Juni 2012 an.schläge

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Emanzipationsmittel

l l an.schläge das feministische monatsmagazin. juni 2012

Thema: Biking Feminismus & Fahrradliebe Piraten-Partei Piratinnen organisieren sich gegen Sexismus

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Schnupperabo (3 Hefte): 10 / 12* Euro Jahresabo (10 Hefte): 35 (ermäßigt 29) / 45* Euro Unterstützungsabo (10 Hefte): 43 / 53* Euro

Gaggle Viele Frauenstimmen – ein Indie-Pop-Chor

an.schläge Nr. 06/12, 26. Jahrgang, € 3,80 (Ö) € 4,80 (D) sfr 9,00 , ISSN 1993-3002, P.b.b. Erscheinungsort Wien, Verlagspostamt 1030 Wien, envoi à taxe réduite, GZ 02Z031419 M

Plus: Anti-Diät-Diskurse >> Alleinerziehende auf Wohnungssuche >> Haus der Sünde >> CEDAW-Schattenbericht >> Zsófia Báns „Abendschule“ >> Neue TV-Serie: Girls >> und vieles mehr


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TINA MODOTTI im Onlineshop der jungen Welt

ChickL i empfie t hlt

Die faule Frieda

Foto: Johann Hagemeyer © Galerie Bilderwelt, Berlin

Frieda hängt den ganzen Tag in ihrem Baum und schaut sich die Gegend an. Nur im Notfall klettert sie kurz herunter, ansonsten hat sie es immer sehr gemütlich. Der kreischende Affe, der sie zum Springen antreiben will, kann sie nicht beeindrucken. Sie lädt ihn ein, sich lieber mal zu ihr zu hängen. Und schon sieht die Welt ganz anders aus. Die faule Frieda macht richtig Geschmack auf so eine nette Hängepause.

T   ina ModoTTi aussTellung voM 5. Januar bis 16. März 2012

F   oTograFien

Frieda gähnt laut und schließt die Augen, denkt: „Was soll falsch am Hängen sein? Im affig-wilden Weltgetriebe gibt es genug, die lauthals schrei`n.“ Irene Gunnesch und Heide Stöllinger: Faule Frieda. Jungbrunnen 2011 ab 4 Jahre 13,90 Euro

Postkartenset (5 Karten, s/w, 5,00 €); Angel de la Calle: »Modotti, Eine Frau des 20. Jahrhunderts« (Rotbuchverlag, 272 S., 16,95 €); DVD »Tina Modotti«, Dokumentarfilm von Marie Bardischewski und Ursula Jeshel (BRD 1981, DVD, s/w, 80 min., O. m. d. U., 19,90 €); Christiane Barckhausen: »Tina Modotti. Den Mond in drei Teile teilen« (152 S., Verlag Wiljo Heinen, 12,00 €). Christiane Barckhausen: »Auf den Spuren von Tina Modotti« (445 Seiten, Agimos Verlag, 25,00 €). Alle Preise verstehen sich inkl. Mwst. und zzgl. Versandkosten. Diese und weitere Artikel finden Sie unter: www.jungewelt.de/shop

ChickLit feministische Unterhaltung. Buchhandlung - Kleeblattgasse 7 - 1010 Wien Tel: +43-(0)1-533 91 64 - E-Mail: buchhandlung@chicklit.at. Weitere Infos und Bestellungen: www.chicklit.at

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128 Seiten | 12,80 EUR [D] | ISBN 978-3-942885-05-8

Das Queen of the Neighbourhood Collective versorgt die nach revolutionären Stencils hungrigen Straßen mit neuem feministischen Glanz und macht sich über die Che-Effekte in der westlichen Kulturindustrie lustig. In Schrift und Bild portraitiert werden dreißig Aktivistinnen, Anarchistinnen, Feministinnen, Freiheitskämpferinnen und Visionärinnen:

Queen of theHarrietNeighbourhood Tubman, Louise Michel, Vera Zasulich, Emma Gold-

Revolutionäre Frauen

man, Qiu Jin, Nora Connolly O’Brien, Lucia Sanchez Saornil, Angela Davis, Comandante Ramona, Phoolan Devi, Ani Pachen, Anna Mae Aquash, Hannie Schaft, Rosa Luxemburg, Brigitte Mohnhaupt, Lolita Lebron, Djamila Bouhired, Malalai Joya, Vandana Shiva, Olive Morris, Assata Shakur und andere.

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– reflektiert 76 Momente des transnormalen Alltags 128 Seiten, 9,80 EUR [D] | ISBN 978-3-942885-12-6

Vielschichtige Kurzgeschichten und Zeichnungen erzählen von den Absurditäten des Trans*alltags. Aus der Sicht von autonomen/anarchistischen/queer-feministischen Trans*Leuten (so was gibt’s!) und ihrem Umfeld. Bücher, die sich geisteswissenschaftlich oder medizinisch mit dem „Phänomen“ trans* beschäftigen, gibt es viele. Hier ist endlich ein Buch mit Geschichten und Bildern, über die mensch auch mal herzhaft und befreiend lachen kann – der Zwang, sich 1nem von 2 Geschlechtern zuordnen zu müssen, bringt reichlich groteske Situationen hervor.

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viele buecher wenig platz keine fenster schlechte luft selbstorganisiertes kollektiv respektvoller umgang politischer raum nicht gewinnorientiert bibliophil antirassistisch antisexistisch gegen diskriminierung antifaschistisch feministisch antihomophob emanzipatorisch gegen antisemitismus lustvoll

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„Man kann nur dann gut leben, wenn man weiß, dass es auch den anderen gut geht.“ (Ute Bock)

Das Queen of the Neighbourhood Collective versorgt die nach revolutionären Stencils hungrigen Straßen mit neuem feministischen Glanz und macht sich über die Che-Effekte in der westlichen Kulturindustrie lustig. In Schrift und Bild portraitiert werden dreißig Aktivistinnen, Anarchistinnen, Feministinnen, Freiheitskämpferinnen und Visionärinnen: Harriet Tubman, Louise Michel, Vera Zasulich, Emma Goldman, Qiu Jin, Nora Connolly O’Brien, Lucia Sanchez Saornil, Angela Davis, Comandante Ramona, Phoolan Devi, Ani Pachen, Anna Mae Aquash, Hannie Schaft, Rosa Luxemburg, Brigitte Mohnhaupt, Lolita Lebron, Djamila Bouhired, Malalai Joya, Vandana Shiva, Olive Morris, Assata Shakur und andere.

Bernhard Schmid

Die arabische Revolution?

Aspekte und Probleme linker Bolschewismuskritik

Soziale Elemente und Jugendprotest in den nordafrikanischen Revolten

Hardcover, 288 Seiten, 29,80 EUR [D] ISBN 978-3-942885-17-1

Im Mittelpunkt steht die Darstellung zentraler theoretischer Kritiken an Lenin und seinen Genoss*innen, die links von der Sozialdemokratie entstanden sind: Trotzki, Luxemburg, Gorter, Pannekoek, Rühle, Rocker, Goldman, Steinberg, Korsch, Weil und viele weitere kommen zu Wort. Diese Revolutionäre teilten mit dem Bolschewismus die Kritik an Reformismus und Kapitalismus, erkannten aber, dass jener selbst eine neue Form der Herrschaft war, die der (Arbeiter*innen-) Selbstbefreiung entgegenstand.

TB, 120 Seiten, 12.80 EUR [D] ISBN 978-3-942885-02-7

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Aspekte und Probleme linker Bolschewismuskritik

edition-assemblage.de | Postfach 27 46 | D-48014 Münster

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Vielschichtige Kurzgeschichten und Zeichnungen erzählen von den Absurditäten des Trans*alltags. Aus der Sicht von autonomen/anarchistischen/queer-feministischen Trans*Leuten (so was gibt’s!) und ihrem Umfeld. Bücher, die sich geisteswissenschaftlich oder medizinisch mit dem „Phänomen“ trans* beschäftigen, gibt es viele. Hier ist endlich ein Buch mit Geschichten und Bildern, über die mensch auch mal herzhaft und befreiend lachen kann – der Zwang, sich 1nem von 2 Geschlechtern zuordnen zu müssen, bringt reichlich groteske Situationen hervor.

Hardcover, 288 Seiten, 29,80 EUR [D] ISBN 978-3-942885-17-1

Im Mittelpunkt steht die Darstellung zen retischer Kritiken an Lenin und seinen G die links von der Sozialdemokratie entst Trotzki, Luxemburg, Gorter, Pannekoek, Goldman, Steinberg, Korsch, Weil und v kommen zu Wort. Diese Revolutionäre t Bolschewismus die Kritik an Reformism talismus, erkannten aber, dass jener sel Form der Herrschaft war, die der (Arbei Selbstbefreiung entgegenstand.


Politik

06 >>>

an.riss politik

08 >>>

Postgender-Piratinnen Interview: Was die Frauen bei der Piraten-Partei zur Sexismusdebatte sagen

10 >>>

Im Schatten Laut CEDAW-Schattenbericht stagniert die Gleichstellungspolitik in Österreich

12 >>>

„Keine Tat ohne Frauenrat“ Interview: Maggie Jansenberger über ihren Job als Unabhängige Frauenbeauftragte

14 >>> an.riss international

Thema: Feminismus & Fahrradliebe 16 >>> Velocipedieren in Pantalons Über die skandalösen Anfänge des Frauenradfahrens

21 >>> an.sprüche: Love & Flirt Bikekitchen vs. Designerladen: zwei Erlebnisberichte.

18 >>> Pionierinnen für den Frauensport Der Damen-Bicycle-Club war der erste Frauenradfahrverein in Österreich

22 >>> „Revolutionen passieren fast nie auf einmal“ Interview: Wien hat nun einen Fahrradbeauftragten. Der träumt von Kopenhagen.

19 >>> Beruf: Fahrradbotin Auf Tour mit einem der wenigen weiblichen Fahrradkuriere Wiens

24 >>> World Wide Bikes Eine Auswahl toller Fahrradblogs

20 >>> Bike In The City Der Doku-Kurzfilm „Even The Girls“ lässt female Bike Messengers zu Wort kommen

Gesellschaft

25 >>> Bikes Rock! Die Top-Ten der Bike-Musikvideos 26 >>> „Was am Fahrrad ist nicht erotisch?“ Interview: Das DIY-Projekt Bikesexual macht Sexspielzeug aus Fahrradschrott

28 >>>

an.riss arbeit wissenschaft

30 >>>

Jung, weiblich, alleinerziehend sucht … Alleinerziehende haben es auf dem Wohnungmarkt nicht leicht

Kultur Im Reich des Begehrens Der opulente Hurenfilm „L’Apollonide“ ist eine gelungene Parabel über Ausbeutungsverhältnisse

36 >>>

Mehr Stimmen, mehr Freiheit Der all-female Indie-Pop-Chor Gaggle erschüttert unsere Gehörgänge

an.sage: Dürfen wollen sprechblase: Sager des Monats plusminus: Männerfest & Frauenparty an.frage: CocoRosie – Schutzhelme anprobieren medienmix: Auf Rädern, Feministinnenfutter, Lost in Austen an.lesen: Zsofia Ban, Milena Michiko Flasar, Rudolf Dekker / Lotte van de Pol, Petra Unger, Olga G ­ rjasnowa, Susanne Scheipl / Éva Rásky, Irena Brezná, Heinz ­Janisch/Ingrid Godon an.klang: Gossip, Regina Spektor, Men, Riot Grrrl Comp. an.sehen: Girls an.künden: Termine & Tipps

05 06 06 07 15 38

41 42 43

Kolumnen

34 >>>

Rubriken

an.riss kultur

Rubriken

32 >>>

feminist superheroine neuland zeitausgleich heimspiel lebenslauf lesbennest bonustrack: vera kropf katzenpost Pin-Ups Werbe-Wäh

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Juni 2012 an.schläge l 03


editorial Spätestens mit dieser Ausgabe herrscht in der an.schlägeRedaktion der Konsens: Wien muss Kopenhagen werden! Denn die dänische Kapitale gilt als Welthauptstadt in Sachen Fahrrad. 55 Prozent aller Wege werden hier mit dem Rad zurückgelegt – und es sollen noch mehr werden. Dies verdankt sich nicht zuletzt den kontinuierlichen Investitionen der Stadtpolitik in den Radverkehr während der letzten Jahrzehnte: massiver Ausbau der Radwege, GrüneWelle-Ampelschaltungen für Radfahrer_innen (für eine Gesamtstrecke von sechs Kilometern Richtung Kopenhagener Innenstadt!) und spezielle Sicherheitsmaßnahmen (z.B. signalisieren LED-Warnleuchten bei gefährlichen Kreuzungen den Autofahrer_innen, wenn ein Rad um die Ecke biegt). Was Radverkehrspolitik mit Feminismus zu tun hat? Das aktuelle an.schläge-Thema gibt ausführlich Antwort. So viel sei vorab verraten: „Riding a bike is a feminist issue!“ Eure Bike Lovers (aka die Redaktion)

Liebe anschläge-Redaktion! Die aktuelle Ausgabe in Händen möchte ich euch sagen, wie großartig ich eure Arbeit finde und wie dankbar ich bin, dass ihr sie macht und wie ihr sie macht!! Ich blicke der neuen Ausgabe Monat für Monat mit Freude entgegen, und es gibt kein anderes Magazin, das ich von Anfang bis Ende lese und mit dessen Qualität ich so zufrieden bin. Mit besten Grüßen, Kathrin Meyer

Feminist Superheroines Toni Sender (1888–1964) war eine deutsche Politikerin, Journalistin und Aktivistin. Schon früh will sie „ökonomisch und geistig ihr eigener Herr sein“. Neben ihrem Engagement als Gewerkschafterin und SPD-Mitglied, im Zuge dessen sich die kaufmännische Angestellte für das allgemeine Wahlrecht einsetzt, studiert sie Literatur und Politik in Abendkursen. Während des Ersten Weltkriegs ist sie in der Friedensarbeit aktiv und erwirbt sich einen Ruf als glänzende Rednerin. 1920 wird sie erstmals in den regionalen Reichstag gewählt. Der Kampf gegen Frauendiskriminierung ist dabei stets eines ihrer zentralen Anliegen. Im Zweiten Weltkrieg flieht die Tochter orthodoxer Jüd_innen in die USA und setzt sich dort gegen Faschismus und Krieg ein. Seit zwanzig Jahren wird von der Stadt Frankfurt der Tony-Sender-Preis verliehen, mit dem Leistungen für die Gleichberechtigung der Geschlechter ausgezeichnet werden.  jumac Illustration: Lina Walde

an.schläge werden gefördert von:

impressum

Herausgeberinnen und Verlegerinnen: CheckArt, Verein für feministische Medien und Politik. A-1030 Wien, Untere Weißgerberstr. 41, T. 01/920 16 76, E-Mail: redaktion@anschlaege.at, office@anschlaege.at, www.anschlaege.at l Koordinierende Redakteurinnen: Vina Yun, redaktion@anschlaege.at, T. 01/920 16 76, Lea Susemichel, office@anschlaege.at, T. 01/920 16 78 l ­Buchhaltung, Abos: Svenja Häfner, buchhaltung@anschlaege.at, abo@anschlaege.at l Termine, Tipps: Anita Weidhofer, termine@anschlaege.at l Inserate: Michèle Thoma, mi.thoma@chello.at l Redaktion: Bettina Enzenhofer/be, Andrea Heinz/han, Leonie Kapfer/leka, Sylvia Köchl/sylk, Silke Pixner/pix, Fiona Sara Schmidt/fis, Lea Susemichel/les, Irmi Wutscher/trude, Vina Yun/viyu l Texte: Kendra Eckhorst, Christiane Erharter, Denice Fredriksson, Belinda Kazeem, Svenja Häfner/svh, Gabi Horak-Böck/GaH, Gudrun Maierhof, Kathrin Ivancsits/ kaiv, Mia Kager/miak, Vera Kropf, Katharina Ludwig, Julia Mac Gowan/jumac, Katharina Morawek, Yuko Mori, Elisabeth Streit, Michèle Thoma, Barbara Tinhofer, Ilse Wieser l

Layout: Patrick Anthofer l Illustration Back/Cover: Lina Walde l Cartoons & Illustrationen: Paula Bolyos, Yori Gagarim, Nadine Kappacher, Melanie Letschnig, Lisa Max, Lina Walde l Fotos: an.schläge-Archiv, ­anyjazz65/flickr, Nicole Britz, Mei Mei Chan/www.girlsonbikes.net, Anuchy Cid/flickr, Foto Fischer, Bastian Haas, HBO, Zachary Hunt/http://zacharyhunt-

photography.com, Christian Koenig, Dana Krusche, Jonas Leihener, Frankfurt/M.; Courtesy BQ, Berlin; Herald St, London; Kimmerich, New York, Les Films du Lendemain, JJ Levine, Laura M ­ esinga / http://nightshadesbikecrew.blogspot.com, Panoramic Press, Gregor Titze, UN Photo, Kelli Refer/http://yogaforbikers.wordpress.com, wearemodeshift/flickr l ­ omepagebetreuung: Mirjam B H ­ romundt, www.anschlaege.at l Druck: H.R.G. Druckerei © an.schläge: Titel, Vorspann und Zwischentitel von der Redaktion. Namentlich gekennzeichnete

Beiträge müssen nicht der Auffassung der Redaktion entsprechen. Kürzungen vorbehalten. l ISSN 1993-3002

04 l an.schläge Juni 2012


an.sage

Dürfen wollen Ein Kommentar von Vina Yun

zwiespältige Verhältnis von persönlicher Erfahrung und poli„Fuck the Diet!“ Klingt nach dem radikalen Claim von tischem Anspruch, sobald es um das Schlank- oder Dicksein Dicken-Aktivist_innen. Ist aber der jüngste Werbeslogan von „Du darfst“, der Light-Produktmarke aus dem Hause Unilever. geht. Fat Rights? Finden wir klasse. Selbst bei einer FatRights-Gruppe aktiv werden? Da sind sich die meisten von uns „Das ist für die, die auf nichts verzichten, die sich satt essen, nicht mehr so sicher. Dicke Frauen finden wir sexy – solange am prallen Leben, der wahren Liebe und allem, worauf sie sie vor Selbstbewusstsein strotzen und nicht mit Selbstzweigerade Lust haben“, tönt der TV-Werbespot, in dem glücklifeln nerven. „Es fällt auf, dass die Essproblematik viel eher che Frauen lachend Pasta und Wurstbrote verdrücken. „Du in Unterredungen mit Frauen zur Sprache kommt, die mit hast keine Lust, Kalorien zu zählen? Dann lass es doch Feminismus und Gesellschaftskritik nichts am Hut haben und einfach!“ Im Making-of-Trailer zum Werbespot erzählen im Freundinnenkreise gern über ihre Wunschträume vom die Laienmodels, dass sie Diäten „wirklich Scheiße“ finden Abnehmen und von Titten und Kalorien zählende und Oberschenkeln à la Mädels einfach nerven. Hollywood diskutieren. Sie kommen durchwegs Mag diese Form der Ausglaubwürdig rüber. einandersetzung auch we„Wir wissen, dass die nig kritisch sein, mag sie Gedanken bei vielen mit dem Austausch von Frauen häufig um Rezepten und Diättipps Kalorien und Gewicht einhergehen: Wenigstens kreisen – richtig gibt es einen Raum für glücklich macht das die Artikulation individunicht! Deshalb möchte eller Gelüste und individu‚Du darfst‘ sich gegen ellen Leids“, beschreiben den Diätenwahn stark zwei Autorinnen in der machen“, heißt es auf feministischen Zeitschrift der Facebook-Seite Nichts schmeckt so gut wie „Outside the Box“ das zur aktuellen Kampaeine gute Portion Selbstzufriedenheit. Sagt nicht Kate irritierende Schweigen gne. „Dafür haben wir Moss, sondern Vina Yun. unter Feministinnen. bewusst diese etwas Auch wenn wir wissen, drastischere Wortwahl dass die Ambivalenz von Repression und Befreiung, wie sie gewählt, um eine Diskussion rund um das Thema Diäten jede von uns subjektiv erlebt, eben keine individuelle Angeanzustoßen.“ Dennoch: Nach einer Welle von Spott (falsches legenheit ist, sprechen wir kaum darüber. Ich selbst könnte Englisch) und Kritik (Proteststurm gegen „überflüssige Annicht genau sagen, wie ein „normaler“ Umgang mit Gewicht glizismen“) reagierte das Unternehmen prompt und ließ die und Essen aussieht – dafür habe ich selbst zu lange mit meiVerbraucher_innen selbst über einen neuen Slogan abstimnem Gewicht gekämpft und andere dabei beobachtet, wie sie men. Der da nun lautet: „Diät – ohne mich!“ den massiven Erwartungshaltungen widerstanden. Es bleibt Man könnte lange darüber diskutieren, wie es Unteralso nur die Offensive. nehmen schaffen, sich emanzipatorisch-kritische Diskurse Ich bin 1,62 Meter groß, mein derzeitiges Kampfgewicht einzuverleiben. Schon 1978 beschrieb die feministische liegt bei siebzig Kilo. Meine „Problemzonen“ sind die Psychotherapeutin Susie Orbach den doppelten Charakter der drei „B“s (Busen, Bauch, Beine), die ich lieber kaschiere Disziplinierung, wenn es um Gewicht und Frauenkörper geht: als offenherzig ausstelle, und ich habe das, was ich einen „Uns wird beigebracht, dass wir uns sowohl anpassen als auch „koreanischen Flascharsch“ nenne. Letztes Jahr habe ich gute auffallen sollen – eine wirklich äußerst widersprüchliche zwanzig Kilo abgenommen – zuerst Trennungskummer, dann Erwartung an uns.“ Im Vorwort ihres Buchs „Fat Is A FemiLiebesstress, dazwischen Sport als Beschäftigungstherapie –, nist Issue“ (Deutsch: „Anti-Diät-Buch“) erzählt Orbach von und noch nie habe ich so viele Komplimente erhalten, was mir einem Treffen von Feministinnen, die sich zum Thema Essbis heute etwas unheimlich ist. Trotzdem finde ich in Läden gewohnheiten austauschen – allerdings ist es keine politische selten Kleidung, die mir wirklich passt. Ich besitze nur an Diskussion über die weltweite Ernährungssituation oder die ausgewählten Tagen das Selbstbewusstsein einer Beth Ditto. Profite der Lebensmittelindustrie, sondern über die Esssüchte Und auch wenn ich mich über dicke Role-Models freue, frage der Einzelnen und die Sorge, zu dick zu sein. ich mich, ob Beth denn auch mal in einem Gespräch unter In Orbachs Einleitung klingt etwas an, das in innerfeminisSchwestern einfach drauflosjammern dürfte? Ich finde ja.  ● tischen Diskussionen äußerst selten angesprochen wird: Das Juni 2012 an.schläge l 05


an.riss politik internationaler hurentag Sexarbeit im Abseits

betreuungsgeld „Eine Katastrophe“

Am 2. Juni macht der seit 1976 begangene Internationale Hurentag auf die Diskriminierung von Sexarbeiterinnen und deren Lebens- und Arbeitsbedingungen aufmerksam. In Österreich gilt Prostitution immer noch als sittenwidrig, wird aber in den meisten Bundesländern unter strengen Auflagen wie regelmäßigen medizinischen Untersuchungen geduldet. Sexarbeiterinnen haben viele Pflichten, aber wenig Rechte. Die Auswirkungen politischer Restriktionen auf die Straßenprostitution zeigen sich aktuell in der Bundeshauptstadt. Seit November ist das neue Wiener Prostitutionsgesetz in Kraft. Sexarbeit auf der Straße ist damit grundsätzlich verboten, abgesehen von definierten „Erlaubniszonen“. Drei der im Gesetz vorgeschlagenen Erlaubniszonen am Gürtel scheiterten am Widerstand der Bezirke und Anrainer_innen, eine weitere Empfehlung für den Auhof wurde von der Stadt wieder zurückgenommen, da die dortigen Arbeitsbedingungen zu gefährlich sind. Damit ist nun die Zone rund um den Prater die einzige legale Alternative – doch auch hier regt sich lokaler Protest. Dabei ist nur rund ein Viertel der früher auf Wiens Straßen beobachteten Sexarbeiterinnen in den Prater gewandert. Wo und unter welchen Bedingungen der Rest der Frauen derzeit arbeitet, weiß niemand genau. Es ist zu vermuten, dass viele von ihnen noch weiter in die Illegalität gedrängt wurden. Streetworkerinnen berichten von DumpingPreisen und steigender Gewalt, die fehlende Infrastruktur und uneinsichtige Waldgebiete im Prater erhöhen die Gefahr für Sexarbeiterinnen. Die von der Stadt Wien eingesetzte Steuerungsgruppe mit Vertreter_innen von Politik, Polizei und NGOs wird sich wohl auch weiterhin mit dem Thema beschäftigen müssen.  GaH

Obwohl im Koalitionsvertrag vereinbart, mehren sich im deutschen Bundestag die Stimmen gegen eine Einführung des Betreuungsgeldes 2013. Neben den Einwänden der Opposition, die eine Geldleistung für die häusliche Betreuung von Kindern unter drei Jahren als völlig unzeitgemäß und als gleichstellungspolitische und bildungspolitische Katastrophe ansieht, muss mittlerweile auch innerhalb der CDU viel Überzeugungsarbeit geleistet werden. Mit dem Vorschlag einer Anrechnung des Betreuungsgeldes auf Hartz-IV-Leistungen will nun die CDU das Argument entkräften, dass vor allem arme und bildungsferne Eltern ihre Kinder durch den Erhalt des Betreuungsgeldes nicht mehr in die Kita schicken würden. Damit erweitert sich laut den Grünen „der Adjektiv-Rattenschwanz des Betreuungsgeldes mit familienpolitisch falsch, verfassungsrechtlich bedenklich, haushaltspolitisch unklar nun um unsozial“. svh

jubiläum wendepunkt: 20 Jahre gegen Gewalt Seit zwanzig Jahren ist der „wendepunkt“ in Wiener Neustadt Anlaufstelle für Frauen, die von Gewalt betroffen sind oder sich in anderen schwierigen Lebenslagen befinden. Seit 1992 besteht die Frauen- und Familienberatungsstelle, 1995 wurde ein Frauenhaus eröffnet. Das runde Jubiläum wird zum Anlass genommen, um im Juni mit zahlreichen Veranstaltungen auf das Thema Gewalt gegen Frauen aufmerksam zu machen. Die Wanderausstellung „Hinter der Fassade“, 2005 in Zusammenarbeit mit den Gewaltschutzzentren, Interventionsstellen und der Künstlerin Ursula Kolar-Hofstätter konzipiert, wird kostenlos zu sehen sein, spezielle Führungen können u.a. auch für Schulklassen gebucht werden. Weitere Highlights sind ein Jugendtennisturnier, eine Lesung und ein Fachtag zum Abschluss am 22. Juni. Als Schirmfrauen

plus

„… aber

man muss mobil und

f lexibel sein“

Ernst Tanner, Konzernchef von Lindt & Sprüngli, will nach eigenen Angaben „gerne Frauen fördern“. Allerdings müssen diese „flexibel und mobil sein“, wenn sie „weiterkommen“ wollen. Denn: „Alle Herren der Konzernleitung haben mehrere Jahre im Ausland gearbeitet.“ Also, liebe Mütter, Kind und Kegel bleiben jetzt zu Hause, und wir gehen ins Ausland – sonst wird das nichts mit der Karriere.  leka 06 l an.schläge Juni 2012

Männerfest (–)

Frauenparty (+)

Es mag viele Vorurteile über Bayern geben, nicht alle davon sind wahr. Einen Hang zur traditionsbedingten Misogynie können die Menschen aus dem Süden Deutschlands jedoch nur schwer leugnen. Versucht hat es ein Fischereiverband, nachdem er seine diesjährige Teilnahme am Maibaumaufstellen abgesagt hatte, da erstmals Frauen teilnehmen durften. „Wir haben nichts gegen Frauen. Aber es geht nicht, dass sie den Baum mit aufstellen. Da wird eine Tradition gebrochen“, lautet die Erklärung. Ach so, na dann …  leka

