Das S Magazin #3

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S MAGA ZIN

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EDITORIAL

EDIT O RIA L S Magazin, Ausgabe

03

In den vergangenen Wochen beschäftigte sich unsere Branche wieder einmal intensiv mit der kulinarischen Identität dieses Landes und damit, wie man diese global positionieren könnte. Aber wie fängt man heutzutage unsere köstliche Vielfalt zusammen? Oder anders gefragt: Muss man das überhaupt? Vor 200 Jahren auf dem Wiener Kongress entstand in dieser Stadt schon einmal eine Weltküche. Die verschiedensten Küchen teilten, in friedlicher Mission, Traditionen & Geschmäcker an Wiener Herden und begründeten damit den Ruhm der Wiener Küche. Die österreichische Küche war und ist eine Vielvölkerküche mit eigenständigen regionalen Spezialitäten und lässt sich nicht auf eine Besonderheit oder eine Region reduzieren. Vielleicht liegt genau hier unsere kulinarische Zukunft. Ein lebendiges Feinkostland braucht die Wertschätzung sowie die Weiterentwicklung seiner lukullischen Traditionen und das Bewusstsein, dass die Wurzel im Land steckt. Der erste Schritt in Richtung gelebte Regionalität ist in Österreich schon getan, für eine nachhaltige Qualität müssen weitere Folgen. Die kreativen Vor- und Querdenker dieser Lebenshaltung dürfen wir Ihnen weiterhin im S Magazin vorstellen, das ein Stück weit dazu beitragen soll, dass die Vielfalt nicht überrascht, sondern zum gewohnten Bild wird. So wie wir es etwa ab Seite 46 tun, wenn wir unseren Gemüsebauern Robert Brodnjak in Niederösterreich besuchen. Oder wenn wir uns lustvoll dem heimischen Wild hingeben, wobei Sie ab Seite 40 nicht nur erfahren, warum die österreichische Wildküche großes Potenzial besitzt, sondern wo Sie sich auch auf Kunst freuen dürfen. Illustriert wurde diese Geschichte nämlich von keiner Geringeren als von Deborah Sengl. Dafür Dank. Eine reife Leistung bekommen wir auch von den Nuarts, denn sie veredeln nicht nur „schwarze Schafe“ (Seite 64). Und dass die besten Speisetauben nicht mehr aus Frankreich einfliegen müssen, stellt Gerhard Methlagl federleicht ab Seite 54 unter Beweis. Doch obwohl das Gute so nah liegt, blicken wir auch über den Tellerrand. So etwa in die Küchen unserer Mitarbeiter, die aus vielen verschiedenen Ländern kommen und sich stets aufs Neue gegenseitig verköstigen (Seite 82). Und wir blicken über den Gläserrand. In diesem Fall nach Frankreich, wo kleine Winzer Großes zustande bringen. Der Report über den sogenannten Winzerchampagner perlt ab Seite 110. Wenn der Blick in die Ferne schweift, sieht man jedoch nicht nur Erfreuliches. Der Zustand der Weltmeere etwa bereitet große Sorgen. Wir alle müssen mithelfen, dass sich etwas ändert. Wie? Die Antworten darauf ab Seite 128. Zum Abschluss etwas ganz anderes. Auch wenn es draußen blüht, im Stadtpark schneit’s. Mal rot, mal grün – aber immer mit Geschmack (Seite 120). Gehen Sie mit uns die nächsten Schritte durch diese kulinarische Welt. Bleiben Sie neugierig, bleiben Sie offen und fördern Sie die Geschmäcker unseres Landes.

BIRGIT UND HEINZ REITBAUER


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S MAGA ZIN

I N H A LT

IN HA LT 1 2 F U N D - S T Ü C K E Schmackhaftes, Schönes und Nützliches – von Gänseschnäbeln bis hin zu seltenen Messern.

5 4 T A U B E N Z U C H T Eine nach wie vor seltene Delikatesse – Speisetauben aus Österreich.

Von Georges Desrues

2 1 A L L E S A U S S E R B Ä R L A U C H Ein Großeinkauf in einem ganz besonderen Supermarkt – dem Wald.

Von Philipp Maußhardt

24 EIN GEHEIMER GARTEN Das Gute liegt so nah – Kräuter auf dem Dach des Steirerecks.

1

Von Ute Woltron

Wer & warum

ZU BESUCH BEI DEN NUARTS Schafkäse der Extraklasse aus dem Kärntner Jauntal. 64

4 0 W I L D

IST NICHT GLEICH WILD Mit Reh & Co. ist Österreich auf dem Weg zu neuen Ufern.

Von Anna Burghardt

Von Goerges Desrues

69 VON WEGEN SCHAUMGEBREMST Bier ist weit mehr als nur ein Getränk – eine Spurensuche von A bis Z.

2

Von Achim Schneyder

Wie & für wen

8 0 W E N I G E R

SORGEN, MEHR GENIESSEN Ein Essay zum Thema Gluten, Histamin & Co.

Von Susanne Schäfer

82 WIE BEI MAMA Guten Appetit – wenn im Steirereck zu Mittag jeder für jeden kocht.

A M A N F A N G W A R D I E E R B S E Ein wahrlich sehr gutes Werk – das Krautwerk aus dem Weinviertel.

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Von Luzia Schrampf

90 AU F G E KO C H T

So schmecken Frühling und Sommer.


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S MAGA ZIN

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1 1 0 G E S T A T T E N ,

AUCH ICH BIN C H A M PA G N E R Große Weine aus kleinen Häusern bringen Experten und Genießer zum Schwärmen.

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Von Achim Schneyder

Wovon & wie viel

Impressum MEDIENINHABER: Alba Communications GmbH GESCHÄFTSFÜHRENDE GESELLSCHAFTER: Mag. Alexandra Seyer, Reinhold Gmeinbauer Wipplingerstraße 20, 1010 Wien, www.albacommunications.at HERAUSGEBER: Birgit und Heinz Reitbauer CHEFREDAKTION: Achim Schneyder – Alba Communications TEXTCHEF: Achim Schneyder AUTOREN: Joachim Bessing, Anna Burghardt, Georges Desrues, Philipp Maußhardt, Susanne Schäfer, Achim Schneyder, Luzia Schrampf, Ute Woltron

L E I S E R I E S E L N B U N T E FLO CKEN Sorbet & Schnee einfach zum Nachkochen.

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Wohin & zurück

1 2 8 G R O S S E

HOFFNUNG KLEINE FISCHE Wie Köche beim harten Kampf um das Wohl der Weltmeere mithelfen können.

Von Achim Schneyder

1 3 4 J U S T I N E

KIRCHENGASTS GESCHMACKSERINNERUNGEN Oma Reitbauer, die Beeren, das Beuschel und die Weihnachtsgaben.

Von Ute Woltron

A N D E R S W O R E S E R V I E R T Wo es Birgit und Heinz Reitbauer schmeckt.

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FOTOGRAFEN: Andreas Balon, Georges Desrues, Daniel Gebhart de Koekkoek, Klaus Fritsch, Alexander Nußbaumer, Thomas Schauer, Mirco Taliercio, Manfred Wakolbinger, FOODSTYLING: Sammy Zayed / Tatendrang ILLUSTRATION: Deborah Sengl DESIGN: brand unit – network for branding, design and content, brand-unit.com KREATIV- UND ARTDIREKTION: Albert Handler GRAFIK DESIGN: Ula Krzyżak ANZEIGEN: Michaela Wimböck und Reinhold Gmeinbauer – Alba Communications PRODUKTION: Andreas Oberkanins, brand unit LITHOGRAFIE: Mario Rott DRUCK: Grasl FairPrint VERTRIEB: Morawa


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AUF DER ÖLSPUR E I N FAC H G E N I A L . G E N I A L E I N FAC H. D I E Ö L E AUS D E M ST E I R E R EC K, D I E M A N N I C H T N U R SE RV I E RT B E KO M M T, S O N D E R N AU C H M I T N AC H H AUSE N E H M E N K A N N.

OLIVENKRAUT & MAIWIPFEL Olivenkrautöl hat nichts mit Oliven zu tun. Schmeckt aber nach ebensolchen und riecht nach eingelegten Oliven. Ausgehend abermals von Traubenkernöl, wird Olivenkraut beigemengt, das übrigens auch unter dem Namen Zypressenkraut bekannt ist, und das man wie Rosmarin oder Lavendel im Garten kultivieren kann. In der Küche kommt es speziell bei Fischgerichten zum Einsatz.

P F E F F E R B L AT T Man nehme Traubenkernöl. Weil es sehr neutral ist. Dann lege man Pfefferblätter darin ein, erhitze es auf 60 Grad und lasse es ein paar Monate ziehen. Was dabei herauskommt, ist ein sehr würziges, leicht pfeffriges Öl, das sich perfekt für Salatmarinaden eignet.

Die Maiwipfel wiederum, die jungen Wipfel von Fichte, Tanne & Co, verbreiten, auch wieder im Traubenkernöl veredelt, ein herrlich frisches Waldaroma. Ob man nun Karotten darin schmort, es für Salatmarinaden verwendet oder – in Verbindung mit Zitrone – für Desserts nützt, das Resultat ist stets aufs Neue eine schmackhafte Überraschung.

& F E I G E N B L AT T Das Feigenblattöl wiederum, bei dem ebenfalls Traubenkernöl als Basis dient, besticht durch seine angenehme Süße und das herrliche Feigenaroma. Ideal für Desserts, ideal für Eis und Kuchen.

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FUND-STÜCKE

GRILLEN MIT HOLZ E R IST D E R E T WA S A N D E R E G R I L L E R – D E R VO N H A N D G E F E RT I GT E „ B B Q D R AG O N“ AUS E D E L STA H L, D E R P U R ISM US U N D Ä ST H E T I K P E R F E K T KO M B I N I E RT.

PURES ERLEBNIS, REINER GESCHMACK Lagerfeuerromantik macht sich breit, wenn man mit dem „BBQ Dragon“ grillt, auch wenn dieser aus hochwertigem Edelstahl gefertigt wurde. Aber: Man grillt nicht mit Kohle, nicht mit Briketts und schon gar nicht mit Gas, man grillt mit purem Holz, im Idealfall mit Buchenholz. Das garantiert einerseits einen unvergleichlich rauchigen Geschmack und vereint andererseits traditionelle Technik, einfache Funktionalität und modernstes Design. Produziert in Handarbeit, besticht

dieser zusammenlegbare Griller nicht zuletzt durch das unnachahmliche Design, das auch eine Lagerung auf engstem Raum ermöglicht. Eine Alternative zur immer komplexer werdenden Grillkultur wollte der Hersteller schaffen und den Fokus dabei wieder auf die ursprünglichen Werte richten. Das ist eindrucksvoll gelungen. Authentizität und Einfachheit lautet das Credo, pures Grillerlebnis und ursprüngliche Kultur. Der Sommer kann kommen.

Preis pro Griller: 1.181 Euro exklusive Lieferkosten. Zu bestellen per Mail unter office@bbqpurists.com oder telefonisch unter +43 664 734 56602. Weitere Infos: www.wood-grill.com


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DIE ESSBAREN GÄNSESCHNÄBEL Gänseschnabelpfefferoni von Erich Stekovics, eingelegt in Essigwasser mit einer Prise Zucker, dazu noch Kräuter und Gewürze – und fertig ist eine kleine Köstlichkeit, die sich beispielsweise glänzend

zu einem Gulasch macht. Als Blickfang am Tellerrand, als feiner Bissen zwischendurch. Scharf, aber nicht zu scharf, süß, aber nicht zu süß, und mit einer wunderschönen Säure.

Erhältlich im Steirereck um 7,50 Euro

DAS SALZ UND DIE ZITRONEN Sogenannte Meyerzitronen aus Schönbrunn, die mit dem leichten Mandarinenaroma, werden eingeschnitten, in Karpatensalz eingelegt und schließlich vakuumiert. So entzieht das Salz der Zitrone den Saft. Hackt man schließlich die Schale in ganz

kleine Stücke, hat man ein perfektes Würzmittel und einen idealen Salzersatz. Und das entkernte Fruchtfleisch macht sich beispielsweise wunderbar in einem Karfiolpüree.

Erhältlich im Steirereck um 5,50 Euro

DIE ANANAS IM SENF Einer geschmorten, karamellisierten und schließlich pürierten Ananas wird ein wenig Dijonsenf sowie ätherisches Senföl untergemischt, und

schon ist eine vorzügliche Beilage fertig. Und die eignet sich nicht zuletzt ganz wunderbar für Wildschweingerichte.

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D I E B A N A L I TÄT D E S KO ST B A R E N B L A D E S O F T H E G O D S – S O H E IS ST E I N U N T E R N E H M E N Z W E I E R Ö ST E R R E I C H E R AU F B A L I, I N D E M M E S SE R H E RG E ST E L LT W E R D E N, D I E KU NST W E R K E SI N D.

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FEINKOST-L ADEN

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ALLE S AUSSER BÄRL AUCH Die Saison ist eröffnet: Von Frühjahr bis weit in den Herbst hinein liefert der Wald kostenlose Lebensmittel.

TEXT: PHILIPP MAUSSHARDT

Der Supermarkt liegt vor unserer Haustür und hat 24 Stunden geöffnet. Seine Sonderangebote wirft er uns üppig vor die Füße, wir brauchen sie nur aufzuheben. Bezahlt wird nicht. Unsere Wälder produzieren Lebensmittel in Hülle und Fülle – nur haben wir moderne Menschen es längst vergessen. Dabei stammen wir doch alle von Jägern und Sammlern ab. Die Urahnen kannten sich im Dickicht jedenfalls noch aus und konnten giftige von wohlschmeckenden Blättern und Wurzeln unterscheiden. Wir stolpern dagegen ahnungslos auf markierten Wanderwegen durch den Wald, trampeln auf Sauerampfer und Waldmeister achtlos herum und ahnen nicht, dass zwischen den Bäumen die köstlichsten Dinge wachsen. Mein Waldeinkauf begann meist schon Ende März, wenn unter Buchenstämmen sich ein erster grüner Teppich bildete. Doch irgendwann hatte ich mich an Bärlauch so überfressen, dass ich mir inzwischen die Nase zuhalten muss, wenn im Früh-

jahr der Wind aus dem nahen Wäldchen ungünstig bläst. Lange Zeit fast vergessen, wurde Bärlauch in den vergangenen Jahren zum Modegewächs in den Küchen. Kaum ein Restaurant, das im April auf Bärlauchsuppe, Bärlauchpesto, Bärlauchnockerln oder Bärlauchrisotto verzichtet. An vielen Stellen lässt das Kraut sich mit der Sense ernten, so dicht stehen die länglichen Blätter, die Unwissende immer wieder mit Maiglöckchen oder Herbstzeitlose verwechseln und dann mit ausgepumptem Magen auf der Intensivstation aufwachen. Der Wald hat im deutschsprachigen Raum seit jeher eine überragende Bedeutung. Weniger als Nahrungsmittellieferant denn als Sehnsuchtslandschaft. Er wird von Dichtern besungen („Oh wie mich freut / Waldeinsamkeit“), von Malern in allen Farben verewigt, von Mythen umrankt. Schillers Räuber hausen dort, Hänsel und Gretel verlaufen sich darin, Rübezahl schützt ihn.


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FEINKOST-L ADEN

Manche meinen, das käme daher, dass die wackeren Germanen unter ihrem Feldherrn Hermann dem Cherusker die römischen Legionen im Jahre 9 nach Christus in die Flucht schlugen. Das war im Teutoburger Wald, und vielleicht ist der Wald ihren Nachkommen deshalb noch immer so heilig. Jedenfalls sind rund ein Drittel Deutschlands und fast die Hälfte Österreichs (rund vier Millionen Hektar) Waldflächen. Jemand hat die Bäume einmal gezählt und kam auf 34 Milliarden in Deutschland. Macht ungefähr 425 Bäume pro Einwohner. Ich habe das Glück, mehrere Wochen im Jahr ein Häuschen mitten im Wald zu bewohnen, der auch noch geographisch in einer besonders gesegneten Region, der Toskana, liegt. Die Ernte beginnt schon im April, wenn der feuchte Waldboden mit Primeln übersät ist, deren Blüten sich wunderbar in einem Salat machen. Überhaupt Blüten: Gänseblümchen, bei milder Hitze im Backofen getrocknet, sind ein wunderbarer Snack für jedes Abendessen. Man könnte ein ganzes Menü nur aus Waldprodukten zusammenstellen, würden alle Zutaten zur selben Zeit reifen. So aber bleibt es Stückwerk übers Jahr, wobei gerade das den Reiz ausmacht: Man findet immer etwas Verwertbares. Kaum sind die Primeln verblüht, zeigen sich die Walderdbeeren und schießt der Sauerampfer ins Kraut. Ein herrliches, völlig unterschätztes Gewächs, das allenfalls noch als Suppe bekannt ist, aus dessen Blättern sich aber auch eine köstliche Füllung für Ravioli herstellen lässt. Zusammen mit Ziegenkäse und Nüssen beispielsweise. Überhaupt ist der Mai für den Waldkoch ein stressiger Monat: Die Holunderblüten hat er zu Sirup verarbeitet, Waldmeister in einer Bowle angesetzt. Die jungen Brennnesselblätter rufen nach Verarbeitung, schmecken besser als Spinat, und mit Löwenzahn hat er einen Salat gezaubert, der jeden Rucola alt aussehen lässt. Ganz Gewitzte wissen sogar, wo wilder Spargel wächst und wo sie nach der Urart der gelben Rübe graben müssen. Vater Wald sorgt für seine Kinder. Anfang des Jahres nahm die Polizei in Nordbayern einen 61-jährigen Mann fest, der fünf Jahre lang im Wald gelebt hatte. Seine Hütte hatte er gut getarnt und vor den Augen der Forstarbeiter versteckt, und was er zum Leben brauchte, suchte er sich unter den Baumstämmen. Hätte er nicht ab und zu in ein Gartenhäuschen der Umgebung eingebrochen, er lebte noch heute glücklich und unerkannt als Waldschrat im Paradies. Denn so hat man uns doch das Schlaraffenland geschildert: alles im Überfluss vorhanden und ohne Anstrengung zu haben. Bücken und Pflücken. Warum mühsam den Boden beackern, wenn alles auch so wächst? Himbeeren, Brombeeren, Blaubeeren und wie sie alle heißen. Ab Juli verwandelt sich jeder gesunde Wald in Mitteleuropa in einen Obstladen. Dabei schmecken die Früchtchen un-

gleich besser als ihre gezüchteten Verwandten. Und wer die Augen offen hält, findet zudem Produkte, die ihm sein Obsthändler vorenthält. Moosbeeren zum Beispiel, eine besonders in Nordeuropa verbreitete Variante der Heidelbeere, sind kleine VitaminC-Bomben. In einigen Restaurants fand ich zuletzt wieder Kornelkirschen, in Österreich oft Dirndl genannt, im Dessert verarbeitet. Auch sie zählen zu den am meisten verbreiteten Wildfrüchten unserer Breiten. An all dem läuft der gewöhnliche Wandersmann achtlos vorüber, summt sein Wanderliedchen und sieht nur die Schönheit der Landschaft, nicht aber in die kulinarischen Auslagen. Erst wenn es Herbst wird, zieht die Korb-Armada in den Wald auf der Suche nach Schwammerl & Co. Pilze sind die wahrscheinlich bekanntesten essbaren Waldbewohner, und zum Glück ist noch immer nicht gelungen, ihre schmackhaftesten Vertreter im Labor zu züchten. Für einen Steinpilz oder ein Eierschwammerl muss man schon den Hintern bewegen. Doch wer einmal das Gefühl erlebte, nach zwei Stunden vergeblichen Suchens plötzlich vor einem wunderschönen Steinpilz zu stehen, der möchte dieses Glückserlebnis nicht mehr missen. Ja, Pilze suchen – und finden – kann tatsächlich zur Sucht werden. Wer mich im Herbst sucht, muss nur in den Wald hineinrufen. Irgendwo wird er mich finden. Pilze, Hagebutten, Schlehen – jetzt ist Erntezeit. Was für ein Vorteil, dass meine Ferienbleibe auch noch in einem Wald aus Kastanienbäumen steht. Diese Waldfrüchte lieferten noch bis ins vorige Jahrhundert hinein die Lebensgrundlage in vielen Bergdörfern südlich der Alpen. Getrocknet und zu Mehl gemahlen, sind Esskastanien aber auch heute noch eine herrliche Basis für Nudelteig oder Süßspeisen. Und Bäume? Was ist mit den Bäumen? Kann man die am Ende auch noch essen? Ja, man kann. Zumindest Pinie, Fichte und Kiefer (und da wiederum besonders die Zirbe) liefern ess- und auch trinkbare Komponenten. In einem alten Liederbuch für Jäger und Forstleute las ich kürzlich: „Das schönste Land, das Berg und Wald nicht zieren / Ist mir ein kläglich Land. Dort sah ich oft der Menschen Herz erfrieren. / Und doch war’s Hirn verbrannt.“ Also los! Schuhe an, Messer in die Tasche und Korb unter den Arm!


Topinambur, CousCous, peTersilie, süsswurzel. und Hanföl von fandler.

Der wahre Genuss endet niemals. Denn der Eindruck, den er zurücklässt, bleibt. Dort, am Teller, wo sich die Kunst der Küche und die Freude des Genießens treffen, fehlen höchstens noch ein paar Tropfen zur Vollkommenheit. w w w.fandler.aT


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KR ÄUTER-BEETE


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EIN GEHEIMER Garten Mitten im Stadtpark, gut verborgen auf dem Dach des Steirerecks, wachsen die ausgefallensten Würzkräuter aus aller Welt.

