Frauensyntax April 2014 | 58. Ausgabe

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58. Ausgabe April 2014

syntax Das österreichweite Magazin für kritische Schüler_innen Aktion kritischer Schüler_innen — www.aks.at

Wer mit wem? Themenschwerpunkt: Beziehungen

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GET ACTIVE! Wir wollen nicht einfach schlucken, was wir vorgesetzt bekommen. Wir wollen nicht zustimmend schweigen, wenn Ungerechtigkeit, Diskriminierung und autoritäre Strukturen ein immer fixerer Bestandteil unseres gesellschaftlichen Alltages werden. Wir wollen nicht wegsehen, wenn die Schule ein Ort des Schreckens wird und uns jede Lernfreude genommen wird. Wir wollen etwas verändern, in der Schule und in der Gesellschaft! Du auch?

Sei mit dabei und werde Teil der größten österreichweiten Schüler_innenbewegung! Informier dich unter www.aks.at


inhaltsverzeichnis

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Inhalt Editorial Liebe Leserin, lieber Leser! Du hältst eine brandneue Ausgabe der Syntax in den Händen! Wir haben uns extra für dich ins Zeug gelegt und das Layout und Konzept erneuert. Die Syntax enthält jetzt noch mehr Inhalt und erscheint zukünftig drei Mal im Jahr.Diese Ausgabe hat aber noch etwas Besonderes: Es haben ausschließlich Frauen daran mitgearbeitet. Gerade in den Medien sind Frauen stark unterrepräsentiert. Wir wollen jungen Frauen die Möglichkeit bieten, sich journalistisch zu betätigen und zu vernetzen. Zu diesem Anlass schreibt unsere Bundesfrauensprecherin auf Seite 4 über die Aufgaben und Herausforderungen des Feminismus. Als Themenschwerpunkt haben wir dieses Mal Beziehungen, mit einem Fokus auf Liebesbeziehungen. Einen Artikel zu ihren Auswirkungen auf die Gesellschaft findest du auf Seite 6 und 7, auf Seite 8 einen zu Beziehungsformen und auf Seite 9 und 10 ein interessantes Interview mit einer Sexualpädagogin. In den Rubriken Schule & Gesellschaft, Internationales und Schüler_innenvertretung sind noch viele weitere coole Artikel zu finden. Ein besonderer Lesetipp: Auf Seite 24 und 25 wird unsere neue Kampagne „Recht du hast“ erklärt, bei der es um schulrechtliche Missstände geht. Schau rein! Viel Spaß beim Lesen wünscht dir Deine Redaktion

Kommentar der Frauensprecherin

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Thema: Beziehungen Vorbilder für alle Wer mit wem? „Gelebte Sexualität ist Macht“

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Bildung und Gesellschaft geSCHLECHTergetrennt Class Matters „Mama, ich versteck mich vor dir“

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Internationales Ausgebeutet, verkauft, verhungert Im Westen nichts Neues

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fem.bio

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Schüler_innenvertretung EUcation Recht du hast SV-HowTo

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Meinung

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Feuilleton Kunsthalle Sudoku

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IMPRESSUM

Medieninhaberin, Herausgeberin, Verlegerin: AKS Bundesorganisation | Chefinnenredaktion: Larissa Nenning | Layout: Magdalena Trauner | Redaktion: AKS Bundesorganisation | Alle: Amtshausgasse 4, 1050 Wien, Österreich | edaktion: AKS Bundesorganisation | Alle: Amtshausgasse 4, 1050 Wien, Österreich | Offenlegung gemäß § 25 Mediengesetz: Syntax ist eine Zeitschrift der AKS-Bundesorganisation und steht zu 100% in deren Eigentum | Grundsätzliche Richtung: Die Syntax ist die Or-

ganisationszeitung der Aktion kritischer Schüler_innen. Inhaltich den Werten der AKS verpflichtet, ist ihr journalistischer Auftrag die Aufarbeitung gesellschaftlicher Themen aus einer Perspektive, die nicht von ökonomischen und gesellschaftlichen Verpflichtungen und Normen eingeengt ist. ZVR: 270 200 209 | Kontakt: 01/523 12 43 31, aks@aks.at | Druck: Fairdrucker GmbH Wintergasse 52, 3002 Purkersdorf | P.b.b. Verlagspostamt 1050 Wien, GZ: 02Z033431M

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kommentar

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Kommentar der Frauensprecherin Davon, dass Frauen keine homogene Gruppe darstellen, deren Wünsche und Forderungen immer die gleichen sind. Ein Appell an den Feminismus keine zu vergessen!

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edes Jahr am 8. März, dem internationalen Frauenkampftag, machen weltweit vor allem Frauen auf gesellschaftliche, politische und ökonomische Missstände aufmerksam, die sie immer wieder daran erinnern, dass sie Frauen sind. Angefangen bei Sexismen in Werbung und Medien, über Benachteiligungen von Frauen in der Schule, im Privaten wie in der Arbeitswelt bis hin zu sexualisierter Gewalt und dem Verharmlosen dieser, wird immer wieder klar: Gleichberechtigung ist noch nicht da und der Kampf dafür ist kein leichter. Glücklicherweise werden viele nicht müde und lassen sich von sämtlichen männerdominierten Repressalien nicht davon abhalten, für die Gleichstellung von Frauen und Männern in allen Bereichen des Lebens zu kämpfen. Support your sisters not cis-ters Eine wichtige Frage, die im Zusammenhang mit dem 8. März verstärkt auftrat, ist die nach der Zielgruppe des Feminismus oder anders formuliert: Wen vertritt der Feminismus momentan und wen soll er vertreten? Diese Frage soll auf etwas hinweisen, das oft vergessen wird: Frauen sind eine vielfältige Gruppe an Menschen, nicht alle Frauen werden als Frauen geboren, nicht alle Frauen wollen Frauen sein oder als solche wahrgenommen

werden. Manche Frauen haben Vaginas, manche nicht. Menschen, die sich mit dem Geschlecht identifizieren können und wollen, das ihnen bei ihrer Geburt zugeschrieben wurde, werden als „Cis-Männer“ oder „Cis-Frauen“ bezeichnet. Allerdings gibt es auch Frauen, die erst später zu Frauen werden. Das sind Personen, die sich nicht im dualen Cis-Gender-Modell verorten, wie zum Beispiel Transidentitäten, Drags oder Crossdresser. Die Möglichkeiten eine Frau zu sein sind vielfältig und es haben nicht alle die gleichen körperlichen oder sozialen Merkmale. Trotzdem steht allen die Selbstbezeichnung „Frau“ zu. Daher die Forderung, dass nicht nur die Frauen, mit Vagina und einem weiblichen sozialen Geschlecht vertreten werden und ihre Forderungen Gehör finden sollen. Wer man sein möchte und wie man wahrgenommen werden will, ist eine persönliche Entscheidung und es ist ebenfalls eine persönliche Entscheidung ob man Mann, Frau, was dazwischen oder etwas abseits dieses binären Systems sein will. Die Aufgabe des Feminismus ist es nicht, Menschen zu kategorisieren und zu bewerten, ihnen den Stempel Mann oder Frau zu geben, ohne nach der eignen Platzierung im Feld der Gender-Möglichkeiten zu fragen. Die Aufgabe des Feminismus ist es viel mehr, zu erken4

Mira Liepold ist Bundesfrauensprecherin der AKS

nen, dass Frauen nicht gleich Frauen sind. Den Umstand der Vielfältigkeit von Selbstdefinitionen anzuerkennen und all jene marginalisierten und von Sexismen betroffenen Personen zu vertreten und für deren Forderungen und Rechte einzustehen. Nur ein gemeinsamer Kampf gegen eine Welt, in der Frauen institutionell und strukturell benachteiligt, bevormundet oder nicht ernst genommen werden, kann allen den Platz in unserer Gesellschaft gewährleisten, der ihnen zusteht. Und dabei darf niemand vergessen werden.


THEMA: BEZIEHUNGEN


themenschwerpunkt

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Vorbilder für alle Repräsentieren statt reproduzieren Früher sagte man: „das Private ist politisch“, manche sagen das heute noch. Doch selbst das Private derer, die sich diesem Leitspruch nicht anschließen wollen, bleibt politisch. Und was gibt es privateres als persönliche Beziehungen zu anderen Menschen? Beziehungen sind ein Politikum, mit dem wir Zeichen setzen und Stereotype aufbrechen können. Oder weiter verfestigen. VON MIRA LIEPOLD

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ch steige aus dem Bett, dreh den Swag auf schaue kurz in den Spiegel, sag: „What up?“ und währenddessen läuft das Radio. Eine Stimme preist mir einen Urlaub für mich und meinen „Schatz“ an. Für uns zwei gibt es das perfekte „Er-Sie-Package“, das den Urlaub zum Highlight unserer Beziehung machen soll. Ich drehe das Radio aus, gehe aus dem Haus und steige in den Bus. Das Pärchen mir gegenüber macht mir sehr deutlich klar, dass sie zusammengehören, ohne dass ich danach gefragt hätte. Er legt den Arm besitzergreifend um sie, sie klammert sich hilfesuchend an sein Knie. Zweierkonstellationen wie diese werden mir heute noch öfter begegnen und das nicht nur so offensichtlich auf der Straße, sondern auch auf subtilere Art und Weise. Angefangen bei Werbeplakaten bis hinzu Redewendungen, „gutgemeinten Tipps“, Zweiersitzen im Kino, Pärchenabenden von Freund_innen, Doppel-Dates bei denen klar ist, dass da nur vier Menschen kommen werden und Er-Sie-Angeboten in der Therme, im Zoo, im Hotel, beim Einkaufen oder beim Fortgehen.