Der Sommer ist da, die Laune ist gut, Maibäume eh langweilig. Da kommt der Aufruf der Mädchenmannschaft, ein Ladyfest zu organisieren, doch gerade richtig. In Graz haben die Ladies erst Ende Mai das Tanzbein geschwungen, in Wien fand das letzte Ladyfest 2007 statt. Auf maedchenmannschaft.net findet sich eine Liste aller Städte, die noch dieses Jahr ein Ladyfest organisieren. Wer also mehr erfahren will, besucht die Mädchenmannschaft – weil Rocken gegen das Patriarchat gemeinsam mehr Freude bereitet.   leka


an.frage der Jubiläumsveranstaltungen konnten Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek und Landesrätin Barbara Schwarz gewonnen werden.  GaH 11.–22.6., 20 Jahre gegen Gewalt: Ein wendepunkt für viele Frauenleben, Programmdetails u. Kontakt: www.wendepunkt.or.at, www.hinter-der-fassade.at

arbeitsrechte Kürzung der Elternteilzeit Teilzeitarbeit bringt Frauen viele Nachteile, weshalb Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek beharrlich für Vollbeschäftigung wirbt. Nun möchte sie auch die Kürzung des Rechtsanspruchs auf Elternteilzeit diskutieren. Die Betriebe seien durch die Reduktion der Arbeitszeit – vornehmlich der Mütter, die bis zum siebten Lebensjahr ihrer Kinder einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen dürfen – vor immense Herausforderungen gestellt. Eine Kürzung des Rechtsanspruchs auf Elternteilzeit bis zum vierten Lebensjahr des Kindes (zu diesem Zeitpunkt endet auch der Kündigungsschutz) sei somit nur legitim. Es verwundert nicht, dass sowohl die Interessenvertretung der Wirtschaft als auch die Wirtschaftskammer hocherfreut über diesen Vorschlag sind. Empört zeigte sich vor allem die Grüne Frauenpolitikerin Judith Schwentner über die Kürzung des hart erkämpften Arbeitnehmer_innenrechts: „Die Frauenministerin soll die Interessen der teilzeitarbeitenden Frauen vertreten und nicht jene der Unternehmen. Denn das macht bereits der Wirtschaftsminister.“  miak

Schutzhelme anprobieren Die Schwestern Bianca und Sierra Casady alias ­CocoRosie haben beim diesjährigen Donaufestival einen intimen Einblick in ihren Werkkosmos gegeben, unter anderem mit dem Mitmach-Filmprojekt „Harmless Monster“ sowie dem Tanzstück „Nightshift“. Mit Andrea Heinz sprach Bianca Casady über Religion, künstlerische Eliten und Feminismus. In eurer Arbeit finden sich viele kulturgeschichtliche und vor allem religiöse Zitate. Warum sind Religion und Spiritualität so wichtig für euch? Was gibt es denn sonst noch? Geld, Eitelkeit, Bäume und Blumen. Ich träume von anderen Welten. Was reizt euch am Spiel mit den Gender-Rollen? Eine Frau zu sein, ist eine fremde Rolle in dieser von Männern dominierten menschlichen Erfahrung. Da ist es nur natürlich, von Zeit zu Zeit die Schutzhelme anzuprobieren.

www.zara.or.at

wiener töchtertag Feministisch schnuppern Fünf junge Schülerinnen kamen dieses Jahr anlässlich des Wiener Töchtertags am 26. März in die an.schläge-Redaktion, um in den journalistischen Arbeitsalltag eines feministischen Magazins zu schnuppern. Ohne so recht zu wissen, was sie an diesem Tag erwarten würde, waren Susi, Chiara, Nina, Flutura und Jasmin schnell für eine konkrete journalistische Aufgabe zu begeistern. Ausgerüstet mit einem selbst erstellten Fragenkatalog zum Thema Feminismus und einem Handy als Aufnahmegerät ging es los zu einer einstündigen Interviewtour im dritten Bezirk. Die Ausbeute konnte sich sehen lassen, und während wir eine kleine Stärkung zu uns nahmen, lauschten wir Aussagen wie „Frauen sollten gleich, wenn nicht besser als Männer behandelt werden“ oder „Ich glaube der Feminismus ist gescheitert, weil die Frauenrolle nach wie vor dieselbe ist. Ich bin trotzdem noch die Mutter und Hausfrau und habe noch die Karriere dazu bekommen. Dadurch wird der Stress mehr, und die Familie leidet.“ Nachdem die Ergebnisse noch schriftlich zusammengefasst und nach passenden Bildern gesucht wurde, war der Arbeitstag für die fünf Mädchen und für mich auch schon wieder vorbei. Vielen Dank an euch!  svh

Quellen: http://diestandard.at, www.frauenrat.de

Für „Harmless Monster“ habt ihr das Publikum eingeladen, Kurzfilme beizusteuern. Waren die Einsendungen nach eurem Geschmack? Ich habe das immer schon geliebt: den Thrill, Arbeiten von außen einzuladen, von einem mysteriösen Teilnehmer. Das gleicht die Hierarchie der Künstler-Elite wieder ein bisschen aus. Was bedeutet Feminismus für Dich? Feminismus ist wichtig. Unlängst war ich in einem klassischen Museum, und ich habe mich als Frau völlig unsichtbar gefühlt, als würde die Geschichte nicht zu mir gehören. Ich schließe den Begriff „Feminismus“ umso mehr ins Herz, je mehr die ältere Generation sich beschämt davon abwendet. Ich empfinde es als wichtig, diesen Anspruch, diese Forderung zu erheben. Im Tanzstück „Nightshift“ geht es um ein Waisenkind, das als eine Art Aussätzige am Friedhof lebt, wo es in Nachtschicht arbeitet. Worum geht es dir in dieser Geschichte? Das Stück fokussiert auf diese Außenseiterin, betrachtet ihre Einsamkeit, Gebrochenheit aus einer sympathetisierenden Perspektive. Es geht um Einsamkeit, Entfremdung, darum, wie die Gesellschaft dazu tendiert, solche Outcasts wegzustoßen. Wir übersehen diese Menschen einfach, wir denken nicht über ihre persönliche Geschichte nach oder darüber, woher sie kommen. Wir sehen sie nur als die Arbeit, die sie machen. Ich wollte die Einsamkeit als letzte spirituelle Grenze erforschen. Es gibt in der Geschichte dann auch kein wirkliches Happy End – es gibt nur Transzendenz.

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piratenpartei

PostgenderPiratInnen Sie gilt als unorganisiert und inhaltslos und war zuletzt mit Sexismus- und Rechtsextremismus-Vorwürfen konfrontiert. Dennoch feiert die Piratenpartei in Deutschland einen Wahlsieg nach dem anderen. 2013 wollen die Piraten auch in Österreich antreten – und ihnen wird reger Zulauf prognostiziert. Lea Susemichel befragte Miriam Lakemann und Miriam Seyffarth zum Selbstverständnis ihrer Partei.

Miriam Lakemann  © Nicole Britz

Miriam Seyffarth  © Bastian Haas

* Der Kegelklub ist eine informelle Gruppe, die in verschiedenen Zusammensetzungen rund um den Themenkomplex „Geschlechterpolitik in der Piratenpartei“ aktiv ist. http://kegelklub.net/blog

08 l an.schläge Juni 2012

an.schläge: Miriam Lakemann, in Ihrem Blog beschweren Sie sich über die Berichterstattung der „Emma“, in der die Piratenpartei als sexistischer Männerverein dargestellt wird. Doch die Sexismus-Diskussion wird auch innerhalb der Partei selbst heftig geführt. Zudem hat eine parteiinterne Umfrage des Kegelklubs* ergeben, dass sich viele Frauen in der Piratenpartei mit einer diskriminierenden Diskussionskultur konfrontiert sehen. Gibt es nun also ein Problem mit Sexismus oder gibt es keines? Miriam Lakemann, Miriam Seyffarth: Natürlich gibt es Sexismus in der Partei, das hab ich in meinem Text ja auch gar nicht geleugnet! Genauso wie es diese Probleme auch in anderen Parteien und der Gesellschaft gibt. Davor wollen wir auch nicht die Augen verschließen, sondern uns Gedanken machen, was wir dagegen tun können. Problematisch an Darstellungen wie beispielsweise dem Artikel in der „Emma“ ist, dass das real existierende Problem unangemessen dramatisch und reißerisch dargestellt wird und sowohl die Bemühungen, sich

damit auseinanderzusetzen, als auch die Aktivitäten der zahlreichen Frauen in der Piratenpartei totgeschwiegen werden. Es wird der Eindruck vermittelt, als gäbe es gar keine weiblichen Mitglieder, und als sei jeder einzelne Pirat ein Frauenhasser. Dadurch entsteht ein Bild, durch das sich sowohl weibliche als auch männliche Mitglieder falsch dargestellt fühlen.

Marina Weisband, ehemalige Geschäftsführerin der Piraten, kreidet das beschädigte Image der Partei ebenfalls der medialen Berichterstattung an: „Ich bin in der Piratenpartei nie Sexismus begegnet“, schreibt sie, „aber das hier ist er“ – und meint damit ihre Behandlung durch die Medien. Auch auf der Homepage des Kegelklubs gibt es Statements, wonach das „Frauenproblem“ in erster Linie herbeigeschrieben sei … Marina Weisband hat sich hier vor allem darauf bezogen, dass sie von den Medien auf die Rolle der „hübschen jungen erfolgreichen Frau in der Politik“ reduziert wurde. Anstatt sie als

normale Person wahrzunehmen und auf ihre inhaltlichen Aussagen einzugehen, wurde sie in ein Klischee nach dem anderen gepresst und nach der Farbe ihres Lippenstiftes gefragt. Politische Aussagen, die sie in Interviews getroffen hatte, wurden oft nicht abgedruckt. Insgesamt wird einfach nicht genau hingeschaut. Aktive Piratinnen werden übersehen und gar nicht erst gefragt, allen Mitgliedern wird pauschal Sexismus und Frauenhass vorgeworfen, und Bemühungen, sich mit der Frauenfrage auseinanderzusetzen, werden ignoriert. Das verärgert viele. Etliche Piraten würden sich über differenziertere Artikel und bessere Recherchen freuen, oder auch darüber, mal selbst interviewt zu werden.

Ganz objektiv ist der Frauenanteil bei den Piraten erschreckend gering und dürfte ungefähr auf CSU-Niveau herumgrundeln – keine zwanzig Prozent –, dennoch spricht sich auch der Kegelklub nicht dezidiert für eine Frauenquote aus. Warum nicht? Wir können doch keine Frauenquote für die Basis einführen! Und ohne höheren Frauenanteil an der Basis wäre eine Frauenquote für Vorstandsämter und Wahllisten kaum durchführbar. Im Kegelklub beschäftigen wir uns also vor allem damit, welche Zugangsbarrieren


piratenpartei es möglicherweise für Frauen gibt und was wir daran ändern können. Ein weiteres Thema ist, wie der Frauenanteil in den Vorständen erhöht werden kann. Da diskutieren wir natürlich auch Quotenlösungen. Ein internes Meinungsbild in unserer internen Meinungsbildungssoftware Liquid Feedback hat ergeben, dass sich

nach starren Geschlechtszuschreibungen einordnen lassen.

Der gescheiterte Parteiausschluss des wegen seiner Äußerungen zum Holocaust in Kritik geratenen Bodo Thiesen sowie rassistische und rechtsextreme Aussagen anderer Parteimitglieder brachte jüngst wieder jede

„Es wird der Eindruck vermittelt, als gäbe es gar keine weiblichen Mitglieder, und als sei jeder einzelne Pirat ein Frauenhasser.“ der größte Teil der Piraten für eine Unterstützung der „Berliner Erklärung“ und somit für eine Quote in der Wirtschaft ausspricht. Zur Frage einer Quote innerhalb der Partei sind im Kegelklub durchaus unterschiedliche Meinungen vertreten. Eine Quote soll das Problem der „gläsernen Decke“ beheben, dass also qualifizierte Frauen, die sich für verantwortungsvolle Posten bewerben, nicht genommen werden. Dies ist bei uns jedoch kein Problem. Wenn eine qualifizierte Frau kandidiert, so hat sie die allerbesten Chancen, auch gewählt zu werden.

Die Umfrage ergab auch ein Selbstverständnis vieler Parteimitglieder als „postgender“, und so scheinen Unisex-Toiletten bei Parteitagen das Bemühen um ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis bei den KandidatInnen zu ersetzen. Ist das ein falscher Eindruck? Toiletten, die nicht nach „Mann“ und „Frau“ unterscheiden, sondern beispielsweise nach „sitzen“ und „stehen“, lösen natürlich nicht das Repräsentationsgefälle auf unseren Kandidatenlisten. „Postgender“ ist für uns ein Ideal, demzufolge das Geschlecht eines Menschen keine Rolle mehr spielen soll, da sind wir aber natürlich noch lange nicht angekommen. Trotzdem bemühen wir uns, nicht so sehr in binären Geschlechterkategorien zu denken. Eine Frauenquote in der Partei würde deshalb unserem Verständnis nach auch nur die binären Geschlechterkategorien zementieren und beispielsweise transund intersexuelle Menschen ausschließen. Viele Mitglieder wollen sich nicht

Menge negativer Schlagzeilen. Welche Strategien gibt es vonseiten der Partei gegen rechte Tendenzen in den eigenen Reihen? Wie bei unserem Bundesparteitag in Neumünster zu beobachten war, besteht unsere Strategie darin, Mitgliedern mit rechten Tendenzen eindeutig klar zu machen, dass ihre Meinungen bei uns keinen Platz haben und unseren Grundwerten widersprechen. Es wurde eine Erklärung beschlossen, die unmissverständlich darlegt, dass bei uns menschenverachtende Äußerungen unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit nicht toleriert werden. Daraufhin sollen mehrere Mitglieder ausgetreten sein. Ich habe kürzlich gehört, dass in rechten Foren sogar schon vor den Piraten gewarnt wird. Zudem ist die parteiinterne Sensibilität für das Thema durch die jüngsten Vorfälle sehr gestiegen. Die Piraten gelten vielen als „Update“ der FDP – inklusive deren wirtschaftsliberaler Ausrichtung. Angesichts der Forderungen nach einem bedingungslosen Grundeinkommen und dem Mindestlohn, die nun ins Grundsatzprogramm aufgenommen wurden, scheint sich das linke Profil der Partei in jüngster Zeit jedoch zu schärfen. Gibt es die entsprechenden Lager innerhalb der Partei? Und wie sind die Machtverhältnisse? Es gibt keine klar benennbaren Lager, das ist ja das Schöne bei den Piraten. Viele gehen ganz offen an neue Probleme heran und bilden sich ihre Meinung in der Diskussion. Wir praktizieren quasi schon das, was wir auch für die Parlamente fordern: Themenkoaliti-

onen! Jedes Mitglied entscheidet bei jedem Thema neu, welche Linie es unterstützen möchte. Die Ergebnisse der bisherigen Abstimmungen deuten in eine klare Richtung, die sich bisher noch nicht im Parteienspektrum findet: Wir setzen uns für eine größtmögliche Freiheit des Einzelnen ein, aber gleichzeitig auch gegen jede Ausgrenzung. Das zeigt sich schön beim bedingungslosen Grundeinkommen und in unserem Familienprogramm, das eine größere Wahlfreiheit für verschiedene Lebensmodelle fordert.

Viele KünstlerInnen und Kulturschaffende kritisieren die Parteihaltung zum Urheberrecht und fordern zum Beispiel fixe Solidarabgaben, um von ihrer Arbeit leben zu können. Unser klares Ziel ist, dass Künstler angemessen von ihren Werken profitieren. Zusätzlich wollen wir aber die Möglichkeiten der Künstler ausbauen, ihre Werke auch unabhängig von den großen und viel zu mächtigen Verwertungsgesellschaften anzubieten. Außerdem müssen die Möglichkeiten des nichtkommerziellen Filesharings entkriminalisiert werden. Aber gerade das nicht-kommerzielle Filesharing stellt für viele ein Problem dar, solange es keine alternativen Verdienstmodelle gibt. Gibt es hier von der Piratenpartei konkrete Vorschläge abseits von freiwilligen Spenden via flattr und Ähnlichem? Die Musikfirmen haben verschlafen, internetgeeignete Geschäftsmodelle zu entwickeln. Erst durch das Aufkommen von iTunes wurden sie wachgerüttelt und bieten jetzt legale kostenpflichtige Downloads auch über andere Kanäle an. Das ist ein Beispiel für funktionierende Bezahlmöglichkeiten. Es ist aber nicht die Aufgabe der Politik, Geschäftsmodelle zu entwickeln.  l

Juni 2012 an.schläge l 09


cedaw

Im Schatten Dem CEDAW-Staatenbericht der Regierung folgt wie üblich ein NGO-Schattenbericht. Er zeichnet ein umfassendes Bild, wie es Frauen in Österreich geht – nämlich in vielen Bereichen kaum besser als vor sechs Jahren. Von Gabi Horak-Böck

Vor genau dreißig Jahren hat Österreich die UN-Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) ratifiziert. Diese wurde im Dezember 1979 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen angenommen und ist bis heute das stärkste Rechtsinstrument für Frauenrechte auf internationaler Ebene. Die Konvention regelt in dreißig Artikeln alle Lebensbereiche und verpflichtet Staaten zur Gleichstellung und Implementierung wirkungsvoller Maßnahmen gegen Diskriminierung. 186 Staaten sind dem Abkommen bisher beigetreten und müssen nun alle vier Jahre dem CEDAW-Komitee einen Staatenbericht vorlegen, der Politik und rechtliche Situation zu jedem einzelnen der Artikel darlegt. Im April 2011 hat Österreich seinen Staatenbericht übermittelt, der die Zeitspanne zwischen 2006 und 2011 abdeckt.

Der CEDAW-Schattenbericht zum Download: www.frauenrechte-jetzt.at Anlässlich 30 Jahre CEDAW fand am 10. Mai in Graz eine Fachtagung statt. Eine Dokumentation der Tagung findet sich unter: http://grazerfrauenrat.at/fb/ frauenbeauftragte/aktuelles/ fachtagung-cedaw

10 l an.schläge Juni 2012

Unverzichtbare Schattenberichte. In den Staatenberichten bewerben die Regierungen ihre Gleichstellungsmaßnahmen und verweisen in erster Linie auf Fortschritte. Deshalb sind von NGOs und unabhängigen ExpertInnen erstellte „Schattenberichte“ mittlerweile für das CEDAW-Komitee unverzichtbar geworden, um die Gesamtsituation eines Landes realistisch beurteilen zu können, denn diese fokussieren auf Fehlstellen und verweisen auf weiterhin bestehende Probleme. Auch der CEDAW-

Die Commission on the Status of Women gibt es seit 1946 (hier eine Szene aus der zweiten Versammlung 1948), CEDAW, das Abkommen zur Beseitigung von Frauendiskriminierung, wurde 1979 verabschiedet. Doch 2012 sind wir in Österreich von Gleichberechtigung weit entfernt.  © UN Photo

Schattenbericht orientiert sich formal an den Artikeln der UN-Konvention. Er beinhaltet jedoch nicht nur eine umfassende Analyse des rechtliche Status quo, sondern auch eine Einschätzung der tatsächlichen Situation von unterschiedlichen Gruppen von Frauen. Das NGO-Forum CEDAW in Österreich „Frauen:Rechte jetzt!“ hat sich 2007 nach Erstellung des letzten Schattenberichts konstituiert, um Lobbying für die UN-Frauenrechtskonvention zu machen und die Umsetzung in Österreich voranzutreiben. Die NGOs und ExpertInnen haben sich nun auch – großteils ehrenamtlich – um die Erstellung des aktuellen Schattenberichts gekümmert. Die Ergebnisse ihrer Analysen sind alles andere als erfreulich. Trotz einiger Gesetze und rechtlicher Änderungen habe sich die Situation der Frauen in Österreich seit 2006 nur wenig verbessert, so die Conclusio: „Gesetzlich vorgesehene Anreize und Sanktionen werden kaum umgesetzt, und eine systematische Überprüfung und Evaluierung von Gleichstellungsmaßnahmen ist eher die Ausnahme als die Regel.“ Vielmehr seien Maßnahmen zur Gleichstellung stark von der politischen Ausrichtung einzelner AkteurInnen abhängig. Es fehle eine Gesamtstrategie. So wurde beispielsweise 2005 Gender Mainstreaming zwar rechtlich verankert, aber aufgrund fehlender koordinierter Gleichstellungspolitik bleibt unklar, „ob

und in welchem Ausmaß Rechtsnormen systematisch und vor ihrer Erlassung auf mögliche negative Auswirkungen auf Frauen überprüft werden“. Arbeitsmarkt und Bildung. Dass es um die Gleichberechtigung auf dem österreichischen Arbeitsmarkt nicht allzu gut bestellt ist, zeigt sich an den Analysen im Schattenbericht deutlich. Die Teilzeitquote von Frauen liegt mit 43 Prozent weit über dem EUSchnitt, umgelegt auf Vollzeit stagniert deshalb die Frauenbeschäftigungsquote insgesamt. Frauen arbeiten auch in Österreich überdurchschnittlich oft in Niedriglohnbereichen, der Einkommensunterschied bewegt sich je nach Berechnung gesamtheitlich zwischen zwanzig und vierzig Prozent, in Berufen mit höherer Bildungsqualifikation ist er sogar noch größer. Gruppen wie Migrantinnen, Alleinerzieherinnen und Frauen mit Behinderungen stoßen auf zusätzliche Hürden, sodass ihnen oft nicht einmal der Einstieg in den Arbeitsmarkt gelingt. Durch die Orientierung des Sozialversicherungssystems am männlichen „Normalarbeitsverhältnis“ entsteht zudem eine höhere Armutsgefährdung von Frauen. Mit dem „Nationalen Aktionsplan für die Gleichstellung von Frauen und Männern am Arbeitsmarkt“ hätte die Regierung zwar ein wichtiges Programm erarbeitet, an der Umsetzung der darin vorgeschlagenen Maßnahmen mangelt es jedoch noch,


kritisiert der Schattenbericht. Die NGOs und ExpertInnen fordern daher unter anderem dringend den Ausbau ganztägiger Kinderbetreuung, eine diskriminierungsfreie Gestaltung von Kollektivverträgen und Entlohnungsschemata sowie einen existenzsichernden Mindestlohn. Auch im Bildungsbereich sind Stereotype weiterhin stark ausgeprägt – von der Ausbildung der PädagogInnen bis hin zur geschlechtsspezifischen Berufswahl. Es brauche eine verpflichtende Aufnahme der Kategorie „Gender“ in die Ausbildung aller LehrerInnen, die Einführung der Ganztagsschule wie überhaupt die Umsetzung von Gender Mainstreaming auch im Schul- und Bildungsbereich mit entsprechenden Ressourcen, lautet deshalb eine weitere Forderung von „Frauen:Rechte jetzt!“

Trotz einiger Gesetze und rechtlicher Änderungen hat sich die Situation der Frauen in Österreich seit 2006 nur wenig ­verbessert. Migration und Gewalt. Das Aufenthaltsund Staatsbürgerschaftsrecht wird in Österreich immer restriktiver, ein eigenständiger Aufenthaltstitel ist auch aufgrund hoher finanzieller Hürden für viele Migrantinnen kaum zu erlangen. Das hat unmittelbare Auswirkungen auf die betroffenen Frauen: Armutsgefährdung und Zugangsbarrieren zu Bildung und Gesundheit nehmen zu, wenn an Unterstützung gespart wird. Insbesondere Migrantinnen, die zusätzlich von häuslicher Gewalt betroffen sind, müssen in bedrohlichen Situationen ausharren, weil eine Scheidung für sie auch den Verlust des Aufenthaltstitels bedeuten könnte. Cansel Demirdelen von der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt: „Subventionsbedingungen der öffentlichen Hand schließen Asylwerberinnen von der Inanspruchnahme von Frauenhäusern zunehmend aus.“ Für ein flächendeckendes muttersprachliches Angebot fehlt es den Gewaltschutzeinrichtungen an Ressourcen.

Im Gewaltschutzbereich hat es zwar wichtige grundsätzliche Verbesserungen in den vergangenen Jahren gegeben, etwa das überarbeitete Gewaltschutzoder das Anti-Stalking-Gesetz. Dennoch gibt es wesentliche Lücken. Vor allem fehlt ein umfassender Nationaler Aktionsplan gegen Gewalt an Frauen. Bei Gerichtsurteilen werde oft wenig sensibel agiert, weshalb die NGOs Schulungsmaßnahmen, ähnlich wie für die Polizei auch im juristischen Bereich, fordern. Außerdem werde in Fällen mit hochgefährdeten Gewaltopfern zu selten Untersuchungshaft verhängt. „Auch Übertretungen von einstweiligen Verfügungen werden nicht als strafbare Handlungen gewertet. Dadurch können Gewalttäter diese mehrfach übertreten, ohne zur Verantwortung gezogen zu werden“, sagt Maria Rösslhumer vom Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser. Wider die Sparpolitik. Unabhängige ExpertInnen stellen im CEDAW-Schattenbericht sehr konkrete Forderungen und skizzieren Maßnahmen, die große Schritte im Kampf gegen Diskriminierungen in allen Lebensbereichen erlauben würden. Vieles davon ist alles andere als neu: vom Verbot sexistischer Werbung inklusive Sanktionen bis zur Abschaffung der Sittenwidrigkeit von Sexarbeit. Manches hat aufgrund jüngster Entwicklungen und Einzelfälle höchste Aktualität: Argumente gegen eine automatische gemeinsame Obsorge etwa, oder auch die Forderung, alle Formen von Frauenhandel zu erkennen und zu verfolgen. Nicht zuletzt wird eine „adäquate Finanzierung von Frauen- und Menschenrechtsvereinen“ verlangt und die Kürzung der Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit, die dramatische Folgen für Frauen in Ländern des globalen Südens hat, kritisiert. Weil die Zeichen aber auf Sparen stehen, fällt der Ausblick nicht besonders rosig aus: „Angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung Europas ist zu befürchten, dass die Frauen- und Menschenrechte zunehmend von finanziellen Erfordernissen verdrängt werden.“ Die UN-Frauenrechtskonvention bleibt nichtsdestotrotz in Kraft und kann dem Abbau des Sozialstaates in weiten Teilen Europas hoffentlich Widerstand bieten.  l

entdeckungen im alltag

Belinda Kazeem

Wir?!? An der Haltestelle. Ein weißer, gutbürgerlich wirkender Mann schaut auf die Anzeige der Straßenbahn und schreit: „Was? 19 Minuten?!?“ Alarmiert sehe ich ebenfalls auf. ­Exakt in diesem Moment springt die Anzeige auf drei Minuten um. Keine Ahnung warum, aber plötzlich dreht sich der Mann um und spricht mich an: „Is ja eh a Wahnsinn, dass wir für diesen schlechten Service bezahlen.“ Die Einladung, mich am Wir zu beteiligen, schlage ich wortlos aus, die Erfahrung lehrt mich, dass gleich etwas kommen wird, dass dieses Wir als äußerst brüchige Konstruktion entlarven wird. Und siehe da, die Gelegenheit folgt auf den Fuß, als sich zwei Frauen an uns vorbeidrängen. Ja, ich habe bemerkt, dass sie weder Muh noch Mäh sagen und uns einfach zur Seite drücken. Aber es regnet, die Autos machen einen Höllenlärm, und eigentlich ist mir gerade sowieso alles egal, weil ich nur warte, dass die Bim endlich kommt. Anders der gutbürgerliche Mann neben mir, der gleich sein wahres gutbürgerliches Gesicht zeigen wird: „Es ist schrecklich, was Wir hier jetzt schon für ein Gesindel haben. Die kommen von überall her, machen es sich hier bequem, haben keinen Funken Anstand. Oh, du mein armes Österreich.“ Schon als ich die ersten Worte dieser ewig gleichen Litanei höre, macht sich in mir ein Gefühl von Verwunderung, Abscheu, aber auch gleichzeitiger Faszination breit. Es ist nicht das erste Mal, dass ich mich in einer Situation befinde, in der ich mich frage, ob mein Gegenüber eine Brille braucht oder schlichtweg unter selektiver Wahrnehmung leidet. Wie kommt ein weißer Typ dazu, sich bei mir, einer sichtbar Schwarzen Frau, über die sogenannten Anderen zu beschweren? Was macht mich in diesem Moment weniger anders als die Anderen? Ich hab keine Ahnung, und ehrlich gesagt auch keine Lust, ihn zu fragen. Also belass ich es beim Kopfschütteln, abschätzig Schauen und demonstrativ Ausspucken. Seine wütende Reaktion bekomme ich nur noch aus dem Off mit, denn wie aufs Stichwort kommt die Straßenbahn. Das hätten Wir jetzt also erledigt, Wir sind jetzt nicht mehr Wir, und so soll es, wenn es nach mir geht, auch bleiben. Belinda Kazeem ist freie Autorin und lebt in Wien. Ilustration: Nadine Kappacher Juni 2012 an.schläge l 11


unabhängige frauenbeauftragte

„ Keine Tat ohne Frauenrat“ Bereits seit 1986 gibt es in Graz eine Unabhängige Frauenbeauftragte. Sie agiert per Definition parteiunabhängig und weisungsfrei. Die erste Frauenbeauftragte war Grete Schurz, die 1987 den „Grazer Frauenrat“, bestehend aus zahlreichen Fraueninitiativen, gegründet hat, der bis heute eine frauenpolitische Instanz ist. Seit 2009 setzt sich Maggie Jansenberger in dieser Funktion für frauenpolitische Anliegen ein.

an.schläge: Sie sind die derzeitige Unabhängige Frauenbeauftragte der Stadt Graz. Was sind Ihre Aufgaben? Und was ist in der Kommunalpolitik tatsächlich möglich? Maggie Jansenberger: Die Aufgaben beinhalten die Ombudsstelle, Lobbyarbeit, Öffentlichkeitsarbeit, die Watchgroup gegen sexistische Werbung und den Vorsitz des Grazer Frauenrats. An die Ombudsstelle können sich Frauen und Mädchen mit ihren Problemen zur Information und Unterstützung wenden – von A wie Arbeit bis W wie Wohnen. 12 l an.schläge Juni 2012

© Foto Fischer

Die Unabhängige Frauenbeauftragte in Graz ist immer noch ein Unikum in Österreich. Maggie Jansenberger spricht über die Möglichkeiten und Grenzen ihres Postens. Ein Interview von Gabi Horak-Böck.