Es ist ein duftiger, luftiger Ort, mitten in der Stadt, und doch gut verborgen vor den Augen der Welt. Die Bienen summen, die Schmetterlinge schwirren, der Verkehrslärm dringt nur gedämpft durch die Wipfel der Stadtparkbäume bis hierher. Das Dach über dem Steirereck ist ein zauberhafter kleiner Nutzgarten, in dem ausschließlich Aromapflanzen und Kräuter wachsen. Schmale Pfade schlängeln sich zwischen den Beeten, daneben stehen der Reihe nach Pflanztöpfe und Tröge, alles dicht bewachsen mit ausgefallenen Gewächsen aus aller Welt, zusammengetragen über die Jahre, vielfach erprobt, die besten Sorten herausdestilliert. Gelegentlich kommt ein weiß gekleideter Koch zielstrebig durch die Terrassentür, die Schere in der einen Hand, ein Körbchen in der anderen; blickt sich suchend um,

schneidet hier ein paar Blüten ab, dort eine Handvoll Blätter, da ein paar Stämmchen Grün und eilt mit seiner Beute wieder Richtung Kochtopf. Die frische, leichte, saisonale Küche kommt ohne die Duftigkeit dieser Kräuter und Blüten nicht aus. Die Pflanzen im Garten des Steirerecks sind die jeweils raffiniertesten ihrer Art. Ein Beispiel dafür ist der Liebstöckel. Die hierzulande bekannte Art Levisticum officinale ist eine großgewachsene, fast aufdringlich aromatische Staude. Gut, aber zu penetrant für die ganz feine Küche. Wer sich auskennt, findet subtilere Alternativen, und genau damit beginnen wir den Rundgang durch den Dachgarten der Düfte und Geschmäcker:

TEXT: UTE WOLTRON; FOTOS: KLAUS FRITSCH


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KR ÄUTER-BEETE

ALPEN-SÄUERLING OXYRIA DIGYNA Ein echtes Bergkraut ist der kleine, knackig-blättrige Alpen-Säuerling. Er wächst auf den feuchten, jedoch kargen Böden der Alpen, bevorzugt in Höhenlagen ab 1.700 Meter. Eine seiner Besonderheiten sind die im Laufe der Zeit von Grün zu Rosa und schließlich zu Rot wechselnden Fruchtstände. Ihre feine, angenehme Säure verträgt sich mit vielen Gerichten, nicht aber, so wie auch die herzförmigen Blätter und die Stiele, mit Hitze. Deshalb will der Alpen-Säuerling frisch und roh auf den Teller. Ein so gut wie unbekanntes Würzkraut aus der Familie der Knöteriche, das es zu entdecken gilt.


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CHINESISCHER GEWÜRZSTR AUCH ELSHOLTZIA STAUNTONII Wenn Blüten nach einer Kombination von Minze, Honig und Apfel schmecken, gewürzt mit einem Hauch Schärfe, dann kann es sich nur um die großen schönen rosa-lila Blütenbüschel des Chinesischen Gewürzstrauchs handeln. Der robuste Kerl wächst bis zu 90 Zentimeter hoch, ist winterhart und wäre aufgrund seines Aussehens schon allein als Gartenschönheit zu verwenden. Doch auch die Blätter liefern Aroma, und zwar ein wenig wie Kümmel in Kombination mit Minze. Kurzum: Die Pflanze ist in jeder Hinsicht hoch attraktiv und veredelt sowohl süße als auch salzig-pikante Speisen.


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KR ÄUTER-BEETE

ARGENTINISCHER MINZESTR AUCH LIPPIA POLYSTACHA Die verholzende Kübelpflanze aus Südamerika liefert ein feines nach Minze duftendes Aroma, das auch in den getrockneten Blättern intensiv erhalten bleibt und deshalb gut geeignet ist, um Teemischungen eine spezielle Note zu verleihen. Der Geschmack ist süß, erinnert leicht an die Spearmint und hat, im Gegensatz zu der mit der Pflanze weitschichtig verwandten Zitronenverbene, keine zitronige Note. Ein weiterer Vorzug des zierlichen Strauchs: Er liefert meterlange, hängende Äste, blüht reichlich mit weißen Blütensternchen und sieht ausgesprochen apart aus.


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KR ÄUTER-BEETE

AUSDAUERNDE GARTENKRESSE LEPIDIUM LATIFOLIUM Scharf-pfeffrig und an Kren erinnernd schmecken die glatten, kräftigen, fleischigen Blätter dieser ausgefallenen Kresse-Art. Im Mittelalter war das Kraut höchst beliebt, geriet jedoch so gut wie ganz in Vergessenheit. Zu Unrecht, denn die Ausdauernde Gartenkresse schmeckt wesentlich intensiver als die bekannte feinblättrige Gartenkresse. Zudem ist die Pflanze, die gern auf kargen, leicht salzigen Böden gedeiht und in Europa heimisch und dennoch selten ist, mehrjährig.


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AR ABISCHES BERGKR AUT MICROMERIA FRUTICOSA Ein Hauch von einer Pflanze – diesen Eindruck vermittelt das fein und graziös gewachsene Arabische Bergkraut. Doch trotz seines filigranen Auftretens verfügt der kleine Strauch aus dem östlichen Mittelmeerraum über ein überraschend kräftiges Aroma. Es erinnert an Oregano und Majoran mit Anklängen zarter Mentholminze mit einer Geschmackstiefe, die genüsslich ausgelotet werden will. In der arabisch-jüdischen Küche verwendet man das Kraut insbesondere zum Würzen von Lamm. Zusätzlich reizvoll: Das Kraut blüht reich und duftet nach Minze.


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KR ÄUTER-BEETE

PERICON TAGETES LUCIDA CAV. Für die guatemaltekischen Azteken zählte Pericon zu den heiligen Kräutern. Die Intensität des Geschmacks der Blätter variiert je nach deren Alter, geht aber jedenfalls ein wenig in Richtung Waldmeister, Anis, vor allem aber Estragon. Dieses seltene und bei uns so gut wie unbekannte Würzkraut zählt zu den Lieblingspflanzen der Steirereck-Köche und findet sowohl in süßen als auch salzigen Speisen Verwendung. Allerdings mit Vorsicht und Bedacht, denn die Aromen sind hitzeempfindlich.


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KR ÄUTER-BEETE

GOLDMELISSE MONARDA DIDYMA Die Indianernessel ist eine klassische Pflanze des nordamerikanischen Ostens. Insbesondere die Irokesen schätzten das aromatische Kraut mit den charakteristischen scharlachroten Blütenschöpfen und verwendeten es sowohl getrocknet als auch frisch als Teekraut und zum Würzen von Fleisch und anderen Speisen. Die Goldmelisse zählt zu den ursprünglichen Monarda, von denen es zahllose Zuchtsorten gibt. Das blumige, intensive Aroma dieser noch unverfälschten Variante erinnert stark an Bergamotte und somit an Earl-Grey-Tee. Im Steirereck dient die hochgewachsene und winterharte Pflanze als Basiswürze für Marinaden, Essig, Sirup.


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SCHOT TISCHER LIEBSTÖ CKEL LIGUSTICUM SCOTICUM Irgendwo zwischen Sellerie und Petersilie angesiedelt ist der Geschmack des Schottischen Liebstöckels. Die Pflanze ist jedenfalls unvergleichlich feiner als der ordinäre Liebstock. Sie stammt ursprünglich aus den Küstengebieten Schottlands, ist aber auch hierzulande gut zu ziehen. Die Blätter und Stängel sind knackig, fest, fast saftig und im Jugendstadium ganz zart. Der Schottische Liebstöckel blüht in hübschen, rosa überhauchten Dolden und liefert im Spätsommer ebenfalls in der Küche verwendbare aromatische Samen. Er würzt etwa Gemüse und leichte Fischgerichte.


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KR ÄUTER-BEETE

Z I T R O N E N - A G A S TA C H E AGASTACHE MEXICANA Frisch, herb, limettig, unverwechselbar – so duftet und schmeckt dieser hochgewachsene und äußerst attraktive Lippenblütler aus Mittelamerika. In der Küche finden nicht nur die intensiv magentagefärbten Blüten Verwendung, sondern auch die jungen Blätter. Da die Zitronen-Agastache eine wüchsige Persönlichkeit ist, liefert sie über viele Monate hinweg unverdrossen Nachschub für die Küche. Sie ist auch getrocknet als Teepflanze gut einsetzbar und hält das Aroma tatsächlich länger als ein Jahr.


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Wer &  warum

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WILD IST NICHT GLEICH WILD  S . 6 4

ZU BESUCH B   EI DEN NUARTS

LIEFERANTEN & PRODUZENTEN

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Wer? Das Wild. Warum? Weil es mürb ist. Wer? Das Gemüse. Warum? Weil es Kraft gibt. Wer? Die Taube. Warum? Weil sie edel ist. Wer? Das Schaf. Warum? Weil es Milch gibt. Wer? Das Bier. Warum? Weil es hopft. Diese Antworten schmecken zu schal? Diese Antworten machen nicht satt? Einfach weiterblättern – es ist angerichtet.

1 S. 46

S . 5 4

A M A N FA N G WAR DIE ERBSE

TAU B E N Z U C H T

S. 69

S. 75

VON WEGEN SCHAUMGEBREMST

DIE NEUE LUST AM BIER


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SPEISE-PLAN

WILD IST NICHT GLEICH WILD TEXT:

ARTWORK:

ANNA BURGHARDT

DEBORAH SENGL

Die österreichische Wildküche ist unterwegs zu neuen Ufern. Sie schärft mit Kampotpfeffer ihr Profil, dämpft mit Orangenblüten hohe Erwartungen herbei. Und hat international einen gewaltigen Vorsprung. Zwischen absolut unbrauchbar und phänomenal liegen nur wenige Zentimeter. Und ein paar Jahre Entwicklungsarbeit. Ein paar Jahre, in denen Köche von Jägern beharrlich neue Qualitäten bei Wild gefordert haben. Dass heute eine spannende – und international wohl einzigartige – neue österreichische Wildküche möglich ist, ist dem neuen Bewusstsein einiger ambitionierter Jäger zu verdanken. Ihnen geht es nicht mehr um eine einwandfreie Trophäe, sondern vielmehr um die richtige Auswahl der Tiere aus dem Rudel, einen exakten Schuss, einen stressfreien Tiertod, eine möglichst kurze Zeitspanne zwi-

schen Schuss und Kühlkette. All das entscheidet zwischen absolut unbrauchbar und phänomenal. Und phänomenale Fleischqualität braucht es für die aktuellen Ideen in der Küche unbedingt. Spicken sowie Essigbeizen und Niederkochen, ignorierend, um welches Stück es sich handelt, aber jedenfalls in banger Hoffnung auf etwas Zähheitsverlust, sind Schnee von vorgestern. Reflexhaftes Rosabraten der zarteren Teile ist Schnee von gestern. Wild wird heute gedämpft, confiert oder am Knochen sanft gebraten. Und mit einer ungeahnten Aromenvielfalt kombiniert.


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Wild birgt für die heimische Küche eine Riesenchance. Nicht nur aufgrund des neuen Qualitätsbewusstseins der Jäger. Österreich war immer schon ein Wildland. Kochbücher vergangener Jahrhunderte zeigen die Bedeutung, die Wild hier stets gehabt hat: mit Rezepten für Hasenohrensalat, Biberschlögel in Lebkuchensauce, Lerchensulz mit Pomeranzen, Ragout aus Hirschzungen und -läufen mit Morcheln, Wildtauben in Speck und Weinlaub. Solche Rezepte sind auch Inspiration für die Wildküche von heute – auch wenn viele Tiere, die man vor Jahrhunder-

ten noch gegessen hat, heute aus diversen Gründen gar nicht mehr oder nur sehr eingeschränkt auf den Speisekarten stehen: Fischotter etwa, Auerhahn, Schnepfen oder Kormoran. Tatsächlich wild lebendes Wild hat gegenüber anderem Fleisch schon allein aufgrund seines MehrFreiland-geht-nicht-Charakters einen gewaltigen Vorsprung. Wild ernährt sich selbst mit dem Besten, was Wald und Wiesen hergeben, wächst also ohne Turbofutter heran. Wild bewegt sich viel, ist


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SPEISE-PLAN

mager. Wild ist, abgesehen vom Wildschwein, nur in bestimmten Saisonen zu haben. Und im Ausland schielt man neidisch auf die österreichische Forstpflege und die Vielfalt. „In Frankreich ist Wild ein Luxusprodukt, kommt zu neunzig Prozent aus dem Ausland – und oft tiefgefroren. Das ist B-Qualität, die wir schon nicht mehr nehmen würden“, sagt Heinz Reitbauer, der selbst in Frankreich gearbeitet hat. Von der Pannonischen Tiefebene mit ihrem Wildgeflügel im Osten über die Schwarz- und Niederwildgebiete der Wiener Umgebung, vom größten

Gamsgebiet Mitteleuropas, dem Hochschwab, bis ins Hochgebirge von Salzburg, Tirol, Vorarlberg – das Repertoire für die österreichische Küche ist enorm. Wild ist nicht gleich Wild. Die Aromen und die Texturen des Fleisches sind so unterschiedlich, dass auch die Kombinationsmöglichkeiten schier unendlich sind. Darum sind auch Eh-klar-Wildgewürze aus Wacholder, Piment und Pfeffer, die angeblich für die Zubereitung von Reh, Hirsch, Wildschwein, Hasen und Fasan geeignet sind, so sinnlos. In Wild muss man sich einhören, einfühlen. Und


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dann erkennt man: Fasan hat mit dem Wildhasen außer der Kategorie Niederwild nichts gemeinsam. Fasan, dieses elegant-seidige Fleisch mit hellem, geradezu fragilem Wildgeschmack ist ungleich heikler, was die Aromen betrifft, die ihm zur Seite gestellt werden, als der geschmacklich tiefdunkel röhrende Wildhase. Der auch einmal die Gesellschaft von Chocolate-Habanero-Chilis und seinem eigen Blut verträgt, das in Eiswürfelformen in der Tiefkühltruhe darauf wartet, seine Bindungswilligkeit zu beweisen. Während Wildhasenschulter, Heinz

Reitbauers Lieblingswildstück („das absolut edelste Fleisch“), vor allem durch Schmoren sensationell wird, verlangen Wildentenbrust oder Maibockrücken andere Zubereitungsarten. Für die Brust von Wildente oder Fasan empfiehlt sich das vorsichtige Braten am Knochen – und das Trennen von Brust und Keulen generell. Aufgrund der so unterschiedlichen Fleischzustände ist Wildgeflügel im Ganzen eine ziemlich sinnlose Angelegenheit, ebenso wie das Auslösen und Vakuumieren. Einem Rücken vom Maibock, diesem ersten und daher begehrten Wild


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im Jahr (im zweiten Lebensjahr erlegt), bekommt indes sanftes Dämpfen besonders gut. Manchmal trägt der Maibock dabei ein Kleid aus aromatischen Blättern, etwa aus der Roten Gartenmelde, aus Perilla oder Senfkohl. Wohl zu Gesicht stehen ihm auch Orangen- oder Lavendelblüten, die während des Dämpfvorgangs ihre ätherischen Öle preisgeben und zu den waldig-wildigen Aromen des Fleisches einen duftigen Konterpart liefern. Im August kommen dann die ersten Rehkitze, die sich etwa mit Vogelmiere und jungem Mais kombinieren lassen.

Während der Wildhochsaison im Herbst hat das Steirereck acht bis zehn Wildgerichte auf der Karte stehen – Liebling der Gäste ist übrigens mit Abstand der Fasan. Dass Frucht und Wild miteinander eine besonders stimmige Liaison eingehen können, zeigen schon die traditionellen österreichischen Wildrezepte mit dem klassischen Duo Orange und Preiselbeere. Heute sind es Quitten und Tomatillo, grüne Paradeiser, Ananas und Physalis, die man mit Wildente,


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Wildschwein, Hirsch und Hase paart. Eine wohlüberlegte Dosis Säure von Sauerampfer oder die ätherische Frische von Zitrusschale ist immer willkommen, um eine etwaige Dumpfheit und Schwere im Wildcharakter auszugleichen, und Gewürze wie Kardamom, Kampotpfeffer oder Sumach können Wild zusätzlich belüften. Das Potenzial von Wild in der Küche ist in Österreich bei aller bestehenden Vielfalt aber noch nicht ausgeschöpft: Biber etwa, dessen Schwanz

unter anderem in Kanada als Delikatesse gilt, ist als Lebensmittel nicht erlaubt, obwohl die Population wegen der großen Schäden, die sie derzeit anrichtet, reduziert werden muss – Biber werden aber gefangen und der Tierkörperverwertung zugeführt, statt ambitionierten Köchen geliefert. Auch Krähen wären spannend, meint Heinz Reitbauer. „Da sind wir dran.“


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FELD-STECHER


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AM ANFANG WAR DIE ERBSE

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Das weite Land – wo man dem Guten so nahe ist.

Krautwerk – das sind Claudia Detz und Robert Brodnjak, die beide ihre Berufe an den Nagel hängten, um ihrer Berufung zu folgen und in Füllersdorf im Weinviertel Gemüsebauern zu werden.

02–03

Robert Brodnjak – Gemüsebauer aus Leidenschaft.

TEXT: LUZIA SCHRAMPF FOTOS: MIRCO TALIERCIO


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FELD-STECHER

Der Felder Vielfalt füllt den Vorratsschrank. „Krautwerk“ – so heißt das Lebenswerk von Claudia Detz und Robert Brodnjak im niederösterreichischen Füllersdorf.


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Robert Brodnjak war einigermaßen erstaunt, als er auf dem Feld arbeitend plötzlich einen Anruf von Heinz Reitbauer erhielt. Dieser habe gehört, dass Brodnjak elf verschiedene Erbsensorten anbauen würde und wollte fragen, ob er denn nicht eine Probelieferung bekommen könne. Das war der Beginn einer wunderbaren Zusammenarbeit. Die zwei Hektar Ackerflächen inklusive einem halben Hektar Foliengewächshäuser, die Robert Brodnjak und Claudia Detz bewirtschaften, liegen zwischen Porrau und Füllersdorf, etwa dort, wo die wellige Landschaft des südlichen Weinviertels schon sehr viel Gegend aufzuweisen hat. Doch angesprochen auf den entlegenen Flecken Erde, der ihnen Zuhause ist, antworten die beiden strahlend mit nur einem Wort: „Lebensqualität.“

auch die Neugier, immer Ungewöhnlicheres auszuprobieren. Als die Boku ihre Flächen in Floridsdorf schloss und sie Marion Aigner, eine Gemüsebäuerin aus Göllersdorf, kennenlernten, waren sie bereit, mehr daraus zu machen. Mit Hilfe der neu gewonnenen Freundin fanden sie Pachtflächen in Porrau und begannen mit Gemüseanbau im größeren Stil. Angebaut wurde alles, was wächst, und alles in mehreren Sorten. Um herauszufinden, wie sich die Sorten unterscheiden. Daher auch die elf Arten Erbsen oder die fünf verschiedenen Gattungen von Zwiebel, die sieben verschiedenen Krautarten oder die unterschiedlichen Beeren. „Es geht uns“, sagen die beiden quasi in einem Atemzug, „vor allem um den guten Geschmack.“ 2012 war der Zeitpunkt gekommen, als Robert beschloss, nur noch Gemüsebauer sein zu wollen. Bei Claudia, laut Robert die Realistischere und Sicherheitsbedachtere im Team, dauerte es noch etwas länger, ehe sie kündigte und in den Betrieb einstieg. Angeregt übrigens durch ein Motivationstraining für die Mitarbeiter der Steuerberatungskanzlei, in dem es um Grundbedürfnisse der Menschen ging.

Dass sie Gemüsebauern wurden, war beiden nicht in die Wiege gelegt, sind sie doch richtige Großstadtpflanzen ohne bäuerlichen Hintergrund. Robert hat Koch gelernt, um nach 18 Jahren in der Gastronomie auf IT-Administrator umzusatteln. Claudia war Buchhalterin. Das Paar lebte mit seinen Kindern in einer großen Wohnung in einem der Stadtrandbezirke Wiens und begann vor vielen, vielen Jahren das zu tun, was Welche Gemüse wann ernheute mit schicken Schlagwörtern tereif sein müssen oder welche wie City Farming und Urban GarPflanzen gutnachbarschaftliche dening bezeichnet wird: nämlich Beziehungen pflegen und welche ihre Terrasse mit Gemüse und nicht, „ist die Tüftelei für die ruhiKräutern zu bepflanzen. Als der gen Wintermonate“, so Brodnjak. Platz für ihre zwanzig unterschiedZwischen den Gemüseflächen werlichen Paradeissorten zu klein den immer wieder Nützlingstreiwurde, pachteten sie 100 Quadfen eingesät, die ebenfalls genau ratmeter Feld bei Stammersdorf durchdacht sind. „Damit halten und schlossen sich außerdem den wir beispielsweise Schädlinge von Studenten der Universität für Bounserem Kohl weg“, so der Bau 05 denkultur an, die ihre VersuchsgeOb Jungzwiebel oder Salat – was er weiter. Dass sie mit ihrer Art, müsegärten im 21. Bezirk damals im „Krautwerk“ wächst, steht als Beweis, Gemüsebau völlig ohne Spezialigerade Nicht-Boku-Menschen zusierung zu betreiben, auch leben dass Gemüse nicht gleich Gemüse ist. gänglich machten. Gemeinsam können, hielt niemand in ihrer mit ihnen wurde gepflanzt, gesät Umgebung für möglich. Detz und und experimentiert. „Alles bioloBrodnjak haben es kurz anders gisch, keine Chemie, keine Bewässerung. Anderes versucht, sich nur auf Karotten und Rüben konzenkam ohnehin nie in Frage“, erzählt Claudia Detz. triert und an Wiederverkäufer verkauft. Doch das haben sie bald wieder sein lassen. Sie lieben es, ihr Eines kam zum anderen. Immer öfter und im- Gemüse direkt an jene zu verkaufen, die damit auch mer lieber zog es die beiden zu ihren Beeten. Den kochen. Kostproben und Verarbeitungstipps werden theoretischen Überbau fanden sie in einschlägigen mitgeliefert, da vieles eine Erklärung braucht wie Büchern und in Institutionen, die Gartenworkshops Kardonen, ein mit der Artischocke verwandtes Geanboten. Mit jedem Jahr merkten sie, dass keiner müse, das im Keller über Wochen gebleicht wird, ihrer Berufe sie so erfüllen konnte wie das Aufzie- bevor man es schält, kocht und verzehrt. hen ihrer Gemüsepflanzen. Mit der Erfahrung stieg


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FELD-STECHER

Wenn draußen die Winde wehen, die Stüme toben, der Hagel niedergeht oder der Regen prasselt – im Gewächshaus herrscht himmlischer Frieden.

