SV Genderreport 2016/17

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Eine Erhebung zum Geschlechterverhältnis in der österreichischen Schüler_innenvertretung.

Schuljahr 2016/17


Impressum Medieninhaberin, Herausgeberin, Verlegerin: Aktion kritischer Schüler_innen Bundesorganisation I Chefinnenredaktion: Laura Untner I Layout: Laura Untner I Redaktion: AKS Bundesorganisation I Quellen: SV-Genderreport der AKS, Statistik Austria, Frauenbericht 2012 des Bundesministeriums für Frauen und Öffentlichen Dienst, Österreichisches Parlament I Aktion kritischer Schüler_innen, Amtshausgasse 4, 1050 Wien, Österreich I ZVR: 270200209 I DVR: 0763586 Wien, März 2017

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Vorwort der Bundesvorsitzenden der Aktion kritischer Schüler_innen --------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Frauen* verdienen in Österreich immer noch rund 23 Prozent weniger als Männer*. Im österreichischen Nationalrat sind von 183 Abgeordneten 56 weiblich*, das sind 30,06 Prozent. Damit liegt Österreich weit unter dem europäischen Durchschnitt. Nur drei von 14 Regierungsmitgliedern sind Frauen*. Jede fünfte Frau* wird Opfer von häuslicher Gewalt. Fakten wie diese zeigen, dass Frauen* in unserer Gesellschaft diskriminiert und benachteiligt werden. Doch die Benachteiligung von Frauen* beginnt nicht erst ab dem Erwachsenenalter, sondern schon viel früher. In der Sekundarstufe II gibt es in Österreich mehr Schülerinnen* als Schüler*, trotzdem spiegelt sich dieses Verhältnis nicht in unseren Vertretungsorganen wider. Der SV-Genderreport soll das Geschlechterverhältnis in der österreichischen Schüler_innenvertretung auf Schul-, Landes- und Bundesebene beleuchten und Lösungsansätze bieten. Der SV-Genderreport soll alle dazu anregen, gesellschaftliche Rollenbilder und Vorurteile zu reflektieren und diese aufzubrechen. Es ist ein längst notwendiger Schritt, gleiche Ausgangschancen für alle zu schaffen. Die Schule muss dieser Aufgabe gerecht werden, also Ungleichgewichten entgegenwirken und ein gesellschaftliches Umdenken fördern. Je früher Menschen lernen, Gleichberechtigung zu leben, desto eher kann diese Realität werden. Diese Erhebung dient nicht dazu, Frauen* in eine Opferrolle zu drängen, viel mehr sollen sie motiviert werden, sich in der Schüler_innenvertretung zu engagieren. Gleichberechtigung und Frauenförderung muss endlich ein Anliegen in der Schule werden! Aktuelle Machtverhältnisse, nicht nur in der Politik, sondern auch an der eigenen Schule und der überschulischen Schüler_innenvertretung, müssen offengelegt, hinterfragt und aufgebrochen werden. Jasmin Chalendi AKS Bundesvorsitzende - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - 2 SV-Genderreport 2017 I www.aks.at


Inhaltsverzeichnis --------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Einleitung .................................................................................................................................. 4 Ebenen der Schüler_innenvertretung ....................................................................................... 6 Überblick ................................................................................................................................... 8 Schüler_innenvertretung auf Landesebene ............................................................................ 11 Schüler_innenvertretung auf Bundesebene ........................................................................... 14 Interpretation der Ergebnisse ................................................................................................. 15 Frauen*- und Mädchen*förderung ......................................................................................... 17 Schlussfolgerung ..................................................................................................................... 18

