2010_2011_12_01_anschlaege

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feminismus XXXL

l l an.schläge das feministische monatsmagazin. dezember 2010 l jänner 2011

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Fat Feminism Size Zero den Kampf ansagen „Sperrt mal eure Lauscherchen auf“ Sineb El Masrar: Was Muslim Girls einfordern Leaving Las Vegas Glücksspiele an der EU-Außengrenze Plus: Ausschluss Basta! >> Alternatives Zukunftsbudget >> Gender Trouble in der Biologie >> VALIE EXPORT >> Fair oder gar nicht konsumieren >> und vieles mehr

an.schläge Nr. 12/10-01/11, 24./25. Jahrgang, € 3,80 (Ö) € 4,80 (D) sfr 9,00 , ISSN 1993-3002, P.b.b. Erscheinungsort Wien, Verlagspostamt 1010 Wien, envoi à taxe réduite, GZ 02Z031419 M


Wiener Lebensqualität Damit Wien nachhaltig die lebenswerteste Stadt der Welt bleibt

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Sweet Anticipation. Jahresausstellung 2010/11 09.12.2010 – 30.01.2011

im Dezember 2010: Sa 11. Dez, 10–19 Uhr, So 12. Dez, 10–14 Uhr

Kulturgeschichte des Geldes Seminar mit Birge Krondorfer, Philosophin Unkostenbeitrag inkl. Kopien: 20–35,- Euro (Selbsteinschätzung)

Birgit Pleschberger. Rapunzel 09.12.2010–30.01.2011 Großer Saal

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FRAUENHETZ

Kabinett

Unsere MitarbeiterInnen sorgen jeden Tag dafür, dass das Licht angeht und die U-Bahn pünktlich kommt. Wir sind stolz darauf, die lebenswerteste Stadt der Welt mitzugestalten. Wien erreicht seit Jahren Spitzenwerte im internationalen Vergleich, was die Mercer-Studie mit dem 1. Platz erneut eindrucksvoll bestätigt. Die Wiener Stadtwerke haben sich nachhaltiges Handeln zur Aufgabe gemacht, um diese Lebensqualität zu sichern. Die Infrastruktur auszubauen, das Angebot kontinuierlich zu optimieren, mit den Umweltressourcen verantwortungsvoll umzugehen und den MitarbeiterInnen das beste Fachwissen zukommen zu lassen sind nur einige der Nachhaltigkeitsleitsätze der Wiener Stadtwerke. Es lebe die Stadt. Mehr Infos auf www.nachhaltigkeit.wienerstadtwerke.at

10.11.10 10:48

Sa 18. Dez, 18 Uhr

Barcelona Feminista Internationale Zusammenkunft feministischer Vereine zu Kultur, Bildung und Politik. Übersetzung in Englisch und Spanisch. Moderation: Nina Hechenberger

Frauenhetz – Feministische Bildung, Beratung und Kultur

Die Veranstaltungen finden in der Frauenhetz statt und sind für Frauen. Unsere Journaldienstzeiten: Mo, Di, Do 8.30–12.30 Uhr sowie nach Vereinbarung Die Räumlichkeiten der Frauenhetz sind rollstuhltauglich.

Details > www.frauenhetz.at

A-1030 Wien Untere Weißgerberstr. 41 Tel/Fax +43 1 715 98 88

Die Frauenhetz wird u.a. unterstützt von:


Politik

an.schläge

06 >>>

an.riss politik

08 >>>

Ausschluss Basta! Offener Brief gegen den rassistischen Konsens in Österreich

09 >>>

Unrecht nicht hinnehmen Die Arbeit der Wiener Deserteurs-und Flüchtlingsberatung wird erneut ausgezeichnet

10 >>> 12 >>>

Budget mit Zukunft Die Allianz „Wege aus der Krise” hielt ihre zivilgesellschaftliche Budgetrede

14 >>>

an.riss international

Feminismus parteilich Interview: Stina Sundberg spricht über die Zukunft der schwedischen (Frauen-)Politik

Thema: Fat Feminism 17 >>>

Dürfen wir noch Kuchen essen? Der Körper als soziale Visitenkarte und Interventionen des Fat-Rights-Aktivismus

20 >>>

Invasion of the Chubsters Interview: „Boss Bitch” Charlotte Cooper über den Donut-Gruß und Fat Politics

22 >>>

Zarte Füße, dicke Hintern Klassische und neue Kinder- und Jugendbücher im Donut-Ranking

Gesellschaft 24 >>>

an.riss arbeit wissenschaft

27 >>>

Differenzforschung als Ideologie Interview: Heinz-Jürgen Voß dekonstruiert Geschlecht aus biologischer Perspektive

30 >>>

Leaving Las Vegas Vom Leben zwischen Grenzverkehr und Glücksspiel am Rande der EU

32 >>>

„Sperrt mal eure Lauscherchen auf“ Interview: Sineb El Masrar, Autorin von „Muslim Girls”, spricht über „deutsch-deutschen Feminismus”

Kultur

36 >>>

Die nackte Haut ist sekundär Zwei Ausstellungen bieten einen Überblick über das Schaffen von VALIE EXPORT

an.sage: Zwischen Chips und Bier sprechblase: Sager des Monats plusminus: Gummi-Komplott vs. Kuscheln mit Gott an.frage: 25 Jahre Initiative Schwarze Menschen in Deutschland medienmix: thealit, Die Mädchen WG, WIR 2011 an.sprüche: Fair oder gar nicht an.lesen: Eva Maria Bachinger, Claire Bretécher, Ruth Landshoff-Yorck, Elisabeth Hartlieb u.a., Eva Geber, Elisabeth Harvey, Andrea Ellmeier u.a. an.klang: Kylie Minogue, Robyn, Natalie Beridze, Greie Gut Fraktion, Plaided, Ikonika an.sehen: Wilde Minze an.künden: Termine & Tipps

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Kolumnen

an.riss kultur

Rubriken

34 >>>

neuland zeitausgleich heimspiel lebenslauf lesbennest bonustrack: clara luzia katzenpost zappho des monats

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editorial Die Arbeit am aktuellen Themenschwerpunkt hat uns den Mund ordentlich wässrig gemacht (siehe Coverbild!). Seitdem lechzt das vierköpfige Team der Schlussproduktion ständig nach fetten süßen Kringeln. Empfehlungen für die besten Donuts in town werden mit Freuden entgegengenommen! Aufgefettet wird das Heft auch durch die neue Ausgabe der feministischen Rezensionszeitschrift „WeiberDiwan”, die den an.schlägen beigelegt ist. Satt und rund gehen wir daher in die Winterpause – die nächste Nummer erscheint wieder Ende Jänner 2011. Wir wünschen erholsame Feiertage und einen großartigen Start ins neue Jahr! Die Redaktion

an.schläge werden gefördert von:

Feminist Superheroines Judith „Jack“ Halberstam (*15. Dezember 1961), Aktivist_in, Professor_in für Englische Literatur, Vorstand des Zentrums für feministische Forschung an der University of Southern California. Halberstams bekannteste Werke, „Female Masculinity“ (1998) und „In a Queer Time and Place: Transgender Bodies, Subcultural Lives“ (2005), widmen sich u.a. der visuellen Repräsentation geschlechtlicher Ambiguität (etwa in der Drag-King-Subkultur) und Transgender-Politiken. „Männlichkeit und Weiblichkeit sind soziale Geschlechter, die nicht einfach von Männern und Frauen hergestellt werden, die jeweils ihr entsprechendes Geschlecht darstellen. Es gibt immer Überkreuzungen: Frauen, die Männlichkeit darstellen und Männer, die Weiblichkeit darstellen.“ 2011 erscheint Halberstams neues Buch „The Queer Art of Failure“. Collage: Lina Walde

posteingang  Betrifft: „Rosa gestempelt” in an.schläge 10/2010 Es ist eine absolute Fehlinterpretation unserer Aussagen, wenn ihr behauptet, dass die grundsätzliche Kritik am österreichischen Asylsystem, „wie sie vom Lila Tip formuliert wird”, für „viele Lesben und Schwule mit EU-Pass weitaus weniger selbstverständlich” sei, und dafür als Beispiel die HOSI Wien anführt. Gegenstand unserer Medienaussendung war zum einen ein Demo-Aufruf (und da die HOSI Wien die diesbezüglichen gemeinsamen Forderungen vollinhaltlich un-

terschrieben hat, haben wir sehr wohl scharfe und grundsätzliche Kritik an der Asylpolitik geübt!). Zum anderen stellten wir Falschinformationen richtig, wonach wegen ihrer Homosexualität verfolgte Personen in Österreich kein Asyl erhalten könnten. Es ist auch eine tendenziöse Kommentierung, wenn ihr wahrheitswidrig behauptet, wir hätten „nicht ohne Stolz” betont, Österreich sei in dieser Sache seit 1991 international Vorreiter gewesen. Wir haben dieses Faktum völlig neutral festgestellt – weder mit noch ohne Stolz. Wir haben auch von keiner „Vor-

bildwirkung” der österreichischen Asylgesetzgebung gesprochen. Diese Schlussfolgerung ist völlig unzulässig, ebenso wie eure Unterstellung, wir hätten damit das österreichische Innenministerium gelobt. Da wir das nicht getan haben, verkennen wir auch keineswegs, dass Österreichs Asylgesetze immer strikter geworden sind. Allerdings wurde der mögliche Asylgrund „Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe aufgrund von Homosexualität” seither nie infragegestellt! Kurt Krickler, Generalsekretär, Homosexuelle Initiative (HOSI) Wien

impressum

Herausgeberinnen und Verlegerinnen: CheckArt, Verein für feministische Medien und Politik. A-1030 Wien, Untere Weißgerberstr. 41, T. 01/920 16 76, e-mail: redaktion@anschlaege.at, office@anschlaege.at, www.anschlaege.at l Koordinierende Redakteurinnen: Sylvia Köchl, office@anschlaege.at, T.01/920 16 78, Vina Yun, redaktion@anschlaege.at, T. 01/920 16 76 Buchhaltung, Abos: Verena Stern, buchhaltung@anschlaege.at, abo@anschlaege.at l Termine, Tipps: Nadine Kegele, termine@anschlaege.at l Inserate: Michèle Thoma, mi.thoma@chello.at l Redaktion: Bettina Enzenhofer/be, Andrea Heinz/han, Sylvia Köchl/sylk, Silke Pixner/pix, Fiona Sara Schmidt/fis, Verena Stern/vers, Lea Susemichel/les, Irmi Wutscher/trude, Vina Yun/viyu l Praktikum: Sanja Nedeljkovic l Texte: Claire Benedikt, Gesine Claus, Karin Cudak/kc, Sonja Eismann, Denice Fredriksson, Silke Graf, Beate Hammond, Christine Hartmann, Nina Honzik/niho, Gabi Horak/GaH, Mia Kager, Leonie Kapfer, Nadine Kegele/nad, Birge Krondorfer, Katharina Ludwig, Clara Luzia, Gabriele Migdalek, Katharina Morawek,

Sanja Nedeljkovic/sane, Vanessa Redak, Ines Voigts, Anita Weidhofer/atina l Layoutkonzept & Layout: Lisa Bolyos l Coverfoto: Mike Flippo/123rf.com l Cartoons & Illustrationen: Paula Bolyos,

Nadine Kappacher, Lisa Max, Bianca Tschaikner, Lina Walde, Zappho l Fotos: an.schläge-Archiv, Autonome Frauenhäuser Schleswig Holstein, Emli Bendixen, Günter Bieringer, Dan Brady, Michael Dörfler, Andi Dvorˇak, Bettina Enzenhofer, gaelx/flickr.com, Archiv VALIE EXPORT/Hermann Hendrich, Christa Holka, Lydia Lechner, Maˇdaˇlina/flickr.com, Magic Krtek/flickr.com, marythom/flickr.com, Nachlass Birgit Jürgenssen/VBK, Reclaim Reklam, rotkraut.c.r./flickr.com, Csaba Szépfalusi, T.M./panoramio.com, The Chubsters, Amdela Wartenberg, WAVE l Homepage: Mirjam Bromundt, www.anschlaege.at l Druck: H.R.G. Druckerei © an.schläge: Titel, Vorspann und Zwischentitel von der Redaktion. Namentlich gekennzeichnete Beiträge müssen nicht der Auffassung der Redaktion entsprechen. Kürzungen vorbehalten. l ISSN 1993-3002

04 l an.schläge Dezember 2010 l Jänner 2011


an.sage

Zwischen Chips und Bier Ein Kommentar von Silke Pixner

Es ist drei Uhr nachts. In der Ferne wummert der Bass, und ich bin genervt. Aber nicht vom Kopfweh, das ich langsam zu spüren beginne, sondern von dem Plakat der Beratungsstelle „Es gibt Alternativen”, das gefühlte zwei Zentimeter vor meinem Kopf auf der Klotür des „Shooters” klebt. „Abtreibung muss nicht sein” steht da, und wieder einmal wird Frauen mit dem „Post-Abortion-Syndrom” Angst eingejagt, denn schließlich hätten schon so viele ihre Entscheidung abzutreiben bald zutiefst bereut und ihr gesamtes Leben damit zerstört. Ich muss kotzen. Den gesamten nächsten Tag bleiben sowohl Kopfweh als auch Ärger meine treuen Begleiter. Denn das Plakat geht mir nicht aus dem Kopf, und so klicke ich mich durch die Homepage „www. es-gibt-alternativen.at”. Dort wird so richtig schön Panik gemacht: „Schreckliche Albträume quälen mich seither jede Nacht. Darüber darf ich aber nicht sprechen. Tote Kinder – wohin ich sehe” und „Das Trauma der Abtreibung zerstörte mein Leben” sind nur zwei der Stimmen, die sich dort unter der Rubrik „Ist nach der Abtreibung alles wie vorher?” finden. Die ganze Seite hat nur ein Ziel: Frauen durch das Schüren von Angst davon abzubringen, ihr Recht auf Abtreibung wahrzunehmen. Auch auf der Straße tobt der Kampf um den Frauenbauch. „Leider ist es immer noch so, dass Abbruchskliniken und Informationen über Abbrüche viel einfacher zu finden sind als Schwangerenberatungsstellen”, behauptet Martina Kronthaler, Generalsekretärin von „aktion leben österreich”, auf deren Homepage. Doch die Realität sieht anders aus: Im Laufe eines Tages begegnen mir unterwegs drei Poster der „aktion leben” und zwei weitere Plakate meiner Klobekanntschaft. Ein einziges Sujet der Einrichtung „gynmed”, die Schwangerschaftsabbrüche durchführt, weist aktiv auf die Entscheidungsfreiheit der schwangeren Frau hin, das Baby zu bekommen oder eben nicht. Ich wünsche mir mehr solche Plakate. Derzeit läuft in England ein Spot der Organisation „Marie Stopes International”, die in eigenen Kliniken auch Abtreibungen durchführt. Darin sind drei Frauen zu sehen, die sich offensichtlich wegen ihrer überfälligen Periode Sorgen machen, schwan-

ger zu sein. Der Begleittext: „If you’re pregnant and you don’t know what to do – Marie Stopes International can help.” Kein einziges Mal fällt das Wort Abtreibung. Nichtsdestotrotz liefen „LebensschützerInnen” in Großbritannien Sturm. Auch in Deutschland wird der Spot heftig diskutiert. Der Privatsender RTL bezog Position und zeigte in einem Bericht über den Werbespot, was er davon hält – nämlich nichts. Sichtlich entrüstet leitet die Moderatorin den Beitrag ein: „Stellen Sie sich vor, zwischen Chips- und BierWerbung läuft auf einmal ein Werbespot für Abtreibung.” Es folgt eine Reportage, in der bei einer Straßenbefragung nur Frauen zu Wort kommen, die den Spot ablehnen. „Für Abtreibung Werbung zu machen, finde ich schwachsinnig”, oder: „Es wird zu leichtsinnig mit dem Thema umgegangen. Es wirkt so, als würde man wie mit einem Schnupfen zum Arzt gehen und stattdessen einfach so zum Abtreiben zum Arzt gehen.” Die Reportage endet schließlich mit der Geschichte einer Frau, die es schwer bereut, abgetrieben zu haben. Sie kritisiert, dass in dem betreffenden TV-Spot nicht die möglichen psychischen Folgen einer Abtreibung angesprochen werden. Abgesehen davon, dass eine Studie der „American Psychological Association” mittlerweile das „Post-AbortionSyndrom”, also einen Zusammenhang zwischen schweren Depressionen und einer vorangegangenen Abtreibung, widerlegt – wer klärt über die psychischen Neben- und Nachwirkungen auf, die das Aufziehen eines ungewollten Kindes mit sich bringt? Ein Hauptargument der „LebensschützerInnen” – eine „kaputte” Psyche nach einem freiwillig durchgeführten Schwangerschaftsabbruch – enttarnt sich also als Angstmacherei, mit der Frauen die Entscheidung für eine Abtreibung nicht nur aus moralischen, sondern auch aus gesundheitlichen Überlegungen erheblich erschwert wird. Mehr Werbungen wie jene von Marie Stopes Intl. würden dazu beitragen, dass Frauen eine reflektierte, vernünftige und nicht von Angst geleitete Entscheidung treffen können. Ich würde heute Abend zwischen Chips- und Bier-Werbespots gerne eine Werbung für Abtreibung sehen. l Dezember 2010 l Jänner 2011 an.schläge l 05


an.riss politik

Bild: Autonome Frauenhäuser Schleswig Holstein

gewaltschutz Gegen die Schließung von Frauenhäusern Die Regierung von Schleswig-Holstein plant, zwei Frauenhäuser schließen zu lassen und zwei weitere zusammenzulegen, weil es angeblich ein „Überangebot” von Gewaltschutzeinrichtungen im Kreis Pinneberg und Lübeck gibt. Die Betreiberinnen der Autonomen Frauenhäuser wehren sich dagegen: Von einem Überangebot könne keine Rede sein, vielmehr seien die bestehenden Häuser überbelegt. Der Abbau der Plätze würde bedeuten, dass jährlich 300 Kinder und Frauen keinen Platz mehr in einem Frauenhaus fänden. In ihrer Protestnote betonen sie: „Frauenberatungsstellen und Frauenhäuser brauchen eine staatlich gesicherte Finanzierung, da es sich bei häuslicher Gewalt um ein gesamtgesellschaftliches Problem handelt.” trude www.frauenhaeuser-sh.de, www.wave-network.org

„zwangsehe“-gesetz Rassismus im Mantel von Frauenrechten

Seit Wochen werden Frauenrechte in der deutschen „Integrations”Debatte instrumentalisiert, um rassistische Vorurteile gegenüber der migrantischen Bevölkerung zu schüren und Ausgrenzungen zu legitimieren.

Quote ist eine Kapitulation „Eine

der Politik“

Familienministerin Kristina Schröder (CDU) disst in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin „Spiegel“ den Feminismus und seine „radikale Strömung“. Förderung von Frauen in der Erwerbsarbeit durch Quoten? Nein, danke. Schließlich: Wenn Frauen lieber Germanistik studieren als Elektrotechnik (wie die Männer), habe das „eben auch Konsequenzen beim Gehalt“. Vielmehr möchte sich die Ministerin der Jungen- und Männerpolitik widmen, denn diese sei geradezu sträflich vernachlässigt worden. Gnade, Frau Schröder! viyu

06 l an.schläge Dezember 2010 l Jänner 2011

Ein Gesetzesentwurf der Bundesregierung sieht nun vor, Zwangsheirat als eigenständigen Straftatbestand zu definieren. Nach § 240 des StGB gilt die Nötigung zu einer Ehe allerdings längst als Straftat, die mit bis zu fünf Jahren Haft geahndet wird. Der Zentralrat der MuslimInnen Deutschlands äußerte Kritik an der neuen Bestimmung: Der Verband war bei der Entwicklung des Gesetzesentwurfs nicht einbezogen worden, gemeinsam hätten andere Schritte überlegt werden können, wie man an Betroffene herankommt. Der Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, kritisierte, die deutsche Bundesregierung wolle mit diesem Gesetzesentwurf nur von eigenen Versäumnissen in der Integrationspolitik ablenken. Denn zeitgleich mit dem Gesetz gegen die Zwangsehe werden die Gelder für Opfer-Beratungsstellen massiv gekürzt und die „Integrations”-Anforderungen an MigrantInnen verschärft. kc www.bmj.bund.de, www.taz.de, www.ksta.de

wagenburgen Kampf um alternatives Wohnen Gleichgesinnte verschiedenster Herkunft leben gemeinsam, aber doch jede/r für sich, auf einem gemieteten Grundstück in Wohnwägen oder umgebauten LKWs – dieses Phänomen nennt sich Wagenburg oder auch Wagenplatz. Ziel ist es, günstig, alternativ und nachhaltig zu leben und eine eigene Infrastruktur aufzubauen. Die Stadt Wien scheint jedoch wenig für dieses Konzept übrig zu haben. Der ehemalige Wagenplatz in Simmering musste im Sommer 2009 nach andauernden Streitigkeiten mit den Behörden verlassen werden. Da die Politik auch keine legale Alternative ermöglichte, teilte sich die Gruppe und stellte ihre Wägen auf zwei leerstehende Flächen im zweiten und dritten Bezirk. Doch die Behörden bzw. Grundstückseigentümer machten eine Einigung über die Zwischennutzung dieser Flächen trotz Gesprächs- und Kompromissbereitschaft der WagenbewohnerInnen unmöglich. Der Platz im dritten Bezirk wurde Ende Oktober im Auftrag der Grundstückseigentümerin, der Baugesellschaft Porr, ohne Vorwarnung geräumt; die Wohnfahrzeuge samt

plus

Gummi-Komplott (+)

Kuscheln mit Gott (-)

Während einer Informationskampagne zu HIV/AIDS Ende Oktober ließ die katholische Kirche von Luzern 3.000 Gratis-Kondome an StraßenpassantInnen verteilen. Slogan: „Vergessen ist ansteckend. Schütze deinen Nächsten wie dich selbst.” Die Diözese in Basel gab sich nicht „amused”, griff allerdings nicht ein. Christliche Anti-Abtreibungs-Gruppen wie Human Life International verdammten die Aktion als „verantwortungslos”. Ganz cool brachte ein Jugendlicher die katholische AntiKondom-Politik im Schweizer TV auf den Punkt: „Ich find’s blöd vom Papst.” viyu

Der evangelische Theologe Friedrich Wilhelm Graf hat keine gute Meinung über Frauen. Insbesondere, wenn sie Theologie studieren. Die Anwärterinnen auf das evangelische Pfarramt – das sich zunehmend zu einem „Frauenberuf” entwickle – seien eher der „Muttityp als wirklich Intellektuelle”, so Graf angesichts ihres mehrheitlich nicht-akademischen Backgrounds. Resultat: „Eine Form von Religiosität, in der man Kuschelgott mit schlechtem Geschmack verbinden kann.” Wie formulierte es „genderblog.de” so treffend: Panik im evangelischen Patriarchat! viyu


an.frage Hab und Gut von der Firma Toman abgeschleppt. Der Platz im zweiten Bezirk musste ebenfalls verlassen werden. Die Verantwortlichen der Stadtregierung wie z.B. Vizebürgermeister Michael Ludwig flüchten sich derweil in hohle Aussagen wie „Da werd´ ma schon eine Lösung finden”. atina http://treibstoff.wagenplatz.at, http://hafenstrasze.wagenplatz.at, http://wagenplatz.at/

25 Jahre - und noch lange nicht genug

archive2009

gegenöffentlichkeit Durchsuchung linker Buchläden in Berlin Am 26. Oktober wurden mehrere linke Buchhandlungen in Berlin, darunter die beiden „Schwarze Risse”-Buchläden, die auch die an.schläge vertreiben, von der Polizei durchsucht. Und das nicht zum ersten, sondern bereits zum sechsten Mal in diesem Jahr. Die Durchsuchungen werden mit dem § 130 des deutschen Strafgesetzbuchs, „Anleiten zu Straftaten”, begründet. Meist geht es um die Beschlagnahmung linker Zeitschriften oder Flugblätter, die zu Demonstrationen oder Protesten auffordern. Allerdings ging die Rechtssprechung bisher davon aus, dass BuchhändlerInnen den Inhalt der von ihnen vertriebenen Bücher und Zeitschriften nicht kontrollieren müssen. Nun scheint es so, als wolle die Staatsanwaltschaft diese gängige Rechtssprechung revidieren, meint der Anwalt der Buchhandlung „Schwarze Risse”, Sven Lindemann. Frieder Rörtgen, Geschäftsführer von „Schwarze Risse”, vermutet in einer Presseaussendung: „Die Buchläden sollen unter Druck gesetzt werden, damit sie als vorgeschaltete Zensurbehörde des Staates agieren.” trude http://unzensiert-lesen.de

budget-vorschlag Kürzungen mit einigen Härten Am 25. Oktober präsentierte die österreichische Bundesregierung erste Vorhaben zum Staatsbudget. Dieses wird derzeit im Nationalrat verhandelt, um in Gesetzesform konkretisiert zu werden. Insgesamt fallen bei den Vorschlägen die Einsparungen im sozialen Bereich recht umfassend aus (Kürzung der Kinderbeihilfe, erschwerter Zugang zum Pflegegeld), während bei den vermögensbezogenen Steuern vergleichsweise behutsam vorgegangen wird: Vorgesehen ist eine Bankenabgabe, eine stärkere Besteuerung von Privatstiftungen sowie eine Steuer auf Aktienspekulationen. Für die Ökonomin Gabriele Michalitsch ist das zu wenig. Sie meinte in einem Interview mit dem Jugendradiosender „FM4”: „Die Ansätze zur Vermögensbesteuerung sind sicher etwas, das positiv auf Geschlechterverhältnisse wirkt. Man muss aber auch feststellen, dass die Wiedereinführung der Erbschafts- und Schenkungssteuer oder eine Reform der Grundsteuer nicht passiert ist. Das wäre wichtig für ausgleichende Effekte zwischen den Geschlechtern, denn Frauen verfügen sehr viel weniger über Vermögen als Männer.” Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek verkaufte das Budget in einer ersten Aussendung als Erfolg, denn das Frauenbudget sei im kommenden Jahr gleich geblieben, somit könnten sämtliche Fraueneinrichtungen weiterarbeiten wie bisher. Wenig später relativierte sie allerdings in einem „Standard”-Interview, dass „schon Härten mitverpackt” seien und dass man hier nachverhandeln müsse. Frauen sind vor allem von den Sozialkürzungen oft stärker betroffen als Männer, wie z.B. aktuell beim erschwerten Zugang zum Pflegegeld. trude

Heuer feiert die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD) ihr 25-jähriges Bestehen. Sanja Nedeljkovic sprach mit Hadija Haruna und Sharon Otoo über die Vergangenheit und Zukunft des Antirassismus-Vereins. Herzlichen Glückwunsch zum 25. Geburtstag! Wie fühlt es sich an, so alt zu werden? Hadija Haruna: Es fühlt sich verdammt gut an! Mich selbst hat die Arbeit der ISD vor vielen Jahren bei meinem persönlichen Selbstfindungs- und Empowerment-Prozess unterstützt. Zu sehen, was mehr als zwei Jahrzehnte Selbstorganisierung, Vernetzung und Widerstand bewirkt haben, macht stolz. Sharon Otoo: Es ist schön, wieder 25 zu sein! Und ich sehe es genauso wie Hadija – ich bin dankbar für die ganze Vorarbeit, die von Schwarzen Aktivist_innen in Deutschland geleistet worden ist, und freue mich, hier ein wenig beitragen zu dürfen. Im Video-Clip, der anlässlich Ihres Jubiläums gedreht wurde, werden Sie als „Stimme der Schwarzen“ bezeichnet. Was waren die größten Erfolge dieser „Stimme“? Haruna, Otoo: Wir organisieren selbst Kampagnen und unterstützen auch solche gegen – zum Teil tödliche – Übergriffe auf Schwarze Menschen, außerdem machen wir Öffentlichkeitsarbeit durch den jährlichen Black History Month, der seit 1991 in verschiedenen deutschen Städten stattfindet. Dieses Jahr gab es einen ganz besonderen Erfolg durch ISD-Mitglied Joshua Kwesi Aikins, der an der erstmaligen Umbenennung eines kolonialen Denkmals, dem Berliner „Gröbenufer” in „May Ayim Ufer”, mitwirkte. Inwieweit sind Antisexismus und Gender Teil der Arbeit von ISD? Otoo: Vieles ist der afro-amerikanischen Autorin Audre Lorde zu verdanken. Während ihres Besuchs in Deutschland in den 1980er Jahren hat sie die Frauen, die in ihrem Kurs waren, ermuntert, ihre und die Geschichte Schwarzer Menschen aufzuschreiben. Die Gründung der afro-deutschen feministischen Organisation ADEFRA wurde zum großen Teil von Frauen betrieben, die auch in der ISD aktiv waren, die Zusammenarbeit war von Anfang an eng mit der Entwicklung der ISD verbunden und ist es noch immer. Welche Ziele verfolgen Sie für die Zukunft? Haruna: 25 Jahre und noch lange nicht genug – unter diesem Motto feiern wir unser Jubiläum. In den nächsten Jahren wollen wir als Gruppe noch größer und als politisch aktive Interessensvertretung noch präsenter werden. Besonders wichtig ist uns, die Interessen Schwarzer Jugendlicher zu wecken und sie dabei zu unterstützen, eigene Projekte auf die Beine zu stellen. Otoo: Ein weiteres Ziel ist auch, dass wir uns als Verein neue Kompetenzen aneignen und z.B. irgendwann als Antidiskriminierungsverband Schwarzen Menschen in Deutschland praktischen und effektiven Beistand anbieten.

http://derstandard.at, www.frauen.bka.gv.at, http://fm4.orf.at

www.isdonline.de Die Langfassung des Interviews gibt es ab Dezember auf www.migrazine.at.

Dezember 2010 l Jänner 2011 an.schläge l 07


offener brief

Ausschluss Basta! Das Ergebnis der Gemeinderats- und Landtagswahl in Wien vom Oktober 2010 setzt ein deutliches rassistisches Zeichen. Ebenso alarmierend wie der Erfolg der rechtsextremen Positionen der FPÖ sind die zahlreichen populistischen Analysen von Politiker_innen, Meinungsmacher_innen und anderen Expert_innen, die unwidersprochen verbreitet werden. Ob Bildung, Wohnen oder Arbeitsmarkt – Migration wurde und wird in all diesen Lebensbereichen als Problemfeld inszeniert. Es gehört mittlerweile zum guten Ton in der öffentlichen Debatte, über Migration und Migrant_innen als Konfliktquelle zu sprechen. In Österreich herrscht offenbar ein breiter Konsens darüber, dass auf gesellschaftliche und soziale Probleme rassistische Antworten gegeben werden können. Wir stellen uns gegen diesen Konsens! Der Anspruch, die Debatte zu versachlichen, greift zu kurz. Wir akzeptieren nicht, dass zwar ständig über Migrant_innen gesprochen und über sie Bescheid gewusst wird, sie aber aus Entscheidungspositionen ausgeschlossen bleiben – unabhängig davon, ob sie längst österreichische Staatsbürger_innen sind oder nicht. Ein verheerendes Missverhältnis drückt sich darin aus, dass auch diese Wahl mit dem Thema Migration entschieden wurde, und zwar unter Ausschluss derjenigen, die in Wien leben und hier nicht wählen dürfen. Längst ist hierzulande eine Klarstellung fällig: Migration bildet unsere Realität. Die Menschen, die hier leben, sind keine Fremden. Die Sprachen, die hier gesprochen werden, sind keine Fremdsprachen. Alle Jugendlichen, die hier leben, sind unsere Jugendlichen. Nach den Ergebnissen der Wiener Wahl wollen wir daher noch weniger als zuvor über Integration reden. Denn bereits das ständige Sprechen über Integration reproduziert ein angebliches Anderssein, stellt Teile der Gesellschaft unter Generalverdacht und übersieht die Vielfältigkeit der Lebensformen. Stattdessen wollen wir soziale und politische Verhältnisse thematisieren, die tagtäglich Ungleichheit zwischen Menschen neu herstellen.

