60. Ausgabe September 2014
syntax Das österreichweite Magazin für kritische Schüler_innen Aktion kritischer Schüler_innen — www.aks.at
gegenDruck Themenschwerpunkt: Druck
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Get active! Wir wollen nicht einfach schlucken, was wir vorgesetzt bekommen. Wir wollen nicht zustimmend schweigen, wenn Ungerechtigkeit, Diskriminierung und autoritäre Strukturen ein immer fixerer Bestandteil unseres gesellschaftlichen Alltages werden. Wir wollen nicht wegsehen, wenn die Schule ein Ort des Schreckens wird und uns jede Lernfreude genommen wird. Wir wollen etwas verändern, in der Schule und in der Gesellschaft! Du auch?
Sei mit dabei und werde Teil der größten österreichweiten Schüler_innenbewegung! Informier dich unter www.aks.at
inhaltsverzeichnis
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Inhalt Editorial
kommentar der bundesvorsitzenden
Liebe_r Leser_in!
Thema: druck gegenDruck Leistungskiller: Leistungsdruck „Kinder sind schneller unabhängig, als wir denken“
Wir hoffen, du hattest schöne Sommerferien und die Schule ist noch nicht zu stressig. Passend zu Schulbeginn haben wir diese mittlerweile 60. Ausgabe der Syntax dem Thema „Druck“ gewidmet, der uns jetzt alle wieder verstärkt einholt. Auf den Seiten 6 und 7 findest du den Leitartikel, der versucht, die Zusammenhänge von Druck und psychischen Erkrankungen zu erklären und außerdem das Phänomen „psychische Krankheiten“ an sich behandelt. Auf Seite 8 geht es um Leistungsdruck in der Schule. Außerdem findest du auf Seite 9 und 10 ein spannendes Interview mit der Direktorin von Summerhill, einer Schule an der alles anders ist. Auch in den Rubriken Bildung und Gesellschaft und Internationales gibt es wieder viele spannende Artikeln. Unter „Schüler_innenvertretung“ auf den Seiten 22 bis 26 kannst du dir viele interessante Infos und Tipps einholen, wenn du dich für die Schüler_innenvertretung interessierst.Und ganz am Ende warten natürlich wieder die Kunsthalle und Sudokus für ganz besonders langweilige Schulstunden auf dich. Falls du immer schon einmal deine journalistischen Fähigkeiten austesten wolltest und einen Artikel in Österreichs größter Schüler_innenzeitung veröffentlichen willst, dann melde dich ganz einfach unter syntax@aks.at und du bist Teil des Redaktionsteams! Viel Spaß beim Lesen wünscht dir Deine Redaktion unterstützt von
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bildung und gesellschaft Kapitalismus. Macht. Schule. Vom Salat schrumpf der Bizeps Fetter Protest
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Internationales Education, we have a problem!
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fem.bio
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schüler_innenvertretung Raise Your Voice! Mit Mut und Tatendrang AKS-Service SV-HowTo
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Meinung
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Feuilleton Kunsthalle Sudoku
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IMpressuM
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ganisationszeitung der Aktion kritischer Schüler_innen. Inhaltich den Werten der AKS verpflichtet, ist ihr journalistischer Auftrag die Aufarbeitung gesellschaftlicher Themen aus einer Perspektive, die nicht von ökonomischen und gesellschaftlichen Verpflichtungen und Normen eingeengt ist. Zvr: 270 200 209 | kontakt: 01/523 12 43 31, aks@aks.at | druck: Fairdrucker GmbH Wintergasse 52, 3002 Purkersdorf | P.b.b. Verlagspostamt 1050 Wien, GZ: 02Z033431M
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kommentar
Kommentar der Bundesvorsitzenden Wann, wenn nicht jetzt? Wo, wenn nicht hier? Wer, wenn nicht wir? Immer wieder, wenn etwas passiert, denkt man „jetzt kann es nicht mehr schlimmer werden“ und kurze Zeit später wird man vom Gegenteil überzeugt.
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egonnen hat dieser politische Sommer mit der Debatte über die geschlechtergerechte Sprache. Weiter ging es mit der Verurteilung des deutschen Antifaschisten Josef S. Zwei Aktivist_innen der AKS wurden einfach so verhaftet und in Ferguson wurden wahllos People of Colour von der Polizei schwer verletzt oder getötet. In Malmö/Schweden wurden Antifaschist_innen von der Polizei mit Pferden niedergetrampelt und am Gaza-Streifen ist auch wieder die Hölle los. Wie auch in vielen anderen Teilen der Erde Krieg herrscht. Was im Sommer passierte Dieser schulpolitische Sommer war, genau so wie die vergangenen, leise und kaum spürbar. Wurde am Anfang noch über Türkisch als Maturafach diskutiert, thematisierte man im August den Integrationsbericht und wie man in der Schule Integration schaffen kann. Die Debatte über Inklusion in Deutschland hat es allerdings nicht nach Österreich geschafft. Das sind allerdings alles Dinge, die im „Sommerloch“ passiert sind. Was da noch kommt Doch, wenn schon in dieser anscheinend eher faden politischen Zeit so viele schlimme Dinge passieren, was geschieht dann im September, wenn die Schule wieder anfängt, wenn der
Sommer vorbei ist? Bald werden die Bildungskürzungen, die im Frühjahr heiß diskutiert wurden, wieder zum Thema werden. Wer weiß, wie diese Diskussionen für die Schüler_innen ausgehen werden. Mein Bauchgefühl sagt mir: schlecht, wenn wir uns nicht dagegen wehren. Aber auch in der Parteienlandschaft Österreichs geht’s heiß her. So zeigt zum Beispiel die FPÖ in vielen Bundesländern wieder ihr wahres Gesicht – und das ist ganz angemalt mit Rassismus. So will die „Zukunftshoffnung“ Maximilian Krauss in Wien Vize-Stadtschulratspräsident werden. Der Wiener Bürger_innenmeister Häupl wehrt sich dagegen, immerhin ist Krauss ein schlagender Burschenschafter. Um sicher zu gehen gibt es in Wien Mitte September eine Demonstration gegen Krauss in dieser Funktion. Initiiert wurde sie von wütenden Wiener Schüler_innen, die das nicht akzeptieren wollen. lautstark gegen Missstände Und genau darum geht es: aufmerksam zu sein über die Geschehnisse in der eigenen Stadt, im eigenen Land. Darum, sobald etwas nicht mit der eigenen Meinung übereinstimmt, Verbündete zu suchen und Aktionen dagegen setzen. Es geht darum, die eigene Stimme zu erheben und laut aufzuschreien, wenn etwas nicht passt. 4
Christina Götschhofer ist Bundesvorsitzende der AKS
Darum, das Recht auf freie Meinungsäußerung zu verwenden. Darum, dass wir alle für das verantwortlich sind, was passiert, auch dann, wenn niemand auf die Straße geht, wenn etwas Schlimmes passiert. Wer, wenn nicht wir, macht darauf aufmerksam? Wenn niemand dagegen redet, dann wird angenommen, dass alles in Ordnung ist. Aber das ist es in vielen Fällen nicht. Es wird nur darauf vergessen, dass wir die sind, die Widerstand leisten müssen, sonst macht es niemand. Und wer weiß wohin das führt.
ThEMa: DRuCK
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gegenDruck Wo es nicht mehr weitergeht, weil alles zu viel wird Schüler_innen sind tagtäglich Stress und Druck ausgesetzt, doch die psychischen Auswirkungen bedenken viele Lehrpersonen nicht, wenn sie ihnen noch eine Hausübung oder einen besonders schweren Lernstoff geben. von Magdalena Trauner
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sychische Belastungen und Erkrankungen bei Schüler_innen haben in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Aus einer Studie des Robert-Koch-Instituts geht hervor, dass 22 Prozent aller Kinder und Jugendlichen deutliche Hinweise auf psychische Erkrankungen aufweisen. Besonders häufig sind hierbei Angst, Depressionen, Essstörungen und Auswirkungen von Mobbing. ICD, DSM – Wtf? Doch wie eine psychische Erkrankung aussieht, welche Diagnose wann zutrifft und was welches Krankheitsbild bedeutet, das sind immer wieder schwierige Fragen. Vor diesen Problemen stand man zum ersten Mal in den 1970er Jahren, als versucht wurde, gültige Krankheits- und Diagnosebilder zusammenzufassen. Psychiater_innen in Europa und Amerika wurden Videos von Patient_innen gezeigt, die Diagnose fiel aber – je nach Land – unterschiedlich aus. Denn die Bestimmung von psychischen Krankheiten hat viel mit gesellschaftlichen Normen und Abweichungen von ebendiesen zu tun. Daher entwickelten Forscher_innen das DSM
(Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders), in dem die verschiedensten psychischen Erkrankungen eingeordnet werden. Es wird in verschiedenen Abständen aktualisiert und verbessert, doch insgesamt hat es schon immer viel Kritik geerntet. So war zum Beispiel Homosexualität lange Zeit als psychiatrische Störung im DSM vermerkt. Außerdem wird das DSM international verwendet, jedoch in den USA von einem Forscher_innenteam, das zum Großteil aus Männern besteht, ausgearbeitet und publiziert. Hier kommt also, wie bei vielen anderen Standardwerken, eine weiße, fast ausschließlich männliche Perspektive zum Tragen kommt, die viele Meinungen und Kulturen ausschließt. In der ICD, der „International Statistical Classification Diseases and Related Health Problems“ hat jede Krankheit außerdem eine Diagnosenummer, die in Österreich bei psychischen Erkrankungen angegeben werden muss, damit die Krankenkassa die Kosten übernimmt. Zwischen Individualität und Normisierung Alle psychisch Erkrankten unterscheiden sich aber in Sachen Krank6
heitsbild, Symptome, Auslöser und bei diversen anderen Faktoren. Psycholog_innen und Therapeut_innen gehen mittlerweile mehr auf die individuellen Bedürfnisse von Patient_innen ein, trotzdem gestaltet sich das in diesem starren System oft als schwierig. In diesen Standardwerken werden nämlich bestimmte Symptome zusammengefasst und als eigene „Krankheit“, als sogenanntes Syndrom, bezeichnet. Das lässt oft wenig Spielraum für die Unterschiede von Menschen und mögliche Überschneidungen verschiedener Krankheiten. Neue psychische Erkrankungen als Trend? Was als psychisch abnormal empfunden wird, hängt auch stark vom Zeitgeist einer Gesellschaft ab. So wurde zum Beispiel ADHS, auch Aufmerksamkeitsdefizit-, bzw. Hyperaktivitätsstörung genannt, erst 2013 ins DSM aufgenommen, während Burnout noch gar nicht darin vorkommt. Im alltäglichen Leben spielen diese Begriffe aber schon viel länger eine Rolle. Bedeutet das, dass gewisse Erkrankungen infolge der Lebensumstände erst mit der Zeit entstehen? Hier gehen die Meinungen der Ex-
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pert_innen auseinander: Einige gehen davon aus, dass diese „modernen“ Krankheiten neu entstanden sind. Andere sagen, es hat sie schon immer gegeben, doch nicht in der Ausprägung wie heute. Kommerzialisierung von psychischen Erkrankungen Wenn man das Beispiel ADHS heranzieht, muss man auch darauf eingehen, warum dieses Krankheitsbild so häufig kritisiert wird. Gab es früher diese Krankheit noch überhaupt nicht, sind heute ungefähr 6 bis 7 Prozent aller Kinder und Jugendlichen betroffen. ADHS stellt somit die häufigste Verhaltensstörung bei Menschen unter 18 dar. In den meisten Fällen wird diese Störung mit Medikamenten behandelt, wobei häufig Ritalin zum Einsatz kommt. Dies ist ein Stoff, der die Lernfähigkeit verbessert, aber auch Gefahren birgt. Die amerikanische Drogenbehörde DEA etwa, stuft ihn als gleich gefährlich wie Heroin und Kokain ein. Außerdem wurde bekannt, dass mehr als die Hälfte der ADHS-Forschenden Einkünfte aus der Pharmaindustrie erhalten, was darauf schließen lässt, dass hier kapitalistische Interessen verfolgt werden. Denn eigentlich ist es natürlich, dass sich Kinder gerne und viel bewegen. Und auch Lernprobleme in jungen Jahren müssen nicht auf eine Störung hinweisen, sondern können darauf hindeuten, dass das österreichische Schulsystem wenig Platz für Abweichungen von der Norm des_der still sitzenden Schüler_in zulässt und die Kinder so quasi in Störungen drängt.
