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VERNUNFT – EINE KNAPPE RESSOURCE Interview: Richard David Precht Vernunft ist das stärkere GefĂźhl

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www.agora42.de


I NHA LT

agora42

Personen

06

Editorial

*OUFSWJFX t Richard David Precht

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Prolog

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Parallaxe gefährliche liebschaften

14

Ökonomische Theorien die tausend tode des george clooney

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Philosophische Perspektive was ist vernunft?

22

Grundannahmen der Ökonomie das kleinkind in der ökonomie

28

Elena Esposito die risiken der rationalität

32

Steve Keen nonsens bleibt nonsens

40

Carsten Deckert pick a fight! mit streitlust zur innovation

44

Frank Augustin die vernunftkrise

48

54

60

64

Vernunft ist das stärkere Gefühl

82

Speaker‘s Corner

Felix Geiger/Arash Vasséi liebeserklärung an die theorie der finanzmärkte

86

Portrait gottfried wilhelm leibniz

Joachim Weimann die vernunft zwischen ökonomie und ökologie

92

Gedankenspiele

94

Zahlenspiele

Michael Günter ein lob der unvernunft

96

Plutos Schatten

Auf dem Marktplatz

98

Impressum

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E DI T OR I A L „Ich hoffe, liebe Leserin, lieber Leser, Sie sind nicht vernünftig – sonst würde ich mir Sorgen um Ihr Wohlergehen machen. Denn wie ist es heute um die Vernunft bestellt? Den Rahmen unserer Lebenswirklichkeit gibt, wie man nicht müde werden kann zu betonen, die Ökonomie vor. Das muss nicht immer auf so drastische Weise deutlich werden wie durch die Aussage des Chefs der US-Bank Goldman Sachs, demzufolge Banken „Gottes Werk“ verrichten; auch hierzulande lässt sich gut beobachten, was, bei allen Relativierungen, höchste Priorität hat: „Wachstum zu schaffen, das ist das Ziel unserer Regierung“, ließ zum Beispiel die Bundeskanzlerin verlauten. Wohlgemerkt: Das Ziel besteht nicht vor allem darin, sich für den Erhalt von Frieden und Freiheit einzusetzen oder für mehr Gerechtigkeit zu sorgen. Man geht vielmehr davon aus, dass eine funktionierende Wirtschaft alles andere nach sich zieht. Bereitwillig lässt man sich an die „unsichtbare Hand“ nehmen – nicht Gottes, nein, der Ökonomie. Die Ökonomie gibt die Rahmenbedingungen für alle vernünftigen Gedanken und Handlungen vor. Folglich ist Vernunft kein Korrektiv der Ökonomie, sondern deren Bestandteil. Es scheint, als ob sich unsere Perspektive verkehrt hätte: Unser Hauptaugenmerk liegt nicht auf unserer unmittelbaren Lebenswirklichkeit, sondern wir sehen uns als Teil eines großen, vernünftigen Prozesses, den wir am Laufen halten müssen. Zuerst das „große Ganze“ der Ökonomie, dann darf ich mich auch wieder um meine (bescheidenen) Bedürfnisse kümmern. Natürlich weiß jeder, dass es eine solche ökonomische Ordnung nicht gibt wie ein bestimmtes Ding – sie ist eine Vorstellung, ein Bild, das wir uns machen, oder ein abstraktes Modell, das wir entwerfen. Es gibt Maschinen, Arbeiter, Produkte, Händler etc., aber der Wirtschaft wird noch niemand begegnet sein. Dennoch ist die Vorstellung das Entscheidende. Denn das, was unser Leben maßgeblich bestimmt, was zum Beispiel darüber entscheidet, ob die Firma, in der ich arbeite, und damit auch die Maschine, an der ich stehe, weiterhin existiert, hängt maßgeblich (und heute mehr denn je) davon ab, welches Bild man sich von „der Wirtschaft“ macht. Wenn man zum Beispiel der Meinung ist, es sei gut für „die Wirtschaft“, dass man Unternehmen subventioniert, kann dies zur Folge haben, dass ich meinen Arbeitsplatz behalte; je nachdem, welche Schlussfolgerungen ich aus der abstrakten Vorstellung der „Globalisierung“ ziehe, wird dies sehr konkrete Folgen dafür haben, welche Industrie an welchem Ort angesiedelt sein wird u. Ä.