Pärchenperformanz überall Die Lassie Singers sangen schon in den 1990er Jahren von der Pärchen-Performanz: „Sie küssen wo sie gehen und stehen und schauen sich nicht um“ und „Pärchen stinken, Pärchen

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bewusste performanz kann zur politischen strategie werden

lügen“. Doch was bedeutet Performanz eigentlich? Das Wort erinnert an „Performance“, an ein Spiel in dem Rollen dargestellt werden, sich reproduzieren und verfestigen, aber auch hinterfragt und lächerlich gemacht werden können, abhängig von der Intention, die hinter der persönlichen Performanz steht. Performanz stellt jegliches Verhalten innerhalb sozialer Interaktionen dar. Bewusste Performanz kann zur politischen Strategie werden, indem das eigene Handeln dazu verwendet wird, gesellschaftliche Zustände sichtbar zu machen. Das gleiche gilt, wenn Dinge nicht dargestellt und somit unsichtbar gemacht oder gehalten werden. Aber auch unbewusst bleibt jede Performanz ein Politikum. Und so fällt mir auf, dass 6

eine gewisse Form von Performanz ein allumfassendes Bild in meinem Alltag zeichnet. Nämlich die Pärchen-Performanz. Auffallend dabei ist, dass mir immer nur ein Bild von Beziehungen vermittelt wird und das ist die heterosexuelle RZB (romantische Zweierbeziehung). Dass es weit mehr als das gibt, hat Kathi in ihrem „Wer mit wem“ auf Seite 8 erläutert. Wir sprechen von Schwulen, Lesben,

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es ist immer eine persönliche entscheidung, ob und wann man wen wo küsst

Transidentitäten, Drags, Asexuellen, Intersexpersonen, Menschen, die in polygamen oder polyamorösen Konstellationen stehen oder die keine Beziehung führen wollen, die der Norm entspricht, sowie vielen anderen. Verunsicherung der einen und Reproduktion des anderen Sich dem heterosexistischen Mainstream in Medien und Werbung zu entziehen, ist schwierig und für Einzelpersonen auch nur bis zu einem gewissen Grad möglich. Doch man muss nicht zulassen, dass die eigene


themenschwerpunkt

Performanz grundlegend von diesem Mainstream geprägt wird. Es ist immer eine persönliche Entscheidung, ob und wann man wen wo küsst und sich ganz der politischen Relevanz, die das eigene Handeln hat, zu entziehen, ist nicht möglich. Das heißt also, dass man als heterosexuelle Person in einer monogamen Beziehung verantwortungsvoll mit dem eigenen Privileg, in der Öffentlichkeit dem_der Partner_in die eigene Zuneigung zeigen zu können, umgehen muss. Dieses kann man als politisches Instrument nutzen um all jenen marginalisierten sexuellen Identitäten die Sichtbarkeit möglich

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man muss als heterosexuelle person in einer monogamen beziehung verantwortungsvoll mit dem eigenen privileg umgehen

zu machen, die man selbst schon genießt. Zum Beispiel, indem man sich bewusst gegen eine Heteroperfomance entscheidet. Unterstützung marginalisierter Gruppen Dabei tritt oft die Frage auf, was die Sichtbarmachung einer Gruppe, die man selbst nicht repräsentiert mit einem_r zu tun hat. Eine Antwortmöglichkeit wäre, man sucht sich nicht aus zu einer marginalisierten Gruppe zu gehören, man sucht sich nur aus, wen man marginalisiert. Eine andere: das sind deine Mitmenschen. Nicht weit von dieser Frage befindet sich die Forderung, dass alle, die sich der Heteronorm in unserer Gesellschaft nicht fügen wollen oder können, doch endlich ihre Performanz in die Öffentlichkeit verlagern sollen. Diese Forderung zu stellen ist insofern absurd, dass zum Beispiel Homosexuelle oder Transidentitäten als Folge ihrer in die Öffentlichkeit getragenen Performanz mit institutionalisierter und nicht institutionalisierter psychischer und physischer Gewalt zu rech-

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nen haben. Abgesehen davon, fordert die österreichische Mehrheitsbevölkerung genau von diesen Personen, sie sollen sich doch im Privaten ausleben. Dies kann als direkte Aufforderung zur Unsichtbarkeit gewertet werden. Der Norm nicht zu entsprechen, ist nicht erwünscht. Fehlende Vorbilder Was neben der Sichtbarkeit von Nicht-Heterosexuellen noch fehlt, sind Vorbilder für eben diese. Gerade junge Menschen, die sich ihrem Nichtentsprechen der vorherrschenden Norm bewusst sind oder werden, werden durch fehlende Vorbilder in ihrem Sein eingeschränkt und verunsichert. Die Überpräsenz von Vorbildern auf der einen und die Unterpräsenz eben dieser auf der anderen Seite führen zu einer extremen Ungleichheit und machen manchen das Erwachsenwerden schwerer als anderen. Mit der Hetero-Performanz vieler geht oft der Wunsch nach Abgrenzung einher. Niemand soll auch nur am Rande zur Annahme kommen, man selber sei irgendetwas anderes als hetero. Auch das stellt ein Ungleichgewicht dar, das sich wertend in jedem sozialen Kontext bewegt. Zusammengefasst findet man irrsinnig viele Unausgewogenheiten was die Repräsentation heterosexueller und nicht heterosexueller Lebensweisen betrifft. Diese Unausgewogenhei-

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die überpräsenz von vorbildern auf der einen und die unterpräsenz eben dieser auf der anderen seite führen zu einer extremen ungleichheit

ten spielen ihre Rolle im Alltag und führen zu repressiven Strukturen, die plötzlich vom Privaten ins Öffentliche wandern und institutionalisiert auf gesamtgesellschaftlicher Ebene zu Kategorien und Ausschlussgründen werden. 7

Alle tragen mit dem was sie tun oder nicht tun einen Teil zum Bild der österreichischen Gesamtgesellschaft bei. Es liegt also in der eigenen Verantwortung, wie man mit der eignen gesellschaftlichen Rolle umgeht und

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es liegt in der eigenen verantwortung, wie man mit der eigenen rolle in der gesellschaft umgeht

wie die persönliche Performanz gestaltet wird. Man kann zur Sichtbarmachung beitragen und anderen Vorbilder geben. Am Abend bei meinem Heimweg sitzt ein anderes Pärchen mir gegenüber. Die Positionen, die sie einnehmen, sind denen des Pärchens am Vormittag erschreckend ähnlich. Ich komme nach Hause, das Radio läuft. Diesmal erzählt mir der Moderator, dass Shakira ihr Video nur mit Rihanna gemacht hat, weil ihr Freund ihr verboten hat, sexuell-anmutende Szenen mit anderen Männern, außer ihm zu drehen. Der Moderator bedankt sich bei Shakiras Freund dafür, ich dreh das Radio aus, steige in mein Bett und dreh den Heten-Swag ab.

Z U S A M M E N G E FA S S T Dieser Artikel soll ein Appell an alle sein, die in unserer Gesellschaft Privilegien genießen. Versucht, eure eigene Meinung zu reflektieren und wahrzunehmen, wie ausschlaggebend die Performanz jeder Person für die Botschaft, die uns das gesamtgesellschaftliche Bild vermittelt, ist! Es geht nicht darum, den einen das Küssen zu verbieten, sondern den anderen die Unterstützung zu geben, die sie brauchen, um sich auch in der Öffentlichkeit küssen zu können. Manchmal hat das auch mit Verzicht auf eigene Privilegien zu tun. Aber das tut eigentlich nicht weh.


themenschwerpunkt

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Wer mit wem? Beziehungsformen abseits der heterosexuellen Zweierbeziehung Das Wort „Beziehung“ wird meist mit einer emotionalen und körperlichen Verbindung zwischen zwei sich liebenden Menschen asoziiert. Dass eine Beziehung allerdings auch ganz anders aussehen kann, wird oft ausgeblendet. Über die Vielfältigkeit von Beziehungen VON KATHARINA GÄRTNER

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vermarktet – nämlich das einer heterosexuellen monogamen Partner_innenschaft. Diese Umstände schränken dabei leider viele Menschen ein, die sich nicht der Norm fügen wollen und/oder können.

nern würden. Oft wird an diesem Tag starke Kritik aufgrund der Kommerzialisierung von Liebe und Partner_innenschaft geübt, was allerdings nur einen Bruchteil des Problems darstellt. Denn um Süßwaren, Karten und Blumen zu verkaufen, wird hier das perfekte Beziehungsbild weiter

Monogamie, Polygamie, Polyamory, RZB, what? Denn eigentlich gibt es viel mehr Beziehungsformen als bloß die sogenannte „Romantische Zweierbeziehung“ (oder einfach „RZB“), die sich durch Monogamie von anderen abgrenzt. Unsere Gesellschaft unterstützt diese Exklusivität zweier Menschen unter anderem durch Gesetze und Normen, die es beinahe zur Unmöglichkeit machen, sich aus dieses System auszugliedern. Doch dass Monogamie nicht naturgegeben ist, zeigen uns etliche Beispiele im Tierreich, in der Geschichte, sowie auch viele alternative Beziehungsformen. Im Gegensatz zur Monogamie stehen dabei die Begriffe Polygamie und Polyamory. Während Polygamie den sexuellen Kontakt mit mehreren verschiedenen Menschen ohne romantische Bindung zu ihnen bezeichnet, steht der Begriff Polyamory für das Führen von mehr als einer

m 14. Februar feiern viele Österreicher_innen, die in Beziehungen sind, den Valentinstag. Dieser Tag kommt ursprünglich aus dem christlichen Glauben, in dem dieser Tag im Jahr 469 als Gedenktag für Papst Gelasius I. eingeführt wurde. Als Feiertag für „Liebende“ etablierte sich der Valentinstag allerdings erst um 1383, als der englische Schriftsteller Geoffrey Chaucer ein Gedicht veröffentlichte, in dem es hieß, dass sich an diesem Tag die Vögel verpart-

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Liebesbeziehung zur gleichen Zeit. Das Problem mit der Liebe Vor allem Medien, wie Filme, Musik oder Werbung reproduzieren gerne das klassische Modell der „perfekten“ Beziehung und Familie. Nicht nur aufgrund der Unsichtbarmachung von homosexuellen Partner_innenschaften werden dadurch Menschen ausgegrenzt und gelten in der Folge als „abnormal“. Auch wegen fehlenden Bildern von Beziehungsformen abseits der Monogamie, gelten diese in unserer Gesellschaft als verpönt und als nicht erstrebenswert. Diese Umstände wirken einschränkend auf Menschen, die Option einer anderen Form von Beziehung als der RZB befindet sich außerhalb der gesellschaftlichen Vorstellungen. Um die heterosexistische Norm aufzubrechen und allen die Möglichkeit zu geben, sich frei entfalten zu können, müssen alle die, die nicht zur marginalisierten Gruppe gehören, anfangen, Strukturen anzuerkennen, die nicht ihren eigenen entsprechen. Dazu gehört auch, das eigene Beziehungsverhalten zu hinterfragen. Denn wir alle tragen beim Aufbrechen einengender gesellschaftlicher Strukturen Verantwortung!


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„Gelebte Sexualität ist Macht“ Interview mit Sexualpädagogin Mag.a. Bettina Weidinger VON CLAUDIA SATLER UND MIRA LIEPOLD

Syntax: Wie wirkt sich das, von den meis-

ten Medien vertretene Bild der Zweierbeziehung von Mann und Frau auf junge Menschen aus? Weidinger: Dieser

heteronormative Einfluss existiert schon lange und das Bild dieser Zweierbeziehung von Mann und Frau, die dann viele Kinder kriegen sollten, ist durch die Industrialisierung noch enger geworden. Die Bevölkerungszahlen wuchsen an, die Räume wurden kleiner und auch die Aufgabenverteilung zwischen den Geschlechtern ungleicher. Seit dem zweiten Weltkrieg macht diese Verengung der Familie noch mehr Druck, auch junge Leute haben dadurch wenige Bewegungsfreiheiten. Karriere machen, gute Liebesbeziehungen und Kinder haben: Das alles ist heutzutage immer noch kaum vereinbar. Es ist paradox, wie einerseits die Familie modernisiert wird und Diversität in unserer Gesellschaft eine große Rolle spielt, auf der anderen Seite aber der Druck das traditionelle Familienbild aufrechtzuerhalten sehr groß ist. Ebenfalls stark ist heutzutage die Kontrolle der Gesellschaft über die Familie. Aber auch innerhalb der Familie werden Jugendliche immer von

den Eltern bewertet, das ist alles sehr belastend. Syntax: Was ist der Zusammenhang von

Sex und Macht?