„Wir pflanzen Karotten einmal nach dem Mondkalender und einmal völlig dagegen. Dann sehen wir ja, wie es wirklich ist.“

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Claudia Detz und Robert Brodnjak – Quereinsteiger auf dem Acker des Lebens.


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Der GemĂźsebauer entnimmt eine Probe. Und ist zufrieden.


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Sie setzen auf das Gemüse, das in hiesigen der, ist dennoch mit von der Partie. Sie habe gesehen, Breiten wächst, ob es nun unspektakulär erscheint wie glücklich ihre Eltern seien, mit dem, was sie wie Zwiebeln, Erdäpfel oder Kraut oder sehr unge- machten. Und es sei schön, sein eigenes Gemüse zu wöhnlich und rar ist. Von der Möglichkeit, dass es ernten. Was sie erzeugen, wird ihnen quasi zur GänGemüsearten gibt, die auch bei Frost und Schnee ze abgenommen – einerseits von Heinz Reitbauer, gedeihen, sind sie fasziniert. Grünkohl zum Bei- Josef Floh aus Langenlebarn und Stefan Resch im spiel. Den hatten sie allerdings schon, bevor die Hyatt in Wien, andererseits von allen jenen KochverSängerin Beyoncé sich in einem rückten, die es Samstag zwischen Video bei Turn- und Tanzübungen März und Ende Dezember auf den in einem Sweatshirt mit der AufWiener Karmelitermarkt zieht. schrift „Kale“ – englisch für GrünDetz und Brodnjak eröffnen demkohl – zeigte und dem Vitamin-Cnächst auch einen Hofladen in Bomber so zu unerwarteter Popuihrem kleinen Weinviertler Dorf. larität verhalf. Das würde die Qualität ihres Lebens ausmachen. Und das ist es Schritt um Schritt arbeiten auch, was sie ihren Köchen und sie sich weiter in die GemüseKunden via Gemüse vermitteln welt vor. Dazu gehört auch, sich möchten. zu überlegen, wie Gemüse und Obst haltbar wird. Immer wieder kommt Brodnjak dabei auf seinen kroatischen Großvater zu sprechen, mit dem er in Kroatien im Garten arbeitete und Kraut einschnitt. Als Detz und Brodnjak einmal Kimchi einlegten, fantasierten sie darüber, wie man Kraut wohl noch würzen könne und kamen so auf das Fermentieren mit unterschiedlich gewürzten Krautarten. Brodnjak schwärmt, wie spannend diese Methode des Haltbarmachens sei, „für die man keine Energie einsetzen muss. Die Dinge in den Tontöpfen halten monatelang und noch länger. Und werden vom Geschmack her eigentlich immer nur besser.“ Haltbarmachen ist ihr Zukunftsthema – Einlegen in Essig, Fermentation, Trocknen, Lufttrocknen von verschiedenen Paradeissorten, Dörren über offenem Feuer. Mit einem anderen Experiment möchten sie dem Mysterium um die Mondzyklen beim Aussetzen näherkommen: „Wir pflanzen Karotten einmal nach dem Mondkalender und einmal völlig dagegen. Dann sehen wir ja, wie das wirklich ist.“

„Alles biologisch, keine Chemie, keine Bewässerung. Anderes kam ohnehin nie in Frage.“

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Die Erdäpfel leuchten in unsagbaren Farben und die Kaffeepause ist wohlverdient. Da ist auch der Strohballen ein willkommenes Sofa.

Erbsen für Heinz Reitbauer stehen stets im Frühling auf dem Plan. Sonst beliefern sie den Koch mit Wurzelgemüse, Rüben, speziellen Zwiebelsorten und Erdäpfeln, Kardonen, Kohlrabi und fermentiertem Braunschweigerkraut. „Krautwerk“ – wie sich Detz und Brodnjak nennen – sind genauso groß, dass Brodnjak und Detz alles mit eigener Arbeitskraft bewältigen können. Tochter Saskia, das ältere der Kin-


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Der Name „Krautwerk“ kommt nicht von ungefähr.


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TEXT: GEORGES DESRUES

Das Image der Taube ist ein zwiespältiges. Einerseits ist sie ein Symbol des Friedens und der Liebe, andererseits wird sie respektlos Ratte der Lüfte genannt. Ihr Fleisch aber, und das ist unbestritten, ist eine wahre Delikatesse – und findet sich dennoch nur selten auf den Speisekarten des Landes. Zu Besuch bei Österreichs einzigem Speisetaubenzüchter.

VOM FELSEN HER Die Ahnin aller gezüchteten Tauben ist die Felsentaube. Von ihr stammen sowohl die Haustaube als auch die Stadttaube ab. Letztgenannte ist eine verwilderte Form der Haustaube, die es sich deswegen in den Städten gemütlich gemacht hat, weil sie dort besonders viel Futter vorfindet. Ursprüngliche wilde Felsentauben leben bis heute an Felsklippen und in felsigen Gebieten des Mittelmeerraums.

Taubenzucht FOTOS: KLAUS FRITSCH


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Gerhard Methlagl zuckte zusammen, als er eines Tages in Wien aus dem Auto stieg und erstmals das Schild entdeckte, auf dem unter der Aufschrift „Wer Tauben füttert, füttert Ratten“ die Abbildung einer Taube mit dem Kopf einer Ratte zu sehen ist. „Wer bitte soll jemals Taubenfleisch essen, wenn er so ein Schild sieht?“, fragt Methlagl und schüttelt den Kopf. Das Unverständnis des gebürtigen Vorarlbergers ist mehr als nachvollziehbar, schließlich ist er von Beruf Speisetaubenzüchter. Und über mangelnde Nachfrage kann er sich nicht beklagen, ganz im Gegenteil. Die Geschäfte blühen – abschreckenden Abbildungen und Tauben-Ratten-Vergleichen zum Trotz. Gerhard Methlagl ist hierzulande der Einzige seiner Zunft. Nach seinem Geflügel verlangt die gesamte heimische Spitzengastronomie, als QuasiMonopolhalter kann er sich seine Kunden daher mehr oder weniger aussuchen. „Von der Nachfrage her könnte ich noch viel mehr produzieren“, sagt er auf dem Weg zu seinem Taubenschlag, „aber ich will ja hier keiZUM PLATZ ZURÜCK ne Massentierhaltung aufziehen, Tauben werden wegen ihres sondern möglichst handwerkliche Fleisches und wegen ihrer und nachhaltige Arbeit verrichSchönheit als Rasse- und ten.“ Eigentlich sei es schon immer Gesellschaftstiere seit der sein Traum gewesen, Landwirt Antike gezüchtet. Aber auch als Nutztiere in Form von zu werden, und zwar von KindBrieftauben, da sie den Trieb heit an, erzählt der ausgebildete haben, immer an ihren einen Heilmasseur, der als solcher unBrutplatz zurückzukehren. ter anderem für die österreichiEine Eigenschaft, die sich sche Ski-Nationalmannschaft täder Mensch nicht zuletzt tig war. in Kriegszeiten zunutze gemacht hat, um per Taubenpost verschicken.

Nachrichten zu Und Tauben züchtete Methlagl bereits, als er noch seinem erlernten Beruf nachging. Allerdings nur als Hobby, wegen ihres Aussehens und Spaß an der Freud’. Keinesfalls aber, um sie zu essen oder gar zu verkaufen. „Zu der Zeit massierte ich auch die Gäste in einigen Luxushotels in Lech am Arlberg“, erzählt er, „da sah ich immer wieder, wie Tauben für die Küche aus Frankreich angeliefert wurden. So entstand die Idee.“ Heute zählen die Hotels, für die er damals als Masseur arbeitete, zu seinen Kunden.

Landwirtschaft musste es also sein. Natürlich hätte er dazu auch etwas anderes wählen können als ausgerechnet die Aufzucht eines vergleichsweise so exotischen Geflügels. Aber die Taubenzucht war nun einmal da. Außerdem war ihm von Beginn an klar, dass er, um wirtschaftlichen Erfolg und zugleich Spaß zu haben, eine Nische finden musste. Schweine beispielsweise erschienen ihm einfach nicht spannend genug. Also Tauben. Aber wie konnte er wissen, ob dafür hierzulande tatsächlich genügend Nachfrage bestand, damit die Rechnung aufgehen würde? „Ganz einfach, indem ich es überprüfte“, sagt Methlagl. „Ich rief ein paar Spitzengastronomen an und fragte sie, ob sie Interesse an Fleisch von heimischen


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Tauben hätten.“ Die Reaktionen waren durchwegs positiv. Und so begann er mit der Aufzucht von Speisetauben. Zunächst nur als Nebenerwerb in seiner Wahlheimat in einem Winkel des Südburgenlandes. Dorthin hatte es ihn einst in seinem Beruf als Masseur verschlagen, wegen der nahegelegenen Thermen und der besseren Erreichbarkeit der Großstädte Wien und Graz. Viel ist nicht los in der Gegend um die Ortschaft Deutsch Tschantschendorf. Ein paar bescheidene Häuser, hügelige Felder und ein kleiner Wald am Ende der Straße. Als Taubenschlag dient Methlagl ein aufgelassener Bauernhof, in dessen Räumen und bis unter den Dachboden die Zuchtvögel hausen. An den Wänden sind Plastikeimer angebracht, die von den Tieren als Nistplätze genutzt werden. Mit den Assoziationen von herrschaftlichen Landgütern, von Klöstern und Schlössern, die beim Begriff Taubenschlag ansonsten aufkommen, hat das Ganze recht wenig zu tun. „Keime gibt es hier genau wie bei jeder anderen Geflügelzucht natürlich mehr als genug“, sagt Methlagl auf dem Weg durch das Tauben-Wohnheim, „darum ZUM FELDE HIN ist es auch gar nicht einfach und Bis zur Französischen Revolusehr arbeitsintensiv, die Zucht tion galten Taubenschläge als ohne Hilfe von Antibiotika zu beZeichen der Macht des Adels wältigen.“ Aber mit derlei Hilfsund des Klerus. Dem gemeinen mitteln wolle er nun einmal nichts Volk war es untersagt, Tauben zu züchten. Häufig waren zu tun haben, und so greift er zu Taubenschläge in Richtung der Knoblauch und sonstigen natürFelder der einfachen Bauern lichen Behelfen und hält alles so gewandt, damit die Tiere sich sauber, wie nur irgendwie mögdort ihr Futter holen. Wegen lich. Zudem braucht es viel frische ihres zarten, saftigen und Luft, sauberes und klares Wasser dunkelroten Fleisches galten sie als das beste und edelste und natürlich gesundes Futter. unter dem Geflügel und als Letztgenanntes besteht aus vor„Speise der Könige“. wiegend in der Umgebung und biologisch angebautem Getreide wie Mais und Weizen, dazu noch Hülsenfrüchten etwa in Form von Erbsen sowie frischen Kräutern und Gräsern. Geschlachtet und gerupft wir je nach Bestellung und auf dem Hof selbst, was den Tieren den Transport und den damit verbunden Stress erspart. „Inzwischen habe ich auch ein paar neue Taubenschläge entwickelt“, sagt er und deutet hinaus durch ein Fenster. „Sie stehen im Freien und haben ein Gitter als Boden, was das Putzen und das Entfernen der Exkremente deutlich vereinfacht.“ Bei der Erforschung all dieser Verbesserungen ist Methlagl weitgehend auf sich selbst angewiesen, denn Erfahrungswerte gibt es nur wenig. „So gut wie alle Taubenzuchten in Frankreich, wo der Großteil der Produktion herstammt, sind Massentierhaltungen. Da kann ich mir also so gut wie gar nichts abschauen“, beteuert er. Also experimentiert er weiter und arbeitet sich langsam, aber stetig an sein Ziel heran, allerbeste Qualität zu erzeugen bei bestmöglichen Bedingungen für die Tiere.


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Und das mit durchschlagendem Erfolg. In Zeiten, in denen die besten Köche des Landes ständig auf der Suche nach heimischen Qualitätsprodukten aus möglichst nachvollziehbarer Erzeugung sind, scheint die Spitzengastronomie geradezu gewartet zu haben auf Methlagls heimisches Geflügel. „Im Vergleich zu französischen Tauben ist das Fleisch seiner Tiere deutlich heller in der Farbe, zarter in der Konsistenz und auch feiner im Geschmack“, sagt etwa Heinz Reitbauer, der Patron vom Steirereck. Konkurrenz fürchtet der Züchter keine, obwohl die Nachfrage vorhanden wäre. „Die Taubenzucht ist ein sehr sensibles Thema, braucht jahrelange Erfahrung und viel finanzielles Durchhaltevermögen. Schnelles Geld ist hier also keines zu machen, deswegen glaube ich nicht, dass sich sobald wer drübertrauen wird.“ Die Rasse, für die sich Methlagl entschieden hat, nennt sich Hubbel und stammt ursprünglich aus Amerika. Geschlachtet werden die Tiere vier bis fünf Wochen nachdem sie geschlüpft sind und ein Gewicht von circa einem halben Kilo erreicht haben. Ältere TauVOM HALSE WEG ben dienen vorwiegend zur Zucht, Nach dem Schriftsteller und für den Genuss wäre ihre Fleisch ehemaligen französischen zu zäh. „Obwohl man auch daraus Kulturminister André Malraux noch feine Gerichte kochen kann, (1901–1976) ist das Gericht Pigeon André Malraux benannt, wenn man weiß, wie damit umzudas bis heute im Traditionsgehen ist“, beteuert der Züchter. restaurant Lasserre in Paris So könne man eine solche ältere serviert wird. Dabei wird Taube beispielsweise wie einen der Vogel vom Hals beginnend Coq au vin zubereiten, sie also entbeint, im Ganzen belassen, ein paar Tage in Rotwein marimit einer Farce aus Foie Gras, nieren und dann ein paar StunTrüffeln und einer Sauce Duxelles aus Wildpilzen geden schmoren, bis sie weich ist. füllt und danach in Wein und Doch die überwiegende Mehrheit Trüffeljus gegart. von Methlagls Kunden verlangt nach jungen Tieren, deren zartes Fleisch am besten kurz gebraten und mit rosa Kern serviert wird. „Für einen Koch ist Taubenfleisch grundsätzlich eine der hochwertigsten und geschmacklich aufregendsten Sorten Fleisch, an das er überhaupt gelangen kann“, sagt Heinz Reitbauer. „Um seine Vorzüge am deutlichsten zur Geltung zu bringen, sollte man es möglichst am Knochen garen, es nicht allzu roh servieren, keinesfalls aber übergaren.“ Doch am eigenen Herd wird Taubenfleisch sowieso kaum noch zubereitet. Heutzutage findet man es so gut wie ausschließlich in der Gastronomie, und da vornehmlich in jener der gehobenen Art. Was freilich nicht immer so war und ein Zustand ist, den der Züchter naturgemäß beklagt. „Hier im Burgenland gibt es einige ältere Leute, die sich sehr gut daran erinnern können, dass man in früheren Zeiten Taubensuppe gegessen hat, weil die als besonders gesund und kraftspendend galt.“ Gezüchtet werden die Vögel bereits seit der Antike. Im Laufe der Jahrhunderte verwandelten sie


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sich in ein Symbol der Macht des Adels. Vielerorts war das Recht, sie zu halten, zu jagen und zu verspeisen den Aristokraten und dem Klerus vorbehalten. Als Symbol dieses Privilegs galt vor allem in Frankreich der Taubenschlag, der meistens in einem alleinstehenden Turm untergebracht war, der in Richtung der Felder und des gemeinen Volks blickte, damit die Tauben auf dessen Grund und Boden fressen würden. Kein Wunder also, dass das Privileg der Taubenzucht eines der ersten war, das von den französischen Revolutionären abgeschafft wurde. Allerdings war die Demokratisierung der Taube von einem drastischen Qualitätsverlust begleitet. Von nun an wurde sie vorwiegend von Amateuren mit wenig Kenntnis und Qualitätsverständnis gezüchtet. Als Statussymbol hatte sie ausgedient, ihre Zubereitung geriet langsam in Vergessenheit. Bis sie von den großen französischen Köchen des ausgehenden 19. Jahrhunderts wie Auguste Escoffier wiederentdeckt und von den literarischen Gourmets dieser Zeit gepriesen wurde. Auch als Teil der bäuerlichen IM TOPFE GAR Küche überlebte die Taube bis in Bis zum Zweiten Weltkrieg die Zeit nach dem Zweiten Weltstanden Tauben auch in Öskrieg, bis sie allgemein einen neuterreich noch häufig auf dem erlichen Niedergang erlebte, als Speiseplan. Vor allem bei der die Taubenzucht langsam wieder ländlichen Bevölkerung, unter der die Taubensuppe, mehr aufgegeben wurde. Einerseits, weil noch als die Hühnersuppe, als Fleisch generell billiger wurde, Heilmittel und Kraftspender andererseits, weil der Markt nach bei so gut wie jeder Art von ausgiebigeren Zuchttieren mit Krankheit galt. Wie bei der höherem Fleischanteil verlangHühnersuppe kommen auch bei te. Zudem hatten auch die Briefder Taubensuppe in erster Linie die älteren Tiere zum tauben endgültig ausgedient, die Einsatz, deren Fleisch naturbis dahin und über Jahrhundergemäß weniger zart ist als te gezüchtet wurden. Was übrig jenes der Jungtauben. blieb, waren verwilderte Tauben, die sich in der Stadt wiederfanden, wo sie sich vom Abfall der Menschen ernährten. Was allerding bedeuten würde, dass von der Rasse her eigentlich kein Unterschied bestünde zwischen den Tieren, die Methlagl züchtet, und jenen, die auf den Schildern des Wiener Magistrats mit Ratten verglichen werden. „Gibt es auch nicht“, sagt darauf der Züchter, „alle Tauben stammen von der sogenannten Felsentaube ab. Unterschiede wurden ihnen durch Selektion angezüchtet. In der Stadt kreuzen sie sich inzwischen untereinander, wodurch sie sich genetisch wieder zurückentwickeln zu einer einzigen Art.“ Was dann aber folglich bedeuten würde, dass man auch die Stadttauben essen könne. Das könne man theoretisch auch, sagt Methlagl und lacht. Nur wäre ihr Fleisch freilich nicht von der gleichen Qualität wie jenes seiner Zuchttauben, die sich ja im Unterschied zu den Stadttauben nicht von Abfällen ernährten, sondern viel hochwertigeres Futter erhielten. „Unrein sind eben nicht die Tiere, sondern die Menschen, wegen deren Dreck die Tauben in die Stadt ziehen“, fügt Methlagl an. „Aber das will natürlich keiner hören.“


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K Ä S E - EC K / E D E L- K Ä S E

ZU BESUCH BEI DEN NUARTS

TEXT UND FOTOS: GEORGES DESRUES


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K Ä S E I ST D I E Ä LT E ST E FO R M D E R H A LT BA R M AC H U N G VO N M I LC H . N I C H T W E N I G E R A L S 5.000 S O RT E N H AT D E R M E N S C H S E I T D E R ST E I N Z E I T E RS O N N E N. D I E N UA RTS M AC H E N 15 DAVO N, A L L E SA M T VO N T R E F F L I C H E R Q UA L I TÄT. R E I F E L E I ST U N G!