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dern und Jugendlichen zeigen sich deutliche Differenzen, was psychische Erkrankungen angeht. Mädchen und junge Frauen leiden statistisch gesehen eher an Essstörungen und Depressionen, während Jungen und junge Männer eher stoffgebundene Süchte, wie Alkohol- oder Drogenabhängigkeit oder Verhaltensauffälligkeiten entwickeln. Früher nahm man an, das läge an den unterschiedlichen Genen von Männern und Frauen, doch neue internationale Studien ergaben etwas anderes. Dabei wurden Menschen aus 15 unterschiedlichen Ländern untersucht und das Ergebnis war eindeutig: Je emanzipierter Frauen in einer Gesellschaft sind, desto mehr schwinden diese starken Differenzen. Geschlechterunterschiede bei psychischen Erkrankungen seien, so Professorin Dr. Anita Riecher-Rössler
unterschiede zwischen den geschlechtern Vor allem bei Kin7
vom Zentrum für Gender Research, vor allem in traditionellen Rollenbildern begründet. Männer dürfen zum Beispiel nicht schwach sein, wodurch sie bei einer Depression andere vordergründige Süchte entwickeln. Frauen hingegen wurde anerzogen, sich selbst zurückzunehmen, daher haben sie eher Erkrankungen, die im Stillen ablaufen. Ein Ende des Tabus? Noch immer werden psychische Erkrankungen in unserer Gesellschaft tabuisiert und verdrängt. Das macht es für Betroffene besonders schwierig, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen und ihre Krankheit offen zugeben zu können. Denn in unserem System müssen Menschen funktionieren und ständig Leistungen erbringen. Vor allem für Schüler_innen, die immer höherem Druck ausgesetzt sind, gibt es kaum Unterstützung vor Ort. Schulpsycholog_innen gibt es nur an wenigen Schulen und im Bildungsbereich wird immer weiter eingespart. Wenn man als Schüler_in etwas verändern will, gibt es aber natürlich Möglichkeiten. Auf Seite 26 wird zum Beispiel beschrieben, wie man Peer-Mediation an der eigenen Schule umsetzen kann, denn es ist wichtig, Schüler_ innen die Möglichkeit zu geben, über ihre Probleme zu reden. Damit psychische Erkrankungen endlich enttabuisiert werden, können wir alle erste Schritte setzen, indem wir offen darüber sprechen und keine Menschen stigmatisieren.
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leistungskiller: leistungsdruck hintergründe und urheber_innen Montagmorgen. Schule. Matheschularbeit. Panik.Wer kennt es denn nicht? Dieses beklemmende Gefühl der Angst, wann immer in der Schule eine Prüfung ansteht. Die Angst zu versagen ist groß. Aber wie kann es auch anders sein in einer Gesellschaft, in der nur Höchstleistungen zählen? von TaHa alI MoHaMed
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dern möchten, kann es leicht passieren, dass sich „fördern“ zu „überfordern“ entwickelt. Folgendermaßen können außerschulische Aktivitäten, wie Kurse oder Sportvereine, die schulischen Leistungen der betroffenen Schüler_innen drastisch herabsetzten und ihre Freizeit auf ein Minimum reduzieren. Dazu kommt die Angst davor, die Eltern mit einem schlechten Zeugnis zu enttäuschen und somit eventuell ihre Zuneigung zu trüben.
iner österreichweiten Studie der Arbeitsgemeinschaft für Präventivpsychologie zufolge zerbrechen immer mehr Schüler_innen am Leistungsdruck, der ihnen in der Schule aufgeladen wird. So waren 2010 bereits 5% aller Schüler_innen Österreichs dem sogenannten „Burn-Out“ nahe, während 13% „bloß“ zeitweise belastet waren und im Allgemeinen auf jede und jeden Dritte_n ab dem zehnten Lebensjahr enormer Stress durch die Schule und die damit verbunden Pflichten ausgeübt wird. Diese permanente Angst vor dem eigenen Versagen bringt, unter anderem, psychische Folgen wie Depressionen, Schlafstörungen, Schulangst und sogar die Entwicklung von Suchtverhalten mit sich.
Rivalität im Klassenzimmer Vor allem in der Schule spielt Rivalität und das Verlangen danach, der_die Beste zu sein, eine bedeutenden Rolle. Klassenkolleg_innen, die sich eigentlich unterstützen und gemeinsam lernen könnten, kämpfen gegeneinander um jede einzelne Note, vergleichen ihre Erfolge untereinander, ziehen über diejenigen her, die besser abschneiden und spotten über jene, die wiederholt schlechtere Resultate erzielen. Auch die Lehrer_innen orientieren sich in der Art und Weise, wie sie mit vereinzelten Schüler_innen umgehen, häufig an ihren Noten und sonstigen schulischen Leistungen: Sogenannte „Einser-Kandidat_innen“ werden von ihnen als die Intelligentesten und Besten in der Klasse angesehen, während Schüler_innen, die sich ihr Leben lang in der Schule schwer getan haben, als faul abgestempelt werden und ständig unter den wachsamen Augen der Lehrpersonen stehen. Dabei sind es vor allem diese, die unter dem Leistungsdruck leiden: denn mit jeder weiteren schlechten Note, die sie bekommen, sinkt ihr Selbstvertrauen, während der Druck, das nächste Mal nicht wieder zu versagen, steigt und man mit der Zeit in einem Teufelskreis gefangen ist.
Vom fördern zum Überfordern Druck in der Schule kann aus vielen verschiedenen Gründen entstehen, zum Beispiel durch Zukunftsängste oder Mobbing durch die Mitschüler_innen. Doch der wohl einflussreichste Faktor ist die nähere soziale Umgebung, und im Speziellen die Eltern. Viele von ihnen gestalten die schulische Laufbahn der Schüler_innen zu einem, wie es scheint, lebensentscheidenden Wettkampf. Denn, auch wenn Eltern ihren Kindern nur helfen und frühestmöglich individuelle Talente und Interessen för8
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„Kinder sind schneller unabhängig als wir denken “ Interview mit der Direktorin von Summerhill
Zoë Readhead
Zoë Readhead hat in ihrer Arbeit viel mit Kindern und Jugendlichen zu tun. Im Folgenden erklärt sie das Prinzip von Summerhill, einer alternativen Schule, und gibt Einblicke in ein ganz anderes Erziehungs- und Lernkonzept. von Magdalena Trauner
Syntax: Du bist Direktorin von Summerhill, wie können wir uns diese Schule vorstellen? Zoë: Summerhill ist eine Internatsschule, in der Kinder von sechs bis 17 Jahren gemeinsam mit den Lehrer_innen und Hauseltern zusammenleben. Das Leben und Lernen in der Gemeinschaft, also auch, dass man sich manchmal zusammenraufen muss, ist wichtig für die Entwicklung der Persönlichkeit. Das Prinzip ist es, eine demokratische Schule anzubieten, in der Kinder als selbstbestimmte Individuen leben und gemeinsam demokratische Entscheidungen bei den wöchentlichen Schulmeetings treffen. Sie können selber entscheiden, welche Unterrichtsfächer sie lernen wollen und ob sie den Unterricht besuchen wollen oder nicht. Syntax: An vielen “normalen” Schulen sind Kinder hohem Druck von verschiedenen Seiten ausgesetzt… Zoë: Der Druck an sich ist nicht das Problem. Druck ist etwas ganz Normales und führt dazu, dass man sich anstrengt. Das Problem an Mainstream-Schulen, ist, dass der Druck von ganz vielen anderen Personen kommt, z.B. den Lehrer_innen, Eltern
und Verwandten, aber nicht von den Kindern selbst. Kinder müssen selber entscheiden können, für was sie sich interessieren und was sie machen wollen, weil es ja sie sind, die die Arbeit machen. Kinder wollen ja lernen und sind neugierig. Ich denke, dass das Problem an euren Schulen ist, dass alle glauben, Kinder brauchen Druck von außen, um etwas zu lernen. Syntax: Wie könnte das Schulsystem verändert werden, damit auch an „normalen“ Schulen solche Rahmenbedingungen geschaffen werden? Zoë: Es ist sehr schwierig für Mainstream-Schulen, mehr Entscheidungsmöglichkeiten anzubieten, weil die meisten Eltern denken, sie müssen ihre Kinder zum Lernen zwingen und Angst vor so einer Veränderung haben. In Summerhill können die Kinder entscheiden, was sie lernen wollen. Aber natürlich muss es einen Stundenplan geben, man kann nicht plötzlich um zwei in der Früh Geschichteunterricht haben (lacht), aber man muss eben nicht zum Unterricht gehen, wenn man nicht will. Das könnte an normalen Schulen übernommen werden, weil es dadurch keine Verhaltensprobleme in der Klasse geben würde. 9