Weidinger: Im Leben eines Menschen

ist die genitale Lust ganz zentral. In der Lust haben Menschen ein totales Machtgefühl, im Moment echter Lust ist alles andere völlig egal. Lust ist ein Sog, es ist jedoch nicht nur ein Trieb – dadurch unterscheidet sich die menschliche Lust vom tierischen, wir können immer nachdenken und selber entscheiden. Menschen mit einer ausgeglichenen Sexualität sind mit sich völlig im Reinen, das ist sehr machtvoll. Das ist der Grund, weshalb in vielen Gesellschaftsformen und Religionen Sexualität reglementiert wird. Denn wenn alle Menschen ihre Sexualität völlig frei leben könnten, wäre auch die Frage nach der sexuellen Orientierung egal. Wenn es in einer Beziehung um Machtverhältnisse geht, ist das meist ein Zeichen von Ohnmacht des_der Partner_in, denn Gewalt wird meist bei eigener Ohnmacht angewendet um zu einer Pseudomacht zu gelangen. 9

Mag.a Bettina Weidinger Syntax: Liebe und Sex wird oft als eine

zusammengehörige Sache angesehen. Von was kommt das?

Weidinger: Wenn wir Menschen Nähe

und Distanz spüren, tun wir das im Bauchbereich. Dadurch können wir spüren, wie viel Nähe wir wollen. Dass wir immer, wenn wir Menschen mögen, Nähe wollen, stimmt nicht. Aber wenn wir Menschen mögen, ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir Nähe wollen, hoch. Doch immer wenn die Gesellschaft glaubt, dass Menschen nicht entscheiden können, ob sie


themenschwerpunkt

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Nähe wollen oder nicht, stellt sie Normen auf z.B. Nähe nur in einer Beziehung oder nur in einem bestimmten Altersabstand. Es ist auch oft sehr schwer, Menschen, die man mag, Nähe zu verweigern, beispielsweise bei der Küsserei zur Begrüßung. Für Kinder ist es sehr schwer Nein sagen zu lernen, wenn sie von klein an Grenzüberschreitungen im Allltag miterleben. Syntax: Von Sexualität wird oft auch in

Zusammenhang mit Gewalt gesprochen. Was gibt es für sexualpädagogische Lösungen in der Gewaltprävention? Weidinger: Vorerst: Gewalt, selbst

wenn sie die Sexualität benutzt, ist immer Gewalt, keine Sonderform von Sex. Es gibt keine „Sextäter“, wie es in der Zeitung oft steht. Essentiell in der Prävention ist das sexuelle Kompetenzmodell: Menschen sind ab der Geburt sexuelle Wesen. In pädagogischen Konzepten wird die sexuelle Ebene immer ausgelassen oder nur extra betrachtet, wie zum Beispiel bei der Ausbildung von Kindergartenpädagog_innen. Doch sexuelle Entwicklung ist in alle anderen Entwicklungsformen eingebettet.

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essentiell in der prävention ist das sexuelle kompetenzmodell

Wenn jemand wenig sexuelle Kompetenz hat, wirkt sich das auf alle Ebenen aus. Präventiv sollte diese genitale Ebene als normal betrachtet und auch die allgemeine Bewegungsfähigkeit und damit das Körperbewusstsein gefördert werden. Von Kindern wird oft erwartet, dass sie still und ruhig sind. Dadurch können sie schwer wahrnehmen was sie wollen – das ist das Gegenteil von Prävention. Es ist wichtig, dass Kindern ihre Sexualität zugestanden wird und dass sie lernen, zu sagen was sie möchten und darüber zu sprechen, wenn ihnen etwas passiert. Gewalttäter_innen sind oft Menschen,

die mit einem riesigen sexuellen Tabu aufgewachsen sind. Syntax: Die AKS fordert Sexualkundeun-

terricht ab dem Kindergarten. Wie sehen Sie das?

Weidinger: Es ist sehr wichtig, dass

Sexualität enttabuisiert wird. Die sexuelle Kompetenzentwicklung von Kindern und Jugendlichen muss gefördert werden. Im Kindergarten sind Kinder auch noch sehr offen, da ist es ihnen egal, mit wem und wie vielen sie was tun. Von ihrem Umfeld wird dann aber schnell bewertet und kategorisiert: Wer mit dem gleichen Geschlecht spielt, ist einfach nur Spielfreund_in, bei einem Jungen und Mädchen wird gleich vom Liebespaar gesprochen. Aus meiner Sicht wäre es wichtig, dass alle Menschen, die in sozialen Bereichen arbeiten, auch etwas über sexuelle Entwicklung und Sexualpädagogik erfahren. Kindergartenpädagog_innen müssten bereits in ihrer Ausbildung etwas über Sexualerziehung bei Kinder erfahren. Meist wird Sexualität im Kindergarten erst dann Thema, wenn etwas passiert, was unangenehm, grenzüberschreitend ist oder den sozialen Regeln widerspricht. Eine ideale Kompetenzförderung des Kindes müsste die sexuelle Ebene miteinbeziehen. Dazu gehört im Kindergarten die aktive Bewegungsförderung genauso wie das Normalisieren des Sprechens über den Körper, auch des Geschlechtsorgans. Bewertungen über den Körper und das eigene Geschlecht werden im Kindergartenalter gelernt. Es ist daher wesentlich, dass bereits kleine Kinder mitbekommen dürfen - mein Körper ist etwas Wertvolles, mein Geschlechtsorgan ist ein Schatz. Wird die sexuelle Ebene aber im Kindergarten ignoriert, kann es passieren, dass es zu wiederkehrenden negativen Bewertungen des Geschlechtsorgans kommt. Es wird als schmutzig, eklig, beschämend bezeichnet. Das hat nicht nur Auswirkungen auf die Etablierung des eigenen Körperverständnis10

ses, es limitiert das Verständnis eines schätzens- und damit schützenswerten Körpers. Das bedeutet: Ja - ich finde Sexualerziehung im Kindergarten sehr wichtig. Dies braucht aber keine Personen, die von außen kommen und mit den Kindern einen Workshop abhalten. Es braucht sehr gut geschulte Kindergartenpädagog_innen und Elternarbeit, die von Sexualpädagog_ innen geleistet wird. Syntax: Eifersucht kommt sehr oft in

Beziehungen vor, Menschen entwickeln Besitzansprüche an den_die Partner_in. Von was hängt das ab?

Weidinger: Eifersucht ohne Anlass

kommt oft im jungen Alter vor und hängt damit zusammen, dass Jugendlichen ihre Kompetenzen lange verwehrt werden. Das sexuelle Selbstbewusstsein ist bei 16-jährigen nicht immer sehr ausgeprägt. Dadurch sind viele sehr unsicher und trauen ihrem_r Partner_in nicht. Wenn beide ihren eigenen Wert sehen würden, entstände auch keine Eifersucht. Das heißt, wenn ich überzeugt von mir selber bin, habe ich auch keine Befürchtungen, dass mein_e Partner_in Zuneigung von anderen Menschen suchen würde.

BETTINA WEIDINGER - Pädagogische Leitung des Österreichischen Instituts für Sexualpädagogik - Sozialarbeiterin, Sexualpädagogin Leiterin des sexualpädagogischen Lehrganges am ISP - Autorin unterschiedlicher sexualpädagogischer Broschüren, u.a. „Das Aufklärungspaket“ 2008, Mitautorin des Buchs „Sexualität im Beratungsgespräch mit Jugendlichen“, Springer 2007 - Sexualpädagogische Arbeit mit Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern, Fortbildungen, Lehrtätigkeit an der FH für Sozialarbeit


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BILDUNG UND GESELLSCHAFT

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bildung und gesellschaft

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geSCHLECHTergetrennt Wie Geschlechternormen im Sport reproduziert werden Gymnastik versus Fußball: Noch immer werden Mädchen und Jungen im Sport getrennt unterrichtet und müssen für ihr Geschlecht „typische“ Sportarten ausüben Die Geschlechtertrennung zieht sich durch die ganze Sportwelt und verfestigt das binäre Geschlechtersystem und vorhandene Rollenbilder. VON HANNAH GEHMACHER, GENOVEVA LORENZ, MAGDALENA TRAUNER

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b einem Alter von zehn Jahren, sprich ab der Einführung in die Neue Mittelschule oder ins Gymnasium Unterstufe, werden Mädchen und Burschen im Turnunterricht voneinander getrennt. Dies wird so argumentiert, die unterschiedlichen Körper der jungen Menschen dadurch optimal fördern zu können und läuft häufig darauf

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geschlechtliche unterschiede werden durch die trennung im turnunterricht bereits sehr früh unumstößlich definiert und reproduziert.

hinaus, dass Mädchen eher Gymnastik, Bauch-Beine-Po-Training, Volleyball und ähnliche „typisch weibliche“ Sportarten ausführen, während Burschen vor allem verschiedene Ballspiele spielen, die als „typisch männlich“ eingestuft werden. Geschlechtliche Unterschiede werden dadurch bereits sehr früh unumstößlich definiert und reproduziert. Unabhängig von Vorlieben, Interessen oder Talent werden Kindern Leibesübungen zugeteilt, die

ihre von der Gesellschaft erwünschte Rolle widerspiegeln: Mädchen sollen still sein und auf ihre Figur achten, Jungen laut und wild. Kinder, die sich trotzdem dafür entscheiden, die Sportart des jeweils anderen Geschlechts auszuführen, stoßen häufig auf Abwehr in ihrem Umfeld. Geschlechtertrennung im Hobbysport Dieses binäre System im Sport zieht sich auch außerhalb der Schule weiter. In Sportvereinen gibt es meistens geschlechtergetrennte Teams. In Fitnessstudios werden Kurse speziell für Frauen und Männer angeboten. Frauen sollen trainieren, um eine „gute“ Figur zu bekommen, Männer um ihre Muskelpakete aufzubauen. Nur wenige Menschen entscheiden sich dafür, dieses System aufzubrechen und ihren wirklichen Interessen nachzugehen. Für diese stellen Vereine, Teams und Kurse oft ein Problem dar, da Freiheit in der Auswahl einer Sportart kaum gegeben ist. Zu bedenken ist außerdem die Rolle von Intersexund Trans*personen, die nicht in ein gesellschaftlich konstruiertes binäres Geschlechtersystem einordenbar sind und dies oft auch bewusst ablehnen. 12

Vor allem im Profisport löst das Thema Intersex immer wieder heftige Debatten aus. Der Fall Caster Semenya Großes Aufsehen erregte Caster Semenya im Jahr 2009. Der 19-jährigen Sportlerin, die bei der Leichtathletik-WM 2009 Bestplazierte beim

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bereits in den 1930er jahren spielte intersexualität im sport eine bedeutende rolle