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Als Josef Nuart heranwuchs, standen seine El-   0 1 Nach einigen Jahren im Ausland ist Eva Nuart schließtern vor einer Entscheidung, die damals etliche ös- lich auf den Hof der Familie zurückgekehrt. terreichische Bauern zu treffen hatten: entweder den Hof vergrößern, zusätzliche landwirtschaftli- erdrückend gewesen, weswegen sie sich für Schafe che Fläche pachten und von nun ab Masse produzie- entschieden. „Die Schafzucht hat hier bei uns kaum ren oder aber sich eine zweite Tätigkeit suchen und Tradition“, erzählt Margit Nuart, „deswegen gab’s den Beruf des Landwirts nur mehr als Nebenerwerb auch weniger Auflagen, aber natürlich auch kaum ausüben. „Sie entschieden sich für den Nebener- Nachfrage nach Schafkäse und so gut wie kein Wiswerb“, sagt Josef Nuart, der infolge eine Ausbildung sen darüber.“ Doch die Neugier war offenbar größer zum Schlosser absolvierte und danach als Sachver- als die Bedenken. Und so erwarb das Ehepaar seine ständiger in einem Schlachthaus arbeitete. In den ersten fünf Schafe von einer älteren Bäuerin. „Sie 1980er-Jahren aber setzte bei ihm ein Umdenken gab uns auch ein Rezept für einen Schafkäse mit, ein. „Ich dachte mir: Der Hof liegt in so einer schö- das haben wir dann ausprobiert“, sagt Margit Nuart. nen und idyllischen Gegend, eigentlich will ich wie- „Heraus kam ein ganz seltsamer Käse, so eine Art der hauptberuflich hier arbeiten und auch ganztags gepresster Frischkäse – ich glaub gar nicht, dass ich hier leben“, erzählt der nunmehrige Vollerwerbs- den heute noch so hinkriegen würde, so merkwürdig bauer. Und idyllisch ist sie tatsächlich, die Gegend war der.“ Es vergingen einige Jahre, in denen man um die Ortschaft Mittertrixen in einem Ausläufer sich viel Wissen aneignete, auf Reisen ging, Bücher des Kärntner Jauntals: grüne Weiden, Kirchtürme, las und Seminare besuchte, um den Beruf des KäStreuobstwiesen und eine Burgruine, die von einem sers zu erlernen. Felsen aus über das Ganze wacht. Eines war Nuart und seiner Frau Margit aber auch klar, nämlich dass Bald darauf entstanden vernünftige Käse und sie sich etwas einfallen lassen mussten, um mit ei- auch die ersten Kontakte zur Gastronomie. „Unser nem kleinen landwirtschaftlichen Betrieb Erfolg zu erster Kunde war ein Wirt von hier aus der Gegend, der sehr innovativ war und ständig nach neuen Prohaben. dukten verlangte“, erinnert sich Margit Nuart. „Das „An Milch dachten wir von Anfang an“, sagt hielt uns auf Trab, und so entwickelten wir immer Josef Nuart, „nicht zuletzt, weil die Möglichkeiten neue Käsesorten.“ Dabei spielte von Beginn an die da weit vielseitiger und spannender sind als bei der Qualität eine tragende Rolle. So ist der gesamte BeFleischproduktion. Jeden Tag zu schlachten ist eben trieb der Familie biozertifiziert, alle Käse werden auch keine Freude – und lag mir auch nie.“ Natür- ausschließlich per Hand und aus nicht pasteurisierlich drängte sich die Kuhmilch auf, da Rinder auf ter Rohmilch erzeugt. „Naturgemäß ist Rohmilch dem Hof bereits vorhanden waren. Doch dafür seien der viel interessantere, weil lebendigere Grundstoff damals die gesetzlichen Auflagen und Abgaben zu als pasteurisierte Milch“, sagt Eva Nuart, die Tochter,

„UNSER ERSTER KUNDE WAR EIN WIRT VON HIER AUS DER GEGEND, DER SEHR I N N O VAT I V WA R U N D S TÄ N D I G N A C H N E U E N P RO D U K T E N V E R L A N G T E . D A S H I E LT U N S AU F T R A B , U N D S O E N T W I C K E LT E N W I R I M M E R N E U E K Ä S E S O RT E N . “ MARGIT NUART

DIE NUARTS Josef und Margit Nuart ist es gelungen, einen landwirtschaftlichen Familienbetrieb aufzubauen, den sie an ihre Nachkommen weitergeben können.


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02 Schafskäse in Holzasche und mit Blauschimmel, die den Vergleich mit französischen Produkten nicht zu scheuen brauchen.

mit ihren Produkten versorgen. „Der Handel kam erst später dazu“, sagt Josef Nuart, „nämlich so in den letzten fünf Jahren. Seitdem beliefern wir auch einige ausgewählte Feinkostgeschäfte, wie zum Beispiel die Firma Böhle oder die Bäckerei Joseph Brot in Wien.“

die seit einigen Jahren ebenfalls in der Käserei arbeitet – was durchaus nicht von vornherein feststand. „Ursprünglich wollte ich was ganz anderes machen“, sagt sie, „in Österreich schien mir der Zugang in der landwirtschaftlichen Ausbildung viel zu konservativ, zu sehr auf Masse und nicht auf Qualität ausgerichtet. Deswegen entschloss ich mich, im Ausland zu studieren.“ Aber nach einigen Jahren in Frankreich und Irland kehrte sie schließlich doch an den elterlichen Hof zurück und zieht dort heute ihre beiden Kinder Hemma und Jakob groß. Der wirkliche wirtschaftliche Durchbruch gelang den Nuarts erst, als sie die nötigen Strukturen aufbauten, um ihren Käse bei gleichbleibender Qualität auch in weiter entfernt gelegene Gebiete zu versenden. Das einmal getan, konnten sie aber nicht nur die Spitzengastronomie in Kärnten, sondern auch in anderen Bundesländern bis hinein nach Wien

ZEITWEISE BIS ZU 15 SORTEN. Einer der zahlreichen Käse der Nuarts ist der Hanfkäse, ein kellergereifter Schnittkäse mit Rotkultur und gerösteten Hanfsamen.

Allzu groß wolle man aber nicht werden, liegt das Erfolgsrezept der Familie doch in einem langsamen, aber stetigem Wachstum und in einer überschaubaren Produktionsmenge. „Arbeit haben wir ohnedies genug“, wirft Margit Nuart ein, „schauen Sie sich eine Käserei in Frankreich an, da wird in der Regel eine einzige Käsesorte produziert.“ Die Nuarts aber machen zeitweise bis zu 15 Sorten. Die Auswahl reicht von topfenähnlichem Frischkäse über eine Art Mozzarella und einem etwas gereifteren Käse, der in Holzasche gewälzt wird, bis hin zu sechs Wochen altem Schnittkäse und dem bereits legendären Blauschimmelkäse, der es in seiner geschmacklichen Komplexität locker mit vergleichbaren Sorten aus Frankreich aufnehmen kann. Dazu kommt noch eine ganze Palette an Fruchtjoghurts aus Schafmilch. „Schafmilch ist ein saisonales Produkt“, erklärt Josef Nuart und stößt die Tür zu einem Stall voller Lämmer auf, „daher haben wir im Sommer, nachdem die Mutterschafe geworfen haben und Milch geben, sehr viel Arbeit, aber im Winter um einiges weniger, weswegen wir auch keine fixen Angestellten aufnehmen können.“ Was nun nicht mehr so schlimm ist, seit sich Tochter Eva mitsamt ihren Kindern zur Rückkehr entschlossen hat. Genau das ist es, was Josef Nuart wollte: einen funktionierenden Bauernhof aufbauen, den er an nachfolgende Generationen weitergeben kann. Einen Betrieb, in dem sich niemand mit Nebenerwerb durchschlagen oder etwa in die Niederungen der Massenproduktion begeben muss. Wo man sich ganz auf die Qualität konzentrieren kann. Das hat er nun ja erreicht.


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HOPFEN-TRÄGER

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Einfach nur ein Getränk? Mitnichten! Bier ist Kulturgut, ist Essensbegleiter, Lebensgefühl und Lebenseinstellung. Und alles andere als eine Proletenpassion. Willkommen auf einer Spurensuche in 26 Kapiteln von A bis Z. TEXT: ACHIM SCHNEYDER; FOTOS: MIRCO TALIERCIO

VON WEGEN schaumgebremst


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A Alkoholfrei

0,0 Prozent? Möchte man meinen. Alkoholfreies Bier mit 0,0 Prozent gibt es erst seit dem Jahr 2006. Davor durfte und darf sich auch heute noch jedes Bier alkoholfrei nennen, das bis zu 0,5 Prozent Restalkohol aufweist. Trockene Alkoholiker müssen also ganz genau schauen, zu welcher Art alkoholfrei sie greifen. Zu alkoholfrei oder alkoholfrei …

B Bockbier

Rund um Weihnachten, rund um Ostern und im Mai hat es Hochsaison, das Bockbier genannte untergärige oder obergärige Starkbier mit mehr als 16 Prozent Stammwürze- und über 6,5 Prozent Alkoholgehalt. Was es sonst noch charakterisiert? Weniger Kohlensäure, meist von dunkler Farbe, eher süß und weniger gehopft. Prost, Malzzeit!

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Calcium

Doppelbock

Exportbier

Das freie Calcium macht rund 1,5 Prozent unseres Körpergewichts aus, ist zum größten Teil in den Knochen und Zähnen gebunden und zuständig für die Blutgerinnung und die Funktion der Nerven und Muskeln. Kurzum: Es ist wichtig für den Organismus. Und in nur einem Liter Bier sind 35 mg davon enthalten. Immerhin.

Man erinnere sich an Punkt B und halte sich beim Trinken zurück. Aus Selbstschutz. Denn wer zu viel vom Doppelbock trinkt, der sieht auch gleich so – doppelt nämlich, denn der Alkoholgehalt kann bis zu zwölf Prozent und mehr betragen. Früher wurde das Doppelbock übrigens ausschließlich und ausgerechnet in der Fastenzeit gebraut. Und nur in dieser getrunken.

Der Begriff ist ein durchaus logischer. Handelt es sich bei Exportbier doch um ein Vollbier, das dank der untergärigen Brauweise länger haltbar gemacht wurde und sich ergo erstklassig für den Export in die Ferne eignet. In früheren Zeiten wurden die Exportbiere mitunter auch stärker gebraut und erst nach der Einfuhr in fremde Länder gestreckt.


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Filtration

Gambrinus

Unter Verwendung von Membranfiltern wird Bier zur Sicherstellung der gewünschten Glanzfeinheit von restlichen Hefezellen, von Eiweiß und von Trubstoffen – sprich Schwebestoffen – befreit. Trubstoffe nehmen bei der Vergärung und Reifung zwar einen gewollten Einfluss auf den Geschmack, im Endprodukt sind sie aber nicht erwünscht. Aus optischen Gründen.

Zahlreiche Brauereien haben diesen Namen und/ oder die namensgebende Figur übernommen und auf ihren Etiketten verewigt. Auch Brauereien wie die Gambrinus Company in Texas sind nach ihm benannt. Gambrinus, ein legendärer König und im Jahre 1519 erstmals erwähnt, gilt als Erfinder des Bierbrauens, nicht aber als Schutzheiliger der Brauer. Das ist Arnulf von Metz.

H

I

Hopfen

Inhaltsstoffe

Man nennt ihn die Seele des Bieres, denn der Hopfen – verwendet werden ausschließlich die Dolden der weiblichen Hopfenpflanze – bringt nicht weniger als 150 Einzelsubstanzen wie ätherische Hopfenöle oder Hopfenbitterstoffe ins Bier. Diese Substanzen verleihen dem Bier seinen Geschmack und sein Aroma und wirken schaumfördernd und konservierend. Und nicht zuletzt beruhigend. Wie beruhigend …

Was ist denn alles drin im Bier? Außer – laut Reinheitsgebot – Hopfen, Gerste und Wasser. Die Inhaltstoffe an dieser Stelle aufzuzählen, sprengte insofern den Rahmen, als es nicht weniger als 2.000 Substanzen wie Kohlenhydrate, Eiweiß, Kohlensäure, natürlich Alkohol, verschiedene Mineralstoffe und wichtige Vitamine sind, die bis heute in Bier nachgewiesen wurden.

J

K

Jungbier

Klöster

So nennt der Braumeister ein geschmacklich noch nicht allzu sehr ausgereiftes Zwischenprodukt. Das Jungbier wird nach der Hauptgärung bei Temperaturen um null Grad mit Kohlensäure versetzt und bis zu sechs Wochen im Keller gelagert, damit es einerseits reift und um ihm andererseits unwillkommene Aromen auszutreiben.

Auch wenn der unter G und erstmals 1519 erwähnte Gambrinus als Erfinder des Brauens gilt, Klosterbrauereien waren es, die die Entwicklung des Bieres schon lange davor entscheidend geprägt haben. So gibt es bereits aus dem Jahr 814 den ältesten erhaltenen Plan einer Klosterbrauerei, die sich in St. Gallen in der heutigen Schweiz befand.


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L

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Leicht & Licht

Naturtrüb

Es gibt einen Mittelweg zwischen alkoholfreiem Bier und Vollbier – das Leichtbier. Es hat rund 40 Prozent weniger Alkohol als herkömmliches Vollbier und der Stammwürzegehalt liegt zwischen sieben und elf Prozent. Und es wird, wie alle Biere, in dunkle Flaschen abgefüllt. Lichteinwirkung beeinflusst Geschmack und Qualität nämlich negativ.

Ein naturtrübes Bier ist beispielsweise das Zwickl, auch Kellerbier genannt. Und trüb ist es deshalb, weil es nicht gefiltert wird. Meist hat es einen geringeren Kohlensäuregehalt und sollte frisch getrunken werden, weil es weniger lange haltbar ist. Es gilt, weil die natürlichen Schweb- und Trubstoffe im Bier verbleiben, ernährungsphysiologisch auch wertvoller als filtriertes Bier.

M Malz

Die Malzkörner verleihen dem Bier nicht nur die Farbe und die Geschmacksfülle, der Malzzucker ist es, der die Gärung überhaupt erst ermöglicht. Die Getreidekörner werden in der Mälzerei durch Zugabe von Wasser zum Keimen gebracht und danach gedarrt, sprich getrocknet. So entsteht schließlich das für den Prozess des Brauens verwendbare Malz.

O Obergärig

Das Gegenteil von untergärig. Und die Hefe macht es aus. Die Urväter des Bieres hatten nicht die heutigen Möglichkeiten und mussten wetterabhängig brauen. Obergärige Hefe arbeitet zwischen 15 und 20 Grad, wobei die Wärme für ein starkes Aroma steht. Die Hefe wird beim Brauen vom Kohlendioxid nach oben gedrückt und kann nach dem Brauvorgang einfach abgeschöpft werden.

Q

P

Quellwasser

Pils und Porter im Pub

Dass Wasser nicht gleich Wasser ist, das wissen auch Biertrinker. Vor allem aber wissen es Braumeister. Die Zusammensetzung des Wassers, sprich die Härte, übt einen ganz wesentlichen Einfluss auf den Geschmack aus. Speziell Brauereien im Alpenraum werben gerne mit dem Reinheit des Quellwassers in ihren Bieren.

Das Pils, untergärig, hell und hopfenbetont, hat seinen Namen dem Ort Pilsen zu verdanken, wo es 1842 vom bayerischen Braumeister Josef Groll erstmals gebraut wurde. Porterbiere wiederum sind obergärige, dunkle und ebenfalls stark gehopfte Biere. Trinkt man die beiden in einem englischen Pub, dann trinkt man sie im Wirtshaus. Denn Pub steht für nichts anderes als Public House.


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R

S

T

Reinheitsgebot

Sparkling Bier

Tulpe

Das (deutsche) Reinheitsgebot, quasi das Grundgesetz der Brauer, wurde am 23. April 1516 vom bayerischen Herzog Wilhelm IV. erlassen. Es ist somit das älteste noch geltende Lebensmittelgesetz der Welt. Obgleich es inzwischen längst angepasst wurde, denn ursprünglich durften nur Gerste, Hopfen und Wasser ins Bier. Von Hefe war keine Rede. Warum? Weil man die 1516 noch nicht kannte.

Eine Modetrend, der sich überraschenderweise gehalten hat. Seit November 1999 ist dieser Biertyp auf dem Markt. Der englische Begriff „sparkle“ bedeutet schäumen, sprudeln oder perlen und sagt schon alles: Sparkling Bier hat einen sehr hohen Kohlensäuregehalt, der zu einer besonders feinporigen Schaumbildung führt.

Beim Bier verhält es sich nicht anders als beim Wein, es gibt verschiedene Gläsertypen. Neben den durchgehenden Bierbechern zählt die bauchige Tulpe zu den Gläsern mit Stiel – und auch mit Stil. Das Bauchige dient zum einen dazu, dass man das Bier auch schwenken kann wie Wein, zum anderen hält sich der Schaum länger. Tulpen sind vor allem als „Vasen“ für Pils gut geeignet.

V Vollbier

U Ungespunden

Ungespundene Biere sind solche, bei denen das sogenannte Spundloch während der Lagerung im Holzfass offen gelassen wurde und wird. Dieses Loch befindet sich an der Oberseite des Fasses und wird deswegen nicht geschlossen, damit die Kohlensäure, die sich während der Lagerung mehr und mehr bildet, auf natürliche Weise entweichen kann.

Ein Sammelbegriff für österreichische Biere mit einer Stammwürze von zwölf bis 15 Prozent, in Deutschland elf bis 16. Über 90 Prozent aller in Österreich gebrauten Biere zählen zu dieser Gattung, die hauptsächlich Pils, Lageroder Märzenbiere umfasst.


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W Weiß- oder Weizenbier

Hierbei handelt es sich um eine obergärige Biersorte, deren Malzanteil zu über 50 Prozent aus Weizenmalz bestehen muss. Meist in der Flasche gereift und mit einem Stammwürzegehalt von elf bis 14 Prozent, unterscheidet man unfiltriertes Hefeweizen und filtriertes Kristallweizen. Der Geschmack ist spritzig, würzig und fruchtig. Kenner schmecken sogar oft Banane oder Pfirsich und einen Hauch Nelke heraus.

X Xanthohumol

Medizinische, biochemische und physiologische Erkenntnisse zeigen, dass verantwortungsvoller Biergenuss alles andere als schädlich ist. Der im Hopfen enthaltene krebshemmende Wirkstoff Xanthohumol beispielsweise kann auf Grund seiner antioxidativen Eigenschaften freie Radikale unschädlich machen und trägt so zur Gesunderhaltung der Körperzellen bei.

Y Yoghurt

Yoghurt und Bier? Ja, Yoghurt und Bier. Yoghurt und dunkles Bier. Beide Zutaten zu gleichen Teilen gemeinsam mit ein wenig Zucker und Zitronensaft in einen Shaker geben, kräftig schütteln und im Longdrinkglas servieren. Ein wahrlich herrlich erfrischendes Getränk ist im Handumdrehen auf den Tisch gezaubert.

Z Zapfen

Ein gutes Pils braucht sieben Minuten. Braucht es das? Nein, diese Theorie ist längst überholt, denn wenn man ein Bier sieben Minuten lang zapft, verliert es schon vor dem Trinken Kohlensäure und schmeckt deutlich weniger frisch. Ein vergleichsweise zügig, also in zwei bis maximal drei Minuten, gezapftes Pils ist demnach perfekt.


