1/2020 INNOVATION - Vorschau

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Ausgabe 01/2020 | Deutschland 9,80 EUR Österreich 9,80 EUR | Schweiz 13,90 CHF

AUSGABE 01/2020

INNOVATION

DAS NEUE NEUE


INHALT

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—3 EDITORIAL —4 INHALT

TERRAIN Hier werden Begriffe, Theorien und Phänomene vorgestellt, die für unser gesellschaftliches Selbstverständnis grundlegend sind.

—8 DIE AUTOREN —9 Petra Schaper Rinkel

Verschwindet die Zukunft im Innovationsrausch? — 12 Wolf Lotter

Das Neue, jenseits der Endlosschleife — 98 IMPRESSUM

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— 18 Tobias Holischka

Im Neuland nichts Neues

— 24 Frank Augustin

Design the Disaster! — 30 PORTRAIT

Ada Lovelace — Die verborgenen Wege des Neuen von Annette Pohlke


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Inhalt

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INTERVIEW

HORIZONT Auf zu neuen Ufern! Wie lässt sich eine andere gesellschaftliche Wirklichkeit denken, wie lassen sich konkrete Veränderungen herbeiführen?

— 56 DIE AUTOREN — 57 André Reichel

Zur Notwendigkeit der Neuerfindung des Neuen — 63 Frank Ruda — 38 »Wir sind komplett wirtschaftsverwahrlost«

Interview mit Christopher Lauer

Vom Neuen zur Freiheit – und zurück — 68 Edgar Göll

Lowtech statt Hightech? — 72 Kurt Seifert

Rettet uns die Revolution?

— 78 VERANTWORTUNG ÜBERNEHMEN

Regionale Ökonomie neu denken

von Lorenz Ottilinger — 84 WEITWINKEL

Das neue Spiel

von Silja Graupe — 88 Meat the Future

Ausstellung über In-vitroFleisch in Pforzheim — 96 GEDANKENSPIELE

von Kai Jannek

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DIE AUTOREN

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Petra Schaper Rinkel

Wolf Lotter ist Autor und Mitbegründer des Wirtschaftsmagazins brand eins und schreibt dort die Leitessays zu den Themenschwerpunkten. Zum Thema ist von ihm erschienen: Innovation. Streitschrift für barrierefreies Denken (Edition Körber, 2018). Aktuell schreibt er an einem Buch über die Bedeutung des Zusammenhangs in der Wissensgesellschaft. Es erscheint im Herbst 2020 bei der Edition Körber. Mehr unter wolflotter.de

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ist Professorin für Wissenschafts- und Technikforschung des digitalen Wandels und Vize-Rektorin für Digitalisierung an der KarlFranzens-Universität Graz. Im Dezember erscheint ihr neues Buch Fünf Prinzipien für die Utopien von Morgen im Picus Verlag. — Seite 9

© Foto: Janusch Tschech

— Seite 12

Tobias Holischka

Frank Augustin

Annette Pohlke

arbeitet als promovierter Philosoph und Akademischer Rat an der KU EichstättIngolstadt. Seine Forschungsthemen sind Technikphilosophie und Ortsphänomenologie. Zuletzt von ihm erschienen: CyberPlaces. Philosophische Annäherungen an den virtuellen Ort (transcript Verlag, 2016).

hat Philosophie und Geschichte studiert, dann für das Journal für Philosophie der blaue reiter gearbeitet und ist seit 2009 für agora42 | Das philosophische Wirtschaftsmagazin tätig.

studierte Geschichte, Evangelische Theologie und Interkulturelle Erziehungswissenschaften an der FU Berlin. Sie war lange als freiberufliche Dozentin und Autorin tätig. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind dabei die Alten Sprachen und die Neuen Medien. Zurzeit ist sie als Lehrerin an einem Gymnasium in Brandenburg tätig.

— Seite 18

— Seite 24

— Seite 30 8


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Verschwindet die Zukunft im Innovationsrausch? T E R R A I N

Text: Petra Schaper Rinkel

Wir brauchen mehr Innovation – wenn die zeitgenössische Politik ein Mantra beschwört, dann dieses. Allerorten wird über digitale Innovationen als Boten der Zukunft gesprochen, Regierungen streben nach technischen Lösungen und ökologischem Wachstum. Gleichzeitig ändert sich dabei nichts. Wie passt das zusammen?

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Das Neue, jenseits der Endlosschleife — Text: Wolf Lotter

Das Innovative entzieht sich der Denkroutine. In der stecken aber auch vermeintliche Revolutionäre und Scheinreformer fest. Dagegen hilft nur fröhliche Ignoranz und Selbstbewusstsein.

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Das Neue, jenseits der Endlosschleife

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Dass die Antwort darauf oft „nur zu“ lautet, ist nicht allein die Schuld eines allgegenwärtigen Absatz-Marketings, das längst nicht nur für Waren und Dienstleistungen gilt, sondern auch für Politik, Ideologie und Kultur. Es liegt auch nicht am Starrsinn der Alten, die „die Jungen“ nicht nachrücken lassen wollen – ein Satz, mit dem die Generation Z ihre Erbansprüche manifest macht. Solche Leute sollte man übrigens enterben. Es geht ihnen nur darum, den Hof zu übernehmen, aber selten, ihn neu zu bestellen oder gar auf die Idee zu kommen, ihn zu verlassen, um sein Glück zu versuchen. Das Reaktionäre ist heute überall, auch die Retro-Polarisierung in Links und Rechts ist ein Hinweis darauf. Statt gründlich und in Ruhe nachzudenken, was denn die Transformation von der Industrie- zur Wissensgesellschaft ausmacht, fährt man volle Pulle im Rückwärtsgang, den Blick fixiert in den Rückspiegel. Hauptsache, nirgendwo anstoßen. Das ist nicht innovativ. Das ist lächerlich. Vielleicht sollte man auf öffentlichen Gebäuden wie auch in den Fluren von Büros, Rundfunkanstalten und insbesondere dort, wo sich viele progressiv und transformationswillig wähnen, einfach mal ein paar unübersehbare Spruchbänder anbringen. „Die Schwierigkeit liegt nicht so sehr in den neuen 13

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Ach, schon wieder. Muss das sein? Alle reden von der Veränderung, der Erneuerung, der Innovation. Die Kräfte der Transformation scheinen uns unentwegt zu beschäftigen. Alles wird anders, heißt es, in Sachen Energie, Umwelt, Bewusstsein und Selbstverständnis. Die Moderne erfindet sich neu. Aber stimmt das auch? Der Zweifel ist der Weisheit Anfang, meinte René Descartes. Aber wer zweifelt denn wirklich am Modell? Damit ist ausnahmsweise mal nicht der Universal-Sündenbock „Kapitalismus“ gemeint und auch nicht sein modischer Kumpan „Neoliberalismus“, zwei Nebelbegriffe für die vielen Menschen, die nichts von der Wirkung der Ökonomie verstehen und von deren Möglichkeiten, eine wahrhaft emanzipierte Zivilgesellschaft zu errichten. Es ist der Zweifel daran, ob wir nur so tun, als ob das, was wir unter Innovationen verstehen, mehr ist als ein alter Hut. Verbessert das Neue und vermeintlich Neue unser Leben? Leben wir damit komfortabler und besser, leichter und selbstbewusster, selbstbestimmter und neugieriger? Kurz: Dient die Innovation dem Menschen und seinen Bedürfnissen, seien es nun die nach mehr Müßiggang oder nach Unterhaltung, lindert sie Leiden und verlängert sie ein gutes Leben? Innovation ist, was uns erfreut. Ist das neu oder kann das weg?