Zoë Readhead An vielen Schulen verwenden die Lehrer_innen ihre gesamte Zeit darauf, die Schüler_innen ruhig zu halten. Wenn nur die da sind, die es wirklich lernen wollen, kann gut unterrichtet werden und es macht allen mehr Spaß. Dazu sollten die Schulen auch einen alternativen Bereich haben, wo sich die Kinder aufhalten und beschäftigen können, wenn sie nicht in den Unterricht gehen wollen. Aber die Schüler_innen sollten auch gemeinsam mit ihren Eltern entscheiden können, welche Schule sie machen wollen. Das würde das Bildungssystem viel einfacher machen,
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weil man den Kindern keine Sachen beibringen müsste, die sie gar nicht lernen wollen. Das wichtigste ist es, Kindern die Wahl zu lassen. Syntax: Glaubst du trotzdem, dass es Dinge gibt, wie Mathe oder Lesen und Schreiben, die alle wissen sollten? Zoë: Ich denke nicht, dass alle Menschen das können müssen, aber die Wahrheit ist, dass das Leben viel einfacher ist, wenn man lesen kann. Und was Mathe betrifft, natürlich ist es nützlich, das ein bisschen zu verstehen, aber zum Beispiel ich bin unglaublich schlecht in Mathe (lacht) und es gibt ja immer irgendwo Menschen, die mir helfen können. Aber natürlich sollten schon alle lesen und schreiben können, aber nicht mit 5, 6 oder 7, das geht auch später noch. Außerdem wollen das die meisten Leute ja eh lernen, weil es wichtig für ihr Leben ist. Aber im jetzigen System sollen alle alles lernen, falls sie es irgendwann einmal brauchen sollten. In Wirklichkeit braucht man diese Sachen aber wahrscheinlich niemals. Und wenn, kann man das ja immer noch lernen. Wenn jemand zum Beispiel Zugfahrer_in werden will, bringt einem_r Geschichte überhaupt nichts, das zerstört nur die Freude daran, das zu tun, was man sich wirklich wünscht. Syntax: Wäre ein Schulsystem wie in Summerhill auch möglich, wenn nicht alle Beteiligten in einer Gemeinschaft zusammenleben würden? Zoë: Das ist eine wirklich spannende Frage. Es gibt viele Schulen in der Welt, die ähnlich wie Summerhill funktionieren und auch sehr erfolgreich sind, obwohl die Leute dort nicht zusammenleben. Trotzdem verbringt man ja den ganzen Tag gemeinsam, spielt, redet, und so weiter. Das ist ein unglaublich wichtiger Teil von Bildung. Eigentlich ist Summerhill so ziemlich die einzige Schule, in der alle zusammenleben. Die Erfahrung, ein Zimmer mit anderen zu teilen und viele
Leute aus den verschiedensten Ländern kennenzulernen, ist für unsere Schüler_innen sehr wichtig. Syntax: Inwiefern brauchen Kinder ihre Eltern für die persönliche Entwicklung? Zoë: Kinder brauchen ihre Eltern definitiv, sie müssen wissen, dass sie von ihnen geliebt werden und jederzeit Hilfe bekommen können. Aber Kinder müssen ihre Eltern sicher nicht jede Minute sehen. Kinder lieben es mehr als alles andere, mit anderen Kindern Zeit zu verbringen. Syntax: Das müssen viele Eltern aber noch lernen... Zoë: Ja, das müssen sie! Viele Eltern finden das aber sehr schwierig, weil sie denken, dass Kinderhaben ein bisschen so ist, als hätte man einen Hund, also dass man sich die ganze Zeit kümmern muss. Natürlich brauchen Kinder ihre Eltern, wenn sie noch sehr klein sind, aber dann sollte man sie gehen lassen. Kinder sind schneller unabhängig, als wir denken. Es gibt einen sehr berührenden Spruch über Liebe: “Du weißt, dass sie zu dir kommen werden, aber sie gehören dir nicht”. Das ist das Allerwichtigste: Dass Kinder das sein können, was sie sein wollen. Syntax: Summerhill ist ja eine private, relativ teure Schule. Merkt man, dass eher privilegierte, reiche Kinder die Schule besuchen? Zoë: Natürlich haben wir schon einen Überhang an Schüler_innen aus
ZOË READHEAD Zoë Readhead ist Direktorin der Internatsschule Summerhill in Großbritannien. Sie möchte es Kindern und Jugendlichen aus aller Welt ermöglichen, eine demokratische Schule zu besuchen. Außerdem setzt sie sich international für die Verbesserung des Schulsystems ein und gibt Vorlesungen und Interviews zum Thema.
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reichen Elternhäusern, aber es gibt auch einige, die nicht so reich sind und wirkliche Probleme haben, vor allem aus Alleinverdiener_innenfamilien. Wir versuchen dann, durch verschiedene Hilfsorganisationen Geld zu organisieren, aber das ist auch sehr schwierig. Natürlich sollte der Staat die Schule bezahlen, aber das werden sie nie tun. Syntax: Denkst du, dass sich das Schulsystem in Großbritannien in den letzten Jahren verändert hat? Ja, ich denke, es gibt einige gute Dinge, die sich ändern. Die Leute machen sich mehr Gedanken über die Bedeutung von Bildung, vor allem welchen Einfluss sie auf die Schüler_innen hat. Aber was immer schlimmer wird, ist diese Leidenschaft, der_die Beste sein zu müssen. Für mich ist es fast so, als wären alle Länder Firmen, die gegeneinander kämpfen. Durch diese internationalen Tests, wie zum Beispiel PISA wird das nur schlimmer. Man kann Länder nicht miteinander vergleichen, weil sie logischerweise alle unterschiedlich sind. Genauso ist es bei Kindern, alle sind individuell. In letzter Zeit entsteht aber ein ständiger Wettkampf und das ist komplett falsch. Das wichtigste sollte doch eigentlich sein, dass wir alle gute Menschen sind, die versuchen einander zu helfen. Wenn es aber ständig nur darum geht, gegeneinander zu kämpfen, entstehen auch viele andere Probleme in unserer Gesellschaft. Syntax: Würde sich das deiner Meinung nach verändern, wenn alle eine Bildung wie in Summerhill erhalten könnten? Zoë: Ja, ich denke, dass alles dadurch sehr viel ruhiger werden würde. Natürlich wird es immer Probleme geben, wenn so viele Millionen Menschen auf einem Planeten zusammenleben, aber wir wären dadurch eine Gesellschaft, die Dinge ausdiskutieren würde und Kompromisse finden könnte, sodass sich alle Menschen wohlfühlen könnten. Ich denke also schon, dass das viel verändern würde.
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Kapitalismus. Macht. Schule. Die systematische Vernichtung der Individualität
Über Noten, soziale Selektion, Konkurrenzdenken, den Schulalltag und wie, weshalb und inwieweit die Bildung junger Menschen von unserem Wirtschaftssystem gesteuert und „verzweckt“ wird. von Isabelle Wülbeck, Hannah gehmacher und Felix Steinhauser
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as österreichische Schulsystem und der Kapitalismus mögen auf einen oberflächlichen ersten Blick nicht allzu viele Gemeinsamkeiten aufweisen. Sobald man aber ein Geschichtsbuch aufschlägt, kommt man nicht darum herum festzustellen, dass sogar die Geburtsstunde der Schulpflicht aus einer kapitalistischen Motivation heraus erfolgte: Hinter Maria Theresias Einführung der Schulpflicht stand nämlich eine ökonomische Idee. Das Ziel der damaligen Ausbildung war es, qualifizierte Arbeitskräfte für die Wirtschaft, Verwaltung sowie das Militär zu schaffen, die mit der Ausweitung des Habsburger_innenreiches immer mehr benötigt wurden. Maria Theresia brauchte mehr gebildete, fähige Leute, die ihr dabei halfen, die Stabilität des Landes zu gewährleisten und das Wirtschaftswachstum ÖsterreichUngarns zu sichern. Wir lernen für das Leben, nicht für die Marktwirtschaft?! Das Ziel einer kapitalistisch geprägten Schule ist auch heute noch die Bereitstellung jener Anzahl an gebildeten Menschen, die von Wirtschaft und Po-
litik benötigt werden. Es liegt hierbei nicht im Interesse der Bildungsinstitute, allen Schüler_innen die bestmögliche Bildung zu gewährleisten, denn ein funktionierender Kapitalismus braucht auch eine breite, weniger gebildete Arbeiter_innenschaft. Das Menschenrecht auf die beste Bildung für alle wird somit zweitrangig.