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Die neue Lust AM BIER TEXT: JOACHIM BESSING

Weine – rot, weiß, sprudelnd oder still gelten selbst in China als adäquate Begleiter prestigeträchtiger Mahlzeiten. Das hat, um beim Beispiel einer Kultur zu bleiben, die aufgrund klimatischer oder geographischer Gegebenheiten selbst keinen Wein herstellt, also China, aber auch Großbritannien oder Skandinavien, mit der Überlieferung der gehobenen Esssitten zu tun, die in diesem Falle französische, eigentlich also römische sind. Bier war zur Zeit der römischen Hochkultur als Getränk der Unkultivierten bekannt, die Pyramiden der Ägypter wurden von Sklaven erbaut, deren Kost aus Bohnen, Knoblauch und Bier bestanden haben soll. Den Ruf eines Proletengetränks hat Bier über die letzten 4.600 Jahre nicht mehr loswerden können – mitschuldig sind neuerdings Fußball, generell Großveranstaltungen (auch Feldzüge), die Renaissance der Grillfleischküche und ein im Vergleich mit Wein niedriger Abgabepreis des sogenannten Gerstensaftes. Bier lässt sich zudem gut und ohne Aufsehen zu erregen direkt aus der Flasche trinken, es gibt Bier in Dosen, da wirkt ein Umschütten ins Bierglas sogar bizarr. Ausnahmen sind Sapporo Premium oder Imperial – beide Biere der japanischen Brauerei werden in elegante Dosen abgefüllt. Interessanterweise gibt es ein mit den heutigen Sorten vergleichbares Bier erst seit Erfindung der Pilsner Brauweise, also seit etwa 180 Jahren. Das Bier der Vorzeit, die Biere vor der Erfindung des untergärigen Verfahrens schmeckten anders, wurde aus anderen Zutaten hergestellt, war nicht lagerfähig und ist in dieser urwüchsigen Form zum Beispiel noch bei den im Süden Äthiopiens ansässigen Stämmen der Mursi und Surma zu verkosten, wo ein Talla genanntes Gebräu wie vor 2.000 Jahren aus ungebackenem Hefeteig, Pflanzenteilen und Wasser unter Sonneneinwirkung hergestellt wird. In Mexiko gibt es übrigens noch an ausgewählten Orten den sogenannten Pulque zu genießen, ein aus Agavensaft hergestelltes Aztekenbier mit einer für europäische Gaumen stark gewöhnungsbedürftigen, weil schleimigen, Konsistenz und ungleich überraschender Wirkung, das wahrlich autochthone Merkmale beinhaltet und von daher außerhalb Mittelamerikas unbekannt bleiben wird. Fragt sich, für wie

lange, denn Bier an sich erfährt nun im 21. Jahrhundert endlich die ihm angemessene Verfeinerung. Im Gestalten Verlag ist im September 2014 ein schickes Buch erschienen, das die neue Lust am Bier dokumentiert: Craft Beer stellt die Stars der jungen Brauerszene vor. Herausgeberin ist die deutsche Bier-Sommelière Sylvia Kopp, die als Autorin und Betreiberin einer Bierbotschaft im Internet ausschließlich zur handwerklichen Braukunst publiziert. Der illustrierte Band erschien zeitgleich als deutsche und englische Ausgabe. Eine italienische wäre ebenfalls angezeigt, denn ausgerechnet im Land des Vino war der Trend zu Microbreweries und Craft Beers schon zu Beginn des 21. Jahrhunderts virulent. Möglicherweise befeuert durch die im deutschsprachigen Raum ignorierte Tatsache, dass Italiener gerne und viel Bier trinken. Zur Pizza beispielsweise. Ein Rotwein als Begleiter zu einer al libro geteilten Pizza würde im Herkunftsland der Zwischenmahlzeit als bizarr erscheinen, gilt aber in Deutschland, wo eine Pizza noch immer als romantische Hauptmahlzeit gilt, als authentisch und stilvoll. Das Phänomen handwerklicher Braukunst erscheint vergleichbar mit der Entwicklung einer Generation junger Winzer in den 90er-Jahren, als sowohl im deutschsprachigen Raum als auch in Kalifornien vor allem Quereinsteiger mit sorgfältig gekelterten Weinen ihre Erfolge bei einem jungen und vornehmlich städtischen Publikum feierten. Ein autochthoner Wein von alten Reben als Landlust im Glas – mit der neuen Lust an ungewöhnlichen Bieren in Manufakturbrauweise verhält es sich ähnlich. Zum Vorteil der jungen Brauer gereicht es, dass zur Bierherstellung keine Anbauflächen nötig sind – Wasser, Hopfen und Malz werden im Braukessel erst zu Bier veredelt; Winzer bleiben auf die Hanglage, den Boden, die Reben angewiesen. Einige der aufstrebenden Kleinbrauereien finden sich von daher im Stadtgebiet, mitten unter den Leuten. Das Bier entsteht wie eh und je als lokales Erzeugnis einer städtischen Gemeinde. Und entspricht dort dem für Großstädter typischen Hunger auf Distinktionsgewinn. Sich mit obskuren und schwer zu beschaffenden Biersorten auszukennen, schafft einen Vorsprung beim Tischgespräch. Nicht anders verhielt


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es sich in den Jahren zuvor mit einer Kennerschaft stellen sich Fragen: Teilen sich mehrere Esser lieber bei Rotweinen, Zigarren, asiatischen Länderkü- eine große Flasche (wie beim Wein) oder kommt chen, Olivenölen, Salzsorten und Niedrigtempera- das Bier gezapft und in hübsche Gläser gefüllt auf turgarmethoden. Eine Brauereikultur jenseits der den Tisch? Verändern mundgeblasene Gläser das von einer Getränkeindustrie angebotenen Palette Trinkgefühl? Ja! Bei Herrn Riedel wurde in Burfunktioniert als logische Entwicklung einer generel- gundergläser eingeschenkt, mittlerweile gibt es aber len Verfeinerung der Esskultur, die mit den neuen ein spezielles Riedel-Bierdegustationsglas namens Gemüse-, Fleisch- und Saucenrezepturen seit Paul Ouvertüre und eines ohne Stiel namens DegustaEscoffier zu Beginn des 20. Jahrhunderts ihren An- zione. Dass Bier andächtig eingeschenkt und verfang nahm. Generelle Bedenken gegen eine Bierbe- kostet werden darf wie ein Wein, wird auch durch gleitung zum Menü der feineren Zubereitungsweise Glas und Flasche signalisiert. Das Wiener Designrühren mehrheitlich von der vermeintbüro Valentinitsch hat im Auftrag der lich sättigenden Wirkung des Bieres Glasmanufaktur Lobmeyr ein feines her; gefürchtet vor allem durch den Bierglas namens Wiener Stutzen entEuphemismus des Bierbauches, des worfen, in dem Bieren zur Geltung Gösser-Muskels, vulgär Wampe genannt. als akzeptiertes Tischgetränk verholJAHRE Dass Bier aber mitnichten dick macht, fen wird. Das Farbspiel diverser Biere So lange schon gibt von tiefem Nussbraun über Bernstein sondern der Gewohnheitstrinker lediges Bier, so lange lich aufgrund seiner durch die appebis hin zu bleichem Stroh ist ja nicht schon kämpft es um titanregende Wirkung des Lieblingsminder reizvoll als jenes der Rotweine den guten Ruf. getränkes gepushten Ernährungsgeoder Champagner, das seit Jahrzehnwohnheiten rings des Östrogengürtels ten als Synonym für Behaglichkeit trazulegt, ist erwiesen. Das im Bier durch diert wird. Druckmethodik eingepresste Gärgas Kohlendioxid lässt Als Ferran Adrià mit den Trunk lebhaft sprudeln Inedit das erste anständige und schäumen und bei hastiBier Spaniens gelang – die ger Einnahme im Übermaß populären Industriebiere stellt sich freilich ein belasCruzcampo und San Miguel tendes Völlegefühl ein; aber sind irritierend zitronige, das Hinunterstürzen von eiflach schmeckende Kippnem Drittelliter gekühlten ware –, brachte er sein mit Grauburgunders wirkte sich Lakritze, Koriander und ebenfalls belastend auf den Orangenaroma verfeinertes Mageninhalt aus. Dunkelbier in einer Champagnerflasche mit entspreHandwerklich zubereichendem Korken auf den tete Biere weisen häufig eiMarkt. Inedit ließ sich sogar nen bewusst niedrigeren Kohlensäulauwarm trinken und erinnerte dann regehalt auf als industrielle Schaumkaum mehr an Bier, sondern an ein ware. Ein vergleichsweise schales, bluvöllig neuartiges Getränk, für das es mig gehopftes Craft Beer passt dann keine geschmacklichen Anhaltspunkvorzüglich zu Austern, ergänzt deren te mehr gab. Oder eben an ein Getränk, butterige Süße. Es bleibt ein kultudessen Aroma bereits aus dem kulturell geprägter Widerstand, zur Ausrellen Gedächtnis entschwunden war – ternplatte ein Bier zu bestellen und wie eines jener Urbiere aus den vielen eben keinen Entre-deux-Mers. Einer hundert Jahren vor der Einführung Integration des Bieres in die gehobeder Pilsner Brauweise. ne Bewirtungskultur, hierarchisch ober-   0 1 Tino Valentinitsch halb von Wirtshäusern und Imbissstuund das Bierglas ben, Eckkneipen und Pubs gelegen, steht „Wiener Stutzen“. also nichts im Wege. Dazu braucht es, wie einst beim Wein, der ja vor 180 Jahren auch noch literweise als Erfrischungsgetränk gekippt wurde, eine ansprechende Tischkultur des Bierkonsums. Bei einem Abendessen im übrigens weinglasförmigen Anwesen Georg Josef Riedels zu Kufstein wurde ein zum Käse serviertes Spezialbier aus einer gut eineinhalb Meter langen Schwanenhalskaraffe dekantiert; generell wird dort natürlich alles dekantiert, aber im Falle eines Bieres ist das eventuell eine übertriebene Liebesmühe. Trotzdem

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W   ie & für wen

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WENIGER SORGEN, MEHR GENIESSEN S. 110

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KÜCHE & GÄSTE

Wenn Kulturen aufeinandertreffen, entsteht etwas. Das ist in Küchen nicht anders. Wenn Esskulturen aufeinandertreffen, verschmelzen vermeintliche Gegensätze zum großen Ganzen. Man lässt einander kosten und kann sich gut schmecken. Und Champagner schmeckt immer. Auch der von kleinen Winzern. Man entkorkt neue Welten.

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G E STAT T E N , AU C H I C H B I N C H A M PA G N E R

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WIE BEI MAMA

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W E N I G E R S O RG E N , MEHR GENIESSEN TEXT: SUSANNE SCHÄFER

Wer im Restaurant einfach nur ein Gericht be- nem normalen Alltag ohne ständige Beschwerden. stellt, wirkt heute schnell altmodisch. Zeitgemäß Wer an einer Laktoseintoleranz leidet, hält sich bei ist es dagegen, seine Ernährungs-Empfindlichkei- Milch, Frischkäse und Obers besser zurück. Wer ten offen auszuleben. Der Ernährungsindividualist an einer Zöliakie leidet, muss sogar streng auf Gluversteht die Gerichte auf der Karte eher als grobe ten verzichten, weil es schon in kleinsten Mengen Anregung und gibt dem Kellner detaillierte Anwei- den Darm des Patienten zerstört. Auf die Betroffesungen mit auf den Weg, wie jeder einzelne Gang nen sollte jeder Rücksicht nehmen – ob Küchenchef bitte noch den persönlichen Bedürfnissen entspre- oder Hobbykoch – und selbstverständlich mit größchend umgestaltet werden müsste. Wichtig ist, was ter Sorgfalt ein Extrabrot backen. drin ist – und, viel wichtiger: was nicht drin sein darf. Verpönt sind heute wahlweise Gluten, Histamin, Betroffen sind aber nur wenige Menschen. In Milchprodukte oder Kohlenhydrate. Mitteleuropa leiden nur bis zu ein Prozent der Bevölkerung an Zöliakie. Ob es darüber hinaus eine GluDer Wunsch nach einem personalisierten Es- tensensitivität gibt, ist aus wissenschaftlicher Sicht sen ist heute offenbar größer als die Ehrfurcht vor noch völlig unklar. Einig sind sich Wissenschaftler der Kunst des Küchenchefs, der ein Gericht genau so dagegen darin, dass Gluten – entgegen der marktund nicht anders entworfen hat. Angesprochen auf schreierischen Alarmrufe einiger ErnährungsguErnährungslehren wie Paläo, Low Carb, No Carb rus – für die allermeisten Menschen völlig harmlos und Glutenfrei, machte sich Yotam Ottolenghi ist. Die Zahl der Laktoseintoleranten liegt weiterhin kürzlich in einem Gespräch mit der Zeitschrift „In- bei etwa 15 Prozent der Bevölkerung und steigt nicht terview“ Luft: „Ich halte viele dieser angeblich so an – auch wenn genau das gerade überall behauptet gesunden Essgewohnheiten für absolut unmöglich. wird. Hinzu kommt, dass Menschen mit LaktoseintoDer Mensch wird Sklave seiner Ernährung – und so leranz viele Milchprodukte essen können. Gereifter war das nicht gedacht. Essen ist überlebenswichtig Käse wie Emmentaler oder Parmesan zum Beispiel und kein Fashion-Accessoire oder Fetisch.“ enthält von Natur aus praktisch keine Laktose. Gluten ist ein Eiweiß, das in Weizen und anderen Getreidesorten vorkommt. Und es gilt heute als böse. Angeblich verklebt es den Körper von innen, Weizen zersetzt das Gehirn, und Milch zu trinken ist sowieso wider unsere Natur – schließlich ist sie nur für Kälber gedacht. Solche Mythen verbreiten sich gerade ungebremst und wir lassen uns davon verunsichern, nehmen unser Essen als Bedrohung wahr und lehnen selbst Grundnahrungsmittel als unzumutbar ab. Keine Frage, es gibt echte Allergien und Unverträglichkeiten. Die Betroffenen leiden oft sehr, bis die richtige Diagnose gestellt ist. Erst durch den Verzicht auf die für sie unangenehmen oder sogar gefährlichen Lebensmittel finden sie wieder zu ei-

Und trotzdem bieten die Supermärkte heute regalweise laktosefreie und glutenfreie Produkte an. Der Markt für Lebensmittel, die damit werben, etwas nicht zu enthalten, wächst rasant. Während sich die Anbieter früher mit „Frei von“-Produkten an die wirklich Betroffenen richteten, reden sie uns heute massiv ein, diese seien für jeden von uns besser. Dabei haben diese Produkte für Gesunde keinerlei medizinischen Nutzen. Ein deutsches Unternehmen bewirbt einen laktosefreien Joghurt mit diesem Spruch: Er spreche Menschen an, die sich „gerne bewusst ernähren“. Nur: Was heißt das im Umkehrschluss? Wer noch den altmodischen Joghurt mit Laktose isst, der ernährt sich nicht bewusst. Und achtet wohl auch


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sonst nicht besonders auf sich. Ein irisches Unternehmen wiederum preist ein glutenfreies Brot sogar als „guilt free“ an – frei von Gluten, frei von Schuld. So werden die für die meisten überflüssigen „Frei von“-Produkte mit subtilen Versprechen positiv aufgeladen. Schon ist das Zauberwort „ohne“ so stark, dass selbst Reis auf der Packung als „glutenfrei“ gelobt wird, obwohl es gar keinen Reis mit Gluten gibt. Inzwischen hat der Hype um die Produkte mit Clean Labels, wie Marketingmenschen sie nennen, bizarre Ausmaße angenommen: Glutenfreies Hundefutter gibt es in den Geschmacksrichtungen Huhn mit Hirse und Seelachs mit Buchweizen und Hagebutte. Ein Kosmetikunternehmen richtet sich mit seiner glutenfreien Körperlotion nicht nur an Zöliakiepatienten, sondern an alle Gesundheitsbewussten, „die ihre Haut mit gutem Gewissen pflegen, regenerieren und gesund erhalten möchten“. Eine österreichische Wellnesshotelkette: „… verwöhnen Sie mit glutenfreien Spezialitäten.“ Und selbst in Wien, bisher nicht berühmt für eine an Gesundheitsgeboten orientierte Esskultur, hat jetzt ein „Allergikercafé“ eröffnet. Dort kann der Gast wählen, ob der Kuchen glutenfrei, laktosefrei, nussfrei, fruktosearm, histaminarm oder eifrei sein soll. Da liegt der Verdacht nahe, dass nicht nur die recht kleine Gruppe der Menschen mit echten Allergien und Unverträglichkeiten angesprochen ist, sondern auch die deutlich größere der Ernährungsindividualisten. Und selbst die Lebensmittel, die im personalisierten Ernährungsplan übrig bleiben, sind den freiwilligen Asketen manchmal nicht geheuer – auch sie könnten einen vergiften, mit Pestiziden, Dioxin und Wachstumshormonen. Dabei ist hier in den vergangenen Jahrzehnten vieles besser geworden: In Österreich finden sich kaum mehr Proben von Obst und Gemüse, die mit Rückständen von Pflanzenschutzmitteln oberhalb der zulässigen Höchstmengen belastet sind. Rückstände unterhalb dieser streng festgelegten Grenze gelten als nicht gesundheitsschädlich. In unseren Körpern sind heute laut dem deutschen Bundesinstitut für Risikobewertung deutlich weniger Spuren des Stoffs Dioxin zu finden als noch vor 30 Jahren. Das zeigen unter anderen regelmäßige Analysen von Muttermilch. Im Jahr 2009 war die Belastung nur noch etwa ein Sechstel so hoch wie 1990. Und vor Fütterungshormonen im Fleisch muss sich in Europa heute niemand fürchten, denn diese wurden schon 1988 EU-weit in der Tiermast verboten. Wie die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit 2013 im Rahmen des Nationalen Rückstandskontrollplans ermittelte, halten sich die Landwirte offenbar an das Verbot: Abgesehen von sehr wenigen Ausnahmen, waren in Proben keine Rückstände von Arzneimitteln zu finden. Das soll nicht heißen, dass gar keine Schadstoffe unser Essen belasten. Sondern nur, dass wir unsere Ängste sehr breit streuen. Dabei behält die Kritik an den Unternehmen, die unser Essen erzeu-

gen, doch nur dann ihren Stachel, wenn sie präzise ist und berücksichtigt, ob es nun um die Tierhaltung, die Umwelt oder unser eigenes Wohl geht – und nicht in ein pauschales „Wir werden alle vergiftet“ mündet. Natürlich ist es gut, wach und kritisch zu bleiben, aber die tiefe, undifferenzierte Skepsis gegenüber unserer Nahrung ist nicht notwendig. Sie macht uns nur anfällig für die Heilsversprechen der „Frei von“-Produzenten und der diversen Ernährungsgurus. Warum lassen wir uns dermaßen die Lust am Essen verderben? Das liegt unter anderem am Gesundheitsideal: Jeder ist heute aufgefordert, sich bis ins hohe Alter gesund und fit zu halten. Den Schlüssel zur ewigen Gesundheit sehen wir in der Ernährung. Diverse Gurus bedienen diese Sehnsüchte und predigen Spezial-Ernährungen von Rohkost bis zur Steinzeitdiät. So wird die Ernährung heute vielen zu einer Ersatzreligion. Spezielle Lehren locken mit großen Heilsversprechen: Wer sich an die Regeln hält, wird angeblich mit einem frischen Geist und glänzendem Haar belohnt, Krankheiten sollen verschwinden, der Körper soll gestählt und praktisch unverwundbar werden. Die Nahrungstabus, die es auch in echten Religionen gibt, werden zum zentralen Inhalt der Ernährungslehren. Regeln und Rituale strukturieren den Alltag: Wer Rohkost-Anhänger wird, püriert sich jeden Morgen einen grünen Smoothie mit Spinat. Wer sich an die Steinzeitdiät hält, bereitet den Pizzateig nicht mehr mit Mehl zu, sondern mit gehäckseltem Blumenkohl und Ei. Manche finden darin Halt. Doch wer das Essen auf eine Methode zur Gesundheitsgestaltung reduziert, unterwirft es einem Zweck: Raw Food, Paläo oder Glutenfrei dienen dazu, den Körper jung und stark zu halten. Dinge zu tun, um etwas anderes zu erreichen, sind wir in unserer Selbstoptimierer-Welt gewohnt. So wie wir ins Fitnessstudio gehen, um abzunehmen, einen Rhetorikkurs machen, um uns im Office besser durchzusetzen, und das Sabbatical in den USA verbringen, um die Sprachkenntnisse wiederzubeleben. Das kann man ja machen, nur wenn man alles immer für einen Zweck tut, geht leicht etwas verloren – und das gilt besonders für die Ernährung. Wer das Essen zweckoptimiert, nimmt ihm das, was es noch sein kann, wenn man es einfach um seiner selbst willen tut. Gerade das Essen lädt uns doch dazu ein, das Prinzip „Um zu“ mal beiseitezulassen und stattdessen das Prinzip „Weil“ auszuprobieren. Essen, weil man Appetit darauf hat, weil es großartig schmeckt oder weil man einen schönen Abend mit Freunden erleben will.


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FOTOS: ALEXANDER NUSSBAUMER


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Mittags gibt es im Steirereck etwas zu essen, das auf keiner Karte steht. Und das kein Gast bestellen kann. Das Personalessen.

Einer kocht und alle essen – die etwas andere Form von Küchen-Teamwork.

Und alle, die im kulinarischen Orchester der hohen Küche des Steirerecks mitstreichen, mitzupfen, mittrommeln und mitposaunen, kommen turnusmäßig an die Reihe, um für ihre Peers ein Mittagessen auf den Tisch zu zaubern. Und da von den 90 Mitarbeitern im Steirereck 45 aus anderen Ländern stammen, verpasst auch Küchen-Dirigent Heinz Reitbauer keinen dieser Multikulti-Mittagstische.

ecks Einfluss haben oder diese auf andere Weise definieren. Sie befragte fünf Steirereck-Mitarbeiter aus fünf ganz verschiedenen Ecken der Welt. Und entdeckte ein lustvolles Mit- und Nebeneinander von Ideen, Traditionen und Konzepten vom Kochen und vom Essen.

Ein Lokaltermin mit Heinz Reitbauer, Ghan Fatrat, Benjamin Charles Allen, Marinjes Snezana, Barbara van Melle, Chefin von Slow Food Öster- Antonino „Nino“ Gullo, Szabolcs Tar und Barbara reich und selbst gerne Gast in den Küchen der Welt, van Melle. wollte wissen, woher die halbe Steirereck-Mannschaft genau kommt, welche Geschmackswelten sie mitbringt, ob diese auf die Küchenlinie des Steirer-


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G H A N F A T R A T , 36, Afghanistan, Abwäscher, seit 10 Jahren im Steirereck.

A L L E WO L L E N KO ST E N Ich habe in Kabul Ingenieurswissenschaften studiert, bin dann aufgrund von Krieg und Terror in meiner Heimatstadt Kabul nach Österreich geflüchtet. Ich war ein Jahr im Erstaufnahmezentrum in Traiskirchen, habe Deutsch gelernt und bin später österreichischer Staatsbürger geworden. Ich habe eine Frau aus Afghanistan geheiratet und wir leben hier in Wien mit unseren drei Kindern. Als sich die Möglichkeit bot, hier zu arbeiten, habe ich sofort zugegriffen. Es gibt mehrere Afghanen, die im Steirereck arbeiten. Die Küche meiner Heimat ist für mich etwas ganz Besonderes. Wir haben zum Beispiel den besten Reis der Welt. Unsere Tradition zu essen und zu kochen ist allerdings grundverschieden von der

österreichischen. Bei uns kochen ausschließlich die Frauen in den Familien. Wenn ich etwas von zuhause mitbringe, wollen immer alle kosten. Zum Beispiel bringe ich zum muslimischen Neujahr am 31. März immer das traditionelle afghanische Essen mit, das meine Frau gekocht hat. Fleisch mit sehr scharfen Saucen und natürlich den besten Reis der Welt. Und das für 20 Leute. Unsere Zutaten kann man in Wien alle bekommen, wenn nicht am Markt, dann in indischen oder türkischen Geschäften.


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B E N J A M I N C H A R L E S A L L E N , 27, England, Chef de Partie,

seit eineinhalb Jahren im Steirereck.