In öffentlichen Debatten werden ökonomische und gesellschaftliche Ausschlüsse mehrheitlich ignoriert bzw. rassistisch umgedeutet. Tatsache ist: Die gegenwärtigen Strukturen schaffen im Bildungsbereich, am Arbeitsmarkt, hinsichtlich politischer Mitsprache oder Selbstorganisierung eine Segregation, durch die Mehrheitsösterreicher_innen bevorzugt werden. Viele Migrant_innen sind vom Wahlrecht ausgeschlossen, es wird verschleiert, wie Migrant_innen der Zugang zu Bildung, Wohnräumen und Arbeitsplätzen, zu öffentlichen Institutionen und anderen gesellschaftlichen Räumen erschwert wird. Islamfeindlichkeit bietet einen wesentlichen Anknüpfungspunkt für mediale Auseinandersetzungen, denn Islamfeindlichkeit wird nicht als Rassismus anerkannt. Dies geschieht im Kontext einer globalen Umstrukturierung der Wirtschaft, deren negative Effekte vor allem Arbeitnehmer_innen und Menschen mit geschwächten Rechten massiv treffen. Es wird der Versuch unternommen, über das Thema Migration soziale Positionen gegeneinander auszuspielen und Arme und Migrant_innen als unproduktiven Kostenfaktor darzustellen. Stattdessen sollte gegen Verarmung, Prekarisierung und den Verlust sozialer Rechte gekämpft werden, die immer mehr Menschen betreffen. Migration findet statt. Sie ist eine Selbstverständlichkeit in allen Lebensbereichen. Und nicht nur das: Migrant_innen fordern ihre Rechte ein, Migration ist somit eine emanzipative Bewegung. Das Problem sind jene Politiken, die Armut und Rassismus produzieren. Wir lehnen entschieden jede Politik ab, die gesellschaftliche Verhältnisse nach einer Kosten/Nutzen-Logik durchrechnet und Teile der Gesellschaft zur Ausschusspopulation erklärt.

Wir fordern eine Arbeitsmarktpolitik, die keine Ausschlüsse produziert, sondern Alle in der Gesellschaft mit einbezieht und fördert. Wir fordern eine Bildungspolitik, die von der Realität der Mehrsprachigkeit und Transkulturalität in den Kindergärten und Schulen ausgeht. Wir wenden uns entschieden gegen eine Einteilung in gute und schlechte Migrant_innen, während die Gesetze verschärft und das Recht auf Asyl de facto abgeschafft werden. Wir fordern, dass alle Menschen, die hier leben, die gleichen Möglichkeiten haben, an der Gesellschaft sowie an politischen Entscheidungen mitzuwirken.

rständlich ist, Wir wollen in einer Gesellschaft leben, in der es selbstve dass alle Menschen die gleichen Rechte teilen. Diese Stellungnahme entstand anlässlich der Ergebnisse der Wiener Gemeinderatswahl als Initiative eines Kollektivs von Kulturarbeiter_innen, politischen Aktivist_innen und Forscher_innen. Den Text unterstützten bisher 125 Erstunterzeichner_innen. Es gibt die Möglichkeit, den Text online zu unterzeichnen: http://auschlussbasta.wordpress.com

08 l an.schläge Dezember 2010 l Jänner 2011


flüchtlingspolitik

Unrecht nicht hinnehmen Die politische und beratende Arbeit der Wiener Deserteurs- und Flüchtlingsberatung wird erneut ausgezeichnet. Von Sylvia Köchl

Als im Herbst 1991 der Krieg in Jugoslawien begann, waren unter den Menschen, die nach Österreich flohen, auch sehr viele Kriegsdienstverweigerer. Die antimilitaristische Gruppe „ARGE für Wehrdienstverweigerung und Gewaltfreiheit”, die seit den 1970ern aktiv ist, begann, diese Deserteure zu unterstützen. Ursprünglich als temporäres Projekt geplant, wurde rasch klar, dass die Wehrdienstverweigerung in Jugoslawien größere Ausmaße hatte als zunächst angenommen: Rund ein Drittel der für den Krieg einberufenen Männer desertierte, und die Deserteursberatung in der Bürogemeinschaft Schottengasse in Wien wurde 1992 als eigene Einrichtung gegründet. Sie setzte von Anfang an auch auf Öffentlichkeitsarbeit – ging es doch nicht zuletzt darum, Desertion als Fluchtgrund anzuerkennen. Obwohl es ein Menschenrecht darstellt, wird Desertion europaweit bis heute so gut wie nie als Asylgrund anerkannt. Antirassistische Beratung. Die Expertise, die dort von mehrheitlich unbezahlten AktivistInnen im Laufe der Jahre sowohl bei der Beratung von Deserteuren als auch von anderen Flüchtlingen erworben wurde, machte die Beratungsstelle nach dem Ende des Kriegs in Jugoslawien 1995 keineswegs überflüssig. Die Umbenennung in Deserteurs- und Flüchtlingsberatung 1996 trug dieser Entwicklung Rechnung. Die Herkunftsländer und Konfliktsituationen mögen sich verändert haben, die Grundproblematik sei aber gleich geblieben, schreibt die Deserteurs- und Flüchtlingsberatung in ihrer Selbstdarstellung: „Damals wie heute geht es darum, dass Menschen ihr Land verlassen, weil sie dort aus unterschiedlichsten Gründen keine Perspektive mehr sehen. Und darum, dass sie kaum Chancen haben, als Flüchtlinge anerkannt zu werden oder ein Aufenthaltsrecht zu erlangen – und darum, dies nicht hinzunehmen.”

Hamburg, Foto: T.M./panoramio.com

Diese Worte verdeutlichen bereits, in welcher Weise sich die Deserteurs- und Flüchtlingsberatung von anderen ähnlichen Organisationen unterscheidet. Sie war und ist kein karitatives, sondern ein politisches und widerständiges, ein dezidiert antirassistisches Projekt, das auch seine eigene Position reflektiert. Beratung, so schrieben die AktivistInnen, als sie 1998 den UNHCR-Preis für ihr Engagement für illegalisierte Menschen erhielten, deute eine Selbstständigkeit der Beratenen an, die „leider nicht zu realisieren” sei, „und das liegt nicht an der persönlichen Unselbstständigkeit unserer KlientInnen”. Die komplizierte Rechtsmaterie Asylgesetz, die Art, wie die Behörden mit Asylsuchenden umgehen, die Gefahren, die drohen, wenn jemand den Inhalt eines Bescheids nicht exakt versteht – das alles macht mehr als nur Beratung nötig. „Beratung bedeutet in unserem Zusammenhang Schutz vor falschen Informationen und oft genug auch vor tätlichen Übergriffen, bedeutet mitgehen und für jemanden sprechen, weil StaatsbürgerInnen dieses Staates offenbar bessere Chancen haben, dass sie nicht oder nur weniger unterbrochen werden, dass man sie nicht stundenlang warten lässt und ihnen nicht das Wort im Mund umgedreht wird.” Konstruktion illegal. Der UNHCRPreis versetzte die AktivistInnen damals

in Erstaunen: „Es ist neu, für unsere Tätigkeit ausgezeichnet zu werden”, hieß es in der Rede zur Preisverleihung. „Der Status der KlientInnen – und unsere KlientInnen sind nun eben zum Großteil Illegalisierte – färbt ab auf den Status der BeraterInnen (und auf die Höhe der Subventionen). Jetzt sind wir Preisträger. Normalerweise sind wir ,verfahrensverzögernd’ oder ähnliches.” Mit dem Preisgeld werde die Arbeit für Illegalisierte weiter ausgebaut, denn „Illegalisierung ist keine Krankheit. Sie wird von Menschen konstruiert. Das heißt, der Begriff ,illegal’ muss zunächst überhaupt geschaffen werden als Gegenkategorie zu den ,Legalen’ – auf diese Idee muss erst einmal jemand kommen. Und weiters auf die Idee, Chancen und Menschenrechte anhand dieser Trennlinie zu verteilen.” 1999 startete dann die Kampagne „Kein Mensch ist illegal – Menschenrechte sind unteilbar”. In der Zwischenzeit wurde die Deserteurs- und Flüchtlingsberatung bereits mehrfach ausgezeichnet, am 9. Dezember 2010 wird der nationale Menschenrechtspreis der Österreichischen Liga für Menschenrechte an sie vergeben. „Der Preis wertschätzt den besonderen Einsatz des Teams für Flüchtlinge und Deserteure”, heißt es in der Begründung, „aber auch dessen engagierte politische Arbeit.” l

Deserteurs- und Flüchtlingsberatung 1010 Wien, Schottengasse 3a/1/59 info@deserteursberatung.at www.deserteursberatung.at ARGE für Wehrdienstverweigerung und Gewaltfreiheit www.verweigert.at „Kein Mensch ist illegal” www.no-racism.net Termin: Verleihung der Menschenrechtspreise 2010 in Kooperation mit dem Filmfestival „this human world” am 9. Dezember 2010 um 19.00 im Festsaal des Bundesministeriums für Justiz. www.liga.or.at

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budget

Budget mit Zukunft

Die Allianz „Wege aus der Krise” wollte die Budgetrede des Finanzministers nicht abwarten und hat ihr eigenes Budget präsentiert. Darin stehen die Zeichen auf Umverteilung: Besteuerung des Überflusses und Investitionen in Zukunftssektoren. Von Gabi Horak

Foto: rotkraut.c.r./flickr.com

Das zivilgesellschaftliche Budget zum Download sowie viele andere nützliche Hintergrundinformationen unter www.wege-aus-der-krise.at 1 www.nachrichten.at, 17.9.2010

Eigentlich hätte es ÖVP-Finanzminister Josef Pröll sein sollen, der am 18. Oktober seine Budgetrede hält. Bekanntlich hat sich die Regierung aber mit dem Budget für 2011 Zeit gelassen (was taktische Gründe hatte – warten auf die Wahlen in der Steiermark und in Wien – und überdies auch noch verfassungswidrig ist). Stattdessen hat an diesem Tag eine Allianz von NGOs und Gewerkschaften (darunter die Armutskonferenz, Attac, Global 2000, Katholische ArbeitnehmerInnen-Bewegung, ÖH, SOS Mitmensch, PRO-GE und vida) unter dem Titel „Wege aus der Krise” eine „zivilgesellschaftliche Budgetrede” gehalten und das „Zukunftsbudget” vorgestellt. Darin plädieren die Expert_innen für einen Paradigmenwechsel, der zwar in manchen SPÖ-Kreisen schon angedacht wurde, aber in dieser Koalition wohl doch unmöglich war: Vermögen umfassend besteuern und in Soziales und Bildung investieren. „Jetzt bei Sozialem, Pflege oder Bildung zu sparen, ist weder notwendig noch konjunkturell sinnvoll, sondern bedeutet, noch mehr Menschen in Arbeitslosigkeit und Armut zu stürzen”, so die Vertreter_innen des „Zukunftsbudgets” in ihrer Aussendung. Sie wollen beweisen, dass Budgetkonsolidierung und Zukunftsinvestitionen kein Widerspruch sind.

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Die oberen zehn Prozent. Eines ist klar: Ohne Strukturreform in der Verwaltung, beim Steuersystems etc. wird es auf lange Sicht nicht gehen. Die wird aber in ein Budget 2011 noch nicht einfließen. Für das „Zukunftsbudget” 2011 braucht es Umverteilung und frisches Geld aus jenen Teilen der Gesellschaft, die genug davon haben. Derzeit besitzen in Österreich geschätzte zehn Prozent der Menschen über 60 Prozent des Vermögens. Der Plan der zivilgesellschaftlichen Allianz sieht vor, eine Vermögenssteuer von rund einem Prozent einzuführen – und zwar mit einem Freibetrag von 500.000 Euro Nettovermögen pro Haushalt. Das bedeutet: das gesamte Geld- und Immobilienvermögen abzüglich laufender Kredite. Dabei sollen keine zusätzlichen Verwaltungskosten anfallen, da Steuerpflichtige wie bei anderen Steuern selbst eine Steuererklärung abgeben. Das Finanzamt prüft nur auf Basis von Stichproben. Umverteilung und Vermögensbesteuerung haben eine starke geschlechtsspezifische Dimension, so Michaela Moser von der Armutskonferenz: „Die oberen zehn Prozent mit den 60 Prozent Vermögensbesitz sind ziemlich wahrscheinlich mehrheitlich Männer. Da kommt die Umverteilung nach unten mehrheitlich Frauen zugute.”

Zusätzlich sieht das „Zukunftsbudget” neben anderen Maßnahmen eine Bankenabgabe vor. Genau wie im Budgetvorschlag der Regierung wird dadurch mit 500 Millionen Euro Mehreinnahmen gerechnet – einer der wenigen Punkte, in denen sich die zivilgesellschaftliche Allianz und die Regierung einig sind. Ähnliches gilt für die Einführung einer Flugticketabgabe und die Erhöhung der Mineralölsteuer, wobei der Vorschlag im „Zukunftsbudget” hier viel moderater ausfällt: Nur der Preis für Diesel soll um vier Cent steigen. Die Regierung will um vier Cent bei Benzin und um fünf Cent bei Diesel erhöhen, was als wenig sozial treffsicher kritisiert wurde. Insgesamt sieht das „Zukunftsbudget” somit zusätzliche Einnahmen von 3,5 Milliarden Euro vor, mit denen „problemlos” die nach Vorgaben der EU notwendige Budgetkonsolidierung für 2011 finanzierbar sei – und darüber hinaus noch Geld für Investitionen übrig bleibe. Frauenrelevante Baustellen. „Wer jetzt am Sozialen spart, vertieft die schon viel zu große Kluft zwischen Arm und Reich in diesem Land weiter. Wer jetzt am Sozialen spart, setzt den sozialen Frieden aufs Spiel”, plädierte Judith Pühringer von der Armutskonferenz in ihrem Teil der „zivilgesellschaftlichen


Budgetrede”. Während die Sparpläne der Regierung massive Einschnitte etwa für Familien und Bildung vorsehen, wird im „Zukunftsbudget” der gegenläufige Weg eingeschlagen: Knapp 73 Milliarden Euro – aus zusätzlichen Einnahmen und Umverteilung – sollen investiert werden. Frauenpolitisch relevant ist das meiste davon. Das fängt an beim Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel, die häufiger von Frauen genutzt werden. Auch Investitionen in Bildung sind Investitionen in Zukunftschancen von Frauen. Dabei soll nicht nur die Betreuung für 0–6-Jährige ausgebaut und verbessert, sondern auch die Gesamtschule für 6–14-Jährige umgesetzt werden. Außerdem ist vorgesehen, prekäre Dienstverhältnisse an den Universitäten – auch hier sind mehrheitlich Frauen betroffen – in Planstellen umzuwandeln. Die nächste große Baustelle ist der Bereich der Pflege. Das „Zukunftsbudget” sieht eine Qualitäts- und Qualifi-

Überfluss besteuern. Für die Vertreter_innen und Expert_innen der Allianz „Wege aus der Krise” ist klar:„Einsparungen im Familienbereich und in Bildung müssten nicht sein, wenn Vermögen konsequenter besteuert würden”, sagt Michaela Moser. Und auch die Bevölkerung scheint die Besteuerung von Vermögen zu befürworten, zumindest taten dies 72 Prozent der Befragten einer Karmasin-Umfrage. Doch die Kritiker_innen einer Vermögenssteuer bilden eine breite Front, von der Salzburger Landeshauptfrau Gabi Burgstaller (SPÖ) bis zur WIFOSteuerexpertin Margit Schratzenstaller. Letztere meinte in einem Interview in den „Oberösterreichischen Nachrichten”, dass sie Schwierigkeiten mit der Kontrolle und Umsetzung einer Vermögenssteuer sehe: „Das Problem ist, dass aufgrund des Bankgeheimnisses so gut wie niemand sein exaktes Vermögen bekannt geben wird.”1 Sie plädiert stattdessen für eine rasche und umfassende Steuerreform.

Derzeit besitzen in Österreich geschätzte zehn Prozent der Menschen über 60 Prozent des Vermögens. zierungsoffensive vor, die Arbeitsplätze in der stark frauendominierten Pflege besser bezahlt und attraktiver gestalten soll. Mobile Pflege soll massiv ausgebaut und aufgewertet werden, denn das bestehende System fördere Schwarzarbeit und die Betreuung durch Familienmitglieder, zumeist Frauen. Zudem soll das Pflegegeld erhöht werden – im Gegenteil zum Vorhaben der Regierung, die den Zugang zum Pflegegeld sogar noch erschweren möchte. Auch Betreuungs- und Gewaltschutzeinrichtungen sollen mehr Geld bekommen. Allein 300 Millionen Euro braucht es, um die „gröbsten Mängel der Mindestsicherung auszugleichen”. Und nicht zuletzt sind Maßnahmen gegen Arbeitslosigkeit vorgesehen. Ein zentraler Punkt der zivilgesellschaftlichen Arbeitsmarktpolitik: eine Verkürzung der Arbeitszeit. Dies würde auch die faire Verteilung von Betreuungsarbeit zwischen Frauen und Männern erleichtern. „Arbeitslosigkeit ist die dümmste Form der Arbeitszeitverkürzung”, so Judith Pühringer.

Ein weiteres gewichtiges Argument gegen die „Reichensteuer”: Sie sei standortschädigend. Denn Vermögende würden aus Österreich vertrieben, zumal es innerhalb der EU nur mehr in Frankreich eine klassische Vermögenssteuer gäbe – überall anders wurde sie bereits abgeschafft. Ein Factsheet der Allianz „Wege aus der Krise” berichtet hingegen anderes: Ein großer Teil der Vermögen in Österreich sei unbeweglich (z.B. Immobilien) und nur mit erheblichem Aufwand ins Ausland zu übersiedeln. Außerdem ist die Besteuerung von Vermögen in den Industrieländern nur in Tschechien noch niedriger als in Österreich. Auch zum Thema Vermögenssteuer ist also wohl viel Arbeit am Detail nötig, damit sie möglich und sinnvoll ist. Doch selbst die Regierung hat mittlerweile eingesehen, dass Sparen bei Familien und Bildung nicht der richtige Weg sein kann, und hat einige geplante Maßnahmen bereits wieder relativiert. Ein „Zukunftsbudget” wird aus dem Regierungsbudget aber wohl keines mehr. l

neuland entdeckungen im alltag

Beate Hammond

Spitzenkunst Dass Kleider Leute machen und Botschaften senden, ist nichts Neues. Das Anlegen traditioneller Kleidung sendet Stolz und Heimatverbundenheit aus und wird daher gerne von PolitikerInnen gewählt. Das gilt für Kärnten wie für Südafrika, wo der ehemalige Präsident Nelson Mandela fast ausschließlich in bunten Hemden, den sogenannten Madiba-Shirts, gesehen wurde. Als der damalige ghanaische Präsident John Kufuor die Feiern zur 50-jährigen Unabhängigkeit Ghanas im dreiteiligen, dunklen westlichen Anzug absolvierte, wurde diese Entscheidung von allen politischen Lagern kritisiert. Hatte doch Kufuors Vorgänger im Amt, Jerry Rawlings, ein ehemaliger Hauptmann der Luftwaffe, vorwiegend traditionelle Kleidung in der Öffentlichkeit getragen. Der weltweit wohl bekannteste afrikanische Stoff ist der gewebte Kente aus Ghana, der früher nur von KönigInnen getragen werden durfte. Heute kann jede/r, der/die sich die handgewebten Stücke leisten kann, in ein Gewand aus Kente schlüpfen, das macht sich sehr gut auf Hochzeiten und anderen Feiern. Für den Alltag gibt es Kenteschals, die mit Vorliebe von afro-amerikanischen PolitikerInnen getragen werden. An Barack Obama ist dieser Trend allerdings bisher vorbeigegangen. In Nigeria werden zu besonderen Anlässen spezielle bestickte Stoffe angelegt, sogenannte afrikanische Spitze. Unter dem Titel „African Lace” ist im Museum für Völkerkunde in Wien noch bis Februar 2011 eine Ausstellung zu sehen, die sich dieser Mode widmet – nicht zuletzt deshalb, weil ein Großteil dieser traditionellen Stoffe in Vorarlberg gefertigt wird. Die Ausstellung entstand in einer Kooperation des hiesigen Völkerkunde-Museums mit der National Commission for Museums and Monuments of Nigeria und beleuchtet ein faszinierendes Kapitel der afrikanischen Modegeschichte. Außerdem thematisiert sie einen wichtigen Bereich der Gegenwartskultur, gibt einen Einblick in Alltagswelten in Nigeria und erzählt von Lebensfreude, Luxus und der Lust am gemeinsamen Feiern. Beate Hammond macht ihre Entdeckungen in Wien.

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Feminismus parteilich Das fortschrittliche Image Schwedens hat nach den jüngsten Parlamentswahlen im September Risse bekommen. Mia Kager und Vina Yun fragten bei Stina Sundberg, stellvertretende Vorsitzende der Frauenpartei „Feministiskt Initiativ”, nach, wie es um die schwedische Politik nach dem Rechtsruck bestellt ist.

Lund, Schweden, Foto: Reclaim Reklam

an.schläge: Schweden gilt nach wie vor

Übersetzung aus dem Englischen: Vina Yun www.feministisktinitiativ.se

als europäisches Musterbeispiel, wenn es um Geschlechterfragen und Gleichstellungspolitiken geht. Bei den jüngsten Wahlen verfehlte die „Feministiskt Initiativ“ den Einzug ins schwedische Parlament allerdings deutlich. Ist das nicht ein Widerspruch zum „frauenfreundlichen“ Image Schwedens? Stina Sundberg: Gerade weil Schweden so stark mit Gleichberechtigung in Verbindung gebracht wird, denken die SchwedInnen, dass sie auch tatsächlich gleichgestellt sind. Sie wollen nicht wahrhaben, was noch alles zu tun ist und welche Probleme es noch zu lösen gilt. Gleichzeitig stellen sie sich aber auch nicht gegen die Forderungen, die wir von der „Feministiskt Initiativ” – kurz: F! – formulieren. Es heißt dann lediglich, die Zeit sei noch nicht reif dafür. Oder man hat Angst, als „FeministIn” gelabelt zu werden, und hofft, dass andere Parteien unsere Forderungen aufnehmen, allerdings ohne das Wort „Feminismus” in den Mund zu nehmen. Ein weiterer Grund, warum wir den Einzug ins Parlament nicht geschafft haben, ist, dass das oppositionelle Linksbündnis unter der Führung der

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Sozialdemokraten die Regierung mit allen Mitteln übernehmen wollte. Gegen Ende des Wahlkampfs herrschte eine bittere Stimmung, als die Linken sagten, man solle nicht die Stimme an uns verschwenden, weil sonst die konservative Regierung weiterhin an der Macht bleiben würde.

Die „Feministikst Initiativ“ wurde 2005 gegründet. Auf welche feministischen und politischen Traditionen bezieht sich die Partei? In Schweden gibt es eine andere politische Bereitschaft als anderswo, Veränderungen in Angriff zu nehmen. Zum Beispiel gab es über die Parteigrenzen hinweg eine Kampagne, um Frauen über gemeinsame Listen stärker zu repräsentieren. Die Kampagne war erfolgreich, doch es brachte nicht die politische Veränderung, wie wir sie fordern. Daraus entstand das Projekt „Nätstrumporna” und die Drohung, eine eigene feministische Partei zu gründen, sollte sich nicht mehr bewegen. Dieser Druck half, dass sich die etablierten Parteien mit den Forderungen der Frauenbewegung auseinandersetzten. So vergingen einige weitere Jahre, bis sich F! als eigene Partei formierte. Uns

wurde nämlich klar, dass Feministinnen am besten ohne Parteiloyalitäten ins Parlament einziehen sollten. Wir haben unsere eigene politische Agenda und sind keiner Ideologie verpflichtet. Wir sind weder links noch grün noch rechts.

Gibt es so etwas wie einen „schwedischen Feminismus“? Oder könnte man sagen, dass der Feminismus in Schweden weitgehend institutionalisiert wurde? Der schwedische Wohlfahrtsstaat wurde in den 1930er Jahren aufgebaut. In diesem System herrschte Einsicht über die Bedürfnisse von Frauen, es wurden Arbeitsplätze und Tagesbetreuungsstätten für Kinder geschaffen. Das schwedische Gesellschaftsmodell basiert auf Individuen, nicht auf dem Konzept der Familie. Wir sind also Individuen. Das hat Auswirkungen z.B. auf das Steuersystem und darauf, dass alle Individuen, inklusive der Frauen, sich selbst erhalten können sollen. So begannen die wirklich tiefgreifenden sozialen Veränderungen, für die Schweden bekannt wurde. Und ja, in diesem Sinne ist Geschlechterpolitik in Schweden, die die Forderungen der Frauenbewegung aufgenommen hat, institutionell


schweden verankert. Wir von der Feministischen Initiative sehen dies aber lediglich als eine Form, das bestehende System zu „reparieren”. Uns geht es darum, die zugrunde liegenden Ursachen der Trennung und der Bewertung der Geschlechter anzugehen.

schwedische Sozialwesen sehr verändert. Dieser Wandel wurde von den Schwedendemokraten als ein wirtschaftlicher Niedergang gedeutet, verursacht durch die Kosten der Migration. Die Schwedendemokraten verfolgen hier eine langfristige Strategie.

Wie hat sich die feministische Bewegung in Schweden im Vergleich zu anderen nordischen Ländern wie Dänemark, Norwegen oder Island während des letzten Jahrzehnts entwickelt? Sowohl in Dänemark als auch in Norwegen ist die Frauenbewegung beinahe verschwunden. Dort haben sich andere Themen stärker in den Vordergrund gedrängt. In Dänemark zum Beispiel sitzen die Rechtsradikalen und Rassisten in der Regierung (gemeint ist die Venstre-Partei, Anm. d. Red.). Aber ich nehme an, in Island tut sich einiges. Für diesen Herbst

Welche Auswirkungen hat der Rechtsruck auf die Frauenpolitik im Land? Wie stark kann ein rechter Politiker wie Schwedendemokraten-Chef Jimmie Åkesson die schwedische Politik beeinflussen? Åkesson interessiert sich nur für Migrationsthemen, über Frauen diskutiert er höchstens, wenn es um die „Unterdrückung” von Muslimas geht und sich das als Argument gegen Migration verwenden lässt. Er will vor allem die „schwedische Familie” schützen, hat aber bislang noch keine konkreten Vorschläge eingebracht, die einem Backlash gleichkommen würden.

„Åkesson interessiert sich nur für Migrationsthemen, über Frauen diskutiert er höchstens, wenn es um die ‚Unterdrückung‘ von Muslimas geht und sich das als Argument gegen Migration verwenden lässt.“ ist ein Frauenstreik für mehr Lohngerechtigkeit geplant (siehe dazu die Kurzmeldung auf S. 14).

Nochmals zurück zu den Parlamentswahlen im September: Die rechtspopulistischen Schwedendemokraten haben 5,7 Prozent der Stimmen gewonnen und sind erstmals in den schwedischen „Riksdag“ eingezogen. Aus welchen Gesellschaftsbereichen stammen die WählerInnen der Schwedendemokraten? Die Stimmen für die Schwedendemokraten stammen aus der WählerInnenschicht der bürgerlich-konservativen Partei (Moderata samlingspartiet) und der Sozialdemokraten. Es sind konservative WählerInnen, die schon bei den letzten Parlamentswahlen gegen Migration gewählt haben, sowie aufgebrachte ArbeiterInnen, die um ihre sozialstaatlichen Leistungen und den Arbeitsplatz fürchten. Seit dem Beitritt zur EU hat sich das

Die konservative Regierung will ihre bisherige Wirtschaftspolitik fortsetzen, die auf Steuerreduzierungen basiert – wovon vor allem Männer profitieren. GenderAngelegenheiten stehen im Abseits. Nyamko Sabuni von der Liberalen Volkspartei bleibt Gleichstellungsministerin, aber ist nunmehr dem Ministerium für Erziehung unterstellt. Ihr Wirkungsbereich ist damit eingeschränkt. Nach unserer letzten Kampagne im Sommer haben zwei Gewerkschaften ihr Engagement für mehr Lohngerechtigkeit deutlich verstärkt. Ich denke, das wird den Druck steigern. Die konservative Regierung wird von Feministinnen generell abgelehnt, daher glaube ich, dass die Feministinnen der Linksparteien und Grünen in dieser Frage stärker mobilisieren werden.