Meine Aufgabe ist es, aus den Beratungsangeboten das jeweils Passende für die jeweilige Frau zu finden oder bei Lücken selbst tätig zu werden. Lobbyarbeit heißt Schnittstelle sein zwischen Bürgerinnen, Politik und Verwaltung, es bedeutet, alle Register – von Gremienarbeit bis Protestaktionen – zu ziehen, um eine Verbesserung für Frauen zu forcieren. Eines ist klar: Die Frauenbeauftragte allein kann wenig bewirken, erst mit dem Bündeln aller Kräfte ist eine Veränderung möglich! KommunalpolitikerInnen, andere AkteurInnen und Frauenratsmitglieder abseits von Partikularinteressen zusammenzubringen – das ist die Herausforderung.

Wie fällt Ihre persönliche Bilanz nach drei Jahren aus? Was konnten Sie erreichen, wo sind Sie an Grenzen gestoßen? Die Frage nach dem Erreichten finde ich immer schwierig zu beantworten. Woran soll man das messen? An dem, was neu ist, an dem, was verhindert

wurde, oder an dem, was verteidigt werden konnte? Es ist wie bei einem Puzzle: Man kann jedes passende Stück als etwas Erreichtes betrachten oder das fertige Ganze gelten lassen – die Kunst liegt vermutlich darin, beides stets im Blick zu haben. Die Grenzen ergeben sich aus den Instrumenten, die für die Funktion bereitstehen.

Und was sind die Ziele für die kommenden Jahre? Es geht darum, die Arbeit der letzten drei Jahre so zu verankern, dass diese personenunabhängig bleibt. Ein Ziel war und ist: Keine Tat ohne Frauenrat! Da passt es gut, dass eben im Gemeinderat die „Einbeziehung von Beiräten und speziellen Beauftragten in politische Planungen und Entscheidungen“ beschlossen wurde. Diesen Beschluss gilt es nun auch zu (be)leben – die Vorarbeit dazu lief während der vergangenen Jahre. Das heurige Jahr steht natürlich auch unter den Vorzeichen der Gemeinderatswahlen im Jänner 2013.


unabhängige frauenbeauftragte Und auch da werden wir uns wieder mit der Initiative „Damenwahl“ einmischen, wie wir es schon bei den Landtagswahlen 2010 getan haben.

Könnte das Modell der Unabhängigen Frauenbeauftragten auch in anderen Städten Österreichs Schule machen, ist es übertragbar? Ich sehe da kein Hindernis. In Graz funktioniert das immerhin schon seit 25 Jahren – Grazer Frauenrat inklusive. In der Steiermark wurden die Sozialausgaben um 25 Prozent gekürzt. Gibt es schon spürbare ­Auswirkungen? Die Budgetkürzungen sind ein massiver Anschlag auf soziale Standards, es sind breite Bevölkerungsschichten betroffen, Frauen oft mehrfach. Es gibt Einschnitte bei Leistungen für Menschen mit Behinderung und für Jugendliche. Im Sozialbereich haben hunderte Beschäftigte ihre Jobs verloren, und die Arbeitsbedingungen haben sich dramatisch verschärft. Der Pflegeregress wurde wieder eingeführt, ebenso die Kindergartengebühr. Es gibt massive Verschlechterungen bei der Mindestsicherung und der Wohnbeihilfe. Frauen sind da mehrfach belastet: Ob Pflegebereich, Behindertenhilfe oder Jugendwohlfahrt, die Arbeit muss wieder vermehrt im Privathaushalt von Frauen – also unentgeltlich – geleistet werden. Zudem fallen Dienstposten weg – in Berufen, die von deutlich mehr Frauen als Männern ausgeübt werden! Durch die Abschaffung des Gratiskindergartens übernehmen Frauen verstärkt und weiterhin die Kinderbetreuung zu Hause, die Rückkehr ins Berufsleben wird aufgeschoben und erschwert. Das reduziert ihr Einkommen und somit auch den späteren Pensionsanspruch. Wie geht es Fraueneinrichtungen und -beratungsstellen damit? Einrichtungen müssen Angebote streichen und Mitarbeiterinnen entlassen. Für die Basisarbeit gibt es immer weniger Geld, aber gleichzeitig sollen sie „innovative Projekte“ generieren. Den Einrichtungen verlangt das alles ab: ob beim Verantwortungsbewusstsein gegenüber den Klientinnen, gegenüber den Mitarbeiterinnen oder in ihrer gesellschaftspolitischen Haltung. Den

FördergeberInnen erlaubt es, in allem unverbindlich bleiben zu können. Fakt ist auch, dass den Finanzierungsausfall der einen Ebene keine andere Ebene übernimmt, sprich die Kommune nicht für fehlende Landesfinanzierungen einspringt und einspringen kann.

Sie haben die erste „Watchgroup gegen sexistische Werbung“ in Graz initiiert: Wie entstand diese Idee, und wie sehen die bisherigen Erfahrungen aus? Als die Watchgroup 2009 gegründet wurde, war die Idee, einerseits kommu-

Der Grazer Frauenrat hat sich gegen eine vorzeitige Anhebung des Pensionsantrittsalters für Frauen ausgesprochen. Warum ist eine Anhebung für Sie nicht denkbar? Für uns geht die Diskussion an der Lebensrealität der Frauen vorbei. Schon jetzt haben Frauen ab 45 Jahren kaum mehr Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Das erwartete und angepeilte Sparpotenzial für die Pensionskassen würde sich nur zu den AMS-Kassen verlagern und nichts ersparen. Die viel zitierten „Gehaltssprünge“ in den letzten Arbeitsjahren betreffen statistisch gesehen nur

„Lobbyarbeit bedeutet, alle Register – von ­Gremienarbeit bis Protestaktionen – zu ziehen, um eine Verbesserung für Frauen zu forcieren.“ nalpolitische Verantwortung einzufordern, anderseits eine unabhängige Beschwerdestelle anzubieten. Die bisherigen Erfahrungen geben uns Recht: Wir haben mehr Beschwerden, als wir bearbeiten können, MitarbeiterInnenSchulungen, Pre-Checks, Workshops, Referate – alles wird gebucht. Und es gab schon einige Erfolgsmomente: Durch unsere Interventionen konnten Sujets verhindert werden oder wurden sogar im Nachhinein entfernt. Das schafft hoffentlich auch Bewusstsein bei den Werbeagenturen.

In Wien und Salzburg wurden mittlerweile ebenfalls Werbe-Watchgroups nach Grazer Vorbild gegründet. Wie funktioniert hier die Zusammen­ arbeit? Dass weitere Watchgroups gegründet werden, zeigt mir, wie aktuell und problematisch das Thema sexistische Werbung nach wie vor ist. Die Zusammenarbeit war und ist ausgezeichnet. Wir haben mittlerweile etwa einen gemeinsam erarbeiteten Kriterienkatalog erstellt. Und wir haben uns entschlossen, noch heuer gemeinsam ein Angebot zum Know-how-Transfer für jene Städte zu machen, die auch eine Watchgroup gründen wollen. Unser langfristiges Ziel und unsere gemeinsame Forderung ist aber, eine gesetzliche Regelung durchzusetzen, im Sinne eines Verbots von sexistischer Werbung.

Männer. Die faktische Gleichstellung von Frauen und Männern ist weder gesellschaftlich noch wirtschaftlich realisiert. Es gibt nach wie vor massive Benachteiligungen für Frauen während der Erwerbstätigkeit: Einkommensunterschiede, weniger Pension, ungleiche Verteilung von unbezahlter Arbeit im Haushalt und bei den Betreuungspflichten, gläserne Decken etc. Die entsprechenden Daten dazu sind hinlänglich bekannt. Die Schraube beim Pensionsantrittsalter für Frauen anzusetzen, bedeutet schlicht „mehr vom selben“, statt einer Strategie, die Frauen und Männer eben nicht als Kostenfaktoren auf zwei Beinen ansieht. Notwendiger als eine vorzeitige Anhebung des Pensionsantrittsalters wären die Wiedereinführung der Berechnung des Pensionsanspruches nach den besten 15 Verdienstjahren oder die Einführung einer 30-StundenWoche bei vollem Lohnausgleich. Noch notwendiger wäre es allerdings, grundsätzlich darüber zu reden, wie wir die Themen „Arbeit und Aufgaben“ und „Zeit und Geschwindigkeit“ – und deren Verquickungen – überhaupt betrachten wollen.  ●

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an.riss international argentinien Wegweisende Urteile zu Abtreibung und Geschlechtsbestimmung Erfreuliche Neuigkeiten aus Argentinien: Ein neues, weltweit einzigartiges Gesetz sieht vor, dass jede_r – auch Minderjährige – sein_ihr Geschlecht frei bestimmen darf. Unabhängig von der Geschlechtszuweisung bei der Geburt ist es für Argentinier_innen nun ausreichend, ihr inneres Erleben für eine Geschlechtsbestimmung ausschlaggebend zu machen. Medizinische Nachweise einer Geschlechtsanpassung (durch Operationen und/ oder Hormone) werden nicht mehr gefordert. Die Schwierigkeiten von Trans*, ihren Namen und den Geschlecht© Anuchy Cid / flickr seintrag im Personenstand ändern zu lassen, dürften nun damit in Argentinien Geschichte sein. Ein weiterer Grund zur Freude betrifft ein Urteil zum Abtreibungsrecht: Nach einem Entscheid des Obersten Gerichtshofs in Argentinien ist ein Schwangerschaftsabbruch nach einer Vergewaltigung legal und muss somit jeder Frau gewährt werden. Für Frauenrechtler_innen ist dieser Spruch ein Meilenstein. Bisher konnten Frauen, die durch eine Vergewaltigung schwanger wurden, nicht zwangsläufig von ihrem Recht auf eine Abtreibung Gebrauch machen. Jeder Antrag auf einen Abbruch musste demnach individuell geprüft werden. Damit soll nun aber Schluss sein, denn wie die Richter_innen in ihrem Urteil feststellten, erfordern die Prinzipien der Gleichheit und das Recht auf Würde sowie auf Gesundheit eine rechtliche Gleichstellung aller Vergewaltigungsopfer. In Argentinien sind Abtreibungen prinzipiell verboten, durften bisher aber durchgeführt werden, wenn Lebensgefahr für die Frau bestand. Die nationale Gesundheitsbehörde geht davon aus, dass jährlich 500.000 illegale Abtreibungen durchgeführt werden. Bei 60.000 dieser Eingriffe kommt es zu schweren Folgeschäden.  leka/be

italien Frauenmorde steigen an Siebzig bis 87 Prozent aller Italienerinnen sind von häuslicher Gewalt betroffen. Seit Anfang 2012 wurden bereits 54 Frauen durch ihren Partner ermordet. Angesichts dieser erschreckend hohen Zahlen startet in Italien nun eine landesweite Kampagne der Fraueninitiative „Se non ora quando?“ („Wenn nicht jetzt, wann?“), um auf Gewalt gegen Frauen aufmerksam zu machen. Mit ihrem Appell wollen die Organisatorinnen die Gesellschaft für das Thema Gewalt gegen Frauen sensibilisieren und Opfern konkrete Hilfestellungen bieten. Auch Rashida Manjoo, Sonderbeauftragte der UN für Gewalt gegen Frauen, blickt besorgt nach Italien: „In der wachsenden Zahl an Frauenmorden zeigt sich die Kontinuität der häuslichen Gewalt gegen Frauen.“ Eine Verbesserung der Situation der Frauen ist für sie nur durch gesellschaftliche Aufklärung möglich, da es, so Manjoo, vor allem 14 l an.schläge Juni 2012

die patriarchal organisierten Familienverbände sind, die Gewalt gegen Frauen fördern. Männer werden in Italien weiterhin oft als triebgesteuert dargestellt und Gewalt und Aggression als Teil ihrer Natur erachtet, kritisieren auch die Aktivistinnen von „Femminismo a Sud“. Sie nehmen vor allem die Medien in die Verantwortung, die ein verharmlosendes Bild von Gewaltverbrechen zeichnen. Wiederholt ist die Rede von „Morden aus Leidenschaft“ oder von Männern, die „Opfer der Frauen“ geworden seien. Auch die Initiatorinnen der Kampagne gegen das „Frauenmassaker“ sehen in solch einer Berichterstattung einen wesentlichen Grund, warum Gewalt gegen Frauen in der italienischen Gesellschaft weitgehend gebilligt wird. Außerdem fordern sie den Staat auf, Gelder zur Bekämpfung des Problems bereitzustellen. Bisher unterzeichneten mehr als 30.000 Menschen den Appell.  leka

skandinavien Betreuungsgeld bringt Nachteile Der Verdacht, dass durch das Betreuungsgeld (zur Diskussion um die Einführung des Betreuungsgeldes in Deutschland siehe S. 6) Frauen aus dem Arbeitsmarkt gedrängt werden, konnte nun anhand einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung bestätigt werden. Untersucht wurde die Situation in drei Ländern: Finnland führte das Betreuungsgeld bereits 1985 ein, Norwegen 1998 und Schweden im Jahr 2008. Besonders betroffen vom Ausschluss aus der Erwerbsfähigkeit waren, wie sich in allen drei Staaten zeigte, Frauen mit Migrationshintergrund und niedrigem Bildungsniveau. Aber auch für Kinder aus bildungsfernen Familien kann sich das Betreuungsgeld negativ auswirken, da die frühkindliche Bildung in einer Kita ausbleibt. Ebenfalls deutlich wurde in der Studie, dass die Inanspruchnahme des Betreuungsgeldes vom Kinderbetreuungsangebot abhängt. Bezogen in Norwegen 1999 noch drei Viertel aller Eltern das staatliche Förderungsgeld, waren es 2011 nur noch 25 Prozent. Dieser Rückgang, so die Studie, ist auf den Ausbau der Kinderbetreuungsplätze zurückzuführen. Ebenso entkräftet die Studie das Argument, dass mit dem Betreuungsgeld den Eltern mehr Wahlfreiheit geben wird, denn diese hängt stark von vorhandenen Alternativen ab. Fehlen Betreuungseinrichtungen für Kinder, bleibt Eltern oft keine andere Wahl, als zu Hause zu bleiben und das Betreuungsgeld in Anspruch zu nehmen.  leka Download der Studie „Betreuungsgeld. Erfahrungen aus Finnland, Norwegen und Schweden“ (April 2012) unter: http://library.fes.de/pdf-files/id/09036.pdf

usbekistan Geheime Zwangssterilisationen Nach Angaben zahlreicher Menschenrechtsorganisationen und Ärzt_innen kam es in Usbektistan immer wieder zu staatlich verordneten Sterilisationen. „Jedes Jahr bekommen wir einen Plan. Jedem Arzt wird gesagt, wie viele Frauen Verhütungsmittel bekommen und wie viele sterilisiert werden sollen. Es gibt eine Vorgabe. Meine liegt bei vier Frauen im Monat“, so eine Gynäkologin gegenüber dem britischen Sender BBC. Die betroffenen Frauen wurden dabei oftmals nicht über den Eingriff informiert. Oder ihnen wurde die Unwahrheit erzählt, um sie freiwillig zu einer Sterilisation zu bewegen. So wurden Frauen in dem Glauben operiert, dass weitere Geburten ein Risiko für ihre Gesundheit darstellen könnten. Menschenrechtsorganisationen erheben den Vorwurf, dass mit dem Sterilisationsprogramm die Zahlen zur Mütter- und Kindersterblichkeit beschönigt werden sollen. Das Land kann sich dadurch international in besseres Licht rücken.


an.riss international Formal ist Usbekistan eine Demokratie, de facto herrscht Präsident Islam Karimow seit der Unabhängigkeit des Landes 1991 allein. Die usbekische Regierung weist die Vorwürfe als verleumderisch zurück. Laut der usbekischen NGO Expert Working Group gibt es jährlich zehntausende Sterilisationen in Usbekistan.  leka

usa Gesetze verhindern Trans*-Stimmabgabe Bei den US-Wahlen im November könnte es für bis zu 25.000 Transsexuelle schwierig werden, ihr Wahlrecht auszuüben, wie das Williams Institute in einem Bericht feststellt. Durch die strengen Ausweispflichten sind Wähler_innen gezwungen, ihre Identität nachzuweisen, in neun Bundesstaaten muss der Ausweis staatlich anerkannt und mit Foto versehen sein. In den betreffenden Bundesstaaten leben 88.000 Menschen mit einem anderen Geschlecht, als ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde. 29 Prozent davon haben jedoch keinen Ausweis, der ihr aktuelles Geschlecht bestätigt. People of Color, Jugendliche, Student_innen, Geringverdiener_innen und Menschen mit Behinderungen sind in dieser Gruppe überrepräsentiert. Die Anschaffung eines aktuellen Ausweises wäre für diese Wähler_innen zwar prinzipiell möglich, ist aber oft kompliziert und teuer.  be

im Rücken versuchen nun einige Frauenorganisationen einen weiteren Vorstoß in Richtung gleichberechtigte Sprache und fordern von der Académie Francaise eine grammatikalische Regel­änderung hinsichtlich der Verwendung von Adjektiven. Die französische Sprache kennt zwei Adjektive – männlich und weiblich. Diese beziehen sich im Satz immer auf das vorgestellte Substantiv. Dabei hat das männliche Vorrang, will heißen: Kommt im Satz auch nur ein männliches Substantiv oder eine männliche Person vor, muss das Adjektiv in seiner männlichen Form stehen. Dies wollen die Initiatorinnen der Petition „Les hommes et les femmes soient belles“ ändern. Denn Sprache schafft Realitäten. Die Adjektiv-Regel, die aus dem 17. Jahrhundert stammt, erwecke schon bei kleinen Kindern den Eindruck, das Männliche sei wichtiger als das Weibliche, heißt es im Petitionstext. Im Französischen gilt wie im Deutschen auch das generische Maskulinum. Jedoch kennt das Französische keine neutrale Form, weshalb das Maskulinum nicht nur als Maskulinum dient, sondern auch geschlechtsneutrale oder -übergreifende Sachverhalte bezeichnet. Sprechen jenseits der Geschlechterdichotomie wird so nahezu unmöglich. Vorbild für Frankreich könnte die kanadische Provinz Quebec sein. Dort darf sich das Substantiv sowohl nach dem männlichen Substantiv als auch dem letzten Substantiv im Satz richten.  leka Online-Petition unter www.petitions24.net/regleproximite

http://williamsinstitute.law.ucla.edu/wp-content/uploads/ Herman-Voter-ID-Apr-2012.pdf

Quellen: http://maedchenblog.blogsport.de, http://diestandard.at, www.womensviewsonnews.org, www.senonoraquando.eu, www.frauenrat.de, www.spd.de, http://jungle-world.com, www.taz.de, www.spiegel.de, http://avaaz.org/de, FrauenSicht 2 / 12, www.arte.tv, http://libertescheries.blogspot.com

frankreich Adieu, Mademoiselle! Seit 22. Februar 2012 ist in Frankreich die „Mademoiselle“ von Formularen und Amtsschreiben verschwunden. Ausschlaggebend dafür war eine Kampagne von Sozialministerin Roselyne Bachelot gegen die Verwendung des Begriffs „Fräulein“ auf behördlichen Dokumenten. Mit diesem Erfolg

medienmix

Auf Rädern Der Essayband „On Bicycles“ von Amy Walker zeigt, auf welch erfreuliche Weise die neue Fahrradkultur unser Leben verändern kann. Die Autorin ist außerdem eine der Mitbegründerinnen des kanadischen Fahrradmagazins Momentum, „Smart living by bike“ lautet das Motto. Dort wird Radfahren als nachhaltiger Lebensstil in Hochglanzoptik präsentiert. Auf http://momentummag.com lässt sich virtuell stöbern und in den letzten Ausgaben blättern.  fis

Feministinnenfutter Bereits seit fünf Jahren können wir bei Miss Tilly speisen, einem Online-Magazin für Frauen, präsentiert im Stil einer Speisekarte. Aktuell steht das Reizthema Betreuungsgeld auf der Tageskarte, ein Porträt über Mahalia Jackson gibt’s als Hauptgericht und Rezensionen zum Dessert. Ein Magazin für alle, die Frauenzeitschriften als Beleidigung empfinden, wie die Macherinnen rund um die Berlinerin Bärbel Kerber sagen. Lecker! www.misstilly.de  fis

Lost in Austen ARTE widmet den Sommer der wohl berühmtesten britischen Schriftstellerin, Jane Austen, und verspricht Gesellschaftskritik und Gefühl. Ab dem 7. Juni gibt es die BBC-Serie „Stolz und Vorurteil“ im Wochenrhythmus zu sehen, die Biografie „Miss Austen Regrets“ zeigt am 5. Juli die Autorin in der Mitte ihres Lebens. „Lost in Austen“ (19./20.Juli) ist eine vierteilige Fantasy-Miniserie, in der die Protagonistin vom heutigen London in die Austen-Welt gebeamt wird. fis Juni 2012 an.schläge l 15


thema: feminismus & fahrradliebe

Velocipedieren in Pantalons Frauen auf dem Fahrrad waren im 19. Jahrhundert ein Skandal. Gudrun Maierhof über die Anfänge des Frauenradfahrens.

Im Jahre 1905 konstatierte Rosa Mayreder (1858–1938), Protagonistin der frühen österreichischen Frauenbewegung, dass das Fahrrad mehr zur Emanzipation der Frau beigetragen habe als alle Bestrebungen der Frauenbewegung zusammengenommen. Heute, wo jede zweite Frau ein Bike kauft, wo modische Radlerhosen Knie freilassen und „Damen“ im Vorprogramm der Tour de France rennfahren, scheint diese Ansicht reichlich merkwürdig. Und doch – Rosa Mayreder hatte Recht. Allerdings ist der Status quo von den Radpionierinnen hart erkämpft worden. Als um 1870 die ersten kurbelbetriebenen Zweiräder in Schwung kamen, mussten sich Damen als Knaben verkleiden, um das Stahlross oder später das Hochrad zu besteigen. Im langen Rock und mit sittlichen und medizinischen Vorurteilen im Nacken war nicht gut radeln. Das „schamlose Mannweib“ auf dem Herrenrad entblößte seine Knöchel, demonstrierte Selbstständigkeit und Mut – eklatante Verstöße gegen damalige Sittlichkeitsnormen und Klischees.