800-Meter-Lauf war, wurde vorgeworfen kein XX-Frau zu sein. Es wurde lang über die Aberkennung ihrer Medaille und den Umgang mit intersexuellen Personen im Sport diskutiert. Doch das Thema ist eigentlich nichts Neues: Bereits in den 1930er Jahren spielte es eine bedeutende Rolle. Die Debatten waren damals wie heute sehr unangenehm für die Betroffen. Ihnen wurde vor allem früher vorgeworfen, „echten“ Frauen absichtlich den Gewinn „stehlen“ zu wollen und auf unfaire Weise ihre Vorteile auszunutzen. Vielen wurden ihre Titel aberkannt. Caster Semenya


bildung und gesellschaft

syntax

ERKLÄRT Intersex

Caster Semenya (vorne) bei den Bislett Games in Oslo 2011

war eine derjenigen, die ihre Medaille behielt und danach zu weiteren Bewerben antreten konnte. Dazu wurde eine genetische Untersuchung durchgeführt, deren Ergebnis jedoch nicht bekanntgegeben wurde. Um das Problem zu lösen, gibt es seit der Olympiade 2011 in London ein System, bei dem die Androgene von Sportlerinnen mit Verdacht auf

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sportlerinnen mit verdacht auf intersex müssen sich einer hormonanalyse unterziehen

Intersex analysiert werden. Das sind jene Hormone, die für die Ausbildung und Funktionsfähigkeit der männlichen Geschlechtsorgane verantwortlich sind. Ist der Wert zu hoch, dürfen

die Sportlerinnen nur mehr an sportlichen Wettkämpfen teilnehmen, sofern sie sich einer androgensenkenden Behandlung unterziehen. Dies soll der Fairness im Sport dienen, da „normale“ Frauen sonst keine Chance hätten. Als zufriedenstellend kann diese Lösung jedoch nicht bezeichnet werden, denn sie bedeutet eine reine Verfeinerung des diskriminierende Systems der Kategorisierung. Die Betroffenen selbst werden kaum in einen Entwicklungsprozess eingebunden und Expert_innen hinterfragen die gängigen Geschlechternormen sehr selten. Expert_innen und Betroffene sollten in Zusammenarbeit einen Weg suchen, auf dem Sport entdiskriminiert werden könnte, damit sich alle Menschen ohne Zwänge und Kategorisierung frei entscheiden können!

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In Österreich kann man nur zwischen zwei Kategorien wählen: männlich und weiblich. Die Wichtigkeit dieser Kategorien an sich sei dahingestellt, abgesehen davon ist die binäre Kategorisierung aufgrund von biologisch/ anatomischen Voraussetzungen, die nur diese beiden Möglichkeiten zur Verfügung stellt, schlichtweg falsch. Intersex-Personen, die ohne ein klar als weiblich oder männlich definierbares Geschlecht auf die Welt kommen, haben in Österreich trotz ihrem nicht-Entsprechen des dualen Geschlechterkonzepts kein Anrecht auf eine eigene Kategorie. Global gesehen verändern sich momentan jedoch die rechtlichen Voraussetzungen für Intersex-Personen gravierend. Schlagwort dafür ist die „Personenstandsänderung“, also die Möglichkeit das Geschlecht in offiziellen Papieren weder als weiblich noch männlich anzugeben. In Deutschland ist das seit dem 1. November 2013 möglich. Auch in anderen Ländern wie Australien, Argentinien oder Nepal ist dies inzwischen möglich. Weiters muss man sich jedoch die Frage stellen, ob solche Kategorien überhaupt nötig sind. Eine dritte rechtliche stellt Kategorie identitätspolitisch immer noch keine umfassende Wahlmöglichkeit dar.


bildung und gesellschaft

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Class Matters Warum wir uns wieder Klassenfragen zuwenden sollten Der Begriff „Klassismus“ ist im deutschsprachigen Raum kaum geläufig, obwohl es dabei um eine grundlegende Form der Diskriminierung geht, die hingegen sehr verbreitet ist. Das Problem des Klassismus muss wieder benannt und angesprochen werden! VON MARA BAN

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ch war letztens in der Bibliothek. Eines der Bücher, das ich mir nach kurzem Beäugen ausgeborgt habe, war ein Sammelband zu Popfeminismus: Hot Topic. Vor ein paar Jahren wurde das Buch ziemlich gehypet, ich habe es bis dato jedoch nicht in die Hände bekommen. Unter anderem hat auch Christiane Rösinger, die Queen des intellektuellen deutschen Pop, einen Text beigesteuert. Er ist sehr humorvoll, ich mag ihre Ironie und zwischen all den halb-ernst gemeinten Sätzen sticht dann einer hervor: Wir sollten uns wieder Klassenfragen zuwenden. Sie behält Recht. Und ist damit ziemlich allein. Der Begriff der Klasse Um sich aber Klassenfragen zuwenden zu können, müsste die Frage geklärt sein, was eine Klasse überhaupt ist. Und dabei ist man sich alles andere als einig. Unter Marxist_innen herrscht die Meinung vor, die Gesellschaft sei in zwei Klassen zu unterteilen, in das Proletariat und die Bourgeoisie, die Unterdrückten und die Herrschenden. Für Karl Marx, den Begründer dieser Theorie, leitet sich die Zugehörigkeit zu einer Klasse ausschließlich aus der

ökonomischen Position ab. Eine Klassengesellschaft abzuschaffen sei nur durch eine Revolution des Proletariats gegen den Kapitalismus möglich. Max Weber, ein Soziologe in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, sah die Gesellschaft bereits mit anderen

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der begriff klassismus ist bei uns so unbekannt, dass ihn meine autokorrektur ständig auf klassiszismus ausbessern will

Augen. Er führte den Begriff der Mittelklasse in den Diskurs ein. Wichtig war für ihn die Erkenntnis, dass Klassen zwar auf ökonomische Unterschiede zurückzuführen sind, jedoch auch als gesellschaftsregulierende Konstrukte agieren, die mit einer bestimmten Sozialisierung verbunden sind. Klassen-, Schichten- und Gesellschaftsmodelle gibt es wie Sand am Meer. Von der Bolte-Zwiebel bis zum Dahrendorfhäuschen; es wurde nicht an Metaphern gespart, um die Gesellschaft möglichst umfassend zu erklären. In den letzten zwei Jahrzehnten gewannen vorlaute Stimmen, die die 14

bereits eingetroffene Auflösung der Klassengesellschaft verkündeten, immer mehr an Gehör. Auffallend ist hierbei jedoch, dass diese Stimmen wohl selbst eher aus privilegierten, elitären, bürgerlichen Schichten stammen. Das verdrängte Wort: Klassismus Für die Diskriminierung aufgrund der sozialen Herkunft gibt es einen Begriff. Er nennt sich Klassismus. In den USA ist dieser Begriff classism wichtiger Bestandteil in Antidiskriminierungsbewegungen, hier im deutschsprachigen Raum ist er so unbekannt, dass meine Autokorrektur ihn andauernd auf Klassizismus ausbessern will. Klassismus ist jedoch keine Kunstrichtung, die irgendwo bei Biedermeier und Romantik zu verorten ist. Nach Andreas Kemper, einem der wenigen europäischen Theoretiker_innen, die sich mit Klassismus auseinandersetzen, kann man Diskriminierung aufgrund der sozialen Herkunft nicht nur auf die ökonomische Situation zurückführen. Diese These wird mitunter von orthodoxen Marxist_innen stark kritisiert. Benachteiligung, die auf der Herkunft aus einer „niederen“ Klasse basiert, zeigt sich auf unter-


bildung und gesellschaft

schiedliche Weisen. Am stärksten in der massiven Schere zwischen Arm und Reich, aber auch auf anderen (institutionalisierten) Ebenen wie einer elitären Bildungs- oder Familienpolitik. Nicht zu vergessen, und das ist für Kemper ausschlaggebend, sind jedoch auch naturalisierte Bilder von Armen, (Lohn-)Arbeiter_innen, Besitzlosen etc., die als sozial und kulturell wertlos diffamiert werden. Wichtig für die Antiklassismus-Bewegung waren amerikanische Feministinnen, wie bell hooks oder das Aktivistinnenkollektiv the Furies, die sich Mitte der 70er Jahre von der überwiegend weißen, heterosexuellen und bürgerlichen Frauenbewegung nicht vertreten fühlten. Sie erkannten, dass sie aus weit mehr Gründen, als nur ihrem Frau*-sein, diskriminiert wurden. Kriterien wie of-colorsein, Nicht-Heterosexualität oder die Zugehörigkeit zu einer „niederen“ Klasse beeinflussen ihre Erfahrungen mit Diskriminierung und schlussendlich ihren Status in der Gesellschaft beträchtlich. Unterschiedliche Diskriminierungsformen können sich überschneiden und bestärken. Man spricht hier von Intersektionalität, von Mehrfachdiskriminierung. Auch die Antiklassismus-Bewegung kommt nicht ohne eine gehörige Portion Feminismus aus. Durch bell hooks und the Furies kamen medial überpräsente Bilder der „Unterschicht“ das erste mal ins Kreuzfeuer der Kritik. Geistes- und sozialwissenschaftliche Arbeiten zur Antiklassismusdebatte, die unweigerlich mit einer Diskussion über Intersektionalität

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des politischen Handelns auf Europa umzumünzen, da Begriffe wie Klasse, soziale Mobilität aber auch race aus sehr differenten historischen Blickwinkeln zu betrachten sind. Nur wenige haben im Europa der 70er Jahre auf die aus den USA stammende Kritik am Klassismus reagiert oder sich ihr gar angeschlossen. Eine der wenigen, die das doch getan hat war Anja Meulenbelt, eine niederländische Sozialarbeiterin. Sie wurde durch die Frauenbewegung politisiert und war im Bezug auf Klasse mit einer ähnlichen Situation konfrontiert wie the Furies. Sie verfasste ab den frühen 80er Jahren einige Essays und Bücher, die sich mit Klassismus außeinandersetzen. Dass ihre Arbeit wenig bis gar nicht, und wenn dann meist nicht im Bezug auf Klassismus rezensiert wurde, hält bis heute an.

auch die antiklassismus-bewegung kommt nicht ohne eine gehörige portion feminismus aus

Das Problem mit dem „Assi-TV“ Zur „Unterschicht“ hat man ja meist ein sehr klares Bild im Kopf. Kleine, dreckige Wohnungen mit speckigen Ledersofas und sonstigen hässlichen Möbeln, die kinderreiche Familien beherbergen, welche weder die Grammatik beherrschen, noch Bildungsinstitutionen besuchen um sie zu erlernen und die aggressiv miteinander umgehen. Dieses Bild ist salonfähig geworden. Die Zeit schrieb bereits 2010 über den „produzierten Proleten“ über „Assi-TV“ als „Sozial-Porno“ oder „Reality-Show“ so als würden Saturday Night Fever und Co. kollektive Lebensrealitäten darstellen. In der Talk-Show britt wurden ökonomisch schwächere Personen vorgeführt wie hinterwäldlerische, überpotente Neandertaler_innen, die von Britt und dem Publikum zurechtgewiesen aber mitunter auch beschimpft wurden. Das Wort „Unterschichtsfernsehen“ hat es bereits geschafft ein breites Feld an Assoziationen hervorzurufen.

einhergeht, sind meistens von Autor_ innen aus den USA verfasst worden. Es ist schwierig, das bereits breite Feld der theoretischen Ansätze aber auch

Angesichts der Darstellung Armer in den Medien ist es nicht verwunderlich, dass inzwischen ein Drittel aller österreichischen Schüler_innen der

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Meinung ist, dass Armut selbstverschuldet sei. Deutsche Politiker_innen aus der FDP ließen unter dem Titel „In Deutschland bekommen die Falschen die Kinder“ bereits Vorschläge von sich, die die Zeugungsbereitschaft von Akademiker_innen mit gezielter Förderung erhöhen sollte. Damit soll die vermeintlich vererbte Intelligenz und Intellektualität – an dieser Stelle zeigt sich wohl eine naturalisierte Form von Klassismus - wieder auf Vorderfrau gebracht werden. Politik, die auf einer elitären, bürgerlichen Ebene geführt wird, hat eine lange Tradition. Das kann durch bürgerlich-konservative Parteien, wie den englischen Torys (mit ihrer Gallionsfigur Margret Thatcher), die deutsche CDU oder die ÖVP, aber auch durch vergleichbar „junge“ Parteien, wie die FDP oder die Neos geschehen. Ganz abgesehen davon, dass sie als starke Vertretungen für die ökonomische Vormachtstellung bestimmter Schichten fungieren, reproduzieren sie das Bild einer durch den Staat legitimierten sozialen Differenz immer wieder aufs Neue. Die angeführte Beispiele spiegeln nur zu gut wieder, dass die Zugehörigkeit zu einer Klasse immer noch eine gehörige Rolle in unserer Gesellschaft spielt. Oder, um es mit bell hooks zu sagen: Class matters.