Sozialdemokratie. Wie könnte hier eine feministische Partei als Teil einer kritischen Opposition aktiv intervenieren? Wir verfolgen eine umfassende antirassistische Agenda, Antirassismus als Querschnittsperspektive bildet einen wichtigen Teil unserer Arbeit. Wir werden die Schwedendemokraten genau beobachten und ihren Forderungen Gegenforderungen entgegenstellen. Die Schwedendemokraten gewinnen ihre Stärke aus Unzufriedenheit – das tun wir auch, aber mit der Motivation, für Sicherheit zu sorgen und bestimmte Werte zu stärken, ohne dabei die Werte anderer Menschen zu beschneiden. Welche Ziele hat sich die F! für die Zukunft gesteckt? Das Ziel ist nach wie vor, in die Gemeinderäte und ins Parlament einzuziehen. Während der Wahlkampagne kommen immer nur wenige Themen zur Sprache, jetzt werden wir beweisen, dass wir zu allen Bereichen Stellung beziehen können. Momentan sind wir in einem Gemeinderat vertreten – dort wird sich zeigen, was möglich ist. Und wir werden weiterhin für grundlegende Veränderungen eintreten. Unsere zentralen Forderungen sind die politische Lösung der Lohndiskriminierung, eine faire Aufteilung der Karenzzeit – der Arbeitsmarkt muss einsehen, dass beide Geschlechter Kinder aufziehen – und kürzere Arbeitszeiten für alle, um mehr Zeit für Pflegearbeit zu ermöglichen und Frauen vom Druck zu befreien, dies freiwillig auf Teilzeitbasis zu erledigen. l

Der Aufstieg der Rechten konnte während des letzten Jahrzehnts in ganz Europa beobachtet werden, mit dem gleichzeitigen Niedergang der Dezember 2010 l Jänner 2011 an.schläge l 13


an.riss international

Die isländische Regierung unter der Führung von Premierministerin Jóhanna Sigurdardóttir sieht scharf – der Genderbrille sei dank! Foto: WAVE

international Gewalt durch die Genderbrille Ausreichende Finanzierung von Frauenhäusern und eine gesetzlich verankerte Mindestanzahl von Gewaltschutzeinrichtungen – so lauten zwei der zentralen Forderungen der 12. internationalen Konferenz von Women Against Violence Europe (WAVE) an die Regierungen der EUMitgliedsstaaten. Auf der Konferenz, die heuer vom 14.–16. Oktober in Warschau abgehalten wurde, diskutierten 300 Teilnehmer_innen aus 24 Ländern über Strategien und Maßnahmen gegen Gewalt an Frauen. 45 Prozent aller Frauen in Europa erleiden mindestens einmal im Leben geschlechtsspezifische Gewalt. Einmal mehr betont das WAVE-Netzwerk den Zusammenhang zwischen Gewalt und gesellschaftlicher Diskriminierung: Gewalt an Frauen umfasse sowohl physische und psychische als auch sexuelle und ökonomische Gewalt. Vor allem Migrantinnen seien gefährdet, da sie mit mehrfacher Diskriminierung – als Migrantinnen und als Frauen – konfrontiert sind. WAVE fordert daher dringend einen vom Ehepartner unabhängigen Aufenthaltstitel. Rund eine Woche nach der WAVE-Konferenz fanden im isländischen Reykjavik gleich zwei feministische Konferenzen zum selben Thema statt: die Nordische sowie die Internationale Konferenz gegen Gewalt an Frauen (bei der auch WAVE vertreten war). In Island jährte sich heuer zudem der Generalstreik der isländischen Frauen zum 35. Mal. 1975 legten 90 Prozent aller isländischen Frauen aus Protest gegen die Lohndiskriminierung ihre Arbeit nieder – und damit die Gesellschaft lahm. Am 25. Oktober wiederholten 50.000 Frauen in Reykjavik (von knapp 120.000 Einwohner_innen) und hunderte Frauen in anderen Städten Islands den traditionsreichen Protest und riefen gleichzeitig zu einem Ende der Gewalt an Frauen auf. sane www.wave-network.org

brasilien La Presidenta Nach acht Jahren der Präsidentschaft durch Luiz Inácio Lula da Silva von der Arbeiterpartei PT wird nun Parteikollegin Dilma Rousseff am 1. Jänner 2011 seine Nachfolge antreten. Sie gewann die Stichwahl am 14 l an.schläge Dezember 2010 l Jänner 2011

31. Oktober gegen den Sozialdemokraten José Serra – trotz einer wahren Schmutzkübelkampagne, die darin gipfelte, dass Serras Frau Rousseff eine „Baby-Mörderin” nannte, da diese die Abtreibung legalisieren wolle. Lulas Präsidentschaft war vom Kampf gegen die Armut und der Bildung von außenpolitischen Süd-Süd-Achsen geprägt, die die Abhängigkeit Brasiliens von den reichen Industriestaaten des Nordens minderten. Doch die Erfolge müssen auch relativiert werden, wie etwa Maria Salete Campigotto von der brasilianischen Landlosen-Bewegung betont: „Die Mittelschicht wächst überproportional, doch auch der Unterschied zwischen Arm und Reich nimmt weiter zu.” Von Dilma Rousseff erwartet sie sich mehr Freiraum, um politische Projekte zur Armutsbekämpfung am Land entwickeln zu können. Dabei galt die 62-jährige Ökonomin Rousseff, eine ehemalige Kämpferin gegen die bis 1985 herrschenden Militärdiktaturen im Land, unter Feministinnen nicht unbedingt als Hoffnungsträgerin Nummer eins. Neben ihr kandidierte nämlich noch eine weitere Frau für das PräsidentInnen-Amt, Marina Silva von den Grünen, die allerdings im ersten Wahlgang am 3. Oktober scheiterte. Clara Charf, eine der bedeutendsten Feministinnen Brasiliens, sprach vor der Stichwahl in den Medien zwar von einem historischen Moment, erwähnte jedoch nur Marina Silva als jene, die die politische Beteilung von Frauen voranbringen würde. sylk http://womblog.de, www.ila-web.de, www.npla.de

medien Who makes the News? Am 10. November 2009 wurde im Zuge des Global Media Monitoring Projekts (GMMP) insgesamt 1.281 Zeitungen, Fernseh- und Radiosendern aus 108 Ländern sowie 76 nationalen Nachrichten-Websites in 16 Ländern und acht internationalen News-Websites eine Frage gestellt: Wie werden Frauen in diesen Medien repräsentiert? Die Ergebnisse sind ernüchternd: Nur 24 Prozent der Menschen, über die berichtet wurde, waren weiblich. Die interviewten ExpertInnen waren eher Experten – Frauen waren hier nur zu 20 Prozent vertreten. In der Nachrichtenproduktion kamen Frauen schon öfter vor: 37 Prozent der ReporterInnen waren weiblich, präsentiert wurden Nachrichten im Fernsehen zu 52 Prozent von Frauen, im Radio zu 45 Prozent. Waren Frauen für die Nachrichtengestaltung zuständig, kamen innerhalb der Beiträge auch mehr Frauen vor. Was die Inhalte der Nachrichten betrifft, so zeigt die Studie, dass GenderGerechtigkeit bzw. -Ungerechtigkeit in nur sechs Prozent der Beiträge thematisiert wurden. Gender-Stereotype wurden in 46 Prozent der Beiträge verstärkt und nur in sechs Prozent der Nachrichten infrage gestellt. Die GMMP-Studie wird seit 1995 im Fünf-Jahres-Rhythmus durchgeführt und erschien 2010 zum vierten Mal. Die starke Unterrepräsentanz von Frauen wurde bisher jedes Mal festgestellt. be www.whomakesthenews.org

eu Erweiterung des Mutterschutzes Mütter wie Väter dürfen sich freuen: Nach kontroversen Debatten rund um eine Verlängerung des Mutterschutzes auf 20 Wochen bei vollem Lohnausgleich stimmte das Europäische Parlament am 20. Oktober mit einer deutlichen Mehrheit für die vom Frauenausschuss vorgeschlagene Ausweitung sowie für den vollbezahlten zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub. Mit den neuen EU-Bestimmungen, die Mindeststandards darstellen,


an.riss international werden die innerhalb der europäischen Staaten sehr unterschiedlichen Mutterschutzregelungen vereinheitlicht. Das überraschende Ergebnis stieß auf viel Kritik, aber auch Zustimmung: Die Europäische Frauenlobby (EWL) zeigte sich über die Neuregelung erfreut. Die Entscheidung sei ein „Zeichen dafür, dass die Vertreter_innen im EU-Parlament die Umsetzung der Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern ernst nehmen”, hieß es. In Zukunft sollen auch selbstständige Unternehmerinnen von der neuen Richtlinie profitieren. Starker Widerstand kam indes aus Deutschland. Das Bundesfamilienministerium lehnt die Verlängerung des Mutterschutzes mit der Begründung ab, die EU-Richtlinie betreffe ein „Schutzniveau, das wir in Deutschland schon haben”. Auch die Arbeitgeberverbände zeigen sich ablehnend: Die Forderungen gingen angesichts der Mehrkosten für die Wirtschaft „eindeutig zu weit”. Widerstand gibt es auch aus Belgien, Großbritannien, Schweden, Frankreich und Österreich. Österreich will bei den national geltenden 16 Wochen bleiben. Die 27 EU-Mitgliedsstaaten haben drei Jahre Zeit, den Beschluss in nationales Recht umsetzen. sane http://diestandard.at, www.frauenrat.de, http://diepresse.com

asylpolitik Abschiebestopp nach Griechenland Zahlreiche Asylländer der EU (u.a. die Niederlande, Norwegen, Großbritannien und Dänemark) haben vor kurzem die Abschiebung von Flüchtlingen nach Griechenland eingestellt. Veranlasst wurde der Abschiebestopp durch nationalstaatliche Gerichte und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg sowie im Zuge der sog. Vorlageverfahren beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg. In Österreich hob der Verfassungsgerichtshof Ende Oktober erstmals die Abschiebung

einer Asylwerberin nach Griechenland als verfassungswidrig auf, generell wurde die Überstellung von Flüchtlingen nach Griechenland mit neuen Auflagen verbunden. Insbesondere Asylsuchende aus Afghanistan, dem Irak, Iran und Somalia kommen über Griechenland nach Europa. Reisen diese weiter in einen anderen EU-Staat, droht ihnen aufgrund der europäischen Asylzuständigkeitsregelung (der sog. Dublin II-Verordnung) die Rücküberstellung nach Griechenland. 2009 wurden an die griechischen Behörden 10.083 „Rückübernahmegesuche” von anderen Dublin-Staaten gestellt, 1.211 Asylsuchende wurden tatsächlich überstellt. Einem Bericht der Flüchtlingsorganisation ProAsyl zufolge sind in Griechenland nur rund 900 Aufnahmeplätze für Asylsuchende vorhanden. Im letzten Jahr lag die Anerkennungsquote bei Asylwerber_innen in der ersten Instanz bei 0,04 Prozent, im Sommer 2009 wurde die zweite Instanz abgeschafft. Im Oktober teilte die Athener Anwaltskammer mit, dass der Zugang für Asylantragsteller_innen nicht mehr gewährleistet sei. Die Asylbehörde habe die Arbeit völlig eingestellt und warte nunmehr auf neue Reformen des Asylsystems. Aktuell existiert ein Rückstand von fast 50.000 anhängigen Asylverfahren. Die Folgen für die in Griechenland gestrandeten Flüchtlinge: Rechtlosigkeit, willkürliche Inhaftierungen und Obdachlosigkeit bei gleichzeitiger Zunahme rassistischer Übergriffe, etwa durch Razzien in von Flüchtlingen besetzten Quartieren. Während das ohnehin rudimentäre griechische Asylsystem vollkommen kollabiert, hält die humanitäre Krise für die Flüchtlinge im Land weiter an – ein Resultat fehlender Solidarität bei der Flüchtlingsaufnahme innerhalb der EU, wie ProAsyl kritisiert. „Es ist zynisch, die Verantwortung für den Flüchtlingsschutz den EU-Staaten an den Außengrenzen zuzuschieben. Die Krise in Griechenland ist der dramatische Ausdruck eines unfairen und dysfunktionalen Dublin-II-Systems.” viyu www.proasyl.de, www.asyl.at, nachrichten.at

medienmix Kulturlabor Das thealit Frauen.Kultur.Labor definiert sich als Schnittstelle zwischen Kunst und Theorie. Mit dem Augenmerk auf Geschlechterdifferenz fördert die feministische Initiative (entstanden aus dem ehemaligen Frauenkulturhaus Bremen) Arbeiten von Künstlerinnen und Wissenschaftlerinnen und entwirft interdisziplinäre Programme zu Medienkunst & -theorie. Die Frauen wirken als Kuratorinnen mit eigenem Verlag und arbeiten auch selbst aktiv in den jährlichen „Laboratorien” mit. Aktuelles Motto: „Was ist Verrat?”. www.thealit.de. fis

Sturmfrei Was passiert, wenn fünf 13-jährige Mädchen einen Sommermonat lang ohne Eltern und mit genug Geld ausgestattet in einer Villa wohnen, zeigt die ZDF-Dokuserie Die Mädchen WG. Nach den etwas verstockten Jungs im letzten Jahr sind Alina, Felicia, Hilla, Janina und My eine charmante Besetzung. Ihr Alltag zwischen Geschirrbergen, Einkaufen mit dem Taxi und abenteuerlichen Ausflügen ist im Vergleich zu anderen Reality-TV-Formaten für Teenager ein angenehm lebensnaher Spaß. Alle Folgen sind unter www.tivi.de abrufbar. fis

WIR 2011 Seit beinahe 20 Jahren erscheint viermal jährlich die linke Zeitschrift WIR FRAUEN. Ihr Taschenkalender 2011 gibt für knapp zehn Euro ein prima Weihnachtsgeschenk ab, der neben Porträts (von Lysistrata bis Patti Smith) eine Chronik der Frauenbewegung sowie Kurioses, Fakten und Fotografien zusammenträgt. Wieder dabei sind Menstruationskalender und Adressenverzeichnis, neu ist das „Kleine Lexikon” zum Thema „reisende Frauen” und ein Special zu „100 Jahre Internationaler Frauentag”. Bestellbar unter www.wirfrauen.de. fis Dezember 2010 l Jänner 2011 an.schläge l 15


Fat Feminism Fettleibigkeit wird in unserer Gesellschaft nicht bloß als ungesund angesehen: Immer öfter gelten Dicke als arbeitsscheu, faul und asozial. Im „War on Fat” wird daher an Eigenverantwortung und Leistungsbereitschaft appelliert – ideologische Muster aus der neoliberalen Arbeitswelt, in der auch die Körper flexibel und biegsam sein sollen. Unter dem dominierenden Schlankheitswahn regt sich aber auch zunehmend Protest: Die Fat-Rights-Bewegung versammelt sowohl aktivistische als auch akademische Gegenstimmen und erklärt Fat zum Politikum und „Fattism” zum Widerstand. Ausgehend von den USA und Großbritannien bilden sich immer mehr feministische und queere Zusammenschlüsse, die „Size Zero” den Kampf ansagen. Foto: The Chubsters


thema: fat feminism

Dürfen wir noch Kuchen essen? In Zeiten, in denen beruflicher und privater Erfolg an Selbstvermarktung gekoppelt ist, wird der Körper zur sozialen Visitenkarte. Verena Stern berichtet, warum Dicksein mit Faulheit gleichgesetzt wird, und wie Fat-Rights-Aktivismus jenseits der Klischees vom „dicken Freak” und „fetten Opfer” aussehen kann. Es sind fitnessgestählte Körper, die die Produkte unserer westlichen Kulturindustrie bewerben: Fit for Fun. Die Botschaft in den Frauenillustrierten lautet unisono: Du bist deines eigenen Glückes Schmiedin. Entweder du bist bereit, streng zu dir zu sein, diszipliniert zu trainieren und noch disziplinierter – also wenig – zu essen. Oder aber du bleibst dick und entsprechend erfolglos. Die mediale Repräsentation dicker Menschen pendelt in der Regel zwischen Opfer und Freak. Beispielhaft dafür sind TV-Formate wie „Celebrity Fit Club”, wo B-Promis wie Baywatch-Star Nicole Eggert zu ihrer durchtrainierten Figur „zurückfinden”

der erstarkenden Fat-Rights-Bewegung, die in den USA besonders aktiv ist. Sie unterwandert mit der selbstbewussten Aneignung von vormals diskriminierenden Bezeichnungen wie „Fattism” eine Pathologisierung und Viktimisierung von gewichtigen Körpern. Auch der subversive Aktivismus der Chubsters (siehe Interview auf S. 20) stellt ein befreiendes Gegen-Gewicht zu einer durch gesellschaftliche Normvorstellungen erzwungenen, permanenten und anstrengenden Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper und seinem Umfang dar. Das propagierte Schönheitsbild einer „living doll” wird durch Fat-Activists wie der Chubsters-Gründerin Charlotte Cooper

Der flexible Markt soll sich in einem ebenso flexiblen, dünnen, biegsamen Körper widerspiegeln. Ein dicker Körper wird hingegen mit Faulheit, Bewegungsunfähigkeit und mangelndem Anpassungswillen assoziiert. sollen. Fast immer werden Dicke als abschreckendes Beispiel in Szene gesetzt – und nicht zufällig spielen im Kreuzzug gegen Fettleibigkeit „Race” und Klassenzugehörigkeit eine tragende Rolle: In diversen Reality-TV-Formaten muss sich die „neue fette Unterschicht” darüber belehren lassen, wie leicht man sich mit ein paar Euro am Tag gesund ernähren kann. Schließlich sollen die Hartz-IV- und Sozialhilfeempfänger_innen, die ja jetzt schon auf Kosten der Gesundheitsbewussten und Anständigen leben, die Krankenkassen nicht auch noch durch massenhafte DickleibigkeitsFolgeerkrankungen schröpfen. Selbstbewusste, positive Role-Models fehlen – bis auf Beth Ditto, die jedoch wiederholt in die Schublade „exotisch” gesteckt wird – hingegen gänzlich. Fetter Aktivismus. Dass es auch alternative Zugänge zum dicken Körper gibt, die nicht die Jagd nach jeder Kalorie zum primären Ziel erklären, zeigt sich an

oder D.I.Y.-Zines wie „Fat?So!” und „FaT Girl: A Zine for Fat Dykes and the Women Who Want Them” konterkariert. Mehr noch: Dieser Aktivismus greift störend in die herrschenden Normvorstellungen ein. Der Diskurs um Körper und Schönheit ist – wie jeder Diskurs – ein aktiver und dynamischer Raum gesellschaftlicher Auseinandersetzungen. Darin können Normen bestätigt und reproduziert oder aber abgelehnt, umgedeutet und auch verändert werden. Es mag, um mit Michel Foucault zu sprechen, kein Außen geben – Möglichkeiten der Dissidenz gibt es aber allemal. Charlotte Cooper gibt dazu folgenden Rat mit auf den Weg: Statt sich als fette Frau unsichtbar zu machen oder sich vorzustellen, Gewicht zu verlieren, um ein glückliches Leben und/oder einen Freund zu bekommen, sollten wir uns unsere Identität als fette Person aneignen und zu einer stolzen Person werden.

Auch für Allyson Mitchell geht es darum, Fettleibigkeit zu entviktimisieren. Sie ist Mitorganisatorin der Aktion „Queen Size on Queen Street”, bei der es fette Frauen wagten, die unverblümte Frage „Bin ich fett?” an Straßenpassant_innen zu stellen. Mitchell beschreibt die Parodie als wichtiges Mittel für „Fat Drags” – ähnlich wie diese zuvor bereits für eine Dekonstruktion von Gender eingesetzt wurde, wie Judith Butler in ihrem Werk „Körper von Gewicht” beschreibt. Darin erläutert sie, dass Parodie und Drag einer Sichtbarmachung von zweigeschlechtlichem Heterosexismus dienen können: „Wenn es sich beim drag um Männer als Frauen handelt, dann haben wir die Destabilisierung des sozialen Geschlechts selbst (…), die entnaturalisierend ist (…) und die die Ansprüche auf Normativität und Ursprünglichkeit (…) in Frage stellt”.1 In einer ihrer Performances verwendet Allyson Mitchell die Zeilen: „This is how we do fat drag. Think larger than life. Think bigger and brighter than a Labour Day fireworks display. Not just in size but in color and spirit and comedy.” Dieser Zugang könnte – hinsichtlich der Anerkennung von Vielfältigkeit – jeder Form der Auseinandersetzung mit Körpern dienlich sein. Arge Weiber. 2009 begründete Patricia Wendling in Wien die ARGE Dicke Weiber. Seither treffen sich ca. ein Dutzend Frauen zweiwöchentlich im Autonomen FrauenLesbenMädchenZentrum, um ihre Erfahrungen mit einer fett-phoben Umwelt zu teilen und sich, im Sinne eines Self-Empowerments, gegenseitig Mut zuzusprechen – fernab von Diät-Tipps und selbsttherapeutischen Motiven. Die ARGE Dicke Weiber definiert sich klar als politische Gruppe: „Wir verstehen die Normierung von Frauen und Frauenkörpern – sowohl von sozialer als auch von medizinischer Seite – als Sexismus. Schönheitsideale, Body-Mass-Index, Diäten und Diätmittel, ,Schönheits’operationen und die Pathologisierung des dicken Körpers sind

1 Judith Butler: Körper von Gewicht. Suhrkamp 1997 ARGE Dicke Weiber: http://argedickeweiber. wordpress.com The Chubsters: www.chubstergang.com

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thema: fat feminism Angriffe auf die Vielfältigkeit und die Gesundheit von Frauen. Sie dienen der Aufrechterhaltung patriarchaler Vorstellungen von Weiblichkeit (Stichwort: ,das schwache Geschlecht’), sie entsoli-

Patricia Wendling zufolge sollte endlich reflektiert werden, wozu (weibliche) Körper eigentlich da sind. Denn wie sie gebraucht werden – als Arbeitskörper, Gebärkörper, Sexobjekt etc. – entschei-

Der gesellschaftliche Schlankheitsterror trifft alle Frauen, nicht nur die dicken. Schlanke leben in ständiger Angst vor Gewichtszunahme, wodurch sich „Über“gewicht, selbst wenn nicht vorhanden, doch immer präsent zeigt. darisieren Frauen (Stichwort: ,Schönheitswettbewerbe’) und sind Disziplinierungs- und Beschäftigungsmaßnahmen, um Herrschaftsverhältnisse zu stützen. Als Feministinnen wollen wir uns von diesem Zwang befreien, denn wir sind davon überzeugt, dass jede Frau das Recht hat, in ihrem einzigartigen Körper in Schönheit und Unversehrtheit zu leben!”, so die Selbstbeschreibung der Gruppe auf ihrer Website. Die ARGE Dicke Weiber wehrt sich gegen den gesellschaftlichen Schlankheitsterror, der ihrer Meinung nach

The Fat of the Land 2009, Foto: Emli Bendixen

2 zitiert nach Crystal Renn: Hungry. Heyne 2010

alle Frauen trifft, nicht nur die dicken. Schlanke leben in ständiger Angst vor Gewichtszunahme, wodurch sich „Über”gewicht, selbst wenn nicht vorhanden, doch immer präsent zeigt. Elfie Resch von der ARGE Dicke Weiber erzählt von Übergriffen im Alltag, z.B. Anrempelungen auf der Straße, weil Frauen wie sie viel Platz einnehmen – weit mehr, als man(n) gewöhnt ist. Noch weniger wird damit gerechnet, dass sie sich nicht in eine passive Opferrolle drängen lässt, sondern zum verbalen Gegenschlag ausholt.

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det über ihre Wahrnehmung und ihre Zuschreibungen. Tatsache ist, „dass die gesellschaftliche Diskriminierung dicker Frauen und Mädchen unaufhaltsam zunimmt. Ob Job-Kündigungen, Vernachlässigungsvorwürfe, Gesundheitsvorschriften, Abnehmcamps, MagenbandOperationen, Kleidergrößennorm, Schönheitsidealpropaganda, Scham und Hemmungen oder fehlende (Vor-)Bilder – das Leben von und mit dicken Frauen ist mittlerweile massiven Beeinträchtigungen ausgesetzt, und das Selbstwertgefühl aller Frauen und Mädchen wird dadurch tiefgreifend zerstört. Das ist strukturelle Gewalt!” War on Fat. Der Krieg gegen fette Menschen tobt vor allem in den USA. Richard Carmona, ein ehemaliger Militärarzt der US-Streitkräfte, bezeichnete Fettleibigkeit gar als den „inneren Terror”, ein Verbrechen, das „für uns mit jedem Bissen so bedrohlich ist wie die terroristische Bedrohung, der wir uns heute gegenübersehen.”2 Welches politische und ökonomische Gewicht der Körper besitzt, wird auch an der Einführung des BMI (Body Mass Index) deutlich. Auf Betreiben einiger US-Versicherungsunternehmen etablierte sich in den 1980ern der BMI als Klassifikationsmodell zur Berechnung von Lebensversicherungsprämien, die „Übergewicht” als Risikofaktor integrierten. Im Laufe der Zeit wurde die BMI-Tabelle immer weiter nach unten revidiert – ein Umstand, von dem eine ganze Industrie mit ihren „Schlankheitsprodukten” profitierte. Der BMI, der auch von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) eingesetzt wird, machte somit Millionen Amerikaner_innen schlagartig zur adipositösen

Gefahr. In bester neoliberaler Tradition wurde damit auf die Belastung, die übergewichtige und fettleibige Menschen angeblich auf das Gesundheitssystem ausüben, hingewiesen. So tauchten plötzlich Studien auf, die bestätigen sollten, welche gesundheitlichen Risiken ein erhöhter BMI beinhaltet, Empfehlungen wurden ausgegeben, wie jede_r in Eigenverantwortung durch Gewichtsreduktion seinen_ihren Beitrag zum Gemeinwohl leisten könne. Um der Sache einen dramatischeren Charakter zu verleihen, wurde gleich eine Pandemie der Fettleibigkeit ausgerufen: Die ganze Gesellschaft werde immer dicker. Dass es überhaupt zu einer solchen „Gefahr” kommen konnte, setzte eine gute Portion Kulturpessimismus voraus: Mit zunehmender Technologisierung entferne sich der Mensch von der Natur, was in weiterer Folge Bewegungsmangel und die Unfähigkeit für den „richtigen Riecher” bei Nahrungsmitteln mit sich bringe. Verwertbare Körper. „Fat is a feminist Issue” betitelte Susie Orbach ihr bekanntestes Buch bereits vor mehr als einer Dekade. Wie Recht sie damit hat, lässt sich auch an aktuellen populären Beispielen wie Kate Moss und Beth Ditto ablesen. Während Erstere gerne betont, dass „nichts so gut schmeckt, wie dünn zu sein”, wird Letztere vorwiegend mit den Attributen „Diskokugel” oder „dick im Geschäft” versehen. Nur vereinzelt (wenn auch immer öfter) werden Männer derart an ihrem Äußeren festgemacht, Frauen hingegen sollen sich permanent mit ihrem Aussehen beschäftigen – mit dem Effekt, dass sie aufgrund dieser zeitraubenden „Aufgabe” Männern weniger Konkurrenz machen. Es finden sich immer neue (Schönheits-)Ideale, die es zu erreichen gilt – und diese Ideale verändern sich laufend entlang von Vorstellungen, wie die erfolgreiche, fleißige und produktive Frau jeweils auszusehen hat. Heute spielt eine gesellschaftliche Entwicklung, die auch unter dem Namen neoliberal subsumiert wird, dabei eine gewichtige Rolle. Neoliberal bedeutet dabei nicht nur eine (globale) Machtverschiebung weg von staatlichen Institutionen, wie etwa dem Sozialstaat, hin zur rein an Profiten ausgerichteten Logik der


thema: fat feminism kapitalistischen Wirtschaft. Diese Logik der Verwertbarkeit wurde auch immer stärker den Individuen aufgedrängt, die plötzlich auch ihre „Soft Skills” mit an den Arbeitsplatz bringen mussten – den sie aber nur bekamen, wenn z.B. das mittlerweile obligate Foto neben dem Lebenslauf nicht den Verdacht erweckte, die fette Person sei bei der Arbeit eventuell auch nicht so schnell oder könnte auf Dauer mehr Krankenstände haben. Fit für den Markt. Die fitte Ökonomie muss sich also auch auf der „Visitenkarte Körper” ablesen lassen, der eigene Körper wird so zunehmend zum Kapital. Unter neoliberalen Vorzeichen verändern sich sowohl Staatskörper als auch privater Körper, denn „der kollektive

soll sich in einem ebenso flexiblen, dünnen, biegsamen Körper widerspiegeln. Ein dicker Körper wird hingegen mit Faulheit, Bewegungsunfähigkeit und mangelndem Anpassungswillen assoziiert – denn eine fitte Wirtschaft will auch in jedem einzelnen ihrer Individuen sichtbar sein. Corpus delicti. In der Wissenschaft galt lange Zeit das Prinzip des „körperlosen Forschers”, der, daraus resultierend, objektive Beobachtungen durchführt. Erst die Positionierungen der feministischen Standpoint Theory haben eine nachhaltige Normverschiebung hervorgebracht: Die Erkenntnis, dass ein forschendes Subjekt sich selbst und die eigene Situiertheit in den wissenschaftlichen Vorgang einbringen muss, um zu einem

Die Einführung des Body Mass Index machte Millionen Amerikaner_innen schlagartig zur adipositösen Gefahr. Körper hat sich im individuellen zu spiegeln – und umgekehrt”.3 Die Ökonomin und Politologin Gabriele Michalitsch beschreibt es so: „Neoliberalismus bedeutet einen umfassenden, auf ökonomischer Selbstregulierung durch den Markt basierenden gesellschaftlichen Ordnungsund Entwicklungsentwurf, demgemäß Wirtschaft, Politik und Gesellschaft gleichermaßen nach dem Marktmodell restrukturiert werden. Das impliziert auch einen neuen (maskulinistischen) Subjektentwurf und manifestiert sich in Redefinitionsprozessen von Wissen, Denken und Emotionen.” Dieser maskulinistische Subjektentwurf zeigt sich deutlich in der Unterscheidung der Geschlechter beim Thema Körperumfang. Während Männer tendenziell durch gewisse Posen und einen idealisierten breiten, kräftigen Körper aufgefordert sind, Raum einzunehmen und damit zu signalisieren, dass sie Verantwortung schultern können, sollten Frauen am besten unsichtbar sein. Zumindest in diesem Punkt liegt Alice Schwarzer richtig: Frauen sollen sich dünne machen. Dann klappt’s auch mit der Selbstvermarktung. Die ständig einsatzbereite „Ich-AG” stellt das neue Arbeitskraft-Modell nicht nur der neuen Selbstständigen dar. Der flexible Markt

differenzierten Ergebnis zu kommen, ist ihnen und ihrer berühmten Vertreterin Donna Haraway mit deren These des „Situated Knowledge” geschuldet. Bereits seit den 1960er Jahren ist der (weibliche) Körper zentral für die feministische Wissenschaft. In ihrem 1949 veröffentlichen Werk „Das andere Geschlecht” schreibt Simone de Beauvoir: „Der Körper der Frau ist ein käufliches Objekt. Für sie stellt er ein Kapital dar, das sie verwerten darf.” Es gilt also, sich bestmöglich zu verkaufen, um sich an den Mann zu bringen.

The Fat of the Land 2009, Foto: Emli Bendixen

In einer Zeit, die gezeichnet ist von Fitnesswahn und Ernährungsideologien, geht es nicht, wie oft insistiert wird, um das Wiedererlangen eines „Naturzustandes des Körpers”, sondern darum, die nie enden sollende „Arbeit am Ich” aufrechtzuerhalten. Nirgendwo sonst zeigt sich der neoliberale Überlebensmodus von Flexibilität und Ausdauer so eindeutig wie auf der Visitenkarte des Körpers. Um nicht Gefahr zu laufen, der faulen, fettleibigen, Fritten fressenden Unterschicht zugeordnet zu werden, sollen sich alle einem BMI-normierten, uniformierten Aussehen unterwerfen – nach dem Motto: Aktiv ist das neue Attraktiv. Da sollten wir doch Kuchen essen. l

Verena Stern ist Politikwissenschafterin mit einem BMI von 37 und erfreut sich fachärztlich bestätigt bester Gesundheit.

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Fette Nachlese

Susan Bordo: Unbearable Weight: Feminism, Western Culture, and the Body. Berkeley, University of California Press 1993 Charlotte Cooper: Fat and Proud: The Politics of Size. London, Women’s Press 1998 Don Kulick, Anne Meneley (eds.): Fat. The Anthropology of an Obsession. New York, Penguin 2005 Gabriele Michalitsch: Die neoliberale Domestizierung des Subjekts.Von den Leidenschaften zum Kalkül. Frankfurt/Main, Campus 2006 Mimi Nichter: Fat Talk: What Girls and their Parents say about Dieting. Cambridge Mass., Harvard University Press 2000 Rebecca Popenoe: Feeding Desire: Fatness and Beauty among a Saharan People. London/New York, Routledge 2003 Henning Schmidt-Semisch, Friedrich Schorb (Hg.): Kreuzzug gegen Fette. Sozialwissenschaftliche Aspekte des gesellschaftlichen Umgangs mit Übergewicht und Adipositas. Wiesbaden, VS-Verlag 2008, insbes. die Beiträge von Paula-Irene Villa und Katharina Zimmermann sowie Carmen Gransee.

3 Christina von Braun und Inge Stephan: Gender@ Wissen. Ein Handbuch der Gender-Theorien. Böhlau 2005

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thema: fat feminism

Invasion of the Chubsters Charlotte Cooper – Role Model, Activist und Boss Bitch von „The Chubsters” – im Interview über ihre Gang, Fat Politics und zukünftige Projekte. Von Ines Voigts und Gesine Claus

Charlotte Cooper (l.) und ihre Gang. Foto: Christa Holka

Übersetzung aus dem Englischen: Nina Schulz 1 Das Queer Chub Festival „The Fat of the Land” hat einmalig 2009 stattgefunden: www.queerchub.blogspot.com Mehr Infos zu den Chubsters: www.chubstergang.com, www.charlottecooper.net, beefergrrl@hotmail.com Fat Blog von Charlotte Cooper: www.obesitytimebomb.blogspot.com Gruppen: Nolose, www.nolose.org Fat Femme Mafia, www. myspace.com/fatfemmemafia

„Chubster” wird übersetzt als jemand, der/die stolz ist, nicht den dünnen Körpernormen zu entsprechen. Charlotte „The Beefer” Cooper ist Journalistin, Autorin, Aktivistin und Akademikerin. Seit Jahren arbeitet sie zu Fat Politics und ist in mehreren Do-It-Yourself-Projekten aktiv. Ihr Buch „Fat and Proud: The Politics of Size” erschien 1998, außerdem betreibt sie einen Blog und ist bei mehreren Kunst- und Aktionsgruppen, wie etwa The Chubsters, dabei. Die Chubsters haben sich die eigentlich negative Bezeichnung „chubby” (= pummelig) angeeignet und sie positiv und radikal für sich umgedeutet.

an.schläge: Hey Charlotte, erzähl uns ein bisschen über euer Chubster-GangProject! Was für eine Gang seid ihr? Verbreitet ihr Angst und Schrecken? Charlotte Cooper: Die Chubsters sind eine Girl Gang: voller Laster, fett und queer. Aber eine_r muss nicht fett, queer, ein Girl oder besonders lasterhaft sein, um bei uns mitzumachen. Es geht um die Einstellung. Ich bin Chef der

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Gang. Einige von uns sind furchterregend, einige sanftmütig oder angriffslustig. Unsere Verachtung für Fettphobie und unsere Liebe zum Freaksein eint uns und macht uns stark. Fette Menschen und Menschen in allen Formaten sollten sich das zu eigen machen. Uns gibt es seit circa fünf Jahren, und wir haben ungefähr 100 begeisterte, eingeschriebene Mitglieder und viele Fans. Seit kurzem sind die Chubsters eine Art Sammelbecken für verschiedene Projekte, zum Beispiel für das Filmprogramm des British Film Institute, Musik und anderen Veranstaltungen, sogar für Steinmetzarbeiten. Anfang Oktober sind wir Mitorganisator_innen des „The Fat of the Land”, ein queeres Chub-Erntedankfestival in London.1 Das wird eine perverse Punk-Parodie der traditionellen Erntedankfestivals im Stil der Strohpuppe, inklusive Performances und Marmeladen-Probieren.

Eure Markenzeichen sind ja euer Badge „das schreiende C” und der Donut-Gruß. Worum geht es dabei?