Alle Zitate sind dem folgenden Buch entnommen: Gudrun Maierhof/ Kathinka Schröder: Sie radeln wie ein Mann, Madame. Wie die Frauen das Rad eroberten, Unionsverlag 1998

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Morgen setzten nicht nur ihre eigene Gesundheit aufs Spiel, sondern das Wohlbefinden kommender Generationen. Der Akt des Tretens führe zur Blutansammlung in den weiblichen Beckenorganen. Die Muskeln des Becken-

Lage auf der Chaiselongue abzuwarten. Viele Ärzte wandten sich aus ästhetischen Gründen gegen das Damenradeln. Der falsche Sitz, die „KatzbuckelHaltung“ und das entstellende „BicycleGesicht“ ließ sie um die Schönheit der

„Haben Sie jemals etwas Abstossenderes, etwas Häßlicheres, etwas Gemeineres gesehen, als ein mit puterrothem Gesicht, vom Staube entzündeten Augen und keuchenden Lungen auf dem Zweirade dahinrasendes Frauenzimmer?“

eingangs vergrößerten sich, und eben dies könne zu mannigfachen Krankheiten der Unterleibsorgane führen. Als Das „Bycycle-Gesicht“ und die besonders schädlich galt das Radeln „unzüchtige“ Radlerin. Frauen, die zur Zeit der monatlichen Blutung. Hier trotzdem radelten, riskierten nicht nur ihren Ruf, sondern auch ihre Gesundheit, überschlugen sich die Angstvisionen der Mediziner. Menstruationsbeschwerden – wurden mit Steinen wie Peitschenhieschmerzhafte Blutung oder Ausbleiben ben traktiert und, was ihr Ansehen ins derselben –, Geschwüre oder/und die Bodenlose sinken ließ, setzten nach Erschwerung des Geburtsaktes waren Ansicht vieler Mediziner ihre Gebärfädas Mindeste, was den Frauen blühte. higkeit aufs Spiel. In „ihrer Zeit“ sollten sie weder Möbel Denn das Radeln erschüttere nicht rücken noch Eisenbahn fahren oder nur das Nervensystem, sondern gleisich irgendwie sportlich betätigen. Den chermaßen die Unterleibsorgane. Die Frauen wurde angeraten, sich in jeder Angst des „Vornüberfallens“, so die Hinsicht zu schonen und das Ende der Ärzte, lasse den Adrenalinspiegel der „blutigen Angelegenheit“ nicht auf dem Frauen in schwindelerregende Höhen Velo, sondern im Bett oder in ruhiger schießen. Die potenziellen Mütter von

Frauen bangen: „Haben Sie jemals etwas Abstossenderes, etwas Häßlicheres, etwas Gemeineres gesehen, als ein mit puterrothem Gesicht, vom Staube entzündeten Augen und keuchenden Lungen auf dem Zweirade dahinrasendes Frauenzimmer? Ich nicht! Eine solche Erscheinung tritt nicht nur ihre Pedale, sondern auch die primitivsten Grundgesetze der Aesthetik mit Füßen! Pfui Deibel! mit Respekt zu sagen. Ist an solch' einer Radfurie auch noch eine Linie schön? Etwa der krumme Rücken oder die nach der Hinterradseite weit und provokatorisch ausladende Sitzgelegenheit? Der grösste Reiz des weiblichen Körpers ist sanfter Linienfluss, gefällige Rundung! Aber das Radfahren


thema: feminismus & fahrradliebe macht unsere Frauen dürr und eckig, unweiblich aussen und innen … Herunter vom Rade, weibliches Geschlecht, oder Du hast das Recht verwirkt, das schöne zu heissen!“ Wer wagte angesichts solcher Drohgebärden noch, den Drahtesel zu besteigen? Die Mutigsten unter den Damen. Sie waren begeistert. Sie scherten sich in keiner Weise darum, dass sie sich gar zu einem „Geschlecht absolut steriler Frauen“ entwickelten! Doch nicht nur vor Unfruchtbarkeit und dem Verlust weiblicher Anmut warnten viele Männer und Mediziner, auch noch eine andere Befürchtung ließ sie vom Damenradsport dringend abraten: „Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass, wenn die betreffenden Individuen es wollen, kaum eine Gelegenheit zu vielfacher und unauffälliger Masturbation so geeignet ist, wie sie beim Radfahren sich darbietet. Wenn man, was vorgekommen ist, ganz absieht von denjenigen Fällen, in denen der Sattel in ganz besonderer Absicht mit einem nach oben gekrümmten Vordertheile versehen wurde, so bietet auch sonst der Sitz, rittlings mit ausgespreizten Schenkeln, ausreichende Möglichkeit, solchem Hange nachzugeben.“ Eine falsche Sitzhaltung – die „vornübergeneigte Haltung des Körpers“– und der damit verbundene Druck auf die Klitoris habe auf alle Fälle stimulierende Wirkung. Die anstrengende Tretbewegung erzeuge Wärme und Blutzufuhr im Genitalbereich. Schließlich und endlich tue die frische Luft ihr übriges und ließe die sexuelle Libido bei manchen Frauen ins Unermeßliche steigen. Das Beinkleid oder die „Unaus­ sprechlichen“. Radlerinnen hatten es also wirklich schwer! Nicht nur die Vorbehalte der Mediziner hinderten sie daran, unbeschwert das Rad zu besteigen, sondern auch der Rock. Der bodenlange, unbequeme, nach unten enger werdende Rock! Wie sollten sie ihre Beine über die Mittelstange schwingen, ohne kurzfristigen Einblick in die unter dem Kleid getragenen Wäschestücke zu geben? Abgesehen davon, dass das Modediktat mehr und mehr den engen Rock vorschrieb, so dass es gänzlich unmöglich war, die Beine zu spreizen und aufzusitzen. Hatten sie es endlich geschafft und den Sattel erobert (weiß

der Himmel, wie!?), lauerten weitere Gefahren. Der Rock konnte sich in den Speichen verheddern. Der Fahrtwind sorgte für das Hochfliegen des Kleides. Die Tretbewegung ließ Tabuzonen wie weibliche Knöchel zum Vorschein kommen. Die Kopfbedeckung verrutschte. Die Frisur war dahin, und und und … Schier unüberwindbare Probleme taten sich auf. Kein Wunder also, dass die ersten Radlerinnen Männerkleidung bevorzugten. Sie diente nicht nur der Tarnung, sondern machte es den Frauen überhaupt erst möglich, den neuen Sport auszuüben. Doch nicht mehr lange! Denn die Radlerinnen brachten nicht nur Räder ins Rollen, sondern auch die Diskussion um eine neue Kleidung. In einer Zeit, in der niemand auch nur ahnen durfte, dass die Frau „mehr als Knöchel habe“, galt die Hose als wirkliche Revolution. Eine Dame durfte das Wort noch nicht einmal in den Mund nehmen. Sie nannte sie „Beinkleid“ oder einfach die „Unaussprechlichen“. Da aber die „Unaussprechlichen“ so praktisch beim Radeln waren, sah „mann“ sie doch! Radlerinnen in Pantalons! Erst vereinzelt, in den 1890er Jahren immer zahlreicher. Bald waren sie das Thema Nummer eins. Als sie sich 1897 auch noch erdreisteten, in Oxford einen „Hosenkongress“ einzuberufen, war der Eklat perfekt. Höhepunkt ihrer Aktion war das Diner. Provokant setzten sich über hundert Damen zu den Freuden der Tafel in Kniehosen nieder, um zu demonstrieren, dass sie zukünftig nicht nur auf dem Velo die Hosen anbehalten wollten. Die Presse reagierte mit Hohngelächter und Satire auf diese neue Mode. Hosenwitze kursierten. In einigen Zeitschriften wurden Enqueten zu dieser Frage erhoben. Die Damen- und Herrenwelt spaltete sich an der „Hosenfrage“ in unerbittliche Lager: Zunächst einmal gab es die eindeutigen Befürworterinnen. „Ich bin für jede Einrichtung, welche sozusagen der Frau die Hosen in die Hand gibt“, bemerkte eine Radlerin. Und Amelie Rother – eine der Pionierinnen des Frauenradfahrens – stellte fest:„Auf die erfahrene Radfahrerin wirkt das Gezänk ‚ob Rock, ob Hose‘ geradezu komisch. Es kommt einem ungefähr so vor, als ob plötzlich unter den Herren ein

Zank ausbräche, ob Wasserstiefel oder Lackschuh vorzuziehen sei … Dass das Prinzip der Hose ein durchaus vernünftiges ist, dürften selbst deren erbitterte Gegner kaum bestreiten. Die Frau hat genau ebenso viel Beine, wie der Mann, sie bedient sich derselben, besonders beim Radfahren, in genau derselben Weise, sollte also doch eigentlich darauf bedacht sein, sie ebenso praktisch zu bekleiden, d.h. jedem Bein seine eigene Hülle zu geben, statt beide in eine zu stecken. Ist doch noch niemand darauf gekommen, beide Arme in ein Futteral zu stecken.“ Für Amelie Rother war die Hose das „Palladium der Radfahrerin“, ein Heiligtum und unbedingtes Muss beim Radeln. Das aber überschritt die Toleranzgrenzen der traditionsbewussten Frauen. Damen in Pumphosen! Sie lehnten sie schlichtweg ab. Eufemia von Piepmann, Ehrendame des Sittlichkeitskränzchens in Neuberg, hielt die Hose für den „Rand des Abgrunds“ und meinte, dass die Radlerinnen in Hosen sämtliche moralischen Werte in Grund und Boden strampelten: „Eine Frau, die ihren Gatten liebt, wird ihm eine Hose niemals zumuthen, weil sie ein Zeichen von in die Brüche gegangener Sittlichkeit ist.“ Natürlich ließen sich die ohnehin Verunsicherten von solchen Reden beeindrucken. Sie wagten sich nicht aufs Velo und klagten und seufzten: „Was mich anbetrifft, so weiss ich jetzt wirklich nicht mehr, was ist unmoralischer: das Radfahren oder die Radfahrerkleidung – die Pumphose oder der Rock? Mir ist von alledem so dumm, als ging mir ein

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thema: feminismus & fahrradliebe der Trägerin hindurch zu dem am hinteren Rockteil etwas tiefer sitzenden einfachen Ring, von dort zurück zum zweiten Auge des Ringes und endlich durch ein Loch im Rock nach aussen. Bevor die Dame das Rad besteigt, zieht sie an der Schnur oder dem Band; dadurch wird sofort der hintere Teil des Rockes eingezogen, während die beiden Rockseiten in gleichmässiger Weise nach den Seiten verteilt werden. Die Dame kann nun ihren Sitz im Sattel einnehmen, ohne sich später noch einmal in den Pedalen erheben und das Kleid ordnen zu müssen.“

Mühlrad im Kopfe herum.“ Die Pragmatischen unter den Frauen agierten nach dem Motto „alles zu seiner Zeit“. In der Stadt fuhren sie im Rock, auf der Landstraße, wo es niemand sah, in Hosen. Bisweilen verfielen sie auch auf außergewöhnliche, heute eher schwer nachvollziehbare Tricks, um aus dem Rock mal eben ein hosenähnliches Kleidungsstück zu machen: „An dem an der Innenseite des Rockvorderteils sitzenden Doppelring ist das Zugseil befestigt; es läuft zwischen den Beinen

Im Velocipedanzug gegen die Antihosenfraktion. Die Radlerinnen im modernen Velocipedanzug waren nicht mehr aufzuhalten, und an dieser schlichten Tatsache änderten auch die Reden der Antihosenfraktion nichts mehr. Bis in die 20er Jahre unseres Jahrhunderts hielten sich die Vorurteile gegen das Damenradeln. Spazierfahrten wurden geduldet, doch der Sport blieb Männerdomäne. Radsportlerinnen, zum ersten Mal 1868 in Bordeaux auf der Bahn, handelten gegen ihre „Bestimmung“ als Mutter und Hausfrau. Schließlich waren beim Rennfahren nicht Anmut und Demut, sondern Selbstbewusstsein, Ausdauer und Geistesgegenwärtigkeit gefragt.

Pionierinnen für den Frauensport Über den Damen-Bicycle-Club in Graz (1893–1898). Von Ilse Wieser Am 16. Feber 1893 fand die Gründungsversammlung des Grazer Damen-Bicycle-Clubs (GDBC) statt. Es war dies der erste österreichische Frauenradfahrverein und der zweite im deutschen Sprachraum. Vorsitzende war Elise Steininger. Fahrmeisterin war Louise Sorg, die alle fahrtechnischen Belange verwaltete, vom Fahrunterricht für Neueintretende bis zur Gestaltung von sog. „Clubpartien“. Eine einheitliche Klubkleidung – Fahrdress mit Strohhut und Galadress samt der modernen und provokanten Schirmmütze – wurde beschlossen. Im ersten Vereinsjahr wurden insgesamt 8.700 Kilometer auf fünf Clubpartien und Tourenfahrten bewältigt. Eine eigene Fahrschule auf den Namen Steininger wurde in der Pfeifengasse, heute Schiesstattgasse, gegründet. Bis 1897/98 war ein Fahrausweis samt Prüfung für das Befahren der öffentlichen Verkehrswege erforderlich, daher entstanden viele Fahrschulen.

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Trotz aller Anfeindungen — die Radlerinnen ließen sich nicht mehr bremsen. Schließlich hatten sie einiges erreicht: Das unsportliche Korsett, Ursache für Bleichsucht und Krummrücken, war endgültig verbannt worden. Zudem entzogen sie sich mehr und mehr den männlichen Argusaugen. Der Beginn das Damenradelns war das Ende der Anstandsdame. Die hart erkämpfte Freiheit hatte natürlich auch viele prominente Befürworterinnen: Französische Schauspielerinnen und Diven, wie Colette und Sarah Bernhardt, adlige Damen gar, darunter Queen Victoria und die niederländische Königin Wilhelmine, widersetzten sich radelnderweise der Etikette. Schriftsteller wie Theodor Fontane, Jerome K. Jerome oder Emile Zola widmeten den Radfahrerinnen hymnische Schriften. Interessanterweise äußerten sich nur wenige Frauenrechtlerinnen zum Damenradeln. Die Rad-Pionierinnen, die sich meist in den Dachverbänden der Männer organisierten, waren selten politische Aktivistinnen. Doch taten sie für ihre Zeit etwas unerhört Emanzipiertes: Sie setzten ihren Willen durch, scherten sich nicht um die Meinung der Nachbarn und fuhren ihren Männern, Kindern, Kochtöpfen davon! ●

Im zweiten Vereinsjahr gab es 27 Mitglieder. Unter den ledigen Frauen waren drei Berufstätige, eine Telegrafistin und zwei Lehrerinnen. Auch die Malerin Sidonie Baltl gehörte dem Verein an und eine Adelige, Josa von Matzner, die das Frauen-Radsportblatt „Die Radlerin“ herausgab. 1 Der Verein trug sehr zur Popularisierung des Frauenradfahrens bei. Zumindest im bürgerlichen Milieu wurde der Fahrradsport mehr und mehr gepflegt. Um 1900 war es für Frauen kein Anstandsproblem mehr, allein Ausfahrten zu machen. Aber immer noch war das Fahrrad ein teures Gerät: Es kostete ein ganzes Jahresgehalt eines männlichen Arbeiters. Erst in den 1950er Jahren wurde das Fahrrad ein erschwingliches echtes Alltagsfahrzeug für beide Geschlechter und alle Schichten. 1  Siehe Hilde Harrer: Der „Grazer Damen-Bicycle-Club“. Rad fahrende Frauen gegen Ende des 19. Jahrhunderts, in: Carmen Unterholzer, Ilse Wieser (Hg.), Über den Dächern von Graz ist Liesl wahrhaftig. Eine Stadtgeschichte der Grazer Frauen. Wien 1996. Gekürzte Fassung des Beitrags „Grazer Damen-Bicycle-Club“. Der vollständige Artikel ist abrufbar unter: http://woment.mur.at/netz/23orte/ text_GrazerDamen_BicycleClub.html


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Beruf: Fahrradbotin Orca ist eine der wenigen weiblichen Fahrradkuriere Wiens. Svenja Häfner, in der Vergangenheit selbst als Fahrradbotin unterwegs, begab sich mit ihr auf Tour.

Es ist ein warmer, sonniger Frühlingsmorgen, als ich mich mit Orca* bei der Zentrale von Hermes im zweiten Bezirk treffe. Ich will sie ein Stück auf ihrer Messenger-Tour begleiten und fühle mich ein bisschen in meine eigene aktive Zeit als Fahrradbotin zurückversetzt. Mit zwei Aufträgen im Rucksack fahren wir zur Secession, dann weiter über die Meidlinger Hauptstraße, quer durch den fünften Bezirk zur Längenfeldgasse. Meine Begleiterin fährt zügig auf ihrem Single-Speed vor mir her. Rote Ampeln werden – sofern der Verkehr es zulässt – überfahren, was mich ein wenig ins Schwitzen kommen lässt. Meine ganze Aufmerksamkeit gilt dem Verkehr und dem blauen Transportrucksack vor mir. Plaudern ist nicht, höchstens, wenn wir doch mal an einer Ampel stehenbleiben müssen oder auf ruhigen Nebenstraßen nebeneinanderher fahren können. Mit dem Kommentar „Wolltest du nicht schon immer mal über eine vierspurige Straße fahren?“ überqueren wir den Margaretengürtel. Ängstlich darf man als Fahrradbot_in wahrlich nicht sein. Risikofreude und der gewisse Adrenalin-Kick gehören schon dazu, um in solchen Situationen einfach in die Pedale zu treten. Der nötige Respekt vor dem Verkehr darf dabei allerdings auch nicht fehlen. Schneesturm und Sonnenschein. Auf den Straßen Wiens sind nur wenige Fahrradbotinnen unterwegs. Während meiner eigenen Zeit bei Veloce waren wir gerade einmal drei Frauen, und auch bei Direkt, wo Orca ihren beruflichen Einstieg hatte, sind Frauen selten anzutreffen. „Man muss viel für die Autofahrer mitdenken, und das kann stressig werden. Vielleicht schreckt

Wer das Rad wirklich liebt, nimmt es auch mit in die Wanne …  ©  Mei Mei Chan

das einige ab“, lautet Orcas Einschätzung, warum es so wenige Fahrradbotinnen gibt. „Es gibt jedoch genauso Männer, die nicht fahren wollen. Vielleicht haben viele die Vorstellung, es sei ein harter Job.“ Wenn man das ganze Jahr hindurch auf dem Rad durch die Stadt düst, ist es zeitweise tatsächlich ein tougher Job – etwa, wenn ein überraschender Schneesturm ein Vorwärtskommen mit dem Zweirad fast unmöglich macht. Einmal sind bei einer Tour innerhalb von ein paar Minuten gleich mehrere Zentimeter Schnee gefallen. Anschließend sollte es weiter in einen anderen Bezirk gehen. Orca: „Unter solchen Bedingungen zu fahren, ist ziemlich schwer. An diesem Tag bin ich auch zweimal bei Gleisen hingefallen.“ Überhaupt ist der Winter eine heftige Zeit, daran erinnere ich mich selbst noch sehr genau. Vor allem bei langen Wartezeiten zwischen den einzelnen Aufträgen, oder wenn spezielle Kund_ innen eine draußen in der Kälte warten lassen. Immerhin wurde zumindest die Wartezeit bezahlt. Und wie oft hatte ich aufgrund des Rollsplits auf den Straßen einen Platten und musste bei Kälte oder bei Regen mein Fahrrad reparieren. Das Glücksgefühl, endlich zu Hause zu sein, wo eine warme Badewanne auf mich wartete, war unbeschreiblich. Manchmal war ich so durchgefroren und kaputt, dass

ich schon mal völlig uncool die U-Bahn benutzt habe. Prekäre Arbeit auf zwei Rädern. Fünf Jahre sind seit meiner aktiven Zeit als Fahrradbotin vergangen, und immer noch hat dieser Job einen gewissen Reiz für mich. Damals brauchte ich Geld und fuhr in Wien viel und leidenschaftlich gerne Fahrrad – warum dann also nicht damit Geld verdienen? Die Lust am Radfahren und die Möglichkeit, mir meine Arbeitszeit flexibel einteilen zu können, ließen mich über die im Grunde äußerst schlechten Arbeitsbedingungen hinwegsehen: keine feste Anstellung, Bezahlung nach Aufträgen, die damit verbundene Abhängigkeit vom Disponenten und der Druck, möglichst viele Fahrten zu ergattern, die Konkurrenz unter den Kolleg_innen, der finanzielle Aufwand für Fahrrad und Ausrüstung, die von jeder_jedem Fahrer_in selbst gestellt werden muss, die Leihgebühren für den Rucksack, das Gefühl, als Einzelkämpferin in diesem Job unterwegs zu sein. Und nicht zuletzt die Gefahr des Wiener Großstadtverkehrs: In den eineinhalb Jahren hatte ich zwei heftige Unfälle, zum Glück ohne schwerwiegende Folgen. Für Orca erfüllte sich mit dem Job als Fahrradbotin ein Traum. Seit sechs Jahren lebt sie in Wien und ist grundsätzlich immer mit dem Fahrrad unterwegs. Auch sie wollte ihre Leidenschaft

* Fahrradbot_innen fahren unter einem Pseudonym, in der Regel sind es kurze, knackige Namen. Der Fantasie sind da keine Grenzen gesetzt.

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www.girlsonbikes.net (siehe S. 24)  ©  Mei Mei Chan

fürs Radfahren und das Geldverdienen miteinander verbinden. „Es muss einfach Spaß am Fahrradfahren dabei sein, Freude daran, draußen zu sein. Auch ideelle Motive spielen sicherlich eine Rolle, wenn man sich für diesen Job entscheidet. Und es ist etwas anderes, als im Kaffeehaus zu kellnern.“ Als Orca damit begann, schrieb sie gerade an ihrer Diplomarbeit und dachte, dass sie mit gelegentlichen Fahrten körperlich genügend ausgelastet wäre, um sich danach gut der Schreibtischarbeit widmen zu können. Das Konzept ist aufgegangen. Kein Job fürs Leben. Viel Geld verdienen lässt sich als Fahrradbotin allerdings nicht, das musste auch Orca bald feststellen. „Bei Direkt gibt es das große Problem, dass du einen Gewer-

beschein brauchst und erst mal mehr als hundert Euro zahlen musst, damit du überhaupt fahren kannst“, berichtet sie. „Du bekommst ein Smartphone, auf dem eine tolle Software mit GPS-System drauf ist, über die dir die Aufträge vermittelt werden. Über dieses System kann aber auch nachverfolgt werden, wo du gerade bist. Und ich fand es auch blöd, dass ich erst mal Geld zahlen muss, damit ich überhaupt fahren kann. In den ersten drei Monaten bekommst du auch nur sechzig Prozent von deinen Aufträgen, erst später sind es dann siebzig Prozent. Wenn man viel fährt, lohnt es sich wahrscheinlich, aber so nebenberuflich ist das einfach nichts.“ Letztes Jahr hat Orca zum Hermes Botendienst gewechselt. Mit einer Unternehmensphilosophie, die unter anderem Umweltschutz, Basisdemokratie und eine Frauenquote von fünfzig Prozent vorsieht, unterscheidet sich Hermes definitiv von anderen, rein kommerziell ausgerichteten Fahrrad-

abgestimmt wird. „Ich finde es schön, dass man das Gefühl hat, dass man ein Team ist, es ist nicht so einzelkämpferisch. Jeder schaut auch ein bisschen auf den anderen. Wenn es mir bei einer Schicht schlecht geht, kann ich das sagen und brauche keine Angst haben. Die anderen kompensieren das dann ein bisschen. In erster Linie ist wichtig, dass es mir als Mensch gut geht, und dass wir gegenseitig füreinander da sind.“ Unüblich für die Branche ist auch die Bezahlung eines fixen Stundenlohns. Positiv bewertet die Hermes-Botin auch die Frauenquote: „Sie achten auf Ausgewogenheit. Werden zum Beispiel in einem Monat zwei Männer aufgenommen, dann wird darauf geschaut, dass im nächsten Monat zwei Frauen eingestellt werden. Natürlich je nachdem, wer sich gerade meldet, und wer auch gerade gebraucht wird.“ Resümierend stellt Orca jedoch auch hier fest: „Unterbezahlt ist es auf jeden Fall. Es ist kein Job, mit dem man reich

Manchmal war ich so durchgefroren und kaputt, dass ich schon mal völlig uncool die U-Bahn benutzt habe. botendiensten. So werden bei Hermes alle Aufträge ausschließlich mit dem Fahrrad erledigt. Größere, schwere und sperrige Waren werden mittels Partnerbotendienst überbracht. Alle zwei Monate gibt es ein Plenum, bei dem sich beispielsweise neue Fahrer_innen vorstellen und wo gemeinsam über eine Einstellung entschieden wird. Es gibt offene Diskussionen über das, was gut oder schief läuft, es können Anregungen eingebracht werden, über die dann

wird. Mein Leben lang würde ich es deshalb nicht machen wollen, aber eine zeitlang ist es auf jeden Fall gut.“ Der nächste Auftrag führt uns zu einer Abholung in den sechsten Bezirk und von dort aus Richtung Schönbrunn in die Grünbergstraße. Dort darf ich noch einmal eine Sendung abgeben, bevor ich mich von Orca verabschiede, mich auf mein Fahrrad schwinge und leicht wehmütig nach Hause fahre.  ●

Bike In The City Schon seit den 1970ern sind in New York professionelle Fahrradkuriere unterwegs, Frauen sind in der männlich dominierten Bike-Messenger-Kultur allerdings bis heute in der Minderzahl. Letzteren gibt der Doku-Kurzfilm „Even The Girls!“ (2004) dicke Props – und lässt einige von ihnen selbst zu Wort kommen: „I really like my job!“, räumt etwa Fahrradbotin Stefie mit dem Vorurteil auf, Frauen würden den hohen körperlichen Einsatz scheuen. Sich im täglichen Verkehrschaos im Big Apple zu behaupten, pusht aber auch das eigene

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Selbstvertrauen: „I feel tougher … I am tougher.“ Regisseurin Ashira Siegel kennt die Erfahrungen und den Alltag aus erster Hand, war sie doch selbst einige Zeit als Radkurier aktiv. Den prekären Arbeitsverhältnissen und sexistischen Schräglagen zum Trotz ist das Botenfahren nicht einfach Beruf, sondern vielmehr Berufung – oder wie es Bike Messenger Kerby formuliert: „I fucking love it!“  viyu „Even The Girls!“, z. B. auf: http://vimeo.com/24450033


an.sprüche

Love & Flirt

Ein Vintage-Rennrad oder doch lieber ein Fixie, das wie ein iPhone on wheels aussieht? Katharina Morawek baut sich ihr Rad stattdessen selber, und Yuko Mori hält ihrem alten, zerkratzten Mountainbike die Treue.

Foto: wearemodeshift/flickr „Fender Bender“ in Detroit bildet Frauen und LGBTs als Radmechaniker_innen aus.

Kies, knarren, Steinchen, die es an meine Beine wirbelt, Staub, bremsen, wegrutschen, genießen, vibrieren. Den Lenker drehen, Fuß ab, mehr Staub. Sirrrrr, flirrender Asphalt im Sommer. Klack, klack, klack, über versetzte Betonplatten neben Straßenbahnschienen. Nervenkitzel, bei Regen das rutschige Metall überqueren, spitzer Winkel, hinter mir die Motoren, das Rattern der Bim. Knapp vor den querenden Autos die andere Straßenseite erreicht, das Adrenalin kickt. Ich spür es unter mir, zwischen mir, im Druck meiner Vorfüße und dem meiner Oberschenkel gehalten. Damals, der erste Blick: dunkelblau, Chrom, Tigra, Baujahr 1970. Die Muffen des Rahmens kunstvoll, ja retro-barock verschnörkselt. Wunderschön. Dieses Stahlrohr-Dreieck als Grundlage für alles, was dann folgt. Die Öffnungen des Rahmens abkleben, Recherche nach der besten, haltbarsten Lackierung. Die Einbrennlackierung. 79 Euro? Schluck. O.k. Chromgelb? Maisgelb? Dottergelb? Oder doch 50ies-SwimmingpoolTürkis? Nein, Gelb. Chromgelb. Die Gabel auf Ebay ersteigern, dann meine alte eintauschen, in der Wiener Bikekitchen, für einen anderen Lenkervorbau. Den einbauen, um dem für meinen Oberkörper eigentlich zu langen Rahmen nicht noch anstrengende Zentimeter hinzuzufügen. Sonniger Nachmittag, Zigaretten, Limonade. Die Schaltung, die sieben Gänge. Die Edelstahlkugeln aus dem Kugellager einzeln herausnehmen und mit einem weichen Tuch polieren, einfetten und wieder einzeln einsetzen. 57 Minuten für das Zusammensuchen passender 72 Speichen aus einer Kiste mit der Aufschrift „130“, also Millimeter. Fixieren in der Felge mittels „Speichennippel“. Aha. Dann, ein langwieriger Teil, das Korrigieren der Unwucht, immer wieder eine kleine Drehung, eine weniger, zwei mehr. Welches Werkzeug für das Anpassen der Kette? Mein fragender Blick, prüfende Blicke aus den Augenwinkeln, allen voran der „Wissenden“, zumeist recht männlich. Der milde Blick, beim Deuten auf den „Kettennieter“. Und dann, am Ende, das Abwickeln des silbernen Lenkerbands. Die erste Fahrt, unglaublich. Selber gebaut. Yeah.  l Katharina Morawek ist Künstlerin und Redakteurin in Wien und überlegt sich, ein zweites Fahrrad zu bauen.