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Wir tun beinahe so, also ob wir „der Wirtschaft“ jeden Morgen in der Straßenbahn begegnen würden – dabei existiert ein Ganzes der Wirtschaft nur in unserer Vorstellung beziehungsweise im Modell. So wenig, wie ein Naturwissenschaftler sich mit den Naturgesetzen zum Mittagessen verabreden kann, wird einem Ökonomen (einem Unternehmer, einem Politiker) ein Tête-à-Tête mit „der Wirtschaft“ gelingen. Letztlich gibt es keine nachvollziehbaren Gründe dafür, warum eine wirtschaftliche Strategie „erfolgreich umgesetzt“ werden konnte oder „funktioniert“ hat. Der Erfolg eines Modells hängt in erster Linie davon ab, wie glaubhaft es ist – mithin davon, wie viele Menschen und wie viele Menschen in entscheidenden Positionen von einem bestimmten Glauben, das heißt einer bestimmten Vorstellung von Wirtschaft, überzeugt sind. Unsere Vernunft ist also heute gespalten. Auf der einen Seite sehen wir klar und deutlich, dass die Vorstellung von einer „Wirtschaft“ als Ganzes sich unserem Zugriff entzieht, dass Ökonomie Glaubenssache ist, auf der anderen Seite haben wir zugelassen, dass diese Vorstellung unser ganzes Leben „vernünftig“ strukturiert. Schon in wenigen Jahren werden uns unsere Kinder fragen, wie wir im Ernst an die Existenz einer solchen Ökonomie glauben konnten – einer Ökonomie, von der wir angenommen haben, sie verstehen oder gar lenken zu können. Wir werden uns dasselbe fragen.“

Frank Augustin Chefredakteur

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½ LPOPNJ T DIF 5 IF PS JFO

DI E TAU S E N D T ODE DE S G E OR G E CLO ON EY

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14

BHPSB t ½LPOPNJTDIF 5IFPSJFO t DIE TAUSEND TODE DES GEORGE CLOONEY


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BHPSB t ½LPOPNJTDIF 5IFPSJFO t DIE TAUSEND TODE DES GEORGE CLOONEY

15


1 I J MP T P QIJ T DIF 1FST Q F L U J WF

WA S I S T V E R N U NF T ? 7FSOVOGU HSJFDIJTDI nous, logos, dianoia MBUFJOJTDI ratio, intellectus FOHMJTDI reason MFJUFU TJDI WPO vWFSOFINFOi BC VOE IBUUF JN EFVUTDIFO 4QSBDIHFCSBVDI VSTQSàOHMJDI EJF #FEFVUVOH WPO vSJDIUJH BVêBTTFOi VOE WPO vÃCFSMFHVOHi BMT EFN 7FSNÚHFO EBT &SMFCUF JN (FJTUF [V WFSBSCFJUFO %B FT OJDIU NÚHMJDI JTU FJOF TJOOWPMMF 6OUFSTDIFJEVOH [XJTDIFO vQSBLUJTDIFSi VOE vUIFPSFUJTDIFSi 7FSOVOGU [V USFêFO EJF 7FSTVDIF EJFT [V UVO IBCFO [V FJOJHFS 7FSXJSSVOH HFGàISU CMFJCFO ESFJ WPSIFSSTDIFOEF #FHSJêF WPO 7FSOVOGU EJF 7FSOVOGU BMT 0SEOVOHTQSJO[JQ EBT .FOTDI VOE 8FMU EVSDIXBMUFU EJF 7FSOVOGU BMT 6OUFSTDIFJEVOH VOE EJF 7FSOVOGU BMT 3FTVMUBU FJOFS 6OUFSTDIFJEVOH

18

BHPSB t 1IJMPTPQIJTDIF 1FSTQFLUJWF t WAS IST VERNUNFT?