Gut recherchiert! Die beiden Markenzeichen haben wir während eines Chubster-Gang-Treffens in New Jersey 2004 erfunden. Jede Gang braucht ein bedrohliches Symbol, das als Graffiti oder Tattoo auf irgendwelche Oberflächen aufgetragen werden kann. Und jede Gang braucht ein toughes Handzeichen. Das C steht für Chubster und ist mit vor Blut triefenden Zähnen und einer durchgedrehten Augenbewegung garniert. Der Donut ist ein wichtiges Symbol, weil Donuts lecker sind. Beide müssen mit einem spöttischen Lächeln aufgeführt werden. Komischerweise habe ich vor einigen Wochen das Supermodel Kate Moss getroffen und ihr beigebracht, wie die Donut-Hände gehen. Sie war begeistert.

Warum habt ihr die Chubster-Gang gegründet? Ich habe Katrina Del Mars fantastischen Film „Gang Girls 2000” gesehen. Das hat mich inspiriert, meine eigene Gang ins Leben zu rufen, nur mit mehr fetten Menschen. Mir ging es darum, einen Hau-


thema: fat feminism fen von angesagten, gemeinen, toughen, humorvollen, großartigen und kriminell gesinnten fetten Menschen zu haben, die mich in jeder Situation unterstützen würden. Ich hatte anfänglich Fantasien, aktivistische Dinge auf die Beine zu stellen. Aber in meinen Überlegungen, was gehen könnte, war ich relativ beschränkt. Was wir jetzt machen, ist ein viel größerer Spaß. Fette Menschen müssen oft mit Belästigungen auf der Straße und Anstarren fertig werden. Aggressiv zurückzustarren und zu zeigen, dass wir tough sind und uns wehren können, gefällt mir. Außerdem mag ich die Idee, das Vorurteil der vergnügten, fetten Person zu unterlaufen. Wir sind natürlich auch witzig, aber wir verwenden einen Humor, der verunsichernd und unbequem sein kann – für die Menschen, die fettphobisch sind. Und dann gibt meine Freundin Kira Jolliffe ein Magazin heraus, das „Cheap Date” (Billiges Date) heißt. Sie sagte,

Fetten. Diese Menschen haben mir als junger, fetter, queerer Person das Leben gerettet. Jetzt, wo ich älter werde, inspirieren sie mich weiterhin. Aber ich bin keine Separatistin. Die Chubsters sind für alle offen, egal wie queer oder eben nicht queer du bist.

Welche Fett-Aktivist_innen haben dich am meisten beeindruckt? „The Fat Underground”, eine Gruppe Frauen, inklusive einiger Lesben, die in den USA seit Mitte der 1970er Jahre für zehn Jahre aktiv waren. Sie waren die ersten, die „politics of fat” etabliert haben. Außerdem liebe ich Lew Louderback, der 1970 das aufwieglerische Buch „Fat Power” veröffentlicht hat. Das ist zwar veraltet, aber immer noch extrem relevant. Vor kurzem habe ich ihn in New York getroffen. Die Lesben, die Mitte der 1990er das „FaT GiRL”Zine in San Francisco produziert haben,

„Der Donut ist ein wichtiges Symbol, weil Donuts lecker sind.“ wenn ich eine Gang ins Leben riefe, würde sie eine Fotogeschichte drucken. Wie hätte ich da Nein sagen können? Ich habe einige Freund_innen überzeugt mitzumachen, wir haben uns unmögliche Namen und Biografien ausgedacht, ich habe eine Website entworfen, später haben meine Freundin und ich einige Workshops angeboten, Leute animiert, und so fing das Ganze an.

Ist es euch wichtig, euer Projekt auch als Teil queerer Kultur und Politik zu sehen? Das ist sehr wichtig. Queere Kultur, Politik, Geschichte und Theorie haben mir die Möglichkeit eröffnet, mich selbst und meine verschiedenen Communities zu verstehen, in einer Art, die komplett relevant für fette Themen ist. Das beinhaltet Ideen der Normüberschreitung, der Erschaffung eigener kultureller Artefakte, der Wiederaneignung unterdrückerischer Sprache, der bewussten Community, von Sex, eines subversiven und humorvollen Aktivismus, von Punk und Do-it-yourself (DIY). Ich respektiere radikale queere und trans Wegbereiter_innen. Von denen sind einige auch Teil der Bewegung für die Rechte von

sind Freundinnen und Heldinnen für mich. Sie waren so wild und gesetzlos, so kreativ und organisiert. Ich liebe die Arbeit, die heute einige leisten, wie Corinna Tomrley. Sie hat gerade ein Buch mit dem Titel „Fat Studies in the UK” mit herausgegeben. Sondra Solovay leistet beeindruckende juristische Arbeit in den USA und ist dort maßgeblich an der Entwicklung der Anti-Diskriminierungs-Gesetzgebung beteiligt. Substantia Jones hat eine brilliante Fotoserie namens „The Adipositivity Project” entwickelt. Kelli Dunham ist diese großartige Butch, die im Bereich der medizinischen Selbsthilfe arbeitet. Das sind nur einige.

Mit welchen anderen Gruppen und Aktivistinnen steht ihr in Kontakt, und mit wem würdet ihr gerne mal zusammenarbeiten? Nolose, die US-basierte Organisation für fette Lesben und Queers, hat sich wirklich für die Chubsters eingesetzt, uns Plattformen für Workshops geboten und uns gefördert. In London existiert eine unterstützende queere/trans Community, die daran interessiert zu sein scheint, Überschneidungen und

Intersektionen zwischen fetten und trans Identitäten und Verkörperungen zu entwickeln. Entfesselt es, sag’ ich nur! Außerdem entsteht eine „Health At Every Size”-Community in Großbritannien, die im Gegensatz zu einigen Anti-Diät-Initiativen der Vergangenheit daran interessiert ist, Verbindungen mit einem Fett-Aktivismus zu schaffen, inklusive der Chubsters. Mein Traum für eine Zusammenarbeit wäre, Chubster-Dinge mit älteren, radikalen Fetten auf die Beine zu stellen. Vielleicht denen, die in den Anfängen der Fett-Befreiungsbewegung aktiv waren. Ein Tanz-Projekt wäre auch toll. Oder etwas, das wirklich transkulturell ist und fette Anliegen aus seiner weißen, westlichen Zwangsjacke herausholt.

Du beschäftigst dich ja auch mit der Darstellung von Chubsters im Film. Hast du einen Lieblings-Charakter? Was die komplexe Darstellung einer fetten Identität angeht, ist Percy Adlons Zusammenarbeit mit Marianne Sägebrecht in den 1980ern wirklich schwer zu schlagen. Diese Filme scheinen in Vergessenheit geraten zu sein, zumindest in Großbritannien, was furchtbar schade ist. Ich würde gerne noch mal „Zuckerbaby” sehen. Eine Erwähnung verdient haben John Waters Arbeiten mit Divine und Edie Massey, die alle wundervolle Freaks sind. Darlene Cates als Mutter in „What’s Eating Gilbert Grape?” ist schon eine tragische Figur. Nichtsdestotrotz freut es mich immer wieder, wenn ich eine_n superfette_n Schauspieler_in auf dem Bildschirm sehe. Das ist ein seltener Anblick. l

Ines Voigts ist Filmvorführerin und Sexualpädagogin in Hamburg. Gesine Claus war jahrelang im Organisationsteam der Lesbisch-Schwulen Filmtage Hamburg, arbeitet jetzt im Comic-Buchladen Strips&Stories in Hamburg. Ines Voigts und Gesine Claus haben in Zusammenarbeit mit Bildwechsel e.V. Hamburg bei den Lesbisch-Schwulen Filmtagen 2009 einen Workshop- und Kurzfilmabend zum Thema Fat Activism/Fat Politics mit den Chubsters veranstaltet und im Rahmen dessen dieses Interview geführt. Erstmals erschienen in „Hugs and Kisses – tender to all gender”, Nr. 5, Oktober 2009. Nachdruck mit freundlicher Genehmigung der Redaktion. www.hugsandkissesonline.de

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Zarte Füße, dicke Hintern Zwischen Diätplan und Rebellion: Vina Yun hat sich durch einen Stapel klassischer und neuer Kinder- und Jugendbücher gelesen und vergibt Donut-Punkte für widerständiges Potenzial. Name: Wanda Statur: Rund wie eine Christbaumkugel Wird verspottet als: „Wanda Walfisch dick und rund, Wanda Walfisch hundert Pfund!” (Chor der dünnen Mädchen) Fühlt sich am unwohlsten: Im Schwimmbad Markenzeichen: Macht Riesenfontänen, wenn sie ins Wasser springt. Nicht minder aufsehenerregend: Wandas grünorangefarbener Oma-Badeanzug mit den weißen Punkten.

Diäten: Null Romantische Verwicklungen: Ein rothaariger Knirps namens Arthur. Wer nach einer rührseligen KleinmädchenLove-Story sucht: Vergessen Sie’s! Message: Die Kraft der Gedanken machen Kilos zählen überflüssig. Wenn du leicht sein willst, denke Feder. Wenn du aber eine coole Riesensupermegafontäne hinlegen willst – denk Superwal! Donut-Faktor: Q Q Q Q Q

Davide Calì, Sonja Bougaeva: Wanda Walfisch, Atlantis 2010, ab 5 Jahren Name: Hermine aka Prinzessin Zartfuß, 12 Jahre alt Figur: Besonders groß und „schwer wie zwei Prinzessinnen”. Hätte das Zeug zur Gewichtheberin. Wird gescholten als: Fräulein Trampel, Fräulein Übergröße, das dicke Monsterkind, das fette Kind Besonderes Talent: Die mit den Elefanten tanzt (und dabei Berge versetzt).

Diäten: Wenn man auf einem Vulkangebirge festsitzt (noch dazu mit lauter verrückten Erwachsenen), hat man wahrlich andere Sorgen. Beziehungsstatus: Nur Tiere sind deine wahren Freunde. Botschaft: Riesen dürfen niemals aussterben. Und an alle „wunderschweren” Mädchen: Tanzt euch ins Glück! Donut-Faktor: Q Q Q Q Q

Albert Wendt, Maria Blazejovsky: Prinzessin Zartfuß und die sieben Elefanten, Jungbrunnen 2007, ab 7 Jahren Name: Didi Gewicht: So schwer, dass sich auf der Wippschaukel fünf (schlanke) Kinder ans andere Ende setzen müssen, um sie hochzubringen. Auch bekannt als: Elefantenbaby, „die Blade”, Schwabbelkugel Ist dick, weil: Die Oma sagt, es sind die Drüsen. Fühlt sich am unwohlsten: Am Schulwandertag Kompetenzbereiche: Mathematik (Genie-Status). HardRock-Musik.

Diäten: Ein großer langer Wutlauf („Anpassen, dünn werden, was sonst noch! Scheiße!”), gefolgt von einer manischen Sportphase (Schwimmen, Hunde ausführen, Rollerbladen, Unkraut jäten) während der Sommerferien. Lustobjekt: Der fette Felix. Als ihr geliebter Freund dünn wird (Mumps sei Dank), will Didi nicht mehr dick sein. Das nennt man wohl „maßlose Liebe”. Motto: Abnehmen ist gut, Solidarität mit Dicken ist besser. Fat Rights für die Siedlung Eintracht am Wiener Stadtrand! Donut-Faktor: Q Q Q Q Q

Christine Nöstlinger: Dicke Didi, fetter Felix, Dachs Verlag 1998, ab 10 Jahren Name: Gretchen Sackmeier, 14 Jahre alt Fühlt sich: „Fetter als ein Kübel voll Gänseschmalz” bei 1,60 Meter Größe und 64 Kilo Gewicht Ist dick, weil: Vererbung, sagt die Großmutter. Nicht umsonst regiert bei den Sackmeiers der Hüftspeck. Kriegt Stress: Im Turnsaal Wird schwach bei: Billigen Heftchenromanen über Schicksale aus dem Hochadel Diäten: Keine. Verliert aber ein paar Pfunde, als sich die Eltern trennen. Beziehungsstatus: Zum allerersten Mal verliebt. In den Florian Kalb, dessen „Tapsch-Grapsch-Sitzungen mit

Küsschen” aber bald öde werden. Der Hinzel hat schreckliche Zähne, ist dafür intellektuell interessanter. Resümee: Erwachsenwerden ist furchtbar kompliziert. Wenn sich erwachsene Frauen von ihren Ehemännern emanzipieren, steht am Anfang eine Diät (siehe Gretchens Mama). Besonderheiten: Während auf dem Buchcover der Originalausgabe ein dickes Mädchen mit Schaumrolle und Groschenroman zu sehen ist, gleicht Gretchen bei der Neuauflage von 2005 einer Beauty-Prinzessin. Rosa Herzchenheft inklusive. Donut-Faktor: Q Q Q Q Q

Christine Nöstlinger: Gretchen Sackmeier, Verlag Friedrich Oetinger 1981, ab 12 Jahren 22 l an.schläge Dezember 2010 l Jänner 2011


thema: fat feminism Name: Isabella Selbstwahrnehmung: Wie ein „preisgekrönter Mops” Kriegt Namen wie: Fetti, dicke Nudel, Dickmadam, Tönnchen Größter Albtraum: Seilklettern im Turnunterricht Ist dick, weil: Im Grießbrei ein extra Stück Butter schwimmt und Schokolade auf’s Butterbrot geraspelt wird. Von wem? Der Oma natürlich.

Markenzeichen: Eindeutig: Aus dem Mädchen spricht die Pädagogin (= Autorin). Diäten: Eine. „Zufälligerweise” ist der Vater der neuen besten Freundin Arzt und erstellt einen Diätplan. Romantik-Level: Hansi Eisenstein ist zum Reden gut. Aber sonst: zu hässlich. Motto: „Gefüllte Kühlschränke sind der Tod aller Dicken.” Donut-Faktor: Was sind Donuts?

Sibylle Mews: Du bist zu dick, Isabella, Jugend & Volk 1982, ab 12 Jahren Name: Paulina Seemann, Maturantin Kleidergröße: 52, bei ca. 120 kg Fühlt sich wie: „Austria’s next Speckschwarte” Leidenschaften: Liebt Bollywood-Filme. Hängt in Galerien und Museen rum. Angehende Kunststudentin in Barcelona. Tanzt super. Ihre Schildkröten hat sie Demi und Ashton getauft. Diäten: Vor Beginn der Geschichte hat „Paulchen” bereits mehrere Hungerkuren hinter sich gebracht, das erste Mal mit 13. Jetzt ein Mix aus ärztlichem Diätplan,

TCM, Weight Watchers. Gewichtsverlust: insgesamt ca. 50 Kilo in neun Monaten. Objekt der Begierde: Mit Marcus Mepié purzeln die Kilos fast wie von selbst. Die verliebte Paulina will aber richtig abspecken, um es zu tun. Was bleibt: Dickes Mädchen findet (schwarzen) Traumprinzen. Und: „Ich werde wohl mein Leben lang aufpassen müssen.” Fette Mädchen sind sich selbst der größte Feind. Donut-Faktor: Q Q Q Q Q

Chantal Schreiber: Dick angezogen,Planet Girl/Thienemann 2010, ab 13 Jahren Name: Eva, 15 Jahre alt Statur: 67 Kilo, „nicht besonders groß” Ist dick, weil: Der heimliche Hering-Mayonnaise-Salat im Park, Fressattacken in der Nacht. Plus: Wird von der Mutter gefüttert. Kommt sich vor wie: Ein „Elefantenkörper” Fühlt sich am unwohlsten: Im Badeanzug in der Umkleidekabine, ganz dicht vor dem Spiegel Talente: Super Tänzerin. Ansonsten deutet Leonard Co-

hen auf die üblichen Teenager-Depressionen hin. Diäten: Ja – heimlicher Kauf eines Diätbuchs, mit anschließendem Outing vor der Mutter (die sich begeistert zeigt, was „Leichtes” für die ganze Familie zu kochen). Beziehungsstatus: Ein romantischer Sommer mit Michel, der immer pleite ist. Und er will mehr, trotz „Wabbelschicht”. Erkenntnis: Wenn man den Geist scharf stellt, gibt es überall schöne Dicke. Donut-Faktor: Q Q Q Q Q

Mirjam Pressler: Bitterschokolade, Beltz & Gelberg 1980, ab 13 Jahren Name: Virgina Shreves Fühlt sich: Nicht schwabbelig dick. Eher pummelig dick. Trägt Größe XXL. „Wenn sie noch einen Film wie ,Schweinchen Babe in der großen Stadt’ drehen würden, bekäme ich die Hauptrolle.” Fühlt sich am unwohlsten: Im Schwimmbad Attitüde: Mit Ani DiFranco und Virginia Woolf fängt die feministische Laufbahn an. Und beim Kickboxen kann man die Wut so richtig rauslassen.

Diät: Ja, zusammen mit Dr. Love, dem netten Jugendarzt. Romantische Verwicklungen: Froggy Welsh der Vierte küsst und fummelt eindeutig besser als sein Name. Botschaft: Fitness-besessene Mütter sind die Hölle, Väter sollten überhaupt die Klappe halten, wenn es um „Figurprobleme” geht. Der Hintern ist zwar noch immer dick, aber beim Grooven „macht es viel mehr Spaß, mit dem Allerwertesten zu wackeln.” Und: „Jetzt und für alle Zeiten: Ich hasse Salat.” Donut-Faktor: Q Q Q Q Q

Carolyn Mackler: Die Erde, mein Hintern und andere dicke runde Sachen, Carlsen 2004, ab 13 Jahren Name: Crystal Renn Bekannt als: Amerikas Plus-Size-Model Nr. 1 Motto: „Ich bin nicht die beste Freundin aus den Filmen. Ich bin das scharfe Mädel.” Sagt Ja zu: Erdnussbutter. Statt der typischen Model-Ernährung aus „Blattsalat an Fliegenschiss” gibt’s drei volle Mahlzeiten am Tag. „Das Klischee besagt, dass Models hirntot sind, aber einige von uns sind bloß am Verhungern.” Diet or Riot?: Um als „Straight Size”-Model arbeiten zu können, hungerte sie sich als Teenager innerhalb eines Jah-

res fast die Hälfte ihres Körpergewichts vom Leib, auf unter 50 Kilo. Seitdem hat Crystal Renn nie wieder Diät gemacht. Romantik: Auch im wirklichen Leben gibt es ihn, den Traummann für das dicke Mädchen. Ein amerikanisches Happy-End. Message: Im heutigen Nordamerika als Mädchen heranzuwachsen bedeutet zumeist, „sich gegen den eigenen Körper zu richten”. Und: „Das Problem ist nicht das Gewicht – es ist die Gewichtsbesessenheit.” Donut-Faktor: Q Q Q Q Q

Crystal Renn: Hungry, Heyne 2009, ab 13 Jahren Dezember 2010 l Jänner 2011 an.schläge l 23


zeitausgleich arbeitsfragen in allen

lebenslagen

Text: Irmi Wutscher, Illustration: Nadine Kappacher

Weihnachtsfeier Ich war mal als PR-Mädchen-für-alles für eine Medizindienstleisterfirma tätig. Ein dunkles Kapitel in meiner Arbeitsgeschichte. Das Dunkelste an diesem dunklen Kapitel ist die dazugehörige Weihnachtsfeier. Nach dem Essen nämlich hatten Chef und Personalchef die großartige Idee, es sollten sich doch alle reihum bedanken. Für das vergangene Jahr. Mich befiel eine leise Panik, denn ich hatte einfach nichts zu danken. Mein Job war im Grunde ein Zehn-Stunden-Sekretärinnenposten, für den es den tollen Namen PR-Assistenz, aber keine Job-Description gab. Hauptaufgabe war es, Sitzungsprotokolle von PR-Meetings zu verfassen, die alle gleich abliefen. Der Chef erzählte dem jeweiligen Gegenüber (beide Old-Boys wie aus dem Buche): „Frau Wutscher ist ja Feministin”, und es folgte ein frauenfeindlicher Witz. Mitreden bei der Sitzung: Fehlanzeige. Auch sonst gab es eigentlich nichts Verantwortungsvolles zu tun. Nicht einmal ein Weihnachtsgeschenk hatte ich bekommen. Gottseidank meldete sich die Sekretärin gleich zu Wort (sie war kurz nach mir eingestellt worden) und bedankte sich für das ihr entgegengebrachte Vertrauen. Danach waren alle Augen erwartungsvoll auf mich gerichtet. Mir war noch immer kein Grund für Dankbarkeit eingefallen, und ich versuchte irgendwie die Kurve zu kratzen: „Ähm, ja, ich weiß, ich komm aus einem ganz anderen Bereich als ihr (alles Wirtschaftsmenschen), trotzdem glaube ich, dass ich mit meiner Sichtweise vielleicht Aspekte in die Arbeit einbringen kann, die vorher noch nicht so da waren.” Unverständnis in den Gesichtern rundherum. „Ja, und dafür bedanke ich mich irgendwie.” Okay, das D-Wort war gefallen, meine Wortmeldung akzeptiert. Dann wurde der Reihe nach noch sehr viel und sehr herzlich gedankt. Höhepunkt: die Chefansprache, bei der alle noch einmal genannt wurden. „Und wir danken der Irmi, dass sie bei uns ist.” Vier Wochen später wurde ich durch einen Praktikanten ersetzt, „weil wir nicht zueinander passen”. Ich selbst arbeitete mittlerweile für den cholerischsten Zeitungsmacher des Landes. Und es kam mir dort vor wie im Himmel. Irmi Wutscher war noch nie Chefwitzlacherin und hält es nicht für notwendig, sich für den Austausch von Arbeitskraft gegen Geld zu bedanken. Nadine Kappacher gibt es da www.salon-nadine.at und dort http://meerweh.tumblr.com

24 l an.schläge Dezember 2010 l Jänner 2011

studie (K)Ein Gender-Gap in Mathematik In manchen Ländern unterscheiden sich die Geschlechter in ihren mathematischen Fähigkeiten, in anderen nicht. Warum das so ist, analysierten nun Forscherinnen der University of Wisconsin in einer Meta-Studie. Ergebnis: Der Gender-Gap lässt sich v.a. darauf zurückführen, wie der soziale Status von Frauen in den jeweiligen Ländenr aussieht. Ebenso wirken sich die Art und Weise, wie mathematische Fähigkeiten geprüft werden, teilweise auf den Grad der unterschiedlichen Leistungen aus. Zugleich wurde in der großangelegten Untersuchung auch gezeigt, dass Mädchen nicht per se untalentierter in Mathematik sind als Jungen. Jedoch können sich falsche Erwartungen bei Eltern und LehrerInnen negativ auf die Leistungen der Mädchen in den Naturwissenschaften auswirken: „Vermittelt man Frauen vor einer mathematischen Aufgabe, man erwarte ein besseres Abschneiden der Männer, so wirkt das wie eine sich selbst erfüllende Prophezeihung”, so die Studien-Autorinnen. Der Unterschied zwischen Burschen und Mädchen liegt u.a. auch in der (falschen) Selbsteinschätzung und dem Willen zum Wettbewerb. Jungen geben sich kompetitiver und überschätzen sich oft bei mathematischen Aufgaben. Matthias Sutter von der Universität Innsbruck schlägt vor, dass SchülerInnen im Unterricht regelmäßig Feedbacks zu ihren Leistungen erhalten sollen: „Dadurch erkennen Mädchen, dass sie gleichauf liegen, und es hilft ihnen, den Wettbewerb nicht zu scheuen.” niho/be http://diestandard.at, www.apa.org/pubs/journals/releases/bul-136-1-103.pdf

internetportal Exzellenz fördern Eine Suchmaschine der anderen Art ist „academia-net.de” – ein Internetportal, das Profile „exzellenter Wissenschaftlerinnen” enthält. In den höchst dotierten Positionen in der deutschen Forschung sind Frauen nur zu zwölf Prozent vertreten – dieser mangelhaften Repräsentation wollen die InitiatorInnen des Projekts, die Robert Bosch Stiftung und das Magazin „Spektrum der Wissenschaft”, entgegenwirken. Von nun an können jene, die eine Konferenz ausrichten, ExpertInnen suchen oder wissenschaftliche Gremien besetzen, über das Portal direkt nach einer passenden Wissenschaftlerin suchen. Ob die Suchmaschine auch wirklich genutzt werden wird, bleibt freilich abzuwarten. be www.academia-net.de

budget Aus für freie Forschung? Die österreichische Regierung will sparen – u.a. 28 Millionen Euro bei der außeruniversitären Forschung in den nächsten vier Jahren. Nach der Budgetklausur der Regierung Ende Oktober sind nun Details bekannt geworden: Wissenschaftliche Institute und Forschungseinrichtungen, die nicht im Eigentum von Bund oder Ländern stehen, sollen ab 2011/12 weder Grundfinanzierung noch Projektförderungen mehr erhalten. Damit würde die Finanzierung der freien Wissenschaft – und damit auch ein wichtiger Teil feministischer Forschung – quasi vollständig eliminiert. Betroffen ist eine ganze Reihe renommierter Institute, wie etwa das Institut für die Wissenschaften vom Menschen (IWM), das Zentrum für soziale Innovation (ZSI), das Kreisky/Dohnal-Archiv, die Forschungsund Beratungsstelle Arbeitswelt (Forba) oder auch das Internationale Forschungszentrum Kulturwissenschaften (IFK).


an.riss arbeit wissenschaft „Hier geht es nicht um einen anteiligen Beitrag zum Sparen, sondern um eine Auslöschung von geistigem Kapital Österreichs und einer intellektuellen Infrastruktur, die über mehrere Jahrzehnte aufgebaut wurde”, kritisiert die Plattform „Wissenschaft Österreich”, ein Zusammenschluss extra-universitärer wissenschaftlicher Einrichtungen, die auch eine Online-Petition gegen die Sparpläne initiiert hat. viyu http://derstandard.at, Petition der Plattform „Wissenschaft Österreich“ unter http://wissenschaft.research.at

auszeichnung Käthe-Leichter-Staatspreis für Luzenir Caixeta Luzenir Caixeta, Mitgründerin von maiz (Autonomes Zentrum von & für Migrantinnen, Linz) und Mitarbeiterin der dortigen Beratung „Sex & Work”, wurde für ihre Arbeit und Forschungstätigkeit mit dem renommierten Käthe-Leichter-Staatspreis für Frauen-, Geschlechterforschung und Gleichstellung in der Arbeitswelt ausgezeichnet. Caixeta setzt sich bei maiz für die soziale und rechtliche Besserstellung von Migrantinnen, insbesondere von Migrantinnen in der Sexarbeit, ein. Ob sie den Staatspreis überhaupt entgegennehmen sollte, war für Caixeta eine schwierige Frage. Die Leistungen der sozialistischen Gewerkschafterin und Autorin Käthe Leichter (1895–1942) waren aber letztlich für sie ausschlaggebend, den Preis doch anzunehmen. Ihr Unbehagen brachte die Preisträgerin in einer politischen Dankesrede zum Ausdruck: „Einen Staatspreis in diesen für Migranten so harten Zeiten zu bekommen, sorgt für ambivalente Gefühle. Die Verleihung eines Staatspreises an eine Migrantin richtet den Scheinwerfer auf einen sehr wichtigen Brennpunkt dieser Gesellschaft. Und gleichzeitig ist es derselbe Staat, der seit Jahren die Migrations- und Asylpolitik und -gesetze laufend verschärft und zu den restriktivsten in Europa gemacht hat. Meine Angst, für Legitimationszwecke instrumentalisiert zu werden, mischt sich mit der Hoffnung, dass dieser Akt als eine Zeichnung von einem dringend notwendigen Paradigmenwechsel (im epistemologischen und politischen Sinn) gesehen werden kann.” be www.maiz.at

publikationswettbewerb And the winner is …

Stencil: Banksy, Foto: Dan Brady

kollektivvertrag Mindestlohn für Reinigungskräfte In den Kollektivvertragsverhandlungen im Herbst wurde für Beschäftigte in der Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigung in Österreich ein Mindestlohn von 1.300 Euro bei Vollbeschäftigung festgelegt. Damit sind sie eine der ersten Gruppen im Dienstleistungsbereich, für die ein solcher Mindestlohn gesichert wurde. BeamtInnen- und Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek hatte bereits vor den Herbstlohnrunden 1.300 Euro Mindestlohn als generelle Untergrenze gefordert. Dieses erste Ergebnis wertet sie als Erfolg, da in dieser Branche besonders viele Frauen arbeiten: Mit einem weiblichen Anteil von durchschnittlich 78 Prozent gilt die Reinigungsbranche noch immer als typische Frauendomäne, rund jede elfte weibliche Erwerbstätige arbeitet in diesem Bereich. Und die Statistik verrät noch mehr: Innerhalb der Branche gibt es eine stark geschlechtsspezifische Verteilung, je nach Beruf. Bei HaushälterInnen, HausgehilfInnen und BüglerInnen beträgt der Frauenanteil über 90 Prozent; in der Schädlingsbekämpfung, der Müllabfuhr oder in den Bereichen Kanal- und Straßenreinigung überwiegen die Männer. Das AMS weist außerdem darauf hin, dass viele MigrantInnen, die eigentlich höher qualifiziert wären, in der Reinigungsbranche arbeiten müssen, weil sie aufgrund von Anrechnungsbestimmungen oft keine ihren Qualifikationen entsprechende Beschäftigung ausüben können. trude/be http://diestandard.at, http://bis.ams.or.at

Kritique, der Verein zur Förderung queer-feministischer Literatur, Wissenschaft und Kultur, nominierte im Zuge des Publikationswettbewerbs „kritique_jeune” fünf queere Diplom- bzw. Masterarbeiten aus Wien. Die Jury (Andrea B. Braidt, Susanne Hochreiter, Elisabeth Holzleithner, Gundula Ludwig, Veronika Wöhrer) wählte nun eine Gewinnerin: an.schlägeAutorin Silke Graf. Ihre Diplomarbeit „Verhandlungen von Geschlecht nach der Dekonstruktion am Beispiel Ladyfest Wien 2004” wird im Zaglossus-Verlag publiziert und voraussichtlich im Jänner 2011 erscheinen. Wir gratulieren! be www.kritique.at

verhütung Kontrazeptives Gel zeigt erste Erfolge Als mögliche Alternative zur heuer 50 Jahre alt gewordenen Antibabypille und neuer Hoffnungsträger in Sachen Verhütung gilt aktuell ein kontrazeptives hormonelles Gel. Das von der internationalen NPO/NGO „Population Council” und „Antares Pharma” entwickelte Gel wurde zwar bisher nur an 18 Frauen getestet, doch die Ergebnisse dieser Studie sind vielversprechend: Die Studienteilnehmerinnen äußerten sich sehr positiv zum Gebrauch des Gels, die gemeldeten Nebenwirkungen waren mild. Zusätzliche Studien sollen nun in größeren Bevölkerungsgruppen durchgeführt werden. Das Gel enthält das Progestin Nestoron und Östradiol, ein Östrogen. Es wird täglich einmal auf den Unterleib aufgetragen und verhindert so den Eisprung. Anders als von englischsprachigen Zeitungen gemeldet, kann die Studie jedoch keine Aussagen darüber machen, welchen Effekt das Gel auf stillende Mütter hat. be www.popcouncil.org, www.guardian.co.uk

Dezember 2010 l Jänner 2011 an.schläge l 25


an.sprüche

Fair oder gar nicht Wie geht das, immer nur fair hergestellte und gehandelte Waren zu kaufen? Und was bringt ein ganzer Tag ohne jeglichen Konsum? Vanessa Redak bemüht sich nach Kräften, die fairen Kinderstiefel doch noch zu ergattern, und Leonie Kapfer kennt die Tücken des „Kauf-Nix-Tages”. Illustration: Bianca Tschaikner

Der perfekte Kinderstiefel – endlich gefunden: aus Naturmaterial, mit Lammfell gefüttert, regenundurchlässig und gemäß Prospekt fair produziert. Aber das Beste: Er sieht gut aus und es gibt ihn nicht in der Farbe Rosa. Der Stiefel ist in zwei Läden in Wien erhältlich. 16.57 Uhr: Ich hetze in den Kindergarten. Um 18 Uhr schließt der Laden mit dem Stiefel. Als Vollzeit berufstätige Frau mit Kind habe ich zwar Geld, aber nie Zeit. 17.26 Uhr: Wir stecken mit dem Bus im Innenstadtstau. 17.41 Uhr: Wir erreichen das Geschäft. Schlechtes Gewissen, dass ich jetzt erst komme, denn die Angestellten wollen sicher pünktlich schließen. 17.44 Uhr: „Ich möchte diesen Stiefel hier aus dem Prospekt in Größe 26 und meine Tochter möchte sich die Farbe aussuchen. Es gibt ihn ja in vier Farben.” Es gibt den Stiefel nur in grau und braun. Die Angestellte bietet mir noch Stiefel anderer Firmen an, aber irgendwie schaffe ich es nicht, mein ästhetisches Bedürfnis ökologischen Interessen zu opfern. Noch dazu, wo es ihn ja gäbe, den Stiefel, der auf wundersame Weise beiden Ansprüchen gerecht wird. 17.56 Uhr: Die Angestellte ruft in der anderen Filiale an, und tatsächlich gibt es ihn dort in Rot. Hervorragend. Da der Laden in der Nähe der Mariahilfer Straße ist, hat er auch bis 18.30 Uhr offen. 17.59 Uhr: Auf der Straße überlege ich kurz, das Ganze doch abzubrechen. Vielleicht doch lieber online italienische Designer-Kinderstiefel bestellen, die mit Sicherheit von chinesischen Sweatshop-ArbeiterInnen im Textilring um Florenz produziert wurden? Nein, es muss den Versuch wert sein. 18.03 Uhr: Wir sitzen im Taxi. Kein Hybrid-Auto. Aber sind Hybrid-Autos überhaupt korrekt? Ich habe keine Ahnung. 18.14 Uhr: Wir erreichen das Geschäft. Die Angestellte ist informiert und bringt sofort den Stiefel 26 in Rot. Das entzückendste Kind der Welt zieht ohne Murren Schuhe aus und setzt sich ohne zu zappeln auf die Bank. Sie rückt mit dem Fuß ein Stück rein, wir zerren und pressen und drücken, dann meint die Angestellte: „Dieser Stiefel ist für Ihre Tochter nicht geeignet. Ihr Rist ist zu hoch.”