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Im Neuland nichts Neues —

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Unterwegs in virtuellen Welten

Text: Tobias Holischka

Virtualität ist für uns Menschen nichts Neues. Die Computertechnologie hat nun schon einige Jahre auf dem Rücken und wir haben uns daran gewöhnt, täglich viele Stunden auf Bildschirme zu starren und virtuelle Gegenstände herumzuschieben. Aber so ganz klar ist uns nicht, womit wir es da eigentlich zu tun haben. Die tatsächliche Funktionsweise von Mikrochips und SolidState-Speichern ist auch nicht so wichtig, solange die Computer tun, was sie sollen: funktionieren. Ganz ähnlich verhält es sich mit den Inhalten, die wir auf den Bildschirmen sehen: So richtig real scheinen sie ja nicht zu sein, zumindest nicht so real wie der Kugelschreiber auf dem Schreibtisch. Doch: Was im Computer passiert, hat oft ganz reale Auswirkungen auf unser Leben.

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ie real ist also das Virtuelle? Diese Frage ist ein klassischer Fall für die Geisteswissenschaften, allen voran die Philosophie, die hier für ein wenig Klarheit sorgen könnte. Geisteswissenschaftler arbeiten mit Begriffen und Konzepten. Sie vermessen nicht die sinnliche Wirklichkeit, sondern arbeiten an den Theorien, mit denen wir der Wirklichkeit begegnen. Sie können sich über Jahrhunderte mit der Frage befassen, warum es überhaupt etwas gibt und nicht vielmehr nichts. Die Arbeit an so einer Frage mag auf den ersten Blick keinen unmittelbaren lebensweltlichen Nutzen haben, aber sie ist für uns als Menschen wichtig, zumal sie auch nach einem Grund für unsere Existenz fragt. Philosophische Grundlagenarbeit, wenn man so will. Manche philosophischen Schulen bestreiten bis heute, dass es überhaupt etwas gibt. Das mag befremdlich erscheinen, wenn man sich gerade den kleinen Zeh am Türstock gestoßen hat. Aber solche Banalitäten sind für die theoretische Diskussion erst einmal unerheblich. Wichtig ist hier das große Ganze, nicht Zeh oder Türstock, sondern das Seiende an sich. Denn erst wenn geklärt ist, ob es überhaupt etwas gibt (und vielleicht auch warum), dann haben die Naturwissenschaftler eine solide Basis für ihre Analyse des Türstocks und die Mediziner eine ebensolche für die Behandlung des schmerzenden Zehs.

Die Computerisierung erschloss in dieser Zeit wirtschaftliches Neuland, das sich schon bald zum Eldorado entwickeln sollte.

Zu einem umfassenden Begreifen unserer Welt gehört sowohl eine Untersuchung der empirischen Details wie auch ein Verstehen der größeren Zusammenhänge. Und so stellt sich mit jeder neuen Erkenntnis nicht nur die konkrete Frage: „Was können wir damit machen?“, sondern auch ihr philosophisches Pendant: „Was bedeutet das für uns Menschen?“ Neue Herausforderungen

Vor fast 40 Jahren tat sich eine neue, doppelte Fragestellung auf, als der Begriff „Virtual Reality“ erstmals die Runde machte. Computer waren zu dieser Zeit noch recht selten anzutreffen. Nur wenige Branchen arbeiteten mit ihnen, einige Tüftler schraubten an ihren Heimcomputern, öffentlich präsent waren vor allem die Videospiel-Automaten. Die Computerisierung erschloss in dieser Zeit wirtschaftliches Neuland, das sich schon bald zum Eldorado entwickeln sollte. Genau genommen waren diese neuen Geräte gar nicht so neu, denn Fernseher gab es schon lange. Was neu war, war das, was sie zeigten: Es waren nicht Abbilder unserer Welt, die irgendwo mit einer Kamera aufgenommen worden waren, sei es als Nachrichtensendung oder als Spielfilm. Durch flackernde Röhrenmonitore sahen die Menschen ein neues Land wie durch ein Fenster. Es war das Land von Pong und Asteroids, von Space Invaders, Pac-Man und Donkey Kong. Aber wo fanden diese Spiele denn statt? Klar, irgendwo und irgendwie im Computer. Aber die Spielwelt war flächenmäßig offensichtlich größer als der Bildschirm. Und nicht nur das: Zwar konnten die Menschen Einfluss nehmen auf den Verlauf des Spiels, aber wirklich war das alles offenbar nicht. Der Begriff „Virtual Reality“ schien perfekt dafür geeignet diese Gegensätzlichkeit einer großen Spielfläche in einem kleinen Gerät und der wirklichen Handlungen mit unwirklichen Folgen zu fassen. Es sah zwar echt aus, war aber nicht wahr. Im Prinzip nur ein kurzweiliger Zeitvertreib, nichts weiter.

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Im Neuland nichts Neues


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Design the Disaster! T E R R A I N

— Text: Frank Augustin

Bereitschaft für‘s Neue? Fehlanzeige! Auf der einen Seite sind die hoffnungslosen Romantiker, die sich Veränderung auf die Fahnen schreiben, aber weder vom Bösen im Menschen noch von Systemzwängen etwas wissen wollen; auf der anderen die Anhänger der Wachstumsfortschrittsreligion, die sich, von Verlustängsten und Orientierungslosigkeit geplagt, ans Alte klammern.

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ch bin immer wieder baff, wenn mir in Diskussionsrunden mit ernster Miene versichert wird, die Welt sei „komplex“ oder gar „extrem komplex“. Die Folge: Man wisse überhaupt nicht, welche Auswirkungen bestimmte Entscheidungen haben und könne folglich null Komma null absehen, was die Zukunft bringe. Verwirrt blinzle ich dann in die Runde und frage mich, ob ich träume oder wache. Denn mir persönlich erscheint die heutige Welt eintönig, linear, berechenbar und emotional erstarrt. Alles scheint sich bloß zu wiederholen – und täglich grüßt das Murmeltier. Zu komplex? Nein, zu einfach; festgelegt auf ein scheinbar alternativloses Grundraster. Kollektive Unterforderung, die als Überforderung wahrgenommen wird. Mit „Komplexität“, so scheint mir, redet man sich nicht nur die allgemeine Tristesse schön, sondern hat überdies immer einen guten Grund zur Hand, um längst notwendige Entscheidungen noch mal zu vertagen. Und die Zukunft, was bringt die? Das ist leider auch nicht komplex: Die Wirtschafts- und Konsumwelt, wie wir sie kennen, wird komplett zusammenbrechen. Was jetzt immer deutlicher wird, ist eigentlich seit Beginn der 2007/08erKrise klar. Damals wurde der Weltöffentlichkeit auf dem Silbertablett serviert, dass die ökonomische Normalität verrückt geworden ist und es unmöglich so weitergehen kann wie zuvor. Widersprüchlichkeit und Aktionismus sind seitdem die Regel, vernünftige Strategien die Ausnahme. Abgesehen davon, vielleicht sogar vor allem anderen, wollen immer weniger Menschen die mit dem gängigen Wirtschaftsstyle verbundene Zerstörung der Umwelt hinnehmen – genauso wenig wie die extreme ökonomische Ungleichheit. Das alles reicht schon

