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Alpine Vereine in Not
from Bergauf #3.2024
Alpine Vereine in Not
Explodierende Preise, steigender Bedarf an Sanierungs- und Adaptierungsmaßnahmen bei Schutzhütten und alpinen Wegen –die alpinen Vereine stöhnen unter enormen Kosten. Nur eine deutliche Erhöhung der öffentlichen Förderungen kann verhindern, dass weitere Hütten geschlossen und Wege aufgelassen werden müssen.
von Susanne Gurschler
Die Franz-Senn-Hütte in den Stubaier Alpen trägt nicht nur den Namen jenes Mannes, der als „Gletscherpfarrer“ und Mitbegründer des Deutschen Alpenvereins in die Geschichte einging. Sie ist auch eine „Vorzeige-Schutzhütte“. Erbaut 1885, erfuhr sie mehrere Erweiterungen und entwickelte sich ab den 1960er-Jahren zu einem Stützpunkt für Ausbildungen und Lehrgänge. Von der Franz-Senn-Hütte aus lassen sich anspruchsvolle Bergtouren, Skihochtouren und Überschreitungen zu anderen Hütten durchführen. Zudem liegt das Schutzhaus am Zentralalpenweg, einem von Niederösterreich nach Vorarlberg führenden Weitwanderweg, sowie am viel begangenen Stubaier Höhenweg. Der Alpenverein Innsbruck hat die FranzSenn-Hütte infrastrukturell tiptop gerüstet für Tages- und Übernachtungsgäste und als Pächter fungiert bereits in dritter Generation die Familie Fankhauser. Alles paletti also auf 2.147 m?
Bis vor drei Jahren schon. Nach einem Felssturz 2021 und Hochwasserereignissen 2022 sowie 2023 war nichts mehr wie davor. Die Zufahrt von Neustift im Stubaital ins Oberbergtal blieb gesperrt, der notwendig gewordene Alternativzustieg verlängerte die Gehdauer auf drei Stunden und das Parken am neuen Ausgangspunkt blieb ein Streitthema. Kaum noch Tagesbesucher, Einbruch bei den Ausbildungsgästen, Unsicherheit, wie es weitergeht – kurzum: „Drei große Naturereignisse und jahrzehntelange Aufbauarbeit geht den Bach runter“, wie Hüttenwirt Thomas Fankhauser trocken bemerkt.
Die Franz-Senn-Hütte ist nur eines von zahlreichen Beispielen, wie der Klimawandel den alpinen Infrastrukturen zusetzt. Druck kommt aber auch von anderen Seiten: Viele der in die Jahre gekommenen Schutzhütten müssen dringend generalsaniert, technisch und ökologisch, den Normen und Gesetzen entsprechend, aufgerüstet werden oder, wo nicht anders möglich, einem Ersatzbau weichen. Immer heftigere Naturereignisse führen dazu, dass das Wegenetz eine deutlich intensivere Betreuung und aufwendigere Sicherung benötigt. In stark gefährdeten Regionen müssen gar Alternativrouten geplant werden – mit zeit- und kostenmäßig signifikanten Konsequenzen.
Dabei stehen wir erst am Beginn des Klimawandels. Dieser an sich schon besorgniserregenden Entwicklung stehen seit Jahren gleichbleibende bzw. durch Inflation und Teuerung sinkende Budgets in vielen Sektionen sowie allen alpinen Vereinen Österreichs gegenüber. Was dazu führt, dass dringende Baumaßnahmen in der Warteschleife hängen, einige Schutzhütten und Wege nicht mehr bzw. nicht mehr in bestehender Form erhalten werden können. Nun schlagen die alpinen Vereine Alarm.