DIE ELEGANZ IST GANZ MEIN DING Die Wurzeln meiner Familie liegen in der Karibik, auf Antigua. Ich habe noch eine Tante dort, die sogar ein Restaurant betreibt. Man könnte sagen, dass mir das Kochen in die Wiege gelegt wurde. Aber eine besondere Vorliebe für die karibische Küche habe ich nicht. Als meine Mutter mich fragte, was ich nach der Schule machen möchte, habe ich gesagt: etwas mit den Händen. Und dann wurde es Kochen. Ich bin früh in die Welt der hohen Küche eingestiegen, ich habe im Londoner Park Lane Four Seasons angefangen und hatte weiter die Gelegenheit, mit außergewöhnlichen Küchenchefs zu arbeiten. Oft wurde mir vom Steirereck vorgeschwärmt. Das hat mich sehr interessiert. Die Küchenline hier,

die Einfachheit und Eleganz, das ist mein Ding. In der traditionellen österreichischen Küche gibt es auch gute Sachen. Kaiserschmarren etwa, Leberkäse allerdings hasse ich. Wenn ich mit dem Personalessen dran bin, koche ich normal englisch. Grillhendl, Lammcurry mit Reis. Was ich manchmal vermisse? Eine bestimmte englische Wurst, die Cumberland Sausage. Eigentlich eine ganz normale Wurst aus Schweinefleisch, aber die gibt es eben nur dort.


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M A R I N J E S S N E Z A N A , 45, Serbien, Büglerin, seit drei Jahren im Steirereck.

KANTE AN KANTE Ich bin seit 2008 in Wien und lebe mit meiner Familie hier. Wir sind hier, weil man in Österreich mehr Geld verdienen kann. Ich bin dafür zuständig, dass unsere Tischwäsche perfekt sauber, gerade gebügelt und gestärkt ist. Keine Serviette darf verzogen oder schief gefaltet sein. Das ist mir sehr wichtig. Das Essen in Österreich hat eine sehr große Qualität. Es ist für mich allerdings ein großer Unterschied zu daheim. Wir bauen zuhause viel selbst an, Gemüse und Obst und beziehen viel aus der eigenen Landwirtschaft oder von anderen Bauern. Wir essen auch hier in Wien sehr traditionell. Zum Beispiel Sarma, die traditionellen Krautrouladen, für die die Krautblätter von im Ganzen eingelegten Krauthäupteln

genommen werden. Obwohl wir, meine Familie und ich, der hiesigen Lebensweise sehr angepasst sind, mögen wir die Qualität unserer Lebensmittel sehr. Pommes frites und Tiefkühlpizza kommen bei uns nicht auf den Tisch.


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N I N O G U L L O , 28, Italien/Deutschland, Chef-Patissier, seit sieben Jahren im Steirereck.

D E M C H E F H E B I C H WA S AU F Meine Familie stammt aus Sizilien, ich selbst gerade reif ist. Um es zu ernten und zu verkochen. bin in der Nähe von Stuttgart aufgewachsen. Den- Das ist etwas ganz Besonderes. Ansonsten: Gnocchi noch sind die italienischen Wurzeln sehr wichtig. mit Paradeissauce und mit Mozzarella überbacken. In Italien wird das Essen in der Familie oder auch Die feine Klinge wird in italienischen Küchen nicht in größerem Rahmen sehr geschätzt. Diese Haltung geschwungen. Und so holt man keine Michelin-Sterzum Genuss wird quer durch alle Gesellschafts- ne. Die Küchenlinie des Steirerecks ist natürlich schichten gelebt. Im Zentrum stehen die guten eine ganz feine Klinge. Sehr elegant. Und das gefällt Grundprodukte und mit denen kochen wir zünftig mir sehr. Wenn ich das Personalessen koche, wird’s und herzhaft. Wenn ich an Italien, Kindheit und Es- italienisch. Als ich unlängst an der Reihe war, habe sen denke und daran, was man hier nicht bekom- ich Risotto und Ossobuco gemacht. Der Chef war men kann, fällt mir eher ein Bild ein als ein einzel- spät dran und hatte befürchtet, nichts zu bekommen. nes Produkt: Morgens in Sizilien in den Garten zu Aber ich habe ihm etwas aufgehoben. gehen und zu riechen, wie Rosmarin und Thymian ihren Duft entfalten und dann zu schauen, was


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S Z A B O L C S T A R , 38, Ungarn, Service, seit drei Jahren im Steirereck.

N AT Ü R L I C H G U L A S C H Ich war in Ungarn Oberkellner, hier bin ich Personal zuständig bin, gibt es natürlich Gulasch. Teil der Service-Mannschaft. Ich bin nach Öster- Das erwarten die Kollegen vom Ungarn und sie wünreich gekommen, weil ich das Glück suche. Auch schen es sich. Generell kann man schon sagen, dass in meiner Heimat, in Ost-Ungarn, war mir unsere seit etwa 15 Jahren die ungarische Küche auch – wie traditionelle Küche sehr wichtig. Die ist natürlich international üblich – eine leichtere Küche wird. Weganz das Gegenteil von dem, was hier im Steirereck niger Fett, weniger Fleisch, mehr Gemüse. Es ist gekocht wird. Dort wird viel Fleisch zubereitet, kräf- schön, dass die ganz hohe Küche wie die im Steirereck tig gewürzt, mit Schweineschmalz, viele Eintöpfe, Seite an Seite mit den traditionellen Küchen leben Gulasch, was übrigens nicht dasselbe ist wie hier in kann. Hier vermisse ich manchmal unsere typischen Österreich. Das, was wir Gulasch nennen, wäre hier Brote wie Nussbrot oder Kartoffelbrot. eher Gulaschsuppe. Eines meiner Lieblingsessen von daheim ist ein Auflauf mit Kartoffeln, Wurst, hart gekochten Eiern, Sauerrahm und Trappistenkäse oder Edamer obendrauf. Wenn ich hier fürs


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AUFGE  Wenn F R Ü H L I N G und S O M M E R ins Land ziehen, blüht die Vielfalt und man trifft sich. Die Morchel etwa, die trifft die Erbse. Auch zwischen Rhabarber und Holunder knistert’s, während sich die Feige an den Rehbock heranmacht und der Amur-Karpfen


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KOCHT FOTOS: THOMAS SCHAUER

mit Kohlrabi, Hiobstränen und Pandan auf Tauchstation geht. Aber was, wenn man auf etwas allergisch ist? Muss man auf Malzbrioche verzichten? Sind einem Himbeere und Sesam nicht vergönnt? Und wie war das eigentlich früher, wie war’s zu Omas Zeiten?


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ALLERGEN-HAPPEN A

W E I Z E N K N U S P E R mit Lakritze & Anis K R E B S E N -Glasnudeln mit Spitzkraut C  E N T E N E I mit Bachkresse & Berberitze D   Bergforellen-G A R U M mit eingelegtem Paprika E  E R D N Ü S S E mit Rhabarber F   S O J A B O H N E N mit Tofu, Sprossen & Chinakohl G  M I L C H H A U T mit Kürbis & Safran H   Schwarze W A L N U S S mit Buchweizen-Bier L   S T A U D E N S E L L E R I E mit Verjus- und Wermut-Salz M   Rosetten-Kohl mit Avocado & S E N F S A L A T E N N   S E S A M mit eingelegten Pilzen, Pflaumen & Dill O  Gebeizte Gurke mit K R E N & Holunder P   L U P I N E N mit Erdmandel & grünem Pfeffer R   In der Schale gegarte A U S T E R mit Fenchel B

GETREIDE (GLUTENH A LT I G ) :

Zöliakie ist die häufigste Lebensmittelintoleranz. Sie ist unheilbar. In Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Dinkel, Kamut, Emmer, Einkorn, Grünkern.

ERDNUSS:

Erdnüsse haben ein hohes allergisches Potenzial. Symptome treten unmittelbar bis spätestens zwei Stunden nach dem Verzehr auf.

KREBSTIERE:

EIER:

Eiweiß vorwiegend im Eiklar enthalten. Tritt meist im Säuglings- und Kindesalter auf und verschwindet in der Regel nach 1 bis 2 Jahren. Auch Impfstoffe können Bestandteile aus Eiern enthalten. In allen Eiarten.

FISCH:

SENF:

Gefährlich, weil Senf als verstecktes Allergen in vielen Würzmitteln enthalten ist. In Senfkörnern, Senföl, Mostrich, Mostert.

SESAM:

Eine Sesamallergie tritt meist im Erwachsenenalter auf und bleibt nach dem ersten Auftreten ein Leben lang bestehen. In Sesamsamen, Sesammehl, Tahin, Gomasio, Sesamöl.

SCHWEFELDIOXID & SULFITE:

S O JA :

Häufiger sind davon Frauen betroffen. Können einen allergischen Schock auslösen. In Krebsen, Hummer, Shrimps, Garnelen, Langusten, Scampi, Krabben.

SELLERIE:

Bei Sellerieallergie-Patienten handelt es sich fast immer um Pollenallergiker. Kann schwere allergische Reaktionen auslösen.

Hier unterscheidet man zwischen hitzeempfindlichen und hitzestabilen Allergenen. Etwa 25 % der Kuhmilchallergiker reagieren auch auf Soja. Häufig in verarbeiteten Produkten enthalten.

MILCH:

Milchallergie ist von der Lactoseintoleranz zu unterscheiden. Bei der Allergie werden die Beschwerden durch bestimmte Eiweiße der Milch verursacht, bei der Intoleranz ist eine Zuckerart dafür verantwortlich. In Butter, Buttermilch, Butterschmalz, Joghurt, Käse, Molke, Obers.

Besonders hitzestabiles Allergen. Süßwasserfische verursachen seltener Allergien als SalzwasSCHALE NFRÜCHT E: serfische. Hauptallergen ist das Am meisten verbreitet ist die Parvalbumin, das im weißen Mus- Allergie gegen Haselnüsse. In kelfleisch der Fische vorkommt. Mandeln, Pistazien, Hasel-, In allen Fischarten, FischgelatiWal-, Para-, Pekan-, Macadamia-, ne, Kaviar, Fischsauce. Queensland und Cashewnüssen.

Schwefeldioxid ist ein stechend riechendes, farbloses Gas mit guter Wasserlöslichkeit. In Trockenfrüchten, Wein. Sulfite kommen aber auch als sogenannte sekundäre Pflanzenstoffe natürlich in Pflanzen wie Kren, Zwiebeln, Knoblauch, Schalotten, Lauch und Schnittlauch vor und sind mit für die Schärfe verantwortlich. Es wird zudem vermutet, dass natürliche Sulfite die Entstehung von Krebszellen verhindern.

LUPINEN:

Lupinen ähneln in der Zusammensetzung der Sojabohne und enthalten besonders hochwertiges pflanzliches Eiweiß.

WEICHTIERE:

Die allergischen Beschwerden treten meist unmittelbar nach dem Verzehr auf. In Schnecken, Abalone, allen Muschelarten, Tintenfischen, Oktopussen, Calamares, Seeigeln.


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PA P R I K A & M E L O N E M I T OLIVENKR AUT & VENUSMUSCHELN 1

it Verjus & Olivenkrautöl eingelegte, gegrillte gelbe Paprika M Gebratene Zuckermelone 3  Mit Macadamianuss geschmorte Topinambur 4  Gehackte, marinierte Venusmuscheln & Taggiasche-Oliven 5  Geröstete Macadamianüsse 6   Mit Reiswein, Tamarinde, Zitronengras, Ingwer & Olivenkrautöl gekochte Venusmuscheln 7  Mit eingekochtem Paprika-Saft & Verjus roh marinierter gelber Paprika 8  Zuckermelone & Pericon Wein  2012 Mer & Coquillages, Julien Meyer, Elsass 2

Rezept

PERICON:

Der Geruch der Pflanze erinnert an Waldmeister und Anis und ahmt dabei den Estragon fast perfekt nach. Die Blätter schmecken stark aromatisch, fast scharf. Verglichen mit echtem Estragon schmeckt er etwas vielschichtiger und robuster. Aus dem Steirereck-Garten.

V E N U S M U S C H E L N M I T R E I S W E I N & TA M A R I N D E Z U TAT E N

ZUBEREITUNG

- 400 g Venusmuscheln In einem großen Topf das Pflanzenöl erhitzen, Gemüse & Gewürze kurz darin (gesäubert & gewaschen) anschwitzen, anschließend Muscheln zufügen. - 80 g Zwiebeln (geschält & grob gewürfelt) - 4 g Knoblauch (geschält & grob gehackt) - 30 ml pflanzliches Öl - 8 g Ingwer (in 3-mm-Scheiben geschnitten) - 15 cm Zitronengras (gehackt) -8 0 ml Reiswein -2 0 g Tamarindenmark -8 0 ml Weißwein -3 ,5 g Salz

Vermengen.

Die Muscheln damit ablöschen und kurz bedeckt aufkochen lassen, bis sich die Muscheln öffnen. Durch ein Sieb lehren, Muschelfond auffangen und etwa um 1/3 einkochen. Anschließend durch ein Fettsieb passieren und beiseitestellen. Die Muscheln aus der Schale lösen und mit dem Muschelfond vermengen.


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G RÜ N E R S PA R G E L M I T S C H A F K Ä S E , HOPFENSPROSSEN UND BERGAMOT TE 1

edämpfter grüner Spargel G Schafkäse mit Bergamotte-Mark und mariniertem Sauerampfer 3  In Ahornsirup und Verjus eingelegte Pekannüsse 4   Vinaigrette mit Hopfensprossen, karamellisierten Spargel-Knospen und Bergamotte Wein  2013 Sauvignon Blanc „Flamberg“, Lackner-Tinnacher, Gamlitz 2

Rezept

BERGAMOTTE:

Sie ist eine orangengroße Zitrusfrucht mit gelblicher Schale und gelbem Fruchtfleisch. Die Schale ist hoch aromatisch und die ätherischen Öle werden besonders zum Aromatisieren von Earl Grey verwendet. Das Fruchtfleisch ist sauer, aber nicht bitter. Die Bitterstoffe sind vor allem im Mesokarp (Albedo) enthalten. Aus den Schönbrunner Orangerien.

EINGELEGTE PEKANNÜSSE Z U TAT E N

ZUBEREITUNG

- 350 g Pekannüsse

Die Nüsse kurz blanchieren.

- 3 g Salz - 250 g Verjus (rot)

Aufkochen, Pekannüsse zufügen und vollständig einkochen lassen.

- 100 g Ahornsirup

Zufügen und karamellisieren lassen. Auf ein mit Backpapier belegtes Blech großflächig aufbreiten und auskühlen lassen. Anschließend in luftdichte Behälter abfüllen.


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AMUR-K ARPFEN MIT HIOBSTR ÄNEN, KO H L R A B I & PA N D A N 1

Gebratener Amur-Karpfen Mit Balsam-Essig & Pandanöl marinierter junger Kohlrabi 3  Hiobstränen-Knusper 4   Sauerteigbrot-Créme mit knusprigen Hiobstränensamen 5   Ampfer 6   Kohlrabi-Succo mit Pandanöl Wein  2013 Sauvignon Blanc „Flamberg“, Lackner-Tinnacher, Gamlitz 2

Rezept

HIOBSTRÄNEN:

Dieses einjährige Wildgetreide aus der Familie der Süßgräser wird im asiatischen Raum vorwiegend als Futterpflanze sowie für die traditionelle Medizin angebaut. Die graupenähnlichen Samen können aber auch gekocht, geröstet, gesüßt oder zur Mehlproduktion verwendet werden. PA N D A N :

Blätter der Schraubenpalme; intensives, vanilleähnliches, leicht nussiges Aroma.

PA N D A N Ö L Z U TAT E N

ZUBEREITUNG

- 50 g Pandan (frisch) - 600 ml Traubenkernöl

Den Pandan grob schneiden und mit dem Traubenkernöl im Thermomixer fein mixen. In einem Kochtopf lehren, auf ca. 90° C erhitzen und für 10 Min. ziehen lassen. Durch ein Haarsieb passieren und über Eis kaltrühren. In einen lichtgeschützten Behälter abfüllen und gekühlt lagern. Tipp: Durch das lichtgeschützte Lagern bleibt die Farbe bestmöglich erhalten. Haltbarkeit ca. 3 Monate.


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ZIEGENKITZLEBER MIT MORCHELN, ERBSEN & PERICON 1

ebratene & confierte Ziegenkitzleber G Erbsenmilch mit Pericon 3  Glacierte Erbsen 4  Marinierte Erbsenschoten und -triebe 5  Eingelegte Bechermorcheln 6   Gebratene Böhmische Morcheln 7  Knusprige Morcheln & Erbsen 8  Morchelsaft Bier  Dreihops „Styrian Pale Ale“, Erzbergbräu, Eisenerz 2

Rezept

BECHERMORCHEL:

Ein Schlauchpilz aus der Familie der Morchelartigen. Sie bevorzugt lockeren Boden und kommt im Frühjahr, oft in Gesellschaft von Speisemorcheln, an feuchten Stellen in Laub- und Auwäldern vor. Das Fleisch ist dünn, blass, wasserartig und brüchig. Roh besitzen sie einen chlorartigen Geruch, der beim Trocknen und Kochen verfliegt. Der Geschmack ist mild–pilzig. Gesammelt in den Donauauen. BÖHMISCHE MORCHEL:

Dieser erste Frühlingspilz wächst gerne in unmittelbarer Nähe von Waldbächen und Quellen. Der Geschmack ist milder als der der Spitzmorcheln.

EINGELEGTE BECHERMORCHELN Z U TAT E N

ZUBEREITUNG

- 2000 ml Wasser Gewürze leicht andrücken und mit den restlichen Zutaten aufkochen. - 450 g Zwiebeln (geschält & grob gewürfelt) Für ca. 60 Minuten sanft köcheln lassen. Anschließend abseihen. - 12 g Knoblauch (geschält & grob gewürfelt) - 10 Stk. Wacholderbeeren - 10 Stk. Pimentkörner - 15 Stk. Pfefferkörner (schwarz) - 2 Stk. Lorbeer - 52 g Salz - 180 g Weißweinessig - 15 g Kristallzucker

Salz und Zucker zufügen und auf 1200 ml einkochen. Erst jetzt den Essig beigeben.

- 1200 g Bechermorcheln / Morchelbecherling (gesäubert & gewaschen)

Die Bechermorcheln in den kochenden Gewürzfond geben und nur einmal kurz aufkochen lassen. Sofort in sterile Einmachgläser abfüllen und in Eiswasser schnellstmöglich abkühlen. Bis zur Verwendung kühl lagern. Tipp: Der Einlegefond kann auch für Marinaden wiederverwendet werden.


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R E H B O C K M I T KO C H S A L AT, FEIGEN UND PERILLA 1

edämpfter Rehbock mit Perilla G Kurz geschmorte Salatherzen 3  Mit Cashewkern-Butter gebratene Schwarzwurzel 4  Schwarzwurzel mit Kochsalat & Pfefferoni 5  Feigen-Perilla-Chutney 6   Schwarzwurzel-Cashewkern-Knusper 7  Paradeiser-Meerfenchel-Saft mit Pinien-Rosmarin Wein  2010 Quirein (Lagrein), Pranzegg, Bozen 2

Rezept

PERILLA:

Diese violett- oder grünfarbene Nesselart wird oft zum Färben von konservierten Früchten verwendet. Ihr würziger Geschmack erinnert stark an Bockshornklee und Kreuzkümmel. Von den Wiener Gärtnereien. PINIEN-ROSMARIN:

Dieser bis zu 80 cm hoch wachsende Rosmarin ist wahrscheinlich der edelste aller Rosmarinarten. Die weichen, feinnadeligen Blätter besitzen ein blumig-harziges, einzigartiges Aroma, das unweigerlich an Pinien erinnert! Aus dem Steirereck-Garten.

FEIGEN-PERILL A-CHUTNE Y Z U TAT E N

ZUBEREITUNG

- 800 g Feigen - 50 g Honig - 750 ml Shiso-Essig - 5 g Salz - 2 × Shiso (Tassen)

Die Feigen schälen, Stielansatz entfernen und grob würfeln. Mit den restlichen Zutaten bedeckt sanft köcheln, bis die Feigen zerfallen sind. Anschließend abdecken und ca. um 15 % einkochen.

- 8 g Maizena - 25 ml Wasser

Maizena mit Wasser anrühren, zum Chutney zufügen, aufkochen lassen und in Einkochgläser abfüllen. Rasch, am besten in einem Eiswasserbad, abkühlen, anschließend kühl lagern.


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M A L Z M I T R H A BA R B E R, H O LU N D E R & KO KO S 1

ingelegter Rhabarber mit Kokos & Holunder E Kandierter Staudensellerie 3  Karamellmalz-Eis 4  Röstmalz-Eis 5  Knuspriger Kokos mit Orange 6   Melanoidinmalz-Brioche mit Malzbier Champagner  NV Champagne Blanc de Noirs, Benoît Lahaye, Bouzy 2

Rezept

MALZ:

Durch Mälzung gekeimtes und getrocknetes Getreide. Durch unterschiedliche Darrtemperaturen entstehen hellere oder dunklere Malze. Melanoidinmalz enthält durch einen speziellen Darrprozess besonders viele Dextrine und verleiht Flüssigkeiten eine rötliche Färbung. Karamellmalz wird hergestellt, indem man Darrmalz wieder auf etwa 40 % Feuchtigkeit bringt, danach auf etwa 70° C erhitzt und es anschließend bei 160–180° C trocknet. Ausgeprägter Malzgeschmack. Röstmalz besitzt ein herbes Aroma, das entfernt an Schokolade oder Kaffee erinnert.