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Einleitung --------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Die größte Berufsgruppe Österreichs wird bei den meisten Statistiken, in denen Geschlechterverhältnisse analysiert oder erhoben werden, nicht genannt. In Österreich gibt es insgesamt 1,2 Millionen Schüler_innen.1 Die Schüler_innenvertretung, kurz SV, stellt auf Schul-, Landes- und Bundesebene ein wichtiges Sprachrohr für Schüler_innen dar. Dass Schule kein abgetrennter Raum der Gesellschaft ist und sich dort ebenso gesellschaftliche Ungleichheiten manifestieren und Stereotype genauso wie Vorurteile und Rollenbilder vorherrschen, zeigen die Parallelen zwischen der SV und anderen politischen Vertretungsgremien. Diese Strukturen werden im SV-Genderreport aufgezeigt. Dieser spiegelt die ungleichen Geschlechterverhältnisse in den Vertretungsgremien von Schüler_innen wider. Ziel des SV-Genderreports ist es einerseits, die unausgeglichenen Geschlechterverhältnisse als Missstände anzuerkennen und außerdem, die Ursachen für diese Verhältnisse zu beleuchten, Gründe für deren Struktur zu benennen und Lösungsansätze zu finden. Vorliegender Bericht zeigt die Anzahl der Kandidat_innen zur Schulsprecher_innenwahl, sowie das Verhältnis von Männern* und Frauen* in der gewählten Schüler_innenvertretung. Diese Zahlen stehen in Relation zur Gesamtanzahl der weiblichen* und männlichen* Schüler_innen der befragten Schulen. Der SV-Genderreport bezieht sich lediglich auf die von den Schulen, der Landesschulräte oder dem Stadtschulrat gemeldeten Daten. Es wurde explizit nach dem Verhältnis von Männern* und Frauen* gefragt, jedoch nicht nach der Anzahl nicht-binärer Schüler_innen.2

Rollenbilder prägen unseren Alltag Die Reproduktion von Rollenbildern durch beispielsweise Medien und Erziehung hat Auswirkungen auf alle Menschen und deren Wahrnehmung auf Geschlechter. Unterschiedliche Eigenschaften und Rollen werden einander zugeschrieben – und damit einhergehend auch die Vorstellung, wer in welchen Bereichen als kompetent wahrgenommen wird. Eigenschaften wie Durchsetzungsvermögen, Stärke, Ernsthaftigkeit und auch sogenannte Führungskompetenzen werden eher Männern* zugeschrieben. Diese Rollenbilder haben starke Auswirkungen auf das Wahlverhalten bei der Schüler_innenvertretungswahl.

1

Die Verwendung einer bewussten und sensiblen Sprache bedeutet nicht nur die Sichtbarmachung von Frauen* in der Sprache, sondern auch von allen Menschen, die sich nicht in das binäre Geschlechtersystem (von Mann* und Frau*) einordnen können oder wollen. In der AKS wird daher vom sogenannten Gender Gap, also dem Unterstrich, Gebrauch gemacht. Anstatt von „Schülern“ zu sprechen, verwenden wir das Wort „Schüler_innen“. Dieser Underline soll aufzeigen, dass es nicht nur zwei Geschlechter gibt. Er soll Raum schaffen für alle Identitäten außerhalb, zwischen oder neben dem konventionellen Verständnis von „männlich“ und „weiblich“. Um auch bei personenbezogenen Wörtern, die das Geschlecht ausdrücken, (z.B. bei Schülerinnen*, Vätern* oder Frauen*) dieses binäre Geschlechtersystem zu hinterfragen, wird hier ein Sternchen ans Ende des Wortes gesetzt. Dieser Gender Star soll durch eine kleine Irritation beim Lesen daran erinnern, dass die Normvorstellung eines weißen, körperlich befähigten, cisgender Mädchens nicht auf alle Mädchen* zutrifft. 2

z.B.: intergeschlechtliche oder trans*gender Schüler_innen

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Es ist wichtig, Schüler_innen anzuregen, gängige Stereotype und Rollenbilder zu hinterfragen und ein Bewusstsein für ungerechtfertigte und einschränkende Rollenzuschreibungen zu entwickeln. Dahingehende Sensibilisierungsarbeit kann als Maßnahme zur Änderung der momentanen Strukturen gesehen werden – und damit ungleichberechtigenden Tendenzen sowohl in der Schule als auch in der Gesellschaft entgegenwirken.