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ein funktionierender kapitalismus brauch eine breite, weniger gebildete arbeiter_innenschaft
Schon während der Schulzeit zeichnet sich ab, dass der Großteil der Schüler_innen zum stummen Gehorchen erzogen wird. Das System zur Leistungsüberprüfung, so wie es in Österreich heute vorhanden ist, zielt bloß darauf hin, auswendig gelernte Dinge auf Knopfdruck aufzusagen. Kritisches Hinterfragen oder Verständnis des Gelernten ist meist nicht nötig, um gute Noten in der Schule zu erlangen. Schüler_innen wird zu Beginn ihrer Schulkarriere eingetrichtert, sie würden den Schlüssel zum Erfolg in eigenen Händen halten, es herrscht 12
der Mythos der „Chancengleichheit“. Dass diese Gleichheit für alle Kinder, unabhängig von ihrem sozialen Hintergrund vorhanden ist, ist jedoch in der Realität nur am Papier gegeben. Spätestens im Alter von zehn Jahren wird Österreichs Nachwuchs in Hauptschule und Gymnasium eingeteilt; und entgegen einer weit verbreiteten Annahme von Chancengleichheit, belegen zahlreiche Studien, dass das Elternhaus eine wesentliche Rolle bei dieser Einteilung spielt. Österreichs Schulsystem neigt dazu, die Kinder, die aufgrund ihrer sozial schwächeren Stellung am meisten Unterstützung bräuchten, in die Schulen
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österreichs schulsystem neigt dazu, kinder mit sozial schwächerer stellung in jene schulen zu stecken, die am wenigsten chancen auf höhere bildung bieten
zu stecken, die am wenigsten Chancen auf eine höhere Bildung ermöglichen. Die Kluft zwischen Kindern aus Akademiker_innenfamilien und jenen aus Arbeiter_innenfamilien, deren Elternhaus ihren Nachwuchs meist
bildung und gesellschaft
weniger unterstützen kann, wird somit vertieft. Ein von Marktwirtschaft geprägtes System benötigt genau jene zwei Klassen, und deshalb wird von wirtschaftlich und konservativ geprägten Parteien auch wenig bis gar nichts unternommen, um diese Kluft zu überbrücken. Das Dilemma mit den Noten: Ich bin 1…und du bist 5? Die Absicht des österreichischen Bildungssystems ist nicht die Vermittlung von Wissen, sondern die „Erziehung [der Schüler_innen] zum selbstbewussten Konkurrenzobjekt“, so Freerk Huisken, Verfasser des Werkes Erziehung im Kapitalismus. Von früh auf wird Schüler_innen anerzogen, dass es niemals genügt, nur gut zu sein, sondern notwendig ist, besser als
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von früh auf wird schüler_innen anerzogen, dass es niemals genügt, nur gut zu sein
alle anderen zu sein. Noten sind ein Instrument um diese Einstellung zu fördern und Schüler_innen in zwei Klassen zu kategorisieren. Noten sind immer relativ, sie geben nicht etwa über die tatsächlichen Kompetenzen eines_r Schüler_in Auskunft, sondern lediglich darüber, welche Leistung der_die Schüler_in im Vergleich zu seinen_ih-
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ren Klassenkamerad_innen erbracht hat. Ein_e durchschnittliche_r Schüler_in schneidet in einer eher „leistungsschwachen“ Klasse tendenziell gut ab; in einer „leistungsstarken“ Klasse hingegen gehört er_sie zu den
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noten geben nicht über die tatsächlichen kompetenzen eines_r schüler_in auskunft
schlechteren Schüler_innen. Noten sollten eigentlich widerspiegeln, ob der Unterricht und somit auch das Wissen bei den Schüler_innen angekommen ist, allerdings zeigen sie nur, wie gut man zu einem bestimmten Zeitpunkt Gelerntes wiedergeben konnte. Es wird keinerlei Wert darauf gelegt, dass dieses Wissen verstanden, beibehalten oder gar reflektiert wird. Dieses Merkmal spiegelt sich auch in jüngsten Schulreformen wie der Zentralmatura wider. Man versucht, alle Menschen in ein Schema zu pressen, sie aufs Auswendiglernen und Nachsagen zu trainieren. Individualität und eigene Gedanken sind hier fehl am Platz. Humboldts Vision: Der Traum von einer idealen Schule? Laut Humboldt, dem erstem Wissenschaftsminister Preußens, soll Lernen der Ausformung der Persönlichkeit dienen. Schulen sollten jungen 13
Menschen helfen, ihre Persönlichkeit zu entwickeln und ihnen beibringen, wie man sich bestmöglich in der Welt zurechtfinden kann. Die Aufgabe der Lehrperson ist es dabei, sich Schritt für Schritt überflüssig zu machen und die Kinder und Jugendlichen zu eigenständig denkenden, verantwortlichen Menschen heranzuziehen. Ist dies erreicht, so ist der_die Schüler_in reif genug, auf eigenen Beinen zu stehen und in die reale Welt hinaus zu gehen. In einem Schulsystem, so wie es Humboldt skizziert, sind Noten und Sitzenbleiben überflüssig. Wozu werden diese auch benötigt, wenn der Sinn der Schule Persönlichkeitsentwicklung, nicht Wissensaneignung ist? Die Erziehung junger Menschen zu „Fachidiot_innen“, deren Ausbildung einem rein einseitigen, wirtschaftlichen Zweck dient, hält Humboldt für wenig sinnvoll. Seiner Meinung nach ist das eigentliche Ziel von Bildung Persönlichkeitsentwicklung, nicht das Erlernen von Fachwissen. Humboldts Idee war damals revolutionär, intelligent, modern. So modern, dass es sogar heute noch nicht in den Köpfen der meisten Politiker_innen angekommen ist. Bildung darf nicht „verzweckt“ werden, nicht im Sinne des Wirtschaftswachstums missbraucht, denn ansonsten verfehlt es seinen eigentlichen Zweck: Junge Menschen zu kritischen selbstständigen Persönlichkeiten heranzuziehen.
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Vom Salat schrumpft der Bizeps Veganismus/Vegetarismus als antisexistische Praxis
Was haben Fleisch und Feminismus miteinander zu tun? Wie spiegeln sich Machtverhältnisse auch im Essverhalten wider? Und warum sollten wir uns überhaupt mit Essen auseinandersetzen?
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von Romana Zenzinger , Iana Schiestl, Sarah Lerch, Anna Niedermoser, Sophia Steixner und ANNA GESER
utztiere tragen laut WHO (World Health Organization) um 40 Prozent mehr zum Klimawandel bei als der weltweite Verkehr. Ein_e Fleischesser_in bläst durch seinen_ihren Konsum ebenso viele Treibhausgase in die Luft wie sieben Veganer_innen. Darüber hinaus gibt es auch gesundheitliche und nicht zuletzt ethische Argumente gegen den Fleischkonsum. Dennoch entscheiden sich in Österreich nur sehr wenige für den absoluten Fleischverzicht. Dabei versuchen Männer und Frauen auffallend unterschiedlich, ihren Biss ins Würstl zu rechtfertigen. Fleisch und Männlichkeit Früher, heute, hier und anderswo gilt, wenn Nahrung knapp ist, sind die Unterschiede besonders auffällig und spiegeln die Machtverhältnisse in der Familie wider: das vermeintlich wertvollste Nahrungsmittel ist dem männlichen Familienoberhaupt vorbehalten. Nach Angaben des ösBundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft essen Männer hierzulande mehr Fleisch als Frauen. Grund dafür sind Geschlechterrollen und Konst-
ruktion von Männlichkeit. Das typische Klischee ist, dass der Mann sein blutiges Steak verschlingt, während die Frau ihr Dressing über den Salat kippt. Ein weiteres verbreitetes Vorurteil geht davon aus, dass Gemüse nur von Frauen und Schwulen gegessen wird, denn der „echte“ Mann braucht das Fleisch für seine Muskeln. Es ist das Zeichen für unbestrittene heterosexuelle Männlichkeit. In Kochbü-
chern werden die Gerichte mit den größten Fleischportionen als Essen für Männer ausgezeichnet. Auf männlich dominierten Veranstaltungen wie Fußballspielen gibt es besonders viel Fleisch zu essen und beim Grillen sind die Männer für das Wenden der Steaks zuständig. Auch die Medien nützen dieses Bild und machen damit Wer14
bung. Biermarken, Restaurantketten und Zeitschriften wie die „Beef!“, die alle das Fleisch essende Männerbild propagieren, boomen. Fleisch fungiert als Symbol für Männlichkeit, Stärke, Macht und Dominanz. In patriarchal strukturierten Gesellschaften wird mehr Fleisch konsumiert als in gleichberechtigten. Analogie: Frauen und Fleisch Geschlechterverhältnisse und Fleischkonsum haben noch viel mehr gemeinsam. Man sagt von Männern, sie seien mächtig, menschlich und zivilisiert. Die Reduktion auf Naturhaftigkeit, Körper und Instinkt, sowie die Unterstellung eines Mangels an Vernunft und Individualität, gehörten über zweitausend Jahre lang zum Ausgrenzungs- und Unterdrückungsmuster gegenüber Frauen und Tieren. Auch die Unterscheidung von „Mensch“ und „Tier“ passiert ähnlich wie die Differenzierung zwischen „Mann“ und „Frau“: über biologische Unterschiede und Verallgemeinerung der Merkmale des „Anderen“. Tieren wie Frauen wird immer noch die macht- und rechtlose, rangniedrigere Stellung im patriarchalen Gesellschaftssystem zugeschrieben.
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Viele Eigenschaften, die Tieren zugeordnet werden, werden Frauen genauso unterstellt: So wie das Tier immer das Gleiche getan hat, würde in einer Frauenwelt kein Fortschritt passieren, alles im Urzustand bleiben, denn alles geht und ging vom Mann aus. Eine solche Beurteilung zeigt nicht nur spezies- und geschlechterbezogene Vorurteile, sondern greift auch die angesprochenen Ausgrenzungsargumente auf. In der alten Vorstellung hat der Mann eine gewisse Gottes- und Geistesnähe, die sich im Laufe der Zeit und der Säkularisierung (Verweltlichung; durch die Aufklärung ausgelöste Prozesse) zur Idee einer prinzipiell unbegrenzten Freiheit des Mannes im Rahmen von Technikentwicklung und Naturbeherrschung entwickelt hat. Derweil bleiben „das Tier“ und „die Frau“ immer „naturgebunden“. Auch bei alltäglich sexistischen Bezeichnungen für Frauen gibt es Analogien zu den weiblichen Tieren. Ein „Luder“ ist in der Jäger(innen)sprache beispielsweise ein getötetes weibliches Tier, eine „Schnalle“ bezeichnet das Geschlechtsteil des weiblichen Wilds, das zur Ausmerze ansteht. Die Bezeichnungen haben sowohl für Frauen als auch für Tiere einen abwertenden Charakter. Verniedlichte Formen von Tieren, die als Kosenamen für Frauen verwendet werden, wie „Kätzchen“, „Mausi“ und „Mieze“ sind nur
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ein weiteres Beispiel für sprachliche Analogien, die demonstrativ die Überlegenheit von Männern zeigen. Wenn man über Analogien von Frauen und Tieren schreibt oder spricht, muss man bei einer Sache jedoch sehr vorsichtig sein: Den problematischen Vergewaltigungsvergleichen zwischen der Nutzung und Misshandlung von Tieren und sexualisierter Gewalt gegen Menschen. Dabei geht es um das Ausmaß sexualisierter Gewalt in der Gesellschaft und die Mythen um Vergewaltigung und Missbrauch sowie Vorurteile gegenüber Betroffenen. Von der Zwangsbesamung von Kühen bis zum Reiten von Pferden - es fällt sehr schnell und unreflektiert das Wort Vergewaltigung. Veganismus/ Vegetarismus weiblich ? Es ernähren sich weitaus mehr Frauen von rein pflanzlichen Produkten. Empathie ist ein Grund für Frauen, vegan zu werden. Auf (Tier-)Leid teilnahmsvoll und mitfühlend zu reagieren ist sozial gesehen ein Zeichen von Schwäche bei Männern, aber wünschenswert bei Frauen. Doch die Hauptgründe dafür, vegan/vegetarisch zu leben sind Sozialisation und Schlankheitswahn. Ein Beweggrund für Frauen, vegan oder vegetarisch zu werden, ist die Hoffnung, dadurch Gewicht zu verlieren und dem modernen 15
Frauenbild mit seinen Traummaßen nachzustreben. Wird das Verlangen nach gesunder Ernährung zwanghaft, sprechen Expert_innen von Orthorexie. Orthorexie ist eine gesellschaftlich akzeptierte Form einer Essstörung, während Anorexie und Bulimie als Krankheit bzw. Störung gelten. Die Idee, dass ein veganer Körper schlank sein soll, muss endlich aufgebrochen werden! Essen als Politikum Essen ist politisch. Darauf haben uns Tierrechtlerinnen und Feministinnen aufmerksam gemacht, wenn auch manchmal in verschiedene Richtungen. Vegan leben ist ein Ansatz zur antisexistischen Praxis. Feministische Politik sollte sich vermehrt damit auseinandersetzen und Hunger und Verzicht von Frauen thematisieren. Als aktive Feminst_innen sollte man auch keine andere Form der Diskriminierung akzeptieren. Nicht nur Rassismus, Sexismus oder Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung, sondern auch Speziesismus (Diskriminierung von Lebewesen aufgrund ihrer biologischen Spezies) ist abzulehnen. Es muss „Unity of Opression“ geben: Aufzeigen, dass Diskriminierungsformen nicht in ihrer Wichtigkeit auf- oder abgewertet werden dürfen. (Männliche) Herrschaft, muss als Ganzes wahrgenommen und bekämpft werden.
bildung und gesellschaft
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Fetter Protest Von Fat Shaming und Fat Empowerment Alle Menschen kennen es. Zu sehen, wie sich Leute auf der Straße nach anderen umdrehen. Dieses unangenehme Gefühl, lässt eine_n nachdenken: „Bin ich nicht normal? Was stimmt nicht mit mir? Bin ich zu dick?“ Von Theresa Tschauko
I
n unserer Gesellschaft werden unsere Körper nicht so anerkannt, wie sie sind. Uns wird immer und überall eingeredet, abnehmen zu müssen. Alleine beim Durchblättern einer Zeitschrift werden auf den ersten Blick wundersame Diäten angepriesen, die vor allem Frauen einreden, schlank und somit schön sein zu müssen, um Männern zu gefallen. Es fängt schon in der Schule an. Mobbing und Ausgrenzung wegen des Gewichts und ekelerfüllte Gesichter prägen den Alltag vieler Schüler_innen. Der Sportunterricht wird zur Qual. Es lastet ein ständiger Druck auf diesen noch so jungen Menschen. Dicke Menschen sind viele Vorurteilen ausgesetzt, die sie Tag für Tag zu spüren bekommen. So seien sie zum Beispiel faul, unsportlich und achteten nicht auf ihre Gesundheit. Dabei wird vergessen, dass alle Körper unterschiedlich sind und anders auf verschiedene Situationen reagieren. Mensch = nur eine Zahl? Oft wird der BMI (Body Mass Index) verwendet, um Menschen in die Kategorien „untergewichtig“, „normalgewichtig“, „übergewichtig“, usw. einzuteilen. Dieses anscheinend absolut
gültige Normierungssystem gliedert Menschen in Nummern, die eigentlich nichts aussagen und führt zu großem Druck auf die Menschen. Viele beugen sich der Norm. Vorbilder, die das Gegenteil zur Norm aufzeigen, gibt es dabei fast keine.
Fat shaming in der Öffentlichkeit Im Fernsehen sieht man vor allem die „ping-pong“-Diäten (ein schnelles Abund Zunehmen) der Hollywoodstars. Ständig wird das Gewicht und Ausse16
hen von Frauen und Models kommentiert. Infolgedessen leiden auch vor allem junge Mädchen an Magersucht. Neunzehn von zwanzig Magersüchtigen zwischen 12 und 21 sind weiblich, doch die Rate an magersüchtigen Jungen steigt. Auch der Alltag kann sehr unangenehm sein. Öffentliches Essen und Blicke anderer werden zur Last. Kleidung einkaufen kann zu einem Problem werden. Kleinstgrößen findet man in jedem Geschäft, doch Mode für alle Größen ist kaum vorhanden. Das liegt auch daran, dass Mode männerdominiert ist und diese von der Norm einer schlanken Frau ausgehen. Fetter Protest Protest gegen diese „Size Zero-Kultur“ passiert vor allem online auf verschiedenen Blogs, aber auch durch Straßenaktionen. Prominente Beispiele geben hier Beth Ditto (Sängerin), die eine Kollektion für Übergrößen entwarf, Susanna Hirschler (Dancing Stars), die sich trotz ihres Gewichts traut vor einem Millionenpuplikum zu tanzen und Katie Jared (Fernsehsprecherin), die mit dem Youtubevideo „A Fat Girl Dancing“ auf sich aufmerksam macht.
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INTERNATIONALES
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internationales
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Education, we have a problem! Schüler_innenvertretung europaweit Die „OBESSU“, Dachverband der europäischen Schüler_innenorganisationen kämpft seit 39 Jahren für die Verbesserung der Bildungssysteme in ganz Europa. Aber was ist überhaupt die „OBESSU“? Wie ist sie aufgebaut und wie kann sie Schüler_innen europaweit eine starke Stimme geben? Von Alexander Hoor
Ö
sterreichs Bildungssystem ist sozial selektiv, elitär und bietet kaum Raum für die individuelle Förderung von Schüler_innen. Doch nicht nur in Österreich ist die Schule eine große Baustelle. In ganz Europa werden Schüler_innen aufgrund des sozialen Hintergrunds ihrer Eltern und den finanziellen Möglichkeiten der Familie selektiert, ihr Bildungs- und damit auch Lebensweg hängt nicht von den tatsächlichen Fähigkeiten, sondern von Kriterien ab, für die sie nichts können. Diesen Zusammenhang zu erkennen bietet die Grundlage, sich über die österreichischen Grenzen hinaus mit Bildung zu befassen. Denn spätestens seit Österreich Mitglied der Europäischen Union ist, sind auch die Bildungssysteme anderer europäischer Länder für uns wichtig. Viele wollen später die Chance haben, in einem anderen Land zu studieren oder Auslandspraktika machen. Aber wie können wir Schüler_innen unsere Meinung und unsere Forderungen auf europäischer Ebene kundtun? Wie können wir es schaffen, dass wir auch von der Europäischen Union Aufmerksamkeit
General Assembly in Wien nen unterstützt die OBESSU ihre Mitbekommen? gliedsorganisationen beim Aufbau von Die OBESSU – Organising Bureau Strukturen und stärkt den Austausch of European School Student Unions zwischen den Mitgliedern der unter– hat sich dies zur Aufgabe gemacht. schiedlichen Organisationen, zum Seit 1975 kämpft die OBESSU für die Beispiel durch gemeinsame VeranstalRechte der Schüler_innen in ganz Eutungen. ropa. Inzwischen sind 25 repräsentatiAuch Seminare und sogenannte ve Schüler_innenorganisationen aus Study Sessions gehören zum Fix Proganz Europa Mitglieder dieses Dachgramm der Obessu. Diese erfüllen eiverbandes und bilden so ein starkes nerseits den Zweck das sich alle MitNetzwerk, um für bessere Bildung zu gliedsorganisationen in die Arbeit der kämpfen. Obessu einbringen und gemeinsam Kampangen und die weiter Arbeit plaDefending school nen können. Was dort aber auch nicht student rights since 1975 zu kurz kommt ist die Vernetzung Neben der Vertretung von Schüler_in18
internationales
untereinander. So kann man sich austauschen und Lösungsansätze für die Probleme im Bildungsbereich finden. Das bewirkt Solidarität und das Verständnis untereinander gestärkt werden und die Erfahrungen aller in gemeinsame Positionen einfließen. Die OBESSU setzt sich dafür ein, dass jegliche Diskriminierung und Ungerechtigkeiten in den Schulsystemen aller europäischen Länder abgebaut werden und Demokratie als wichtiger Bestandteil von Bildung auf EU-Ebene anerkannt wird. Dabei sind auch die Einführung neuer Unterrichtsmethoden und die Verbesserung des „Lebensraums Schule“ wichtige Forderungspunkte der OBESSU. Board, MC, ga– Wtf? Wer die OBESSU nicht kennt, der_ dem mag ihr Aufbau im ersten Moment etwas verwirrend vorkommen. In Wirklichkeit ist die Struktur der OBESSU aber relativ leicht erklärbar. Der Vorstand, das „OBESSU Board“, besteht aus 5-7 Mitgliedern, welche auf dem General Assembly (GA), dem höchsten Gremium, für zwei Jahre gewählt werden. Ihre Aufgabe ist es, die OBESSU in der Öffentlichkeit und gegenüber den europäischen Institutionen zu vertreten, sowie den Kontakt zu den Mitgliedsorganisationen zu halten. Die Arbeit des OBESSU Boards wird „kontrolliert“ vom „Monitoring Comitee“ (MC), das ebenfalls auf dem GA gewählt wird. Aufgabe des MC ist es, darauf zu achten, dass die OBESSU sich nach den Entscheidungen ihrer Mitgliedsorganisationen richtet und diese vertritt. Neben diesen beiden
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gewählten Organen spielt auch das „OBESSU Secretariat“ eine wichtige Rolle. Es wird geleitet vom „Secretary General“ und hat seinen Sitz in Brüssel. Dem Secretariat kommen vor allem organisatorische Tätigkeiten und finanzielle Angelegenheiten zu. Zudem gibt es einige Arbeitsgruppen der OBESSU, welche sich mit den verschiedensten Themen, wie zum Beispiel den EU-Wahlen, Berufsschulen oder externen Kooperationen beschäftigen. Die aKS in der OBESSu Die AKS ist seit Jahren aktives Mitglied des Dachverbands und besetzt regelmäßig wichtige Funktionen in der OBESSU. So war die ehemalige AKS-Vorsitzende, Nora Kleibel, von 2012 bis 2014 Board Member (Vorstandsmitglied) und ist seit diesem Sommer Mitglied des Monitoring Comitees. Aber auch bei der Organisation und Durchführung von Veranstaltungen der OBESSU ist die AKS immer aktiv dabei. Denn nur durch das aktive Mitwirken können wir auch mitbestimmen, welcher Themen sich die OBESSU annimmt und wo die Schwerpunkte gesetzt werden. So fand zum Beispiel die GA 2014 diesen Sommer in Wien statt, wobei die AKS ein tolles Rahmenprogramm organisierte. Durch Kampagnen verändern Durch verschiedene Kampagnen setzt die OBESSU Schwerpunkte und versucht so, auf gewisse Themen hinzuweisen. „Right on the Lights Bus Tour“ und „Claim Your Voice! Stand up for VET (Vocational Education 19
and Training)!“ sind nur zwei davon. Die letzte Kampagne„Education, we have a problem!“, die im Mai 2014 endete richtete ihren Fokus auf soziale Inklusion an Schulen. Dabei wies sie darauf hin, dass alle Schüler_innen Individuen sind, denen kein einheitliches System oder Unterrichtsmethoden aufgezwungen werden sollte. Frei von Druck und Stereotyen sollen sich Kinder und Jugendliche entfalten und sich selbst besser kennenlernen können,
denn Schule und Gesellschaft prägen und verändern unsere Persönlichkeit und Identität. Außerdem zeigte die OBESSU mit dieser Kampagne Diskriminierung an Schulen auf, die in engem Zusammenhang mit verfestigten Idealvorstellungen von Lehrpersonen gegenüber Schüler_innen einhergehen. Was die Zukunft bringt Mit einem frisch gewählten Board geht die OBESSU ins neue Schuljahr. Viele Herausforderungen warten auf sie, denn die Missstände an europäischen Schulen sind nach wie vor untragbar. Nur gemeinsam mit so vielen engagierten jungen Menschen können wir die Veränderung erreichen, die wir uns vorstellen.