1. Die Vernunft als Ordnungsprinzip

2. Die Vernunft als Unterscheidung

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Metaphysik (von griechisch ta meta ta physika: das, was hinter der Natur steht): Lehre, die von den ersten Prinzipien und Ursachen der Dinge und den Zusammenhängen des Seins handelt.

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32

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C a rs te n De cke r t

PIC K A F IG H T ! M I T S T R E I T LU S T ZUR I N N OVAT ION Der österreichische Psychotherapeut Paul Watzlawick hat einmal in einem Interview erklärt, dass Menschen in beratenden Berufen – seien sie nun Psychotherapeuten oder Unternehmensberater – in Bezug auf ihre Klienten vor einer paradoxen Anforderung stünden. Die Anforderung lautet: „Ändere mich, ohne mich zu ändern.“ Das heißt, der Klient würde zwar gerne sein Problem lösen, aber nicht auf Kosten einer Veränderung des Status quo. Vor einer ähnlich paradoxen Anforderung stehen Innovatoren im Unternehmen. Die Anforderung, die dort gestellt wird, lautet: „Betreibe Innovation, ohne zu erneuern“. Das bedeutet, dass Unternehmen sich gerne Innovationen wünschen, aber wiederum nicht auf Kosten einer Veränderung des Status quo.


Wie kommt es zu diesem Widerspruch? Innovationen haben entgegen der landläufigen Meinung nicht nur positive Auswirkungen. Deswegen schrieb der Ökonom Josef Alois Schumpeter bereits Anfang des 20. Jahrhunderts von einem „Prozess der schöpferischen Zerstörung“. Viel ist bereits über den „schöpferischen“ Anteil geschrieben worden. Wenig Beachtung wird hingegen meist der damit einhergehenden „Zerstörung“ geschenkt. Die amerikanische Choreografin Twyla Tharp beschreibt diesen zerstörerischen Aspekt in ihrem Buch The Creative Habit wie folgt: „Creativity is an act of defiance. You’re challenging the status quo. You’re questioning accepted truths and principles.“ Dies führt natürlich zu entsprechenden Widerständen, die zum Beispiel darin bestehen, dass an den alten Technologien festgehalten werden soll: „old technologies fight back.“ Aber kommen Innovationen nicht auf ganz vernünftige Art und Weise zustande? Um diese Frage zu beantworten, können wir vereinfachend zwei Typen unterscheiden, die am Innovationsprozess beteiligt sind: den Erfinder und den Unternehmer. Der Erfinder ist im Wesentlichen sachorientiert. Er versucht lediglich naturwissenschaftlich-technisches Wissen zu gewinnen, mit dem er ein bestimmtes Problem lösen kann. Der Gedanke, ob die Lösung eine weitergehende Anwendbarkeit besitzt, sprich ob andere Menschen damit etwas anfangen können, kommt dem Erfinder oft gar nicht in den Sinn. Wenn er sich doch für eine breitere Anwendung seiner Ideen interessiert, so glaubt er, seine Idee werde die Menschen durch ihre technische