M A L Z- B R I O C H E Z U TAT E N

ZUBEREITUNG

- 300 g Melanoidinmalz

Fein mahlen

- 450 g Weizenmehl (glatt) - 250 g Melanoidinmalz (fein gemahlen) - 115 g brauner Zucker - 9 g Salz - 42 g Germ - 225 g Butter (weich) - 6 Stk. Eier

Alle Zutaten für ca. 8 Min. zu einem glatten Teig kneten. Mit einem Tuch bedecken und für ca. 60–75 Minuten gehen lassen.

- Butter zum Ausfetten

Backformen ausbuttern und den Teig ca. bis zur Hälfte einfüllen. Nochmals bedeckt gehen lassen, bis sich der Teig verdoppelt hat. Temperaturabhängig. (ca. 60 Min.) Bei 160° C für ca. 35 Min. goldgelb backen. Für 5 Minuten bei Zimmertemperatur stehen lassen, stürzen und noch heiß in Frischhaltefolie einschlagen Tipp: Durch das heiße Einschlagen bleibt die Brioche saftiger.


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MENÜ-FOLGE


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HIMBEEREN MIT SAUERKLEE, SAUERMILCH & K AMILLE Rezept

1

it Kamille marinierte Himbeeren M Sauermilch-Sauerklee-Tarte mit knusprigem Sesamboden 3  Himbeer-Sesammilch-Sorbet 4  Kamillen-Himbeer-Saft 5  Sauerklee Wein  Himbeersturm, Biohof Hummel, Loosdorf 2

S AU E R K L E E :

Diese weitverbreitete Sukkulenten-Art besitzt einen angenehm fruchtigen Oxalis-Geschmack, der an Verjus & grüne Äpfel erinnert. Aus den Gärten Niederösterreichs. KAMILLE:

Ist eine Pflanzenart der Familie der Korbblütler. Ursprünglich in Süd- und Osteuropa verbreitet, ist sie heute praktisch in ganz Europa heimisch. Die Kamille ist eine der ältesten Heilpflanzen. Sie war schon in vorchristlicher Zeit bekannt und wird in zahlreichen Heilschriften erwähnt.

HIMBEEREN MIT KAMILLE Z U TAT E N

ZUBEREITUNG

- 100 g Kristallzucker - 150 g Wasser - 8 g Kamillenblüten (getrocknet)

Kamillen-Sirup: Wasser & Zucker aufkochen, Kamillenblüten zugeben und für mind. 6 Std. bedeckt kühl durchziehen lassen. Anschließend abseihen.

- 1000 g Himbeeren - 80 g Kristallzucker - 2 g Pektin NH Napage

Die Himbeeren säubern und die schönsten 600 g davon beiseitestellen. Pektin mit Kristallzucker abmengen.

- 250 g Kamillen-Sirup

Die restlichen 400 g Himbeeren mit dem Kristallzucker-Pektin-Gemisch und dem Kamillen-Sirup im Kochtopf vermengen und für 1 Std. bedeckt durchbeizen lassen. Die gesäuberten 600 g Himbeeren damit marinieren.


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MENÜ-FOLGE


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AUS OMA S MEHL SPEISEN-KÜCHE 1

arme Dukaten-Buchteln mit Vanillesauce W Birnenkompott mit Physalis & Verbene 3  Knuspriger Milchreis 4  Erdbeer-Topfen-Knödel mit Waldmeister 5  Gebackene Apfelradln mit Orangenblüten 6  Vanille-, Schokolade- und Erdbeerpudding Wein  Himbeersturm, Biohof Hummel, Loosdorf 2

Rezept

KNUSPRIGER MILCHREIS Z U TAT E N

ZUBEREITUNG

- 350 g Kondensmilch - 100 g Butter - 2 g Zimt (gemahlen) - 1/2 Stk. Vanilleschote - 40 g Kristallzucker

Alle Zutaten aufkochen und unter ständigem Rühren einkochen, bis eine hellbraune, karamellartige Konsistenz entsteht. (115° C)

- 150 g Reiscrispies

Zügig unterheben und sofort auf ein Backpapier lehren. Mit einem zweiten Blatt Backpapier abdecken und vorsichtig ca. 15 mm dick ausrollen. Auskühlen lassen, in luftdichte Behälter abfüllen und trocken lagern.


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GLAS-WEISE


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GESTATTEN, AUCH ICH BIN CHAMPAGNER  01 Ein gutes Gespann im „Steirereck“: René Antrag und der von ihm geschätzte Winzerchampagner.

TEXT: ACHIM SCHNEYDER FOTOS: MIRCO TALIERCIO

Es brauchen nicht immer die mit den klingenden Namen zu sein. Und selbst das Weinglas ist erlaubt. Auch wenn Champagner drin ist. Champagner vom kleinen Winzer, auf den der Kenner große Stücke hält. Sogenannter Winzerchampagner.


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GLAS-WEISE

ER SCHMECKT NICHT JEDES JAHR GLEICH. DA S ZEICHNET W I N Z E R C H A M PA G N E R A U S .

02

Vieles ist möglich. Winzerchampagner als Aperitif, vielleicht erst zum Käse oder überhaupt als Begleitung eines gesamten Menüs.

„Neun bis zwölf Grad. Es darf aber auch mehr sein.“

04

Champagner im Burgunderglas: So ist er bisweilen bis zum letzten Gang dabei.

03 Wenn man Champagner dekantiert, geht einiges an Kohlensäure verloren. Und genau das ist auch der Zweck dieser Übung.


113

Dann und wann geschieht es, dass ein Gast um Weine nach wie vor kaum bis gar nicht zu bekomEiswürfel bittet. Dann nämlich, wenn ihm – oder men“, sagt René Antrag und legt die Betonung auf auch ihr – der Champagner allzu sehr perlt und er – das Wort Wein. „Man sollte den Champagner als soloder sie – sich anschickt, dem quirlichen sehen, als vielseitig einsetzbagen Treiben im Glase mittels Zufuhr ren Wein. Als Aperitif sowieso, aber von Gefrorenem ein möglichst jähes auch zum abschließenden Käse oder Ende zu bereiten. überhaupt gleich als Speisenbegleitung während eines gesamten MeSelbstverständlich kommt René nüs. Oder nach dem Essen, wenn es Antrag diesem Wunsch sehr gerne gilt, den Abend gemütlich ausklinnach. Zumal er absolut legitim ist. gen zu lassen.“ Doch der Sommelier, der neben Adolf Schmid für das „Flüssige“ im „SteirerGaston Chiquet war einer der eck“ verantwortlich ist, kennt freiersten Produzenten, der Winzerlich noch ganz andere Kniffe, der so champagner herstellte. Auch wenn manchem Gast zu intensiven Perlage der gute Schluck damals noch nicht Winzerchampagner genannt wurde. ein Schnippchen zu schlagen. Man brauchte die französische Kostbarkeit Im Jahre 1935 war’s, da beschloss demnach schlicht und einfach statt der findige Weinbauer Chiquet, nicht in einem Champagner- beispielsweilänger die großen Häuser mit seinen se in einem Burgunderglas zu genieTrauben zu beliefern. Wohl wissend, ßen, in einem, das man schwenken dass seine abgegebene Ware ohnehin „ N AT U R E SS E N C E “ kann. Das sprudelnde Problem hätte nur gemeinsam mit den Trauben unV O N B E N O Î T L A H AY E . sich ebenfalls recht rasch von selbst zähliger anderer liefernder Winzer PINOT NOIR UND erledigt. Und das gilt nicht nur für in einen Topf, respektive in ein Fass C H A R D O N N AY klassischen Champagner, das gilt geschmissen wurde. Also stellte er natürlich auch für den sogenannten sich auf eigene Beine. Winzerchampagner. Und wenn Sie sich, geschätzter ChampagnerUnd damit wären wir mittendrin im Thema. freund, nun fragen, warum das nicht gleich viele Winzerchampagner. Was ist das? Winzerchampagner andere ebenfalls taten? Ganz einfach: Es fehlte an ist alles andere als eine Kopie oder gar ein Abklatsch der Logistik, es fehlte am Kapital, und nicht zuletzt prestigeträchtiger Markencuvées, wenngleich er oft war auch der Aufwand zu groß. Man lieferte lieber. nicht annähernd so teuer ist wie jeUnd bekam für geringes Risiko gutes ne, die sich durch den vortrefflichen Geld. Kurzum: Was erst heute in vieJahrgang auszeichnen und überdies ler Munde ist, liegt bildlich gesproBesonderheit suggerieren. Jene, die chen schon sehr lange im Keller. man nicht nur trinkt, sondern jene, mit denen man sich mitunter auch Was den Winzerchampagner ganz gerne einfach nur schmückt. vom herkömmlichen Champagner – die Jahrgangschampagner aus groEs liegen keine ganz exakten ßem Haus natürlich ausgenommen – Zahlen vor, doch es sind nachweisin erster Linie unterscheidet: Die lich weit mehr als 5.000 kleine bis großen Häuser betreiben seit Jahrmittelgroße Winzer, die sich in der zehnten eine strikte und strenge Champagne der gleichen ProdukMarkenpflege, die dem unverwechtionsmethode bedienen, der „Méselbaren Aroma geschuldet ist. Der thode Champenoise“, und auch die geschulte Gaumen muss sogleich identen Rebsorten verwenden wie schmecken, was er trinkt. Vom Winzerchampagner hingegen wird man die namhaften Kollegen, respektive Großkonzerne. Da diese Winzer gerne immer wieder aufs Neue überallerdings meist ohne große Werberascht. Im Idealfall natürlich positiv. „ B RU T N AT U R E “ VO N kampagnen auskommen (müssen), CHRISTOPH MIGNON. sind die Preise der erlesenen ProdukSommelier René Antrag präsen100 PROZENT PINOT te immer noch verhältnismäßig attiert an dieser Stelle sechs WinzerMEUNIER traktiv. Der häufig sehr hohen Qualichampagner und die dazugehörigen Erzeuger, die im „Steirereck“ Gefaltät zum Trotz. Standardcuvées populärer Marken, sprich keine Jahrgangscuvées, kosten len finden sollen. Den Gefallen des Gastes. im Schnitt im Geschäft zwischen 30 und 60 Euro. Da wäre beispielsweise Christoph Mignon, der Da ist man beim exquisiten Winzerchampagner gleich einmal mit dabei. Aber – und dieses Aber ist in Festigny rund sechs Hektar Weingarten bewirtein großes: „Im herkömmlichen Handel sind diese schaftet. „Sein ,Brut Nature‘ aus hundert Prozent

FÜLLIG

KRÄFTIG


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GLAS-WEISE

05

Bei der Wahl des Glases zählt was schmeckt und gefällt.

„Man sollte Champagner öfter als das sehen, was er tatsächlich ist: ein ungemein vielseitig einsetzbarer Wein.“

06 Champagner ist nicht gleich Champagner. Also auch die Art des Einschenkens nicht.

07

René Antrag schätzt den Winzerchampagner und seine vielen Facetten sehr.


115

Pinot Meunier ist ein ungemein kraftvoller, sehr präziser Wein, der im Geschmack an reife, gelbe Früchte und Brioche erinnert.“ Es empfiehlt sich eine Trinktemperatur zwischen neun und zwölf Grad und als Glas dazu: das Riedel Veritas Old World Syrah. „In dem kommt dieser Champagner ideal zur Geltung.“

zu Geltung bringen. „Und mit richtig temperiert ist idealerweise neun bis zwölf Grad gemeint, in manchen Fällen gerne auch etwas mehr.“

Wichtig ist das Experimentieren mit den verschiedensten Champagnern und Glastypen. So kann man feststellen, was einem worin am besten mundet. René Antrag: „Man nimmt Eric Rodez aus Ambonnay hat beispielsweise größere Gläser, wenn es René Antrag ebenfalls angetan. es sich um Champagner mit längerer Mit dem „Blanc de Blancs“ aus hunHefelagerung handelt, bei Jahrgangsdert Prozent Chardonnay. „Stoffig, champagner sowieso, außerdem bei weiße Früchte, puristisch und mit im Holzfass vergorenen, bei jenen einer feinen Frische im Finish.“ Das mit längerer Reifezeit im Holz und bei Glas? Riedel Veritas Champagne. malolaktischer Gärung der Grundweine.“ An dieser Stelle sei das LexiAus dem Weingut Voutte & Sorkon bemüht und eine Erklärung beé wiederum stammt der 2009er gestattet. Da heißt es wie folgt: „Der „Fidèle“ aus hundert Prozent Pinot durch malolaktische Gärung resulNoir. „Der ist so richtig saftig, rauchig tierende biologische Säureabbau und füllig und schmeckt nach reifer führt bei der Weinherstellung zu ei„FIDÈLE“ VON nem harmonischen und ausgewogeFrucht.“ Passend das Burgunderglas VOUT TE & SORBÉE. aus dem Hause Zalto, und es empneren Geschmacksbild – ein Effekt, 100 PROZENT fiehlt sich obendrein, den besondeder sich qualitätssteigernd auswirkt.“ PINOT NOIR ren Tropfen zu dekantieren. „In dem Gut in der Hand liegt das kleinere Fall entfaltet er sein gesamtes AroGlas, wenn es sich um frische, um lema, und das ist ein grandioses.“ bendigere Champagner handelt. Um solche, die man als Aperitif genießt oder als Schluck zwischendurch. Das Veritas-Syrah-Glas von Riedel ist laut René Antrag das ideale für den „Naturessence“ von Benoît Grundsätzlich ist das Thema ein komplexes. Lahaye aus Bouzy, einer Cuvée aus fünfzig Prozent Egal, ob es sich nun um „klassischen“ oder um WinPinot Noir und fünfzig Prozent Chardonnay. „Kon- zerchampagner handelt. Und es ist ein Thema, das zentriert, füllig, langanhaltend und dem Sommelier am Herzen liegt. keine Dosage“ – so lautet in diesem Sehr am Herzen. Und damit wären Fall des Kenners Bulletin. wir auch wieder bei den eingangs erwähnten Eiswürfeln in Bezug auf Emmanuel Brochet aus Villersdas Zuviel an Kohlensäure. „Das gröaux-Noeuds wiederum besticht mit ßere Glas, das man schwenken kann, dem „Le Mont Benoit“: Vierzig Proist die eine Sache. Andererseits lässt zent Pinot Meunier, fünfunddreißig sich ein reiferer Champagner, und Prozent Pinot Noir, fünfundzwansomit natürlich auch ein reiferer zig Prozent Chardonnay. „Feinhefig, Winzerchampagner, ganz hervorrarauchig, salzig, ein wenig Brioche gend dekantieren, wenn man die Kaund gelbe Früchte“, fasst René Anraffe über Eis belüftet. Und schon ist trag zusammen und greift zum Burder Charakter der Perlage ein ganz gunderglas von Zalto. anderer“, sagt René Antrag.

RAUCHIG

Zu eben diesem Glase und zudem zur Karaffe tendiert er, wenn er den 2008er „Les Barres“ aus dem Hause Chartogne Taillet aus Merfy an den Tisch bringt. „Hundert Prozent Pinot Meunier und zart vom Holz geprägt. Ein wunderbarer Wein, ausgewogen, rauchig und würzig.“

Fundierte Beratung ist leider immer öfter eine Seltenheit. Und wird auch nicht immer gewünscht. René Antrag weiß damit umzugehen, „LES BARRES“ VON ist da für den Gast, wenn dieser es C H A RT O G N E TA I L L E T. wünscht, doch aufdrängen würde er 100 PROZENT sich nie. Und wenn es um WinzerPINOT MEUNIER champagner geht, so hat er große Freude, wenn Besucher des Lokals „Grundsätzlich“, sagt René Antrag, „sollte man von Haus aus Mut zur Offenheit zeigen, zum RisiWinzerchampagner nicht zu kalt trinken. Das ver- ko, das meist ohnehin gering ist, und zur Neugierdeckt die Aromen und ist weniger komplex.“ Richtig de. „Die ehrliche Handarbeit der Winzer ist enorm temperiert würde der Champagner weiniger schme- spannend. Und sie garantiert vor allem eines: immer cken, zugänglicher sein und die Aromenvielfalt mehr wieder ganz große Abwechslung.“

WÜRZIG


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GLAS-WEISE

„Ehrliche Handarbeit ist einfach enorm spannend.“

Aus Valle de la Marne etwa. Das Marne-Tal erstreckt sich von Epernay aus rund 40 Kilometer nach Westen und auf beiden Seiten des Flusses wachsen in erster Linie Pinot Noir und Pinot Meunier. Eine der zauberhaftesten Gegenden der Champagne. Die Montagne de Reims mit den kleinen Städten Bouzy und Ambonnay bildet den nördlichen Abschluss der Champagne. Hier wird viel Pinot Noir angebaut, dazu etwas Chardonnay und Pinot Meunier.

SALZIG „LE MONT BENOIT“

Nahezu ganz im Zeichen des Chardonnays steht Côte des Blancs, die nach Osten geneigten und von Wind und Wetter, die vom Atlantik herüberziehen, geschützten Hügel südlich von Epernay. Den Namen Côte des Blancs hat die Region der Farbe der Rebsorte zu verdanken, die tatsächlich nahezu hundert Prozent der Anbaufläche ausfüllt.

Apropos Abwechslung: Den UnVON EMMANUEL terschied zwischen einem SelbstkelB RO C H E T. P I N O T terer, sprich einem Produzenten von MEUNIER, PINOT Winzerchampagner, und einem HanUnd schließlich gibt es noch die N O I R , C H A R D O N N AY delshaus findet man schon winzig Côte des Bars, wo man dem Burgund klein und mit nur zwei unscheinbaschon verdächtig nahekommt. Deutren Buchstaben auf dem jeweiligen Etikett. RM (Ré- lich näher jedenfalls als dem Herzen der Champagcoltant manipulant) heißt das Buchstabenkürzel, das ne und weit mehr als hundert Kilometer von Reims Champagner eines Selbstkelterers von jenem eines entfernt. Dennoch finden sich hier auf den Hügeln Handelshauses (NM = Négociant manipulant), einer oberhalb der Seine immer noch über zwanzig ProGenossenschaftskellerei (CM = Coopérative de ma- zent Champagner-Reben, allen voran Pinot Noir. nipulation) oder von deren selbstverUnd es werden immer mehr Winzer, marktenden Mitgliedern (RC = Rédie nicht mehr an die großen Producoltant coopérateur) unterscheidet. zenten verkaufen, sondern lieber selWas die Champagner der Selbstkelber Champagner produzieren. terer in letzter Konsequenz so ungemein interessant macht, ist auch der Gaston Chiquet wird oben sitUmstand, dass diese Winzer ohne Auszen im Himmel auf einer Wolke mit nahme Trauben aus eigenen Reben gut sortiertem Keller und auf diese, verarbeiten und selbst in witterungsseine Nachfahren, anstoßen. bedingten Notfällen keine fremden zukaufen. Demzufolge ist auch eine stärkere Betontheit des Terroirs und oft auch des Jahrgangs gegeben. Denn die begrenzte Auswahl von abwechselnden Crus, die für die Assemblage zur Verfügung stehen, ermöglicht weniger große Nivellierungsmöglich„BLANC DE BLANCS“ keiten. Wer allerdings Champagner VON ERIC RODE Z. nicht ausschließlich als markenge100 PROZENT bundenes Prestigesymbol betrachtet, C H A R D O N N AY sondern als Wein mit klar identifizierbarer Herkunft, sieht just darin den großen Vorteil. Er findet es attraktiv, immer wieder einen anderen Champagner zu entkorken.

STOFFIG

Eben einen Winzerchampagner. Und die besten kommen hauptsächlich aus vier Regionen.



Genuss unter freiem Himmel.

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HAUSRE ZEP T & KO CHANLEITUNG

Wovon  &  wie viel

S. 120

LEISE RIESELN BUNTE FLO CKEN

119

Der Klassiker? Die Zitrone. Und früher hieß es Scherbett. Auch die Brüder Grimm fanden lobende Worte und zitierten aus dem „Lexikon von Jablonski“ aus dem Jahre 1727 – „aus einem aufgusz von wasser auf rosinen bestehend“. Heute heißt das Scherbett Sorbet, und die Zitrone spielt nur noch eine von vielen Hauptrollen in halbgefrorenen Regionen, in denen es neuerdings auch schneit.

3


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SCHNEE-TREIBEN

LEISE RIESELN B U N T E F LO C K E N 5-MAL ERFRISCHENDE EISZEIT FOTO: MIRCO TALIERCIO

Wenn es schneit im Steirereck, ist nicht das Dach undicht. Vielmehr sind die Künstler in der Küche kreativ und der Gast lässt den Gaumen berieseln. Von farbenfrohem Schnee. Von fruchtigem Sorbet. Erfrischend anders. Zum Dahinschmelzen gut. Cremig und flockig. Luftig und leicht. Und weder schwer noch schwierig, sondern einfach zum Nachmachen. Zu jeder Jahreszeit.


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GEEISTER ROTER MOND M I T S C H WA R Z N E S S E L

ZUTATEN

- 1000 g Roter-Mond-Apfel

ZUBEREITUNG

Entsaften. Ergibt ca. 800 ml Saft.

1000 g Topaz-Apfel - 200 g Roter-Mond–Topaz-

Aufkochen, rasch abkühlen und mit dem rohen Apfelsaft vermengen.