dicke, um einen Grabgesang auf die alte Wirtschaftsordnung anzustimmen. Man sollte sich außerdem vor Augen führen, dass der ganze Konsumkladderadatsch nicht mehr so viel Spaß macht wie früher. Früher konnte Konsum so richtig erfüllend sein; heute nicht mehr, allein weil oft die Muße zum genussvollen Konsumieren fehlt. Außerdem fehlt dieses – die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts prägende – Gefühl des Aufbruchs ins Neue, in eine leuchtende Zukunft; es fehlen diese Unschuld und Leichtigkeit, ohne die Konsum bloß zynisch wird. Dies gilt leider auch für die Neuankömmlinge im globalen Konsumtempel aus den „aufstrebenden“ Ländern, denn erstens haben sie jahrzehnte- oder gar jahrhundertelang die Schattenseiten der leuchtenden Warenwelt kennengelernt, zweitens kommen sie in ein wirtschaftliches Umfeld, das weitaus härter umkämpft ist, und drittens in eine Natur, die nicht mehr als unerschöpfliche Ressource, sondern als Pflegefall erscheint. Glaube – nicht Vernunft!

Ich für meinen Teil glaube nicht an quasireligiöse Mythen wie ewiges oder grünes Wirtschaftswachstum und auch nicht an technischen Fortschritt, also an die Möglichkeit, die Welt grundlegend und systematisch mittels des Einsatzes technischer Neuentwicklungen verbessern zu können. Für mich basiert das, was oft leichthin unter „die Wirtschaft“ gefasst wird, auf quasireligiösen Überzeugungen und Glaubenssätzen. Wie Walter Benjamin schrieb, ist „im Kapitalismus eine Religion zu erblicken“. Nun entgegnen mir viele: „Pff, an den ganzen Quatsch glaube ich natürlich auch nicht, ich bin Realist.“ Aber schon wer es für normal hält, ein Smartphone oder Laptop zu haben, im Supermarkt einzukaufen oder sich per Bus, Bahn, Auto oder gar Flugzeug befördern zu lassen, wer also bei all dem nicht das allergrößte Erstaunen empfindet, steht mit mindestens einem Bein im Glauben. Denn ihm ist das Extreme dessen, was er da hat oder tut, nicht bewusst. Ihm ist weder bewusst, dass ein ganz und gar ungewöhnlicher und enormer jahrzehnte-, ja jahrhundertelanger Arbeitseinsatz 25

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Design the Disaster!



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Portrait

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Ada Lovelace —

Die verborgenen Wege des Neuen

Text: Annette Pohlke

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Interview

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ÂťWir sind komplett wirtschaftsverwahrlostÂŤ Interview mit Christopher Lauer

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Christopher Lauer Jahrgang 1984, wuchs in Bonn auf. Ab der elften Klasse studierte er im Förderprogramm „Fördern, Fordern, Forschen“ der Universität Bonn neben der Schule Physik. 2006 begann er an der TU Berlin ein Studium der Kultur und Technik mit Schwerpunkt Wissenschaftsund Technikgeschichte. 2008 verbrachte er an der Zhejiang Universität in China. 2009 trat Lauer der Piratenpartei bei, deren politischer Geschäftsführer er von Mai 2010 bis Mai 2011 war. Hier verantwortete er die Einführung des Systems LiquidFeedback auf Bundesebene. 2011 zog er ins Abgeordnetenhaus von Berlin ein, dem er bis zum Ende der Legislaturperiode im Oktober 2016 angehören sollte. Er war dort zunächst innen- und kulturpolitischer Sprecher der

Piratenfraktion und dann Fraktionsvorsitzender. Ab März 2014 war er Landesvorsitzender der Berliner Piratenpartei. Am 18. September 2014 trat er aus der Piratenpartei aus. 2015 war Lauer bei der Axel Springer SE „Leiter strategische Innovation“. Anschließend trat er in die SPD ein, deren Mitglied er von 2016 bis 2019 war. Momentan ist Lauer parteilos. Moritz von Uslar nannte ihn 2016 in der Wochenzeitung Die Zeit den „begnadetsten Politiker seiner Generation“. 2018 beendete er sein Studium der Kultur und Technik mit einer Arbeit über Wernher von Braun. Seit April 2018 macht er seinen Master in Wissenschafts- und Technikgeschichte an der TU Berlin. Daneben betätigt sich Lauer publizistisch sowie freiberuflich als Berater und Redner und Internet-Experte.

Fotos: Daniel Hofer

Herr Lauer, angesichts einer sich am Alten festklammernden Gesellschaft haben Sie kritisch angemerkt: „Das 20. Jahrhundert ist endgültig vorbei.“ Und: „Die Weltordnung, wie sie mal nach dem Zweiten Weltkrieg entstand (…), die ist jetzt wirklich weg.“ Das hört sich nach Schiller an: „Das Alte stürzt, es ändert sich die Zeit.“ Ist das Neue schon zu sehen – oder sehen wir gerade nur das Alte zerbröseln?

Ein bekanntes Zitat des Science-Fiction-Autors William Gibson lautet: „The future is already here, it’s just not evenly distributed.“ Das bringt es auf den Punkt. Vor ein paar Wochen war ich in Südkorea, dort ist schon mehr Zukunft als in Deutschland – zum Beispiel, was den Umgang mit digitalen Technologien oder die Verfügbarkeit von schnellem Internet angeht. Aber der Satz „Das 20. Jahrhundert ist endgültig vorbei“ drückt ja nicht nur Versäumnisse im Sinne von „Oh, darüber hätte mal jemand früher nachdenken müssen“ aus. Es geht um ein grundlegendes Problem, nämlich: „Darüber wurde überhaupt nicht nachgedacht.“ Das politische und gesellschaftliche System Europas und Deutschlands ist total festgefahren. Die Leute, die vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkriegs das Grundgesetz geschrieben und die europäische Vereinigung vorangetrieben haben, hatten die Kriege in Europa vor Augen: Zweiter Weltkrieg, davor Erster Weltkrieg, Deutsch-Französischer Krieg, immer irgendwelche bewaffneten Konflikte. Also war man nach diesen Schrecken darauf erpicht, eine – dem Anspruch nach globale – Friedensordnung herzustellen. Was man sich jedoch nicht überlegt hat, war: „Was machen wir, wenn das funktioniert? Was machen wir, wenn es 70 Jahre lang Frieden und Wohlstand gibt?“ Und so geht es heute in Europa vor allem darum, den ganzen alten Krempel irgendwie am Laufen zu halten. Wenn Sie sich die Technik, die wir im Alltag nutzen anschauen, dann ist das gefühlt zu 80 Prozent Maintenance. Man hat hier in Europa immer noch die Vorstellung: „Wir sind modern, wir sind das Neue, wir geben den Ton in der Welt an.“ Das Gefühl habe ich nicht. Das Neue passiert anderswo. Gucken Sie sich doch an, was zum Beispiel China mit seiner „Belt & Road“-Initiative macht.