Wenn man beim Gang durch die Konsumtempel unserer Zivilisation wieder auf Lichterketten, Christbäume und übertrieben gut gelaunte Weihnachtsmänner stößt, weiß man, es ist Vorweihnachtszeit. Der Konsum-Höhepunkt des Jahres. „Shop ’til you drop” lautet von nun an die Devise, und das alles nur, um die Liebsten glücklich zu machen. Wem sich bei der Vorstellung an diese Jahreszeit schon die Nackenhaare aufstellen, für die oder den ist der „Kauf-Nix-Tag” genau das Richtige. 1992 vom kanadischen Künstler Ted Dave ins Leben gerufen, erfreut sich dieser Tag seither in der linksalternativen Szene großer Beliebtheit. Mit dem 24-stündigen Kaufverzicht soll das eigene Konsumverhalten reflektiert und gegen die ausbeuterischen Produktions- und Handelsstrategien der internationalen Konzerne protestiert werden. Dabei wurde das Datum des „Kauf-Nix-Tages” bewusst auf die konsumintensivste Jahreszeit gelegt. In den USA und Kanada findet der „Buy Nothing Day” immer am Freitag nach Thanksgiving statt, in Europa zu Beginn des Weihnachtsgeschäftes. Jetzt kann man sich über die Effektivität eines solchen Tages sicher streiten, und Sinn der Sache ist es natürlich nicht, das ganze Jahr über wie verrückt zu konsumieren und sich dann mit einem eintägigen Kaufverzicht reinzuwaschen. Aber wenn wir uns der unschönen Wahrheit bewusst werden, dass wir unseren Planeten kaputt konsumieren, wird ein nachhaltiges Konsumverhalten unabdingbar. Momentan verbrauchen 20 Prozent der Erdbevölkerung 80 Prozent aller Ressourcen! Ein solcher Tag kann also sicher zum Nachdenken anregen, und einmal bewusst etwas nicht zu kaufen, was sonst zum alltäglichen Überleben angeblich unabdingbar ist, kann eine sehr erleichternde Erfahrung sein – man merkt, dass man doch gar nicht so abhängig von Dingen ist, wie man dachte. Zumindest von manchen: Die leere Packung Zigaretten an meinem „KaufNix-Tag” hat mich doch kurz verzweifeln lassen, und ich hab begonnen mich zu fragen, ob „Kauf-Nix” auch „Schnorr-Nix” bedeutet?

Vanessa Redak ist Bankangestellte und lebt in Wien.

Leonie Kapfer lebt in Wien und shoppt am liebsten Second-Hand.

26 l an.schläge Dezember 2010 l Jänner 2011


forum wissenschaft

Differenzforschung als Ideologie

Fotos: Bettina Enzenhofer

Heinz-Jürgen Voß stellte vor kurzem in Wien sein Buch „Making Sex Revisited” vor, in dem er aus biologisch-medizinischer Perspektive Geschlecht dekonstruiert. Bettina Enzenhofer traf den Biologen zum Gespräch. an.schläge: Eine deiner zentralen Thesen ist, dass das biologische Geschlecht gesellschaftlich hergestellt ist. Wie lässt sich das aus Sicht der Biologie argumentieren? Das ist eine komplexe Frage. In der Biologie gibt es zwei widerstreitende Prinzipien: deterministisch geprägte und solche, die einen Entwicklungsgedanken im Blick haben. Bei deterministischen Theorien ist man der Meinung, dass schon im embryonalen Anfangsstadium viele Körpermerkmale vorhanden sind und sich diese nur mehr ausbilden müssen – das gilt auch für das Geschlecht. Die gesellschaftliche Vorannahme, dass es nur zwei Geschlechter mit bestimmten Merkmalen gäbe, kann man mit solchen Theorien sehr schnell begründen und in dieser widerspiegeln. Entwicklungstheorien wurden zu Beginn

des 18. Jahrhunderts sehr stark diskutiert. Man geht nicht mehr von einem vorgebildeten Individuum aus, sondern von ungeformter Materie, die sich erst durch Entwicklungs- und Differenzierungsprozesse zu einem komplexen Organismus ausbildet. Hier nimmt man an, dass sehr viele Einflüsse wirken können und so ein offener Prozess nicht nur bei männlich oder weiblich enden muss. Das kann man z.B. in aktuellen biologischen Theorien zu Hormonen oder Chromosomen gut zeigen. Nicht ein Chromosom gibt einer Zelle vor, was sie tun soll, sondern umgekehrt: In der Zelle sind komplexe Prozesse daran beteiligt, dass aus einer DNA-Sequenz erst eine konkrete Information hergestellt wird. Dabei wirken von Beginn an bereits Einflüsse aus der Mutter und aus der übrigen Umwelt.

Entwicklungstheorien gibt es also schon seit drei Jahrhunderten, aber bis heute wird gelehrt: Es gibt die Männer und die Frauen. Genau. Das ist ja auch das Absurde: Gerade in den Biologie-Lehrbüchern werden Prozesse sehr stark thematisiert, z.B. in der Biochemie. Hormone werden immer als ein gemeinsamer Biosyntheseweg von Östrogenen und Testosteron dargestellt, aber bei den Schlussfolgerungen kommt das nicht an. Man hat sozusagen das diffizile und differenzierte Bild von Genen, Chromosomen, Hormonen etc. und schafft es trotzdem immer wieder, das dann ganz einfach binär-geschlechtlich einzuordnen. Warum gibt es angesichts widersprüchlicher Befunde trotzdem eine solche Zuordnung?

Literaturtipp Heinz Jürgen Voß: Making Sex Revisited. Dekonstruktion des Geschlechts aus biologisch-medizinischer Perspektive. Transcript 2010. Siehe auch Rezension in an.schläge 6/2010.

Dezember 2010 l Jänner 2011 an.schläge l 27


forum wissenschaft Das würde ich gesellschaftlich erklären: Von früh auf lernt man, dass es nur zwei Geschlechter gibt. Man lernt, sich eindeutig als Mädchen oder Junge, Frau oder Mann zu verorten. Das bildet einen sozialen Hintergrund, der gar nicht hinterfragt wird. Man kommt dann in der Biologie zwar durchaus bei vielen Faktoren an, die miteinander wechselwirken, und merkt dass sich das alles gar nicht so einfach darstellt. Aber die zweigeschlechtliche Hintergrundfolie ist immer da, die Befunde müssen dort reinpassen. Differenzforschung ist auch wesentlich einfacher zu begründen. Es ist einfacher, dafür Forschungsgelder zu bekommen und solche Ergebnisse zu publizieren. Man muss immer möglichst „signifikante” Unterschiede feststellen können – wobei „Signifikanz” selbst

Wie anerkannt sind Entwicklungstheorien innerhalb der Biologie? Alle Forschungen landen im Moment eigentlich bei Entwicklungsprozessen und stellen fest, dass die Theorien der letzten Jahrzehnte zu einfach waren. Auf genetischer Ebene kommt man bei komplexen Netzwerken an, bei denen viele Faktoren beteiligt sind. Bei Hormonen stellt sich heraus – das weiß man schon seit den 1920er Jahren –, dass es keinesfalls so einfach mit diesem Entgegenstellen von Östrogenen und Androgenen ist. Mittlerweile gelingt es der Biologie und Medizin immer weniger, ihre Beobachtungen in so einfache Konzepte von weiblich und männlich zu pressen. Sie sind außerdem subjektiv: In dem, was gefunden und gesehen werden kann,

„Mir ist es wichtig, Gewaltverhältnisse abzuschaffen. Das ist bei Intersexualität sehr wichtig und muss auch der Hintergrund sein, warum man gegen Zweigeschlechtlichkeit argumentiert.“ schon ein sehr schwammiger Begriff ist: Er bedeutet, dass ein Ergebnis nicht vollständig auf Zufall zurückzuführen ist. Derartige Ergebnisse von Differenzforschung lassen sich in wissenschaftlichen Zeitschriften gut publizieren. Wenn man aber feststellt, dass es eigentlich gar keine Unterschiede gibt, ist das ja auch ein Ergebnis von Forschung, das wird aber nicht veröffentlicht bzw. lässt sich eben wesentlich schlechter publizieren. Gerade in populären Darstellungen wird sehr viel vereinfacht: Eierstöcke würden Östrogene ausschütten, Hoden würden Testosteron ausschütten. Oder auch auf chromosomaler Ebene: X- und Y-Chromosomen seien die entscheidenden Faktoren von Geschlecht bzw. einzelne wenige Gene würden das Geschlecht vorgeben. Wenn man in populären Medien oder auch in Schulbüchern immer so simpel argumentiert, dann wird auch Nachwuchswissenschaftler_innen ein simples Verständnis angelernt. Damit holt man dieses Denken immer wieder in die Biologie zurück und kommt da auch nicht raus. Das ist eine deterministische Annahme: Wir müssen unsere einfache Welt, die wir haben, auch biologisch finden … 28 l an.schläge Dezember 2010 l Jänner 2011

spiegelt sich auch Gesellschaft wider. Die Biologie und die Medizin landen also bei sehr komplexen Modellen, aber die Ideologie des Zweigeschlechtersystems ist so stark, dass dann wieder gesagt wird: Wir müssen das aber in weiblich oder männlich einordnen.

Wie reagieren andere Biolog_innen auf deine These vom gesellschaftlich hergestellten biologischen Geschlecht? Durchaus wechselhaft: Mit einigen kann man sehr gut diskutieren, die sind auch kritisch, bei denen stellen sich auch die Ergebnisse durchaus widersprüchlich dar. Sie befinden sich aber in einer Situation, in der sie ihre Ergebnisse entsprechend eindeutig weiblich und männlich zurichten müssen, um sie publizieren zu können. Bei älteren, in der Wissenschaft etablierten Biolog_innen – die z.B. Theorien vertreten haben, mit denen sie auch eine Professur erlangen konnten, was ja gerade in der Biologie bei kritisch Denkenden schwieriger ist – ist das komplizierter. Ich kann darlegen, wie vielschichtig und differenziert alles ist,

aber dann kommt der Satz: „Aber es gibt doch das Y- und das X-Chromosom.” Das ist die Antwort auf die komplexen Ausführungen, die deutlich gemacht haben, dass Chromosomen gar nicht die ihnen zugeschriebene Bedeutung haben oder auch nicht als Geschlechtschromosomen bezeichnet werden sollten. Mit so einer einfachen Antwort haben sie sich dieses Problems wieder entledigt, aber eigentlich auch selbst disqualifiziert.

Das kommt mir bekannt vor! Ich höre oft: „Geschlecht mag sich komplex ausbilden, aber im Alltag sehe ich doch, dass es Männer und Frauen gibt. Sie unterscheiden sich z.B. in der Körpergröße oder in der Muskelmasse.” Im Alltag sieht man das, was mit „biologischem Geschlecht” oft verbunden wird, wie etwa Genitalien, gerade nicht: Menschen laufen ja nicht nackt herum, die Genitalien sind nicht sichtbar. Hier wird also schon die kulturelle Wirkung deutlich. Wie betonen wir Geschlecht, welche Zeichen lesen wir als geschlechtlich, wo ist es notwendig, Behaarung stehen zu lassen, wo nimmt man sie besser weg, um als eindeutig durchzugehen? Immer wieder werden biologische Faktoren herangezogen, um zu behaupten, dass alles so eindeutig sei, aber meine Argumentation ist: Nein, das ist es nicht. Heute leben Menschen als Männer oder Frauen sozialisiert. Damit verknüpfen sich gewisse Erwartungshaltungen. Das Problem, dass Frauen diskriminiert werden, dass an Männer bestimmte Anforderungen gestellt werden, dass Intersexuelle schwer misshandelt werden, um ein eindeutiges Geschlecht herzustellen – das ist ein gesellschaftliches Problem, das gesellschaftlich und politisch beantwortet werden muss. Das ist für mich das vorrangige Ziel. Aber wenn jemand mit dem biologischen Substrat, das sich bei den Geschlechtern unterscheiden würde, argumentiert? Das hängt trotzdem ganz stark mit der Sozialisation zusammen. Soziologische Studien haben schon in den 1980ern gezeigt, dass Erwachsene auf ein Baby, das ihnen als weiblich vorgestellt wurde, mit „Ach, ist das zart und hübsch” reagierten, wenn aber dasselbe Baby als männlich vorgestellt wurde, die


heim spiel

leben mit kindern Zuschreibung „Ach, ist das kräftig und stark” verwendeten. Relevant sind also die frühe unterschiedliche Behandlung und unterschiedliche Trainingsmöglichkeiten, die sich für Buben und Mädchen schon in der Kindheit ergeben. Sport war lange Zeit bei Frauen nicht so angesehen wie bei Männern, das prägt sich dann auch in physischen Merkmalen ein. Zum Beispiel wurde behauptet, dass Schwimmen nicht für Frauen geeignet wäre. Gertrude Ederle überraschte dann 1926 als erste Frau, die den Ärmelkanal durchschwamm, und das noch zwei Stunden schneller als der bisherige Weltrekordler. Damit wird deutlich: Was gesellschaftlich erwartet wird, prägt die Wahrnehmung – etwa, dass bestimmte Leute etwas nicht können sollen. Ederle schwamm seit ihrem achten Lebensjahr, da spielte die Sozialisation also eine große Rolle. Ähnlich ist das auch beim Marathon: Frauen können seit den 1960er Jahren regulär an Marathon-Wettkämpfen teilnehmen. Der Unterschied zu den Männern lag früher bei etwa 1,5 Stunden, heute liegen die Unterschiede bei zehn Minuten. Wenn sich die Trainings- und Lebensbedingungen angleichen, ebnen sich also jene Unterschiede ein, die vorher als „natürlich” angenommen wurden.

Theorien ändern sich ja immer wieder. Was ist deine Prognose: Werden wir noch die Abkehr vom Zweigeschlechterdenken erleben? Es kommt darauf an, wie wir die Gesellschaft gestalten. Ein grundsätzliches Problem ist, dass viele Menschen die Welt als gegeben erleben. Heute werden in der Gesellschaft zwei Geschlechter gelebt, und man denkt, dass ein Mensch an die Gesellschaft angepasst werden muss – aber nicht andersrum, was ja eigentlich das emanzipatorische Potenzial wäre. Gerade bei Kindern ist das Vorurteil von nur zwei Geschlechtern nicht so stark gegeben, z.B. nehmen Kinder auch ein Kind an, das nicht eindeutig „Mädchen” oder „Junge” ist – wenn etwa beim Spielen nach „Jungen” und „Mädchen” gefragt wird und ein Kind sich bei beidem meldet. Stigmatisierung findet wenn, dann erst später statt, nämlich sobald Kinder älter werden und Stück für Stück in einer ZweigeschlechterGesellschaft sozialisiert werden. Ich denke, dass eine Abkehr vom Zweige-

schlechterdenken möglich ist, und ich streite auch dafür, dass das passiert. Vielleicht wird diese Änderung nicht in 50 Jahren erfolgt sein, aber vielleicht haben wir es in 200 Jahren geschafft.

Das wäre ja auch gesellschaftspolitisch relevant. Wenn wir von vielen Geschlechtern ausgehen, müssen wir nicht alles, das nicht in ein binäres Schema passt, pathologisieren, wie bspw. Transgender, Intersexualität etc. Eine Gesellschaft muss derart gestaltet werden, dass sie für alle Menschen gerecht ist. Mir ist es wichtig, Gewaltverhältnisse abzuschaffen. Das ist bei Intersexualität sehr wichtig und muss auch der Hintergrund sein, warum man gegen Zweigeschlechtlichkeit argumentiert. Operationen bei Intersexuellen müssen gestoppt werden, Geschlecht soll im Personenstand entweder nicht mehr auftauchen, oder es muss zumindest eine dritte Kategorie eingeführt werden – damit würde sich schon einiges ändern. Menschen, die weiblich oder männlich aufgewachsen sind, wissen oft gar nicht, welche Gewalterfahrungen intersexuelle Menschen dadurch machen. Dieses Zweigeschlechtersystem bringt ja allen Menschen Nachteile – man muss sich immer anpassen, um in einer Gruppe anerkannt zu sein. Das Interesse von Menschen aneinander würde dazu führen, dass Geschlecht gar nicht mehr diese Bedeutung hat. Das heißt, es würde sich etwas über die gesellschaftliche Ebene verändern – und nicht über die Biologie. Als kritische_r Biolog_in kann ich höchstens zeigen, dass in diesen herrschenden Theorien von nur zwei Geschlechtern sehr viel Ideologie mitschwingt, obwohl man eigentlich, wenn man die biologische Fachdiskussion nüchtern betrachtet, bei vielen Geschlechtern ankommen müsste. Die Ideologie kommt aber ganz breit aus der Gesellschaft, und deshalb ist es eine politische und gesellschaftliche Entscheidung, vom Zweigeschlechtermodell abzugehen. Biologie ist nur ein Bestandteil der Gesellschaft. l Heinz-Jürgen Voß ist Biologe mit Lehraufträgen an verschiedenen deutschen Universitäten. 2011 erscheint sein neues Buch „Geschlecht: Wider die Natürlichkeit”. Voß bloggt auch: http://dasendedessex.blogsport.de

Sonja Eismann

Das perfekte Kind Da liegt sie wieder, die beliebte kleine Tyrannin, quer ausgestreckt zwischen den Eltern, und denkt gar nicht daran, endlich mal im eigenen Bett zu schlafen. Nachts wird gedreht, gewendet, gekrabbelt, auf die Eltern geklettert, die Häschenstellung eingenommen und gerne auch mal geboxt. Die Eltern wachen jeden Morgen gerädert auf, während das Töchterchen sie – meist – fröhlich angluckst und ungeduldig auf Fläschchen und Action wartet. Hätte man mir früher ein solches Szenario erzählt, ich hätte mir innerlich an die Stirn getippt und gedacht: Selbst schuld, wer sich von seinem Kind so dominieren lässt. Genau wie ich nicht verstehen konnte, dass Eltern untätig zusehen, wie ihre Brut lärmend komplette Regale ausräumt oder kilometerweise Klopapier abrollt, am liebsten noch zu Besuch bei entsetzten kinderlosen FreundInnen. Mittlerweile weiß ich, dass man vielem einfach nur mit unglaublicher Geduld, Langmut und etwas Fatalismus begegnen kann. Kinder lassen sich nicht so einfach regulieren – was ja auch das Tolle an ihnen ist. Trotzdem frage ich mich immer wieder: Wo fängt Erziehung an, und was kann das überhaupt sein? Ab wann „verstehen” Kinder, ab wann hat man’s verbockt? Möchte ich wirklich einen komplett von mir abhängigen Menschen „formen”? Bzw. möchte ich riskieren, dass mein Kind mir und anderen ständig auf der Nase herumtanzt? Ich hätte jedenfalls nie gedacht, wie entsetzlich schwierig es ist, „hart” zu bleiben, wenn ein kleines Kind vor einem steht und in hellster Verzweiflung weint. All die Erziehungsratgeber mit ihrem höchst widersprüchlichen Geschwafel von Konsequenz, Urvertrauen und Perfektion tragen dabei nur zu einem bei: dem schlechten Gewissen und der Angst, alles mal wieder falsch gemacht zu haben. Da hilft wohl nur eins: versuchen, trotz der Bombardierung mit unerfüllbaren Vorgaben so etwas wie Common Sense aus sich selbst herauszukitzeln – und mit dem Mangel zu leben. Denn wie gruselig wäre eigentlich das „geglückte Produkt” einer perfekten Erziehung – das perfekte Kind? Na eben. Sonja Eismann und ihr Freund Pascal freuen sich (meistens), dass ihre 15 Monate alte Tochter Hannah wild durch die Gegend rennt, und hoffen absurderweise, dass sie bald so verständig ist, dass man ihr alle pädagogischen Entscheidungen rational verklickern kann.

Dezember 2010 l Jänner 2011 an.schläge l 29


borders

Leaving Las Vegas Die kleine Stadt Svilengrad an der bulgarisch-türkischen Grenze lebt von Glücksspiel und Grenzverkehr. Jedes Wochenende kommen TouristInnen aus der Türkei über die neue EU-Außengrenze in die Casinos. Von Katharina Ludwig

„Heute habe ich kein Glück”, sagt Nilgün Duman* und drückt wieder die Play-Taste des Automaten. Die 47jährige ehemalige Wirtschaftsassistentin und Hausfrau ist mit ihrem Mann Mustafa aus der türkischen Grenzstadt Edirne ins 34 Kilometer entfernte bulgarische Svilengrad gekommen, um sich zu amüsieren. Die 19.000-EinwohnerInnen-Stadt gilt als das „Las Vegas” Bulgariens, mit seinen Spielhallen lockt es die Menschen aus den angrenzenden Ländern Griechenland und Türkei, wo das Glücksspiel verboten ist. An einem der 59 Glücksspielautomaten im Casino „Montecarlo” will Nilgün Duman den Alltag hinter sich lassen. Wenn sie die Grenze von der Türkei nach Bulgarien überschreitet, sagt sie, dann vergisst sie alles. Die zweifache Mutter kommt heute als Touristin in die EU, vor 44 Jahren als Tochter eines sogenannten Gastarbeiters. Und wieder ziehen am Monitor vor ihr in fünf Bahnen Goldmünzen, Kelche und Zeus vorbei. Es ist vorerst Nilgüns letzter Abend in Svilengrad. Ihr Visum läuft schon wieder aus.

* Name von der Redaktion geändert

Europäische Grenzen. Von dem Haus am Stadtrand von Edirne, wo Nilgün und Mustafa Duman mit ihren beiden

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Kindern leben, können sie die Berge sehen, zwischen denen die Türkei, Bulgarien und Griechenland liegen. Mit dem Handy kann man hier sieben Mobilfunkanbieter empfangen, zwei türkische, zwei griechische und drei bulgarische. An den Grenzen zwischen den Staaten hat sich einiges getan. Seit 2007 ist Bulgarien Mitglied der Europäischen Union und arbeit auf einen Beitritt 2011 zum Schengen-Raum hin. Der bulgarische Grenzübergang Richtung Türkei, Kapitaan Andreevo, hat sich zum „Focal Point” der europäischen Grenzschutzagentur Frontex entwickelt, also einem Hotspot für Grenzschutz, wo auch GastbeamtInnen aus anderen Ländern tätig sind. Von der Modernisierung der Grenzgebäude merkt man auf der bulgarischen Seite eher wenig, im Gegensatz zum türkischen Gegenpart Kapıkule, wo sich auf einem Areal von 330.000 Quadratmetern zwölf Fahrspuren mit 23 Abfertigungsschaltern erstrecken. „Das Grenzgebäude ist sehr schön, sehr europäisch geworden”, findet Nilgün Duman. Egal, ob von bulgarischer oder von türkischer Seite – die Übergänge auf dieser Haupttransitroute zwischen Asien und Europa sind chronisch über-

lastet. Wenn sich das Ehepaar Duman alle ein, zwei Wochen am Freitag Abend oder Samstag Nachmittag nach Svilengrad aufmacht, nimmt es deswegen am liebsten zuerst den türkischen Bus und dann ein bulgarisches Grenztaxi. So sparen sie Zeit und Geld. Das weitläufige Grenzareal selbst passieren sie zu Fuß. Je nach Tageszeit haben sie beim Weg über den Asphalt vorbei an der Grenzmoschee zu ihrer Linken den Ruf des Muezzins im Rücken. Egal wann sie unterwegs sind, ist zur Rechten ein Stau. Bis zu 20 Kilometer reihen sich LKWs aneinander und warten darauf, in die Röntgenanlage zu fahren. Unterwegs nach „zu Hause”. Die E-80 liegt an einer der ältesten Handelsrouten der Welt, der Name „Svilengrad” („Seiden-Stadt”) verweist darauf. Heute riecht es permanent nach Diesel. Die PKW-Spur ist diesmal eher ruhig, aber besonders in den Urlaubsmonaten Juli und August wollen hier bis zu zwei Millionen Autos durch. In vielen sitzen MigrantInnen und ihre Kinder aus Österreich, Deutschland, Frankreich, den Niederlanden oder Belgien, die ihre Familien besuchen oder vom Besuch zurückkehren. Manche sitzen 24 Stunden


borders und länger im Auto. Das Rote Kreuz und der Rote Halbmond haben diesen Sommer deshalb erstmals an der Straße eine Sanitätsstation eingerichtet. Lange Autofahrten kennt Nilgün Duman aus eigener Erfahrung. 1967, als sie vier Jahre alt ist, holt der Vater sie und ihre Mutter nach Bremen, wo er Schiffskräne führt. Nilgün wächst in Bremen auf. Auch zu Hause wird Deutsch gesprochen, und der Vater rät der Mutter davon ab, auf der Straße ein Kopftuch zu tragen. Nach dem Abschluss der Realschule beginnt Nilgün Duman als Assistentin in einer Zahnarztpraxis. Anfang der 1980er Jahre kann der Vater aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten, und als Deutschland 1983 Rückkehrprämien an die sogenannten Gastarbeiter zahlt, nimmt er das Geld an. Auch Nilgün geht mit ihrer Familie „zurück”. Zu diesem Zeitpunkt spricht sie kaum Türkisch, doch nach zwei Monaten arbeitet sie bereits an der Grenze im

Seite eher wie Bausteine aus einer Geisterstadt. Wenn Nilgün Duman nach Svilengrad will, muss sie immer die gleichen Fragen beantworten, und ihre Antworten reichen nie aus. Wieso will sie nach Svilengrad? Wieso will sie dort essen? Wieso will sie sich amüsieren? „Und dann?”, fragt der Beamte. „Dann gehen wir zurück nach Hause”, lacht Nilgün. „Immer das Gleiche, jede Woche, jede Woche.” Bei einem türkischen Pass würde nicht mehr geschaut, was für ein Beruf oder was für ein Leben dahintersteckt. „Wenn du einen türkischen Pass hast, bist du gleich gestempelt. Asylant. Aus, Schluss, vorbei.” Wer sich ihren Pass nämlich genauer ansehen würde, meint sie, könne sehen, dass sie ein, zwei Nächte bleibt und dann wieder fährt. „Ich mache das für mich.” Sie sind jetzt in der EU. Kleine Hütten verkaufen Autobahnvignetten und Proviant. Nilgün und Mustafa Duman nehmen ein Grenztaxi, los geht’s.

Wenn Nilgün Duman nach Svilengrad will, muss sie immer die gleichen Fragen beantworten: Wieso will sie dorthin? Wieso will sie dort essen? Wieso will sie sich amüsieren? Abfertigungsbüro des Unternehmens Youngtürk Ltd. Sie lernt schnell dazu, beantragt Genehmigungen, schickt Telex nach Istanbul und übersetzt zwischen Deutsch und Englisch. Und sie lernt Mustafa kennen, der zu diesem Zeitpunkt von der Grenze aus Möbeltransporte für Familien organisiert. In Edirne beginnt sie, sich ein neues Leben aufzubauen. Wieso amüsieren? Und dennoch, mit ihrem türkischen Pass fühlt sich Nilgün Duman heute an den Grenzposten unter Generalverdacht. Sie geht vorbei an den leerstehenden bulgarischen Duty-Free-Shops, die 2008 auf Drängen der EU schließen mussten. Ist man zuerst im türkisch betriebenen Niemandsland am „Setur Duty FreeCenter” vorbeigekommen, das bis in die Nacht aktiv ist und von Architektur und Ausmaß an das deutsche Bundeskanzleramt erinnert, wirken die kleinen geschlossenen Alkohol- und Zigaretten-Läden auf bulgarischer

Wenn Nilgün nach Svilengrad kommt, dann will sie den Alltag vergessen. Am Markt kauft sie günstiger als in ihrer Heimatstadt Parfüm, Camembert und frische Pilze, im Restaurant genießt sie es, dass sie zum Abendessen ein Glas Wein bestellen kann. Svilengrad leuchtet und blinkt nicht wie das USamerikanische Las Vegas. In den zwei „Prestige-Casinos”, die geräumiger und eleganter sind als die Automatenhallen, legen junge Frauen im kleinen Schwarzen die Karten. Sie haben Ringe unter den Augen. TouristInnen aus Deutschland oder Österreich verschlägt es eher an die Schwarzmeerküste als hierher. Gerade die kleineren Geschäfte und Gastwirtschaften in Svilengrad merken also Einbußen, wenn es für Reisende aus der Türkei schwieriger wird, über die Grenze zu fahren. Glückspiel Visum. Wenn Nilgün Duman z.B. in die EU einreisen möchte, muss sie jedes Mal von neuem beim griechischen oder bulgarischen Konsulat

in Edirne ein Visum beantragen. Dort vollzieht sich für sie eine eigene Art von Glücksspiel: Sie zieht eine Nummer, bringt wie jedes Mal drei Passfotos, ihre Heiratsurkunde, Kontoauszüge, Dokumente zu ihrem Arbeitsstatus und ihrem Haus und eine Reiseversicherung. Sie zahlt ca. 60 Euro, auch wenn sie nur über das Wochenende bleibt. Ungefähr fünf Tage später erfährt sie, ob sie ein Visum für drei, sechs oder zwölf Monate erhält, oder wie letztes Mal nur für zwei. Wie die Entscheidung gefällt wird, wieso das Visum mal kürzer, mal länger gilt, erfährt sie nicht. „Die sind so lustig”, meint Nilgün. Ein deutsches Visum zu bekommen sei für sie noch schwieriger. In Edirne gibt es kein deutsches Konsulat, also muss sie dafür über zwei Stunden nach Istanbul fahren. Das hat die Familie einmal gemacht. Um sechs Uhr morgens waren sie dort, warteten mehrere Stunden. Als sie an der Reihe waren, wollte der Beamte ein zusätzliches Dokument. „Da kannst du dir die Haare ausreißen”, sagt sie. „Da kannst du wieder zurückfahren, die Unterlagen besorgen und es noch einmal probieren.” Vor dem Automaten sieht Nilgün den Zahlen und Figuren zu. „Es dreht sich, und du wirst lustig”, meint sie. Nach einer bestimmten Zeit, vielleicht ein, zwei Stunden, hört sie dann auf zu spielen. Sie bleibt auf dem Hocker vor einer der Maschinen sitzen und sieht sich nur um, sieht zu, wie die anderen spielen. Das gefällt ihr auch, sagt sie, das reiche ihr schon aus. Für die nächste Zeit werden sie und Mustafa kein Visum beantragen, sie müssen sparen. „Außer wir gewinnen in der Lotterie oder von irgendwoher kommt Geld, dann beantragen wir es doch.” Nilgün Duman wäre auch gerne wieder berufstätig, aber mit 47 Jahren ist es schwer, in der Region Arbeit zu finden. Ihre Bewerbungen bei deutschen Firmen wurden bislang abgelehnt. Man nehme lieber jemanden aus Deutschland. Sie werden also in Edirne bleiben. Am Abend werden sie Nachrichten schauen und dann Karten spielen bis Mitternacht oder ein Uhr früh. So wie sonst auch. l

Katharina Ludwig schreibt als freie Journalistin in Berlin.