In einem Fahrradladen in Wien-West. Mein Blick fällt auf ein stylishes Fixie-Bike, das mir schon vorher im Online-Shop aufgefallen war. „Der Lifestyle ist cool und unangepasst, fast schon rebellisch“, tönte da der Werbetext. „Einzigartiges Design und problemlose Funktionalität sind wichtig, auffälliges Design, zwei Räder, ein Gang, klassisches Singlespeed Design.“ Es würde mich nicht wundern, wenn das Fixie irgendwo mit einem Apple-Logo versehen wäre, sieht es doch aus wie ein iPad/iPhone on wheels. Siebenhundert Euro soll das puristische Accessoire für den „coolen und unangepassten“ Lebensstil kosten, und das ist noch die untere Preisklasse. Bei soviel Distinktionshunger rebelliert höchstens meine Geldbörse: Sie erinnert mich daran, dass ich nicht das Leben als überbezahlter Fahrradkurier in New York City führe. Nachdem ich mich an den ultra-schicken Rädern sattgesehen habe, ziehe ich weiter. Next Stop: Ein auf klassische Rennräder spezialisiertes Geschäft, mit angeschlossenem Café im Modernist Style. Bevor ich den Laden betrete, ein kurzer Blick in die Auslage: ein wunderschönes Vintage-Rennrad von Puch. Im Vergleich zu den anderen ausgestellten Racing Bikes, die schon mal die 1.000-Euro-Marke überschreiten, ist es mit unter vierhundert Euro sogar günstig. Doch ich sehe schon: Auf so einem harten, schmalen Sattel schaffe ich keine zehn Meter. Ein ordentlich gepolsterter Damensattel würde auf dem mageren Stahlding aber auch nicht sonderlich gut kommen. Was soll’s. Eigentlich finde ich Rennräder sowieso sau-unbequem. Im Geschäft steht eine kleine DJ-Anlage, an der Bar werden italienischer Espresso, Budweiser und San-Pellegrino-Mineralwasser serviert. Statt den üblichen 08/15-Radhelmen werden 70er-Rennrad-Käppies und Nutcase-Helme feilgeboten. Mich beschleicht das Gefühl, dass es hier nicht darum geht, ob das Rad zu mir passt – ich muss zum Rad passen. Ich verlasse den Laden und setze mich auf mein altes, zerkratztes Mountainbike, das schon in den 90er Jahren nicht wirklich cool war. Aber wir haben schon vieles gemeinsam durchgemacht. Ich vergesse die Bike-Flirts des Tages und freue mich über eine Spazierfahrt mit meiner alten Liebe.  l Yuko Mori mag Räder jeder Art. Nur besitzen muss sie nicht alle. Illustration: Bianca Tschaikner

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thema: feminismus & fahrradliebe

„Revolutionen passieren fast nie auf einmal“ Seit letztem Jahr hat Wien einen Radfahrbeauftragten. Lea Susemichel fragte Martin Blum, wie Wien zu Kopenhagen werden könnte, und was Radverkehrspolitik mit Geschlechterverhältnissen zu tun hat.

an.schläge: Sie sind „Radfahrbeauftragter“ – gibt es diesen Posten auch noch anderswo auf der Welt? Martin Blum: Radfahrbeauftragte gibt es in Berlin, München, Salzburg, Bern und zahlreichen anderen Städten der Welt. Die Aufgabe von ­Radfahrbeauftragten ist es, Rückenwind fürs Radfahren zu machen. Auf dem Höhepunkt der Massenmotorisierung in den 1970er Jahren herrschte die Meinung vor, das Fahrrad wäre ein Auslaufmodell. In der Folge wurde das Fahrrad auch kaum bei der Stadtplanung ­mitberücksichtigt. Mittlerweile erlebt das Fahrrad weltweit einen Boom. Ziel ist es, jetzt diesen Trend durch Planungen und Öffentlichkeitsarbeit zu unterstützen. Sie haben in einem Interview gesagt, Ihr Vorbild bei der Verkehrskultur seien skandinavische Länder. Was unterscheidet den Verkehr in Kopenhagen von dem in Wien? In vielen nordischen Ländern gibt es Gelassenheit und Rücksichtnahme im Straßenverkehr. Das führt zu mehr Miteinander und besserem Auskommen. Auch die Shared-Space-Modelle, also das gemeinsame Teilen eines Platzes oder einer Straße durch alle Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer, kommen aus den Niederlanden. Insgesamt ist die Verkehrssicherheit höher, was auch damit zu tun hat, dass mehr Rad gefahren wird. 22 l an.schläge Juni 2012

Frauen fahren weniger mit dem Rad als Männer, wenn die Infrastruktur und das Sicherheitsgefühl nicht stimmen. Gibt es Zahlen für Wien zum Geschlechterverhältnis beim ­Radverkehr? Im Jahr 2009 wurden 6,8 Prozent der von Männern unternommenen Wege mit dem Fahrrad zurückgelegt, bei den Frauen waren es 4,4 Prozent. Frauen sind sehr sicher auf dem Fahrrad unterwegs. Österreichweit werden rund doppelt so viele Männer bei Unfällen mit dem Fahrrad verletzt wie Frauen. Radfahren ist in Wien im Vergleich zu anderen Arten der Fortbewegung sicher, das zeigt die Unfallstatistik. Das subjektive Sicherheitsgefühl hindert aber noch viele am Radfahren. Es wird aber umso besser, je mehr Leute mit dem Fahrrad unterwegs sind. In Städten mit hohem Radverkehrsanteil fahren gleich viele Frauen wie Männer mit dem Fahrrad. „Das Fahrrad hat zur Emanzipation der Frauen mehr beigetragen als alle Bemühungen der Frauenbewegung zusammen“, hat Rosa Mayreder gesagt. Auch wenn das ein bisschen übertrieben sein mag: Erschwingliche und autonome Mobilität, wie sie das Rad bietet, verhilft tatsächlich zu mehr Unabhängigkeit. Stellen Sie bei bestimmten Maßnahmen ­frauenspezifische Überlegungen an? Das Fahrrad hat zu Beginn des letzten Jahrhunderts Frauen einen größeren

Bewegungsradius ermöglicht, etwa um eine Arbeit anzunehmen oder sich zu treffen. Es hat dadurch geschichtlich einen wichtigen Anteil an der Emanzipation. Ich glaube, dass das Fahrrad heute bei vielen Migrantinnen eine ähnliche Rolle spielen kann. Gleich viele Frauen wie Männer auf dem Fahrrad ist ein wichtiges Ziel für uns, denn nur so sind insgesamt hohe Radverkehrsanteile möglich.

Stadtplanung hat immer auch geschlechtsspezifische Implikationen. Was sind die Gender-Aspekte bei der Radverkehrsplanung? Frauen haben Wegeketten, die komplexer sind als jene von Männern. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass Frauen auch heute noch häufiger Kinderbetreuungs-, Versorgungs- und Pflegedienste leisten. Radverkehrsplanung, die darauf Rücksicht nimmt, kommt allen zugute: Beispielsweise ausreichend breite Radwege und Radstreifen, auf denen auch Kinder sicher unterwegs sind. In anderen Ländern gibt es Girl Bike Gangs, hierzulande hingegen könnte der Coolness-Faktor des Fahrrads für Mädchen durchaus noch größer werden, denn Radfahren bedeutet gerade für jugendliche Mädchen einen enormen Zuwachs an Autonomie. Gibt es Ideen oder konkrete Projekte, die sich speziell an Mädchen richten?


thema: feminismus & fahrradliebe

Einen Fahrradweg zu jedem Wiener Würstelstand!   © Mei Mei Chan  www.girlsonbikes.net (siehe S. 24)

Auch in Wien gibt es bereits eine Frauengruppe in der Bikekitchen. Bei Projekten für Mädchen haben wir erste Ideen und wollen Pilotprojekte durchführen, beispielsweise „Pimp-my Bike“-Workshops.

Was sind wichtige Ideen und zentrale Vorhaben der Wiener Radverkehrspolitik? Und welche Kompetenzen haben Sie, diese dann auch tatsächlich auf den Weg zu bringen? In Wien wurde in den letzten Jahren die Radfahr-Infrastruktur stark ausgebaut. Damit wird in den nächsten Jahren weitergemacht. Begleitend benötigt es auch Bewusstseinsbildung und Öffentlichkeitsarbeit. Denn das Verkehrsverhalten ist oft durch langjährige Gewohnheiten bestimmt, da braucht es positive Erlebnisse, Erfahrungen und Vorbilder, um das Radfahren zu entdecken. Wir wollen den Wienerinnen und Wienern ganz einfach Lust aufs Radfahren machen. Zudem bringen wir in Planungsprozessen unser Know-how mit ein. Als Deutsche, die beispielsweise auch die Rad-Infrastruktur in Münster gut kennt, kann ich sagen: Die Wiener AutofahrerInnen sind in besonderem Maße rücksichtslos. Und an denen hängt es ja, es ist längst nicht nur das Radwegenetz, das über das Radverkehrsklima einer Stadt entscheidet. Müsste man da nicht viel stärker auf dieser Seite aktiv werden? Auch

schon beim Führerscheinerwerb: Eine Bekannte hat mir zum Beispiel erzählt, dass ihr Wiener Fahrlehrer noch nie davon gehört hatte, dass in manchen Einbahnstraßen mit Radverkehr gegen die Fahrtrichtung gerechnet werden muss … Rücksichtslosigkeiten gibt es unter allen am Verkehr Teilnehmenden. Da sind weder Autofahrende noch Radfahrerinnen und Radfahrer eine Ausnahme. Fakt ist aber auch, dass die Rücksichtnahme und Verkehrssicherheit zunimmt, je mehr Radverkehr es in einer Stadt gibt. In Wien hat sich da schon viel zum Positiven geändert. Autofahrerinnen und Autofahrer nehmen mehr Rücksicht als noch vor einigen Jahren, ganz einfach weil mit Radfahrerinnen und Radfahrern immer gerechnet werden muss. Tatsächlich gibt es manchmal auch Wissenslücken. Zum Beispiel ist es in Wohnstraßen erlaubt, mit dem Fahrrad gegen die Einbahn zu fahren, auch wenn es nicht ausgeschildert ist. Ist es angesichts der enormen AutoLobby und der Angst der Politik, sich unbeliebt zu machen, nicht wahnsinnig mühsam, selbst kleinere Dinge durchzusetzen? Lässt sich trotzdem an Utopien wie etwa der autofreien Ringstraße festhalten? Revolutionen passieren fast nie auf einmal. Meist sind es schrittweise Veränderungsprozesse. Selbst wenn es zu großen Schritten kommt, gibt es davor

bereits viele kleine, manchmal auch unsichtbare Aktivitäten, die dann den großen sichtbaren Schritt ermöglichen. In London, New York, Paris, Berlin und vielen anderen Metropolen weltweit nimmt der Radverkehr stark zu. Und wie überall, wenn Veränderung passiert, gibt es auch beharrende Kräfte, etwa

„Frauen sind sehr sicher auf dem Fahrrad unterwegs.“ wenn es darum geht, Stellplätze zu verringern, um Radwege zu errichten. In meiner Arbeit sehe ich weniger die Hindernisse als die Chancen und Möglichkeiten. Die Vision einer Stadt mit belebten Straßen, mit Platz für die Menschen und mit Wegen, die hauptsächlich zu Fuß und mit dem Fahrrad zurückgelegt werden, ist bei mir sehr präsent.  l Martin Blum, 36 Jahre, seit November 2011 Radverkehr-Beauftragter der Stadt Wien, davor viele Jahre in einer NGO tätig, Studium an der Uni für Bodenkultur Wien, aufgewachsen südlich von Graz, Vater von drei Kindern.

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thema: feminismus & fahrradliebe

World Wide Bikes Eine subjektive Auswahl toller Fahrradblogs von Fiona Sara Schmidt.

Bike Fancy Fotografin Martha Williams aus Chicago zeigt coole Frauen und ihre Fahrräder – und lässt sie in Interviews auch zu Wort kommen. Suchanfragen auf der Seite lassen sich sogar nach Fahrrad­ typen sortieren. Mode meets kritische Reflexion. Like! http://bikefancy.blogspot.com Bike Ladies Unite! Feministinnen auf Rädern setzen auf Diversität und die Vernetzung queerer Fahrradläden und -fans: „It seeks to represent women of all ages, colors, sizes, abilities and identities, from firsttime riders to world champions, fixed gear freestylers to singletrack slayers.“ http://bikeladiesunite.tumblr.com Fixed Gear Girl Taiwan Coole Mädels aus Taiwan, die der ganzen Welt zeigen, wie toll sie Fixies finden. http://fixedgeargirltaiwan. blogspot.com

The Bird Wheel Sorgt für die weltweite Vernetzung von Radlerinnen. Klar aufgebaut, viele tolle Links, Interviews mit Frauengruppen und Tipps für den Alltag auf zwei Rädern. www.thebirdwheel.com Taking The Lane Empowerment via Fahrrad, Wirtschaft und Feminismus hat dieses Magazin zum Thema. Die Mission von Elly Blue aus der US-Öko-Stadt Portland, Oregon: inspirieren, Straßen einnehmen und Spaß haben. Ein persönlich gestaltetes, informatives Magazin mit Gender-Schwerpunkt. http://takingthelane.com Girls On Bikes Plattform für Fotografinnen und Künstlerinnen aus London. Wird leider nicht mehr aktualisiert, zeigt aber sehr sehenswerte Fotos: „Pin-Up Girl“ Jesse kocht gemeinsam mit ihrem Fahrrad und steigt mit ihm in die Wanne. Und Claire erzählt im Interview, warum sie vierzig alte russische Bikes gekauft hat. www.girlsonbikes.net Yoga For Bikers Dass sich Radfahren und Yoga perfekt ergänzen, davon ist Yoga-Lehrerin Kelli aus Seattle überzeugt: „Pedal, Stretch, Breathe“ gehören ebenso zum Stundenplan wie „Pre-Ride Warm Ups“. Und die Sonne lässt grüßen! http://yogaforbikers.wordpress.com Candy Cranks Eine Kollaboration von Radlerinnen zwischen Zürich und Jakarta, die einen Einblick in die Radkultur ihrer jeweiligen Wohnorte geben. Jede Menge Bilder, Kunst und Links sollen andere Frauen motivieren, sich ebenfalls aufs Bike zu schwingen. www.candycranks.com Fixed While Feminist US-amerikanisches Durcheinander, mit vielen Fixies, aber auch anderen tollen Bildern, Zitaten und Videos im Schachbrettmuster. Bietet sogar einen eigenen Marktplatz für Teile. Message: „Because biking is a passion, not a form of exploitation.“ http://fixedwhilefeminist. tumblr.com

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Illustration: Laura Mensinga, http://nightshadesbikecrew.blogspot.com

Bike Shop Girl Arleigh Jenkins hat zwölf Jahre Erfahrung als Mechanikerin vorzuweisen und teilt sie mit uns in ihrem Blog. Hier geht es um nichts weniger als die Hardware: hydraulische Bremsen, Lenkertape und Reviews zu neuen Entwicklungen auf dem Fahrradmarkt. http://bikeshopgirl.com Critical Mass Die „Kritische Masse“ ist eine internationale Aktionsform. Nicht-motorisierte Verkehrsteilnehmende treffen sich scheinbar zufällig in Innenstädten, um auf ihre Rechte aufmerksam zu machen. Die erste dieser Fahrrad-Demos fand 1992 in San Francisco statt – bis heute ein zentraler Ort des mobilen Widerstands, der sich inzwischen weltweit verbreitet hat. In Wien nahmen im März 2012 über tausend Radler_innen teil. Die Prinzipien der österreichischen Organisation: „Wir lassen uns nicht länger an den Rand drängen. Wir sind ökologisch, leise, lebenswert, platzsparend, lustig, ökonomisch, sexy, engagiert.“ www.criticalmass.at, http://criticalmass. wikia.com (internationales Wiki) Bicycle Film Festival Das Bicycle Film Festival bringt bereits seit 2001 zwei der schönsten Hobbys zusammen: Radfahren und Kino. Das Festival sieht sich als Katalysator der urbanen Fahrradbewegung zwischen Kunst, Musik und Film und ist bereits in vielen Städten rund um den Globus erfolgreich gestartet. Das nächste findet Ende Juni in New York statt, der Geburtsstadt des Filmfestivals. www.bicyclefilmfestival.com Femme et vélo Vintage-Bilder von Hollywood-Stars sind Vorbild für die Fotoserien aus Texas. Ziel des Projekts der beiden Fotografen Zach und Mike sowie der Stylistin Shari: Das emanzipatorische Verhältnis von Frauen und Fahrrädern abzubilden (und dass das gelingt, zeigt unser Covermodel). http://femmeetvelo. tumblr.com Vélo-City-Girl Jools Walker aka Lady Vélo aus East London bloggt über ihr Fahrrad und Mode im weitesten Sinn. Als sie 2010 „Frankie“ kaufte, begann sie, ihre


thema: feminismus & fahrradliebe Touren zu dokumentieren. Für ihre Berichte besucht sie Fashion-Events und radelt durch die britische Hauptstadt. http://velo-city-girl.blogspot.com Cycle Chic Tolle Fotos von gut angezogenen Leuten auf zwei Rädern in der Fahrradweltstadt Kopenhagen. Ziemlich kommerziell, aber in Sachen Stil unschlagbar. „Cycle Chic“-Ableger gibt es mittlerweile in fast jeder Stadt – so auch in Wien. Von hier aus posten Anabel und Paul täglich Fotos über „Cycling from its sexy side“. Nett: Häufig fährt das Hündchen mit. Wiener_innen können auch selbst Schnappschüsse einsenden. www.copenhagencyclechic.com, http://viennacyclechic.at Feuilleton für Radkultur Aus Berlin kommt dieses schön gestaltete deutschsprachige Magazin für Radler_innen mit Anspruch. Auf hohem journalistischen Niveau werden hier

Interviews geführt, Bücher besprochen und coole Fahrradmode vorgestellt. http://fahrradjournal.de Lovely Bicycle Vintage steht hier an erster Stelle. Die obsessive Bike-Liebhaberin steht in regem Austausch mit ihren Leser_innen und featuret in ihrem Blog klassische Rad-Designs, funktional und handgemacht. Plus: Dokumentation von D.I.Y.gepimpten Bikes. http://lovelybike. blogspot.com For The Love Of Bikes Designerin aus New York mit einem ausgeprägten Gespür für Details, Street Art und schöne fotografische Momentaufnahmen. Der Besuch der Seite lohnt sich auch vor einer Reise in den Big Apple, um Brooklyn und Manhattan vorab virtuell zu erkunden. http://fortheloveofbikes. blogspot.com

Illustration: Kelli Refer, http://yogaforbikers.wordpress.com

Bikes Rock! Kids On TV: Breakdance Hunx (2007) Sechs queere Bike-Gangs begeben sich auf den Weg zum ultimativen Dance-Battle und machen dabei die Straßen von Toronto unsicher: Burlesque vs. Lack & Leder! Muskelshirt gegen Superheld_innen-Cape! Lickin’ the Lenkstange: hymnisch! Bat For Lashes: What’s A Girl To Do? (2007) Natasha Khan aka Bat For Lashes traumwandelt auf ihrem Rad durch die Nacht, begleitet von einer kleinen Tierchen-Armee von BMXTricksters: In jedem Girl steckt ein Donnie Darko. The Sugarcubes: Motorcrash (1988) Björk erzählt von einer jungen Radfahrerin mit Faible für blutige Autounfälle. An Ort und Stelle klaubt sie die Verletzten auf, um diese bei sich zu verarzten und mit Milch und Keksen zu füttern. Wenn sie bloß nicht so unschuldig dreinschauen würde … LCD Soundsystem: Drunk Girls (HolyGhost! Remix, 2010) Hoch zu Rad stürzen sich zwei moderne

Night Shades Sieben Kanadierinnen, die der Hass auf ihre Design-Uni sowie die Liebe zu Fahrrädern und Lagerfeld eint. Bestes Logo als Crew. Motto: Ride or die! http://nightshadesbikecrew.blogspot.com

Musikvideo-Clips, die durch Ohr und Bein gehen: Eine Top-Ten-Liste von Vina Yun.

Edelfrauen ins karnevaleske Ritterturnier. Es folgt die exzessive Siegesfeier. Ein Traum, ein Rausch. Lily Allen: LDN (2006) Die englische Pop-Göre Lily Allen schnappt sich ihr rotes Bonanza-Rad und lässt sich durch die Straßen von LDN (London) treiben – durch Parks, über Brücken, auf einen Abstecher in den Kuchenladen. Folgen Sie dem gelben Plüschmantel! Jill Scott: Golden (2004) Cruisen mit unserer liebsten Neo-Soul-Diva, die mit einer Extra-Portion Positivity jeden Alltagsballast einfach eben mal wegstrahlt. Goldrichtig: Mit dem Bike geht es Richtung Strand, um beim Sonnenuntergang zusammen abzuhängen und zu relaxen. Skero ft. Kamp: Fuß Vom Gas (2009) Dicke Eier, sexy Honeys, fette Schlitten – das geht auch anders, dachte sich Ösi-Rapper Skero. Und macht daraus augenzwinkernd: dicke Eier, sexy Honeys, fette Bikes. Und auf solchen durch die Stadt zu cruisen garantiert –

wie Ice Cube schon sagt – einen guten Tag. Flaming Lips: Watching The Planets (2009) Ein haariger Muschi-Ball gebiert im Wald eine Horde enthusiastischer Nacktradler_innen, die dem Flaming-Lips-Sänger Wayne Coyne die Kleider vom Leib reißt und ihn in die mysteriöse Muschi-Kugel stopft … Frei nach dem Motto: Back to Nature. The Smiths: Stop Me If You Think You've Heard This One Before (1987) Eine Gruppe von Morrissey-Fans (sprich: Moz-Klone) fährt die Gegend rund um den Salford Lads Club in Manchester ab, wo auch das berühmte Foto für das Smith-Album „The Queen Is Dead“ entstand. 30 Seconds To Mars: Kings And Queens (2009) Critical Mass goes Stadion-Rock. Im Gegenlicht der untergehenden Sonne taucht am Horizont eine bunte Rebellenarmee von Biker_innen auf. Ein Epos über Urbanität und Unsterblichkeit: der Blockbuster unter den Bike-Musikvideo-Clips.

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thema: feminismus & fahrradliebe

„Was am Fahrrad ist nicht erotisch?“ Bikesexual baut Sextoys aus Fahrradschrott. Lea Susemichel hat mit Rheta über die feministische Lust am Rad gesprochen.

an.schläge: Bikesexual ist ein D.I.Y.Trashdesign-Projekt, angefangen habt ihr damit, alte Fahrradteile wiederzuverwerten, um daraus erschwingliches Sexspielzeug herzustellen. Was verwendet ihr dafür genau? Und: Wie kommt man auf eine solche Idee? Rheta: Ich wollte einen Harness (Gurt zur Befestigung eines Dildos, Anm.) haben und konnte es mir nicht leisten, einen zu kaufen. Zudem ist das Angebot im Sexladen sehr eingeschränkt, insbesondere was Produkte ohne Leder anbelangt. Damals habe ich mir gerade ein Fahrrad aus gesammelten Fahrradteilen gebaut. Dabei kam mir die Idee, einfach selbst einen Harness zu basteln. Ich habe zu dieser Zeit in London gelebt, wo es – bis auf die Hausbesetzungsszene – überhaupt keine D.I.Y.- oder Bastelkultur gab, deswegen kam man auch nur schwer an bestimmte Materialien oder Werkzeuge heran. Ich musste also wirklich mit gefundenen Dingen und einfachen Methoden auskommen wie auch mit den Werkzeugen, die es in der selbstverwalteten Fahrradwerkstatt in Süd-London eben gab. So habe ich angefangen, Sextoys zu basteln, zuerst für mich, dann für Freund_innen, und schließlich auch damit begonnen, Workshops zu machen und Schmuck, Gürtel und verschiedene andere Dinge zu entwickeln, die wir auch auf Alternativmärkten verkaufen. Bis heute arbeitet Bikesexual nach demselben Prinzip: Fast alles ist vom Müll, alles ist vegan und in einfacher Verarbeitung hergestellt sowie in verschiedenen, am besten verstellbaren Größen erhältlich. Wir nutzen alle Fahrradteile: Schläuche, Fahrradkette, Ritzel (was ist das? Anm.) und verschiedene Zahnräder, Kunststoff- oder Me26 l an.schläge Juni 2012

tallringe, Speichen – zum Beispiel für Peitschen –, Bremsen- oder Schaltkabel und -hüllen usw. Wir haben angefangen, auch mit LKW- oder Werbeplanen zu arbeiten und Kostüm-Design und Möbel aus Fahrradteilen sowie Innenausbau nach individuellen Wünschen zu gestalten. Inzwischen sind wir außerdem auch bei der Bikekitchen Wien (siehe S. 21) aktiv und in der selbstverwalteten Migrantinnen-Nähwerkstatt Made in made by.

© bike.sexual/flickr

Wie sieht so ein SextoyWorkshop aus? Die Workshops sind ganz niederschwellig, offen für alle interessierten Frauen, Lesben, Intersex-und TransgenderPersonen, bei bestimmten Gelegenheiten auch für alle Genders. Die Leute können auch einfach nur Schmuck basteln und so die Techniken erlernen, mit denen sie dann vielleicht später alleine zu Hause Sextoys basteln können. In den Workshops geht es nicht darum, warum jemand welches Sexspielzeug

nutzt, sondern es wird gefragt: Wie können wir es so basteln, dass es stabil, angenehm, einfach zu reinigen etc. ist? Es geht also um eine technische, praktische Herangehensweise und nicht um eine Beurteilung von sexuellen Vorlieben, um sexualisierte Kommunikation oder Flirten. Es gibt aber selbstverständlich Raum, um über Sexualitäten zu sprechen. Oft bilden sich spontan kleine Gruppen, die beim Arbeiten über sehr persönliche Dinge sprechen. Wenn das passiert, finde ich es für mich und für die Teilnehmer_innen sehr ermächtigend, von verschiedenen Begierden zu hören, ohne dass es gleich eine Aufforderung zum Mitspielen ist. Dadurch sind die Workshops auf gewisse Weise desexualisiert und gleichzeitig voll mit sexuellen Themen. Normen über Sexualität und Körpernormen sollen dabei auf jeden Fall herausgefordert werden, das ist ein wichtiger Schwerpunkt in den Workshops. Aber auch mit den Dingen, die wir verkaufen, möchten wir Körpernormen nicht reproduzieren. Warum sollen wir Gürtel kurz machen, wenn es so einfach ist, sie später zu kürzen? Sie zu verlängern, wenn sie zu klein sind, ist eben nicht so leicht möglich.

Was ist das Erotische am Fahrrad? Was am Fahrrad ist nicht erotisch? Im Ernst: Fahrräder sind von Menschen betriebene Maschinen, das Rad ist ein Fahrzeug, aber auch ein Sportgerät, und es hat Empowerment-Effekte für alle, die es fahren. Es gibt Tandems, Dreiräder, Räder mit mehreren Sitzen, Rikschas, Lastenräder, Tallbikes etc., wir können also auch gemeinsam in einer Gruppe fahren. Ein Fahrrad selbst zu bauen, selbst zu reparieren oder auseinanderzubauen und etwas anderes daraus zu machen, kann sehr aufregend und eine stärkende Erfahrung für sich selbst und ein verbindendes Erlebnis zwischen zwei oder mehreren Personen sein. Man kann sich verlieren im Basteln, überall total beschmiert mit Fett, und danach mit dem fertigen Fahrrad frei und unabhängig herumfahren, voll gepumpt mit Endorphin, um schließlich ins Bett, unter die Dusche oder in die Donau zu hüpfen! Fahrrad fahren ist ein Symbol und eine Praxis der Unabhängigkeit. Der Faktor Geschwindigkeit und die Selbstbestimmung über


thema: feminismus & fahrradliebe die Geschwindigkeit spielen auch eine Rolle. Empowerment, Unabhängigkeit, ­Erfolgserlebnisse und D.I.Y.-Erfahrungen finden viele sehr erotisch, nicht nur für sich selbst, sondern auch bei anderen. Denn Sex mit zuversichtlichen und zufriedenen Personen zu haben, ist immer schöner, finde ich! Auch deswegen sind Feministinnen besser im Bett, oder …?

Fahrrad-Pornografie ist ja quasi ein eigenes Genre, auch queere Pornos mit Fahrrädern gibt es. Woher kommt diese spezifische Verbindung? Die Regel 34 besagt: Wenn du es dir vorstellen kannst, dann gibt es auch einen Porno davon. Und das ist nur halb im Scherz gemeint, denn es gibt tatsächlich Pornos von allem nur Erdenklichen (und Unerdenklichen). Queers und Künstler_innen haben viel gemeinsam mit der D.I.Y.-Kultur, und oft sind Fahrräder Teil ihres oder unseren Lebens. Sie sind sowieso da, warum also nicht nutzen, wenn jemand einen Porno maSpeist sich dieser Reiz des Fahrrads chen möchte? Eine Idee von mir ist, ein vielleicht auch aus feministischen „Vibrating Pleasure Tandem“ zu bauen, Cyborg-Fantasien, also Mensch-Madas von einem Dynamo angetrieben schine-Utopien? wird – alles ist schon fertig geplant, nur Ja, sicher! Das Rad ist eine Verlängenoch nicht gebaut. Ich kann mir sehr gut rung des menschlichen Körpers. Für vorstellen, dass es dann jemand auch für mich ist das Fahrrad selbst ein Sexspieleinen Porno nutzen möchte! zeug oder einfach ein Spielzeug, ein Der antifeministische MackerMittel, das sich für verschiedene ExHetero-Porno, der mit der Unterdrüperimente eignet und unterschiedliche ckung vor allem von Frauen spielt, setzt Funktionen erfüllt, von Selbstdarstelstattdessen natürlich das Auto ein – je lung über Gruppenerfahrungen bis hin größer, lauter, teurer, desto besser. zum Transportmittel, um von A nach B Diese Fahrzeuge sind Machtsymbole, zu kommen. Die Bilder in meinem Kopf was ich gar nicht erotisch finde. Queerer sind eine Mischung aus feministischen Sex und Queer Porn brauchen – für Cyborg-Entwürfen und Zombie-Fantamich – Gleichbehandlung und egalitäre sien – Zombies ernähren sich ja von der Machtverhältnisse. Das geht nur mit kapitalistischen Abfallgesellschaft. Partner_innen, die ebenfalls ermächWir können Dildos tragen, auch dort, tigt sind und auch den gleichen Zugang wo sie nicht „hingehören“, aus unseren haben: zur sexuellen Situation wie zum Körpern neue bauen und damit spielen, Fahrzeug. alles weiter ändern, wie wir möchten, Stell dir einfach vor: Wie können wir können aus alten elektrischen Zahnsich zwei Autofahrer_innen aufeinanbürsten Vibratoren machen, Handys etc. der beziehen, wie viel Raum, welche „pimpen“ … Die Möglichkeiten sind nur Möglichkeiten gibt es dafür? Sie köndurch unsere Fantasie begrenzt! nen zueinander und zu allem anderen Rheta ist eine prekär unabhängige eigentlich nur auf Distanz bleiben. Und Künstlerin und Aktivistin, die durch ihre wie ist es mit Radfahrer_innen? Sie Erfahrungen im Basteln und Bauen entkönnen zusammen fahren, kommuniziedeckt hat, dass es fast nichts gibt, was sie ren, Pause machen, wann und wo sie nicht lernen und selbst tun könnte – außer Dingen, die sie nicht tun will. möchten. Distanz und Nähe, beides ist möglich – wie beim Tanzen.