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Christopher Lauer


DIE AUTOREN

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André Reichel

Frank Ruda

ist Professor für International Management & Sustainability an der International School of Management (ISM) sowie ehrenamtlicher Vorstand der elobau-Stiftung in Leutkirch im Allgäu. Seine Forschungsschwerpunkte sind unter anderem die nachhaltige Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft sowie die betriebswirtschaftlichen Implikationen einer Postwachstumsökonomie. Zum Thema von ihm erschienen: Next Growth – Wachstum neu denken (Zukunftsinstitut Verlag, 2018)

ist Senior Lecturer for Philosophy an der University of Dundee (Schottland), Gastprofessor am Institut für Philosophie der Slowenischen Akademie der Wissenschaften und Künste in Ljubljana und Professor an der European Graduate School. Zum Thema von ihm erschienen: Indifferenz und Wiederholung sowie Gegen-Freiheit. Komik und Fatalismus (beide Wallstein Verlag, 2018). — Seite 63

— Seite 57

Edgar Göll

Kurt Seifert

Kai Jannek

ist als Forschungsleiter am Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT) in den Bereichen Zukunftsforschung und Nachhaltige Entwicklung tätig. Er ist zudem Lehrbeauftragter für den Masterstudiengang Zukunftsforschung am Institut Futur der FU Berlin.

ist Sozialwissenschaftler und freier Publizist und lebt seit 35 Jahren in der Schweiz. Er hat in Basel und Tübingen studiert und war in den 1970er-Jahren als Maoist aktiv, später für kurze Zeit bei den Grünen. Von ihm sind unter anderem erschienen: Rudolf Bahro – Glaube an das Veränderbare (Ch. Links Verlag, 2002; zus. mit Guntolf Herzberg) sowie Gutes Alter. Eine Gesellschaft des guten langen Lebens für alle (edition 8, 2018; zus. mit Ruth Gurny und Beat Ringger).

ist Director Foresight Consulting bei Z_punkt. Seit der Ausgabe 01/2011 wirft er für agora42 einen Blick in die Zukunft.

— Seite 68

— Seite 72 56

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Zur Notwendigkeit der Neuerfindung des Neuen –

Text: André Reichel

Innovationen, das waren in der Wirtschaft bislang vor allem technische Innovationen. Doch technische Neuerungen alleine bringen uns heute nicht mehr weiter. Sie müssen eingebettet werden in ein neues wirtschaftliches und gesellschaftliches Umfeld, das sich durch ein ganz anderes Verständnis von Produzenten und Konsumenten auszeichnet. Was wir brauchen, ist also vor allem soziale Innovation.

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Vom Neuen zur Freiheit – und zurück

Text: Frank Ruda

Sie fühlen sich frei? Tun Sie es nicht! Denn Freiheit stellt sich heute zumeist als Gegenteil wahrer Freiheit dar. Erst wahre Freiheit kann uns aber zu einem Begriff des Neuen bringen, der nicht bloß eine versteckte Wiederholung des Alten bedeutet.

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Frank Ruda Niko Paech

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ns wird heute überall und immerzu Neues angepriesen: Das neuste Smartphone und dazu die brandneue App, der Shootingstar in der neusten Neuverfilmung, Netflix schlägt uns die neuste Staffel der neuen Serie vor. Die neue Kollektion im Pop-up-Store, das neue Modell im Autohaus, die neuen Investitionsmöglichkeiten im Beratungsgespräch, der neue Lifestyle im neuen Heft, das neue Programm der neuen Partei, die mit einem noch neueren Kandidaten antritt – wenn Neuheit zum Normalzustand geworden ist, wie neu ist sie dann noch? Wenn sie sich beständig wiederholt, hat solche Neuheit wenig Neues zu bieten – unabhängig davon, ob sie uns (dennoch) neu erscheint. Zugleich weiß jeder: Nicht alles, was glänzt, ist neu. Manches ist nur neu verpackt oder gut poliert. Eine Welt, die zunächst von allerlei Neuheiten bevölkert scheint, gibt sich letztlich, um hier Marx zu variieren, als eine „ungeheure“ Gebraucht-„Warensammlung“ zu erkennen. Diese ist das Ergebnis eines beständigen – und zudem nicht sonderlich umweltfreundlichen – Vorgangs des Selbstrecyclings. Wir leben in einer Art gigantischem Altkleidercontainer, der die Kostüme unserer privaten wie öffentlichen Bühnenshows bereitstellt und uns über immer neue Cliffhanger in die nächsten Episoden reinzieht. „Es ist, als sei man in einem Theater gefangen und müsse dem Stück auf der Bühne folgen“, möchte man mit Walter Benjamin sagen – und immer mal wieder auch mitspielen, „ob man wolle oder nicht …“. Die gegenwärtige Neuheiten-Inszenierung ist eine uneingestandene Wiederholung. Scheint alles immer neu, ist zugleich nichts wirklich neu. Das liegt an der Form der Erscheinung, also daran, dass uns alle neuen Dinge immer als Ware erscheinen. Weiß man etwa, was ein Film ist und sein kann, kann es zwar viele „neue“ Filme geben, aber nur we-

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nige davon verändern unser Verständnis dessen, was ein Film ist und sein könnte. Anders gesagt: Weil uns alle neuen Dinge als Waren erscheinen, vermag keines von ihnen, unsere Erfahrungsform zu erschüttern und damit zu öffnen. Ein Luxusanwesen in Neuseeland, ein Kaffee bei Starbucks oder ein neuer Smart sind, weil sie uns als Waren erscheinen, vergleichbar – und die Vergleichbarkeit findet sich im je besonderen Preis ausgedrückt. Daraus folgt: Will man Neues denken, muss man etwas dazu zu sagen haben, wie man Neues so denken könnte, dass es nicht bereits vorab alt gemacht wird. Voraussetzung des Neuen: Freiheit Wie aber denkt man Erneuerung auf der Ebene der Form? Wie erneuert man die Form der Erneuerung selbst? Wie denkt man Neues, wie es gedacht werden muss, nämlich in neuer Form? Man kann beginnen, diese Fragen zu beantworten, indem man sich einem der Begriffe zuwendet, der nahezu unmittelbar ins Spiel kommt, sobald man sich die Frage nach dem Ursprung von wirklichem Neuem stellt: der Freiheit. Denn Freiheit wird oft als ein Vermögen vorgestellt, das es ermöglicht, die geregelten Bahnen des Gesetzmäßigen und der Wiederholung zu verlassen. Freiheit scheint die Bedingung dafür, etwas Neues in die Welt bringen zu können. So bestimmt etwa schon Immanuel Kant Freiheit als „ein Vermögen, einen Zustand, mithin auch eine Reihe von Folgen … schlechthin anzufangen“. Doch wie frei ist die Freiheit? Ist sie so frei, selbst noch frei bestimmen zu können, in welcher Form uns die Dinge erscheinen? Ist Freiheit frei von Form? Das Problem: Wird Freiheit als ein Vermögen verstanden (als Vermögen, Neues in die Welt zu bringen), wird sie zumeist so verstanden, dass sie uns als Menschen immer schon gegeben ist. Freiheit ist – so gedeutet – für uns Menschen einfach da, ein Gegebenes. Und die Form, in der sie für uns da ist, ist die des Vermögens. Spontan denkt man, Menschen sind ausgestattet mit dem Vermögen der Freiheit. Das unterscheidet sie etwa vom Wurm. Denkt man Freiheit auf diese Weise, versteht man sie als Vermögen, uns so oder so zu entscheiden – Freiheit ist also gegeben in der Form der Wahlfreiheit. Bestimmt man Freiheit als Wahl-


Interview

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Lowtech statt Hightech? –

Zukunftsfähige Transformation und frugale Innovation H O R I Z O N T Text: Edgar Göll

Angesichts einer sich dramatisch verändernden Welt mit zunehmenden ökonomischen, ökologischen, sozialen und politischen Risiken bedarf es eines neuen Verständnisses von Innovation. So wird künftig die Entwicklung von robusten, benutzerfreundlichen und wartungsarmen Produkten, die mit geringen Anschaffungs- und Nutzungskosten verbunden sind und leicht recycelt oder in Wirtschaftskreisläufe integriert werden können, eine immer wichtigere Rolle spielen. 68


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Lowtech statt Hightech?