Budgetäre Löcher
Um das vielschichtige Problemfeld abzustecken, erst einmal einige Zahlen und Fakten. Insgesamt 429 Schutzhütten, Biwaks und sonstige Unterkünfte betreuen die alpinen Vereine in Österreich. Von Seiten des Bundesministeriums für Arbeit und Wirtschaft (BMAW) erhält der Verband alpiner Vereine Österreichs (VAVÖ) eine Basisförderung, die auch dem Erhalt dieser Infrastrukturen dient. Wobei die Richtlinien „Schutzhütten in Extremlagen“ als förderungswürdig definieren, worunter 272 der insgesamt 429 Hütten fallen. „Hier öffnet sich eine erste Kluft: Auch die anderen Hütten müssen instand gehalten und zum Teil erneuert werden“, betont Georg Unterberger, Abteilungsleiter Hütten und Wege des Österreichischen Alpenvereins. Dazu kommt, dass die Basisförderung des BMAW seit 2013 nicht mehr an die Inflation angepasst wurde. 2019 reduzierte das Ministerium die Fördermittel sogar von 3,6 Mio. Euro auf 2,72 Mio. Euro. Zwar erhöhten sich in Folge die Bundessportmittel (von ca. 2 Mio. auf aktuell 2,97 Mio. Euro), diese sind aber nicht nur für Hütten und Wege reserviert, sondern dienen ebenso der Erhaltung von Sportstätten, Kletteranlagen, der Durchführung von Sonderprojekten und dergleichen.
„Insgesamt stehen dem VAVÖ aktuell 6,5 Mio. Euro an Bundesförderungen inkl. EU-Mittel zur Verfügung. Allein die Instandhaltungskosten für die Hütten belaufen sich nur beim Alpenverein aber auf 11,5 Mio. Euro im Jahr“, ergänzt Unterberger und bricht die Angaben nochmals auf den Alpenverein herunter:
Wir benötigen im Jahr rund 9,5 Mio. Euro für den Erhalt der 225 Hütten und 26.000 km Wege. Anhand einer aktuellen Umfrage bei den Alpenvereinssektionen sehen wir, dass in den nächsten fünf Jahren 34,5 Mio. Euro zusätzlich benötigt werden.
Dabei geht es um die gesamte Bandbreite an baulichen Maßnahmen – von Sanierungen bis Ersatzbauten, um die Hütten technisch aufzurüsten etwa mit effizienten und ökologischen Anlagen zur Stromerzeugung oder Wasseraufbereitung. Dazu kommen Adaptierungen, damit die Hütten den Vorschriften in den Bereichen Brandschutz, Arbeitsrecht und gastronomische Ausstattung genügen. Auch im hochalpinen Bereich gelten meist die strengen Normen und Regeln für Beherbergungs- und Bewirtschaftungsbetriebe. Werden sie nicht erfüllt, droht die Schließung.
Wie im Tal
Ludwig Eichinger, Hütten- und Wegereferent des Alpenvereins Salzburg, weiß, was das bedeutet. Man setze in diesem Bereich derzeit „starke Initiativen“, sagt er. Müsse man, denn nachdem das Arbeitsinspektorat verstärkte Kontrollen auf den Schutzhütten im Bundesland Salzburg angekündigt hatte, kamen nach und nach die Anforderungskataloge, damit die jeweilige Schutzhütte weiter betrieben werden kann. „Eigene Sanitärräume für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, eigene Aufenthaltsbereiche, eigene Schlafräume, keine Stockbetten“, zählt Eichinger einige der baulichen Maßnahmen auf, welche die Behörde einfordert. Hinzu kamen in den letzten Jahren „Besichtigungen“ durch die Lebensmittelpolizei und deren Vorschreibungen. Um es nicht zum Äußersten, der Schließung des Betriebes, kommen zu lassen, „heißt es rasch handeln und ordentlich Geld in die Hand zu nehmen“, ergänzt Eichinger: „Teilweise müssen wir Schutzhütten erweitern, teilweise im Bestand große Umbauten vornehmen. Wo es sich nicht mehr rentiert, muss über Ersatzbauten diskutiert werden.“
Adaptierungen im Sinne des Arbeitsrechts, des Brandschutzes, der Fluchtwegsicherung und dergleichen gehen zu Lasten von Schlafräumen und Matratzenlagerplätzen. „Fallen Liegeplätze weg, reduzieren sich die Einnahmen der Sektionen. Diesen Ausfall auf die Pacht umzulegen, ist schwierig“, erklärt Eichinger. Zumal ja für die Pächter weniger Übernachtungsmöglichkeiten auch weniger Konsumationen bedeuten: Rechnet man 40 Euro pro Nase, kommt rasch eine spürbare Summe zusammen.