Z U S A M M E N G E FA S S T Dem Antiklassismus geht es nicht nur darum, ökonomische Ungleichheiten zu erkennen, zu benennen und gegen sie anzukämpfen, sondern auch, das konstruierte Bild, das von besitzlosen, „niedere“ Klassen vorherrscht, aufzubrechen. Klassismus zeigt sich in unterschiedlichen Formen: in der Politik, im Bildungssystem und nicht zuletzt im Alltag, egal ob er sich überwiegend in der Schule, der Arbeitsstelle oder zu Hause abspielt.


bildung und gesellschaft

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„Mama, ich versteck mich vor dir!“ Outing als queeres “Enfant Terrible” Das erste Mal, als meine Mutter mich am Telefon fragte, ob ich in der neuen Stadt denn gar keinen netten Jungen kennengelernt habe, war ich kurz davor zu sagen: “Nein, Mama, aber ein total süßes Mädchen!” VON GASTAUTORIN HENGAMEH YAGHIROOBI

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as passiert wäre, wenn ich es tatsächlich getan hätte, kann ich nur spekulieren. Was mich so sehr verunsichert, meinen Eltern von meinem Begehren zu erzählen, ist mein bikulturelles Umfeld. Ich bin in Deutschland geboren und aufgewachsen, meine Eltern allerdings nicht. Sie sind vor knapp 30 Jahren aus dem Iran hergezogen und haben Kindheit wie Jugend in einem streng muslimischen Kontext erlebt. Ein Land, in dem allgemeine Wertvorstellungen durch das Gesetz so stark ins Private durchdringen, in dem Minderheiten unsichtbar sind und in dem die Religion so sehr im Vordergrund steht, prägt identifikationsstarke Begriffe wie Kultur und Tradition ungemein. Problematisch ist hierbei, dass meinen Eltern durch eine antimuslimische Mehrheit vermittelt wird, dass ihre (möglicherweise) muslimisch verankerten Werte rückschrittlich, unterdrückend und integrationswiderständig seien. Die “deutsche Mentalität” hingegen sei liberal, modern und das Nonplusultra. Schnittpunkte wie das Traditionsbewusstsein, die Stellung der Familie, und eben auch Hetero-

sexismus und patriarchale Strukturen werden dadurch legitimiert. Ganz einfach nach dem Prinzip: “Wenn es in Deutschland auch so gemacht wird, dann ist das schon in Ordnung. Wenn mit einem Thema der Umgang hier anders ist als dein gewohnter, dann liegst du falsch.” Würden sich private Dinge, die in der Politik auftauchen und vor allem aufgrund christlicher Werte abgelehnt werden, durchsetzen – wie die Gleichberechtigung homosexueller Paare, die Pille danach oder das Adoptionsrecht –, würde es meinen Eltern leichter fallen, ihre Tochter so zu akzeptieren, wie sie ist. Warum ist es mir dann überhaupt so wichtig, mit ihnen darüber zu reden? Die Wahrheit ist, dass ich keine Lust mehr habe, mich zu verstecken und sie anzulügen. Also, was tun? Warten und hoffen, dass sie irgendwann offen genug sind? Warten darauf, in einer monogamen, jahrelangen Beziehung zu enden und zu sagen: Schau her, wir lieben genauso wie ihr, nur gleichgeschlechtlich? Mir persönlich brennt es bei jedem 16

Telefonat mehr auf der Zunge. Es kommt mir mittlerweile so einfach vor, es auszusprechen. Zumindest in meinem Kopf. In der Realität fehlen mir doch die richtigen Worte. Das Outing ist nicht mit einem Labeln gleichzusetzen. Ich würde nicht sagen, dass ich mit Cismännern wenig anfangen kann, sondern, dass N. damals mehr als nur eine gute Freundin war. Was sie daraus machen, kann ich kaum steuern. Mit viel Geduld, Zeit und Stärke schaffen wir das miteinander sicherlich.

ÜBER DIE AUTORIN Hengameh Yaghiroobi lebt in Berlin. Als Tochter eines iranischen Paares wuchst sie zwichen zwei Kulturen auf und merkte schnell, dass sie in keine der beiden so richtig reinpasst. Ihr Blog Tea-riffic dient ihr als Megafon in die digitale Welt, ansonsten ist sie als freie Autorin tätig und schrieb unter anderem schon für das Missy Magazine und an.schläge.


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INTERNATIONALES

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internationales

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Ausgebeutet, verkauft, verhungert Die Maschinerie des Hungers in unserer Welt Täglich sterben 100.000 Menschen an Hunger, davon 25.000 Kinder. Jean Ziegler, erster UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, sagte 2005: „Ein Kind das heute an Hunger stirbt, wird ermordet“. Aber was ist eigentlich mit dem Recht auf Nahrung für alle Menschen? VON RAPHAELA JERNEJ

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as Recht auf Nahrung ist seit 1976 ein im UN-Sozialpakt niedergeschriebenes, weltweites Grundrecht. Trotzdem Leiden weltweit noch immer ca. 2,1 Milliarden Menschen in extremer Armut- sie müssen mit weniger als 1,25 $ pro Tag auskommen. Unter- und Mangelernährung und ihre Folgen prägen das Leben dieser Menschen. Wenn ein Minimum vom 2200 kcal für Erwachsene pro Tag langfristig nicht erfüllt wird, kommt es zur langsamen, qualvollen Zersetzung des Körpers, Krankheiten wie Noma und schließlich zum Hungertod. Von wegen Entwicklungshilfe! Warum existiert dieses ganze Elend, wenn doch unsere Erde theoretisch dazu in der Lage wäre, 12 Milliarden Menschen zu ernähren? Organisationen wie die Welthandelsorganisation (WTO), der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank, kontrollieren praktisch alle wirtschaftlichen Beziehungen weltweit. Sie wurden ursprünglich gegründet, um Entwicklungshilfe zu leisten und die Armut auf der Welt zu verringern. Doch mit ihrer neoliberalistischen Po-

litik fördern sie in erster Linie internationale Megakonzerne, in dem sie auf Deregulierung des Marktes setzen. Sie sind der Meinung, dass nur ein vollkommen freier Markt genügend wirtschaftliche Kräfte freisetzen kann, um den Welthunger zu stoppen. Dabei ignorieren sie aber völlig, dass sie durch ihre Handlungen und Vorschriften einen Staat nach dem anderen in die Armut treiben. Innerhalb dieser Oranisationen vertritt außerdem eine starke Lobby die Interessen der Konzerne.

IWF, WTO und Weltbank vergeben Kredite an die Entwicklungsländern, die sie für diverse Investitionen zur Ankurbelung der Wirtschaft benötigen. Diese Kredite können meist 18

von den betroffenen Staaten nicht zurückbezahlt werden, weshalb der IWF seine Schuldner_innen zu „Strukturanpassungsprogrammen“ zwingt, die das nötige Geld einbringen sollen. So kommt es, dass die ärmsten Länder der Welt einen Großteil ihrer Agrarprodukte verkaufen müssen und ihnen selbst nicht mehr genug Nahrung bleibt, um die eigene Bevölkerung zu ernähren. Im Zuge der umstrittenen Programme müssen die Entwicklungsländer auch ihre Ausgaben für Gesundheitswesen, Bildungswesen und Sozialleistungen kürzen – ein Stich in den Rücken der Bürger_innen. Durch die Liberalisierung des Marktes können ausländische Riesenkonzerne die inländischen Bauern_Bäuerinnen mit niedrigsten „Dumping-Preisen“ verdrängen, welche schlussendlich ihr Land an eben diese Konzerne verkaufen müssen, um an Geld für Lebensmittel zu kommen. Regierungen haben oft wenig Macht gegen die multinationalen Konzerne, da diese vielen Menschen Arbeit geben und die Wirtschaft ohne sie zusammenbrechen würde. Diesen Teufelskreis aus Ausbeutung und Abhängigkeit nutzen die Konzerne aus, und entscheiden so indirekt über Leben und Tod.


internationales

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Im Westen nichts Neues Nicht nur Putin macht Probleme... Oft sehen wir die westliche Welt mit einer rosaroten Brille, wenn es um Diskriminierung von Homosexuellen geht. Doch wenn wir alle so fortschrittlich sind, warum sind die gleichgestellte Ehe und das Adoptionsrecht dann immer noch Tabuthemen und das Coming Out einer berühmten Person eine Titelstory? VON ANTONIA RAUTH

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ls der ehemalige Deutsche Nationalspieler Thomas Hitzlsperger kürzlich offen seine Homosexualität verkündete, überschlugen sich Medien, Sportwelt und Politik beinahe vor Lob und Respektbezeugungen. Auch Hollywood-Schauspielerin Ellen Page erzielte ähnliche Reaktionen als sie in einer vielbeachteten Rede ein Co-

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48 prozent der befragten kennen diskriminierung aufgrund ihrer sexuellen orientierung

ming out wagte. Doch scheinbar gibt es für Medien als auch den Großteil der Menschen zwei verschiedene Sichtweisen auf Homosexualität in der Gesellschaft: Einerseits wird der Mut bewundert, mit dem sich wenige Ausnahmen vor der Weltöffentlichkeit outen, andererseits wird halb Europa beim Gedanken an die gleichgestellte Ehe für gleichgeschlechtliche Paare auf einmal Angst und Bange. Die traurigen Zahlen Denn so viel Respekt einem Coming Out in der Presse gezollt wird, so

rückständig sind die Vorurteile mit denen Homosexuelle im Alltag zu kämpfen haben. Einer Studie der EU-Grundrechte-Agentur (FRA) ergab, dass in Österreich 48% der Befragten Diskriminierung aufgrund ihrer sexuellen Orientierung kennen. Im Schulalltag sind die Zahlen sogar noch schockierender: 91% gaben an, von Mitschüler_innen diskriminierend behandelt worden zu sein. Homophobie sitzt noch immer tief, der Weg zur Normalisierung des Themas „gleichgeschlechtliche Liebe“ ist noch weit. Zweierlei Maßstäbe? Doch während die Probleme in Österreich und den vermeintlich „aufgeschlossenen“ Ländern Europas weitgehend unbeachtet bleiben, empört man sich lieber über die diskriminierenden Gesetzesänderungen in Russland. Natürlich sind diese absolut rückständig und zeigen, wie men19

schenfeindlich Putin das Land regiert. Dennoch, ist es nicht zynisch die Ungleichbehandlung in anderen Ländern anzuprangern obwohl im eigenen Land genauso welche vorliegen? Noch ein weiter Weg Dass es noch lange brauchen wird, bis Homosexuelle in Österreich und auf der ganzen Welt akzeptiert und rechtlich gleichgestellt sind, ist leider Faktum. Dennoch kann jede und jeder von uns selbst daran arbeiten, dass wir diesem Ziel ein Stück näher kommen. Homophobie darf in unserer Gesellschaft keinen Platz haben!