Innovationen – aber nachhaltig Über nachhaltige Innovationen wird seit vielen Jahren geforscht, wenngleich mit unterschiedlichen Bezeichnungen. So wurde im Bereich der „Entwicklungshilfe“ der 1970er-Jahre über „angepasste Technologien“ diskutiert, also Technologien, die in den südlichen „Empfängerländern“ auch unter den lokalen Bedingungen (Klima, Infrastruktur, Kultur, Qualifikation) tatsächlich ihre Aufgaben erfüllen können. Und auch in westlichen Ländern wurde immer umweltbewusster über Produktgestaltung nachgedacht („Ökodesign“). Einen spürbaren Schub erhielt dieses alternative Denken durch wegweisende Publikationen aus den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts. Darin wurde bereits der Grundgedanke beschrieben, der eine Dekade später zu einer der wesentlichen Fragen für industrialisierte wie auch für schnell wachsende Schwellenländer wurde: Wie können insbesondere die Bedürfnisse der rasant wachsenden neuen Mittelschicht in Schwellenländern (hier vor allem in den BRICS-Staaten: Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) angemessen befriedigt werden –

und dies sowohl unter Berücksichtigung der von westlichen Unternehmen in sogenannten Lead-Märkten vorgegebenen Innovations- und damit auch Produktions- und Konsummuster als auch unter Berücksichtigung der ökologischen Grenzen sowie sozialer und ökonomischer Qualitätsstandards? Aus dieser Fragestellung heraus entwickelte sich das Konzept der frugal technology (auch: frugal engineering oder frugal innovation), das aufgrund seiner Bedeutung in Indien auch als „Gandhian engineering“ bezeichnet wird. „Frugal“ wird dabei im Sinn von „genügsam“ verstanden. Als grobe Definition lässt sich dies als Konzept und Prozess der Reduzierung der Komplexität und der Kosten eines Produkts und seiner Produktion umschreiben. Rajnish Tiwari und Cornelius Herstatt haben frugale Innovationen als innovative Produkte und Dienstleistungen definiert, „die den Einsatz von materiellen und finanziellen Ressourcen im kompletten Produktlebenszyklus von der Entwicklung und Produktion bis hin zur Nutzung und Entsorgung zu minimieren versuchen, um die ganzheitlichen Besitz- beziehungsweise Nutzungskosten bei gleichzeitiger Gewährleistung akzeptabler Sicherheits- und Qualitätsstandards substantiell zu reduzieren“. Frugale Innovationen stehen nach diesem Verständnis für robuste, benutzerfreundliche und wartungsarme Produkte, die möglichst geringe Anschaffungsund Nutzungskosten zum Ziel haben und leicht recycelbar oder in Wirtschaftskreisläufen integrierbar sind. In zahlreichen Universitäten, Forschungseinrichtungen und Unternehmen gibt es Programme, Abteilungen und Teams, die solche genügsamen Lösungen entwickeln.

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ine zentrale Erkenntnis der jahrzehntelangen Forschungen über den American Way of Life auf der der einen und das Konzept der nachhaltigen Entwicklung auf der anderen Seite lautet, dass der westlich-kapitalistische Lebensstil nicht verallgemeinerbar ist. Dass unsere Lebensweise sich global ausbreitet, ist unmöglich, weil die dafür benötigten Rohstoffe, die Böden, Wasserreserven und Energiequellen nicht ausreichen. Auch die Verschmutzung und das Müllaufkommen würden katastrophale Ausmaße annehmen. Vor diesem Hintergrund sind angemessene Lösungen gefragt und Innovationen sowie neue Technologien spielen dabei eine wichtige Rolle.

Die zentrale Herausforderung für das Wirtschaften in unseren Gesellschaften besteht darin, in Richtung einer wirklichen Green Economy zu kommen.

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Interview

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Rettet uns die Revolution? – H O R I Z O N T Text: Kurt Seifert

Die Fridays-for-Future-Bewegung hat die Frage nach dem politischen System, das wir brauchen und wollen, neu aufs Tapet gebracht. Angesichts der auf uns zukommenden Klimakrise drängt sich einer wachsenden Zahl von Menschen die Notwendigkeit gesellschaftlicher Veränderungen auf. Unklarheit herrscht allerdings noch darüber, wie solche Veränderungen auszusehen hätten. Die alte Debatte um „Reform und Revolution“ kommt in eine neue Runde.

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Rettet uns die Revolution?

talismus. Der vielfach gefeierte Triumph der „Wende“ Ende der 1980er- und zu Beginn der 1990er-Jahre erweist sich eine Generation später als Pyrrhus-Sieg, denn nun wird die Kehrseite der durch den Kapitalismus vorangetriebenen Expansion der Warenproduktion und des Konsums von Gütern aller Art immer offenkundiger. Das für den Erfolg dieses Systems notwendige Ausmaß der Naturbeherrschung droht sich in eine Kraft der Zerstörung aller menschlichen Lebensgrundlagen zu verwandeln: Die Erderwärmung ist dafür das sichtbare, wenn auch noch kaum in allen Konsequenzen fassbare Zeichen an der Wand. Die Gesellschaft reorganisieren Rudolf Bahro hatte in Die Alternative hellsichtig geschrieben: „Die extensive Phase der Menschheit geht so oder so zu Ende, im Guten oder im Bösen. Die Gattung kann und wird ihre materielle Basis weiter qualifizieren, aber sie muss um ihrer Fortdauer willen mit der Megalomanie brechen, muss kollektive Rücksicht gegenüber dem Naturzusammenhang lernen, den sie bisher eher zu stören als zu verbessern vermocht hat. Sie muss ihren Aufstieg fortsetzen als eine ‚Reise nach Innen‘. (…) Wenn es nicht gelingt, die Gesellschaft so zu organisieren, dass sie diese Richtung rechtzeitig einschlagen kann, wird sie wenig später unter den Schlägen katastrophaler zivilisatorischer Zusammenbrüche, im Zeichen barbarischer Kämpfe und Diktaturen, dahin gezwungen werden.“