Hohe Anforderungen
Ohnehin gilt für die klassische Schutzhütte, dass sie für die Sektion ein Zuschussbetrieb ist und bleibt. Kurze Saison, starke Wetterabhängigkeit und erschwerte Bedingungen tragen zudem nicht dazu bei, den Beruf des Hüttenwirts, der Hüttenwirtin attraktiv zu machen. Nicht jeder Interessierte zeigt sich so zäh und ausdauernd wie Helga Pratl. Seit 18 Jahren ist sie Chefin der Salm-Hütte am Fuße des Großglockners. Die Versorgung der Hütte erfolgt am Beginn der Saison mittels Hubschrauber. Frischware holt die Pächterin zwei Mal die Woche von der benachbarten Hütte. Das heißt eine Stunde Fußmarsch hin und eineinhalb Stunden zurück – nun aber mit mindestens 20 Kilogramm auf dem Buckel. Wer hier arbeitet, muss zupacken können. Auch Handyempfang gibt es keinen.
Zu den gewachsenen Ansprüchen der Gäste gesellten sich im Laufe der Zeit neue Betätigungsfelder. So reinigt und wartet Pratl die Kläranlage der Salm-Hütte, wofür sie „selbstverständlich“ einen Klärwärterkurs absolvierte. Sie betreut die Photovoltaikanlage, denn ohne die kein Strom und kein Warmwasser. Vor sieben Jahren wurde die Salm-Hütte „generalüberholt“, der Um- bzw. Zubau mittels Architekturwettbewerb vergeben. Seither schläft die Hüttenpächterin nicht mehr im Keller, sondern über einer bestens ausgestatteten Küche. Vorbei die Zeiten, als in einem 12 Quadratmeter großen Raum gekocht, gebacken und abgewaschen wurde. Pratl ist froh darum, hält aber fest: „Einen derartigen Umbau könnte sich ein Privater gar nicht leisten.“
Doch auch den alpinen Vereinen geht die Luft aus. Die rasanten Kostensteigerungen der letzten Jahre spiegeln sich besonders im Baugewerbe, die sich am Berg noch viel dramatischer entwickeln: Um 42 Prozent sind die Baukosten im Tal seit 2013 gestiegen. Je extremer die Lage, desto teurer wird alles allein durch die Transportkosten. Dazu kommen ein schmales
Zeitfenster und unbeständige Witterung. „In Extremlage kann Material nur via Hubschrauber geliefert werden, aber auch die Anlieferung über Forstwege kostet viel Zeit und Geld“, so Doris Hallama, Vizepräsidentin des Österreichischen Alpenvereins und für den Bereich Hütten und Wege zuständig.
Explosion am Berg
Als eindrückliches Beispiel dafür, wie sich die Situation finanziell entwickelt hat, kann der Ersatzbau der Franz-Fischer-Hütte des Alpenvereins Lungau in den Radstädter Tauern dienen. Das 1923 eröffnete und mehrmals erweiterte Schutzhaus war sichtlich in die Jahre gekommen. Nicht zuletzt sorgte ein großer Wasserschaden dafür, dass die Sektion sich für einen Ersatzbau entschied. Eine Renovierung des Bestands wäre aus wirtschaftlicher Sicht nicht vertretbar gewesen.
2013 errichtet, erfüllt die Franz-FischerHütte das Credo der alpinen Vereine: Reduktion auf das Wesentliche! Das heißt: Erbaut mit architektonischem und ökologischem Anspruch, Einsatz natürlicher Materialien und Bedacht auf technische Nachhaltigkeit – Wiederverwendung von Bauelementen des Altbaus, Strom aus dem eigenen Kleinkraftwerk, biologische Kläranlage. In Summe kostete der Ersatzbau 700.000 Euro, finanziert u. a. aus Mitteln der Sektion, Fördergeldern des Alpenvereins und des Landes Salzburg. Vor zehn Jahren galt der Betrag noch als Kennzahl, heute ist man bei Planungen für Ersatzbauten weit darüber hinaus. „Mittlerweile reden wir von 2,5 bis 3,5 Millionen Euro bei einem Ersatzbau und das ist noch ein optimistischer Wert. Die meisten Berechnungen liegen bereits darüber“, erläutert Doris Hallama.
Wenn also allen alpinen Vereinen in Österreich zusammen im Jahr öffentliche Fördermittel von rund 6,65 Mio. Euro zur Verfügung stehen, braucht es nicht mehr als das kleine Einmaleins, um zu errechnen, wie viele Ersatzbauten sich ausgehen. Noch nicht gesprochen von den nicht minder drängenden Sanierungen, Adaptierungen und Renovierungen, noch nicht gesprochen von den Maßnahmen für das Umweltgütesiegel, das den alpinen Vereinen als Naturschutzorganisationen besonders am Herzen liegt (und von vielen Gästen mittlerweile auch gefordert wird), noch nicht gesprochen von den durch die Klimakrise notwendig werdenden Maßnahmen, um die Hütten etwa bei Wasserknappheit weiter betreiben zu können.
So musste, um den akuten Wassermangel des Admonter Hauses in den Ennstaler Alpen zu beheben, kurzfristig eine zusätzliche Quellfassung angelegt werden. Ansonsten hätte die Schutzhütte nur noch per Hubschrauber mit Wasser versorgt werden können. Sie steht mit dem Problem nicht alleine da, aktuell leiden unter anderen etwa die Heinrich-Hueter-Hütte (Montafon/Vorarlberg) und die Wangenitzsee-Hütte (Nationalpark Hohe Tauern/Osttirol) an Wassermangel. Immer häufiger müssen neue Quellen erschlossen oder Wasseraufbereitungsanlagen installiert werden.
Die Katastrophenfonds der alpinen Vereine reichen längst nicht mehr aus, um hier sofort die notwendigen Mittel bereitzustellen. Wassermangel gefährdet zudem den Betrieb von Kraftwerken und damit die Stromversorgung der Häuser. Durch das Auftauen des Permafrosts werden Untergründe instabil. Wie sich das auswirkt, konnte live an der Seethaler-Hütte in Ramsau am Dachstein verfolgt deren Eis durch Rückgang des Permafrosts schmolz. Dadurch geriet sie so massiv in Schieflage, dass nur noch ein Ersatzbau möglich war. Zudem entstand ein rund 35 Meter tiefes Loch, das mit einer Betondecke verschlossen werden musste.
Ohnehin gilt für die klassische Schutzhütte, dass sie für die Sektion ein Zuschussbetrieb ist und bleibt. Kurze Saison, starke Wetterabhängigkeit und erschwerte Bedingungen tragen zudem nicht dazu bei, den Beruf des Hüttenwirts, der Hüttenwirtin attraktiv zu machen.
Vier pro Jahr
Es fehlt mittlerweile an allen Ecken: Projekte hängen in der Warteschleife, da die Mittel für einen Ersatzbau nicht zu stemmen sind. Auf der immer länger werdenden Liste stehen etwa beim Österreichischen Alpenverein das Hinteralm-Haus in den Mürzsteger Alpen, die Eisenerzer Reichenstein-Hütte (Ennstaler Alpen) oder die in den Radstädter Tauern befindliche Südwiener Hütte. Dazu kommen große Sanierungsprojekte, um altehrwürdige Schutzhütten zukunftsfit zu machen. Allein für das 1886 eröffnete Zittel-Haus auf dem Hohen Sonnblick am Ende des Raurisertals, die Glungezer-Hütte in den Tuxer Alpen, die Muttekopf-Hütte (Lechtaler Alpen) oder die Bettelwurf-Hütte im Karwendel bräuchte es jeweils rund eine Million Euro und mehr.
Im Österreichischen Alpenverein mussten in den letzten 16 Jahren 24 Hütten aufgegeben werden. „Durchschnittlich verliert der VAVÖ mittlerweile vier Hütten jährlich“, verweist Georg Unterberger auf die Gesamtstatistik. Diese Entwicklung hat weitreichende Folgen nicht nur für Alpinistinnen und Alpinisten, sondern für alle bergaffinen Menschen und natürlich für den Tourismus. Bestens erschlossene Bergsportgebiete, alpine Erholungsräume, aber auch Weitwanderwege verlieren schlimmstenfalls ihre Verpflegungs- und Stützpunkte, verlieren Notunterkünfte und Meldestellen für alpine Notfälle. Gar nicht zu ermessen, welchen kulturhistorischen Aderlass es bedeutet, wenn Hütten nach und nach von der Landkarte verschwinden. Sie sind Zeugnisse der Erschließung der Alpen, Zeugnisse großer Pionierleistungen in baukultureller, bauhistorischer und technischer Hinsicht.
Dazu kommt: Auch die zu aufgelassenen Schutzhütten gehörigen Wege und Steige werden nicht mehr regelmäßig gewartet und instand gesetzt. Nach nur drei Jahren ohne Betreuung aber erlischt das von den Sektionen ersessene Wegerecht. „Und dieses ist weitaus wertvoller als jeder grundbücherliche Eintrag. Ein Wiedererlangen der Rechte ist nur mit Einverständnis der Grundeigentümer möglich und das Interesse der Grundeigentümer daran dürfte, gelinde gesagt, enden wollend sein“, umreißt Georg Unterberger eine weitere folgenreiche Problematik. Neue Vereinbarungen laufen über einen Eintrag ins Grundbuch oder gar nur einen zivilrechtlichen Vertrag, der aber jederzeit gekündigt werden könnte.
Viel mehr kraxeln
Rund 52.000 km Wege erhalten die alpinen Vereine in Österreich, ehrenamtlich betreut von engagierten Funktionärinnen und Funktionären. Diese Wege und Steige sind für alle nutzbar, die in den Bergen unterwegs sind! Das Ausmaß der persönlichen Leistungen ist gewaltig. So betreut die Sektion Salzkammergut insgesamt 203 km Wanderwege. 2023 wurden dafür 775 Arbeitsstunden aufgewendet, wobei Gerhard König den Großteil der Wege betreute und zwölf weitere Freiwillige im Einsatz waren.
Demgegenüber stehen die Kosten professioneller Anbieter. Firmen und Arbeiter verlangen deutlich mehr pro Kilometer Wegeinstandhaltung. So kosteten an einem bekannten Höhenweg 80 Kilometer Wegesanierung 2023 ca. 36.000 Euro, was pro Kilometer 450 Euro ausmacht, während bei einer Wegesanierung durch Ehrenamtliche nur Material und Verpflegung anfallen und mit rund 40 Euro pro Kilometer zu rechnen sei, wie Unterberger klarstellt.
Bei den jährlich anfallenden Investitionen für die Erhaltung der Wegeinfrastruktur greift das Solidarsystem der alpinen Vereine, sprich die Dachorganisationen unterstützen die Mitgliedsvereine. Doch auch hier steigen die Kosten überproportional. „Im Alpenverein haben sich die Wegekosten in den letzten Jahrzehnten verdoppelt“, so Unterberger. Immer öfter sind darüber hinaus komplexe technische Einbauten notwendig, immer öfter fordern Naturereignisse ein schnelles Handeln mit großem Gerät.
Schlagend werden wie bei den Hütten die Folgen der Erderhitzung mit massiven Auswirkungen auf alpine Wege und Steige. Mit dem Rückgang der Gletscher führen immer mehr hochalpine Pfade über teils abschüssige bis spiegelglatte Felsflanken und unwegsame Schotterhalden. Rund 20 Prozent der Wege seien darüber hinaus vom Tauen des Permafrosts betroffen, weiß Marco Gabl, Ansprechpartner im Alpenverein für die Sektionen in Sachen Wege. Zusätzliche Herausforderungen für die Sektionen als Wegehalter, die ehrenamtlichen Wegewarte und ihre Helfer. Immer öfter entstehen große Kosten, weil bei Naturereignissen professionelle Unternehmen beauftragt, Bagger und andere teure Maschinen eingesetzt werden müssen.
Insgesamt 52.455 km Wege erhalten die alpinen Vereine in Österreich, ehrenamtlich betreut von engagierten Funktionärinnen und Funktionären. Diese Wege und Steige sind für alle nutzbar, die in den Bergen unterwegs sind! Das Ausmaß der persönlichen Leistungen ist gewaltig.
Weniger Ehrenamt
Im Gegensatz zu anderen alpinen Vereinen spürt der Alpenverein Salzburg keinen Rückgang bei den ehrenamtlichen Wegewarten und Helfern. Die Gruppe sei stark, gut eingespielt und trotze allen Widrigkeiten, erklärt Ludwig Eichinger stolz. Über die aus Haftungsgründen für alle alpinen Vereine verpflichtende jährliche Überprüfung der Wege samt Protokollierung der Maßnahmen hinaus „machen wir diese Kontrollen fix zwei Mal im Jahr und zusätzlich, wenn es Unwetterereignisse gibt“, ergänzt er. Die Anzahl außertourlicher Einsätze habe aber deutlich zugenommen, so am Untersberg, einem der Hausberge Salzburgs, wo durch Windwurf mittlerweile jährlich große Schäden entstehen und umfangreiche Sanierungs-, Sicherungsund Aufräumarbeiten notwendig werden.