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fem.bio
Assata Shakur Bürger_innenrechtlerin und Politaktivistin geboren am 16. Juli 1947 in New York City
”
A revolutionary woman can‘t have no reactionary man. Ich hatte keine andere Wahl, als von der politischen Unterdrückung, Rassismus und Gewalt, die die Politik der USRegierung gegenüber Menschen anderer Hautfarbe ausübt, zu flüchten.“ Erwähnung findet Assata Shakur unter anderem in dem Lied „A Song For Assata“ des US-amerikanischen Rappers Common sowie in dem Titel „Assata’s Song“ von dem Black-Panther-Rapper Paris. Auch der Liedermacher David Rovics schrieb ein Lied über sie. Sie war die Patentante des Rappers Tupac.
Assata Shakur ist eine US-Amerikanische Bürger_innenrechtlerin und Politaktivistin, die in den 60er Jahren Mitglied der Untergrundorganisation Black Liberation Army, einer radikalen Splittergruppe der afro-amerikanischen Bürger_innenrechtsbewegung Black Panther, war. Radikal hat sie für ihre Vorstellung von Toleranz und Freiheit, hauptsächlich für schwarze Frauen gekämpft. 1973 wurde sie lebenslang aufgrund eines nie geklärten Polizeimordes verurteilt. Sie kritisiert die rassistische Justiz und deren Strukturen und machte ihren Prozess öffentlich. Sie verbrachte sechs einhalb Jahre unter brutalen Bedingungen im Hochsicherheitsflügel, bis sie am 2. November 1979 von einem Black Liberation Army-Kommando befreit wurde. Längere Zeit lebte sie im Untergrund bevor ihr die Flucht nach Kuba gelang und sie dort politisches Asyl erhielt. Sie bleibt dem Widerstand treu. Die Polizei geht davon aus, dass Assata unter falschem Namen in Kuba lebt. Das FBI hat am 2. Mai 2013 wegen ihrer begangenen Gefängnisflucht ein Kopfgeld in Höhe von bis zu einer Million USDollar und der Staat New Jersey eine weitere Million auf ihre Ergreifung ausgesetzt, da sie als inneramerikanische Terroristin eingestuft wird. Aktuell ist sie damit die erste Frau, die das FBI auf die Liste der meistgesuchten Terrorist_innen gesetzt hat.
B l ack Panther Party Die Black Panther Party (BPP; ursprünglich Black Panther Party for Self-Defense) war eine afroamerikanische Bürger_innenrechts- und Selbstschutzbewegung in den USA. Die Partei wurde gegründet, um im Interesse afroamerikanischer Gerechtigkeit bewaffneten Widerstand gegen die damalige gesellschaftliche Unterdrückung zu leisten, aber die Ziele und Philosophie der Partei änderten sich mit der Zeit radikal. Die Anführer_innen stützten ihre Rhetorik auf revolutionären Klassenkampf und viele Ideen aus den Werken von Marx, Lenin und Mao. Die Organisation beschreibt sich selbst als antikapitalistisch, marxistischleninistisch, antiimperialistisch, antirassistisch, maoistisch.
Assata Shakur sagt von sich selbst: „Obwohl die Polizei alles dafür tut mich zu kriminalisieren, bin ich nicht kriminell. 20
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SCHÜLER_INNENVertretung
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schüler_innenvertretung
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Raise Your Voice! Schüler_innen brauchen Vertretung Die Zeit im Unterricht vergeht wieder einmal nicht, die Themen sind langweilig und einschläfernd und zusätzlich ist es kalt und feucht in der Schule. Zustände wie diese stehen an Österreichs Schulen an der Tagesordnung. Dass es so nicht bleiben muss, dafür kannst du in der Schüler_innenvertretung sorgen! von Daniel Preglau
A
ls Schüler_in mitbestimmen dürfen, was unterrichtet wird und den Lehrplan so den eigenen Interessen anpassen? Das ist nur eines der vielen Rechte, die Schüler_innen in der Schule Tag für Tag verwehrt bleiben. Immer ist die Rede nur von Pflichten, dass wir aber mindestens genauso viele Rechte haben, wird verschwiegen. Oft können wir Schüler_innen unsere Rechte nur schwer vertreten, Lehrpersonen und Direktionen sitzen fast immer am längeren Ast und machen, was sie wollen. Schüler_innenmitbestimmung, Schuldemokratie, das alles sind oft Fremdwörter im tristen Schulalltag. Doch so muss es nicht sein, denn genau hier kommen die Schüler_innenvertretungen ins Spiel. Schüler_innen haben Rechte Die vielen Rechte, die uns Schüler_innen eigentlich zustehen, sind hauptsächlich im sogenannten „Schulunterrichtsgesetz“ (kurz SchUG) festgeschrieben. Dort werden in 83 Paragraphen die Grundsätze des österreichischen Schulsystems definiert. Eine besondere Rolle kommt dabei der Schüler_innenvertretung (SV) zu, der
eine ganze Reihe besonderer Rechte eingeräumt wird, unter anderem ein umfassendes Informtions- und Anhörungsrecht, das oben genannte Recht auf Mitsprache bei der Gestaltung des Unterrichtes im Rahmen des Lehrplanes oder das Recht auf Beteiligung an der Wahl der Unterrichtsmittel. Bis auf wenige Ausnahmen dürfen Schüler_innenvertretungen auch bei allen Lehrer_innenkonferenzen anwesend sein. Die SV besteht in der Regel aus drei Personen, dem_der Schulsprecher_in und zwei Stellvertreter_innen. Gemeinsam engagieren sie sich für die Schüler_innen ihrer Schule, bieten Unterstützung in rechtlichen Fragen, setzen innovative Projekte um und vertreten die Meinungen der Schüler_innen im Schulgemeinschaftsausschuss (SGA), wo außerdem die Lehrpersonen und die Eltern vertreten sind. Die AKS forderte als erst Schüler_ innenorganisation bereits 1987 das direkte Wahlrecht für die Schüler_innenvertretung. So wurde erreicht, dass alle Oberstufenschüler_innen das Recht haben, ihre Schüler_innenvertretung selbst zu wählen und dafür zu kandidieren. Davor waren nur die 22
Klassensprecher_innen berechtigt, ihre Stimme für den_die Schulsprecher_in abzugeben. Über die Schultore hinaus Auch auf Landesebene gibt es ein Vertretungsorgan für Schüler_innen, die Landesschüler_innenvertretung (LSV). Sie setzt sich aus jeweils einem_ einer Landesschulsprecher_in und je 3-7 weiteren Mitgliedern in den drei Bereichen Allgemeinbildende Höhere Schulen (AHS), Berufsbildende Mittlere und Höhere Schulen (BMHS) und Berufsschulen (BS) zusammen. Die Aufgabe der LSV ist es zum einen, die Interessen der Schüler_innen vor dem Landesschulrat zu vertreten und zum anderen, die einzelnen Schüler_innenvertretungen in ihrer Arbeit zu unterstützen. Sie ist außerdem für die Organisation der SiPs (Schüler_innenparlamente) zuständig, bei denen Schüler_innen aus dem ganzen Bundesland über verschiedene Themen diskutieren und die Schüler_innenvertretungen der einzelnen Schulen über Anträge abstimmen können. Das Wahlsystem der LSV ist äußerst paradox: Wahlberechtigt sind nur die Schulsprecher_innen des jeweiligen Bundeslandes, kandidieren
schüler_innenvertretung
dürfen nur Mitglieder der SV. Schüler_innen bleibt so jede Mitbestimmung über ihre Vertretung verwehrt. Seit der Einrichtung der „Landesschüler_innenbeiräte“ 1972, hat sich dieses Wahlsystem nicht wesentlich verändert, obwohl die gesetzliche Schüler_ innenvertretung damals noch sehr am Anfang stand. Bundesweite Vertretung Die 3 Landesschulsprecher_innen jedes Bundeslandes und 2 Vertreter_innen der Zentrallehranstalten (Schulen, die rechtlich keinem Landesschulrat, sondern direkt dem Bildungsministerium unterstellt sind) bilden die
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Bundesschüler_innenvertretung. Die 29 Mitglieder wählen am Anfang des Schuljahres intern den_die Bundesschulsprecher_in und 3 Bereichssprecher_innen (AHS-Bereich, BMHS-Bereich, Berufschulbereich), die auch gleichzeitig die Stellvertreter_innen des_der Bundesschulsprecher_in darstellen. Die Bundesschüler_innenvertretung hat vor allem die Aufgabe, die Interessen der Schüler_innen vor dem Bildungsministerium und den diversen Kammern zu vertreten. Demokratie, wo bist du?! Das indirekte Wahlsystem ist mehr als absurd, der_die Bundesschulspre23
cher_in wird beispielsweise von nur 29 Personen gewählt, obwohl diese Person dann über 1,1 Millionen Schüler_innen vertritt. Das bedeutet, dass gerade Mal 0,00026% der Schüler_innen ihre eigene Vertretung wählen dürfen. Dieses System führt unweigerlich zu Problemen: Viele Schüler_innen kennen ihre eigene Vertretung nicht, daher werden LSV und BSV von der Politik oft nicht ernstgenommen. Ebenso sind LSV und BSV dem Landesschulrat bzw. dem Ministerium unterstellt und können in einigen Bereichen keine selbstständige Arbeit machen. Eine mögliche und sinnvolle Lösung wäre die Direktwahl der Landesund Bundesschüler_innenvertretung durch alle Schüler_innen, das würde einerseits die Bekanntheit, als auch die Durchsetzungskraft der LSV und BSV stärken. Ebenso kann die Position der LSV und BSV durch eine Einstufung als Körperschaft öffentlichen Rechts gefestigt werden. Doch vor allem braucht es engagierte und motivierte Menschen in der Schüler_innenvertretung, denn dort kann man viel für die Schüler_innen erreichen. Ob es nun ein Schulfest, ein neu eingerichteter Pausenraum oder einfach nur eine Beschwerde gegenüber einer Lehrperson ist, die im SGA durchgesetzt wird – all diese Dinge sind wichtig für einen angenehmen Schulalltag. Und wenn viele Schulsprecher_innen gemeinsam Dinge wie die Direktwahl fordern, können sie nicht mehr lange verhindert werden. Darum kandidiere am besten noch heute als Schulsprecher_in und verändere die Welt!