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er weitgehend in Vergessenheit geratene einstige DDR-Dissident und Philosoph Rudolf Bahro (1935–1997) setzte sich mit Fragen auseinander, die heute wieder an Aktualität gewinnen: „Warum zerstört der Mensch sich selbst und die Erde? Welche politische Wende ist nötig?“ Bahro, der Autor des 1977 erschienenen Buches Die Alternative. Zur Kritik des real existierenden Sozialismus, das ihm eine mehr als zweijährige Haft in DDR-Gefängnissen einbrachte, gehörte nach seiner Amnestierung und der Übersiedelung in die Bundesrepublik vor nunmehr 40 Jahren zu den Mitgründern der westdeutschen Grünen. Deren Einschwenken auf eine „Realo“-Linie führte bei Bahro dann allerdings recht bald zum Bruch und dem Versuch, außerhalb des Parteiensystems an Einfluss zu gewinnen. Durch seine Professur an der Humboldt-Universität in Berlin, die er in der Endphase der DDR erhalten hatte, wollte er einen Ort schaffen, um denkerische und praktische Arbeit für einen sozialökologischen Umbau der Gesellschaft zu leisten. In Die Alternative hatte Bahro eine grundlegende Kritik am Industrialismus entwickelt, der die beiden damals bestehenden gesellschaftlichen Systeme überwölbte: den westlichen Kapitalismus wie den östlichen, sogenannt real existierenden Sozialismus. Nach dem Zusammenbruch des sowjetischen Lagers ist ein einziges System übrig geblieben, das heute die gesamte Welt bestimmt – bis hin zum chinesischen Staatskapi-

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VER ANT WOR TUNG ÜBERNEHMEN

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In der Reihe VERANTWORTUNG ÜBERNEHMEN führen die Köpfe der Thales-Akademie offene Gespräche mit progressiven Unternehmerpersönlichkeiten oder stellen eigene Erfahrungen und Positionen aus ihrer Forschungs- und Bildungsarbeit zur Diskussion. Ein Schwerpunkt liegt dabei – wie auch in dieser Ausgabe – auf solchen Organisationen, die ihren „Gewinn“ nicht nur finanziell und materiell deuten, sondern gleichermaßen ökologisch und sozial. Denn ob es den Verantwortlichen bewusst ist oder nicht: Unternehmen sind immer geprägt von Werten und Haltungen, durch die sie jeden Tag über sich selbst hinaus in die Gesellschaft hineinwirken und diese mitgestalten. Umso wichtiger ist es, Menschen und Projekte sichtbar zu machen, die diese besondere Kulturverantwortung von Unternehmen bewusst wahrnehmen. THALES-AKADEMIE:

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Die gemeinnützige Thales-Akademie bietet heutigen und zukünftigen Verantwortungsträgern die Möglichkeit, fundiertes Expertenwissen und eigenständige Lösungsstrategien zu den aktuellen Herausforderungen der Wirtschaftsethik, Medizinethik und Digitalethik zu entwickeln. Hierfür bietet die Thales-Akademie praxisnahe philosophische Seminare für Unternehmen und Hochschulen sowie – gemeinsam mit der Universität Freiburg und der Hochschule Furtwangen – die berufsbegleitenden Weiterbildungen Wirtschaftsethik und Medizinethik an. Beide Weiterbildungen schließen mit dem international anerkannten Certificate of Advanced Studies (CAS) ab. www.thales-akademie.de

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Regionale Ökonomie neu denken

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Regionale Ökonomie neu denken

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Das Neue, so könnte man annehmen, finden wir heute in den zahlreichen Creative Hubs, Digital Labs und Incubators der Großstädte. Hier werden nahezu täglich digitale Geschäftsmodelle entwickelt oder hierarchiefreie Organisationsmodelle erprobt. Hier schlägt das Herz der jungen, agilen und kreativen Zukunft im Takt des Scrum-Zyklus. Trotzdem lohnt es sich, den Blick über die digitalen Metropolen hinaus ins agrarische Umland zu werfen, wenn man sich auf die Suche nach dem Neuen begibt. Denn neue unternehmerische Ideen und soziale Innovationen entstehen – so abwegig es scheinen mag – auch im Umfeld der traditionellen, anpackenden und bodenständigen bäuerlichen Landwirtschaft. Dafür ist die „Regionalwert AG Freiburg“ ein Beispiel. Ganzheitliche Wertschöpfung

Die Regionalwert AG ist eine besondere, nicht-börsennotierte Aktiengesellschaft im Bereich der Land- und Lebensmittelwirtschaft. Das Kapital der Aktionäre investiert sie in ein Netzwerk von Partnerbetrieben entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Das Spektrum reicht hierbei von der Produktion des Saatguts über den Gemüseanbau und die Weiterverarbeitung bis zum eigenen Bio-Supermarkt. Darüber hinaus verbindet sie Stadt und Land, indem sie das Kapital der mehrheitlich städtischen Aktieninhaber in kleine Betriebe im Umland investiert. Die erste Regionalwert AG wurde 2006 in Eichstetten bei Freiburg gegründet. Ihre Entstehungsgeschichte weist jedoch weiter zurück und ist das Ergebnis einer langjährigen Auseinandersetzung des Gärtnermeisters Christian Hiss mit den politischen, sozialen und ökonomischen Herausforderungen einer zukunftsfähigen Land- und Ernährungswirtschaft. Da seine biodynamische Arbeitsweise eine zu geringe ökonomische Gewinnerwartung aufwies und Banken ihm Kredite verweigerten, überführte Hiss seine Gärtnerei in die erste Regionalwert

Was hat eine Finanzanalystin mit Bienen am Hut?

AG. Was zunächst als Pionierprojekt begann und den Fortschrittsvorstellungen der konventionellen, industrialisierten Landwirtschaft entgegenstand, entwickelte sich zu einer immer weitreichenderen Möglichkeit, eine zukunftsfähige Land- und Lebensmittelwirtschaft zu gestalten. Heute investieren bereits sechs Regionalwert AGs in Freiburg, Berlin, Hamburg, Bonn, München und Bayreuth das Kapital ihrer rund 2500 Aktionäre in rund 80 ökologisch wirtschaftende Partnerbetriebe. 79


WEIT W INK EL

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Die Rubrik WEITWINKEL präsentiert plurale und kritische Perspektiven auf aktuelle ökonomische und wirtschaftspolitische Themen. Denkgefängnisse, in denen wir in politischen und alltäglichen Debatten oft unwillkürlich gefangen sind, sollen aufgezeigt und deren Mauern gesprengt werden. So soll sich der Blick auf das Neue, das Ungewöhnliche und durchaus auch Unbequeme weiten. Die Macher der Reihe WEITWINKEL sind Professorinnen und Professoren der Cusanus Hochschule, die Ökonomie im weiten Sinn verstehen – das heißt im Dialog von Wirtschaftswissenschaften, Philosophie, Kulturgeschichte, Soziologie und Politikwissenschaften. Die Cusanus Hochschule ist eine junge, staatlich anerkannte Hochschule in freier Trägerschaft, die sich als institutionelle und politische Alternative zu ökonomisierter Bildung versteht. Sie bietet innovative Studiengänge der Ökonomie (B. A. und M. A.) an, die Denken und Handeln verbinden, das soziale Verantwortungsbewusstsein stärken und auf die Neugestaltung der Gesellschaft vorbereiten.

Silja Graupe ist Professorin für Ökonomie und Philosophie an der Cusanus Hochschule in Bernkastel-Kues.