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muslimas 2.0

„Sperrt mal eure Lauscherchen auf“ Mit ihrem Buch „Muslim Girls” stellt Sineb El Masrar dem klischeehaften Opfer-Diskurs über deutsche Muslimas ein differenziertes Bild von deren Lebensrealität entgegen. Im Interview mit Sylvia Köchl und Vina Yun spricht sie über die Legitimität der aktuellen Integrationsdebatte und den Klassenkampf im „deutsch-deutschen” Feminismus.

Foto: Amdela Wartenberg

Unterdrückt, zwangsverheiratet und gegen ihren Willen verhüllt – mit solchen und anderen hartnäckigen Stereotypen von Muslimas, die die derzeitige deutschsprachige Debatte über „Integration” beherrschen, räumt Sineb El Masrar in „Muslim Girls” gründlich auf. Ihre Kritik verbindet die Berliner Journalistin, die auch das Frauenmagazin „Gazelle” herausgibt und Teilnehmerin der „Deutschen Islam Konferenz” ist, mit Hard-Facts der jüngeren politischen Geschichte, Medienanalyse und persönlichen Erfahrungen. Was junge muslimische Frauen behindere, ihr Leben ebenso selbstbewusst und selbstbestimmt zu gestalten wie „deutsch-deutsche” Girls, sei eben nicht „das Kopftuch” oder „die Tradition”, sondern die diskriminierenden Ausgangsbedingungen, mit denen insbesondere Muslimas der Zweiten und Dritten Generation noch immer konfrontiert sind.

an.schläge: Was war für dich der Anlass,

Sineb El Masrar: Muslim Girls. Wer wir sind, wie wir leben. Eichborn 2010, 15,40 Euro „Gazelle – Das multikulturelle Frauenmagazin” im Web: www.gazelle-magazin.de

dieses Buch zu schreiben? Sineb El Masrar: Wie bei meinem Frauenmagazin „Gazelle” gingen dem jahrelange Beobachtungen darüber voran, dass die mediale Darstellung von MigrantInnen – und im Besonderen von Frauen – nicht die tatsächliche Lebensrealität wiedergibt. Bei „Muslim Girls” habe ich jene Frauen in den Fokus genommen, die

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auch in den Leitmedien tagtäglich für Schlagzeilen und hohe Auflagen sorgen dürfen. Wer Frauen begegnet, die Aische oder Fatma heißen, der hat meistens schon eine Meinung über sie. Nämlich, dass sie kein freies Leben leben können. Damit muss endlich Schluss sein.

Dein Buch erscheint wohl nicht zufällig zu einem Zeitpunkt, als die deutschsprachige „Integrationsdebatte“ eine Renaissance erfährt. Willst du es als Gegengewicht zu den Positionen von Thilo Sarazzin, Alice Schwarzer & Co. verstanden wissen? Mein Buch zeigt vor allem, wie nötig es nach wie vor ist, die Realitäten, in denen MuslimInnen leben, darzustellen. MuslimInnen – gläubig oder nicht – müssen mehr denn je ihren selbstverständlichen Platz in dieser Gesellschaft einfordern. Diese Debatte und auch die Bücher von Sarazzin und Schwarzer zeigen, wie wenig Ahnung die nichtmuslimische Bevölkerung – besonders das Bildungsbürgertum – von unseren Werten, Wünschen und Bedürfnissen hat. Wie sehr wir mit diesem Land schon verbunden sind und es eigentlich schätzen, wissen noch zu wenige. Und die Debatte zeigt vor allem auch, wie sich das Bildungsbürgertum seiner Ressourcen beraubt und bedroht fühlt. Und das ist erschreckend.

Du betonst, dass es nicht das Muslim Girl gibt, sondern beschreibst viele unterschiedliche Typen von Muslim Girls. Gibt es in diesem heterogenen Entwurf auch das feministische Muslim Girl? Na klar! Und sie sind womöglich oftmals viel feministischer als es einigen von ihnen bewusst sein dürfte. Wer mein Buch liest, wird feststellen, wie die Mädchen und jungen Frauen Schritt für Schritt nicht nur ihre persönlichen Freiheiten erlangen, sondern auch, wie sie dabei ihre Elterngeneration und die Jungen- und Männergenerationen durch ihr neues Selbstbewusstsein langfristig verändern. Nur die Frauen selbst können verkrustete und patriarchalische Traditionen aufbrechen. Leider gibt es unter ihnen – jung wie alt – noch zu viele, die diese nicht nur weiterleben, sondern sogar entschieden einfordern. Wie stehst du zu Äußerungen konservativer „deutsch-deutscher“ Feministinnen à la Alice Schwarzer oder auch Feministinnen mit Migrationshintergrund wie Necla Kelek, die „die muslimische Frau“ vom Kopftuch und von der Burka „befreien“ wollen? Ich kann, ehrlich gesagt, keine aufrichtigen Bemühungen seitens der beiden Damen feststellen. Und da geht es


muslimas 2.0 Millionen Frauen so, die in irgendeiner Form der islamischen Kultur oder dem Glauben angehören, und selbst Frauen, die nicht mal gläubig sind. Denn die Probleme der Frauen liegen woanders. Das Kopftuch behindert weder beim eigenständigen Denken und Lernen noch beim Handeln. Statt zu befreien, stigmatisieren Feministinnen wie Schwarzer oder Kelek ausschließlich. All diese Frauen, die sie „befreien” wollen, können sehr gut für sich selbst sprechen. Vielleicht sollten sie einfach mal ihre Lauscherchen für sie aufsperren. Vorausgesetzt, es interessiert sie überhaupt, was sie zu sagen haben.

Wie attraktiv sind der „deutsch-deutsche“ Feminismus und die Frauenbewegung für Muslim Girls? Wenn es um gleichberechtigte Teilhabe auf dem Berufsmarkt oder Bildung geht sowie um gesetzliche Rechte für

Allerorts ist von „Integration“ die Rede – auch du sprichst von den erfolgreich integrierten Muslim Girls, die allerdings nur verzerrt wahrgenommen würden. Lässt sich der viel strapazierte und vor allem von rechts besetzte Begriff „Integration“ tatsächlich noch mit neuer Bedeutung füllen? Vor allem wäre es mal gut zu wissen, was Integration denn für diese Herrschaften bedeutet. Die Mehrheit und nicht die Minderheit der hier lebenden EinwandererInnen und ihre Nachkommen lebt nämlich wie die deutschdeutsche Ur-Bevölkerung. Und trotzdem reicht das anscheinend nicht aus. Da muss man sich mal fragen, ob diese Debatte überhaupt legitim ist und was eigentlich das wirkliche Problem dieser Akteure ist. Ich denke, das wäre viel interessanter und würde uns einige neue Erkenntnisse bringen, wenngleich auch einige erschreckende. Aber dann wüsste

„Wir wollen uns nicht vorschreiben lassen, wie wir unsere Rechte einfordern, und auch nicht, wie wir unsere Religion zu ,reformieren‘ haben.“ (Sineb El Masrar, „Muslim Girls“) Frauen – dann wird man sich hier gerne einreihen. Doch vieles, was hierzulande Frauen erst mühsam durchsetzen mussten, stand ihnen gesetzlich schon in ihren Herkunftsländern oder gar nach dem islamischen Recht zu, wie Erb- und Sorgerecht, Lohnarbeit etc., wenn auch noch nicht für die heutige Zeit optimiert. Doch dies ändert sich auch in den Herkunftsländern und wirkt sich auch auf hier lebende Muslimas aus. Statt sich mit anderen Feministinnen zusammentun zu können, müssen sich Migrantinnen zuerst gegen Stigmatisierungen durchsetzen. Und zwar im Alltag. Im Bildungs- und Berufsleben. Also hinken wir wegen einseitiger Debatten eher dem gemeinsamen Kampf hinterher. Man könnte sagen, dass es aufgrund dieser unsäglichen Ehrenmord-, Zwangsheirat- und Genitalverstümmlungs-Debatte einen Klassenkampf im deutschen Feminismus gibt. Die einen müssen sich zunächst Grundrechte sichern und verteidigen, die anderen wollen weiter hinaus.

man endlich, woran man ist in diesem Land, statt hier weiter Zeit in unsinnigen Debatten zu verlieren.

Mit „Muslim Girls“ bedienst du dich einer Sprache, die sich stark an Pop- und Alltagsdiskursen anlehnt. Interessanterweise sprichst du aber nie von „Rassismus“ gegen Muslimas. Warum? MuslimInnen und besonders Frauen, die mit dieser Religion in Zusammenhang gebracht werden, begegnet in ihrem Leben sehr oft Rassismus. Die Mehrheit hat gelernt, die Wut darüber in Produktivität und Kreativität umzuwandeln. Das möchte ich in erster Linie im Buch transportieren. Wer das Buch aufmerksam liest, wird feststellen, wie viel Rassismus im Leben dieser Frauen stattfindet. Ich wollte aber auch unterhalten, weil man damit die meisten Menschen eher erreicht als mit erhobenem Zeigefinger. Das schafft auch eher Eingeständnisse bei einigen Menschen. Nichtsdestotrotz kommt man natürlich im allgemeinen Diskurs nicht

umhin, die Missstände, die durch sehr gezielten Rassismus stattfinden, auch anzusprechen.

Vor kurzem wurde das 20-jährige Jubiläum der „Wiedervereinigung“ Deutschlands gefeiert. Welche Bedeutung hat deiner Meinung nach die „deutsche Einheit“ aus der Perspektive deutscher Muslimas? Sie zeigt vor allem, dass auch 20 Jahre nach dem Mauerfall noch einige Gräben innerhalb der deutschen Bevölkerung existieren. Da wundert es manchmal nicht, dass man mit Menschen anderer Herkunft noch größere Schwierigkeiten hat, wenn schon innerhalb der deutschdeutschen Bevölkerung solche Ressentiments vorherrschen. Da sollten sich mal einige in diesem Land Gedanken darüber machen, warum das wohl so ist. Du hast das „multikulturelle Frauenmagazin“ namens „Gazelle“ gegründet, u.a. um die vorwiegend negativen Repräsentationen von Muslimas in den deutschen Medien zurechtzurücken. Wie wird „Gazelle“ angenommen? Bei „Gazelle” geht es vor allem darum, die deutsche Normalität abzubilden. Die Menschen in diesem Land sind nicht ausschließlich Ur-Deutsche. Medien, die für und von Nachkommen von EinwandererInnen gemacht werden, sind keine verträumten Multikulti- oder Nischenhefte. Sie sind die Zukunft auf dem Medienmarkt, auch wenn das hierzulande so mancher Marketing- und Verlagsfachmann noch nicht begriffen hat. Die künftigen MedienkonsumentInnen werden jene sein, die sich mehr Vielfalt bei AutorInnen und Themen erwarten als das, was jetzt geboten wird. Mit abgrenzenden und hetzerischen Kampagnen und Artikeln verscheucht man stattdessen zukünftige LeserInnen und AbonnentInnen. l

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an.riss kultur nen in die Kinos. 2010 steht „this human world” unter dem Schwerpunkt „Kinder und Jugendliche dieser Welt” und befasst sich mit Kinderrechten weltweit. Unter dem Motto „Women in Justice” kommen auch zahlreiche Spiel-, Doku- und Kurzfilme zur internationalen Situation von Frauenrechten auf die Leinwand: In „A Blooming Business” geht es bspw. um die Ausbeutung weiblicher Arbeitskräfte in einer kenianischen Gemeinde, die für die globale Blumenindustrie produziert. Am 10. Dezember, dem Internationalen Tag der Menschenrechte, vergibt die Österreichische Liga für Menschenrechte im Rahmen des Festivals den internationalen und den nationalen Menschenrechtspreis: Diese gehen heuer an die bulgarische Menschenrechtsaktivistin und Anwältin Margarita Ilieva für ihr Engagement für von Gewalt betroffene Kinder mit Behinderung in Kinderheimen sowie an die Deserteurs- und Flüchtlingsberatung Wien (siehe auch Porträt auf S. 9). atina this human world – Internationales Filmfestival der Menschenrechte, Infos und Programm unter www.thishumanworld.at

marlene streeruwitz Feministin werden ist nicht schwer …

Ari Up, Frontfrau von The Slits, Foto: marythom/flickr.com

nachruf Ari Up (1962–2010) Ariane Forster aka Ari Up war 14 Jahre alt, als sie 1976 mit Drummerin Paloma Romero alias Palmolive die legendäre englische Frauen-Punkband The Slits gründete. Am 20. Oktober verstarb die Frontsängerin der Band im Alter von 48 Jahren nach „schwerer Krankheit”, wie ihr Stiefvater John Lydon (Sex Pistols) verlautbaren ließ. Mit ihren Alben „Cut” (1979) und „Return of the Giant Slits” (1981) wurden The Slits, deren Sound Punk, Dub und Reggae miteinander verband, zu einer der wichtigsten Post-Punk-Referenzen für spätere Bands, als feministische Role-Models inspirierten sie nachfolgende Musikerinnen-Generationen wie die Riot Grrrls. 1981 löste sich das Quartett auf und wurde 2005 von Ari Up, zu deren Markenzeichen ihre meterlangen Dreads gehörten, wiederbelebt. Auf ihren persönlichen Wunsch hin wurde der Videoclip zum Song „Lazy Slam” posthum veröffentlicht. sane/viyu www.spex.de, www.laut.de, www.br-online.de/bayern2/zuendfunk

filmfestival Human Rights on Film Zum dritten Mal findet das erfolgreiche Internationale Filmfestival der Menschenrechte „this human world” in Wien statt. Von 2. bis 10. Dezember werden rund 70 Filme im Gartenbaukino, Top Kino, Schikaneder, Burgkino und Cinemagic gezeigt, daneben umfasst das Programm Podiumsdiskussionen, Ausstellungen und Vorträge. Das Festival wurde 2008 ins Leben gerufen und lockte im Vorjahr rund 12.000 BesucherIn34 l an.schläge Dezember 2010 l Jänner 2011

… Feministin bleiben dagegen sehr. Feministin zu sein ist eine Entscheidung, an der immer wieder von außen gerüttelt wird. Genau darüber hat nun die österreichische Schriftstellerin Marlene Streeruwitz ein Buch geschrieben: über die Umstände, die es erschweren, den eigenen feministischen Überzeugungen treu zu bleiben. „Das wird mir alles nicht passieren … Wie bleibe ich FeministIn”, so der Buchtitel. Klingt wie Selbsthilfe – ist es auch. Und zwar von der literarischen Sorte. Elf Erzählungen über Frauen und Männer, die an einem Punkt des Lebens stehen, wo eine Entscheidung fällig ist: „Anpassung oder Autonomie?” Die Wissenschaftlerin Andrea S., die in Gedanken ihren sich mehr und mehr exponierenden Mann stürzt. Christian F., der gelernte Tischler, jetzige Hausmann, der an Scheidung denkt und die Folgen fürchtet. Felicity P., die junge Liebhaberin, die für den verheirateten Mann nie mehr sein wird. Oder Renate S., die weiß, dass Männern Macht zuzugestehen für die (unfeministische) Frau Schonung bedeutet. Schonung, das ist das, wogegen sich Feministinnen bewusst entscheiden, und Feministen vielleicht auch ein wenig. Mit ihrem neuen Erzählband geht Streeruwitz auch einen neuen Weg, den des Cross-Media-Experiments. Auf der begleitenden Internetseite gibt es theoretisches und bildliches Material, und Leser_innen können die knapp vor der Entscheidung abbrechenden Erzählungen weiterdenken. So wird die Literatur aus den Leben gespeist. nad Marlene Streeruwitz: Das wird mir alles nicht passieren … Wie bleibe ich FeministIn. Fischer 2010, 10,30 Euro. http://wie.bleibe.ich.feministin.org, www.marlenestreeruwitz.at

erinnerungsarbeit „Es geht mir gut” „Ich bin gesund, es geht mir gut” steht mit blauer Tinte auf Ansichtskarten geschrieben, deren Vorderseiten recht idyllische See-, Wald- oder Wiesenmotive zieren. 2011 werden 20.000 EinwohnerInnen von St. Pölten eine solche Karte erhalten. Wenn sie dann die Beschreibungen der Motive lesen – „Zwangsarbeitslager für ungarische Jüdinnen und Juden, St. Pölten Viehofen”, „Zwangsarbeitslager der Glanzstoff-Fabrik, St. Pölten” und „Massengrab, Gruppe VI, Hauptfriedhof St. Pölten” –, werden sie wahrscheinlich erkennen, dass die Postkarten Teil eines neuen Mahnmals sind. „Ich bin gesund, es geht mir gut” lautete der Standardsatz, der auf jeder Karte von InsassInnen der NS-Lager stehen musste.


Tatiana Lecomte ist eine der beiden Gewinnerinnen der Ausschreibung für das „Mahnmal Viehofen”, die von der Stadt St. Pölten und „Kunst im öffentlichen Raum Niederösterreich” initiiert wurde. Sie wird ein Jahr lang täglich etwa 50 Ansichtskarten beschriften, die zeigen, wie die beiden Zwangsarbeitslager und das Massengrab aus der Zeit des Nationalsozialismus heute aussehen. Das zweite Siegerprojekt, das Mitte November eröffnet wurde, zeigt „Orientierungstafeln” von Catrin Bolt rund um das beliebte Freizeitareal des Viehofner Sees. Im ersten Moment sehen die Tafeln mit ihren Standort-Pfeilen auf Luftaufnahmen ganz üblich aus – tatsächlich weisen sie jedoch auf die beiden Zwangsarbeitslager hin, die hier von 1944 bis 1945 existierten. sylk

lebenslauf auch feministinnen altern

www.mahnmal-viehofen.at

auszeichnung Kompositionspreis für Joanna Wozny Es ist laut Selbstbeschreibung das „Spiel mit einem vorweg definierten Reservoir von Klängen”, das das Schaffen der 1973 geborenen Komponistin Joanna Wozny bestimmt und ihr den diesjährigen Kompositionsauftrag der Erste Bank verschafft hat. Für die gebürtige Polin, die Philosophie in Katowice und Komposition bei Gerd Kühr und Beat Furrer in Graz studierte, bedeutet dies eine nachhaltige Förderung ihres künstlerischen Schaffens: Neben der Uraufführung ihres Ensemblewerks „as in a mirror, darkly” im Rahmen des diesjährigen Festivals „Wien Modern” im November sind weitere Aufführungen durch das Klangforum Wien sowie eine CD-Veröffentlichung beim Label Kairos gesichert. Neben dem Erste-Bank-Preis, der seit 1989 jährlich an junge KomponistInnen verliehen wird, ist Joanna Wozny auch Trägerin des „SKE Publicity Preises” 2010 und „young composer in residence” 2010/11. sane www.wienmodern.at, www.musicaustria.at, www.editionjulianeklein.de/wozny.htm

comic Burka vs. Evil Allianzen dieser Art gibt es wohl nur im Comic: Wonder Woman, die Superheldin mit dem goldenen Zauberlasso und dem ebenso knappen wie ultrapatriotischen Outfit in den Farben und Mustern der US-Flagge, und ihre Kollegin Batina the Hidden, Mitglied der Superhero-Crew „The 99” und Burka-Trägerin, vereinen ihre Kräfte, um gegen das Böse zu kämpfen. Dieses außergewöhnliche Bündnis entspringt einer Kooperation zwischen dem US-Branchengiganten DC Comics und dem kuwaitischen Comic-Verlag Teshkeel, die seit Oktober eine gemeinsame Comic-Serie in sechs Teilen herausbringen: Darin machen die „Justice League of America” (JLA), zu der u.a. Superman, Batman, Wonder Woman, Green Lantern und Aquaman gehören, und „The 99” den Bösewichten dieser Welt das Leben so richtig schwer. „The 99” (basierend auf den 99 Namen und Eigenschaften, die laut dem Koran Allah zugeschrieben werden) wurde 2007 vom kuwaitisch-amerikanischen Psychologen Naif Al-Mutawa zum Leben erweckt, mit dem Ziel, ein „multikulturelles und tolerantes” Bild des Islam zu propagieren. Allerdings: Die HeldInnen von „The 99” seien mehr vom Islam inspiriert als islamisch, meinte Mutawa in den Medien. Bislang wurde etwa ein Dutzend der 99 SuperheldInnen vorgestellt. Für 2011 steht bereits eine Animationsserie zu „The 99” im US-amerikanischen Kinderkanal „Hub” in den Startlöchern. viyu www.dccomics.com, www.the99.org, www.guardian.co.uk, http://derstandard.at

Christine Hartmann

Erfolgsmodell Dummheit

In einer Wirtschaftszeitung lese ich über den sehr reichlichen wirtschaftlichen Erfolg von Frau Hilton und darüber, dass ihre Selbstpräsentation über ihre Intelligenz drübertäuscht und das von Frau Hilton beabsichtigt ist und von ihr mit bewundernswertem schauspielerischem Können – speziell auch hinsichtlich der Tonlage ihrer Statements – performt wird. Wow! Ich denke auch an Frau Pooth, die mir erst gestern völlig unerwartet aus einem Buch (!) mit dem Titel „Je älter, desto besser” entgegenstrahlte, in dem sie ihre erfahrungsgesättigten Aussagen zum Gutaussehen weitergibt. Nur zum besseren Verständnis: In eben diesem Buch geht’s um „überraschende Ergebnisse” aus der Hirnforschung. Aber zurück zu den beiden Ikonen des wirtschaftlichen Erfolgs: Ich dachte doch tatsächlich, das Vortäuschen von Dummheit als Voraussetzung für wirtschaftlichen Erfolg habe mit der Entwicklung von Kurtisane, Mätresse oder Ehefrau hin zur Wirtschaftsehe als Berufswunsch an Bedeutung verloren? Jetzt aber auf dieses Phänomen der Koppelung von täuschdumm und erfolgreich aufmerksam geworden, schaue ich um mich und sehe da noch einige Frauen, die, würden sie sich dümmer stellen als sie sind, vermutlich weniger Behinderung im Arbeitsalltag erfahren könnten. Was hat das zu bedeuten? Was soll ich dazu sagen, was dazu denken? Und muss „Frau ist gleich jung präsentiert ...” auch noch in diese Gleichung eingebracht werden? Weil: Trotz der „überraschenden Ergebnisse” aus der Hirnforschung, die eben ein „Je älter, desto besser” begründen, werden Frauen, je älter, desto mehr für dumm gehalten und für dumm verkauft. Frauen werden – siehe oben – mit der Zeit nicht nur älter, sondern auch g’scheiter, manchmal sogar weise, werden dennoch als dumm eingeschätzt und haben damit null wirtschaftlichen Erfolg. Erstaunlich! Was soll ich daraus ableiten? Was dazu denken? Fragen über Fragen, für die ich keine Antworten finde. Vielleicht bin ich doch dümmer als bislang hergezeigt. Ja, da weiß ich jetzt auch nicht weiter. Hilft mir vielleicht mal jemand? Christine Hartmann, Jg. ’53, lebt und arbeitet hauptsächlich in Bregenz und wundert sich je länger, umso mehr. www.prozesswissen.at

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medienkunst

Die nackte Haut ist sekundär Gleich in zwei österreichischen Museen – im Wiener Belvedere und im Lentos in Linz – wird derzeit ein umfassender Überblick über das Schaffen der großen feministischen Medien- und PerformanceKünstlerin VALIE EXPORT geboten. Andrea Heinz hat sich umgesehen. Lebenspartner. 1967 wird aus Waltraud Lehner schließlich VALIE EXPORT, die umgestaltete Smart-Export-Zigarettenpackung zu ihrem ersten Kunst-Objekt. Um den Schock-Effekt, den die Wiener Aktionisten mit ihren aufgeregten Körperaktionen erzielten, ging es der Künstlerin VALIE EXPORT jedoch nie. Ihre Arbeiten sollten gesellschaftliche Zustände abbilden und dadurch besser sichtbar machen. Der weibliche Körper und seine sexualisierte Wahrnehmung ist so ein Zustand. Aber bei weitem nicht der einzige. Existenzielle Fragestellungen nach Zeit und Raum werden ebenso thematisiert wie Politik, Macht, Gewalt oder die Medien.

EXPORT_Hyperbulie_© Archiv VALIE EXPORT, Foto: Hermann Hendrich

VALIE EXPORTs Arbeiten wollen etwas über den Menschen erzählen. Folgerichtig ist der menschliche Körper das Material der Wahl. Bevorzugt jener der Künstlerin selbst: „Wenn ich etwas erklären möchte, dann möchte ich das auch darstellen. Wenn ich selbst das Material sein kann, dann werde ich es auch sein.” Oft und gerne wird das auch heute noch missverstanden. Körper ist gleich Sex, erst recht, wenn es sich um einen weiblichen Körper handelt. Auch nach Jahrzehnten sind das „Tapp- und Tastkino” oder die „Aktionshose Genitalpanik” noch höchst beliebte InterviewSujets. Genitalpanik allerorten. 1940 in Linz geboren, ging Waltraud Lehner 1960 nach Wien. Bereits mit 18 hatte sie eine Tochter bekommen, ihre Ehe mit dem Kindesvater wurde sehr früh wieder geschieden. „Ich wusste, ich wollte nicht Hausfrau sein.” Waltraud Lehner gerät in den Kreis der Wiener Aktionisten, Peter Weibel wird ihr 36 l an.schläge Dezember 2010 l Jänner 2011

Anklage: Pornografie. In der Doppelausstellung im Wiener Belvedere und im Linzer Lentos treffen nun Arbeiten der Avantgarde-Künstlerin aus mehreren Jahrzehnten und Themenfeldern aufeinander. Die Ausstellungen lassen sich unabhängig voneinander besuchen, aber auch wer beide sieht, wird sich nicht langweilen, denn die ausgestellten Bilder, Videos und Installationen geben zusammen einen umfassenden Überblick über EXPORTs Schaffen. „Sie berühren sich”, wie die Künstlerin sagt. Natürlich finden sich darunter Arbeiten mit stark feministischem Gestus: Im Belvedere etwa die berühmte „Body Sign Action” aus dem Jahr 1970, bei der sich VALIE EXPORT ein Strumpfband auf den Oberschenkel tätowieren ließ. Das Strumpfband als „Symbol der Versklavung”. Oder „Aktionshose Genitalpanik”: EXPORT posiert mit Maschinengewehr, wildem Punk-Haar und bloßfüßig. Sie trägt eine JeansHose, aus der im Schritt ein großes Loch geschnitten ist. 1969 ging sie mit dieser Hose bekleidet durch die Sitzreihen eines Münchner Kinos und sagte: „Was Sie möglicherweise auf der Leinwand sehen, sehen Sie jetzt in

Wirklichkeit.” Um Exhibitionismus ging es hier nicht – vielmehr um das Aufzeigen von Voyeurismus. In den 1970er Jahren wurde EXPORT dennoch der Pornografie angeklagt: Sie hatte 1970 mit Peter Weibel das Buch „Bildkompendium Wiener Aktionismus und Film” herausgebracht. Das Sorgerecht für ihre Tochter wurde ihr in der Folge entzogen. Für sie war das „in Ordnung” so, sie habe schließlich immer Kontakt zu ihrer Tochter gehabt. Eine andere Arbeit, die gerne (und zu Unrecht) als Pornografie verstanden wird, ist nicht zu sehen: das „Tapp- und Tastkino” aus dem Jahr 1968. Stattdessen finden sich in beiden Museen Arbeiten, die an die marxistisch-materialistische Weltsicht der 1970er Jahre erinnern: „Nadel” (1996/97) im Lentos, „Die un-endliche/-ähnliche Melodie der Stränge” (1998) im Belvedere. In Linz beherrschen drei überdimensionale, motorbetriebene Stahlnadeln die ganze Ausstellung – vor allem durch den Lärm, den sie verursachen. Sie bewegen sich auf und ab, unter ihnen ist ein rotes Kinderkleid. Hier steht die Nadel nicht mehr nur für weibliche Handarbeit, sondern zunehmend auch für industriell und im großen Ausmaß produzierte Billigkleidung. Noch stärker drängt sich diese Parallele in Wien auf: Auf 45 Monitoren arbeiten Nähmaschinennadeln in leicht verschobenem, laut hörbarem Rhythmus. Die BetrachterInnen können der hektischen Atmosphäre in dieser „Werkhalle” nicht ausweichen. Ebenso wenig kann sich der Mensch den ihn umgebenden Produktionsbedingungen entziehen. Zwänge der Gesellschaft. „Der Mensch, den Zwängen der Gesellschaft unterworfen”: Diese Überschrift könnte über den meisten Arbeiten stehen. Mit dem Fokus auf die Frau ergibt sich die feministische Kritik bei VALIE EXPORT fast


wie von selbst. In einer patriarchalen Gesellschaft sind es eben besonders die Frauen, die unter Zwängen leiden. Auch hier wird der Körper wieder zum Anschauungsfeld. „Zwangsvorstellungen” (1972/1977/2010) zum Beispiel fragt nach den ganz konkreten Auswirkungen körperlicher Zwangslagen auf die psychische Verfassung. Mit Schlittschuhen bekleidet begibt sich die Künstlerin zur Nachtruhe – und findet natürlich keine Ruhe. Dem Foto der schlafenden, beschlittschuhten EXPORT steht in Wien das Bild einer unter dem Bett liegenden Frau gegenüber, verbunden

ren Ölgeruch – mit voller Wucht: Ein an sich ungeheuerliches Ereignis wird durch die nüchtern beobachtenden Filmaufnahmen zu einem Ereignis unter vielen.

the fabulous life of a queer femme in action

Material Sprache. Noch subtiler beschäftigt sich eine andere Arbeit mit dem Thema Macht: „glottis” (2007/2010) zeigt, durch ein medizinisches Instrument aufgenommen, die menschliche Stimmritze (die Glottis) während dem Sprechen. Das „Material Sprache”, wie VALIE EXPORT es nennt, wird zurückgeführt auf eine Körperfunktion wie jede andere. Was

Um den Schock-Effekt ging es der Künstlerin VALIE EXPORT jedoch nie. Ihre Arbeiten sollten gesellschaftliche Zustände abbilden und dadurch besser sichtbar machen. werden die beiden Bilder durch eine Tür. Auf dieser schräg liegenden Tür sind Glassplitter verstreut, daneben steht ein Ölkanister. Eine bedrohliche Atmosphäre von Gewalt umweht die Installation – ist es Gewalt, die eine/r angetan wird, oder solche, die er/sie sich selbst antut? Besonders deutlich werden die Zwänge, unter denen sich der Mensch verbiegt, in dem Film „HYPERBULIE ” (1973). „Ein Korridor aus Drähten, durch die elektrischer Strom fließt. Der Mensch tritt hinein und bewegt sich durch den Korridor hindurch, wobei er ständig in schmerzhafte Berührung mit dem elektrischen Draht kommt und so langsam zu Boden sinkt”, beschreibt die Künstlerin ihre Arbeit, in der „der Mensch” natürlich von ihr selbst verkörpert wird. Subtiler zeigen sich gesellschaftliche (Zwangs-)Strukturen in VALIE EXPORTs neueren Arbeiten. „Kalashnikov” aus dem Jahr 2007 widmet sich der Waffengewalt, der Ausbeutung von Rohstoffmärkten und den konkreten Machtverhältnissen in totalitären Staaten. In einer mit Altöl gefüllten Wanne stapeln sich 109 Kalaschnikow-Sturmgewehre zu einem vier Meter hohen Turm. Daneben laufen in Dauerschleife zwei Videos von Militär-Angriffen im Irak und Erschießungen in China. Vor allem Letztere treffen die BetrachterInnen – in Kombination mit dem unentrinnba-

lesbennest

im täglichen Leben als Kommunikationsmittel dient, was Macht ausdrücken und herstellen kann, was Frauen und Männer scheinbar grundlegend unterscheidet, ist hier nur mehr ein kleiner Teil des Körpers, der bei allen gleich aussieht. „Die Macht der Sprache zeigt ihre Spur noch lange nach dem Schweigen”, klingt es zeitversetzt von den Monitoren mit Aufnahmen der Glottis. In Verbindung lassen sich Ton und Bild nur schwer bringen. Die Verbindung zwischen dem Körper und Innen- ebenso wie Außenwelt zu erkennen, dazu fordert VALIE EXPORT die BetrachterInnen heraus. Wer sich dieser Herausforderung stellt, erlangt Einsicht in gesellschaftliche Strukturen ebenso wie in sein eigenes Inneres. Nur, wer diese Herausforderung scheut, sieht nichts mehr als blanke Busen, Pornografie und Provokation. l

denice

Guilt-Trip to Bobo-Land ”I’ve got survivor’s guilt, I’ve got punk guilt,” Beth Ditto said in an article that was mainly about how she is the new darling of the catwalks in Paris. This simple sentence finally puts a name to the weird feelings I so very often experience when I am ”out of context”. When I spend too much money on make-up. When I dream about designer’s clothes. When I don’t want to go to the queer party in the only squat in Vienna because it’s too far away and I think it has a funny smell. When I want to diet instead of rioting and embracing my beautiful fat self. When I’m tired of all DIY bands and just miss some damn professionalism. When I stay home and watch heteronormative American TV-shows instead of going to the really important demonstration. When I want to buy food in ”Spar Gourmet” only because it looks prettier. When I choose the romantic comedy starring Hugh Grant over the queer indie-movie. Et cetera. I could go on forever, but you get the picture, right? Just writing these sentences makes me want to press delete and look over my shoulder, hoping that nobody will ever know about my guilty pleasures and horrible politically incorrect thoughts. And I make myself sick. Less than five years ago I only wore second hand clothes, didn’t shave my legs, shook my big belly with no shame, took to the streets to change the world, had seen every damn dyke film ever made, hitch-hiked instead of buying a plane-ticket. WTF?! Have I in some weird way become this icky bourgeois grown-up that I promised myself that I would never ever be? I try to calm down and tell myself that I just got tired and comfortable. That I have payed my dues on the radical battleground. That I haven’t lost my ideals. And yeah, sure I haven’t. But it is really easy to be a couch-revolutionary in my own living room, eating vegetarian snacks while screaming that the patriarchy needs to get smashed now! It kind of makes me look like a cartoon character. And nowadays I guess more like Betty Boop than Hothead Paisan. Contrary to general belief, Denice is actually not as shallow as it may seem.