Berufsschulen

Berufsschulen konnten aus statistischen Gründen nicht in die Erhebung miteingezogen werden. Mangelnde Rückmeldungen ließen es leider nicht zu, einen vollständigen Überblick zu erheben, der Schlüsse zulassen würde. Folglich wurde auf allen Vertretungsebenen, sowohl schul- als auch landes- und bundesweit, nur die erhobenen Daten aus allgemeinbildenden höheren Schulen (AHS) und berufsbildenden mittleren und höheren Schulen (BMHS) berücksichtigt und zur Analyse herangezogen.

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Ebenen der Schüler_innenvertretung ---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Die Schüler_innenvertretung (SV)

Für Schüler_innen stellt die Schule einen Lebensraum dar, in dem sie einen Großteil ihrer Zeit verbringen. Es ist also unvermeidbar, Verbesserungen im Schulalltag zu ermöglichen, sodass die Schule zu einem Ort wird, in dem die vielen Stunden gerne und in angenehmer Atmosphäre verbracht werden können. Doch die Interessen der Schüler_innen unterscheiden sich oftmals von denen der Lehrpersonen, der Verwaltung und der Eltern. Für schulspezifische Forderungen ist die SV der jeweiligen Schule gefragt, welche die Interessen der gesamten Schüler_innenschaft vor den Eltern und den Lehrpersonen vertritt. Im Schulgemeinschaftsausschuss (SGA) haben der_die Schulsprecher_in und die beiden aktiven Stellvertreter_innen die Möglichkeit dazu. Hier werden schulbezogene Anliegen zwischen Lehrpersonal, Eltern und Schüler_innen diskutiert und abgestimmt. Die Wahl der SV-Mitglieder, welche die Schüler_innen im SGA vertreten, läuft von Schule zu Schule unterschiedlich ab. Es gibt Schulen, an denen sich kandidierende Personen mit einem Hearing, in dem sie ihre Projekte und ihre Motivation für das Amt erklären, präsentieren. An anderen Schulen wird wiederum nur die Möglichkeit gegeben, sich kurz vorzustellen. Zum Teil sind noch nicht einmal alle Schüler_innen einer Oberstufe wahlberechtigt, sondern nur die Klassensprecher_innen, obwohl dieser Umstand gegen die aktuelle Gesetzeslage verstößt. Doch egal, ob die SV-Wahl nach Gesetz abläuft oder nicht, die gewählte Vertretung wird in die landesweite Wähler_innenevidenz eingetragen und hat dadurch das Recht, für die Landesschüler_innenvertretung zu kandidieren. Wählen darf diese jedoch nur der_die Schulsprecher_in - oder, im Falle einer Verhinderung - ein_e Vertreter_in.

Überschulische Vertreung

Landesschüler_innenvertretung (LSV) Jedes Bundesland hat eine Landesschüler_innenvertretung (LSV). Diese besteht aus drei Bereichen: allgemeinbildende höhere Schulen (AHS), berufsbildende mittlere und höhere Schulen (BMHS) und Berufsschulen (BS), wobei jeder Bereich – je nach Bundesland – vier bis zehn aktive Mitglieder hat. Die Aufgabe der LSV ist es zum einen, die Interessen der Schüler_innen vor dem Landesschulrat zu vertreten und zum anderen, die einzelnen Schüler_innenvertretungen in ihrer Arbeit zu unterstützen. Die Wahl der Landesschüler_innenvertretung erfolgt am Ende des Schuljahres. Kandidieren können alle Schüler_innen, die in jenem Schuljahr aktive Mitglieder der SV waren. Wählen können jedoch nur die amtierenden Schulsprecher_innen – oder, im Falle einer Verhinderung – ein_e Vertreter_in. - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - 6 SV-Genderreport 2017 I www.aks.at