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fem.bio

Helene Stöcker Frauenrechtlerin, Sexualreformerin, Philosophin, Pazifistin und Publizistin

geboren am 13. November 1869 in Wuppertal gestorben am 24. Februar 1943 in New York

Klarer zeigt sich doch vielleicht nirgends die ganze Brutalität menschlicher Zustände als auf dem sexuellen Gebiet.

Schon als junges Mädchen lautete der Traum Helene Stöckers: Schriftstellerin werden und für die Rechte der Frauen kämpfen. Gegen den Willen der Eltern studierte sie ab 1892 als Gastzuhörerin Literaturgeschichte, Nationalökonomie und Philosophie. Nach ihrer Promotion in Bern kehrte sie nach Berlin zurück um dort als freie Schriftstellerin, Vortragende an Hochschulen und Aktivistin im radikalen Flügel der bürgerlichen Frauenbewegung zu arbeiten. 1905 gründete sie zusammen mit anderen Vertreterinnen der deutschen Frauenbewegung den Bund für Mutterschutz und Sexualreform. Darin wurde ledigen Müttern geholfen, aber auch aktiv Sexualaufklärung betrieben und Fragen zur Verhütung und Sexualhygiene beantwortet. Forderungen nach der Straflosigkeit von Abtreibungen, einem freieren Zugang zu Verhütungsmitteln, Möglichkeiten zur Ausübung weiblicher Sexualität außerhalb der Ehe, Einführung von Sexualkundeunterricht, Erleichterung von Ehescheidungen, Aufhebung des Zölibats für Beamtinnen und Anerkennung von Homosexuellen, empörte viele Gegner_innen – oftmals wurden ihre Veranstaltungen gestört. Doch trotzdem trug ihre Arbeit Früchte: Elf Ortsgruppen des Bundes für Mutterschutz und Sexualreform wurden in verschiedenen Städten gegründet, Mütterheime und Sexualberatungsstellen entstanden und 1911 wurde die

Internationale Vereinigung für Mutterschutz und Sexualreform gegründet. Während des ersten Weltkrieges verschob sich ihre Engagement vom Mutterschutz zum allgemeinen Menschenschutz. Sie protestierte lautstark gegen den Krieg, war in einigen pazifistischen Organisationen aktiv und nahm an verschiedenen internationalen Friedenskonferenzen teil. Stöcker setzte sich sehr intensiv mit Nietzsche auseinander, wobei sie vor allem von dessen Kirchenkritik inspiriert wurde. In ihrer Philosophie der ‚Neuen Ethik’ erkannte Stöcker nicht die Ehe, sondern ausschließlich die Liebe als Legitimation für sexuelle Beziehungen an. Sie war gegen die Unterdrückung der Sexualität wie sie die christliche Moral vertrat, gleichzeitig bekämpfte sie den Status der Frauen als Sexualobjekt. An ihrem 60. Geburtstag stand sie am Höhepunkt ihrer Popularität und wurde in ganzer Welt gefeiert – etwa 400 Zeitschriften im In- und Ausland lobten ihre Arbeit. 1933 floh sie in die USA, da das Leben im nationalsozialistischen Deutschland für sie unerträglich geworden war. Da ihre Staatsbürgerinnenschaft aberkannt wurde, konnte sie niemals zurückkehren. Die Nationalsozialist_innen bezeichneten sie als „berüchtigtste Schund und Schmutzliteratin“ und zerstörten ihr Lebenswerk. 1949 starb sie in New York. 20


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SCHÜLER_INNENVERTRETUNG

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schüler_innenvertretung

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EdUcation Bildungspolitik innerhalb der Europäischen Union In Österreich beschäftigen wir uns fast ausschließlich mit unserem Bildungssystem. Wir analysieren und versuchen bestimmte Punkte zu verändern. Selten schauen wir über den Tellerrand. Doch welche Bildungspolitik betreibt die EU? VON CHRISTINA GÖTSCHHOFER

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m Vertrag von Maastrich wird in den Artikeln 126 und 127 festgelegt, dass die Fragen der Organisation und Struktur des Bildungswesen grundsätzlich Angelegenheit der einzelnen EU-Mitgliedsländer sind. Jedoch gibt es Themen, die alle Mitgliedsstaaten betreffen. Die Überalterung der Gesellschaft, die unzureichenden Kompetenzen bei Arbeitskräften, aber auch der globale Wettbewerb sind Herausforderungen, denen sich alle Staaten gemeinsam stellen und somit auch gemeinsam darauf reagieren können.

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im allgemeinen ist „europe 2020“ eine wachstumsstrategie

Im Mai 2009 wurde die „Europe 2020“-Ziele festgelegt und beschlossen. Im Allgemeinen ist „Europe 2020“ eine Wachstumsstrategie, in der sich auch ein Bildungspunkt wiederfindet. Dieser Punkt wurde vom Rat aller Bildungsminister_innen beschlossen. Die wichtigsten Themen hierbei sind zum einen die Verringerung der Quote vorzeitiger Schulabgänger_innen auf unter 10% und zum anderen die Steigerung des Anteils der

30- bis 34-Jährigen mit abgeschlossener Hochschulbildung auf mindestens 40%. Man will also, dass weniger Schüler_innen die Schule abbrechen und dass es nicht nur mehr Studierende gibt, sondern auch, dass diese ihr Studium auch in möglichst kurzer Zeit abschließen. Doch in „Europe 2020“ wird neben den allgemeinen bildungspolitischen Zielen für Universitäten und lebenslanges Lernen auch Augenmerk auf die schulpolitischen Problemfelder gelegt. Hierbei gibt es zwei Durchschnittswerte, die erreicht werden sollen: Der Anteil der 15-jährigen Schüler_innen mit schlechten Leistungen in Lesen,

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das oberste bildungsziel der eu-kommission ist die anpassung der bildungssysteme an den arbeitsmarkt

Mathematik und Naturwissenschaften soll unter 15% und der Prozentsatz der frühen Schul- und Ausbildungsabbrecher_innen unter den 18- bis 24-Jährigen unter 10% sinken. Aber auch das 22

EU-Projekt COMENIUS, ein Projekt zur Förderung von Schüler_innenaustausch, soll mehr gefördert werden. The Communication on Rethinking Education 2012 wurde von der EU-Kommission die „Communication on Rethinking Education“ verabschiedet. Darin beschreibt die Kommission ihr oberstes Bildungsziel: Bildungssysteme an den Arbeitsmarkt anzupassen. Doch was versteht die EU darunter? Die Bildung, die in der Schule vermittelt wird, soll verstärkt dazu dienen, aus den Schüler_innen der EU arbeitsfähige Kräfte zu produzieren. Wieder einmal zeigt die EU, dass sie Wirtschaft über alles stellt: Auch Bildung wird zur Ware gemacht. Dabei werden drei Hauptziele formuliert: Passende Qualifikationen für die Berufswelt sollen vermittelt, neue Wege des Lehrens und Lernens gefunden und dabei über neue Möglichkeiten der Finanzierung der Bildungssysteme nachgedacht werden. Man geht hierbei immer mehr von dem Aspekt der allgemeinen Bildungsvermittlung weg. Bildung ist viel mehr als Faktenwissen, Bildung


schüler_innenvertretung

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umfasst ebenso soziale Kompetenz oder den Umgang mit schwierigen Situationen. Doch die Tendenz geht dahin, dass wir werden mehr für den Arbeitsmarkt ausgebildet, als für uns selber gebildet werden. Die Schule gleicht heute mehr einer Einrichtung in der man aus Schüler_innen Arbeitsmaschinen produziert, als sie zu kritischen allgemeingebildeten Wesen wachsen zu lassen

mehr in den Unterricht einbringen können sollten . Denn das wird nicht berücksichtigt. Mit Partizipation wird nicht nur Mitarbeit gemeint, auch die Mitbestimmung des Lehrplans ist ein wesentlicher Punkt, der fehlt. Doch es werden nicht nur die fehlenden Mit-

OBESSU Die OBESSU, der Dachverband vieler Schüler_innenorganisationen, in dem auch die AKS Mitglied ist, übt viel Kritik am Konzept von „Rethinking Education“. Obwohl sie die Idee Bildung weiterzuentwickeln und neue Strategien zu praktizieren, begrüßen, sehen sie viele Problemfelder. Vor

bestimmungsmlichkeiten kritisiert, sondern auch dass Schüler_innen werden viel zu selten als Individuen wahrgenommen werden. Schüler_innen müssen endlich wieder als einzelne Subjekte gesehen werden, auf die man individuell eingeht, damit sie zu verantwortungsbewussten Bürger_innen werden können. All’ das wird, so scheint es, in „The Communication on Rethinking Education“ bewusst vergessen.

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mit mehr partizipation ist nicht nur mitarbeit gemeint, auch die mitbestimmung des lehrplans ist wesentlich

allem bei den neuen Wegen des Lehrens und Lernens fordern sie, dass sich alle Schülerinnen und Schüler

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schüler_innen werden viel zu selten als individuuen wahrgenommen

Zukunft der europäischen Bildungspolitik Ende Mai 2014 finden die nächsten Wahlen für das EU-Parlament statt. Hierbei treten aus allen EU-Mitgliedsstaaten Politiker_innen der jeweiligen Länderparteien an. Im EU-Parlament 23

bilden sich dann Fraktionen aus den verschiedenen Parteien. Die drei größten Fraktionen sind im Moment die Europäische Volkspartei, die Sozialdemokratische Partei Europas, sowie die Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa. Es gibt aber auch fraktionslose Abgeordnete im Europäischen Parlament. Je nachdem wie die Wahlen im Mai ausfallen, wird sich auch die europäische Idee von Bildung verändern. Nutze deine Stimme für eine progressive Bildungspolitik!