Raffinesse quasi automatisch überzeugen. H. G. Wells schrieb bereits 1922 über den Erfinder in A Short History of the World: „There is a necessary unworldliness about a sincere scientific man; he is too preoccupied with his research to plan and scheme how to make money out of it. The economic exploitation of his discoveries falls very easily and naturally, therefore, into the hands of a more acquisitive type.“ Der „mehr erwerbsorientierte Typ“ ist der Unternehmer: Der Unternehmer interessiert sich im Gegensatz zum Erfinder nur rudimentär für das der Produktidee zugrunde liegende Wissen. Für ihn zählt einzig und allein, wie er die Produktidee für eine breite Masse nutzbar und damit wirtschaftlich verwertbar machen kann. Der Unternehmer hat eine Vision von einer besseren Lebensqualität, die er mit Hartnäckigkeit und dem unbedingten Willen zum Erfolg verfolgt. Dieser Vision ordnet er alles andere unter. Er weiß, dass die Popularisierung eines neuen Produkts harte Arbeit ist, ist aber in der Regel auch bereit, sein gesamtes Vermögen in seine Idee zu investieren. So schreibt Schumpeter über den Unternehmer in seinem 1912 erschienenen Werk Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung: „Unser Mann der Tat folgt nicht einfach gegebener oder unmittelbar zu erwartender Nachfrage. Er nötigt seine Produkte dem Markte auf. Das ist ein jedem Geschäftsmanne vertrauter Vorgang. Wenn ein neues Produkt auf einem Markte eingeführt werden soll, so gilt es, die Leute zu seinem Gebrauche zu überreden, unter Umständen sogar zu zwingen.“

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I nte r v ie w mi t R ich ard Dav id Pre cht

V E R N UN F T I S T DA S S TÄ R K E R E G E F Ü H L


Herr Precht, Ihr Buch Wer bin ich – und wenn ja, wie viele? hat sich bereits über eine Million mal verkauft, in den Medien sind sie ein gefragter Gesprächspartner. Liegt Ihr Erfolg auch darin begründet, dass es in der Gesellschaft ein gesteigertes Bedürfnis nach Orientierung gibt? Ich freue mich, dass Ihre Frage mit dem schönen Wort Orientierung und nicht mit dem Wort Sinn versehen wurde. Denn das Buch gibt definitiv keine Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens und ist entsprechend für Sinnsucher auch nicht sehr befriedigend. Orientierung gefällt mir sehr viel besser. Ich habe versucht, ein Buch zu schreiben, welches in das Dickicht der verschiedenen Wissenschaften, die sich mit dem Menschen beschäftigen, einen Pfad schlägt: Was ist denn der Stand der Dinge beispielsweise aus Sicht der Hirnforscher? Was sagen welche Psychologen und was welche Philosophen? Was sagen uns die Primatenforscher, was können wir von ihnen lernen? Es geht also weniger darum, eine Orientierung im Alltag, als vielmehr eine Orientierung im Dickicht der Wissenschaften zu leisten. Je komplizierter eine Lebenswirklichkeit ist, umso schwieriger ist es, sich in ihr intuitiv zurechtzufinden. Und da wir in der kompliziertesten aller bisher auf diesem Planeten bekannten Wirklichkeiten leben, ist es auch kein Wunder, dass Orientierungsverlust damit einhergeht und die Menschen nach Orientierung suchen. Das liegt natürlich auch daran, dass wir wahnsinnig hohe Ansprüche an unser Leben stellen – weil wir wohlhabend sind und viel Zeit haben. Der Orientierungsverlust entsteht also nicht nur dadurch, dass alles unübersichtlich geworden ist, sondern auch dadurch, dass wir in allen Bereichen das Optimum herausholen wollen und nicht wissen, auf welche Weise uns dies gelingen kann. Wo es an Orientierung fehlt, ertönt schnell der Ruf nach Werten. Welches sind Ihrer Meinung nach die Werte, die wir in Zukunft brauchen? Ehrlich gesagt, bin ich nicht der Meinung, dass neue Werte erfunden werden müssen. Die Grundwerte, an denen sich die Menschen orientieren, ähneln sich sehr. Es gibt ein paar Ausnahmen wie das Gleichheitsprinzip, welches in der abendländischen Kultur 2000 Jahre lang für Frauen nicht galt. In der islamischen Welt verhält es sich heute noch so. Und natürlich gibt es eigene Kodizes sowie eigene Begrifflichkeiten und Vorstellungen. Aber grundsätzlich sind die Ansichten darüber, was im Leben wichtig ist – halbwegs ehrlich zu sein, korrekt zu sein, anständig zu sein, zuverlässig zu sein, andere Leute