Apfelsaft - 110 g Kristallzucker - 8 g Schwarznessel / Shiso rot - 10 g Blattgelatine (eingeweicht)

Säubern, waschen und mit den Apfelsäften mixen. Die eingeweichte Gelatine auflösen und beigeben. Bedeckt für 1 Stunde gekühlt durchziehen lassen. Anschließend durch ein feines Sieb passieren. Den Roten-Mond-Schwarznesse-Saft über Eiswasser schaumig aufschlagen. (dauert ca. 10 Min.) In eine mit Frischhaltefolie ausgelegte Form 2 cm hoch einfüllen. Bedeckt für 12 Stunden frieren. Unmittelbar vor dem Servieren in gewünschte Stücke brechen.


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SCHNEE-TREIBEN

ZITRONENMELISSENSCHNEE

ZUTATEN

ZUBEREITUNG

- 100 g Kristallzucker

Aufkochen lassen. Erkalten und am Besten im Gefrierfach anfrieren lassen.

- 185 g Zitronenmelissen-Blätter

Die Blätter säubern & waschen.

- 630 g Wasser

- 18 g Sauerampfer-Blätter

Die Gelatine in den Zitrussäften auflösen.

- 100 g Zitronensaft - 10 g Limettensaft - 3 g Blattgelatine (eingeweicht)

Blätter, Gelatine & Zuckersirup zusammen fein mixen. Durch ein feines Sieb passieren und in Joghurtbecher abfüllen. Bedeckt für mind. 24 Std. vollständig durchfrieren lassen.

TIPP

Ideal zum Kombinieren mit eingelegtem Rhabarber, marinierten Erdbeeren.

TIPP

Bei der Verarbeitung darauf achten, dass allle Zutaten gut gekühlt sind.

Den gefrorenen Block auf einer feinen Handreibe (Microplane oder feinen Käsereibe) in eine geeiste Schüssel reiben.


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SAUERAMPFERSORBET

ZUTATEN

ZUBEREITUNG

- 75 g Sauerampfer-Blätter

Die Sauerampfer-Blätter säubern & waschen. Mit dem Eiswasser fein mixen.

- 45 g Wasser

Zusammen aufkochen und überkühlen lassen.

- 150 g Eiswasser

TIPP

Dabei zügig arbeiten, damit die Farbe erhalten bleibt.

- 125 g Glucose - 65 g Kristallzucker

Gelatine im Limettensaft auflösen, zufügen.

- 2 Blatt Gelatine (eingeweicht) - Saft & Abrieb einer 1/2 Limette - 400 g Joghurt (3,6 %)

Mit dem Sauerampfersaft und der erkalteten Zuckerlösung vermengen, durch ein feines Sieb passieren und frieren.


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SCHNEE-TREIBEN

HELLES MALZEIS ZUTATEN

- 500 g Heumilch - 50 g Malz

ZUBEREITUNG

Gemeinsam aufkochen. Umfüllen und bedeckt für mind. 12 Std. gekühlt ziehen lassen.

(Karamellmalz dunkel)

- 500 g Obers

Beigeben und nochmals erhitzen.

- 100 g brauner Rohrzucker - 250 g Eigelb

TIPP

Schaumig schlagen und einen Teil der erhitzen Malz-Milch-ObersMischung zu den schaumigen Eiern geben. Anschließend damit die restliche Milch zur Rose abziehen. Bedeckt kühlstellen.

Das Vermengen der Eier mit einem Teil der heißen Milch-ObersMischung verhindert ein zu schnelles Stocken des Eigelbs.

Die kalte Eismasse passieren und frieren.

TIPP

Für dieses Rezept wird das ganze Malzkorn, wie bei der Bierherstellung, verwendet. Die Malzarten unterscheiden sich wesentlich in Geschmack und Farbe. Karamellmalz dunkel: goldbraune Farbe, karamell-malziger runder Geschmack Gerstenröstmalz: sehr dunkle Farbe, herbe Kaffeearomatik


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Wohin  &  zurück

S. 128

GROSSE HOFFNUNG KLEINE FISCHE

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W E I T B L I C K & I N S P I R AT I O N

Es ist eine Reise ins Ungewisse, und wenn die Bremse nicht bald getreten wird, endet die Fahrt an der Wand. Es ist wahrlich nicht gut bestellt um die Weltmeere, die es zu retten gilt. Mithelfen kann jeder: der Hobbykoch, der Wirtshauskoch, der Spitzenkoch. Letzterer blickt aber auch gerne zurück. Ins Gemüsebeet der Oma, ins unverfälschte, steirische Paradies.

4 S. 134

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BEEREN. BEUSCHEL. WEIHNACHTSGABEN.

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MEER-WERT

GROSSE HOFFNUNG KLEINE FISCHE TEXT: ACHIM SCHNEYDER; FOTOS: MANFRED WAKOLBINGER

01 Welch klingender Name: Lissoporcellana nakasonai – die Porzellankrabbe.

J Ü N G S T V E R S A M M E LT E N S I C H 2 0 D E R W E L T B E S T E N K Ö C H E I M S PA N I S C H E N SAN SEBASTIAN. NICHT ABER, UM SICH GEGENSEITIG KULINARISCH ZU VERWÖHNEN, SONDERN UM EINE K A M PA G N E Z U U N T E R S T Ü T Z E N – „ S A V E O C E A N S : F E E D T H E W O R L D “.


129

Es ist nicht gut bestellt um die Weltmeere. „Ein großes Problem“, sagt Heinz Reitbauer, Wahrlich nicht. Sie sind – leider trifft es dieser „sind die Schleppnetze. Da beträgt die Beifangrate drastische Ausdruck – zugemüllt, sie sind – man- über zwanzig Prozent, und dieser Beifang wird eiche mehr, manche etwas weniger – aus dem ökolo- nerseits zu Fischmehl und Fischöl verarbeitet, um gischen Gleichgewicht gebracht, sie sind aber auch in der Folge an Zuchtfisch wie Lachs, aber auch an eines: Sie sind dramatisch überfischt. „Die wilden Hühner, Schweine und andere Tiere verfüttert zu Fischbestände gehen seit Jahrzehnten rasant und werden, andererseits wird er einfach tot ins Meer besorgniserregend zurück“, warnt Andrew F. Shar- zurückgeworfen. Da könnten Köche ansetzen und pless, Präsident der Hilfsorganisation Oceana, die sagen: Halt, den Beifang nehmen wir, bei dem es sich einzig der Rettung der Meere verschrieben hat sich häufig um Makrelen, Sardellen, Sardinen oder und auf deren Einladung 20 der weltbesten Köche Heringe handelt, die in einigen Regionen leider imnach San Sebastian reisten, um symbolisch ihre Stim- mer noch als wertlos gelten.“ men zu erheben und lauthals „Stopp“ zu rufen. Dabei sind ausgerechnet Fische wie Sardel„Wir können aber durchaus auch aktiv eingrei- len besonders gesund. „Sie haben einen sehr hohen fen und in unseren Küchen Zeichen setzen. In Res- Gehalt an Nährstoffen wie Omega-Fettsäuren, Vitaurantküchen, in Wirtshauskütamin A, Zink und Kalzium und chen und auch zu Hause am eigesind gleichzeitig arm an Giftstofnen Herd“, sagt Heinz Reitbauer, fen wie Quecksilber, das so häuneben Größen wie Ferran Adrià, fig bei größeren Fischen zu finden Massimo Bottura, René Redzepi ist“, erläutert Patricia Majluf, Vioder Joachim Wissler Teil der ilzepräsidentin von Oceana in Peru. lustren Runde rund um die spanischen Gastgeber Joan Roca und Antoni Luiz Aduriz.

„Zuchtlachs zählt zu den ungesündesten Lebensmitteln der Welt.“ Heinz Reitbauer

02

Sie heißen nicht zufällig so, wie sie heißen: Boxerkrabben tragen zur Verteidigung in den Scheren kleine Anemonen.


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„Wilde Fischbestände gehen seit Jahrzehnten dramatisch zurück.“ Andrew F. Sharpless

03 Der DunkelflossenBarrakuda – eine von 26 Arten dieser Gattung.

MEER-WERT


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 04

Ein Schwarm Makrelen – allzu oft landen diese Fische als Beifang in den Netzen und werden zu Fischmehl verarbeitet.


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05

MEER-WERT

Prächtiges Schauspiel auf dem Meeresgrund – eine Partnergarnele auf einer Blasenkoralle.


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06

Man sieht es ihnen nicht an, doch die gehäuselosen Fadenschnecken sind überzeugte Fleischfresser.

Apropos Peru: Hier entfallen rund zehn Prozent der gefangenen Fische einzig und allein auf Sardellen, doch mehr als neunzig Prozent dieser Sardellen enden als Fischmehl oder Fischöl und nicht auf dem Teller. „Das ist der Kreislauf, den man stoppen muss“, fordert Oceana-Präsident Sharpless. „Die Sardellen gehören gegessen und dürfen nicht fast ausschließlich zu Futter verarbeitet werden, das dann in Zuchtfarmen zum Einsatz gelangt. Diese Farmen sind ein großes Übel, nicht die vermeintlich minderwertigen Fische.“ Minderwertig – und hier kann der normale Konsument ansetzen und sich weigern ihn zu kaufen – ist längst auch der Zuchtlachs. „Eines der ungesündesten Lebensmittel der Welt“, sagt Heinz Reitbauer. Unter den wenig nachhaltigen Zuchtfarmen und über dem Meeresboden würden sich längst meterhoch Fäkalien türmen, die Ökosysteme sind in diesen Gebieten zum Teil ruiniert. „Wenn man darüber hinaus weiß, dass – nicht nur im Falle von Lachs – drei Kilo Fisch notwendig sind, um ein Kilo Handelsware zu erzielen, sollte einem der gesunde Menschenverstand sagen, dass man von diesem Einkauf besser absieht.“ Positiven Einfluss auf den Lebensraum Meer hätten hingegen andersgeartete Zuchtfarmen: Austernfarmen etwa, Muscheln oder Algen. Neunzig Prozent des weltweiten Fischfangs gehen auf das Konto von nur 30 Ländern. Was den Wildfang betrifft, liegen Peru und China an der Spit-

07 Seeanemonen, farbenfrohe Vertreter der Klasse der Blumentiere.

ze, gefolgt von der EU und den USA. „Der Erhalt der Weltmeere muss uns nicht zuletzt deswegen ein so großes Anliegen sein, denn allein dieser Lebensraum würde dank der Fische und Meeresfrüchte weltweit einer Milliarde Menschen täglich genügend und vor allem täglich gesunde Nahrung garantieren“, so der Chef von Oceana anlässlich des Startschusses zur Kampagne „Save Oceans: Feed The World“. Dass es längst überfällig ist, etwas zu unternehmen und auch die Politik mehr als bisher in die Verantwortung zu ziehen und in die Pflicht zu nehmen ist, belegen Zahlen von Wissenschaftlern, die Folgendes besagen: Im Jahr 2048 könnten die wildlebenden Fischbestände ausgestorben, die Weltbevölkerung im Gegenzug dazu von sieben auf neun Milliarden gewachsen sein. Eindrucksvolle Bilder zum Thema vermittelt eine Dokumentation, die auf der Website www.perfectprotein.oceana.org nachzusehen ist. Über diese Website kann man auch das Buch „The Perfect Protein“ beziehen, das nachhaltige Fischrezepte jener Köche enthält, die bei der Veranstaltung in San Sebastian zu Gast waren. Und die sich dafür einsetzen, dass sogenannte „Futterfische“ ihrem Namen insofern gerecht werden, als sie die Menschen füttern anstatt zu Mehl verarbeitet Zuchtfische ernähren, deren Wertigkeit längst hinterfragt werden muss.


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TISCH-GESPRÄCH


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JUSTINE KIRCHENGASTS GESCHMACKSERINNERUNGEN, AUFGEZEICHNET VON UTE WOLTRON

BEEREN. BEUSCHEL. WEIHNACHTSGABEN. FOTO: ANDREAS BALON

Wenn Heinz Reitbauer, der Junior wohlgemerkt, kleiden, die Liebe zum Kochen sei das Wichtigste. an seine Kindheit denkt, sieht er nicht zuletzt den Wenn man die habe, könne nichts schiefgehen. GeGarten seiner Oma in der Steiermark vor sich. Ribi- nau das würden freilich auch andere Omas, die das selstauden und Himbeeren, Salatbeete und Paradei- gute Kochen einigermaßen beherrschen, ihren EnVserzeilen. Ein duftendes, sonnendurchflutetes Pa- keln mitteilen. Doch Justine Aigner ist nicht nur radies für ein neugieriges Kind, das hinauslaufen, eine gute Köchin, sie hat diese Kunst als junges Mädselbst gepflückte Erdbeeren naschen und gerade chen gleich doppelt erlernt. Zum einen im elterliaus dem Boden gezogene Karotten knabbern will. chen Wirtshaus Aigner in Turnau, dem ersten Haus Das Frische, Ursprüngliche und möglichst Unver- am Platz, in dem sie schon sehr früh begann, in der fälschte, wie es in diesem Gemüsegarten zu finden Küche zu arbeiten und zu lernen. Zum anderen als war, ist ein wesentliches Element der Steirereck- Lehrmädchen in der weithin berühmten Küche Philosophie geblieben. Wer früh begonnen hat, die des Hotels Erzherzog Johann, damals das traditiUnterschiede zwischen Sorten und Arten zu erle- onsreichste und beste Hotel und Restaurant in Graz. ben und zu schmecken, bleibt der Frische und der Wobei sie Wert darauf legt, dass die Lehrmädchen zu Vielfalt treu. ihrer Zeit „Damen“ genannt wurden und alles von der Pike auf erlernen durften. Die Oma, sagt Heinz Reitbauer, sei eigentlich diejenige, die den feinen Geschmack vorgegeben und Aus dieser Phase stammen auch ihre Rezeptdas elegante Kochen in die Familie getragen habe. bücher, die sie im Laufe der Jahrzehnte der Reihe Nicht nur ihr Gemüse- und Obstgarten blieben in nach an Sohn und Enkel weitergegeben hat. Als ZetErinnerung, sondern auch ihre leichte, von Wissen, telsammlung, als Notizbuch und natürlich handgeKönnen und Instinkt getragene Art, Gerichte zuzu- schrieben. Über viele Jahre hinweg, meint Heinz bereiten. Eine ganze Reihe der beliebtesten Rezepte Reitbauer, bekam er zu seiner großen Freude zu des Steirerecks wurzeln in der Kochkunst der Oma, Weihnachten von seiner Großmutter vor allem dieund schon Heinz Reitbauer Senior schöpfte seiner- se kostbaren Erinnerungen an Rezepturen und Zuzeit, als das Steirereck noch ein junges und aufstre- bereitungen geschenkt. Immer, wenn die Oma irbendes Lokal war, aus dem Wissensfundus seiner gendwo noch weitere Aufzeichnungen fand, lagen Mutter. diese später auf dem weihnachtlichen Gabentisch für den Enkel. Zum Beispiel ihr Beuschel: Das bekam keiner so hin wie sie. Du, Mama, wie kochst du das? Wie Insbesondere die Nachspeisen waren ihr Meschneidest du das? Und wie würzt du es? So lauteten tier. Das Süße, das kochte sie am liebsten. Aber auch die Fragen des aufstrebenden Gastronomen an seine ihrer Art der leichten, nur sanft gewürzten GemüMutter, und die Antworten lieferte sie sogleich im sezubereitung ist die Familie treu geblieben. WieTopf – als fixfertiges Beuschel. Weil das, was man der steht der Geschmack der eigentlichen Zutat auf gut österreichisch G’spür nennt und was mit Fin- im Zentrum, nicht überladenes Würzen, höchstens gerspitzengefühl nur unzureichend übersetzt wäre, ein Hauch frischer Säure dazu, ein paar raffinierte Kräuter, dann lebt der Charakter der Gemüsepflaneben nicht in Worte zu fassen ist. ze auf dem Teller unverfälscht weiter. So wie der Was sie denn als Köchin auszeichne, so die Fra- Garten der Oma in der Erinnerung weiterlebt, wie ge an die so apart gebliebene, zierliche alte Dame? ihre Rezepturen aufgegriffen, raffiniert und ins HeuNaja, meint sie, eben dieses G’spür, das Gefühl bei te transferiert eine wichtige Zutat des Steirerecks der Zubereitung. Man könne das schwer in Worte bleiben werden.


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R E STA U R A N T - T I P P S

ANDERSWO RESERVIERT EMPFEHLUNGEN VON BIRGIT UND HEINZ REITBAUER, TEIL 3

• Grätzelessen – In der eigenen Stadt eine Empfehlung abzugeben, ist besonders schwierig. Zu viele mögliche Tipps, das Einschränken fällt schwer. Aber wenn man im engsten Radius, quasi im Grätzel, einen Rundumblick wirft, ist die Auswahl automatisch minimiert. Da unsere Kinder das ganze Spektrum der asiatischen Küche lieben, gleichsam gnadenlos um das letzte Maki ringen und auch den knusprigen Schweinsohren nicht abgeneigt sind, haben wir, ganz in Stadtparknähe, zwei Adressen.

N O. 2 7 R E STAU R A N T

Wien Hier wird der ganze Bogen der südostasiatischen Küche gespannt. Von Seidentofu über geschmorte Rindersehnen bis zum knusprigen Kaninchen mit viel SzechuanPfeffer. Die Karte ist nichts für Zartbesaitete, aber es ist für jeden etwas dabei und die Qualität ist konstant gut. Der herbe Servicecharme und die Einrichtung lassen die Konzentration ganz auf den Gerichten verweilen. Ein großer Vorteil: sieben Tage die Woche geöffnet. So braucht man, wenn der Magen knurrt, nur zum Hörer zu greifen und zu reservieren.

BENKEI

Wien Aufteilung, kommt es zu wahren Stäbchenkämpfen. Im Benkei ist die Auswahl und Qualität sehr fein. Im traditionellen japanischen Ambiente und mit kompetenter Beratung probieren wir immer wieder neue Gerichte. Eine sehr gute Sake-Auswahl begleitet die traditionelle Küche. • Wenn wir in die Arche Noah nach Schiltern fahren, ist das meist ein Tagesausflug. So schnell ist man in der Arche Noah nicht fertig – gibt es doch immer wieder Neues und Unbekanntes zu entdecken. Vor allem der Raritäten-(Jung)Pflanzenverkauf rund um den 1. Mai ist ein Erlebnis. So schaut moderne Völkerwanderung aus! Nach vollbrachtem Jungpflanzenkaufrausch ist eine ordentliche Stärkung anzuraten.

WEINBEISSEREI

HEURIGER GRABNER-SEDERL

Sooß / Baden Über den perfekten Heurigen lässt sich wohl genauso diskutieren wie darüber, ob das Wiener Schnitzel dünn oder etwas dicker geschnitten besser schmeckt. Für uns – seit Jahren – ein wahrer Höhepunkt ist der Heurige GrabnerSederl in Sooß bei Baden. Die Damen des Hauses – Maria und Romana Sederl – kümmern sich mit Herzblut um Gast und Genuss. Das Buffet ist zu jeder Zeit eine wahre Augenweide, das Salatbuffet spielt – von klassisch bis modern interpretiert – alle Stückerln und für das gebratene Gansl würden wir auch zu Fuß nach Sooß pilgern. Wobei wir nach einer Wanderung auf den – nicht zu weit entfernten – Peilsteinblick doch das Auto bevorzugen und das Pilgern verschieben … • Natürlich darf ein Blick über die Grenze nicht fehlen. Vor einiger Zeit hat es uns nach Singapur verschlagen und der folgende Tipp ist nur einer von vielen. Bei einem Singapuraufenthalt sollte man auf jeden Fall einen Besuch bei den traditionellen „Food Stalls“ einplanen. Hier wird auf gemeinschaftlichen Plätzen, umringt von den „Food Stalls“, die gesamte Bandbreite der asiatischen Küche angeboten. Völlig unprätentiös wird authentisch gekocht. Was frisch vom Markt kommt, wird mariniert, gebraten, gegrillt, gekocht und serviert. Nicht selten sitzen neben den Einheimischen Touristen aus aller Welt, um sich verwöhnen zu lassen.

ESQUINA

Singapore Laute Musik, eine lange Bar und cooles und legeres Ambiente. Das Esquina verdient wohl den Titel Tapas-Bar, wo doch die Gerichte direkt hinter der Bar von den Köchen vor dem Gast zubereitet werden. Am besten lässt man dem Team freien Lauf und winkt erst ab, wenn man nicht mehr kann. Es wird wunderbar frische, auf Markt- und saisonale Produkte fokussierte Küche geboten, dazu eine spannende Getränke- und Weinauswahl. Die Hütte „brummt“. Aber es wird laufend etwas frei, und während man wartet, kann man schon die Karte studieren und vorgustieren.

Mollands Ganz in der Nähe der Arche, in Mollands, befindet sich die Weinbeisserei. Die hauseigenen Turopolje-Schweine werden genauso verarbeitet wie die Produkte aus der näheren und weiteren Umgebung. Herzhafte und ehrliche Kost an einem heimeligen Ort. Dazu eine gute Flasche vom hauseigenen Wein, und schon entspannen sich die von der Jagd nach Jungpflanzen ermatteten Glieder. ADRESSEN NO. 27 RESTAURANT Ungargasse 27, 1030 Wien, www.no27-gourmet.at

WEINBEISSEREI Altweg 5, 3562 Mollands, www.weinbeisserei.at

BENKEI Ungargasse 6, 1030 Wien, +43 1 7181888

HEURIGER GRABNER-SEDERL Hauptstraße 51, 2500 Sooß / Baden, www.grabner-sederl.at

ESQUINA 16 Jiak Chuan Road, Chinatown. Singapore 089267, www.esquina.com.sg


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