ERKLÄRT Der Vertrag von Maastrich wurde 1992 unterzeichnet. Er ist der größte Schritt der europäischen Integration seit der Gründung der Europäischen Gemeinschaften. Damit trat die EU als übergeordneter Verbund für die Europäischen Gemeinschaften ein. Die EU-Komission überwacht die Einhaltung des Europarechts und kann Klage gegen einen EU-Staat beim Europäischen Gerichtshof erheben. Jeder Mitgliedsstaat entsendet eine Person für die Kommission.


schüler_innenvertretung

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Recht du hast Eine Initiative der AKS für ein Institut für Schüler_innen- und Lehrlingsrechte Schulrechtsverletzungen sind keine Seltenheit im österreichischen Schulalltag. Schüler_innen und Lehrlinge sitzen dabei meist am kürzeren Ast. Die AKS hat im zweiten Semester den Schwerpunkt Schulrecht gewählt und fordert in der Initiative „Recht du hast“ ein Institut für Schüler_innen und Lehrlingsrechte. VON LARISSA NENNING

U

nbedeutende Gesetze, die oft vergessen werden: Diesen Anschein erweckt das in verschiedensten Gesetzen und Verordnungen festgeschrieben Schulrecht für viele Schüler_innen und Lehrlinge. Sehr oft werden die Rechte missachtet und das passiert häufig unbemerkt, da viele Schüler_innen und Lehrlinge ihre eigenen Rechte gar nicht kennen. Wir als AKS haben im Frühling einen Schwerpunkt auf schulrechtliche Missstände an Schulen gesetzt, denn

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schulrechtsverletzungen stehen auf der tagesordnung

diese sind alles andere als zu übersehen. Derzeitige Situation Unser langjähriger Schulrechtsnotruf beweist: Schulrechtsverletzungen stehen auf der Tagesordnung. Viele Schüler_innen und Lehrlinge werden in ihrem Schul- und Arbeitsalltag nicht rechtmäßig behandelt und wissen kaum, wie sie sich dagegen wehren können. Ob es dabei um die Nichteinhaltung von vorgeschriebe-

nen Prüfungszeiten, Probleme mit freien Schultagen oder sonstige willkürliche Behandlungen durch Lehrpersonen und andere Bedienstete im

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es ist für schüler_innen immer schwer, sich gegen schulrechtsverletzungen zu behaupten

Schulbereich handelt, es ist immer sehr schwer sich dagegen zu behaupten. Die Hierarchien an Schulen, aber auch am Arbeitsplatz erschweren es Jugendlichen, gegen rechtswidrige Handlungen von scheinbar „Höhergestellten“ etwas zu unternehmen. Denn damit ist oft Angst vor noch schlechterer Behandlung verbunden, da Schüler_innen und Lehrlinge von Lehrpersonen auf eine gewisse Weise abhängig sind, wenn es beispielsweise um die Notenvergabe geht. Unsere Forderungen Wir sind der Meinung: Die derzeitige schulrechtliche Situation muss ein Ende haben. Die erste Maßnahme, die zur Verbesserung gesetzt werden muss, sind Schulrechtsbeauftragte an allen Schulen. Diese Funktion sollen Schüler_innen einnehmen, so wie 24

es zum Beispiel auch Umwelt- oder Mediationsteams schon an vielen Schulen gibt. Dadurch soll die Aufklärung von Schüler_innen im Bereich ihrer Rechte gefördert werden und damit ein erstes Fundament für eine gerechte Schule gelegt werden. Diese Schulrechtsbeauftragten sollen für alle Schüler_innen und Lehrlinge die erste Anlaufstelle bei schulrechtlichen

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wir fordern beratung und juristischen beistand in jedem bundesland

Fragen sein und Informationen weitergeben. Falls es jedoch zu Situationen kommt, die für die jugendlichen Schulrechtsbeauftragten als unlösbar erscheinen, muss es noch weitere Institutionen geben, an die sich Schüler_innen und Lehrlinge wenden können. Wir fordern ein „Institut für Schüler_innen und Lehrlingsrechte“, das nicht nur Beratung, sondern auch juristischen Beistand in Rechtsstreits, die das Schulrecht betreffen, zur Verfügung stellen. Dafür soll es in jedem Bundesland eine Stelle mit ausgebildeten Jurist_innen geben, die für Schüler_innen und


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Lehrlinge bei komplizierten Schulrechtsproblemen da sind. Dieses Institut soll unabhängig arbeiten können und durch öffentliche Gelder finanziert werden. Durch diese Stelle soll der oft willkürlichen Behandlung von

Das Institut soll sich deshalb auch explizit mit der Situationen von Lehrlingen auseinandersetzen und für diese eine kompetente Anlaufstelle und rechtliche Vertretung sein, wenn diese benötigt wird.

bei lehrlingen ist die rechtliche situation oft sehr kompliziert, da hier arbeits- und schulrecht eng miteinander verbunden sind

Recht du hast Im Rahmen unserer Kampagne werden wir verschiedene Aktionen starten, um unserer Forderung nach einem Institut für Schüler_innen und Lehrlingsrechte Ausdruck zu verleihen. Dazu gehören beispielsweise Schulworkshops, die Schüler_innen über ihre Rechte aufklären sollen. Der seit Jahren sehr gefragte Service durch unseren Schulrechtsnotruf, steht selbstverständlich immer zur Verfügung, wenn Schüler_innen Fragen haben. Denn uns liegt das Schulrecht sehr am Herzen und bis zur sehr dringenden Umsetzung des geforderten Instituts, geben wir unser Bestes um Schüler_innen zu informieren und helfen. Ein Institut für Schüler_innen und Lehrlingsrechte ist essentiell um den

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Schüler_innen und Lehrlingen entgegengewirkt werden. Beachtung von Lehrlingen Bei Lehrlingen stellt sich die rechtliche Situation häufig als besonders kompliziert dar, da hier Arbeits- und Schulrecht sehr eng miteinander verbunden sind. Wohnheimsregelungen, Lehrlingsverträge und schulfreie Tage: Im Alltag von Berufsschüler_innen gibt es viele Themen, bei denen es oft zu Auseinandersetzungen zwischen Lehrlingen und Schulbeamt_innen, aber auch Arbeitgeber_innen kommt.

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Umgang von Lehrpersonen und anderen Beamt_innen im Schulwesen mit Schüler_innen und Lehrlingen zu verbessern und unsere Schule demokratischer und gerechter zu machen. Denn wir haben nicht nur Pflichten, sondern auch Rechte, die von allen respektiert werden müssen! Daher: Recht du hast!

GET ACTIVE Was kannst du tun, um die Kampagne zu unterstützen? Das ist ganz einfach: Bestell dir gratis Schulworkshops zum Thema an deine Schule und informiere dich und deine Mitschüler_innen. Zudem kannst du in deinem Bundesland auch an den wöchentlichen Diskussionsrunden der AKS teilnehmen oder auf eines unserer Seminare mitfahren. Überall, wo sich Leute zum Austausch und zur Diskussion treffen, werden weitere Eckpfeiler für eine sozial gerechte, demokratische und angstfreie Schule und Gesellschaft geschaffen.


schüler_innenvertretung

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Schüler_innenvertretung

How-To?! „TAG DER TOLERANZ“

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Der „Tag der Toleranz“ ist ein Workshoptag, bei dem Schüler_innen die Möglichkeit haben, sich mit Themen wie Rassismus oder Homosexualität auseinanderzusetzen, zu diskutieren und sich eine Meinung zu bilden.

Mit dem „Tag der Toleranz“ ist es möglich, ein Zeichen für Offenheit und Akzeptanz setzen und in der Schule klar aufzeigen, dass Hass, Angst und Vorurteile nichts in der Gesellschaft verloren haben.

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Angeboten werden verschiedene Workshops, beispielsweise: o „Stop Racism“ (Vorurteile, Rassismus, Rechtsextremismus,...) o „Equal Love – Equal Rights“ (Homo-, Transsexualität,...) o „Break the Stereotypes“ (Gleichberechtigung der Geschlechter, Rollenbilder, …)

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Diese, sowie viele weitere Workshops, werden von der AKS gratis angeboten. Der Workshoptag soll ganztägig sein, er besteht aus verschiedenen Einheiten, beispielsweise zwei: 08:00-11:00, 12:0015:00. Jede_r Schüler_in hat je nach Zeit- und Workshopeinteilung die Möglichkeit eine bestimmte Anzahl der angebotenen Workshops zu wählen. Zum Beispiel wird ein Workshop am Vormittag, der andere am Nachmittag besucht. Es besteht bis auf weiteres Teilnahmepflicht, was über ein Teilnahmeblatt, auf dem die Moderator_innen für jede_n Teilnehmende_n unterschreiben, überprüft werden kann. Jeder Workshop wird von zwei Moderator_innen geleitet.

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TO DOs

~~Projekt im SGA vorstellen ~~Elterninformation versenden ~~Termin fixieren ~~Mit der AKS deines Bundeslandes wegen den Workshops reden ~~Räume in der Schule organisieren ~~Konzepte ausarbeiten ~~Schüler_innen informieren ~~Feedback einholen

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Erfahrungsbericht

Mir hat das Projekt „Tag der Toleranz“ gerade deshalb so gut gefallen, weil es die Möglichkeit bietet, mit relativ geringem Aufwand sehr viel Schüler_innen anzusprechen. Die Moderator_innen der AKS sind super nett gewesen und haben die Workshops echt toll geleitet. Ich kann es wirklich allen empfehlen dieses Angebot zu nutzen! Clara Kessler, BG/BRG Feldkirch, 17 Jahre 26


meinung

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Vegetarismus: Pro und Contra

Auf vegetarische Ernährung umzusteigen bietet zahlreiche Vorteile, unter anderem viele ökologische. Die Massentierhaltung verschlingt natürliche Ressourcen und verursacht einen höheren Ausstoß an Treibhausgasen als das gesamte Transportwesen weltweit. In den letzten 40 Jahren wurden 40 % des Regenwaldes, der unseren wichtigsten CO2-Filter und den Lebensraum tausender Tiere und Pflanzen darstellt, für Halteflächen für Nutztiere und Anbauflächen für Futtermittel gerodet. In diesen Gebieten herrscht außerdem häufig Hunger in der Bevölkerung, da Unmengen an Getreide und Soja nach Europa exportiert werden, nur um unsere Tiere zu ernähren. Eine Kalorie Fleisch verbraucht in ihrer Erzeugung durchschnittlich 10 Kalorien Futtermittel. Wenn alle Menschen vegetarisch leben würden, könnten insgesamt viel mehr Menschen ernährt werden. Außerdem verbraucht die Produktion von 1kg Fleisch etwa 15.500 l Wasser, was wiederum der ansässigen Bevölkerung wichtiges Trinkwasser nimmt. Aber nicht nur Menschen werden durch die Massentierhaltung geschädigt. Unter schrecklichen Bedingungen vegetieren die Tiere oft in enge Hallen zusammengepfercht. Um die Ausbreitung von Krankheiten zu verhindern, bekommen sie hohe Mengen an Medikamenten, die dann in unsere Körper gelangen. Auch das Argument, auf biologisches Fleisch umzusteigen, ist problematisch, denn wo Bio draufsteht, ist noch lange nicht Bio drin. Natürlich kann durch den Vegetarismus nicht die Welt gerettet werden, aber zumindest verbessert.. So rief schon der Friedensnobelpreisträger Rajendra Pachauri zu geringerem Fleischverzehr auf. Um anderen Leuten bewusst zu machen, wie schädlich unser übertriebener Fleischkonsum ist, ist der komplette Verzicht auf Fleisch eine gute Möglichkeit. Verschiedene Untersuchungen haben ergeben, dass Vegetarier_innen gesünder sind als Fleischesser_innen. Also: Weg vom Fleisch und ran an das Gemüse!