Rheta  © Fernanda Nigro

„Eine Idee von mir ist, ein ,Vibrating Pleasure ­Tandem‘ zu bauen, das von einem Dynamo angetrieben wird. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass es jemand dann für einen Porno nutzen möchte!“

Sex Up My Bike! Die nächsten Bikesexual-Workshops finden beim Ladyfest Graz sowie beim Ladyfest Leipzig statt. Außerdem sind Workshops beim Antifee-Festival in Göttingen und beim Pride Festival in Budapest geplant (to be announced). Einen Workshop in Wien gibt es wieder am 26.6., 19.00 in der Schenke. Bikesexual bietet außerdem persönliche „Sexspielzeug-Nachhilfe“ nach Terminvereinbarung an. Alle Termine sind online abrufbar: http://bikesexual.blogsport.eu Die Produkte von Bikesexual sind derzeit hier erhältlich: 1160 Wien, Yppenplatz 3 (Freitags und Samstags), im Nähsalon in 1070 Wien, Kellermanngasse 4, auf temporären Kunstmärkten (Termine siehe Webseite) und per Bestellung an bikesexual@riseup.net. Bikesexual freut sich über Material- und Werkzeug-Spenden sowie über die Vermittlung von Lager- und Arbeitsräumen.

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arbeitsfragen in allen

lebenslagen

Irmi Wutscher

Held_innen „Never meet your heroes“ wird journalistischen Jungspündinnen, die noch total heiß drauf sind, verehrte Held_innen aus Kunst/Politik/Sport zu interviewen, von abgeklärten Kolleg_innen als weiser Spruch auf den Weg mitgegeben. Und tatsächlich erweist sich dieser Satz immer wieder als wahr. Vor zwei Jahren traf ich zum Beispiel Sierra Cassidy von CocoRosie am Donaufestival zum Interview: Sie machte dem Weird im Weird Folk alle Ehre. Während sie meine Interpretationsversuche ihrer Musik auflaufen ließ, erklärte sie mir stattdessen zum apokalytischen Thema ihrer damaligen Platte „Grey Oceans“: „We have to listen to the fairies, the elves and the elemental beings, what they say about the earths changing.“ Aha, alles klar. Auch sonst war das Gespräch eher von Absurdität geprägt. Ebenso hat mich Amanda Palmer enttäuscht, die ich letzten Herbst traf. Aufgrund ihrer Songtexte und ihres Widerstands gegenüber der Mainstream-Plattenindustrie hatte ich geglaubt, mit Ms. Palmer über Frauen im Musikbusiness philosophieren zu können, vielleicht sogar über feministische Strategien. Doch Fehlanzeige: Sie wolle bloß möglichst frei von allen Zwängen sein (siehe auch an.schläge 12/11– 01/12), verriet Palmer im Interview, und Feminismus gehöre für sie zu den Nötigungen. Die Liste ließe sich noch um ein paar weitere Berühmtheiten verlängern. Große Held_innen können aber den immensen Ansprüchen, die man als Fan im Kopf hat, auch einfach nie gerecht werden: Man hat sich allerlei Gedanken zu verschiedensten Textfuzelchen gemacht, musikalische Assoziationen gesponnen und Vermutungen über die Intentionen der Songs angestellt. Im Gespräch will man beweisen, dass man (als einzige?!) die Musik verstanden hat und hofft insgeheim, dass das der Beginn einer wunderbaren Freundschaft sein wird, bei der man mit der verehrten Musikerin nächtelang diskutiert oder Hand in Hand über Blumenwiesen hüpft (ein Bild, das zu CocoRosie passen würde). Kein Wunder, dass man ständig enttäuscht wird. Irmi Wutscher trifft berufsbedingt manche ihrer Held_innen persönlich und versucht, sich keine Beste-Freund_innen-Szenarien auszumalen. Funktioniert nicht immer. Nadine Kappacher :: meerweh :: gibt es da www.salon-nadine.at und dort http://meerweh.tumblr.com.

28 l an.schläge Juni 2012

studie I Homophobie und Selbsthass Eine Studie von Wissenschaftler_innenteams aus Großbritannien und den USA belegt nun eine schon lange bestehende Annahme: Wer besonders aggressiv auf Lesben, Schwule und Bisexuelle reagiert, überspielt damit oft eigene homosexuelle Tendenzen. Als besonders anfällig für ein solches Verhalten erwiesen sich dabei Menschen, die von ihren Eltern eher in ein Schema geforderter und zulässiger Eigenschaften und Verhaltensweisen gepresst und nicht in der Entwicklung einer eigenständigen Persönlichkeit gefördert wurden. Bei diesen Personen kommt es im Laufe ihres Lebens öfter zu einer Diskrepanz zwischen der Selbstwahrnehmung als heterosexuell und gleichzeitigen unterschwelligen homosexuellen Tendenzen. „Wenn man gegen etwas eine instinktive heftige Abneigung verspürt, dann sollte man sich zunächst einmal fragen: ‚Warum?‘“, fasst Co-Autor Richard Ryan die Studienergebnisse zusammen. „In vielen Fällen führen diese Menschen einen Krieg mit und gegen sich selbst und projizieren diesen inneren Konflikt dann nach außen.“  pix

studie II Geschlecht in Schulbüchern „Gibt es durch Stereotypisierungen noch einen ‚heimlichen Lehrplan‘ für Geschlecht und Sexualität oder wird tatsächliche Vielfalt auch positiv dargestellt?“, fragt die deutsche Erziehungswissenschaftlerin Melanie Bittner in ihrer Studie, für die sie Englisch-, Biologie- und Geschichteschulbücher untersuchte. Bilden Lehrbücher die Vielfalt von Geschlecht und Sexualität ab? Und welche Normen hinsichtlich der Geschlechtlichkeit vermitteln sie den Kindern und Jugendlichen? Welche Geschlechterkonstruktionen sind in aktuellen Schulbüchern in Deutschland zu finden, und wie werden Lesben, Schwule, bi-, trans- und intersexuelle Menschen dargestellt? Bittners Fazit: Die Norm der Zweigeschlechtlichkeit wird in den untersuchten Schulbüchern nicht hinterfragt, sondern ohne Problematisierung reproduziert. Auch wenn sich vereinzelt Bücher finden, die der Wiedergabe von Stereotypen und Normen entgegenwirken, ist der Grundton heteronormativ. Diese Norm des heterosexuellen Begehrens wird unhinterfragt und oft unausgesprochen aus der Binarität von Geschlecht geschlossen, Homo- und Bisexualität zur Abweichung der Norm erklärt. Lesben, Schwule und Bisexuelle kommen gar nicht oder nur am Rande vor. Die Existenz Trans- oder Intersexueller und ihre Diskriminierungs- und Gewalterfahrungen werden den Jugendlichen ebenfalls nicht vermittelt.  kaiv www.gew.de/Binaries/Binary88533/Schulbuchanalyse_web.pdf

notstandshilfe Verlust wegen PartnerInnen-Einkommen Die Anrechnung des PartnerInnen-Einkommens bei der Notstandshilfe muss gestrichen werden – das fordert die Arbeiterkammer Oberösterreich (AK OÖ). Die jetzige Regelung wertet die AK als besonders diskriminierend, weil durch den meist höheren Verdienst des Partners überwiegend Frauen (österreichweit 82 Prozent) den Anspruch auf Notstandshilfe verlieren. Dabei ist es egal, ob frau mit ihrem Partner in Ehe oder Lebensgemeinschaft (also ohne Unterhaltsanspruch) lebt: Verdient er mehr als 1.200 Euro, verliert sie die Notstandshilfe (durchschnittlich 576 Euro). Österreichweit war dies 2011 gleich 16.447 mal der Fall. „Frauen brauchen auch in der Arbeitslosigkeit eine eigenständige Existenzsicherung, denn während ihres Arbeitslebens zahlen sie genauso Beiträge in die


an.riss arbeit wissenschaft Arbeitslosenversicherung ein wie ihre männlichen Kollegen“, so die Grüne Frauensprecherin Judith Schwentner in einer Aussendung. Damit stellt sie sich Sozialminister Hundstorfer entgegen, der diese Maßnahme für nicht finanzierbar hält.  miak

hebammen Bessere Betreuung für Schwangere Der 5. Mai ist der Internationale Hebammentag, doch für Österreichs Hebammen gibt es nichts zu feiern. Stattdessen präsentierte das Österreichische Hebammen-Gremium seine Forderungen: Hebammen sollen stärker in die Vor- und Nachsorge von Schwangeren eingebunden werden. Hierzu könnte man die Hebammen schon bei den verpflichtenden Vorsorgeuntersuchungen im Rahmen des Mutter-Kind-Passes einbeziehen und so ein Vertrauensverhältnis zur Schwangeren ermöglichen, wie dies in der Schweiz, in Holland und Schweden üblich ist. Auch Judith Schwentner, Frauensprecherin der Grünen, plädiert für eine (auch finanzielle) Aufwertung der Leistung von Hebammen, was zudem dabei helfen könnte, die Kaiserschnittrate von derzeit dreißig Prozent auf die von der WHO geforderten 15 Prozent zu reduzieren. Es wäre zudem kostengünstiger, die Geburtshilfe verstärkt wieder den Hebammen zu überlassen. Doch Geburten, die im Geburtshaus und zu Hause stattfinden, werden derzeit nicht von der Krankenkasse bezahlt.  miak www.hebammen.at

medizinstudium Geschlechtlicher „Ausgleichsfaktor“ rechtswidrig? Wer in Wien Medizin studieren will, muss sich erstmal dem EMS-Test unterziehen. Bei diesem „Eignungstest“ werden z.B. Fähigkeiten wie die räumliche Vorstellungskraft, Tabelleninterpretation oder Konzentration getestet. Auffällig ist: Bewerber schneiden beim EMS-Test besser ab als Bewerberinnen – 2011 waren unter den Testteilnehmer_innen 56 Prozent Frauen, unter den Zugelassenen aber nur mehr 43 Prozent. Die Kritik am Aufnahmeverfahren: Die einzelnen Fragestellungen seien genau solche, von denen man weiß, dass bei ihnen durchschnittlich Männer besser abschneiden – dies würde somit auch die je nach Geschlecht unterschiedlichen Erfolgsquoten beim EMS-Test erklären. Die Medizin-Uni Wien will das bei der nächsten Testrunde am 6. Juli ändern: Der Test bleibt gleich, doch die Ergebnisse werden je nach Geschlecht unterschiedlich ausgewertet und bei Frauen um einen „Aus-

Veranstaltung  RadFem 2012 (London), 14.–15.7., www.radfem2012.com

Calls  Workshop „Entangled Legacies: Enlightenment, Colonialism and the Holocaust“, Abstract bis 15.6., www.frcps.uni-frankfurt.de

gleichsfaktor“ verbessert. Dies sei keine bevorzugende Maßnahme für Frauen, wie Vizerektorin Karin Gutiérrez-Lobos auf derstandard.at erklärt, sondern ein „Nachteilsausgleich“. Allerdings bleibt abzuwarten, ob es tatsächlich zu diesem Ausgleichsfaktor kommt: Laut einem Gutachten wäre eine solche Auswertung nämlich rechtswidrig.  be

Um zum Medizinstudium zugelassen zu werden, müssen Bewerber_innen mental Figuren rotieren lassen.

pille Bayer reagiert auf Thromboserisiko Das kommt den Pharmakonzern Bayer teuer: In den USA klagten rund 12.000 Frauen wegen Gesundheitsschäden, für die sie die Einnahme der Anti-Baby-Pille verantwortlich machen. Mitte April einigten sich Bayer und etwa 700 Klägerinnen auf einen Vergleich – Kostenpunkt 108 Millionen Euro. Tausende Klagen sind noch offen, Analyst_innen halten insgesamt Zahlungen in der Höhe von zwei Milliarden Euro für möglich. Eine weitere Konsequenz für Bayer: Künftig wird in den US-Beipackzetteln das erhöhte Risiko von Thrombosen erwähnt. Dieses Risiko betrifft vor allem Pillen der neueren Generation (z.B. Yaz oder Yasmin), die den Wirkstoff Drospirenon enthalten. Zum Vergleich: Von 20.000 Frauen erleidet ohne Pilleneinnahme pro Jahr eine Frau eine Thrombose. Bei einer Pille, die Östrogen und Drospirenon, Gestoden, Desogestrel oder Cytoproteronacetat enthält, sind schon sieben bis acht Frauen betroffen. Besonders perfide ist, dass die neueren Pillen nicht nur aus Verhütungsgründen, sondern auch für eine schönere Haut verschrieben werden. Das Grazer Frauengesundheitszentrum mahnt jedenfalls zur Vorsicht. „Frauen, die mit einer Anti-Baby-Pille verhüten möchten, sollten jenen Typ verwenden, der am seltensten Venenthrombosen verursacht. Das sind Präparate mit dem Gestagen Levonorgestrel und mit geringen Östrogenmengen von 20 μg bis 30 μg Ethinylestradiol pro Tablette“, so Sylvia Groth, Geschäftsführerin des Grazer Frauengesundheitszentrums, in einer Aussendung.  be www.fgz.co.at

Quellen: www.queernews.at, www.sciencedaily.com, http://psycnet.apa.org, http://diestandard.at, http://derstandard.at, www.ots.at, http://de.reuters.com

 Preis für frauen- und geschlechtsspezifische Forschung an der Universität Innsbruck 2012, Arbeit bis 16.6., www.uibk. ac.at/leopoldine/gender-studies/preise/  Social Movement Studies, Special Issue: „New Feminisms in Europe“, Artikel bis 13.7., www.fpce.up.pt/ciie/ciieinforma/9/cfp/ callforsubmissionsNewFeminismsinEurope specialissueofSocialMovementStudies.pdf

 2012 Australian Critical Race and Whiteness Studies Association Conference „Racialising Desire“, Abstract bis 31.7., www.acrawsa.org.au/conference/ callforpapers.php  FrauenSommerUniversität 2012 (Wien), Beitrag bis 3.6., http://ffuni.blogsport. de/2012/03/10/fsu-2012-in-wien

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wohnungsmarkt

Jung, weiblich, alleinerziehend sucht … Wenn Beziehungen zu Ende gehen, müssen oft neue Wohnverhältnisse her. Der Wohnungsmarkt macht den Neuanfang für Alleinerziehende nicht unbedingt leichter. Katharina Ludwig hat zwei Erfahrungsberichte eingeholt.

Wohnung 200 Euro Belohnung! Kleine Familie (Mutter & 3-jähriger Sohn) sucht ab sofort eine 1,5-2-ZimmerWohnung hier im Kiez. Miete warm bis max. 500 Euro, WBS* vorhanden. Wir sind absolut sympathisch, rauch- und tierfrei! kleinefamilie36@... Kleinanzeige auf einem Kreuzberger Laternenmast * WBS: Wohnbe­recht­i­gungsschein

Wohnung für zwei, später mal drei oder auch mehr. So lautet die Einstiegsformel für eine durchschnittliche heterosexuelle Wohnungsfamilienbiografie. Bei einer späteren Trennung müssen dann oft binnen kurzer Zeit neue Wohnverhältnisse geschaffen werden. Gerade für Alleinerziehende ist die Bindung an den bisherigen Bezirk – mit dem Kindergarten oder der Schule des Kindes – oft groß, umso mehr, wenn sich innerhalb der Familie ohnedies einiges verändert. Das Budget für die Wohnungssuche dagegen ist plötzlich spürbar geschrumpft. Margarita + 2. „Es war wahnsinnig verunsichernd“, beschreibt Margarita den Beginn ihrer Wohnungssuche vor zwei Monaten. Schnell habe sie ein Gefühl dafür bekommen, wie schwierig die derzeitige Wohnungssituation in Berlin ist. Besichtigungen mit fünfzig Leuten in einer 60m2-Wohnung. Die meisten AnwärterInnen drücken gleich bei der ersten Besichtigung als erstes dem Makler ihre Bewerbungsunterlagen in die Hand. Das sind: die Kopie der Vorder- und Rückseite des Personalausweises, eine Schufa-Auskunft, die nicht älter ist als drei Monate, eine Mietschuldenfreiheitsbescheinigung vom derzeitigen Vermieter, manchmal auch ein Bewerbungsschreiben und am besten die letzten drei Gehaltsnachweise von einer Festanstellung. „Was denn für ein Gehalt? Ich habe gar keine 30 l an.schläge Juni 2012

Festanstellung, wie soll ich hier meine Bewerbungsunterlagen zusammenstellen?“, fragt sich Ladenbetreiberin Margarita. Sie habe noch nicht mal den Steuerbescheid von 2010. Aber selbst das Einkommen, das sie damit nachweisen kann, ist nicht sonderlich hoch. Mit einem vier- und einem zweijährigen Kind hat sie seit längerem nicht mehr Vollzeit gearbeitet. Einfach absurd findet Margarita die gegenwärtigen Mietvorstellungen. Die Preise seien in der Gegend zwischen Kreuzberg und Neukölln mittlerweile doppelt so hoch wie vor vier oder fünf Jahren, als sie mit ihrem damaligen Partner hierher gezogen ist. Nun berichten ihr Freunde von Wohnungssuchenden, die dem Vermieter freiwillig höhere Mieten anbieten, um an eine Wohnung zu kommen. Margarita will im „Zentrum rund um die Kita“ ihres Sohnes wohnen bleiben. Bei der Wohnungsgröße ist sie mittlerweile bescheiden. Sie sucht für drei ab fünfzig Quadratmetern. Dafür müsse sie schon mit 750 Euro rechnen. „Das geht gerade so“, meint sie, „aber sobald ein Kind krank ist, wird es kompliziert.“ Margarita überlegt, ob sie Wohngeld beantragen soll. Zum Glück gibt es in Berlin relativ viele Anlaufstellen, aber es sei auch eine Überwindung, dorthin zu gehen und sich helfen zu lassen. Seit zwei Monaten lebt Margarita nun schon mit ihrem Ex-Partner in der

alten gemeinsamen Wohnung. Diese ist zwar relativ groß, aber von der Raumaufteilung her ungünstig, um sich aus dem Weg zu gehen. Anfangs habe sie viel Druck gespürt, etwas Neues zu finden. Inzwischen erlebt sie die Wohnsituation nicht mehr als so dramatisch, ihr Ex-Partner arbeitet von Montag bis Donnerstag in einer anderen Stadt. Die Massenbesichtigungen kosten viel Kraft – doch über die Wohnungssuche hat Margarita auch viele Leute getroffen, die wie sie wegen einer Trennung eine neue Bleibe suchen. Manche von ihnen leben auch nach einem halben Jahr noch mit dem Ex zusammen. 440 Euro für 2–3 Zimmer. „Es gibt die große Hoffnung, dass wir Infos haben“, sagt Alexandra Szwaczka vom Verband Alleinerziehender Mütter und Väter in Berlin. Bei ihren Beratungen bekommt die Diplompädagogin immer wieder Anfragen, ob sie vielleicht eine Wohnung vermitteln könnten. Im Mietbereich sei es in den inneren Bezirken schwer geworden, Wohnraum zu finden, der für Alleinerziehende bezahlbar ist, sagt sie. Viele haben nur ein sehr begrenztes Budget zur Verfügung. Das betrifft vor allem Alleinerziehende im Dienstleistungsbereich, etwa in der Pflegearbeit. Eine alleinerziehende Krankenschwester etwa könne wegen der vielen Schichtdienste kaum Vollzeit arbeiten, auch die selbstständige Friseurin sei oft


leben mit kindern „Aufstockerin“ – also berufstätig, aber wegen zu geringem Einkommen auf Sozialleistungen angewiesen. Der Wunsch nach alternativen Wohnformen sei groß, zum Beispiel nach Wohngemeinschaften mehrerer Alleinerziehender oder nach Mehrgenerationen-Projekten. Optionen abseits des Mietwohnungsmarktes wie Genossenschaftswohnungen und Baugruppen speziell für Frauen und

lerInnen gefragt, als diese Nina bei der Besichtigung mit Kinderwagen sahen, sie aber angab, ohne Partner einziehen zu wollen. Sie müsse verstehen … man wisse ja nie, hieß es weiter. Alles wunderbar, meinte hingegen der Makler einer anderen Wohnung, für die sich Nina als eine der ersten InteressentInnen entschieden hatte. Sie müsse nur den Einkommensnachweis

Berlin-Kreuzberg: Die meisten AnwärterInnen drücken gleich bei der ersten Besichtigung als erstes dem Makler ihre Bewerbungsunterlagen in die Hand. Alleinerziehende kämen aber nicht für alle Alleinerziehenden infrage, meint Szwaczka. In der Praxis betreffe das eher die alleinerziehende Architektin, die gut verdient. Man könne ja mal über die Wohnungsplattform „Immobilienscout24. de“ suchen, wie viele 2–3-ZimmerWohnungen es für 440 Euro warm zur Auswahl gibt, meint Rainer Wild vom Berliner Mieterverein. So viel wird nämlich Bezieherinnen von Arbeitslosengeld II („Hartz IV“) in Berlin für eine Erwachsene und ein Kind an Miete zugesprochen. Benachteiligung gebe es bei der Vergabe allein dadurch, dass die Behörde der Mietwohnung zustimmen muss. Und bis diese das tut, sei – bei der großen Konkurrenz, die seit zwei, drei Jahren in den inneren Bezirken Berlins herrscht – die Wohnung schon wieder weg. Dass die Mehrheit der Alleinerziehenden auch ohne Hartz IV wirtschaftliche Sorgen hat, ist mittlerweile allgemein bekannt. Das kann dazu führen, dass sie bei der Wohnungsvergabe außen vor gelassen werden – was allerdings schwer nachzuweisen ist. Selten wird eine solche ablehnende Begründung vom Vermieter zu hören sein, so Wild. Nina + 1. Ganz unverblümten MaklerInnen ist Nina aus Wien bei ihrer Wohnungssuche begegnet. Nachdem sie von ihrem Mann verlassen wurde, suchte sie für sich und ihren acht Monate alten Sohn ein neues Heim. Die gemeinsame Familienwohnung wäre alleine nicht finanzierbar gewesen. Wie sie denn als Alleinerzieherin eine Wohnung bezahlen könne, wurde sie von ein, zwei Mak-

der letzten drei Monate faxen. Als Nina nur den Bezug des Karenzgeldes – immerhin achtzig Prozent ihres letzten Gehalts – und eine Bestätigung des Arbeitgebers über den geplanten Wiedereintritt anbieten konnte, reichte das nicht. Der Makler verlangte einen Bürgen, etwa ihren Ex-Mann oder ihren Vater. Nina war wütend, fühlte sich aber auch ohnmächtig: „Ich war in einer an sich schon schwierigen Situation gezwungen, in eine günstigere Wohnung umzuziehen, und dann sollte ich auch noch einen Bürgen vorweisen – am besten auch wohl meinen Ehemann, der mich verlassen hat. Frau mit Kind hat so schon mit zahlreichen Ungerechtigkeiten zu kämpfen, angefangen mit Karriereknick, Einkommenseinbußen, geringerer Pensionszeit aufgrund von Teilzeit, Doppelbelastung etc. Ich war wirklich frustriert, es hat sich wie ein weiterer Schlag auf den Kopf angefühlt.“ Schließlich schickte sie sogar den Pensionsbescheid ihres Vaters, wurde aber von da an vom Makler hingehalten. Nach rund zehn Tagen erklärte er ihr, dass sich der Vermieter für einen anderen Interessenten entschieden hätte. Nähere Gründe konnte er nicht nennen. ● Katharina Ludwig ist freie Journalistin in Berlin.

