ALSO NEWS
Kognitive Systeme und Leadership Wie in eine Zukunft führen, die man noch nicht kennt?
Der Einsatz kognitiver Systeme ergibt neue Chancen und Herausforderungen in Unternehmen, Wirtschaft und Gesellschaft. Wie verändern die smarten Assistenten von morgen die Art und Weise, wie wir Teams, Projekte und Unternehmen erfolgreich führen? Jean-Marc Hunziker, Manager IBM Client Center Research – Zurich Wir Führungskräfte stehen heutzutage vor immer zahlreicheren Möglichkeiten, Chancen und Gefahren. Das Umfeld verändert sich dabei rasant und die Spielregeln können sich schnell grundlegend wandeln. In zunehmend komplexeren Situationen müssen wir konstant unser Umfeld auf neue Ideen und Wachstumschancen prüfen und vielversprechende Möglichkeiten energisch verfolgen, auch wenn es bedeutet, ein strategisches Risiko einzugehen oder gegen (interne) Widerstände anzugehen. Dafür ist eine gute Urteilskraft nötig: die Fähigkeit, zeitnahe, aber faktenbasierte Entscheidungen zu treffen und dabei Information und Expertise, Erfahrung sowie Intuition optimal miteinander zu verbinden. Die Flut an Daten und Informationen, die wir heute zur Entscheidungsfindung heranziehen können, ist dabei längst zum Problem geworden. Denn es fehlt uns die Zeit, alle vorhandenen Informationen zu verarbeiten – dem Onkologen, dem pro Jahr 80 000 neue Publikationen in seinem Fachgebiet zur Verfügung stehen, genauso wie der IBM Software-Beraterin, die ein Portfolio von über 22 000 Software-Produkten anzubieten hat. Kognitive Computersysteme wie Watson können Entscheidungsträger dabei unterstützen, verfügbare Daten auszuwerten und mögliche Konsequenzen besser einzuschätzen. Watson kann einen Entscheidungsfindungsprozess massgeblich beschleunigen und zugleich auf Basis aller relevanten Informationen eine Empfehlung abgeben. Die Stärke kognitiver Systeme liegt darin, zeitaufwendige, aber notwendige Aufgaben effektiv zu unterstützen und die Entscheidungskompetenz auf der fakten- und informationsbasierten Seite zu verbessern. Watson stellt bisher unbeachtete Querverbindungen zwischen Daten her, filtert gewissermassen das Rauschen der zur Verfügung stehenden Daten und hilft, zwischen Störgeräuschen und wichtigen Signalen zu unterscheiden. Es liefert Fakten und Empfehlungen – und das bei voller Transparenz. Nur so können wir darauf
8
vertrauen, dass der Assistent wirklich entsprechend unserer Kriterien sucht. Das ist sehr hilfreich, wenn man die richtigen Fragen zu formulieren weiss. Neue Herausforderungen Allerdings ist diese Stärke der kognitiven Systeme für Führungskräfte auch zugleich die grösste Herausforderung. Technik hilft, Technik unsichtbar zu machen. Sie darf aber nicht unsere Verantwortung verschleiern. Expertise, Erfahrung und Intuition bleiben auch mit Watson entscheidende Anforderungen an einen kompetenten Entscheidungsträger. Ein IBM-Forschungsteam in Australien befasste sich kürzlich mit den Daten der Fahrzeugflotte eines Bergbauunternehmens. Obschon die besten Analytiker die vorhandenen Daten bearbeiteten, liess sich der gewünschte Optimierungseffekt des Fahrzeugeinsatzes einfach nicht erreichen. Es war wohl die Menschenkenntnis und Erfahrung des Forschungsleiters, die ihn schliesslich entscheiden liessen, die Fahrzeuge vor Ort anzuschauen und mit den Chauffeuren zu sprechen. Dabei stellte sich heraus, dass die meisten Fahrer diesen kleinen Apparat, der ihnen Anregungen zum optimierten Einsatz ihrer Fahrzeuge geben sollte, einfach ignorierten oder ganz ausgeschaltet hatten. Sie wollten sich nicht von einer Blackbox vorschreiben lassen, wie sie ihre Arbeit erledigen sollten. Eine gute Führungskraft muss auch im Zeitalter von kognitiven Computern über die Fähigkeit verfügen, basierend auf Respekt, Integrität und Wertschätzung, Vertrauen aufzubauen. Und sie braucht mehr denn je eine ausgeprägte Kommunikationsfähigkeit. Die Optimierung der Fahrzeugflotte klappt nur, wenn die Chauffeure den Sinn der Massnahme verstehen und mittragen.