Bundesschüler_innenvertretung (BSV) Die Bundesschüler_innenvertretung (BSV) setzt sich aus den drei Landesschulsprecher_innen jedes Bundeslandes und aus ein bis zwei Vertreter_innen der Zentrallehranstalten, die rechtlich keinem Landesschulrat, sondern direkt dem Bildungsministerium unterstellt sind, zusammen. Die BSV wird also nicht mehr eigens gewählt. Dadurch, dass es für die BSV keine direkten Wahlen gibt, wird das Geschlechterverhältnis der Bundesschüler_innenvertretung erst nach den jeweiligen Wahlen zur Landesschüler_innenvertretung sichtbar. Die insgesamt 29 Mitglieder der BSV wählen am Anfang des Jahres aus ihrem Kreis den_die Bundesschulsprecher_in und drei Bereichssprecher_innen (AHS-, BMHS- und BS-Bereich), die auch gleichzeitig die Stellvertreter_innen des_der Bundesschulsprechers_in darstellen. Die BSV hat vom Gesetz her vor allem die Aufgabe, die Interessen der Schüler_innen vor dem Bildungsministerium und der Öffentlichkeit zu vertreten. Mit engagierten Vertreter_innen ist es auch hier möglich, innovative Projekte zu verwirklichen.

Grafik: AKS

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Überblick --------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Insgesamt wurden 975 Schulen, davon 767 AHSen und BMHsen der Sekundarstufe II angefragt. 238 Schulen (AHS, BMHS und BS) nahmen an der Erhebung teil, wobei von diesen 49 Rückmeldungen unvollständig waren. Für unsere Erhebung sind die vollständigen Daten von 175 AHSen und BMHSen relevant. Diese umfassen 91.057 Schüler_innen. Durch die Erhebung der Kandidaturen, Geschlechterverhältnisse in der Schüler_innenvertretung und dem Geschlecht3 der Schulsprecher_innen, wurde ein Durchschnitt erfasst. Die Ergebnisse decken sich mit Erfahrungswerten, die durch jahrzehntelange Arbeit mit und in der österreichischen Schüler_innenvertretung gesammelt wurden und machen die Zahlen zulässig. Anzahl der Frauen* in Prozent Anzahl der Männer* in Prozent Schüler_innen 49.841 54,74% 41.216 45,26% Kandidiert 480 46,56% 541 52,47% SV 239 45,61% 285 54,39% 2. Stv. 87 49,71% 88 50,29% 1. Stv. 86 49,43% 88 50,57% Schulsprecher_in 66 37,71% 109 62,29%

3

Hier beziehen wir uns lediglich auf die von der Schule, den Landesschulräten oder dem Stadtschulrat übermittelte Daten. Wir wissen nicht, ob es sich hierbei um das bei der Geburt zugeordnete Geschlecht handelt – gehen aber zu einem Großteil davon aus.

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AHS Bereich (88) – Stichprobe Schüler_innen Kandidiert SV 2. Stv. 1. Stv. Schulsprecher_in

Anzahl der Frauen* 28.160 210 105 39 38 28

in Prozent 52,96% 40,94% 39,92% 44,32% 43,68% 31,82%

Anzahl der Männer* 25.017 303 158 49 49 60

in Prozent 52,17% 59,06% 60,08% 55,68% 56,32% 68,18%

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BMHS Bereich (87) – Stichprobe Schüler_innen Kandidiert SV 2. Stv. 1. Stv. Schulsprecher_in

Anzahl der Frauen* 21.681 270 134 48 48 38

in Prozent 57,24% 53,15% 51,34% 55,17% 55,17% 43,48%

Anzahl der Männer* 16.199 238 127 39 39 49

in Prozent 42,76% 46,85% 48,66% 44,38% 44,38% 56,32%

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Schüler_innenvertretung auf Landesebene --------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Schultyp Frauen* Männer* Landesschulsprecher_in Burgenland AHS 3 1 weiblich BMHS 1 3 männlich BS 1 3 männlich Kärnten/Koroška AHS 3 2 weiblich BMHS 3 2 weiblich BS 0 5 männlich Niederösterreich AHS 4 4 männlich BMHS 3 5 männlich BS 2 6 männlich Oberösterreich AHS 4 4 weiblich BMHS 3 5 männlich BS 5 3 männlich Salzburg AHS 1 3 männlich BMHS 3 1 weiblich BS 1 3 männlich Tirol AHS 1 5 männlich BMHS 4 2 männlich BS 2 4 männlich Vorarlberg AHS 2 2 weiblich BMHS 2 2 männlich BS 2 2 männlich Steiermark AHS 3 7 männlich BMHS 6 4 weiblich BS 1 9 männlich Wien AHS 3 5 männlich BMHS 3 5 männlich BS 1 7 männlich - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - 11 SV-Genderreport 2017 I www.aks.at