Barbara Tinhofer

Our Own Beard Unlängst im Kindergarten übte ein Vater heftige Kritik an der Platzvergabe für seinen dreijährigen Sohn. Er hat sich daran gestoßen, dass sein Sohn nicht in die Gruppe mit „dem Mann“ kommt. Stattdessen sollte das Kind in Zukunft von zwei Frauen in Konfliktsituationen unterstützt, zu Technikzerlege-Workshops ermutigt und auf Waldabenteuern begleitet werden. Das war dem Vater zu wenig. Hauptsache da ist irgendwer „Männliches“ dabei. Das hat immer noch Mehrwert. Der Trend geht hin zu den Männern in der Kindergartenpädagogik. „Männer in die Kitas!“ ist der neue Slogan der deutschen Nachbarn. Dann wird alles besser, denn die schupfen das schon mit ihren starken Nerven und ihrem starken Arm. Nerven und Muskelkraft haben die Frauen in dem Beruf Jahrzehnte lang bewiesen. Immer wieder haben sie auf die Mängel im System aufmerksam gemacht und für Verbesserungen gekämpft. Sie haben ihren Job den Umständen entsprechend gut gemacht. Die einen mehr, die anderen weniger sensibilisiert auf ihre eigene Geschlechterrolle, die sie den Kindern vorleben. Das ist bei den männlichen Kollegen nicht anders. Der Kindergarten ist schon seit viel zu langer Zeit ein feminisierter Beruf. Feminisiert heißt ja nicht, dass Frauen, die da ihrem Beruf nachgehen, mit den Kindern irgendwelche nebulösen „Frauensachen“ machen, sich nicht vom Fleck bewegen oder einen Umhang der Sanftmut über die Kinderschar breiten. Feminisiert heißt: inadäquate Bezahlung, teilweise unzumutbare Arbeitsbedingungen and the rest of the pack. Es braucht Vielfalt im Kindergarten – auch beim Personal. Bisher haben sich Frauen angesprochen gefühlt, nun ist es an der Zeit, dass Männer, Menschen mit migrantischem Hintergrund, FeministInnen, KünstlerInnen, WissenschaftlerInnen, BäckerInnen, HausbesetzerInnen … die Ausbildung machen und in den Beruf gehen. Einstweilen kleben wir Kindergartenpädagoginnen uns aber gerne ab und zu mal einen Bart an die Oberlippe, wenn’s besagtem Vater oder der zuständigen Politik hilft. Barbara Tinhofer ist u.a. Kindergartenpädagogin in Bildungskarenz, Studentin der Gender Studies an der Uni Wien und ­Mitbegründerin des Kollektivs Kindergartenaufstand: www.kindergartenaufstand.at  /  Illustration: Nadine Kappacher

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an.riss kultur preis Ausgezeichnete Elektronik

Electric Indigo  © Christian Koenig

Eigentlich heißt die österreichische Komponistin, Musikproduzentin und Techno-DJ Electric Indigo Susanne Kirchmayr. Weil die 1965 in Wien Geborene aber sowohl die Farbe Indigo mag als auch elektronische Musik, war der Künstler­innenname fast schon zwingend. Begonnen hat sie Ende der 1980er Jahre als Jazz- und Funk-DJ in Wien, wechselte ihren Stil später zu Detroit Techno und Chicago House. 1998 startete sie die internationale Plattform für weibliche DJs, Produzentinnen und Künstlerinnen female:pressure. Hier können sich Künstlerinnen aus dem Feld der elektronischen Musik vernetzen, unterstützen und informieren. Seit 2003 betreibt Electric Indigo auch ihr eigenes Label: indigo:inc recordings. Derzeit arbeitet Electric Indigo u.a. an einer neuen EP mit ihrer Kollegin Irradiation für TEMP~Records und plant ein neues Werk für Wien Modern in Kooperation mit dem e_may Festival im Oktober 2012. Zudem gestaltet sie jeden Monat einen Live-DJ-Mix für http://rts.fm. Nun wurde Electric Indigo mit dem Outstanding Artist Award Music 2012 des österreichischen Kulturministeriums ausgezeichnet. Wir gratulieren herzlich!  han

Das Verhältnis zwischen dem Eigenen und dem Fremden, zwischen Vertrautem und Anderem ist eines der zentralen Themen unserer Zeit. Die Asylpolitik in Österreich ist ein Beispiel dafür, wie man sich dieser so wichtigen Frage nicht stellt. Ob und wie die Kunst einen besseren Beitrag leisten kann, ohne nur für die ohnehin schon Bekehrten zu predigen, das fragt die internationale Gruppenausstellung „Wie zusammen leben?“ im Salzburger Kunstverein. Johanna Diehl, Nilbar Güres˛, Klub Zwei, Ernst Logar, Ján Mancˇuška und Wendelien van Oldenborgh beschäftigen sich in ihren Werken mit dieser Frage auf zwischenmenschlicher und interkultureller Ebene, hinsichtlich der Definition von Kunstwerken wie auch der Anleitung für ihre Rezeption. Im Kabinett des Salzburger Kunstvereins sind Foto-, Videoarbeiten und Installationen von Susanne M. Winterling zu sehen. Der 1970 geborenen Künstlerin geht es darum, die Komplexität des Abbildens und der Wahrnehmung nicht zu vereinfachen, sondern stattdessen in der ästhetischen Inszenierung Form und Inhalt zu verbinden, um nach anderen Lebens- und Sichtweisen zu suchen, die das Subjektive miteinbeziehen.  han

http://indigo-inc.at, http://soundcloud.com/indigo, www.femalepressure.net

Das Surreale, das vermeintlich Kranke und Abstoßende, das „Nicht-Normale“ – das waren die Themen der USamerikanischen Fotografin Diane Arbus. Sie fotografierte auf den Straßen New Yorks Drag Queens, Kleinwüchsige, Sexarbeiterinnen, Nudisten, Menschen mit psychischen und physischen Beeinträchtigungen. Die Fotografin und Fotojournalistin russisch-jüdischer Abstammung wurde 1923 in New York geboren, 1971 nahm sich die zeitlebens an Depressionen Leidende ebendort das Leben. Bekannt wurde Arbus in erster Linie durch ihre Fotoreportagen in namhaften US-Magazinen, 1972 wurde sie als erste nordamerikanische Fotografin auf der Biennale in Venedig ausgestellt. Diane Arbus hinterfragte mit ihrem Werk die gesellschaftlichen Grenzen von Normalität und Ästhetik. Die Retrospektive im Martin-Gropius-Bau präsentiert nun eine Auswahl von etwa zweihundert Fotografien – neben berühmten Aufnahmen auch zahlreiche Bilder, die bisher noch nie veröffentlicht wurden.  han

ausstellung I Natur – oder was wir dafür halten Wissenschaftliche Erkenntnisse halten wir gerne für die reine, unverhandelbare Wahrheit. Sanno Kannisto sieht das differenzierter: Sie erklärt, dass „die Wahl des Blickwinkels im Zusammenhang mit dem, was betrachtet wird, letztlich über die Erkenntnis entscheidet, die als Wahrheit präsentiert wird.“ In ihren Fotoarbeiten beschäftigt sich die finnische Künstlerin mit den Themenfeldern Natur und Wissenschaft und zeigt, wie die Forschung klassifiziert und generalisiert, was als Natur gelten kann und soll. Seit 1997 hält sich Kannisto regelmäßig mehrere Monate im Jahr in Forschungsstationen im südamerikanischen Regenwald auf, wo sie Seite an Seite mit WissenschaftlerInnen arbeitet. Entsprechend bedient sie sich in ihren Bildern nicht nur künstlerischer, sondern auch wissenschaftlicher Verfahren, immer mit dem einen Ziel: unsere Wahrnehmung von Natur und Naturwissenschaft zu hinterfragen. Unlängst war Kannisto in einer Schau der Helsinki School in Wien zu sehen, noch bis 23. Juni werden ihre Arbeiten jetzt in Berlin gezeigt.  han Sanna Kannisto: Close Observer, bis 23.6., Gallery Taik, Bergstraße 22, 10115 Berlin, Di–Sa., 12–18.00 u. auf Anfrage, www.sannakannisto.com, www.helsinkischool.fi

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ausstellung II Miteinander Leben

Wie zusammen leben? / Susanne M. Winterling, bis 8.7., Salzburger Kunstverein, Künstlerhaus, Hellbrunner Straße 3, 5020 Salzburg, Di–So, 12–19.00, T. 0662/84 22 94-0, www.salzburger-kunstverein.at, www.susannewinterling.de

ausstellung III Die Ästhetik des Nicht-Normalen

Diane Arbus, 22.6.–23.9., Martin-Gropius-Bau, Niederkirchner Straße 7, 10963 Berlin, Mi–Mo, 10–19.00, www.berlinerfestspiele.de

lesung Familienleben In ihrem autobiografischen Roman „Ab jetzt ist Ruhe“ erzählt Marion Brasch von ihren Eltern, die sich im Exil in London kennenlernten, und vom Leben der Familie in Ostberlin. Brasch, Jahrgang 1961, ist Hörfunkjournalistin und Autorin. Sie entstammt einer Familie deutsch-österreichischer Kom-


munistInnen mit jüdischen Wurzeln. Ihr Vater Horst Brasch bekleidete nach seiner Rückkehr aus dem politischen Exil in Großbritannien 1946 diverse hohe Ämter in der Kulturpolitik der DDR, ihre Mutter Gerda Brasch arbeitete als Journalistin. Während Marion Braschs drei Brüder – darunter der bekannte Dramatiker Thomas Brasch – gegen die Autorität der Vätergeneration revoltierten, suchte sie als jüngstes Kind Versöhnung und Ausgleich. In ihrem Buch erzählt sie jedoch auch, auf welche Grenzen sie dabei bisweilen stieß. In Berlin liest die Autorin aus ihrem Roman.  han Marion Brasch, 5.6., 20.00, Buchhandlung Thaer, Bundesallee 77, 12161 Berlin, T. 030/852 79 08, http://thaer.shop-asp.de

film Das Bild des Unsichtbaren Hiroshima und Fukushima – zwei Beispiele für Katastrophen, die man eigentlich gar nicht abbilden kann. Ihren Weg in Kunst und Populärkultur haben solcherlei atomare Bedrohungen dennoch gefunden, etwa in den japanischen Film „Godzilla“ von 1954. Ausgehend von diesem Film entwickelt die Choreografin und Performerin Doris Uhlich ein „Gedankenlichtspiel“ mit dem Titel „Sneak Preview“. Im Zentrum steht das Unsichtbare und die Fragen: Welche Bildsprache entwickeln Filme, um das Nichtdarstellbare darzustellen? Wie veranschaulichen Medien eine Katastrophe, die man nicht sieht? Und wie berührt eine/n eine Katastrophe, die man nicht sehen, nicht abbilden, nicht filmen kann?  han Sneak Preview, 21.6., 19.00, 23.6., 21.00, Stadtkino Wien, Schwarzenbergplatz 7–8,1030 Wien, www.brut-wien.at, www.dorisuhlich.at

filmkunst Analytische Sinnlichkeit Die 1972 im sizilianischen Agrigento geborene Rosa Barba arbeitet mit Film. Nicht dass sie Filme drehen würde – sie arbeitet mit Film in einem ganz materiellen Sinne. Barba macht Skulpturen aus 16mmProjektoren, verwendet Filmstreifen als Material. Im Zentrum der Ausstellung „Time as Perspective“ im Kunsthaus Zürich wird eine neue Arbeit stehen, die Rosa Barba gerade in Texas erarbeitet – dabei dreht sie dieses Mal tatsächlich einen Film. Genaueres über Form und Inhalt wird noch nicht bekanntgegeben, doch wie der Titel bereits andeutet, geht es auch hier um Barbas zentrale Themen: Sprache und Zeit. „Die Orchestrierung der Bilder mit Ton- und Textebene arbeitet neue Bilder heraus, die wir aber nicht sehen“, erklärt die Künstlerin. In ihren atmosphärisch sehr dichten Arbeiten verbindet sich – und diese Kombination gibt es selten genug – Analytik mit Sinnlichkeit. Nicht zuletzt deshalb gehört Barba wohl zu den weltweit am meisten beachteten filmisch arbeitenden Künstlerinnen ihrer Generation: Die Tate Modern in London und das Madrider Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofia widmeten ihr Einzelausstellungen, 2009 wurde ihr Werk an der Biennale in Venedig präsentiert. 2010 erhielt sie den renommierten Nam June Paik Award.  han Rosa Barba: Time as Perspective, 6.6.–9.9., Kunsthaus Zürich, 8001 Zürich, Heimplatz 1, Sa, So u. Di 10–18.00, Mi–Fr 10–20.00, www.kunsthaus.ch

Feministische Dirndln

Christiane Erharter

Als Kind hatte ich eine Lederhose. Für meinen Bruder und mich war sie das Spielgewand. Ich habe die Lederhose geliebt und wie eine zweite Haut ständig, nicht nur zum Spielen, getragen. Diese Vorliebe wurde auch auf Fotos, auf denen wir beide Lederhose und rot-weiß karierte Hemden tragen, festgehalten. Während die Tracht in Kindertagen integraler Bestandteil meiner Garderobe war, habe ich in der Pubertät Lederhose und Dirndl selbstverständlich abgelehnt. Das Distinktionsbedürfnis war zu groß und Tracht absolut uncool und politisch unkorrekt, weil sie immer von den Falschen (den TraditionalistInnen und Burschenschaftern) aus den falschen Gründen (beim Tirolerabend für die TouristInnen) getragen wurde. Eine Wiederaneignung meinerseits erfolgte erst in der Adoleszenz, und ich ging – Subversion durch Affirmation – ab und zu in Dirndl. Dann kam die Seppi Bar in München, in der die Chicks on Speed die Klubnächte im Dirndl-Outfit bestritten. Und natürlich Vivienne Westwood mit ihrer Interpretation von Tracht. Forthin wurde sie auch in hippen Kreisen getragen. Und dennoch herrscht im gesamten FreundInnenkreis eine einmütige Ablehnung gegenüber der Tracht – das Thema wird nicht einmal kontroversiell diskutiert. Daran ändert selbst der Hinweis auf Anna Freud im Dirndl bzw. Gertrude Stein und Alice Toklas in trachtigen Kleidern nichts. Auch der Einwand, dass die üppig ausgestellten Reifröcke, Goldhauben sowie die kanarigelben Lederhosen und mit bunten Federn geschmückten Filzhütchen der Appenzeller Sennentracht als Camp gelesen werden könnten, treibt die Debatte nicht voran. Geschweige denn trägt jemand Dirndl oder Lederhose. Deshalb bleibt meine Begeisterung heimlich, und ich teile sie lediglich mit zwei Freundinnen. Eine hat sich in einigen Kollektionen mit Trachten-Elementen dekonstruktivistisch auseinandergesetzt. Die andere besitzt ein eigenes Dirndl. Vielleicht sollten wir uns voll ausstaffiert beim nächsten Dyke March outen. Christiane Erharter ist 38 und spielt heimlich noch immer in der Lederhose.  Illustration: Nadine Kappacher

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film

Im Reich des Begehrens Madeleine, „die Frau, die lacht“ © 2011 – Les Films du Lendemain

Inszeniert als opulenter Hurenfilm gleicht „L’Apollonide“ einer Parabel über Ausbeutungsverhältnisse von einst und heute. Von Elisabeth Streit Ein leerer, schummrig beleuchteter Gang, die Kamera in Warteposition: Aus dem Halbdunkel taucht eine leicht bekleidete Frauengestalt auf und verschwindet sofort wieder aus dem Blickfeld. Zum Schlag einer Kirchturmuhr geht eine zweite Frau den Gang entlang, und die beiden verweilen kurz im Gespräch. Als ein Freier auftaucht, setzt sich ihr Arbeitsalltag fort. Dieser Mann ist nur zum Zuhören gekommen. Madeleine (Alice Barnole) erzählt ihm ihre erregenden Träume von ihm. Durch Zwischenschnitte eingeschoben sehen wir einen mechanisch vollzogenen Geschlechtsakt, bei dem die Prostituierte ungerührt und teilnahmslos ins Leere starrt. Die Traumerzählung ist zu Ende, doch Madeleines konkrete Frage, ob er daran denke, ihr einen Edelstein zu schenken, bleibt mit einem „vielleicht“ letztlich unbeantwortet. Der Ausstieg 34 l an.schläge Juni 2012

aus der Prostitution hat sich somit wieder ins Unabsehbare verschoben. Die eindringlich gesungene BluesRarität „The Right To Love You“ begleitet den in Schwarz-Weiß gehaltenen Vorspann von „L’Apollonide“, der sich genussvoll den schönen und ebenmäßigen Gesichtern der jungen Sexarbeiterinnen widmet. Ihre Blicke sind auffordernd neugierig, unbeschwert und lasziv zugleich, vielleicht ein wenig in sich gekehrt, aber immer wieder geradlinig in die Kamera gerichtet. Das sind die Frauen, die ihre Arbeit im Freudenhaus tagein tagaus verrichten. Die Freier_innen, das sind in dem konkreten Fall wir, das Publikum. Rachegöttinnen hinterm Einweg­ spiegel. So exquisit-schlicht wie elaboriert beginnt der neue Kinofilm des französischen Regisseurs Bertrand Bonello, der kongenial mit seiner

Kamerafrau Josée Deshaies das Leben der jungen Frauen und die zum größten Teil freudlose und fließbandgleiche Monotonie ihrer Arbeit ins Zentrum der kommenden zwei Stunden rückt. Die Southern-Soul-Nummer, die den Vorspann musikalisch unterlegt, stammt aus der Feder von The Mighty Hannibal. Trotz der zeitlichen Distanz zwischen der um die Jahrhundertwende angesiedelten Erzählung und des Songs von 1967 passen Bild und Musik perfekt zusammen. Die Handlung des Films beginnt im Jahr 1899 und kommt trotz der elliptischen Erzählform immer wieder auf bestimmte Grundthemen zurück: kapitalistische Ausbeutungsverhältnisse, die Erfindung der Psychoanalyse, die Loslösung von Zeit und Raum, die Geburt des Kinos sowie die Elektrifizierung der Metropolen – kurz und gut: die Moderne. Nehmen wir den Titel des Films „L’Apollonide“ wörtlich, dann passt auch er wie maßgeschneidert zur Erzählung über das Leben der Frauen. In der Mythologie steht der Gott


film Apollo den neun Musen als Beschützer der Kunst und Musik vor, gilt aber zugleich auch als Gott der Sühne. Diese göttlichen Wirkkräfte von Kunst und Zerstörung werden von den Frauen in „L’Apollonide“ in die Tat umgesetzt: Einerseits unterhalten sie ihre Kunden mit feinsinniger, luftig leichter Konversation, körperlicher Hingabe, Musik und Gesang. Doch am Ende werden sie wie Rachegöttinnen hinter einem Einwegspiegel der „Zurichtung“ einer ihrer Freier dicht aneinandergedrängt und stumm beiwohnen. Zu ebener Erde und im ersten Stock. Doch schön der Reihe nach. Madame Marie-France (Noémie Lvovsky), Witwe und Mutter zweier Kinder, führt ihr feudales Belle-Epoque-Bordell mit strenger, oft aber auch gütiger Hand. Sie ist im Grunde das Parade-Beispiel einer frühkapitalistischen, liberalen Arbeitgeberin. Um die zahlungskräftige Klientel zufriedenzustellen, wird ihre exquisite, stets frische Ware mit Argusaugen selbst beim Liebesakt durch einen Spiegel überwacht – nicht zum Lustgewinn, sondern um permanent die Kontrolle zu bewahren. Zudem führt Marie-France genau Buch über alle Einnahmen und Ausgaben und gönnt den Frauen nur bei den gemeinsamen Landpartien ein klein wenig unbeschwerte Freiheit. Aber selbst dort, beim Liegen im Gras, sind die Kunden Thema. Ihre Mädchen – Samira, Clotilde, Julie und andere – sind allesamt „Einzelunternehmerinnen“ und bei ihrer Arbeitgeberin derart hoch verschuldet, dass sie nur bleiben oder weiterverkauft werden können. In den oberen Stockwerken des Hauses leben die jungen Frauen auf engstem Raum in ihren klosterähnlich, spartanisch eingerichteten Zimmern mit Kerzenlicht, während in den noblen „Geschäftsräumen“ die Elektrifizierung schon stattgefunden hat. Diese von oben nach unten laufende Vertikalität zieht sich wie ein roter Faden durch die gesamte Erzählung. Alles ist, alle sind ständig in Bewegung, fast unentwegt huscht jemand durchs Bild oder wird gerade von der Dunkelheit der Gänge verschluckt. Präraffaelitische Wunscherfüllungsmaschinen. Alles unterliegt einem strengen Ritual, es herrscht p­ enib­le

Reinlichkeit und Sterilität, vom Ankleiden und Schminken bis hin zur wunderbar kunstvoll drapierten Frisur, mit der die Frauen den Wünschen der Freier entsprechen sollen. Jeden Abend verwandeln sie sich in scheinbar seelenlose Wunscherfüllungsmaschinen. Die jungen Prostituierten erstarren durch ihre Mutation zu puppenähnlichen Wesen, und die Zurschaustellung dieser Verwandlung gehört zu den großartigsten Szenen des Films: wie sie in ihrer

andauernden Ausbeutungsverhältnissen. Großartig sind auch die Schauspieler_innen, die als äußerst homogenes Ensemble die Erzählung immer in der richtigen Spannung halten. Jacques Nolot und Xavier Beauvois treten als Freier auf und sind wie Noémie Lvovsky gleichzeitig Regie-Kolleg_innen. Von Pascale Ferran, Regisseurin von „Lady Chatterley“ (Frankreich 2009), kommt die Erzählstimme, und eine der jungen Huren wird von Esther Garrel, Tochter

In der Mythologie steht der Gott Apollo den neun Musen als Beschützer der Kunst und Musik vor, gilt aber zugleich auch als Gott der Sühne. Diese göttlichen Wirkkräfte von Kunst und Zerstörung werden von den Frauen in „L’Apollonide“ in die Tat umgesetzt. kalten, impressionistischen oder präraffaelitischen anmutenden Schönheit zur perfekten Projektionsfläche für ihre Kundschaft werden. Ebenso ausgestellt werden die Dekadenz des Großbürgertums und der Untergang einer Gesellschaft bzw. Epoche, die wie durch ein Vergrößerungsglas betrachtet wird. Auch die Huren befinden sich in dieser unaufhaltsamen sozialen Abwärtsspirale, denn das Bordell soll geschlossen werden. Parallel wird die eiserne Solidarität unter den Sexarbeiterinnen zersetzt, als die junge Pauline (Iliana Zabeth) als Konkurrentin am Arbeitsmarkt hinzukommt und Clotildes (Céline Sallette) Stammfreier abwirbt. Wie gefährlich die Tätigkeit dieser Frauen ist und wie oft sie an der Grenze zum Tod arbeiten, wird klar, als der Freier aus der Anfangsszene beschließt, Madeleine einfach so, weil es in seiner Macht steht, grausam zu verstümmeln. Sie wird durch diese Misshandlung zum Freak, zur „lachenden Frau“, die nun wie eine Jahrmarktsattraktion bei gemischtgeschlechtlichen Orgien der Upper Class eingesetzt wird. Ungeschönter Blick in die Vergangenheit. Kunstvoll verdichtet Regisseur Bertrand Bonello seine durch analytische Schärfe bestechende Erzählung zur Parabel von bis in die Gegenwart

der Regie-Legende Philippe Garrel, dargestellt. Ein Hurenfilm im schönen Dekor und historischen Gewand kann lästige Themen wie Frauenhandel leicht vergessen machen. Trotzdem bezeichnet die Boulevardzeitung „Le Parisien“ Bonellos jüngstes Werk als einen großartigen, feministischen Film. Auch wenn der Boulevard den Film vermutlich nicht verstanden hat – mit dem Urteil hat er Recht. Denn obwohl der Regisseur sein Konzept von manierierter Ästhetik bis zur letzten Minute durchzieht, gelingt ihm dennoch ein ungeschönter Blick in die Vergangenheit – der zugleich heutige gesellschaftliche Missstände anprangert. Und das Zusammenspiel von Erzählung, Kamera, Schauspiel und Musik sucht unter vielen neuen Filmen seinesgleichen.  l Elisabeth Streit ist Bibliothekarin im Österreichischen Filmmuseum und Obfrau bei kinoki – Verein für audiovisuelle Selbstbestimmung.

„L’Apollonide“ (Frankreich 2011) – deutschsprachiger Verleihtitel: „Haus der Sünde“ – läuft derzeit in den Kinos.

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gaggle

Mehr Stimmen, mehr Freiheit Mit seinem Debütalbum „From The Mouth Of The Cave“, das dieser Tage erscheint, erschüttert der all-female Indie-Pop-Chor Gaggle unsere Gehörgänge. Von Vina Yun

„From The Mouth Of The Cave“ von Gaggle ist bei Transgressive Records/Cooperative Music erschienen.

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Noch immer herrscht mancherorts die Meinung, es läge an einer Handvoll Jungs in engen Jeans und mit Rockgitarre, die neue Musikrevolution auszurufen. Schnarch. Tatsächlich braucht es einfach mehr, um gehört zu werden. Anders gesagt: Beizeiten ist Stimmgewalt schlichtweg eine Frage der Masse. Das findet auch Deborah Coughlin, Gründerin und Boss Bitch von Gaggle, dem rund zwanzigköpfigen all-female Indie-Pop-Chor aus London. 2008 in der bierseligen Stimmung eines Pubs geboren, hat sich die MiniFrauenarmee in den letzten Jahren durch Kunstgalerien, Kirchen und Popfestivals gesungen (eine Einladung zur Casting-Show „Britain’s Got Talent“ wurde hingegen ausgeschlagen). Neben

knalligen Fantasy-Roben samt leuchtender Kriegsbemalung (file under: Riot Grrrls go Mittelerde) pflegen Gaggle nicht nur eine gute Portion D.I.Y.-Spirit, sondern auch jede Menge feministisches Sendungsbewusstsein – wie etwa mit der Neuinterpretation von „The Brilliant And The Dark“, einer Oper für Frauenstimmen aus den 1960ern, die die Menschheitsgeschichte der letzten Jahrhunderte aus weiblicher Perspektive Revue passieren lässt. Aufgeführt wurde das Stück, das von Ursula Vaughan Williams und Malcolm Williamson geschrieben wurde, erstmals 1969 in der Londoner Royal Albert Hall, mit über tausend freiwilligen Sängerinnen aus dem ganzen Land. Danach geriet das Werk in Vergessenheit – bis Gaggle

die Oper in den Archiven der Londoner Women’s Library wiederfand und sich an ein Rework machte. Comeback der Chöre. Gaggle (zu Deutsch: Geschnatter, Gegackere) betreiben jedoch mehr als feministische Archivarbeit. Sie repräsentieren den neuen Typus Chor, wie er in den letzten Jahren an Popularität gewonnen hat: Als solcher überbringt er nicht mehr die Botschaft einer göttlichen Macht oder kommentiert in antiker Tradition die Handlungen einer Hauptfigur auf der Bühne. Stattdessen fungiert der Alternativ-Chor von heute – vom Beschwerdechor bis zum Queer-Chor – als Plattform, um individuelle Geschichten bzw. aus dem eigenen Alltag zu erzählen und gemeinsame Erfahrungen zu artikulieren, als unterstützendes Netzwerk zwischen Gleichgesinnten. Dabei geht es nicht um den perfekten Gesang, im Gegenteil. Um Mitglied bei Gaggle zu werden, spielt Singerfahrung keine Rolle (Deborah Coughlin: „I don’t audition“), Disharmonien sind sogar willkommen. „Mehr Stimmen – mehr Freiheit“, bekennt sich Chorleiterin Coughlin, selbst klassisch ausgebildete Musikerin, zum professionellen Laien-


lesbennest the fabulous life of a queer femme in action

denice

I ’m a Creep

© Panoramic Press

tum: „Jede Frau besitzt ihre ganz eigenen stimmlichen Superkräfte.“ So ist auch der Frauen-Super-Chor ein

leicht auch sagen würde: Differenzen) macht Gaggle zu dem, was es ist: Eine geballte Ladung weiblicher

„Sie singen nicht gleich, betonen die Dinge nicht gleich, bewegen sich nicht gleich. Vielmehr geht es darum, etwas zur selben Zeit zusammen zu machen, nicht darum, dasselbe zu tun.“ Deborah Coughlin bunt zusammengewürfelter Haufen, der unter anderem von Lehrerinnen, Ärztinnen, Kulturwissenschaftlerinnen und Kreativarbeiterinnen gestellt wird. Wildes Geschnatter. Die Kraft von Gaggle liegt also nicht bloß in dem, was da teils augenzwinkernd und mit deftigem Vokabular besungen wird – seien es Alkoholfreuden, die Macht des Geldsystems oder die Lügen des untreuen Lovers –, sondern schöpft sich aus der kollektiven Anstrengung und einem solidarischen Miteinander. Homogenisierung? Mitnichten. Denn erst die Vielstimmigkeit (oder wie man im feministischen Diskurs viel-

Selbstbehauptung, die auf einem Teppich düsterer Ambient-Sounds, Bratze-Elektronik und klassischer Instrumentierung hereinschreitet. Gaggle ist, wie Coughlin anmerkt, „eine Collage von Frauen. Sie singen nicht gleich, betonen die Dinge nicht gleich, bewegen sich nicht gleich. Vielmehr geht es darum, etwas zur selben Zeit zusammen zu machen, nicht darum, dasselbe zu tun.“ In diesem Sinne stellt „From The Mouth Of The Cave“, das Debütalbum des aufsehenerregenden Frauenchors, auch mehr eine Momentaufnahme denn ein fertiges Produkt dar. Die allerdings um nichts weniger hymnisch ausfällt.  l

When I was a kid I collected the following items: handbags (really, I did), stamps, coins and stud bracelets in neon colours. The stamps I later traded for a Twisted Sister LP. Why any kid in the 80ies would have wanted to trade their TS album for stamps beats me. But I was happy with the deal. I still collect things, only now they are of a more abstract nature. And I do not always collect them particularly voluntarily. Most of them I would trade for stamps in a minute. In my current collection, hangovers, “well-meant but oh-so-wrong” compliments and Dyke Mikes are topping my list. The hangovers seem to occur more frequently nowadays and I blame that on the quality of the booze. The quantity of the intake is either not mentioned or just simply denied when I hold my weekly prosecution in my head. I always sentence myself to at least one week probation, which I always break, totally Lindsey Lohan-style. I’m guessing that by now I’m actually facing at least three lifetime sentences. But I can live with that. My talent for constantly putting my foot in my mouth (not literarily, mind you) is, however, a more urgent reason to send me to “cure that clumsy”-rehab. I really really mean well, but instead I’m usually leaving the conversations with a strange feeling in my belly that develops into a full blown “oh.god. shoot me.now”-explosion a couple of days later when I realise what I actually said. Somehow I also manage to sound really creepy. “I just love baby-butches,” is apparently inappropriate for a 36 year-old queen to say while she’s wiping her mouth. “Wow! You’ve got sooo tiny hands! I adore tiny hands, if you know what I mean, wink wink,” is a good way of not only offending the person by pointing out something that they hope that nobody pays too much attention to, but at the same time also of giving them really unrequested information on my sexual habits. As I said; Creepy Denice. My collection of Dyke Mikes, however, is something that I’m very happy about! I have them in all shapes, ages and sizes, love to show them off and it brings my old lesbo heart so much joy to watch them bend over backwards feminist style just to please me. Dyke Mike: Counterpart/correlary to Fag Hag. Someone who identifies as a man and spends most of his time around dykes/queer women; usually a gay man, though not always. (www.urbandictionary.com) Illustration: Nadine Kappacher