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Das neue Spiel — Die Freiheit zur Gesellschaftsgestaltung

Text: Silja Graupe

Weltweit rufen junge Menschen angesichts sozialer und ökologischer Krisen Politiker eindringlich zum Handeln auf, um zukünftigen Generationen einen lebenswerten Planeten zu hinterlassen. Wie weit aber reicht die Vorstellungskraft, um wirklich radikale Innovationen in unserer Gesellschaft anzustoßen? Radikal in dem Sinne, dass die Gesellschaft tatsächlich an ihren Wurzeln verändert wird? Diese Frage betrifft auch und gerade die Ökonomie. Können auf der Grundlage ihrer bisherigen Leitvorstellungen grundsätzlich neue, bisher nicht dagewesene Formen des Wirtschaftens und deren Einbettung in Gesellschaft und Natur gedacht und entwickelt werden? Ich bin der Überzeugung, dass dies nicht der Fall ist. Dennoch lässt sich anhand eines kurzen Streifzugs durch das ökonomische Denken eine Vorstellung davon gewinnen, wie radikale Innovationen aussehen könnten. Wirtschaft als Wettbewerb Insbesondere die Sprach- und Kognitionswissenschaften betonen die Bedeutung von Metaphern für das Denken: Zusammenhänge, die Menschen in einem bestimmten Erfahrungsbereich intuitiv verstehen (dem sogenannten Quellbereich der Metapher) werden durch Metaphern in einen anderen Erfahrungsbereich übertragen (dem sogenannten Zielbereich), um dort abstraktere und deswegen nicht unmittelbar einsichtige Zusammenhänge leichter verständlich zu machen. Auch das ökonomische Denken ist durch und durch von Metaphern geprägt. Eine Leitmetapher ist dabei die des Spiels. Adam Smith schreibt: „In dem Wettlauf nach Reichtum, Ehre und Avancement, da mag er rennen, so schnell er kann und jeden Nerv und jeden Muskel anspannen, um all seine Mitbewerber zu überholen. Sollte er aber einen von ihnen niederrennen oder zu Boden werfen, dann wäre es mit der Nachsicht der Zuschauer ganz und gar zu Ende. Das wäre eine Verletzung der ehrlichen Spielregeln, die sie nicht zulassen könnten.“ Smith ruft damit einen kognitiven Deutungsrahmen


(im Englischen Frame genannt) wach, der uns Wirtschaft als ein wettbewerbliches Spiel erscheinen lässt, in dem es scheinbar ganz selbstverständlich immer wieder von neuem um Sieg und Niederlage geht. Überdies wird ein solches Spiel von uns, wie der Geschichtswissenschaftler James P. Carse in seinem Werk Finite and Infinite Games deutlich macht, unwillkürlich als ein endliches Spiel begriffen, bei dem nach einem festgesetzten Zeitpunkt Sieger und Verlierer feststehen und an dessen Begrenzungen und Regeln (wie beim Wettlauf, dem Fußball- oder Schachspiel) die Spieler nichts ändern können. Man scheint, wie der Soziologie Pierre Bourdieu formuliert, vom Spiel gefangen zu sein. Diese Metapher, so simpel sie auch erscheinen mag, spielt eine dominante Rolle im heutigen ökonomischen Denken: Wirtschaftliches Handeln, so betonen nicht nur Vertreter der Chicago School of Economics, sei mit Spielzügen vergleichbar, die rein aus dem Interesse des eigenen Gewinn(en)s heraus vollzogen würden. Ebenso wie es für eine Hürdenläuferin undenkbar wäre, mitten im olympischen Finale einer gestrauchelten Konkurrentin über die Hindernisse zu helfen, so soll es für Unternehmer schlicht unvorstellbar sein, zugunsten eines von der Pleite bedrohten Wettbewerbers auf den eigenen geldwerten Vorteil zu verzichten. Fragen der zwischenmenschlichen Moral und des Gemeinwohls können sich so, wenn überhaupt, allein auf der Gesetzesebene stellen, nicht aber inmitten des wirtschaftlichen Alltags selbst. Das bedeutet, dass sich auf diese Weise eine radikale Innovationskraft nicht vorstellen lässt, da die wirtschaftlichen Akteure die Voraussetzungen des Wettbewerbs als vollkommen unabänderlich hinnehmen und ihnen gegenüber absolut passiv erscheinen. Denn stets wird eine äußere, von ihnen unbeeinflussbare Kraft angenommen (je nach Weltanschauung Gott, die unsichtbare Hand oder der Staat), die die Spielregeln für die Akteure unabänderlich festschreibt. Und selbst diese Kraft kann den Wettbewerb im Inneren der Wirtschaft lediglich durch Regeln bändigen, nicht aber seinen kompetitiven Charakter an sich aushebeln.

»Finite players play within boundaries; infinite players play with boundaries.« Aus: Robert P. Carse (1986): Finite and Infinite Games.

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»A finite game is played for the purpose of winning, an infinite game for the purpose of continuing the play.« Aus: Robert P. Carse (1986): Finite and Infinite Games.

Welches Spiel? Ein Blick auf das „Klimapaket“ der Bundesregierung vermag bereits zu veranschaulichen, wie dominant dieses Bild der Wirtschaft ist – traut sich die Politik doch allenfalls, die Spielregeln des Wettbewerbs ein wenig abzuwandeln, nicht aber, sie in Frage zu stellen. So versucht man einfach, die Natur in ein preisförmig bewertbares und damit handelbares Gut (Quantitäten an CO2) umzuwandeln, um mit diesem „Gut“ dann das Marktspiel weiterspielen zu können. Sodann stellt man für Unternehmen und Haushalte die Hürden des Spiels ein wenig um (Anreize), ohne aber je das Rennen um den individuellen Sieg zu unterbinden. Richtig ist: Solange man die Wirtschaft als wettbewerbliches Spiel nach vorgegebenen Regeln versteht und praktiziert, solange sollte man tatsächlich auch alles daran setzen, diese Regeln politisch so gut und fair wie möglich auszugestalten. Doch eine Vorstellung wirklich radikaler Innovation sieht anders aus: Sie müsste das als Konkurrenzkampf nach vorgegebenen Regeln verstandene Spiel als solches unsinnig erscheinen lassen. Wie das gehen könnte, lässt sich in Anlehnung an den oben bereits erwähnten James P. Carse aufzeigen: Was wäre, wenn wir uns die Wirtschaft als ein Spiel vorstellen, das wir nicht um des Sieges willen spielen, sondern mit dem Ziel, es so lange wie möglich fortzusetzen? Wenn wir das Spiel also nicht als endlich, sondern als unendlich begreifen würden? Wenn wir seine Regeln und Grenzen gemeinsam immer wieder neu bestimmten, um so viele Menschen wie möglich im Spiel zu halten, auf dass sie es immer weiter – von Generation zu Generation – tragen? Doch können wir uns wirklich als gemeinsinn-orientierte Gestalterinnen und Gestalter einer Wirtschaft verstehen lernen, in der nicht der eigene Sieg, sondern etwa die dauerhafte soziale Organisation der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse und die Erhaltung der Natur im Vordergrund stünde? Zunächst müssten wir dafür die Vorstellung einer – von einer äußeren 85

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Gehalt ist immer ungerecht


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Meat the Future H O R I Z O N T