Frauen* Gesamt (Landesschulsprecher_innen) AHS 4 BMHS 3 BS 0

Männer* 5 6 9

Anzahl der Frauen* AHS LSV 24 BMHS LSV 28 BS LSV 15 LSV Gesamt 67 Landesschulsprecher_innen 7

in Prozent 42,11% 49,12% 26,31% 39,18% 25,93%

Anzahl der Männer* 33 29 42 104 20

in Prozent 57,89% 50,88% 73,68% 60,82% 74,07%

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Schüler_innenvertretung auf Bundesebene --------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Die drei Landesschulsprecher_innen jedes Bundeslandes bilden mit ein bis zwei Vertreter_innen der Zentrallehranstalten (ZLA) die Bundesschüler_innenvertretung (BSV). Anzahl der in Prozent Anzahl der in Prozent Frauen* Männer* Landesschulsprecher_innen 7 25,93% 20 74,07% ZLA-Vertretung 1 50% 1 50% BSV gesamt 8 27,59% 21 72,41% Bundesschulsprecher_in: männlich (AHS) AHS-Bereichssprecher_in: weiblich BMHS-Bereichssprecher_in: männlich BS-Bereichssprecher_in: männlich

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Interpretation der Ergebnisse --------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Oft heißt es, dass Frauen* einfach kein Interesse haben, wenn gefragt wird, warum der weibliche* Anteil in Spitzenpositionen so gering ist. Auch in der schulischen Vertretung scheint diese Aussage auf den ersten Blick zu stimmen. Lediglich 37,71% der Schulsprecher_innen sind weiblich*. Betrachtet man nur die allgemeinbildenden höheren Schulen, liegt der Prozentsatz der Schulsprecherinnen* sogar nur bei 31,82%. Fasst man jedoch die Anzahl an Kandidaturen von Schülerinnen* zu den SV-Wahlen ins Auge, so erkennt man, dass sich dieses Geschlechterverhältnis nicht auf einen Mangel an Interesse zurückführen lässt, sondern sich eher das Phänomen der gläsernen Decke zeigt. Die gläserne Decke bezeichnet in unserer Gesellschaft eine Struktur, die Frauen* daran hindert, hohe Positionen einzunehmen. Je höher die Position ist, desto weniger Frauen* nehmen sie ein. So gibt es auch in der SV insgesamt um fast zehn Prozentpunkte weniger Frauen*. Vergleicht man die Anzahl der Schulsprecher_innen, beträgt der Unterschied 24,58 Prozentpunkte. Während die Führungsposition in der Schüler_innenvertretung der befragten Schulen 109 Mal Männer* innehaben, gibt es hingegen nur 66 weibliche* Schulsprecherinnen. Dieses Faktum kann als direkte Auswirkung fehlender Vorbilder für Frauen* gesehen werden. Der Umstand, dass wenige Schülerinnen* in die SV und noch weniger zur Schulsprecherin* gewählt werden, kann als demotivierend und einschüchternd für andere Schülerinnen* gesehen werden, weshalb sich diese die nötigen Kompetenzen nicht zutrauen, um eine Aufgabe als Vertreterin* der Schüler_innen einzunehmen. Diagonal dazu gibt es einen Überhang an männlichen* Vorbildern, die Schülern* Mut machen und sie in ihrer ohnehin schon anerzogenen Rolle der Selbstbewussten noch mehr bestätigen. Vorbilder zu haben, die einer_m Mut machen, sind auf jeden Fall gutzuheißen und auch wichtig – allerdings muss es diese ausgeglichen für Schüler* und Schülerinnen* geben. Nur so kann ungerechten Strukturen entgegengearbeitet werden. Hinzu kommt, dass Burschen* aufgrund gesellschaftlicher Strukturen und Rollenbilder von vornherein mehr Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen sowie Durchsetzungsvermögen anerzogen bekommen. Mädchen* lernen hingehen, still und brav zu sein, anstatt sich für ihre Meinungen stark zu machen. Daraus folgt, dass es für Frauen* nicht nur tendenziell eine größere Hemmschwelle gibt, sich zur Wahl als Schulsprecherin* aufstellen zu lassen, sondern Männer* auch eher Führungskompetenzen zugesprochen werden. Oft wird es Frauen* immer noch nicht zugetraut, eine leitende Funktion einzunehmen, und stattdessen wird der männliche* Gegenkandidat Wahlsieger. Diese Unsicherheit seitens der Schülerinnen* stellt einerseits einen hemmenden Faktor und gleichzeitig eine diskriminierende Struktur dar. Wie die Ergebnisse zeigen, gibt es die sogenannte gläserne Decke also bereits in der Schule. - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - 15 SV-Genderreport 2017 I www.aks.at


Betrachtet man die Zahlen der allgemeinbildenden höheren Schulen (AHS) und berufsbildenden mittleren und höheren Schulen (BMHS) differenzierter, wird dieses Phänomen noch stärker sichtbar. Obwohl Frauen* im AHS Bereich mit einem Anteil von 52,96% mehr als die Hälfte der Schüler_innen aufweisen, beträgt die Prozentzahl der Schulsprecherinnen* lediglich 31,82%. Betrachtet man die Ebene der Landesschüler_innenvertretung, so findet man einen Frauen*anteil von 42,11%. Im BMHS Bereich gibt es ebenfalls mehr Schülerinnen* als Schüler*. Doch sobald es zu Funktionen auf der Vertretungsebene kommt, wird der Anteil an Frauen* immer geringer. So beträgt die Anzahl weiblicher* Schulsprecherinnen in berufsbildenden mittleren und höheren Schulen nur noch 43,48%. Je höher die Vertretungsebene wird, desto weniger Frauen* finden sich in den Gremien wieder. So sind von den neun Landesschulsprecher_innen der verschiedenen Bundesländer lediglich drei weiblich*. Obwohl der BS Bereich in vorliegender Erhebung zu einem großen Teil ignoriert werden musste, ist das Geschlechterverhältnis in den LSVen durchaus erwähnenswert. Nur 15 der insgesamt 57 LSV Mandate im BS Bereich haben Frauen* inne. Das entspricht 26,32%. Weibliche* Landesschulsprecherinnen gibt es im BS Bereich gar keine. Bei den Wahlen zur Landesschüler_innenvertretung ist es üblich, dass sich Teams zur Kandidatur zusammenfinden. Ob dabei auf eine ausgewogene Geschlechterverteilung geachtet wird, ist vom jeweiligen Team abhängig. Hier entscheiden sich die wahlberechtigten Schüler_innen jedoch oft nicht mehr zwischen mehreren Kandidat_innen, sondern wählen in den meisten Fällen einen Teamvorschlag. Dadurch, dass die Bundesschüler_innenvertretung (BSV) nicht eigens gewählt wird, sondern sich aus den Landesschulsprecher_innen zusammensetzt, ist es hier umso wichtiger, junge Frauen* schon auf der untersten Ebene bewusst zu fördern und zu stärken, um gleichzeitig auch die BSV, die derzeit einen Frauen*anteil von 27,59% aufweist, aufzumischen.