Juni 2012 an.schläge l 37


an.lesen

Erwachsenen­ bildung Zsófia Bán erfindet mit ihrem Buch „Abendschule“, einer „Fibel für Erwachsene“, fulminant ein eigenes Genre. Von Fiona Sara Schmidt

„Schreibt einen Aufsatz mit dem Titel ‚Ein Monat auf dem Dorf‘! Achtet darauf, niemanden zu schockieren, weder zu Hause noch in der Schule.“ Anweisungen wie diese gibt Zsófia Bán in jedem der als Schulfächer getarnten Kapitel ihren Leser_innen mit auf den Weg. Die Sammlung der lose zusammenhängenden Geschichten, Anekdoten und Gedankenwelten zeugt von der Lebenserfahrung der Autorin, die allerdings keineswegs schulmeisterlich, sondern selbst als staunende Schülerin auftritt. Mit Mitte Fünfzig ist sie eine lebenserfahrene Debütantin: Als 2008 „Esti iskola“ im ungarischen Original erschien, hatte Bán bereits als Journalistin und in Filmstudios gearbeitet, Ausstellungen kuratiert und Amerikanistik in Budapest gelehrt. Die Postmoderne sowie Identitäten jenseits starrer Geschlechter- und Nationalgrenzen sind Themen, denen sich die Autorin auch in ihrer wissenschaftlichen Arbeit widmet. Die Geschichten in „Abendschule“ jedoch kommen leichtfüßig und lebensnah daher, von poststrukturalistischem Wissenschaftsjargon keine Spur. Es handelt sich bei den Unterrichtsstunden um sehr sinnlich beschriebene Situationen, in denen Extreme ausgelotet werden. Das Ende der Kindheit, das in die verzauberte Welt zweier Schwestern mit einem schrecklichen Erlebnis hereinbricht. Eine Liebesgeschichte, die Bán in einem Nachtzoo stattfinden lässt, einem Tierpark, der sich an den Rhythmus seiner Bewohner anpasst. Im Werkunterricht lernen wir die Lehrerin Frau Tenkes kennen, von der die 38 l an.schläge Juni 2012

beruhigende Botschaft vermittelt wird „Für alles gibt’s ‘ne Lösung, hat man das nötige Nohau“, die jedoch an ihrem eigenen Anspruch scheitert. Statt Fröschen seziert Bán in ihrer Abendschule die am Herzen zusammengenähten Zwillinge von Frida Kahlo („Hand aufs Herz, wäscht du dir vor Operationen immer die Hände?“). Dieses thematische Durcheinander und die Vielstimmigkeit der Erzählstimmen werden von Báns ganz eigenem Sound zusammengehalten, den die Übersetzung von Terézia Mora meisterlich ins Deutsche überführt hat. Vielheit ist bei Bán keine Masse, keine Menge ohne Gesichter, lobt Kollege Péter Nádas im Nachwort. Alles fließt. Auch Grenzen der Sprache werden aufgeweicht, englische, französische und russische Lerneinheiten ergänzen den Text. Zsófia Báns eigener multikultureller Hintergrund spielt ebenfalls eine bedeutende Rolle. Sie ist in Brasilien als Tochter von HolocaustÜberlebenden geboren und in Ungarn aufgewachsen. Für sie sind die Dilemmata, die sich aus kultureller, sexueller, nationaler und linguistischer Identität ergeben, zentral für das eigene Schreiben. Die Shoah ist immer wieder Thema in den Geschichten, die Vernichtungslager gehören selbstverständlich mit zum Ensemble

von Erfahrungen. Ein ironischer Umgang mit vermeintlichen Wahrheiten und der subtile Humor der Autorin machen das Buch zu einer anregenden Lektüre, bei der die Pause nicht so sehnlich erwartet wird wie bei gewöhnlichen Unterrichtsstunden – es gibt sie aber trotzdem, zur Sicherheit. Die Weltraumhündin Laika, eine der talentiertesten Lehrerinnen im Buch, weiß auch über den besonderen Wert der Literatur Bescheid. Sie hält die Klassenlehrerstunde und erkennt in der Rakete, weit weg von der Erde: „Dass es keine Erklärung gibt, bedeutet nicht, dass es auch keinen Sinn gäbe!“ Und auch Laika tritt für die schwere Freiheit verschiedener möglicher Interpretationen ein.  l Zsófia Bán: Abendschule. Fibel für Erwachsene, Suhrkamp 2012, 23,60 Euro


an.lesen Japanische Jugendweisheit l

„Hikikomori“ werden junge Menschen genannt, die sich in ihren Zimmern einschließen und sich – manchmal über viele Jahre – weigern, das Elternhaus zu verlassen. Das Glossar am Ende des Romans erklärt den Begriff und führt als Ursache dieses grassierenden Phänomens (hunderttausende solcher Lebensverweigerer_innen soll es mittlerweile geben) den übergroßen Leistungs- und Anpassungsdruck in Japan an. Der Hikikomori, der im Zentrum der Romanhandlung steht, hat aber noch andere Gründe für seinen Rückzug. Ebenso wie der „Salaryman“ (Glossar: ein männlicher Firmenangestellter), dem er auf seiner vorsichtigen Rückkehr ins Leben im Park begegnet, hat er einen nahen Menschen verloren. Der alte und der junge Mann berichten einander fortan täglich auf der Parkbank von ihren Verlusten und aus ihren Leben. Diese Gespräche und die darin verhandelten Lebensphilosophien werden von Milena Michiko Flasar mit großer Naivität und mitunter auch kitschiger Klischeehaftigkeit angelegt. Und doch gelingt es ihr, zugleich etwas von dem ernsthaft und tief empfundenen Gefühl zu vermitteln, mit dem junge Erwachsene zum ersten Mal gewisse Gedanken und Lebenserkenntnisse entwickeln. „Aus ihrem Mund klingt das wie eine neue oder gerade erst wiedergefundene Weisheit“, heißt es im Roman anerkennend über eine, die gerade auf sehr anrührende und authentische Weise eine abgedroschene Phrase vorgebracht hat. Das Kompliment lässt sich an die Autorin unbedingt zurückgeben.  Lea Susemichel Milena Michiko Flasar: Ich nannte ihn Krawatte Wagenbach 2012, 16,90 Euro

Historisches Crossdressing  l

In den Niederlanden wurden seit dem 16. Jahrhundert Frauen von Gerichten verurteilt, die als Mann gelebt hatten und deren Tarnung aufgeflogen war. Lange bevor es Begriffe wie Trans* dafür gab, lebten in ganz Europa Frauen, die aus verschiedensten Gründen Männerkleider trugen. Die 1989 erschienene Studie von Dekker und van de Pol über weibliche Crossdresser und Transgender vom 16. bis zum 19. Jahrhundert stieß weitere Forschungen an. Sie analysiert auf verständliche Weise die Motive für Frauen, in die soziale Männerrolle schlüpfen. Meist dienten

die häufig jungen und armen Arbeiterinnen als Matrosen oder Soldaten. 120 Fälle von weiblichem Transvestismus haben die Historiker_innen recherchiert, nun liegt die aktualisierte Neuausgabe vor. Die Lebensgeschichten erzählen von wirtschaftlicher Not, dem Wunsch nach dem Ergreifen von Männerberufen oder jenem, eine andere Frau zu heiraten, und werden mit Quellen wie Gerichtsakten, Volksliedern und Illustrationen lebendig. Fiona Sara Schmidt Rudolf Dekker, Lotte van de Pol: Frauen in Männerkleidern. Weibliche Transvestiten und ihre Geschichte Wagenbach 2012, 14,30 Euro

Weibliches Wien

l Die Frauenspaziergänge von Petra Unger sind längst eine Wiener Institution. Seit vielen Jahren bietet die feministische Kulturvermittlerin diese Wien-Führungen an, bei denen Frauenstadtgeschichte erzählt und vergessener Frauen gedacht wird. Für alle, die lieber alleine und mit ausführlicher Lektüre auf feministische Spurensuche gehen, gibt es nun das passende Buch: Vier Routen mit Plan und Wegbeschreibung durch unterschiedliche Wiener Bezirke – an deren Ende jeweils ein ausgesuchter Lokaltipp steht – werden darin von Unger beschrieben. Und weil Gedenkarchitektur für Frauen bekanntlich rar ist, dienen ihr neben Wohnhäusern oder zentralen Orten der Wiener Frauenbewegungsgeschichte beispielsweise auch die Staatsoper, der Musikverein oder das Volkstheater als Stationen, um über ungewürdigte Künstlerinnen zu informieren. Lea Susemichel

Petra Unger: Frauenstadtspaziergänge. Entdeckungsreisen durch Wien Metroverlag 2012, 19,90 Euro

Heimatlose Trauer l Mascha

entstammt einer jüdischen Familie aus Aserbaidschan. Vor den dortigen Bürgerkriegszuständen flüchtete die Familie nach Deutschland. Hier lebt Mascha ein vermeintlich normales, glückliches Leben: Sie wohnt zusammen mit ihrem Freund Elias, studiert, spricht fünf Sprachen, übersetzt simultan. Auch zwei männliche Freunde hat sie, die so ziemlich alles für sie tun würden. Ein bisschen

verwöhnt ist diese Mascha, störrisch und unzugänglich. Als Elias überraschend stirbt, ist ihre Trauer maßlos, noch weniger als zuvor will sie gerettet werden, Hilfe annehmen. Mascha fährt zu Verwandten nach Israel. Autorin Olga Grjasnowa, 1984 in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku geboren, zeichnet in ihrem Roman­ debüt die durch und durch brüchige Welt einer jungen Frau, die nirgends so recht hingehört – oder nicht hingehören will. Grjasnowas Sprache ist poetisch, jedoch nicht manieriert, vielmehr klar und messerscharf analytisch. Eine lesenswerte Bestandsaufnahme unserer Gegenwart. Andrea Heinz Olga Grjasnowa: Der Russe ist einer, der Birken liebt Hanser Verlag 2012, 19,50 Euro

Gegenderte Knochen  l End-

lich ein Buch über GenderMedizin, das diesen Namen definitiv verdient! Aufbauend auf einer interdisziplinären Ringvorlesung an der Universität Graz, bildet dieser Sammelband aktuelle Debatten rund um das Thema Geschlecht in der Orthopädie ab. Wahrlich umfassend sind die Beiträge: Es geht nämlich nicht nur um Geschlechtsunterschiede bei orthopädischen Erkrankungen, sondern auch um allgemeinere Aspekte wie Schmerz, Public Health, Gesundheitsökonomie, Unfallchirurgie, Arbeits- oder Sportmedizin. Schon gewusst, dass Osteoporose zwar als typische Frauen-Erkrankung gilt, aber auch viele Männer betrifft? Das Schöne an diesem Einführungsband ist vor allem, dass er tatsächlich die Gender-Perspektive im Blick hat – das heißt nicht biologistisch argumentiert, sondern Lebensbedingungen, Arbeitsverhältnisse und Rollenverständnisse beachtet. Zwar widmen sich manche Beiträge nur der Sex-Perspektive, doch immer wieder findet sich auch der Hinweis, dass im jeweiligen Fachbereich (z.B. in der Kinderorthopädie, der Rheumatologie, bei Tumoren des Bewegungsapparates) erst wenig Gender-Bewusstsein vorhanden ist. Das Buch regt zu neuen Forschungsfragen an und ist ein Gewinn für die sich etablierende Gender-­Medizin. Bettina Enzenhofer Susanne Scheipl, Éva Rásky (Hg.): GenderUnterschiede in der Orthopädie … bis an die Knochen. Eine Einführung facultas.wuv Universitätsverlag 2012, 29,90 Euro Juni 2012 an.schläge l 39


an.lesen Gewählte Fremdheit  l  Mit 18

wird sie aus der Tschechoslowakei in die Schweiz transplantiert. „Grüezi!“ – Sie wird Jahre brauchen, um diese Grußformel zu entschlüsseln, eine von vielen Botschaften, die sich der Migrantin erst allmählich erschließen. Geld und Recht und Ordnung und Sauberkeit und Manieren. Kein Trödeln, Tänzeln, Träumeln, keine Späße, für die man sich nichts kaufen kann. In ihrem letzten Buch „Die beste aller Welten“ beschrieb Irena Brezná die Kindheitswelt. Jetzt widmet sie sich den Schmerzen der Verwandlung, die die erzwungene Migration bedeutet. Eine Verwandlung, die auch Bereicherung, nicht nur materielle, bedeutet. Die deutsche Schriftsprache vermittelt Klarheit und Abstraktion. Als Dolmetscherin setzt sie über Sprachufer, vermittelt zwischen Begriffswelten. Die Autorin bricht in neue Dimensionen auf. Will nicht Kindheitsmief gegen Wohlstandsmickrigkeit eintauschen.

Sie ist kein ganzer Mensch mehr. Das ist ihre Chance. Zusammenbruch und Fundstücke: Sie ist eine Collage, die sie selber gestaltet. Das utopische Projekt unserer Zeit. Keine trügerischen Zugehörigkeiten, auch kein Fremdheitsgedusel. Eine unsentimentale Fremdheit als Wahl. Und immer wieder zurückkehren in die wohltuend nüchterne, pragmatische Schweiz. Die jünger, bunter, fremder wird. Michèle Thoma Irena Brezná: Die undankbare Fremde Galiani Verlag 2012, 17,50 Euro

Fische springen nicht

l Im Schwimmbad ist Rita nicht zu übersehen: Mit seiner leuchtend roten Badekappe zieht das Mädchen sämtliche Blicke auf sich, als es auf dem Dreimeterbrett steht. Doch Rita springt nicht. Sie guckt bloß. Und kraxelt die Leiter wieder runter. Dasselbe Szenario beim Einmeterbrett: Schauen.

Abwägen. Hinunterklettern. „Feigling!“ verspottet sie ein Junge, doch Rita bleibt cool – und hüpft nonchalant vom Beckenrand ins blaue Nass. Mit wenigen Worten erzählt Heinz Janisch, Jugendbuchautor und Radiojournalist aus Wien, so einiges über die verschiedenen Arten von Mut: Schließlich braucht es auch jede Menge Mumm, zu sich selbst zu stehen. Die wunderbaren Bilder zu dieser leisen, aber feinen Story stammen von der belgischen Illustratorin Ingrid Godon. Geeignet nicht nur für große und kleine Schwimmbegeisterte. Vina Yun Heinz Janisch, Ingrid Godon: Rita Bloomsbury 2012, 14,40 Euro

bonustrack: Vera Kropf

Rocken am Spielplatz. Notizen zur Festivalsaison. Ja, es ist Sommer! Ab ins Kongressbad. Schwimmen bringt die Seele in Fluss. Und seit ich neuerdings diese Altdamenrückenprobleme (sog. Gitarrenschulter, von der einseitigen Belastung) habe, gäbe ich mein letztes Hemd für ein schönes Sportbecken. Schade nur, dass es mir nicht möglich ist, unter Wasser zu musizieren. Auch die Musik bringt doch die Seele zum Fließen, und alles auf einmal zu haben, muss göttlich sein! Dabei stehe ich der Verbindung von Sommervergnügen und Konzertwesen seit jeher skeptisch gegenüber. Ich bin retrospektiv gesehen ungemein froh darüber, dass ich z.B. nicht in Woodstock war. Da wird eine Magie beschworen, an die ich nicht glaube. Nennt mich altmodisch. Bei Musik unter freiem Himmel denke ich an Grillenzirpen unterm Sternenzelt, duftenden Orchester-Tanz beim Fliederbusch, knarzende Mariachi-Kapellen auf der Holzveranda, Bluesgesänge im Schaukelstuhl, Surf-Romanzen bei Sonnenuntergang, Secret-Agent-Thrills im silbernen Mondenschein, Big-Band-Glamour und Noise-Explosionen, Betörung, Ballkleider, bunte Lampions in den Bäumen. Es muss vor allem immer Nacht werden, in der Dämmerung, im Zwielicht kommt es

40 l an.schläge April 2012

heran. An einem heißen Tag im Schatten geht gerade mal Bossa Nova. Aber doch nicht Frontalbeschallung! Zwischen weißen Partyzelten im grellen Sonnenschein, vor oder auf wie gewaltige schwarze Burgen ins Gras drapierten Bühnen, deren powervolle Anlagen aus wurstigen, sich über die Wiese schlängelnden Kabeln gespeist werden, bei schalem Bier aus halbherzig gekühlten Dosen oder mit Werbung bedruckten Plastikbechern, auf denen ein Euro Pfand ist, komme ich nicht recht in Stimmung. Mein schönstes Festivalerlebnis? Der Stromausfall beim „Bock Ma’s“ in der alten Burgruine in Timelkam, als Nachts oben auf dem Berg im Wald ein mächtiges Gewitter losbrach: Es wurde dunkel, und siehe da, es kam Stimmung auf, apokalyptisch-romantisch-magisch. Dagegen: Rock’n’Roll und Sonnenschein, das will mir nicht ins Hirn hinein! Vera Kropf ist Gitarristin und Sängerin in den Bands Luise Pop (Wien) und Half Girl (Berlin) und würde sich als Nachtmensch bezeichnen.  Illustration: Lina Walde, http://linawalde.tumblr.com, http://evaundeva.blogspot.com


an.klang

Perfekt liebe­ voller Krach Die Grand-Dames der Riot Grrrls grüßen vom Pop-Olymp, etab­ lierte Grrrls werden komisch, und D.I.Y.-Grrrls üben musikalische Solidarität von unten. Von Kendra Eckhorst

Ob sie ein perfekter Star sei, fragt sich Beth Ditto mit zurückgenommener Stimmpräsenz auf der Single „A Perfect World“. Nicht schüchtern oder leise, eher nachdenklich schraubt sie ihre starke Stimme in die Höhe, die hier nicht die schmeichelnde Brachialität des Hits „Heavy Cross“ erreichen will. Vor kurzem fand A Joyful Noise (­Columbia/Sony Music), das lang ersehnte neue Album von Gossip, seinen Weg in die Welt und beackert in gewohnt poppiger Manier nicht nur das aktuelle politische Geschehen (wie in den Songs „Casualities Of War“ oder „Get A Job“). Vielmehr wird der kometenhafte Aufstieg zu König_innen des Popgeschäfts und „Jedermanns“ Lieblinge in mitreißenden Beats, melodischen Basslinien und mit klaren Stimmsaltos verarbeitet. Doch keine Angst – mit ihrer mittlerweile fünften Platte vertont das Trio keine deprimierte Abrechnung, sondern spielt eingängige, extrem tanzbare Songs, die die Hüften wackeln lassen und dennoch eigene Worte für seine perfekte Welt finden. Kleinstädte sind bekanntermaßen Ansammlungen merkwürdig zusammengewürfelter Als-ob-Architekturen, die sich urban geben wollen und doch nur funktionale Langeweile produzieren. Und dennoch reizt dieses Bild viele Künstler_innen. So auch Regina ­Spektor, die, als Alleinunterhalterin mit Klavier, den Mond über der Kleinstadt besingt. Von der russischen

Metropole Moskau in die noch sagenumwobenere Metropole New York gewandert, erzählt sie auf ihrem jüngsten Album What We See From The Cheap Seats (Sire Records) nicht von der langweiligen Jugend, die das Improvisationstalent herausfordert, sondern von den kleinen Dingen und Blicken fernab des großen Rauschens. Ihre Songs muten süß an, die Stimme vibriert in den Spitzen und lässt ein Leiden erahnen. Kurz vor dem Abdriften in die heulsusigen Frequenzlagen nehmen die Songs an Schärfe und Geschwindigkeit zu, elektronische Beats begleiten das handfeste Klavierspiel und ihre Stimme holt uns wieder aus dem Tal des Jammerns und der Bedeutungslosigkeit. Der Mondschein-Blues ist verbannt. Bereits Ende Februar brachte die queerfeministische Band Men eine gleichnamige EP (Iamsoundrecords) mit drei Stücken raus. Die hauen rein ins Ohr, mal mit tiefdröhnenden BassIntermezzos à la Subwoofer-Hupe oder schönen geraden Soundflächen. Das war zu erwarten. Irritierend an ihrem neuen Auftritt ist hingegen, dass der Bandname erweitert wurde. Und zwar um JD Samson & Men beziehungsweise Men featuring JD Samson. Dass die Band mit wechselnden Musiker_innen arbeitet und spielt ist nicht neu, auch nicht die Tatsache, dass JD Samson selbstredend die Initiator_in der Band ist. Warum eine Band, die sich als kollektives Performance-Projekt versteht und musikalisch politische Arschtritte austeilt,

© Dana Krusche

nun diese Trennung im künstlerischen Schaffen einführt, darüber lässt sich zurzeit nur spekulieren. Solidarisch kommt die Riot Grrrl Compilation (riotgrrrlberlin.tumblr. com) Nummer drei daher, die diesmal der inhaftierten Moskauer Band Pussy Riot gewidmet ist. Seit März sitzen drei Mitglieder wegen „Hooliganismus“ (heißt: Auftritt auf einem Kirchendach nebst Anti-Putin-Song) im Knast und warten auf ihre Anhörung. Die Plattform RiotGrrrl Berlin sammelt, archiviert und editiert auf ihren Samplern eine Vielzahl von Riot-GrrrlBands – von HipHop bis Punkrock – und verschreibt sich dem Do-it-Yourself-Gedanken. Auf der neuen Compilation gibt es eine Menge fantastischer Bands zu entdecken, wie etwa das HipHop-Trio Abstract Random aus Toronto, die mit ihrem rappenden Elektro „bring back cool feminist political“ auf die Bühne bringen wollen. Und das gelingt ihnen mit Bravour: unaufgeregte Stimmen, vielfach im Chor arrangiert, basslastige Beats, die auf allzu stampfenden Rhythmus verzichten und dennoch straight in den Kopfwackel-Reflex gehen.  l

Links www.gossipyouth.com www.reginaspektor.com www.menmakemusic.com http://riotgrrrlberlin.tumblr.com www.abstractrandom3.com

Juni 2012 an.schläge l 41


an.sehen

Who are the girls? Im April startete die neue TV-Comedy-Serie „Girls“ auf dem US-Sender „HBO“. Bettina Enzenhofer hatte viel Spaß mit den ersten Folgen.

„I may be the voice of my generation. Or at least: A voice of a generation“, erklärt Hannah ihren Eltern. Sie ist 24, hat gerade ihren (unbezahlten) Job verloren, und Mama und Papa wollen ihr nicht mehr länger finanziell unter die Arme greifen – was Hannahs Ambitionen, ihr Buch fertig zu schreiben, nicht gerade befeuert. Hannahs gleichaltrigen Freundinnen geht es nicht viel besser: Marnie befindet sich in einer unglücklichen Beziehung, Jessa schlägt sich als Babysitterin durch, und Shoshanna leidet darunter, noch nie Sex gehabt zu haben. Die vier sind die Protagonistinnen von „Girls“, der neuen Serie des TV-Senders „HBO“. Im Mittelpunkt steht Hannah, gespielt von Lena Dunham, die außerdem als Produzentin, Regisseurin und Drehbuchautorin für die gesamte Serie verantwortlich zeichnet. Und die 1986 geborene Dunham sorgt dafür, dass ganz bestimmte Themen in „Girls“ Platz finden, 42 l an.schläge Juni 2012

© HBO

etwa das Verhältnis zur besten Freundin, sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, Schwangerschaft und Abtreibung, sexuell übertragbare Krankheiten. Wir begegnen Frauen, die masturbieren und den Gebrauch von Kondomen einfordern. Und auch wenn sie mit ihrem Körper nicht ganz zufrieden sind, setzen sie andere Prioritäten als die einer neuen Diät.

Pot“ gilt, angesiedelt ist? Lena Dunhams Antwort: „Es war reiner Zufall. Ich wünschte, wir hätten die Vielfalt der Menschen in New York besser repräsentiert – wir hoffen, dass es eine zweite Staffel geben wird, und dann werden wir das auch entsprechend umsetzen.“ Zwischenzeitlich hat HBO bereits eine Fortsetzung bestätigt – es bleibt also abzuwarten, inwieweit Dunham Wort hält.

Verwöhnte weiße Mädchen. Echtes Vergnügen. Vorerst müs„Girls“ basiert auf Dunhams Leben sen wir uns mit zehn Episoden bei und dem ihrer Freund_innen und „Girls“ begnügen, die also keinesKolleg_innen, wie die Autorin wegs alle Lebenswelten abbilden. in einem HBO-Chat erzählte. Doch bei aller berechtigter Kritik: Männlichen Zusehern gebe „Girls“ Die bisher ausgestrahlten Folgen Einblicke in das Denken und die sind ziemlich witzig. Auch wenn Gespräche von Frauen. Was Dunham allerdings nicht sagt und dafür nur heterosexuelle Beziehungsformen abgehandelt werden, sind von vielen kritisiert wird: „Girls“ insbesondere die Sex-Szenen sehr dreht sich ausschließlich um die amüsant. Hier fallen keine leidenErfahrungen weißer, körperlich schaftlichen Körper übereinander nicht beeinträchtigter Mittelher, stattdessen sind die Situatioschicht-Frauen. „,Girls‘ is quite nen ein bisschen verkrampft und simply about spoiled White girls“, urteilt Renee Martin in ihrem Blog unaufgeregt – eben so wie im echten Leben. womanist-musings.com. Ob denn in „Girls“, das von Kritiker_inden weiteren Folgen auch People Of Color repräsentiert sein würden, nen zu Unrecht immer wieder mit „Sex and the City“ verglichen wo doch „Girls“ in New York wird, zeigt einen Lebensalltag City, das als kultureller „Melting

abseits neuester Fashion-Trends und Klatsch und Tratsch und nimmt stattdessen Freundschaften, sexuelle Beziehungen und Arbeitswelten in den Blick – mit all den Fragen und Problemen, die das junge Erwachsenenleben mit sich bringt. Und um nochmals auf die Frage zurückzukommen, wie „Girls“ mit Differenzen unter Frauen umgeht, sei auf eine sehr schöne Parkbank-Szene verwiesen, in der Hannah fragt: „Who are the ladies?“ Shoshanna: „We are the ladies.“ Jessa: „I’m not the ladies.“ Shoshanna: „Yeah, you are the ladies.“ Jessa: „You can’t force me to be a lady.“ Und Shoshanna schlussfolgert: „I’m not forcing you to be a lady. I’m a lady, she is a lady, you are a lady – we are the ladies.“  l „Girls“ wird ab Herbst auf dem deutschen Pay-TV-Sender glitz* zu sehen sein. www.hbo.com, www.glitztv.de


an.künden

Redaktionsschluss Termine 07 08/12 05.06.2012 termine@anschlaege.at

fest musik 7.6., 21.00, Berlin Smoke Fairies: Katherine Blamire & Jessica Davies, Tickets: VVK € 13 Roter Salon, 10178 Berlin, RosaLuxemburg-Platz, T. 030/417 17 512, www.greyzone-concerts.de 9.6., München Candy Club mit Gast DJane Dharma (Freakpop/Augsburg) Rote Sonne, 80331 München, Maximilianplatz 5, www.candyclub.de 16.6., 14.00, Wien 17. Regenbogenparade, Start: Rathausplatz, ab 18.00: Pride-Show mit Soulicious, Sarah-Stefanie, The Hitchhikers u.a. Rathausplatz, 1010 Wien, www. hosiwien.at/regenbogenparade, www. viennapride.at 23.6., 21.00, Wien Villa-Frauenfest: Welcome to the Dyke’o’drom, lesbischer Jahrmarkt, Sideshow in Town, Gauklerei, Candy, Zuckerwatte, Würstel. Trans* welcome! Rosa Lila Villa, 1060 Wien, Linke Wienzeile 102, T. 01/586 81 50, www.villa.at/lilatip 23.6., 20.00, Salzburg Die Flüchtlinge feiern, wir feiern mit! Fest zum Internationalen Flüchtlingstag mit Agidigbo – African Drummers and Singers ARGEkultur Salzburg, 5020 Salzburg, Ulrike-Gschwandtner-Str. 5, T. 0662/84 87 84, www.argekultur.at 29.6., 21.00, Wien Candy Club Rhiz, 1080 Wien, Stadtbahnbogen 37–38, www.candyclub.at, rhiz.org

film 6.–10.6., