tätigkeit war für mich weit mehr als ein Job.

H O R I Z O N T

Oft habe ich gesagt, dass ein Magazin eine hervorragende Möglichkeit ist, um mit Personen in Kontakt zu treten von denen man sich Antworten auf die Fragen erhofft, die einen selbst umtreiben. Sei es, weil man so die Gelegenheit hat, Menschen im Rahmen eines Interviews zu treffen, die man im normalen Alltag nie treffen würde; sei es, weil man Menschen um Artikel bitten kann, die die eigene Sicht auf die Dinge revolutionieren; sei es, weil man zu Vorträgen oder Podiumsdiskussionen eingeladen wird und so im Rahmen von Diskussionen den eigenen Standpunkt schärfen kann. Die intensivste Auseinandersetzung fand aber mit Frank und Tanja statt, mit denen ich die agora42 gemacht habe. Mehr als einmal brachten wir uns gegenseitig zur Weißglut, was wohl daran lag, dass es jedem von uns um mehr ging als bloß darum, den Markt um ein weiteres Magazin zu bereichern. Wir drei waren und sind stets von der Suche nach Erkenntnis geleitet – es war eine tolle Zeit!

Nun wende ich mich neuen Aufgaben zu: vom Magazinmacher zum Kommunalpolitiker. Nach meiner Wahl erfuhr ich, dass junge Bürgermeisterinnen und Bürgermeister gerade dabei sind, ein bundesweites parteiübergreifendes Netzwerk zu gründen, um sich über wichtige kommunale Zukunftsfragen auszutauschen: etwa Digitalisierung, Umweltschutz, Mobilität oder bürgernahe Politik. Deutschlandweit gibt es fast 300 junge Bürgermeisterinnen und Bürgermeister unter 40 Jahren. Sie verbindet oft eine andere, unkonventionelle Sicht auf die Dinge. Und sie alle stehen vor ähnlichen kommunalpolitischen Herausforderungen, die Verstädterung, Pfadabhängigkeiten, Sparprogramme und das immer höhere Durchschnittsalter der Landbevölkerung mit sich bringen. Aus diesem Grunde rufen junge BürgermeisterInnen nun auf den folgenden Seiten zu mehr kommunalpolitischem Engagement auf. Dieser Aufruf kann weiterhin mitgezeichnet werden und ich würde mich freuen, wenn sich noch viele weitere BürgermeisterInnen uns anschließen – denn die Zukunft unserer Kommunen geht uns alle an. Mehr dazu unter agora42.de/aufruf-bürgermeisterinnen

94


Lorem Ipsum

AUFRUF Für mehr kommunalpolitisches Engagement

Wir

– das sind junge Bürgermeisterinnen und Bürgermeister – haben uns entschlossen, uns mit diesem Aufruf an die Öffentlichkeit zu wenden, um Menschen zu ermutigen, sich auf kommunaler Ebene politisch zu engagieren. Es wird gerade Geschichte geschrieben. Die Zeiten ändern sich und ein „Weiter-so“ ist keine Option mehr. Und doch geht es gerade auch darum, das zu erhalten, was gut ist. Der schmale Grat besteht heute darin, Veränderung zuzulassen und zu gestalten und gleichzeitig Sicherheit zu bieten und Ruhe zu schaffen in einer sich permanent wandelnden Gesellschaft.

agora 42

Die Veränderung verlangt nach neuen Antworten. Zugleich verfolgt die Veränderung keinen Masterplan, folgt keiner Theorie. Das Bild der neuen Wirklichkeit ist noch nicht klar zu erkennen. Man kann es bestenfalls erahnen. Im Kleinen. Das große Bild ist viel zu vielschichtig, zu komplex, folgt zu unerwarteten, unbekannten Mustern, als dass man daraus eine Theorie der Gesellschaft entwickeln könnte. Man muss also im Kleinen anfangen. Aber wie fängt man an? Folgt das Handeln dem Nachdenken oder ist es anders herum? Das ist schwer zu beantworten, denn letztlich kann man beides nicht voneinander trennen. Aber am Ende kommt es darauf an, dass man sich engagiert und Verantwortung übernimmt. Verantwortung gegenüber den Mitmenschen. Man muss erkennen, dass das Soziale, das Zwischenmenschliche der Ausweg aus der sich überall andeutenden Krise ist. Dass nur im Sozialen die Ruhe und Sicherheit liegt, die wir uns herbeisehnen. Dieser Aufruf ist gewiss an ein elitäres Publikum gerichtet. Aber nicht an eine Elite, die sich fern der Gesellschaft fühlt. Viel mehr geht es darum, Menschen zu erreichen, die aus einem ehrlichen Interesse die Veränderung gestalten und Verantwortung übernehmen wollen. Die bereit sind, sich dort zu engagieren, wo die Veränderung konkret wird: in der Politik. Dabei geht es ganz bewusst nicht um die Politik auf globaler Ebene. Vielmehr haben wir die Kommune im Blick. Wo sonst, wenn nicht auf kommunaler Ebene, ist man näher am Menschen, am

95


IMPR E SSUM

MAGAZINMACHER Frank Augustin, Wolfram Bernhardt, Tanja Will MAGAZINMITMACHER Lia Polotzek, Janusch Tschech BEIRAT Rudi Blind, Wolfgang Kesselring, Louis Klein, Matthias Maier, Max Pohl, Richard David Precht, Birger P. Priddat, Jan Tomasic agora42 ist Medienpartner des Weltethos-Instituts und des Deutschen Netzwerks Wirtschaftsethik.

GRATIS

GESTALTUNG & LAYOUT D M B O – Studio für Gestaltung www.dmbo.de Art Direction Janina Schneider Gestaltung Anissa Kaizani, Janina Schneider FOTOGRAFIE /BILDER S. 7: Adobe Stock S. 35: Beate Engl S. 36: Galerie Christine Mayer S. 44-54: Janusch Tschech S. 55: Jose Ros Photo / Unsplash S. 80-84: Philippe Merz S. 94: Wolfram Bernhardt ILLUSTRATIONEN S. 88-93: Anissa Kaizani KORREKTORAT Ana Kugli www.wortkultur-online.de DRUCK W. Kohlhammer Druckerei GmbH + Co. KG

TESTEN SIE UNS! DAS PRAKTISCHE PROBEABO —

Für den schmalen Geldbeutel oder die Schwaben unter unseren Lesern: Mit dem Probeabo erhalten Sie zwei Ausgaben der agora42 für nur 20 Euro (inkl. MwSt. und Versand*). Doch damit nicht genug: Beim Abschluss des Probeabonnements legen wir Ihnen die Ausgabe zum Thema EINFACH LEBEN kostenlos bei. Wenn Ihnen die agora42 gefällt, brauchen Sie nichts weiter zu tun. Ihr Probeabo wird dann automatisch in ein reguläres Jahresabo umgewandelt. Sie bekommen die Ausgaben frei Haus und günstiger als beim Einzelkauf geliefert. Andernfalls können Sie das Probeabo bis spätestens 14 Tage nach Erhalt des zweiten Heftes kündigen. *Preise gelten nur im Inland. Auslandspreise auf Anfrage.

ANSCHRIFT UND KONTAKT agora42 Verlagsgesellschaft mbH Hasenbergstr. 14a 70178 Stuttgart Tel.: 0711 / 933 248 46 Fax: 0711 / 761 608 64 E-Mail: info@agora42.de www.agora42.de Einzelpreis 9,80 EUR Erscheinungsweise 4-mal jährlich – am 13. Dezember 2019 erscheint die nächste Ausgabe der agora42. Ein weiteres großes Thema der Ökonomie – philosophisch reflektiert, relevant für das Leben. ABONNEMENT Aboservice PressUp GmbH Postfach 70 13 11 22013 Hamburg Tel. 040 38 66 66 – 335 Fax: 040 38 66 66 – 299 E-Mail: agora42@pressup.de Jahresabo 39 Euro Das Jahres-Abonnement umfasst vier Ausgaben der agora42 zum Vorzugspreis von 39 Euro (inkl. MwSt. und Versand). Preise gelten nur im Inland. Auslandspreise auf Anfrage. Erhältlich in den Bahnhofs- und Flughafenbuchhandlungen in Deutschland

98


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.