ERKLÄRT Alle Schüler_innen können sich prinzipiell in der Schüler_innenvertretung engagieren und für sie kandidieren. Sei es als Klassensprecher_in, Unterstufensprecher_in oder Schulsprecher_in, auf allen Ebenen braucht es engagierte und motivierte Menschen, die Projekte erarbeiten und Unterstützung bieten!
schüler_innenvertretung
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Mit Mut und Tatendrang Erfahrungsbericht einer Schüler_innenvertreterin „Hey, unsere Schule braucht endlich eine starke und offene Vertretung, die auch Taten setzt!“- Das haben eine Freundin und ich im Sommer 2013 festgestellt und so sind wir noch im selben Jahr im Team für die Schüler_innenvertretung des BORG Grieskirchen angetreten, mit Erfolg! von Miranda Rumerstorfer
A
uf dem Sommerseminar der AKS lernte ich ein Mädchen kennen, das auch in meine Schule ging und schon bald eine meiner besten Freundinnen wurde. Gemeinsam mit ihr und einer weiteren Person kandidierte ich für die Schüler_innenvertretung. Sie schaffte es als Schulsprecherin und ich als zweite Stellvertreterin in den SGA (Schulgemeinschaftsausschuss). Sofort nach der Wahl erstellten wir eine Schüler_innen-interne Facebook-Gruppe, um dort laufend wichtige Infos weiterzugeben, bzw. um Schüler_innen untereinander besser zu vernetzen. Außerdem kam ein „Kummerkasten“ in die Aula, in den
Schüler_innen anonym Anliegen an uns schreiben konnten. Tag der Toleranz Im zweiten Semester besuchten wir das StartUp, ein Seminar der AKS. Das Workshop-Wochendende bot eine super Gelegenheit, uns mit anderen Schüler_innen zu vernetzen und auszutauschen. Ein glückliches Beispiel dafür war unsere Bekanntmachung mit einem ehemaligen Schulsprecher aus Vorarlberg. Er erzählte uns von seinem durchgeführten Projekt, dem „Tag der Toleranz“, einem Workshop-Tag für Schüler_innen zu den Themen „Anti-Rassismus“, „Anti-Sexismus“ und „Anti-Homophobie“. Es fand sich schnell eine Gruppe moti-
vierter Schüler_innen mit denen ich den Workshop-Tag für die sechsten Klassen auf die Beine stellte. „ Der Tag der Toleranz“ war der erste Workshop-Tag unserer Schule, welcher von Schüler_innen für Schüler_innen organisiert wurde. Das Feedback der Teilnehmer_innen war super positiv und die Bitte Workshop-Tage dieser Art zu wiederholen oft zu hören. Natürlich ein toller Ansporn für das kommende Jahr!
Werde Schulsprecher_in! Als Schulsprecher_in bekommst du die Möglichkeit, dich für die Schüler_innen einzusetzen! Egal ob du im Schulgemeinschaftsausschuss Forderungen wie das Lehrer_innenfeedback oder die Änderung der Hausordnung einbringst oder ein Schüler_innenparlament an deiner Schule organisierst - in der Schüler_innenvertretung kannst du so einiges für einen demokratischeren und abwechslungsreicheren Schulalltag erreichen. Also kandidiere doch in deiner Schule als Schulsprecher_in und nütze die Möglichkeit, den Schulalltag mitzugestalten! 24
schüler_innenvertretung
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AKS-Service:
Wie wir dich unterstützen Egal ob durch Informationen, Unterstützung bei Projekten oder spannende Materialien: Wir sind immer da, wenn du uns brauchst. Bilde dich bei spannenden Seminaren weiter, hol‘ dir Workshops an deine Schule oder bestell‘ dir unsere spannenden Broschüren, die wir hier kurz vorstellen möchten, direkt nach Hause! Am Ende der Syntax findest du einen Rücksender. Natürlich kannst du auch über unsere Homepage Materialien bestellen und weitere Infos finden. Also schau‘ vorbei unter www.aks.at! SV-Toolbook Das Schüler_innenvertretungs-Toolbook ist ein Angebot ganz speziell für Schüler_innenvertretungen. Tipps im Bereich Rhetorik, Ideen für Projekte an der Schule, wichtige rechtliche Infos für die Vertretungsarbeit und die besten Verhandlungstaktiken im Schulgemeinschaftsausschus – das alles und vieles mehr findest du in dieser Broschüre!
Sozialbroschüre
Schulrechtsbroschüre
Der Schulalltag ist nicht immer leicht leistbar. Vor allem wenn unerwartete oder größere Ausgaben, wie beispielsweise eine Klassenreise oder neue Schulbücher anfallen, kann die finanzielle Belastung schnell untragbar werden. Die Sozialbroschüre der AKS informiert über alle Förderungen und Beihilfen in Österreich, die Voraussetzungen dafür und wie man sie beantragen kann.
Mit diesen 123 häufigsten Schulrechtsfragen weißt du über deine Rechte immer Bescheid. Verständliche Antworten und Gesetzesauszüge machen diese Broschüre zu einer wichtigen Begleiterin im Schulalltag.
Anti-Rassismus-Broschüre Rassismus macht leider auch vor der Schule nicht Halt. Die Anti-Rassismus-Broschüre der AKS bietet Infos im Umgang damit. Natürlich gibt es auch Hintergrundinformationen, die alles genau erklären. Da eine Broschüre jedoch nicht das ganze Thema abdecken kann, bieten wir unter anderem kostenlose Schulworkshops zu Anti-Rassismus an. Melde dich einfach unter aks@aks.at!
Berufsschulbroschüre In der Berufsschulbroschüre haben wir alle wichtigen Infos zu BSen zusammengefasst. Neben einem kurzen Überblick über Lehrlings- und Arbeitsrecht und einigen Schulrechtsinfos, findest du hier auch viele wertvolle Tipps für die Vertretungsarbeitt an Berufsschulen.
SiZ-Broschüre Mit der Schüler_innenzeitungsbroschürehast hast du die beste Hilfe beim Aufbau einer solchen Zeitung in der Hand. Von der ersten Redaktionssitzung bis zum fertigen Produkt: Diese Broschüre erklärt alle wichtigen Schritte und gibt wertvolle Tipps.
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schüler_innenvertretung
Schüler_innenvertretung
how-To?!
Pünktlich zur Wahl der Schüler_innenvertretung gibt es dieses Mal ein Projekt, mit dem du für die Schüler_innenvertretung kandidieren und das du anschließend gleich umsetzen kannst! peer-MedIaTIon Peer-Mediation bedeutet, dass es an der Schule ausgebildete Schüler_innen, sogenannte „Peers“ gibt, die bei Konflikten und Problemen als Ansprechpersonen und Helfer_innen fungieren und an der Schule Präventionsarbeit leisten.
?
TO DOs
~ Projekt im SGA vorstellen ~ Kontakt zu Schulpsycholog_innen oder zur AKS aufnehmen ~ Schulung(en) planen ~ In Klassen erklären und interessierte Schüler_innen suchen ~ In der Schule, z.B durch Plakate bekannt machen
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Um über Leistungsdruck, Konflikte und Probleme reden zu können, sollte es endlich an allen Schulen qualifizierte Schulpsycholog_innen geben, die den Schüler_innen jederzeit zur Seite stehen und Hilfe anbieten. Außerdem sollten gleichaltrige „Peers“ als Ansprechpersonen für Schüler_innen da sein.
? !
Um Peer-Mediation an deiner Schule anbieten zu können, musst du einige Dinge im Vorhinein planen. Zuerst solltest du das Projekt im SGA vorstellen, bzw. mit dem Elternverein Kontakt aufnehmen, der etwaige Kosten übernehmen kann. Genauso wichtig ist es, früh genug Kontakt zu Schulpsycholog_innen aufnehmen, die Peer-Schulungen durchführen. Die AKS vermittelt dir gerne Kontakte, wir bieten aber auch selbst Schulungen im Bereich Konfliktmanagement an. Wenn die Referent_innen feststehen, kannst du auch schon die Schulung(en) geplant sein, sprich Veranstaltungsort, Zeitpunkt und Dauer festlegen und beginnen, Leute zu suchen. Dabei kannst du entweder durch alle Klassen gehen, das Projekt bei einer Klassensprecher_innenkonferenzen vorstellen oder Plakate aufhängen. Wenn du genügend Interessierte gefunden hast, kann‘s auch schon losgehen!
!
!
Versuche, die „Peers“ in ihrer Arbeit so gut wie möglich zu unterstützen, indem du ihnen zum Beispiel einen Raum organisierst, den sie zu gewissen Zeiten nutzen können oder Workshops in Klassen mit der Direktion abklärst. Außerdem sollte das neu geschaffene Angebot beworben werden, damit alle Schüler_innen wissen, dass es „Peers“ an der Schule gibt. Häng am besten Plakate mit den Kontaktdaten oder Sprechstunden auf oder nutze eure Facebook-Seite, falls ihr eine an eurer Schule habt.