Ausstellung über In-vitro-Fleisch in Pforzheim Wie werden wir uns in Zukunft ernähren? Liegen bald nur noch Bohnen, Reis und Algenburger auf unseren Tellern? Oder gar Insekten? Bis zum Jahr 2050 wird die Weltbevölkerung voraussichtlich auf 9 Milliarden Menschen anwachsen, die Fleischherstellung könnte sich im selben Zeitraum weltweit auf 465 Millionen Tonnen jährlich fast verdoppeln, so die Prognosen. Mit den bisherigen Methoden der Fleischproduktion und dem aktuellen Konsumverhalten kann dieser Bedarf an tierischen Proteinen nicht gedeckt werden, von den ökologischen Folgen einer drastischen Ausweitung der Produktion ganz abgesehen. Bereits heute ist die Fleisch- und Milchproduktion für 14 Prozent der klimaschädlichen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Im Fleischatlas 2018 der Böll-Stiftung ist zu lesen, dass die 20 größten Konzerne der Branche mit ihren jährlichen Emissionen sogar Deutschland, das viertgrößte Industrieland der Welt, übertreffen. Kon88

krete Pläne zur Senkung der Emissionen liegen nicht vor. Es ist also nicht nur das Tierleid, das die Frage nach Alternativen und Innovationen als dringender denn je erscheinen lässt. A.K.T;

Cellbricks, Innocent Meat, SuperMeat – mittlerweile haben sich einige Startups dieser Herausforderung gestellt. 2013 hatte der niederländische Biologe Mark Post seinen Gästen öffentlichkeitswirksam einen Labor-Burger im Wert von insgesamt 330.000 US-Dollar aufgetischt. Inzwischen soll der Preis des Burgers, den seine Firma Mosa Meat in die Supermarktregale bringen will, dank hocheffizienter Verfahren bei etwa 11 US-Dollar liegen. Dieser beeindruckenden Preisreduktion zum Trotz, sieht die ökologische Bilanz der Fleischinnovationen aus den Laboren unerwartet schlecht aus. So stieg der Energieverbrauch sogar noch an. Zwar hält das „cultured meat“ dem Vergleich mit Rindfleisch noch stand, dem mit Geflügel jedoch nicht mehr. Es bleibt abzuwarten, ob in der Herstellung des neuen Fleischs weitere Innovationen möglich sind, die über das Geschmacksdesign hinausgehen.

Der A.K.T; ist ein Ort für gesellschaftliche Diskurse und ein interdisziplinäres Labor der Zukunft. Aktuelle Fragestellungen werden im A.K.T; aus dem Blickwinkel des Designs und der Kunst beleuchtet und deren gesellschaftliche Relevanz sichtbar gemacht. Der Treppenhausturm der ehemaligen Alfons-Kern-Schule in Pforzheim bietet auf den beiden mittleren Stockwerken Raum für regelmäßige Ausstellungen. Auf der obersten Etage gehen Studierende des Master-Studiengangs „Design & Future Making“ der Hochschule Pforzheim im MAD LAB Zukunftsfragen nach.


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Meat the Future

NEXT NATURE NETWORK

CUBE DESIGN MUSEUM

Das Cube Design Museum in Kerkrade ist das erste Museum der Niederlande, das sich ausschließlich dem Design widmet. Es bietet Einblicke in den Designprozess und lädt den Besucher ein, aktiv über die Gestaltung der Welt nachzudenken.

Unterdessen muss das neue Fleisch seinen Weg auf unsere Teller finden. Für die Ausstellung Meat the Future im A.K.T; in Pforzheim, die vom Cube Design Museum und dem Next Nature Network konzipiert wurde, hat ein Team aus Köchen, Designern, Ingenieuren und Künstlern daher 30 Zuchtfleischgerichte entwickelt, die in Zukunft auf unseren Tellern liegen könnten. Weil sich Zuchtfleisch noch in der Entwicklung befindet, kann man die Gerichte (noch) nicht essen. Sie können allerdings ein Ausgangspunkt sein, um über die Esskultur der Zukunft

nachzudenken und zu diskutieren. Ergänzt wird die Ausstellung von weiteren künstlerischen und wissenschaftlichen Positionen zur Ernährung der Zukunft. Den Auftakt bildet die Vernissage am 12.12.2019: Hier berichten Ira van Eelen (Mitbegründerin von Kind Earth-Tech und Vorsitzende der Invitromeat Foundation), Prof. Axel Kolaschnik (Fakultät für Gestaltung der Hochschule Mannheim) und Dr. Daniel Mohr (Plumento Foods GmbH) aus Forschung und Praxis, die Moderation übernimmt Dr. Ana Kugli. Mehr dazu unter: www.akate.de

Futuristic Meat Menue Fleischiger B52Cocktail Experimentiere mit herzhaften Cocktails auf Basis von Zuchtfleisch und mixe, schäume und shake richtig drauf los! Kreiere so die fleischige Variante des klassischen B-52-Cocktails. Kombiniere wahlweise gezüchteten Speck mit Whisky oder Walfleisch mit Sake. Auch in einer reinen Proteinvariante zu haben, um alle erforderlichen Nährstoffe auf effiziente Weise einzunehmen. 89

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Das Next Nature Network ist ein Netzwerk aus Machern, Denkern, Pädagogen und Unterstützern unterschiedlichster Disziplinen aus 44 Ländern. Das NNN initiiert Publikationen, Veranstaltungen und Wanderausstellungen zu Fragen rund um die Zukunft unserer Natur.


IMPR E SSUM

CHEFREDAKTEUR Frank Augustin REDAKTION Janusz Czech, Eneia Dragomir, Patricia Nitzsche, Lia Polotzek, Tanja Will BEIRAT Rudi Blind, Wolfgang Kesselring, Louis Klein, Matthias Maier, Max Pohl, Richard David Precht, Birger P. Priddat, Jan Tomasic agora42 ist Medienpartner des Weltethos-Instituts und des Deutschen Netzwerks Wirtschaftsethik. GESTALTUNG & LAYOUT D M B O – Studio für Gestaltung www.dmbo.de Art Direction Janina Schneider Gestaltung Anissa Kaizani, Janina Schneider

als

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FOTOGRAFIE /BILDER Bildelement cover: designed by freepik S. 7: chuttersnap / Unsplash S. 5, 28-52: Daniel Hofer S. 55: victor / Unsplash S. 78: Thales-Akademie S. 79-83: Lorenz Ottilinger / Bela Hagel S. 88-93: Nichon Glerum / Francesca Barchiesi ILLUSTRATIONEN S. 30-37, 96: Anissa Kaizani KORREKTORAT Ana Kugli www.wortkultur-online.de DRUCK W. Kohlhammer Druckerei GmbH + Co. KG

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ANSCHRIFT UND KONTAKT agora42 Verlagsgesellschaft mbH Hasenbergstr. 14a 70178 Stuttgart Tel.: 0711 / 933 248 46 Fax: 0711 / 761 608 64 E-Mail: info@agora42.de www.agora42.de Einzelpreis 9,80 EUR Erscheinungsweise 4-mal jährlich – am 27. März 2020 erscheint die nächste Ausgabe der agora42. Ein weiteres großes Thema der Ökonomie – philosophisch reflektiert, relevant für das Leben. ABONNEMENT Aboservice PressUp GmbH Postfach 70 13 11 22013 Hamburg Tel. 040 38 66 66 – 335 Fax: 040 38 66 66 – 299 E-Mail: agora42@pressup.de Jahresabo 39 Euro Das Jahres-Abonnement umfasst vier Ausgaben der agora42 zum Vorzugspreis von 39 Euro (inkl. MwSt. und Versand). Preise gelten nur im Inland. Auslandspreise auf Anfrage. Erhältlich in den Bahnhofs- und Flughafenbuchhandlungen in Deutschland


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