„Im Großvenediger-Gebiet, im Obersulzbachtal zur Kürsinger-Hütte hatten wir in den letzten drei Jahren jeden Sommer ein Katastrophenereignis“, erzählt Eichinger. Hätte der Katastrophenfonds des Landes Salzburg hier finanziell nicht unterstützt, hätte man die akut anfallenden Kosten nicht stemmen können. Ein Weg musste zudem aufgelassen und neu angelegt werden. Dank dem Knowhow in den eigenen Reihen ging das zwar ohne Fremdunterstützung, dennoch ist das Wegehalter-Team allein hier seit drei Jahren in Etappen am Werken.
„Der Gesamtweg reicht von der Talstation der Materialseilbahn bis zur Kürsinger-Hütte, im ersten Jahr haben wir einen neuen provisorischen Steig errichtet, im zweiten provisorische Leitern und Stufen an kritischen Stellen und nun im dritten Jahr werden die Leitern durch professionelle Metallleitern ersetzt“, umreißt Eichinger die Maßnahmen. Andernorts mussten derart aufwendige wiederkehrende Arbeiten bereits in professionelle Hände gelegt werden, weil nicht mehr genügend ehrenamtliche Funktionäre ihre Freizeit den immer umfangreicheren Erhaltungsmaßnahmen der alpinen Wegeinfrastruktur opfern wollen.
Ohne massive finanzielle Unterstützung der öffentlichen Hand erhöht sich der Investitionsstau und bestens erschlossene hochalpine Gebiete verlieren touristisch wie kulturhistorisch sukzessive wertvolle Infrastruktur. Der Ruf des Verbands alpiner Vereine Österreichs nach deutlich höherer finanzieller Unterstützung durch die öffentliche Hand ist daher laut und deutlich.
Beklemmende Aussichten
In Summe zeigt sich ein klares wie beklemmendes Bild: Verstärkter Sanierungsbedarf, Zunahme an Ersatzbauten, explodierende Baukosten, immer massivere Folgen des Klimawandels, immer höhere Ausgaben bei der Instandhaltung und -setzung alpiner Wege, dazu steigende Notwendigkeit, neue Routen zu finden, fordern die alpinen Vereine weit über das gängige Maß hinaus. Ohne massive finanzielle Unterstützung der öffentlichen Hand erhöht sich der Investitionsstau und bestens erschlossene hochalpine Gebiete verlieren touristisch wie kulturhistorisch sukzessive wertvolle Infrastruktur. Der Ruf des Verbands alpiner Vereine Österreichs nach deutlich höherer finanzieller Unterstützung durch die öffentliche Hand ist daher laut und deutlich. Geht es doch darum, ein einzigartiges System an Wegen und Schutzhütten im alpinen Raum, das allen bergaffinen Menschen offensteht, mit einer langfristigen Perspektive zu versehen.
Nach langem Ringen und Bangen eröffnet sich für Familie Fankhauser auf der Franz-Senn-Hütte eine Perspektive –aber eine „mit Fragezeichen“, wie Thomas Fankhauser anmerkt. Vor kurzem ebnete die Gemeinde Neustift den Weg für eine Zufahrt ins hintere Oberbergtal. Der ehemalige Privatweg der Bringungsgemeinschaft soll zur öffentlichen Privatstraße werden. Ein Etappensieg: Denn gebaut wird noch nicht und die Verhandlungen gestalten sich zäh. „Es gehe nicht mehr um das Ob, sondern um das Wann“, verkündete der Neustifter Bürgermeister diesbezüglich. Bleibt die Frage, ob der Atem der Fankhausers noch so lange reicht. Für Thomas Fankhauser ist „die Zeit des Schönredens“ jedenfalls vorbei.
Immer öfter entstehen große Kosten, weil bei Naturereignissen professionelle Unternehmen beauftragt, Bagger und andere teure Maschinen eingesetzt werden müssen.
Autorin: Susanne Gurschler ist Journalistin und Buchautorin und lebt in Innsbruck.