Ich bin überzeugt: Nur weil ich kein Fleisch esse, rette ich nicht automatisch die Umwelt. Dass Massentierhaltung und der übertriebene Fleischkonsum vieler Menschen sehr große Umweltschäden verursacht, ist nicht zu verleugnen und ethisch nicht tragbar. Wichtig ist jedoch dabei: Der übertriebene Fleischkonsum aus Massentierhaltung ist schädlich, nicht Fleisch grundsätzlich. Eine Paprika aus einem spanischen Zuchthaus schadet nicht weniger der Umwelt, als ein Schweinesteak aus einer Massentierfabrik. Die Erzeugung der Lebensmittel ist der springende Punkt! Denn auch Gemüse und Früchte haben einen Haken: Oft kommen diese aus weit entfernten Anbaugebieten, um zu allen Jahreszeiten eine volle Auswahl an Früchten im Supermarkt anbieten zu können. Dies ist eine der Ausprägungen unserer Konsumgesellschaft. Wenn jedoch lokale Lebensmittel bei Kleinbäuer_innen gekauft werden, werden einerseits die Transportwege verkürzt, aber auch die Herstellungsbedingungen, wie beispielsweise Futtermittel, sind bei Kleinbetrieben häufig um einiges besser. Bis dies in den Köpfen aller Menschen ankommt, wird es wohl noch eine Zeit brauchen.

Lea Romm lebt in Wien und besucht dort das Realgymnasium Stubenbastei

Claudia Satler ist Vorsitzende der AKS und lebt in Wien

Der in meinen Augen vermutlich wichtigste Punkt bei Vegetarismus ist jener, dass es für viele Menschen einfach zum Lifestyle geworden ist und sich einige dadurch anderen gegenüber besser fühlen. Was dazu kommt, ist, wenn auf Produkte und deren Herstellung geachtet wird, dies nur für Personen mit fettem Geldbörserl möglich ist. Denn Lebensmittel von besserer Qualität sind eben teurer und das trifft natürlich auch bei Fleisch zu. Daher sollte auch dieser Aspekt, dass sich eben nicht alle Menschen, die ökologisch verträglich, gesunden und vielleicht auch besser schmeckenden Produkte leisten können. Daher ist und bleibt für mich Vegetarismus, wenn er dieser unreflektiert passiert, oft nur Show für andere und für sich selbst.

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feuilleton

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Kunst Buch

die mädchen von früher von jedem mädchen nahm ich sprache mit und baute sie in meine herzverzweigungen ein sie alle gaben mir was ich in ihren mündern fand und wollten es nach dem ende nicht mehr zurück jahreszeiten mit menschlichen dingen verbinden über luftschächten die kalte nacht verbringen und eines tages das richtige mädchen finden dessen sprache sich nur in satzzeichen schreibt nach dem ende jeder zeit ist das einzige was mir von jenen mädchen übrigbleibt nicht die nacht oder die nacht danach oder blicke und augen aber das gesprochene zwischen uns verfällt nicht jedem mädchen nahm ich die sprache weg und machte daraus ein naturgedicht oder ein expressionistisches mit farbwörtern noch und noch dabei waren sie fast alle wie regenbögen zu mir in spätsommern oder verpassten herbstauftakten erinnere ich mich nicht an ihre nackten körper nicht an ihre harten berührungen und gesichter nur an die leerzeichen zwischen jedem wort VON MAYA RINDERER

Queer_Feminismus Label & Lebensrealität von Leah Breth und Nadine Lantzsch Leah Breth und Nadine Lantzsch liefern mit ihrem Buch Queer_Feminismus eine spannende Auseinandersetzung mit dem Thema, die abseits von wissenschaftlichen Analysen und komplizierter Darstellungen queer_feministischer Theorien auf persönlich ansprechende Art und Weise geschrieben ist. Sie werfen Fragen auf und erklären, auf welchen Ebenen sie im Alltag queer_feministisch agieren. Dabei geht es beispielsweise um die Verwendung einer nicht-diskriminierenden Sprache oder durch eine kritische Auseinandersetzung der eigenen sozialen Positionierung. Das Buch bietet wenig Antworten, dafür umso mehr spannende Denkanstöße für alle, die sich mehr mit Queer_Feminismus beschäftigen wollen. Erschienen im Unrast Verlag - Bücher der Kritik

VON LARISSA NENNING

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Halle Tipps

syntax Playlist Bikini Kill – Rebel Girl Salt n Pepa – None of your Business Sookee feat. Special-K – Zusammenhänge Soko – Monster Love Judith Holofernes – Nichtsnutz Tegan and Sara – Goodbye, Goodbye Ida Maria – I Eat Boys Like You For Breakfast

syntax Empfehlung Ein Zuhause am Ende der Welt von Michael Cunningham

Feministische Buchhandlung in Wien

„Das ist, was wir machen. Wir basteln uns eine Zukunft mit den Ressourcen, die uns zur Verfügung stehen“ Bobby, Jonathan und Clare – drei liebevolle, gewöhnliche Menschen, die versuchen ihr Leben zu gestalten. Das Buch handelt in den Siebzigern und Achtzigern. Beziehungen spielen dabei eine überaus wichtige Rolle: die Beziehung zwischen Bobby und seinen Eltern, das Heranwachsen der zwei Jugendfreunde Jonathan und Bobby, ihre wechselnden sexuellen Neigungen und ihr Umgang damit und schlussendlich die außergewöhnliche Beziehung zwischen Bobby, Jonathan und Clare, die versuchen den Begriff „Familie“, mit starker Sehnsucht nach Gefühlen, neu zu definieren. Immer auf der Suche nach einem Platz, einem Zuhause, in dem sie sich wohlfühlen können, träumen die drei von ihrem Leben – stets mit einem kritischen Blick auf die Welt.

Bereits 2011 entstand die erste feministische Buchhandlung Wiens “CheckLit“ in der Kleeblattgasse 7, im 1. Bezirk. Ins Leben gerufen wurde sie von der mittlerweile 35-jährigen Politikwissenschaftlerin Paula und der 33-jährigen Landschaftsplanerin Jenny, die sich beide seit Jahren mit feministischer Literatur auseinandersetzen und es uns ermöglichen ohne wochenlange Wartezeiten an feministische Lesewerke aus der ganzen Welt zu kommen. Zwischen all den Regalen, die bis zum Rand mit spannenden Büchern gefüllt sind, gibt es eine kleine Ecke mit Sitzgelegenheiten, für alle die vor dem Kauf vielleicht doch lieber einfach mal reinschnuppern möchten. Zusätzlich zu der großen Auswahl an Büchern und anderen feministischen Materialien veranstaltet das Team von CheckLit regelmäßige Lesungen, Buchpräsentationen, Gespräche mit Autor*innen oder sogar Poetry Slam. Ihre Veranstaltungen finden meist zwischen 1bis 3 mal im Monat statt. Solltest du auf der Suche nach einem Buch sein, das sie momentan nicht in ihrem Sortiment haben, leiten die Beiden alle Mittel in die Wege um es für dich beschaffen. Also, schau doch einfach mal vorbei!

VON RAPHAELA JERNEJ

VON TAMARA MITTERMANN

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Der Schulrechtsnotruf der AKS

0699 / 12 14 81 20 Schüler_innen sitzen viel zu oft am kürzeren Ast, unsere Rechte werden häufig ignoriert oder schlichtweg missachtet. Meistens wissen wir Schüler_innen auch gar nicht über unsere Rechte Bescheid, können uns daher auch kaum gegenüber Lehrer_innen oder Direktor_innen durchsetzen und uns gegen Rechtsverstöße wehren. Die AKS bietet deshalb einen Schüler_innennotruf an,

bei dem du kompetente Antworten und Hilfestellungen bei deinen Schulrechtsfragen erhälst. Du kannst auch unsere Broschüre „123 Fragen an das Schulunterrichtsgesetz“ auf www.aks.at gratis bestellen, oder einfach den Rücksender auf der Seite rechts ausfüllen und wir schicken die Sachen portofrei nach Hause.

Sudoku Für lange Bus- und Zugfahrten, mühsame Schulstunden und ganz alltäglichen Zeitvertreib.

leicht

mittel

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Aktivist_innenkongress 2014 der Aktion kritischer Schüler_innen

25-27 April, St. Gilgen 120 Jugendliche ++ 6 Workshops ++ 3 Tage

Anmeldung & Infos unter

aks.at/akko

Das AKS-Frühlingsgewinnspiel Mach mit beim AKS-Frühlingsgewinnspiel und hol dir dein iPad, mehrere AKS-Taschen oder eine gratis Teilnahme an einem AKS-Seminar! Einfach diesen Rücksender ausschneiden, ausfüllen und du bist dabei.

Gewinnfrage: Wie viel Prozent des weltweiten Eigentums besitzen Frauen? 40% 1% 25%

Kleb mir eine (falls Marke zur Hand, sonst zahlen wir)

email

AKS-STUFF

geb. dat., schule, klasse

AKS-Wandkalender 13/14

GET ACTIVE!

1x iPad 10x Teilnahmen am AKKO 10x AKS-Taschen

adresse, plz, ort

telefon

Stundenplan Sticker

Das gibt‘s zu gewinnen:

vorname, nachname

ICH WILL: Schulrechtsnotruf Kärtchen

Der Rechtsweg ist ausgeschlossen

FÜR DIE SCHÜLER_INNENVERTRETUNG:

An die Aktion kritischer Schüler_innen Amtshausgasse 4 1050 Wien

SV-Toolbook (allgemeine SV-Broschüre) 123 Fragen an das SchUG (Schulrechtsbroschüre)

MATERIALIEN

Infos über eure laufenden Aktivitäten

Sozial-Broschüre (Beihilfen und Förderungen)

zur Anti-Rassismus Arbeit

einen Workshop an meiner Schule

Schüler_innenzeitungsbroschüre (Schulzeitung ect.)

zu feministischer Arbeit

aktiv werden

Berufsschulbroschüre (Broschüre für Lehrlinge)

zum Thema Homophobie

auf ein Seminar mitfahren

Anti-Rassismus Broschüre

zu Schule & Schulpolitik

eine Liste aller erhältlicher Materialien

Unterstützung bei einem SV-Projekt

Materialien „Feminismus ist.“

ein kostenloses Syntax-Abo

an einem SV-Vernetzungstreffen teilnehmen

Materialien „Recht du hast!“


www .aks .at F端r eine demokratische, angstfreie und sozial gerechte Schule und Gesellschaft!


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