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Frauen*- und Mädchen*förderung --------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Der SV-Genderreport soll nicht nur eine Erhebung sein, die aufzeigt, dass es bereits im Bildungssektor zum Phänomen der gläsernen Decke kommt. Er soll zudem dazu dienen, dass Ableitungen getroffen werden und Maßnahmen zur Frauen*- und Mädchen*förderung ergriffen und/oder verstärkt werden. Anstatt gesellschaftliche Missstände zu reproduzieren, eignet sich der schulische Rahmen, um diese kritisch zu hinterfragen. Daher ist die Bewusstseinsbildung direkt in der Schule ein wichtiger Prozess. Ein Ansatzpunkt sind die Schulbücher. Schüler_innen werden von Schulbüchern geprägt, die wiederum derzeitig gesellschaftliche Normen widerspiegeln. Hier werden oft Stereotypen reproduziert und gefestigt. Eine Auseinandersetzung mit Stereotypen in Schulbüchern reicht jedoch nicht aus. Es braucht ebenfalls eine weitere Sensibilisierung von SchulbuchAutor_innen, Lehrpersonen und Schüler_innen. Ein nächster Schritt wäre, die reflexive Koedukation verstärkt anzuwenden. Geschlechtergetrennter Unterricht stellt ein Element dieser dar. Mit dem Modell der reflexiven Koedukation soll die koedukative Praxis weiterentwickelt und neu gestaltet werden. Ziel ist es, ein gleichberechtigtes Zusammenleben und –lernen beider Geschlechter zu erreichen, sowie geschlechtsstereotype Rollenzuweisungen aufzulösen und alle notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten sowohl bei Mädchen* als auch bei Jungen* zu fördern. An vielen Schulen wird Genderbeauftragten kein Platz eingeräumt - die meisten Schüler_innen wissen nicht, dass es so eine Person an ihrer Schule gibt - oder es gibt sie de facto gar nicht. In Folge dessen kommt auch die diesbezügliche Sensibilisierungsarbeit zu kurz. Der Handlungsspielraum von Genderbeauftragten muss ausgebaut werden, denn nur so kann bewusst Aufklärungsarbeit an Schulen geleistet werden. Eine weitere Methode, um mehr Frauen* in die Vertretungsgremien zu bringen, ist die Einführung einer Frauen*quote auf allen Ebenen der Schüler_innenvertretung. Diese würde garantieren, dass mehr Schülerinnen* in der SV/LSV/BSV vertreten sind, und so ihre Kompetenz beweisen können, sowie auch Schülerinnen* repräsentiert werden. Dadurch würde einerseits der Idee, Frauen* hätten weniger Führungskraft und andererseits dem Fehlen weiblicher* Vorbilder effektiv entgegengewirkt werden. Eine Quotierung soll nicht das Ziel darstellen, sondern dient vielmehr als Mittel, um ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis sicherzustellen. Eine zusätzliche Regelung, dass auf einen männlichen* Schulsprecher nicht erneut ein Mann* folgen kann, würde das Problem der überwiegenden Mehrheit männlicher* (Landes-)Schulsprecher lösen.

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Schlussfolgerung --------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Es ist uns wichtig, mit dem SV-Genderreport aufzuzeigen, dass die Schule kein von gesellschaftlichen Mechanismen abgetrennter Raum ist und sich gesellschaftliche Benachteiligungen, Missstände und Diskriminierungen auch in der Schule abzeichnen. Politischer Bildung wird in unserem System immer noch nicht die Relevanz entgegengebracht, die ihr zusteht. In der Sekundarstufe II der allgemeinbildenden höheren Schulen gibt es noch nicht einmal ein eigenes Fach für Politische Bildung. Dabei ist es wichtig, dass die Schule auch ihrem politischen Bildungsauftrag nachkommt und Jugendliche zu kritischen und sensiblen Menschen macht, die bestehenden Ungleichheiten und Machtverhältnissen entgegenwirken. Und nicht nur das: Gleichberechtigung muss von der Schule ernstgenommen und im Alltag gelebt werden. Sexismus und männer*dominierte Strukturen dürfen keinen Platz haben. Wie die Erhebung zeigt, verringert sich der Frauen*anteil, je höher die Vertretungsebene ist. Die Reproduktion gesamtgesellschaftlicher Verhältnisse in der Schule führt dazu, dass junge Menschen schon früh ein männer*dominiertes Vertretungs- und Politikverständnis vermittelt bekommen – nicht nur in der politischen Sphäre, sondern auch in ihrem eigenen Umfeld. Diesen Umstand gilt es zu verändern! Daher ist es wichtig, direkt an den Schulen anzusetzen und sich verstärkt für die Aufhebung von Geschlechterungleichheiten einzusetzen. Denn nur eine progressive Schule kann eine Gesellschaft schaffen, in der allen die gleichen Chancen zustehen!

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