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an.lesen

Ganz oben Eva Maria Bachinger, Journalistin und selbst Hobby-Bergsteigerin, hat über die „besten Bergsteigerinnen” ein Buch geschrieben: Von der Sucht, immer höher zu steigen, bis zum aufreibenden Alltag mit Sponsoring und Medien. Von Gabi Horak

Eva Maria Bachinger beim Como See, Italien. Foto: Csaba Szépfalusi

Auf Berge steigen, über Hänge klettern ist ein befreiendes Gefühl, es reduziert das Sein auf das Wesentliche. Nach wochenlangem Kampf mit dem Berg dann endlich am Gipfel zu stehen, ist wohl ein unbeschreibliches Glücksgefühl. Wie bei jedem anderen Sport hängt aber beim Bergsteigen in der Profi-Liga vieles letztlich davon ab, ob genug Geld da ist, wer es organisiert und was dafür verlangt wird. „Es ist Realität, dass Sponsoren Druck ausüben – nur wird man keinen aktiven Profibergsteiger finden, der das laut ausspricht.” Eva Maria Bachinger widmet sich diesem Thema ausführlich – aber nicht um die Leistung der Spitzensportlerinnen infrage zu stellen. Im Gegenteil beschreibt sie die professionellen Bergsteigerinnen endlich in ihrer Ganzheit und widmet sich Aspekten wie Geld, Macht, Neid und Kinderlosigkeit, die für Hochglanz-Magazine nicht sexy genug sind. Die Menschen hinter den „besten Bergsteigerinnen” kommen zu Wort, und es gibt tolle Bilder: keine sich räkelnden Kletterinnen in der Wand oder gequälte Gesichter kurz vor dem Gipfel, sondern Porträts in alltäglichen Situationen. Bachinger: „Ich will mit diesem Buch zwar Frauen im Alpinismus würdigen, aber auch einen kritischen Blick auf das Bergsteigen, auf das Wettrennen um die 14 Achttausender, auf die Berichterstattung, auf die Übertreibungen und auf Abhängigkeit von Sponsoren richten.” Der Titel, die erste Frau auf allen 14 Achttausendern zu sein, ist viel wert: für Sponsoren und Medien. Deshalb wurde dieses „Wettrennen” in den vergangenen Monaten und Jahren auch aus38 l an.schläge Dezember 2010 l Jänner 2011

giebig zelebriert, manche Bergsteigerin nahm sich bewusst selbst aus dem Rennen, andere verdrängten, dass es dieses Rennen überhaupt gibt. Tatsache ist: Als die Koreanerin Eun-sun Oh am 27. April 2010 auf ihren 14. Achttausender stieg, war das südkoreanische Fernsehen live dabei, Medien in aller Welt berichteten darüber – ein riesiger Wert für Sponsoren. Als ihre spanische Kollegin Edurne Pasaban knapp einen Monat später ihren letzten Achttausender geschafft hatte, war das vielen Medien nicht einmal mehr eine Kurzmeldung wert. Der Sieg der Koreanerin wird allerdings angezweifelt, weil die Besteigung einer der Achttausender nicht eindeutig bewiesen sei. Das obligatorische Beweisfoto auf dem Gipfel ist verschwommen, und das reicht schon, um die ganze Expedition infrage zu stellen. Noch schwerer wiegt die „Kritik” an Ohs Stil: Bergsteiger_innen unterscheiden detailliert, wie sie den Gipfel erreichen. Der sog. Alpinstil – ohne Sauerstoff, Fixseile und Hochträger_innen – ist die ursprünglichste und auch gefährlichste Methode. In mehr als 7.000 Metern Höhe, in der Todeszone, in der Menschen nur mehr wenige Tage überleben können, ist heutzutage aber wohl kaum mehr ein Mensch ganz ohne Sauerstoff unterwegs. Die Österreicherin Gerlinde Kaltenbrunner ist dabei eine Ausnahme. Nicht zuletzt deshalb gilt sie – auch wenn sie das Wettrennen um die erste Frau auf allen 14 Achttausendern knapp verloren hat – als „beste Bergsteigerin der Welt”. Und sie kann immer noch in die

Geschichtsbücher eingehen: Als erste Frau, die ohne Sauerstoff sämtliche Achttausender bestiegen hat. Die Zeiten, als Frauen mit Rock auf die Berge stiegen und Mediziner davor warnten, dass sie bei der Ausübung dieses Sports „vermännlichen” würden, sind zwar vorbei. Von Gleichberechtigung am Berg sind wir aber noch weit entfernt. Selbst Profi-Bergsteigerinnen und -kletterinnen können sich heute noch blöde Stammtischsprüche anhören. Hat eine Frauenexpedition eine schwierige Route geschafft, wird diese schnell als „Frauenroute” dequalifiziert. In Interviews werden Bergsteigerinnen mit Kindern immer wieder mit Fragen konfrontiert, wie es denn zu vereinbaren sei, sich bei jeder Tour in Lebensgefahr zu begeben, wo doch daheim die Kinder warten. Kaum ein Bergsteiger und Familienvater muss sich solche Fragen gefallen lassen. Andere Sportlerinnen wählen hingegen bewusst die Kinderlosigkeit. Gerlinde Kaltenbrunner: „Ich mag Kinder, aber ich kann Extrembergsteigen und eigene Kinder nicht vereinbaren.” Das schönste Gefühl ist es für sie, auf dem Gipfel zu stehen, über ihr dann nur noch der Himmel. Dort oben sind auch die Sponsoren nur als Logos auf der Jacke präsent – einmal gut ins Bild gerückt fürs Gipfelfoto. l Eva Maria Bachinger: Die besten Bergsteigerinnen der Welt. Gerlinde Kaltenbrunner, Nives Meroi, Edurne Pasabán und Oh Eun-sun Milena 2010, 19,80 Euro


an.lesen Freche Allergien l Claire

Bretéchers Cartoons sind für mich untrennbar mit dem Französisch-Unterricht in der Schule verbunden – in meinem Fall eine nicht unbedingt angenehme Assoziation. Damals wirkten ihre schrillen Figuren nicht sehr sympathisch auf mich, was auch am furchtbar altbackenen Französisch-Lehrbuch gelegen haben mag – heute hingegen finde ich etwas mehr Gefallen an ihrem Stil, oder sagen wir: Respekt. Immerhin zeichnet diese Frau schon länger Comics, als ich auf der Welt bin (wie ungewöhnlich das für eine Frau ist, war mir in der Schule noch nicht ganz klar), und ihre momentane Titelheldin, Agrippina, ist voller ungebremster Vitalität und Frechheit. „Allergien” ist im Original bereits 2004 erschienen, nun hat sich der Berliner Reprodukt-Verlag um eine Übersetzung ins Deutsche gekümmert. Der Band behandelt ein Phänomen unserer Zeit: Hausstaubmilben, Erdbeeren, Nickel, Pollen, Katzen, die Sonne oder der neue Lipgloss von Billique stecken voller Gefahren. Sie verwandeln unsere Körper in verschwollene, rot gepunktete Zombies. Doch so eine Allergie ist auch chic, immerhin ermöglicht sie ausführliche Gespräche über die eigene Unvollkommenheit oder kann dabei behilflich sein, die ungeliebte Rivalin (Katzenallergie!) auszuschalten. Allergien gegen Religionen, gegen das 21. Jahrhundert oder die Arbeit gelten aber genau

so. Der Humor ist dabei oft schwarz und albern, die Kleidungsstile der Figuren eine unterhaltsame Storyline für sich. Bretécher (wieder-) entdecken ist angesagt! Silke Graf Claire Bretécher: Agrippina: Allergien Reprodukt 2009, 15,50 Euro

Böses tun l Im Paris der

1950er-Jahre werden drei Frauenleichen mit durchgeschnittenen Kehlen aufgefunden. Die Polizei bittet den Kriminalpsychologen Dr. Lorme um Mithilfe bei der Aufklärung. Die Suche nach dem Mörder bzw. der Mörderin führt ihn (wie uns) in die Abgründe der menschlichen Seele: Hier – in den Tiefen der Hölle – geht es (ganz im Sinne von Dostojewskijs Raskolnikow) um die Frage nach der Freiheit des Menschen, Böses zu tun, und was passiert, wenn er/sie von dieser Freiheit Gebrauch macht. Die Autorin dieses um 1960 geschriebenen und bisher unveröffentlichten Buches, Ruth Landshoff-Yorck, galt als Liebling der Berliner Edel-Bohème, deren Repräsentantinnen sich gerne als „Neue Frauen” der 1920er Jahre inszenierten: ob mit Bubikopf und Smoking im Rauch geschwängerten Jazz-Ambiente, schneidig auf schnellem Motorrad, selbstbewusst hinter dem Steuer eines luxuriösen Autos oder fortschrittlich an ihrer (damals) hochmodernen Schreibmaschine. Landshoff-Yorck selbst entsprach damit dem Typus der unabhängigen, emanzipierten und modernen Frau, der literarisch in Elianne, der Sekretärin Lormes, seinen Ausdruck findet. Elianne ist es auch, die entscheidend dazu beiträgt, die Serienmorde aufzuklären. Gabriele Migdalek Ruth Landshoff-Yorck: In den Tiefen der Hölle Aviva 2010, 20,10 Euro

Überzeugung und Überzug l

Im Kommunikationssystem Religion ist Bekleidung ein Code, der im Alltag Zugehörigkeit und bestimmte Moralitäten identifiziert. Die Autorinnen (zumeist mit theologischem Background) beschäftigen sich quer durch (Kirchen-) Geschichte und Moderne mit Textilien als Be/ Deutungsträger. Im Teil „Frauen in geistlicher Kleidung” wird in verschiedenen Aufsätzen (zu Nonnen, Diakonissinnen, Pfarrerinnen) u.a. die

Frage behandelt, wie bestimmte Kleiderordnungen und ihre Neuerfindung identitätspolitischen Charakter bekommen. Weiters geht es auch um vergeschlechtlichte Machtsymbolisierungen durchs Tuch. In evangelischen Kontexten z.B. ging es um die Problematik, „ob Frauen der Repräsentanz von geistlicher Macht, die dem Talar anhaftet, teilhaftig werden sollen”. Umgekehrt haben Frauen im Frühchristentum ihre Weiblichkeit abgelegt, da nur der „vollkommene Mann” den neuen Menschen repräsentierte. Aufschlussreich sind auch die Texte über Kleiderordnungen für religiöse JüdInnen sowie zur Identitätskonstruktion junger, Kopftuch tragender Musliminnen. Insgesamt eine differenzierte Lektüre für theologisch Interessierte – das Verhältnis zum weltlichen Textil kommt aber zu kurz. Birge Krondorfer Elisabeth Hartlieb, Jutta Koslowski, Ulrike Wagner-Rau (Hginnen): Das neue Kleid. Feministisch-theologische Perspektiven auf geistliche und weltliche Gewänder Ulrike Helmer 2010, 32,90 Euro

Germaninnen l Elizabeth

Harvey, Professorin für Geschichte an der renommierten Universität in Nottingham, bearbeitet im vorliegenden Werk ihre zentralen Forschungsgebiete: Deutschland im 20. Jahrhundert, osteuropäische Geschichte und Gender History. Der Schwerpunkt ihrer bereits 2003 im Original und nun auf Deutsch erschienenen Studie „Der Osten braucht dich!” liegt auf der „Germanisierungspolitik zum Schutz des Deutschtums” sogenannter Grenzlandaktivistinnen. Darin untersucht sie mit Hilfe qualitativer Interviews, Briefen und Tagebüchern den Einsatz von Frauen und deren vermeintliche „weibliche Kräfte” namens Tradition, Disziplin, Ordnung und Hygiene im neuen „deutschen Osten”, der nach dem Überfall auf Polen „volksdeutsch” indoktriniert werden sollte. Das Buch ist ein zusätzlicher und aufbauender Beitrag zum Wissenschaftsdiskurs um Themen des Nationalsozialismus. Ein geschichtliches Grundwissen wird jedoch vorausgesetzt, um diesem 480 Seiten starken Werk auch folgen zu können. Sehr empfehlenswert, aber eben von der Fachfrau für die Kennerin. Verena Stern Elizabeth Harvey: „Der Osten braucht dich!“ Frauen und nationalsozialistische Germanisierungspolitik Hamburger Edition 2010, 36 Euro Dezember 2010 l Jänner 2011 an.schläge l 39


an.lesen Visionäre Theoretikerin l

„Ja, so schwankend, so unbestimmt ist in Wahrheit der Begriff der Weiblichkeit, dass über die fundamentalsten Eigenschaften, die er bezeichnen soll, durchaus keine Übereinstimmung herrscht.” Wir schreiben das Jahr 1905, Rosa Mayreder bringt ihren Essay-Band „Zur Kritik der Weiblichkeit” heraus und ist damit ihrer Zeit weit voraus. In gewisser Weise sind wir selbst heute noch nicht da angekommen, wo die „visionäre Theoretikerin des Feminismus” (Eva Geber) damals schon war. Ihre schriftstellerische Arbeit umfasste Geschichten, Dramen, Kunstkritiken. Aber gerade in ihren philosophischen Essays widmete sie sich Fragen der Soziologie der Geschlechter, die teilweise erst 150 Jahre später von der Neuen Frauenbewegung aufgegriffen wurden. Und schon damals war sie radikaler als 1949 Simone de Beauvoir in „Das andere Geschlecht”. Deshalb ist das von Eva Geber herausgebrachte Lesebuch mit Originaltexten von Rosa Mayreder ein echtes Geschenk – und

auch für Einsteiger_innen in feministische Philosophie geeignet. Mayreders Analysen sind erstaunlich nüchterne Betrachtungen zeitgenössischer Zustände und Theorien, als hätte sie „ihre” Zeit aus einem Jahrhundert Abstand betrachtet. Gabi Horak Eva Geber (Hgin): Rosa Mayreder: Zivilisation und Geschlecht. Ein Lesebuch AUFedition im Mandelbaum Verlag 2010, 19,90 Euro

Gender Performances l

„Screenings” ist das Ergebnis der im Sommersemester 2010 in Wien stattgefundenen, interdisziplinären Ringvorlesung der Universität für Musik und darstellende Kunst. Im Rahmen der Ringvorlesung wurden „Gender Performances” unterschiedlich thematisiert, wie z.B. in der Musik, im Rahmen der Performance Studies als feministische Methodik oder auch als Geschichte von Performances und Gender im Film. Im vorliegenden Sammelband

finden sich die Beiträge von einigen, wenn auch nicht allen Vortragenden der Vorlesungsreihe: So beschäftigt sich Anette Baldauf mit Feminismus und Popkultur, Cornelia Szabó-Knotik mit Musikwissenschaft als Feld der Reproduktion sozialen Geschlechts und Rainer Winter mit dem Verhältnis von Cultural Studies und Gender Studies. „Screenings” ist der erste Teil der geplanten Buchreihe „mdw gender Wissen”, die laufend erweitert und eine Dokumentation der Genderforschung an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien werden soll. Ein interessanter erster Band, in dem versucht wird, Kunst, Wissenschaft und Gender zusammenzudenken. Claire Benedikt Andrea Ellmeier, Doris Ingrisch, Claudia Walkensteiner-Preschl (Hg.innen): Screenings. Wissen und Geschlecht in Musik, Theater, Film Boehlau Verlag, 25,60 Euro

Queen of the Sows

bonustrack: Clara Luzia

Im September reiste ich ja mit den Luzis durch deutsche Lande, um Konzerte zu spielen, und hatte dabei u.a. einen Auftritt am Schacherbauerhof in Bayern auf dem Programm. Nun lässt der Name schon recht untrüglich darauf schließen, dass es sich vermutlich um einen Bauernhof handelt, diese Tatsache mit all ihren Implikationen erfasst hatte ich aber im Vorfeld nicht. Wichtigste Implikation: Tiere! Echte, lebende! So rollen wir also am Tag des Konzerts relativ nichtsahnend dem Schacherbauerhof entgegen, als ich eine alle Dimensionen sprengende Sau vor den Gemäuern des Vierkanthofs stehen sehe. Ich denke zuerst an einen gusseisernen Werbeträger, wie man ihn von Straßenrändern kennt, da dreht sich plötzlich das Ringelschwänzchen, und mir wird klar: Es lebt! Schreiend und quietschend springen Ines und ich der Sau aus dem Bus entgegen. Als ob wir noch nie lebende Tiere gesehen hätten, knipsen wir zig Porträts – Sau alleine, Sau mit Ines, Sau mit Clara, Clara und Ines mit Sau. Wir ju-

bilieren! Doch das riesige Schwein sollte nicht der einzige Freudenanlass dieses denkwürdigen Tourstopps bleiben: Der Schacherbauerhof bot zudem noch liebenswürdige GastgeberInnen, individuell gestaltete, selbst gemalte Festpässe (!), ein Rudel 8- bis 13-jähriger Mädels, das beim Konzert zu „Queen of the Wolves” in einen Wolfschor ausbrach und weitere Tiere, Tiere, Tiere! Die Bühne war aufgebaut im Stadl, der mittels Strohballen schall- und wärmegeschützt wurde. Im großen Hof des Anwesens waren ebenfalls Strohballen aufgebaut, die den Kindern als Spielburg dienten. Bandkollege Max erwies sich dort als so erfolgreicher KinderAnimateur, dass mich begeisterte Eltern fragten, ob sie ihn nicht mieten könnten. Ich war unterdessen von zahlreichen Katzen des Hofes als Schlafunterlage auserkoren worden, die sich nun Schicht für Schicht auf mir drapierten. So lässt sich’s leben! Ich lasse jeden noch so hippen Club sofort stehen, wenn ich dafür noch einmal in solchem Rahmen spielen dürfte!

Clara Humpel betreibt seit 2006 ihr Plattenlabel Asinella Records (Marilies Jagsch, Luise Pop, Bettina Koester, Clara Luzia, Mika Vember) und macht selbst unter ihren Vornamen Clara Luzia Musik. Illustration: Lina Walde, http://evaundeva.blogspot.com

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an.klang

Von der Baustelle zum Göttinnentempel Silke Graf und Vina Yun hörten sich durch aktuelle Releases von local Indie-Heroines und global Pop-Stars.

Plaided, Foto: Andi Dvorˇak

Schon früh musste sich Kylie Minogue in ihrer Karriere mit dem Image als kleine Ausgabe von Madonna arrangieren. Immerhin kann der Popstar aus Down Under heute auf eine über 20-jährige Laufbahn zurückblicken, in der sie sich vor allem einer gay Camp-Ästhetik verpflichtete. Ihr elftes Studioalbum Aphrodite (Parlophone/EMI) bietet rundum Kylie-Feeling: blubbender, Saccharin gesüßter, faltenfreier Dance-Pop mit Disco-Anleihen, makellos produziert von Stuart Price (Zoot Woman). Der Grundton ist optimistisch, es geht – angesichts des unbescheidenen Albumtitels wenig überraschend – um das Schöne, das Gute, das Freudvolle. Auf einer solch glatten Oberfläche sucht man vergeblich Halt. Ihren Wunsch, einmal mit Kylie Minogue zusammenzuarbeiten, konnte Schwedens Pop-Export Robin Miriam Carlsson alias Robyn noch nicht verwirklichen. Macht nichts, denn ihre als Trilogie anlegte Mini-Album-Serie, deren zweiter Teil Body Talk Pt. 2 (Konichiwa/Ministry of Sound/Edel) vorliegt, glänzt auch ohne das Zutun internationaler Megastars. Bei Robyn fließen Pop-/Dance-Einflüsse der letzten zwei Jahrzehnte zusammen – ganz ironiefrei. Dabei schlägt die Sängerin tolle melodiöse Bögen und legt erstaunlich sehnsuchtsvolle und gleichzeitig kraftvolle Momente frei. Wir warten mit Freude auf den dritten Teil dieses sprechenden Albumprojekts! Romantisch mutet auch der verträumte Electronic-Pop von Natalie oder Tusia

Beridze (auch TBA genannt) aus Georgien an, die mit What About Things Like Bullets (Monika/Hoanzl) einen 5-Track-Teaser auf das in Kürze erscheinende Album „ForgetFulness” vorgelegt hat. Ihren Deal beim Berliner Label Monika Enterprises hat sie einem früheren Release zu verdanken, der auf der ersten der insgesamt vier „Four Women No Cry”-Compilations erschienen ist. Monika-Labelchefin Gudrun Gut hat sich indes mit Antye Greie aka AGF zusammengeschlossen und unter dem Namen Greie Gut Fraktion das gemeinsame Album Baustelle (Monika/Hoanzl) aufgenommen. Auch wenn es ordentlich rauscht und hämmert, klopft und zischt – nach „under construction” klingt dieses Projekt nicht. Die Geräusche haben die beiden Elektronik-Musikerinnen in stundenlangen Field Recordings auf Baustellen gesammelt und als Ausgangsmaterial eingesetzt: Das Ergebnis ist packend und direkt, wie aus einem Guss, möchte man da beinahe sagen. „Gibst du mir Waser, rühr ich den Kalk”, singen Greie Gut in ihrer Coverversion des 80er-Klassikers „Wir bauen eine neue Stadt” von Palais Schaumburg. Tiefschürfender Baustellen-Groove, der Arbeiterinnen-Sound der Stunde! Der Wiener Labelschatz Fettkakao hat eine neue Platte veröffentlicht. Da liegen die Leute in karierten Hemden im Dreck herum und huldigen Toni Soprano und kleinen frechen Hunden: People Lying Around In Dirt Every Day von

Plaided (Veronika Eberhart und Julia Mitterbauer bildeten einst zwei Drittel der Band Ilsebill) rockt wie sonst nur Veröffentlichungen von Kill Rock Stars. Die vier Nummern machen extrem Lust auf mehr. Vor allem „It is over Toni” ist ein wunderbares Stück Musik, das mit einfachsten Mitteln schlicht und ergreifend fetzt. Zeilen wie „And we love, love, love to the other side” bringen eine gut durch den Tag. Die 7”-Inch gibt’s mit feschem Artwork inklusive CD bzw. Download-Code, und auch live sollte man sich die Zwei nicht entgehen lassen. Sara Abdel-Hamid – besser bekannt unter dem Namen Ikonika – produziert ihre Tracks zwar immer noch in ihrem Jugendzimmer zuhause bei den Eltern in West London, dafür klingen ihre Sounds aber schon ziemlich erwachsen. „One small dubstep for man, one giant leap for experimental UK club music”, meinte das britische Musikmagazin „NME” zu ihrem ersten Album Contact, Love, Want, Have erschienen beim gediegenen HyperdubLabel (wo u.a. Burial und die noch wenig bekannte, aber großartige Cooly G veröffentlicht haben). Ikonikas Sounduniversum besticht durch stilistische Vielfalt, von alten Sega-Spielen inspirierte Bleeps treffen auf West Coast-HipHop und SocaRhythmen. Die frühere Drummerin in einer Post-Hardcore-Band weiß die Bässe zu platzieren, komplexe Melodien aufzubauen und neue Formen, Flächen und Farben im Kopfkino entstehen zu lassen, ohne dabei in den 14 Tracks den roten Faden zu verlieren. „Continue?” Yes! l

Links: Kylie Minogue: www.kylie.com Robyn: www.robyn.com Plaided: www.myspace.com/ plaidedmusic Natalie Beridze/TBA: www. myspace.com/tusiaberidze Greie Gut Fraktion: http://greiegutfraktion.com Ikonika: www.myspace.com/ikonika

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an.sehen

Allgegenwärtige Erinnerungen

Der Dokumentarfilm „Wilde Minze” über die Tochter einer hingerichteten Widerstandskämpferin zeigt, wie lebendiges Erinnern aussehen kann. Von Katharina Morawek Helga Emperger in „Wilde Minze”. Foto: Michael Dörfler

Jenny Gands und Lisa Rettls Dokumentarfilm beginnt mit einer Autofahrt zum Flughafen – Reisen gehört zu den wiederkehrenden Motiven im Film. Für Helga Emperger hat dabei eine Zugstrecke – jene von Villach nach Klagenfurt – eine ganz besondere Bedeutung. Es ist dies der letzte Weg, den sie als 15-Jährige gemeinsam mit der Mutter zurücklegte, bevor diese von den Nazis ermordet wurde. Helga Empergers Mutter, die kommunistische Aktivistin Maria Peskoller, organisierte sich in den 1940ern im Raum Villach gemeinsam mit anderen Frauen und Männern gegen die Nazis. In Zusammenarbeit mit der Partisan_innengruppe LeobenDonauwitz gehörte es zu Peskollers zentralen Aufgaben, Informationen weiterzugeben und Fluchthilfe und Verpflegung zu organisieren. Gemeinsam mit Rosa Eberhard und Margarethe Jessernig wurde sie vom Volksgerichtshof angeklagt und am 23. Dezember 1944 hingerichtet. Die Erinnerungen an die Mutter sind allgegenwärtig. Bei der Zugfahrt, beim Seespaziergang, beim Aufbrühen von Pfefferminztee. Helga Emperger wird aber nicht als passives Opfer gezeichnet – ganz im Gegenteil. 42 l an.schläge Dezember 2010 l Jänner 2011

Filmische Fallstricke. Allzu oft wird bei der (filmischen) Darstellung von Überlebenden und Opfern des Nationalsozialismus einer doppelten Viktimisierung Vorschub geleistet: Durch die Reduzierung auf jenen Teil ihrer Biografie, der für die filmische Erzählung notwendig ist, werden sie nochmals zu Opfern gemacht, ihre Person und ihr Leben „danach” ausgeblendet. Die Protagonist_innen immer auch als Subjekte einer gegenwärtigen gesellschaftlichen Situation zu porträtieren und sie nicht als reine Vehikel für einen retrospektiven Blick zu benutzen, ist dabei eine der verantwortungsvollen Aufgaben von Filmemacher_innen oder auch Wissenschaftler_innen. Jenny Gand und Lisa Rettl finden eine selbstbewusste, sympathische und starke Darstellung ihrer Protagonistin in allen Lebenslagen. Dennoch: Die Erzählung über die Zeit der Inhaftierung von Mutter und Tochter, aber auch über die Zeit nach der Befreiung verharrt in der Perspektive der Tochter, des jungen Mädchens. Die erzählte Biografie der jungen Frau verläuft parallel zur Befreiung von der Nazi-Herrschaft, sie erlebt die Nachkriegszeit, lebt in Kärnten.

Gesellschaftliche Fragen nach der Einbettung ihres heutigen Lebens in politische Verhältnisse, die von den Filmemacher_innen gestellt hätten werden können, bleiben allerdings außen vor. Schwieriges Erzählen. Und trotzdem, gerade in den persönlichen Erzählungen Helga Empergers tauchen sehr politische Fragestellungen auf. Ihr Vater, Josef Peskoller, war nach dem Krieg viele Jahre als Gemeinderat der KPÖ im Villacher Stadtparlament tätig. Dennoch hat sie mit ihm nie über die Ermordung der Mutter gesprochen: „Er konnte es vielleicht nicht.” Sie erzählt, wie sie darunter gelitten hat, sich nicht „genügend politisch betätigt” zu haben, über das Weihnachtsfest und ihre kleinen Kinder, die fiebrig auf das Christkind warten und die Niedergeschlagenheit der Mutter am Todestag der Oma nicht nachvollziehen können. Sie will ihnen auch „die Stimmung nicht vermiesen”. Maria und Josef Peskoller erhielten posthum Auszeichnungen der Republik Österreich. Ihre überlebende Tochter Helga beschreibt, wie sie „lieber die Mutter gehabt hätte als die Auszeichnungen”. Minuten danach ist im Abspann des Films zu

lesen: „In Österreich warteten die Opfer der NS-Unrechtsjustiz und deren Angehörige 64 Jahre auf ihre Rehabilitierung.” Noch immer ist die These, sich als „erstes Opfer des Nationalsozialismus” zu betrachten, in Österreich vielfacher Konsens. Zwar wird der Widerstand einiger weniger geehrt, der größenordnungsmäßig bedeutendste Widerstand, jener der sich als Partisan_innen organisierten Kärntner Slowen_innen, wird aber immer noch ignoriert, geschweige denn gewürdigt oder rehabilitiert. Erst am 7. Oktober 2009 wurden alle Urteile des sogenannten Volkgerichtshofs, der Sonder- und Standgerichte sowie der „Erbgesundheitsgerichte” pauschal aufgehoben. l „Wilde Minze“ (A 2009, 85 min), Vorführtermine: 21.11. im ProgrammKINO Wels, www.servus.at/programmkino; bis 2.12. im Wiener Top Kino, www.topkino.at; bis 2.12. im Kino Ebensee, www.kino-ebensee.at; 3.12–16.12. im Filmzentrum im Rechbauerkino, Graz, www.filmzentrum.com


an.künden Redaktionsschluss Termine 02/11: 11.01.2011 termine@anschlaege.at

fest musik 3.12., 22.00, Wien Club Quote fluc, 1020 Wien, Praterstern 5, www.fluc.at, www.myspace.com/quote_wien 4.12., 20.30, Wien MAD’elles, Bühne: ab 20.30, DJane: ab 22.00, Eintritt: freie Spende Das Gugg (HOSI Wien), 1040 Wien, Heumühlg. 14, www.madelles.at 7.12., 20.00, Dornbirn Mieze Medusa & Tenderboy Conrad Sohm, 6850 Dornbirn, Boden 1, VVK: 10/AK: 12 Euro, www.conradsohm.com 11.12., 21.00, Salzburg 30 Jahre HOSI – Homosexuelle Initiative Salzburg, Live-Act: Sabina Hank „Focus on Infinity” Intimate, Happy Hour: 21–22.00, VVK: 4/AK: 8 Euro ARGEkultur, Saal, 5020 Salzburg, Ulrike-Gschwandtner-Str. 5, www.argekultur.at, www.hosi.or.at 18.12., 22.00, Wien FMqueer brut Künstlerhaus, 1010 Wien, Karlsplatz 5, www.brut-wien.at

film 5.12., 18–23.00, Wien Golden Girls – Lachen in den Achtzigern: Long live Dorothy, Rose, Blanche and Sophia, im Rahmen der Reihe „Das Patriarchat auslachen: Humor als feministische Strategie”, für Frauen_Lesben_Transpersonen_ Intersexpersonen Frauencafé, 1080 Wien, Langeg. 11, www.frauencafe.com

bühne 3. u. 4.12., 20.00, Wien „Worst case”, von Kathrin Röggla, Regie: Lukas Bangerter, mit Veronika Glatzner, Nicola Kirsch u.a. Schauspielhaus, 1090 Wien, Porzellang. 19, T. 01/317 01 01-11, www.schauspielhaus.at 8.–16.12., 20.00, Wien „Vampires of the 21st Century oder

was also tun?”, Österreich-Premiere, Konzept/Regie: Claudia Bosse, von/ mit Frédéric Leidgens, Nora Steinig, Caroline Decker, Yoshie Marouka Kartographisches Institut, 1080 Wien, Krotenthallerg. 3, Karten unter 0681/10 64 92 64, Infos: 01/522 25 09 od. produktion@theatercombinat.com, www.theatercombinat.com 17. u. 18.12., 20.30, Wien „Pictographic Events”, von Saskia Hölbling, Uraufführung Tanzquartier Wien, Museumsquartier, Halle G, 1070 Wien, Museumsplatz 1, T. 01/581 35 91, www.tqw.at 26.1.–9.2., Wien „Banalität der Liebe”, von Savyon Liebrecht, mit Juliane Gruner, Hans Diel, u.a., über Hannah Arendt u. Martin Heidegger, österreichische Erstaufführung, Premiere: 25.1., 20.00, weitere Termine: 26.–29.1., 15.–19.2., 20.00, Theater Nestroyhof Hamakom, 1020 Wien, Nestroyplatz 1, T. 01/8900 314, www.hamakom.at

seminar workshop 11. u. 12.12., Wien Kulturgeschichte des Geldes. Mit Birge Krondorfer, Termine: 11.12., 10–19.00, 12.12., 10–14.00, UKB nach Selbsteinschätzung: 20–35 Euro, Anm. bis 4.12. Frauenhetz – Feministische Bildung, Kultur und Politik, 1030 Wien, Untere Weißgerberstr. 41, T. 01/715 98 88, www.frauenhetz.at 18. u. 19.12., 11–17.00, Wien Wissenschaftliche Schreibwerkstatt für Frauen*. Trainerin: Gudrun Perko, Selbstbehalt: 15 Euro, Kontakt, Infos u. Anm. mit Matr.Nr., Name u. Tel.nr. unter frauenprojekte@oeh. univie.ac.at, nächster Termin: 29. u. 30.1.2011 UFO – Uni Frauen Ort, 1090 Wien, Bergg. 5/24, www.oeh.ac.at/referate/ referat_fuer_feministische_politik/ ufo_unifrauenort 20.–22.1., Graz Der sozialen Ungleichheit auf der Spur: Gender Analyse Kompetenz für die Praxis. ReferentInnen: Elli Scambor, Christian Scambor, Kosten: 350 Euro inkl. Skripten u.