1FSTPOFO t *OUFSWJFX NJU 3JDIBSE %BWJE 1SFDIU t VERNUNFT IST DAS STÄRKERE GEFÜHL

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nicht wahllos umzubringen, nicht zu klauen –, in jeder Kultur ähnlich. Das Problem besteht eher in der Vermittlung dieser Werte. Im Grunde genommen haben Philosophen auch nie über den Inhalt von Werten diskutiert, sondern stets nur über deren Objektivität beziehungsweise die Art und Weise, wie man sie in der Gesellschaft etablieren kann. Zwischen Kant und Aristoteles gibt es, trotz 2000 Jahren, die dazwischen liegen, keinen großen Unterschied hinsichtlich der Wertvorstellungen. Auch hier gibt es Ausnahmen: Nietzsche zum Beispiel oder einige Anarchisten. Aber insgesamt kann man sagen, dass sich über 90 Prozent der abendländischen Philosophen, wenn sie abends beim Bier sitzen würden, über den Inhalt der Werte verständigen könnten. Allerdings: Darüber, wie man die Werte institutionalisieren, verbindlich machen und begründen muss, gibt es keine Einigkeit. Wir stehen also vor der Frage: Wie implementieren wir die alten Werte wieder so im System, dass sie funktionieren und beherzigt werden? Wer könnte die offensichtlich notwendige Vermittlung der Werte leisten? Das war früher sicherlich einfacher als heute, insbesondere in autoritären Gesellschaften. Im Mittelalter beispielsweise musste man an Gott glauben und sich die Weisheiten der Kirche aneignen. Es gab klare Vorstellungen darüber, wie die Welt strukturiert ist, was du zu glauben hast, wonach du dich richten und wie du leben sollst. Alles war genau vorgeschrieben. Der Idee nach verhielt es sich im Sozialismus genauso, wobei es dort schon weniger eindeutig wurde. Heute leben wir in freiheitlichen Gesellschaften, in denen Eltern und Lehrer Werte vermitteln. Zudem findet eine Art Selbsterziehung zu Werten in der Pubertät, vor allem durch Freunde, statt. Eine ganze Reihe von Forschungen besagt, dass sich die Zementierung des Wertekosmos zwischen dem neunten und dem 15. Lebensjahr vollzieht, also relativ spät. Vor allem aber haben wir heute eine von der Wirtschaft gelenkte Medienmacht, die in unzähligen Werbespots versucht, dich zu überzeugen, dass du den Premiumtarif ergattern, dir Vorteile gegenüber den anderen verschaffen musst, weil du ja nicht so doof bist wie die. „Zock dir das Optimum in deinem Leben ab!“ Wir sind einer millionenfache Berieselung ausgesetzt, einer tagtäglichen Erziehung zum Egoismus. In der Summe stehen wir einem Millionenheer von Propagandisten gegenüber, die von morgens bis abends an unsere niederen Instinkte appellieren. Daher kann man durchaus den Eindruck gewinnen, dass unsere Gesellschaft diesem Druck langfristig mit dem bisschen Restmoral aus dem Christentum und dem bisschen Pädagogenmoral nicht mehr gewachsen ist – und das ist ein echtes Problem.

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1FSTPOFO t )FSCFSU #SFHFS t DAS GROSSE GANZE DER VERNUNFT – GOTTFRIED WILHELM LEIBNIZ

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zahlenspiele

L E I B NIZ ’ B E W E I S VON 2 + 2 = 4 Definitionen: 1) 2 ist 1 und 1 2) 3 ist 2 und 1 3) 4 ist 3 und 1 Axiom: Wenn man Gleiches an die Stelle setzt, bleibt die Gleichung bestehen. Beweis: 2+2 = 2+1+1 (aus Def. 1) = 3+1 (aus Def. 2) = 4 (aus Def. 3) Also: nach dem Axiom: 2+2 = 4

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