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meinung
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Coming out: Pro und Contra
In einer Gesellschaft zu leben, die keinen Platz für Minderheiten lässt und Menschen diskriminiert, die „anders“ sind, ist nicht leicht. Besonders als Jugendliche_r , der_die gerade einen Selbstfindungsprozess durchlebt, ist es nicht besonders schön, von der Gesellschaft gesagt zu bekommen, dass es nicht okay ist, wer man ist. Als bisexueller Junge, weiß ich wovon ich spreche. Homophobie ist allgegenwärtig. „Schwul“ höre ich nur in einem negativen Zusammenhang und als Beleidigung. Mit einem Mann in der Öffentlichkeit Händchen halten oder rummachen tu‘ ich nicht, weil es sehr oft nicht bei homophoben Aussagen bleibt, sondern noch viel weiter geht. Im Religionsunterricht wurde mir erzählt, dass Homosexualität eine Sünde ist und in meiner katholisch geprägten Familie sind homophobe Kommentare Standard. Ich will mir gar nicht vorstellen, was sie sagen würden, wenn sie wüssten, dass einer von diesen „scheiß Schwuchteln“ neben ihnen am Tisch sitzt. Wieso sollte ich mich alldem schutzlos ausliefern? Ich habe mich gut an die heterosexuelle Norm angepasst, sprich: Menschen merken nicht, dass ich nicht hetero bin. Auch wenn ich mir und allen anderen etwas dabei vorspiele, habe ich hier einen gewissen Selbstschutz. Wieso sollte ich diesen opfern und dabei riskieren von Freund_innen und Familie ausgegrenzt zu werden? Es gibt jedoch noch einen weiteren Grund der gegen das Coming Out spricht. Alleine die Bezeichnung „sich outen“ finde ich eklig. Das ganze Konzept basiert darauf, sich als etwas „anderes“ zu definieren und somit der Gesellschaft die Zustimmung zu geben, dass Heterosexualität „der Normalfall“ ist. Abgesehen davon finde ich, dass meine Sexualität niemanden etwas angeht und niemand das Recht hat, im Rahmen einer „wichtigen Unterhaltung“, mit mir großräumig über diese zu diskutieren. Immerhin gehen heterosexuelle Menschen auch nicht zu ihren Eltern und geben ihnen Bescheid, dass sie heterosexuell sind. Die Genugtuung, mich zu outen, will ich dieser diskriminierenden Gesellschaft nicht geben.Ich warte lieber darauf, dass es zu einer gewissen Sensibilisierung kommt und es allen egal ist, wen man begehrt. Und bis es soweit ist, verbringe ich meine Zeit halt „im Kleiderschrank“ und werde weiterhin jedes Mal aufschrecken, wenn jemand eine Unterhaltung mit: „Voll schwul, was du da …“ beginnt.
Wir leben bekanntlich in einer Welt, in der Heterosexualität als Normalität wahrgenommen wird. Auswirkungen davon zeigen sich nicht nur in der strukturellen Gewalt und der Diffamierung, mit der sich LGBTQIA+ Personen unweigerlich konfrontiert sehen müssen. Heteronormativität zeigt sich vorallem in dem so bildlich, was sie alles nicht zeigt. LGBTQIA+ Personen sind im öffentlichen Raum sowie in den Medien auf kläglichster Weise unterrepräsentiert und wenn sie einmal Raum erhalten (und dazu fällt einer_m auch nicht viel mehr als Conchita Wurst ein) sind sie entweder Anfeindungen ausgesetzt oder werden im besten Fall als exotische Vögel gefeiert. Und genau deswegen finde ich es wichtig, wenn mein Verhältnis vielleicht doch vielschichtiger ist als ich es hier in dieser Sparte darstellen kann, mit Repräsentationspolitik zu antworten. Repräsentationspolitik bedeutet Aufzeigen. Aufzeigen, dass es mehr gibt, als eine Heterosexualität, die sich noch dazu an einer starren Vorstellung von einer Dualität zweier Geschlechter entlang dekliniert. Ja, ich gebe zu, dass es problematisch ist und bleibt, genau von denen ein Outing abzuverlangen, die mit schwerwiegenden Folgen zu rechnen haben. Ganz zu schweigen davon, dass es meist nicht nur bei einem Mal bleibt. Ich betrachte Coming-Outs als eine Möglichkeit, Vielfalt darstellen zu können. Abgesehen davon erleichtern Outings die Situation nicht-geouteter Personen beträchtlich. Natürlich stellt sich die Frage, inwiefern man beispielsweise Homosexualität zur „Normalität“ (die sich an heterosexistischen Wertvorstellungen misst) erheben will. Einerseits würde es den Lebensstandard betroffener Personen erheblich steigern, gleichzeitig aber auch nur eine Inklusion in ein Privilegiengebilde darstellen, von der Menschen weiterhin ausgeschlossen bleiben. Andererseits ist die Vorstellung, dass sich Privilegien, Stereotype und Wertvorstellungen einfach dekonstruieren oder auflösen werden utopisch. Outings bleiben meiner Meinung nach weiterhin eine wichtige realpolitische Strategie gegen Homo- und Transphobie. Mara Ban ist 18 Jahre alt und besucht das BORG 3 in Wien
Anonym
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feuilleton
Kunst
„TRAUM“ von lIlIan kauFMann
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feuilleton
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Halle syntax Buchtipp
syntax Herbstplaylist
Wo Rom aufhört - Paola Soriga
Le Tigre – Keep on livin‘
Ida ist 18 Jahre alt im Rom von 1944. Früher, als Ida noch bei ihren Eltern in Sardinien gewohnt hat, ist sie wahnsinnig gerne in die Schule gegangen und genoß jeden Sonnenstrahl. Kurz bevor der Krieg dann ausbricht, wird sie zu ihrer Schwester nach Rom geschickt. Und in Rom wird dann alles anders. Ida schleicht, den Partisan_innen angeschlossen, mit versteckten Papieren in großen Säcken voller dreckiger Wäsche durch die Stadt, sie findet Freundinnen, verliert diese dann aufgrund der Ghetto-Säuberungen und muss sich verstecken. „Wo Rom aufhört“ wird größtenteils in Rückblenden erzählt und Paola Soriga spielt in ihrem ersten Roman mit der Zeit und der Satzstellung. Sie verwebt die Geschichte einer Jugendlichen im zweiten Weltkrieg mit deren von vielen anderen und konstruiert somit ein kompliziertes aber dennoch ohne Probleme nachvollziehbares Geflecht. Das vielleicht viel zu selten bei uns thematisierte Motiv einer jungen Frau im italienischen Faschismus motiviert zum Nachdenken und die einzigartige Form, in der geschrieben worden ist, lässt alles so lebendig wirken – direkte Reden kommen in einer ganz anderen Art vor, ohne Anführungszeichen und ohne einleitende Worte. Man versteht die Motive der Hauptfigur, die noch mit vielem mehr als dem Krieg umgehen muss, und auch ihre Angst; sie verbringt ihre Jugend in einer nicht nur höchst konservativen, sondern auch faschistischen Welt und die eher einfach gewählten aber dennoch treffenden Worte veranlassen zum Mitleiden und Mitfühlen.
petra und der wolf – Priorities Clara Luzia – Cinnamon Luise Pop – Time is a habit First Fatal Kiss – Wirtschaft Sookee – Drag Lucy Rose – Middle of the bed Plaided – Oh my Dog! Mika Vember – Rubberband Just Friends and Lovers – This Tune
syntax nachgedacht Bei so viel Fun vergeht mir das Lachen Musik wird problematisch, wenn ich im gedankenlosen Mitträllern meine Freund_innen, meine Mitmenschen, unwissend sogar mich selbst entwerte. Besonders auf Parties, die fröhlich bierig ihren Lauf nehmen, wird gerne vergessen, dass Popsongs nicht nur aus Melodien und wortlosen Tönen bestehen, sondern auch Texte und Musikvideos haben. Diese reproduzieren bei nachdenklichem Hinhören sexistische und rassistische Diskriminierungen, sei es in offensichtlichen Beschimpfungen oder durch subtilere Cultural Appropriation, wenn Sänger_ innen sich Bestandteile einer Kultur aneignen, mit der sie nichts am Hut haben, um damit ihr Image „exotisch“ aufzupeppen. Eine andere Frage, die Playlists aufwerfen, ist die der Selektion: Wer wird überhaupt gehört? Wer profitiert von solchen diskriminierenden Songs, warum hören wir andere Musiker_innen nicht? Wie viele weiß privilegierte, wie viele Interpretinnen* of Color werden gespielt? Es ist nicht so, als ob es keine Musikszene abseits der Charts gäbe – aber wir müssen uns bewusst entscheiden, die Ohren zu spitzen um dort hinzuhören. Die Ohrwürmer, die wir summen, geben den Ton an.
von Anoukis Mayr
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Der Schulrechtsnotruf der aKS
0699 / 12 14 81 20 bei dem du kompetente Antworten und Hilfestellungen bei deinen Schulrechtsfragen erhälst. Du kannst auch unsere Broschüre „123 Fragen an das Schulunterrichtsgesetz“ auf www.aks.at gratis bestellen, oder einfach den Rücksender auf der Seite rechts ausfüllen und wir schicken die Sachen portofrei nach Hause.
Schüler_innen sitzen viel zu oft am kürzeren Ast, unsere Rechte werden häufig ignoriert oder schlichtweg missachtet. Meistens wissen wir Schüler_innen auch gar nicht über unsere Rechte Bescheid, können uns daher auch kaum gegenüber Lehrer_innen oder Direktor_innen durchsetzen und uns gegen Rechtsverstöße wehren. Die AKS bietet deshalb einen Schüler_innennotruf an,
Sudoku Für langweilige Schulstunden, Pausen und den alltäglichen Zeitvertreib.
schwer
leicht
30
Das AKS-Herbstgewinnspiel Mach mit beim AKS-Herbstgewinnspiel und hol dir dein iPad, mehrere AKS-Taschen oder eine gratis Teilnahme an einem AKS-Seminar! Einfach diesen Rücksender ausschneiden, ausfüllen und du bist dabei.
gewinnfrage: Wie viele Schüler_innen in Österreich sind Burn-Out-gefährdet? 5% 13 % 22 %
Kleb mir eine (falls Marke zur Hand, sonst zahlen wir)
AKS-STUFF
geb. dat., schule, klasse
AKS-Wandkalender 14/15
GET ACTIVE!
1x iPad 5x Teilnahmen am StartUp 10x AKS-Taschen
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Stundenplan Sticker
Das gibt‘s zu gewinnen:
vorname, nachname
IcH WIll: Schulrechtsnotruf Kärtchen
Der Rechtsweg ist ausgeschlossen
FÜR DIE SCHÜlER_INNENVERTRETUNG:
An die Aktion kritischer Schüler_innen Amtshausgasse 4 1050 Wien
SV-Toolbook (allgemeine SV-Broschüre) 123 Fragen an das SchUG (Schulrechtsbroschüre)
MATERIAlIEN
Infos über eure laufenden Aktivitäten
Sozial-Broschüre (Beihilfen und Förderungen)
zur Anti-Rassismus Arbeit
einen Workshop an meiner Schule
Schüler_innenzeitungsbroschüre (Schulzeitung ect.)
zu feministischer Arbeit
aktiv werden
Berufsschulbroschüre (Broschüre für lehrlinge)
zum Thema Homophobie
auf ein Seminar mitfahren
Anti-Rassismus Broschüre
zu Schule & Schulpolitik
eine liste aller erhältlicher Materialien
Unterstützung bei einem SV-Projekt
Materialien „Recht du hast!“
ein kostenloses Syntax-Abo
an einem SV-Vernetzungstreffen teilnehmen
Materialien „gegenDruck“
F端r eine demokratische, angstfreie und sozial gerechte Schule und Gesellschaft!
P.b.b. Verlagspostamt 1050 Wien, GZ: 02Z033431M Retouren an: AKS, Amtshausgasse 4, 1050 Wien
www .aks .at