Materialien, exkl. Nächtigung u. Verpflegung, Förderungsmöglichkeiten/Erm. auf Rückfrage, Infos: Sigrid Fischer, gender@frauenservice.at, T. 0316/716 022-29, Anmeldeformular unter www.genderwerkstaette.at, Anm. bis 20.12. Frauenservice Graz, 8020 Graz, Idlhofg. 20, www.frauenservice.at 22. u. 23.1., 10–17.00, Neunkirchen Selbstverteidigung/Selbstbehauptung für Mädchen. Trainerin: Melanie Zeller, mitzubringen: bequeme Kleidung u. Jause, keine körperlichen Voraussetzungen nötig, Kosten: 20 bis 40 Euro nach Selbsteinschätzung, Anm. bis 14.1. unter T. 02635/611 25 od. freiraumfrauen@frauenberatungfreiraum.at Sporthaus Neunkirchen, 2620 Neunkirchen, Fabriksg. 34, www.frauenberatung-freiraum.at 3. u. 4.2., Graz Muslimisch – weiblich – emanzipiert: Ein interkultureller Dialog, mit Amani Abuzahra, 3.2. 12–18.00, 4.2., 9–15.00, Kosten: 140 Euro inkl. Verpflegung, Anmeldeformular unter www.genderwerkstaette.at, Anm. bis 10.1. Frauenservice Graz, 8020 Graz, Idlhofg. 20, T. 0316/71 60 228, www.frauenservice.at, www.genderwerkstaette.at, www.jmoe.at

vortrag diskussion 1.12., 18.30, Wien Geschlecht, Reproduktion und die Entstehung des Sozialstaats: Die USA und Österreich. Vortragende: Maria Mesner Institut für Wissenschaft und Kunst, 1090 Wien, Bergg. 17, T. 01/317 43 42, www.univie.ac.at/iwk 1.12., 18.30, Wien Sparen und Anlegen. Im Rahmen der Vortragsreihe „Frauen und Geld”, Vortragende: Daniela Orlik, UKB: 7 Euro, Anm. bis 2 Tage vor Vortragstermin bei elke.spitzer@prokonzept. at od. T. 01/817 41 44 Institut Frauensache, 1030 Wien, Obere Viaduktg. 24, T. 01/89 58 440, www.frauensache.at 2.12., 19.00, Wien Gouvernementale Prekarisierung, existentielle Verletzbarkeit. Vortrag von Isabell Lorey, Veranstaltung des Gender Initiativkollegs der Universität Wien Depot, Breite Gasse 3, 1070 Wien, T. 01/522 76 13, www.depot.or.at

3.12., 18.00, Berlin G(enuss)-Fläche und weibliche Ejakulation: Impulsgebung u. Erfahrungsaustausch. Vortragende: Laura Méritt, Kosten: 3 Euro Exklusivitäten, 10961 Berlin, Fürbringerstr. 2, www.weiblichequelle.de 5.12., 20.00, Wien Wilde Wi(e)nerinnen. Im Rahmen von „Frauen Arbeit Film: Eine Veranstaltungsreihe in 10 Modulen”, von Brigitte Mayr u. Sabine Perthold für Synema Gesellschaft für Film und Medien, mit Cornelia Köndgen, Eva Spreitzhofer, Gabriele Kranzelbinder, Petra Zöpnek, Anita Prammer, Eva Langheiter, Eintritt frei, Reservierung unter synema@chello.at Theater Dracheng., 1010 Wien, Fleischmarkt 22, www.frauenarbeitfilm.at 7.12., 18.30, Wien Roma in Europa. Podiumsdiskussion mit Marika Schmiedt, Eva Twaroch u. Rudolf Sarközi, Moderation: Corinna Milborn Jüdisches Museum der Stadt Wien am Judenplatz, 1010 Wien, Dorotheerg. 11, www.jmw.at 8.12., 17.00, Zürich Body Work, Care Theory and the Home. Öffentlicher Gastvortrag von Kim England Geografisches Institut der Universität Zürich Irchel, Hörsaal 03 G 85, 8057 Zürich, Winterthurerstr. 190, T. 044/635 11 11, www.genderstudies.uzh.ch 9.12., 18.15–21.00, Basel Ökonomie und Geschlecht. Öffentlicher Doppelvortrag von Katharina Pühl u. Antke Engel, Workshop für Graduierte: 10. u. 11.12., Anm. u. Infos: andreamaria.zimmermann@ unibas.ch Universität Basel, Alte Universität, 4003 Basel, Rheinsprung 9/11, http://genderstudies.unibas.ch

KosmosTheater, 1070 Wien, Siebensterng. 42, T. 01/523 12 26, www.kosmostheater.at 15.12, 17–19.00, Zürich Globalisation, Gender and Social Justice: After the Crisis. Öffentlicher Gastvortrag von Diane Perrons Geografisches Institut der Universität Zürich Irchel, Hörsaal 03 G 85, 8057 Zürich, Winterthurerstr. 190, T. 044/635 11 11, www.genderstudies.uzh.ch 18.12., 18.00, Wien Barcelona Feminista. Besuch des Vereins „Ca la Dona”, in Englisch u. Spanisch, mit deutscher Übersetzung, Moderation: Nina Hechenbeger Frauenhetz – Feministische Bildung, Kultur und Politik, 1030 Wien, Untere Weißgerberstr. 41, T. 01/715 98 88, www.frauenhetz.at 9.1., ab 17.00, Wien Humor als Aktion u. Aktionsform. Im Rahmen der Reihe „Das Patriarchat auslachen Humor als feministische Strategie”, Input u. Diskussion, für Frauen_Lesben_Transpersonen_Intersexpersonen Frauencafé, 1080 Wien, Langeg. 11, www.frauencafe.com 11.1., 19.00, Wien Es ist Zeit, klassische Geschlechtertheorien im 20. Jahrhundert einer Neulektüre zu unterziehen! Gespräch u. Buchpräsentation („Existenz – Differenz – Konstruktion. Phänomenologie der Geschlechtlichkeit bei Beauvoir, Irigaray und Butler”), mit Silvia Stoller, Christina Schües u. Arno Böhler Depot, Breite Gasse 3, 1070 Wien, T. 01/522 76 13, www.depot.or.at 12.1, 18.30, Wien Queering the Family!? Vortragende: Sushila Mesquita Institut für Wissenschaft und Kunst, 1090 Wien, Bergg. 17, T. 01/317 43 42, www.univie.ac.at/iwk

13.12., 19.00, Wien Kultur, Ökonomie und Veränderung: Fragen nach der Rolle des geeigneten „Mediums”. Mit Marlene Streeruwitz u. Stephan Schulmeister, Moderation: Radovan Grahovic u. Peter Kreisky, anschließend Buffet Fleischerei Experimentaltheater, 1070 Wien, Kircheng. 44, T. 01/524 07 38, www.experimentaltheater.com

12.1., 18.30, Wien Absicherung und Vorsorge. Im Rahmen der Vortragsreihe „Frauen und Geld”, mit Daniela Orlik, UKB: 7 Euro, Anm. bis 2 Tage vor Vortragstermin bei elke.spitzer@prokonzept.at, T. 01/817 41 44 Institut Frauensache, 1030 Wien, Obere Viaduktg. 24, T. 01/89 58 440, www.frauensache.at

13.12., 19.00, Wien Sag’ mir, wo die Frauenbewegung ist. Expertinnengespräch im Rahmen der Reihe „Nachdrücklich vorbildlich. Auf den Spuren von Pionierinnen und Zukunftsfrauen”

14.1., 19.00, Wien Gender- und Alter(n)skontruktionen. Vortragende: Helga Eberherr Institut für Wissenschaft und Kunst, 1090 Wien, Bergg. 17, T. 01/317 43 42, www.univie.ac.at/iwk

Dezember 2010 l Jänner 2011 an.schläge l 43


an.künden

Jürgenssen retrospektiv Kahlo gibt Jürgenssen die Klinke in die Hand: Nach der mexikanischen Künstlerin widmet das Kunstforum der Wienerin Birgit Jürgenssen (1949–2003) eine umfangreiche Retrospektive. 250 Werke – darunter auch bislang unbekannte – blättern das Oeuvre einer der wichtigsten Vertreterinnen der feministischen Avantgarde neu auf.

Birgit Jürgenssen: Ohne Titel (Selbst mit Fellchen), Foto: Nachlass Birgit Jürgenssen/VBK

16.12.–6.3. Birgit Jürgenssen – Retrospektive, Bank Austria Kunstforum, 1010 Wien, Freyung 8, tgl. 10–19.00, Fr 10–21.00, T. 01/537 33 26, www.bankaustria-kunstforum.at

Jagsch singt wieder Zwei Jahre nach ihrem Debüt „Obituary for a lost Mind” legt die in Wien lebende Musikerin Marilies Jagsch ihr Nachfolgewerk „From Ice to Water to Nothing” vor. Live zu hören und zu erleben ist die aufstrebende Songwriterin demnächst in Salzburg.

Marilies Jagsch, Foto: Lydia Lechner 27.1., 18.00, Linz Frauen, Männer: Gender Studien in Musik, Darstellender und Bildender Kunst. Roundtable-Gespräch, Eröffnung: Doris Hummer, Moderation: Christine Haiden, Begrüßung: Marianne Betz Anton Bruckner Privatuniversität, Kleiner Saal, 4040 Linz, Wildbergstr. 18, T. 0732/70 1000, www.bruckneruni.at 27.1., 19.00, Wien Queere Familien in der Schweiz: Nicht hegemoniale Beziehungsformen und Reproduktionstechnologien. Vortragende: Evelyn Yve_s Nay, Moderation: Sushila Mesquita, UKB: 2,90 Euro Stichwort – Archiv der Frauen- und Lesbenbewegung, 1040 Wien, Gusshausstraße 20/1A+B, www.stichwort.or.at

ausstellung bis 5.12., Wien Living Across: Spaces of Migration. Ausstellung im Rahmen des Projektes „Viel Glück! Migration Heute. Wien, Belgrad, Zagreb, Istanbul”, KünstlerInnen: Hurvin Anderson, Anna Jermolaewa, Nada Prlja u.a. Akademie der bildenden Künste Wien, xhibit, 1010 Wien, Schillerplatz 3, Di–So 10–18.00, www.akbild.ac.at, www.initiative.minderheiten.at bis 5.12., Wien Retrospektive Frida Kahlo Bank Austria Kunstforum, 1010 Wien,

44 l an.schläge Dezember 2010 l Jänner 2011

10.12., 21.00, ARGEkultur Salzburg, 5020 Salzburg, Ulrike-Gschwandtner-Str. 5, Karten: 11 Euro, www.argekultur.at, www.myspace.com/marilies Freyung 8, Mo–So 10–19.00, Fr 10–21.00, T. 01/537 33 26, www.bankaustria-kunstforum.at bis 7.12., Wien Display – von Schönheitsdiktaten u. Schönheitsidealen. Künstlerinnen: Käthe Hager von Strobele, Maria Hahnenkamp, Ulrike Lienbacher, Margret Wibmer, Eröffnung: 8.11., 19.00 Fotogalerie Wien, 1090 Wien, Währingerstr. 59/WUK, Di–Fr 14–19.00, Sa 10–14.00, T. 01/408 54 62, www.fotogalerie-wien.at bis 12.12., Wien Ana Torf: Album/Tracks B Generali Foundation, 1040 Wien, Wiedner Haupstr. 15, Di–So, feiertags 11–18.00, Do 11–20.00, Vortrag Mieke Bal 2.12., 19.00, T. 01/504 98 80, http://foundation.generali.at bis 13.12., Wien Das Theater mit dem Gender – 10 Jahre KosmosTheater Jubiläumsausstellung, Konzept und Ausführung: Bettina Frenzel, geöffnet an Spieltagen, ab 90min. vor Vorstellungsbeginn, Eintritt frei KosmosTheater, 1070 Wien, Siebensterng. 42, T. 01/523 12 26, www.kosmostheater.at 14.12.–31.1., Wien Identität III: Verortung. Internationale Gruppenausstellung, Eröffnung: 13.12., 19.00, Gespräch u. Filmvorführung: 14.1., 19.00, Finissage u. Katalogpräsentation: 31.1., 19.00 Fotogalerie Wien, WUK, 1090 Wien, Währinger Str. 59, Di–Fr 14–19.00, Sa 10–14.00, an Feiertagen geschlos-

sen, T. 01/40 85 462, www.fotogalerie-wien.at

sitätsstr. 5, Mo–Fr 14–18.00, www.kulturkontakt.or.at bis 16.1., Hittisau Ich bin Ich: Susi Weigel – Trickfilmzeichnerin und Illustratorin (1914–1990) Frauenmuseum, 6952 Hittisau, Platz 501, Do 15–20.00, Fr 14–17.00, Sa u. So 10–12.00, 14–17.00, T. 05513/620 930, www.frauenmuseum.at bis 16.1., Köln Paris bezauberte mich: Käthe Kollwitz und die französische Moderne Käthe Kollwitz Museum Köln, 50667 Köln, Neumarkt 18–24, Di–Fr 10–18.00, Sa, So, Feiertag 11–18.00, T. 0221/227 2899-2602, www.kollwitz.de bis 30.1., Wien Valie Export: Zeit und Gegenzeit. Diskussion „Wegbereiterin und Leitfigur”: 1.12., 19–20.00; Themenführung „Das schmierige Geschäft mit dem Krieg” mit Ina Mertens: 19.1., 19–20.00; Themenführung „Feministische Performance” mit Roswitha Bittner, 26.1., 19–20.00, Teilnahme kostenlos (exkl. Eintritt), Anm. unter public@belvedere.at Unteres Belvedere, Orangerie, 1030 Wien, Rennweg 6, tgl. 10–18.00, Mi 10–21.00, T. 01/79 55 70, www.belvedere.at bis 31.1., Wien Sofia Goscinski: Disorders Kunsthalle Wien, photo wall & video wall, 1070 Wien, Museumsplatz 1, tgl. 10–19.00, Do 10–21.00, T. 01/521 89-0, www.kunsthallewien.at bis 6.2., München Tronies – Marlene Dumas und die Alten Meister Haus der Kunst, 80538 München,

Prinzregentenstr. 1, Mo–So 10–20.00, Do 10–22.00, T. 089/211 27-115, www.hausderkunst.de bis 13.2., Speyer Amazonen – Geheimnisvolle Kriegerinnen Historisches Museum der Pfalz Speyer, 67346 Speyer, Domplatz 4, T. 06232/13 25 0, www.museum-speyer.de bis 20.2., Wien Power Up: Female Pop Art. Künstlerinnen: Sister Corita, Kiki Kogelnik, Niki de Saint Phalle u.a., Kunsthalle Wien, Halle 1, 1070 Wien, Museumsquartier, Museumsplatz 1, tgl. 10–19.00, Do 10–21.00, T. 01/521 89 33, www.kunsthallewien.at bis 13.3., Wien Susan Hefuna: 7xANA. Installationsserie im Rahmen des Projekts „MAPPING WIEN” Sigmund Freud Museum, 1090 Wien, Bergg. 19, tgl. 9–17.00, T. 01/319 15 96, www.freud-museum.at

lesung 3.12., 19–24.00, Berlin frauen.erlesen: Die lange SLOW Book Nacht der edition ebersbach, zu Annemarie Schwarzenbach, Else Ury, Adrienne Monnier, Coco Chanel u. Edith Piaf Literaturhaus Berlin, Großer Saal, 10719 Berlin, Fasanenstr. 23, T. 030/887 286-0, www.literaturhaus-berlin.de 6.12., 19.00, Wien Von der Liebe der Frauen: Drei Autorinnen stellen drei Romane vor, mit: Karin Rick, Eva Jancak, Gabri Kreslehner, Moderation: Renata

bis 17.12., Wien Wiederentdeckte Fotos von Elly Niebuhr – Die 1950er Jahre in Wien. Eine Ausstellung der Universität für angewandte Kunst Wien Ausstellungszentrum Heiligenkreuzer Hof, Sala Terrena, 1010 Wien, Schönlaterng. 5, Di–Sa 14–19.00, www.dieangewandte.at bis 17.12., Wien In the Name of. Über die Unterordnung unter Normen u. Ideale durch den Dresscode bei orthodoxen jüdischen Männern, westlichen Frauen u. Männern u. islamischen Frauen. KünstlerIinnen: Borjana Ventzislavova u. Mladen Penev, Eintritt frei Thomas K. Lang Gallery at Webster University, 1220 Wien, Berchtoldg. 1, Mo–Fr 10–18, T. 01/269 92 93-13, www.tklang-gallery.com bis 19.12., Wien Kritische Komplizenschaft. Kuratiert von Lisa Mazza u. Julia Moritz, mit Sabine Bitter & Helmut Weber, Hans Haacke, Tanja Ostojic u.a., Diskussion: 18.12., 17.00 Kunsthalle Exnergasse, WUK, 1090 Wien, Währinger Str. 59/2/1, Di–Fr 13–18.00, Sa 11–14.00, T. 01/40 121-41, www.kunsthalleexnergasse.wuk.at 3.12.–23.12., Wien Artists in Residence: Werkpräsentation von Violeta Tanova, Bojana Luki, Dalibor Trencevski, Eröffnung: 2.12., 19.00 Galerie ArtPoint, 1010 Wien, Univer-

Anna Böger in „Denken und Vögeln. Teil 2”, Foto: Gunter Bieringer

Der kalte Schmuck des Lebens „Was ich wirklich will: Sexy und schlau sein. Denken und Vögeln”, sagt Protagonistin Bunny in Barbara Balseis Stück über Trieb und Begehren. Ein Abend zwischen Theater, Installation, Choreografie, Hörspiel, Freud, Lacan, Barthes und Žižek. Denken und Vögeln, Teil 2, von Barbara Balsei, Regie: Jessica Glause, mit Anna Böger, Termine: 10., 11., 17., 18.12., Kosten: 15/erm. 10 Euro, PATHOS transport theater, Ateliers, 80636 München, Dachauer Str. 112, www.pathostransporttheater.de


an.künden aktivitäten jeden Do u. Fr, 18–24.00, Wien Feministische Kneipe, für Frauen_ Lesben_Transpersonen_Intersexpersonen Frauencafé, 1080 Wien, Langeg. 11, www.frauencafe Do, 18.00, Wien Intuitives Bogenschießen für Frauen, mit Andrea Bibl Zentrum Exist, 1150 Wien, Sechshauserstr. 36–38, T. 0699/10 83 49 27

Lydia Lunch, Foto: Maˇdaˇlina/flickr.com

Musik von Frauen, jetzt sofort! Das Geschlecht der Popkultur ist nach wie vor männlich. Wie diese Strukturen aufgebrochen werden können, dem gehen der Workshop und die Podiumsdiskussion „Können wir jetzt endlich mal über Musik sprechen…??!!!” in Linz nach. Die Musik danach kommt, programmatisch, von der New Yorker No-Wave-Ikone Lydia Lunch. 15.12., 12–18.00 Workshop, danach Podiumsdiskussion u. Konzert von Lydia Lunch, Anm. unter fiftitu@servus.at, Stadtwerkstatt Linz, 4040 Linz, Kirchengasse 4, http://fiftitu.at Zuniga Alte Schmiede, 1010 Wien, Schönlaterng. 9, T. 01/512 83 29, www.alte-schmiede.at 15.12., 20.00, Wien Lesung der Exil-LiteraturpreisträgerInnen 2010 „Schreiben zwischen den Kulturen”, mit Susanna Gregor, Daniela Elena Trummer, Ekaterina Heider u.a., Musik: Mansur Bildik

Amerlinghaus, 1070 Wien, Stiftg. 8, www.editionexil.at 29.12., 20.15, Wien textstrom poetry slam. Moderation: Mieze Medusa, Anm. ab 19.30, für eigene Teilnahme mitzubringen: 2 selbst verfasste Texte zu jew. max. 5 min rhiz, 1080 Wien, Gürtelbogen 37, http://rhiz.org, www.miezemedusa.com

Do, 16.30–18.30, Hamburg Das LesbenTreff-Café, für Lesben jeden Alters 20357 Hamburg, Glashüttenstr. 2, T. 040/24 50 02, www.lesbenverein-intervention.de 10.12. u. 14.1., 19–24.00, Wien Orientalischer Badeabend für Frauen, Kosten: 12,90/erm. 8,60 Euro, Anm. u. Infos: T. 01/988 98-120 od. badehaus@sargfabrik.at Sargfabrik, Badehaus, 1140 Wien, Goldschlagstr. 169, T. 01/988 98-111, www.sargfabrik.at 14.12., 15–18.00, Wien Jobwerkstatt für Mädchen: Deine Chance auf dem Weg zur Lehrstelle Sprungbrett für Mädchen, 1150 Wien, Pilgerimg. 22–24/1/1, T. 01/789 45 45, www.sprungbrett.or.at

beratung jeden 2. u. 4. Sa, 14–18.00, Wien Frauen-Lesben-Theatergruppe, für Frauen und Mädchen jeden Alters, Infos: Regina Stierschneider, T. 0664/186 06 13, regina@elektrobox.com FZ – Autonomes FrauenLesbenMädchenZentrum, 1090 Wien, Währinger Str. 59/Stiege 6

Dick ist schick Gegen die gesellschaftliche Diskriminierung dicker Frauen und Mädchen geht die ARGE Dicke Weiber vor, eine feministische Initiative dicker Frauen gegen den Schlankheitsterror, für Vielfalt und positive Selbstbilder. Mal was anderes als Haut und Knochen. jeden 2. u. 4. Fr, 17.00, FZ-Bar, 1090 Wien, Währinger Straße 59, argedickeweiber@gmx.at, http://argedickeweiber.wordpress.com

Mo 18–19.00, Kärnten Frauenstimmen – Glas žena Radio Agora 105.5 MHz (Dobrac), Live Stream: www.agora.at, wöchentlich Mo 21–22.00, Schweiz K-Punkt Kalila – Feminine und feministische Themen Kanal K 94.9 MHz (Aargau), Live Stream: http://kanalk.ch, wöchentlich Di, 13–14.00, Wien Globale Dialoge – Women on Air Orange 94.0 MHz, Live Stream: http://o94.at, wöchentlich Di, 18–19.00, Wien Weibertalk – Sendung des Autonomen FrauenLesbenZentrums Innsbruck Orange 94.0 MHz, Live Stream: http://o94.at, jeden 2. Di Di, 20–21.00, Deutschland Mrs. Pepsteins Welt – FeminismusAllüren, und Musik, Musik, Musik Radio Blau 99.2 MHz (Leipzig), www.mrspepstein.de, alle 4 Wochen Di, 21–22.00, Wien female:pressure – Feministisches Magazin zu Musik- und Clubkultur Orange 94.0 MHz, Live Stream: http://o94.at, jeden 2. Di Mi 18–18.30, Salzburg Frauenzimmer – Plattform für eine frauenspezifische Information Radiofabrik 107.5 MHz (Salzburg Stadt), Live Stream: www.radiofabrik.at, wöchentlich

Mi 18–19.00, Wien Bauch, Bein, Po – Die Sendung für die ganze Frau Orange 94.0 MHz, Live Stream: http://o94.at, jeden 2. Mi Fr 18–19.00, Wien Radio UFF – Sendung des Unabhängigen FrauenForums Orange 94.0 MHz, Live Stream: http://o94.at, jeden 1. Fr Fr 19–20.00, Oberösterreich SPACEfemFM Frauenradio Radio FRO 105.0 MHz (Linz), Live Stream: http://fro.at, jeden 1., 3. u. 4. Fr Sa 18–19.00, Deutschland Rainbow City – Radio für Lesben und Schwule 97.2 MHz (Berlin), Live Stream: www.radiorainbowcity.de, wöchentlich Sa 19–20.00, Steiermark Bertas Bücherstunde – Das feministische Literaturmagazin Radio Helsinki 92.6 MHz (Graz), Live Stream: www.helsinki.at, jeden 4. Sa So, 17–18.00, Steiermark Genderfrequenz – Sozialpolitisch, feministisch, unbeugsam Radio Helsinki, 92.6 MHz (Graz), Live Stream: www.helsinki.at, jeden 2. So So, 19–20.00, Tirol Weibertalk – Sendung des Autonomen FrauenLesbenZentrums Innsbruck FREIRAD 105.9 MHz (Innsbruck), Live Stream: www.freirad.at, jeden 1. So

Do, 17.30–20.45, Wien SAPPHO – Psychotherapeutische Gruppe für lesbische und bisexuelle Frauen: Das zufriedene les-bi-sche Ich bin Ich, 14-tägig jeweils Do, Kosten: 48 Euro pro Abend, Anm.: T. 01/585 69 66 Beratungsstelle COURAGE, 1060 Wien, Windmühlg. 15/1/7, www.courage-beratung.at jeden 1. Do, ab 18.30, Wien FrauenLesbenMädchenZentrum, 1090 Wien, Währinger Str. 59/Stiege 6, T. 01/408 50 57, http://fz-bar.wolfsmutter.com

Foto: gaelx/flickr.com

Mo 19–20.00, Oberösterreich 52 Radiominuten – Sendung von FIFTITU%, Vernetzungsstelle für Frauen in Kunst und Kultur in OÖ Radio FRO, 105.0 MHz (Linz), Live Stream: http://fro.at, jeden 4. Mo

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radio fixtermine Mo 18–19.00, Wien Khorschid Khanum – Die persischsprachige Frauensendung Orange 94.0 MHz, Live Stream: http://o94.at, jeden 1. Mo

Foto: Magic Krtek/flickr.com

Sex? Aber gerne! Internetsex und sexuelle Autonomie, Sexualität in Kindheit, mit Behinderung oder Sex als Dienstleistung – die Fachtagung „Sexuelle Welten – Vielfalt leben!”, organisiert von der LGBT-Beratungsstelle Courage und der Österreichischen Gesellschaft für Sexualforschung, untersucht den gesellschaftlichen Wandel von Sexualität in den unterschiedlichsten Facetten. 3. u. 4.12., Programm u. Kosten unter www.courageberatung.at u. www.oegs.or.at,, Veranstaltungsort: Adolf-Czettel-Bildungszentrum der AK Wien, 1040 Wien, Theresianumgasse 16–18; 4.12. ab 22.00 Courage-Benefiz-Geburtstagsparty im OST-Klub, 1040 Wien, Schwarzenbergplatz 10 Dezember 2010 l Jänner 2011 an.schläge l 45


Vorschau auf die Dezember/Jänner-Ausgabe:

Queer Hebrew

zappho des monats

Interview mit Anat Nir vom Lethal Lesbian Filmfestival

Bevor es an dieser Stelle im neuen Jahr mit neuen Zeichnungen von Zappho weitergeht, möchten wir die Künstlerin kurz vorstellen. Aus verarmtem böhmischem Landadel stammend, verließ sie schon früh ihr Zuhause, um in Wien als Gesellschafterin und Privatlehrerin zu arbeiten. Als Mann verkleidet nahm sie Aktzeichen- und Anatomieunterricht an der Akademie. Von ihrer Geliebten ermutigt, zeichnete und publizierte sie regelmäßig ihr Heft „Zappho“. Seit eine Erbschaft die lange Reihe ihrer Dienstverhältnisse beendete, kann sie sich ganz ihrer Kunst widmen.

an.schläge gibt’s in folgenden Buchhandlungen: Fachbuchhandlung ÖGB 1010 Kuppitsch 1010 Morawa 1010 Winter 1010 Frick International 1010 tiempo 1010 Facultas 1010 Lhotzkys Literaturbuffet 1020 Buchhandlung polycollege 1050 phil 1060 Südwind 1070 Tabak Trafik Brosenbauch 1070 Riedl 1080 Löwenherz 1090 Südwind 1090 Infoladen Infomaden 1110 Infoladen Treibsand 4040 Kulturverein Waschaecht 4600 Rupertusbuchhandlung 5020 Wagnersche Buchhdlg. 6020 Amazone-Zentrum 6900 Berta – Bücher & Produkte 8020 Hacek-Bücherei 9020 KBuch 9020

Rathausstr. 21 Schottengasse 4 Wollzeile 11 Rathausstr. 18 Schulerstr. 1-3 Johannesgasse 16 Universitätsstr. 7 Taborstraße 28 Reinprechtsdorferstr. 38 Gumpendorferstr. 10-12 Mariahilferstr. 8 Kaiserstr. 96 Alser Str. 39 Berggasse 8 Schwarzspanierstr. 15 Wielandgasse 2-4 Rudolfstr. 17 Dragonenstr. 22 Dreifaltigkeitsgasse 12 Museumstr. 4 Brockmanngasse 15 Siebenundvierzigerg.27 Paulitschgasse 5/7 Universitätsstr. 90

an.schläge-Abopreise: Schnupperabo (3 Hefte): 10/12* Euro Jahresabo (10 Hefte): 35/ermäßigt 29/45* Euro Unterstützungsabo (10 Hefte): 43/53* Euro * Gültig für Europa, weitere Auslandspreise auf Anfrage. Weitere Infos unter abo@anschlaege.at oder auf www.anschlaege.at.

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Tischlerinnen in Wien von Jänner bis März 2011 frei für neue Aufträge. Kontakt: Anja 0049-15773923346 oder 0664-2802929 46 l an.schläge Dezember 2010 l Jänner 2011

und auch in vielen Städten in Deutschland. Vollständige Liste der Verkaufsstellen auf:

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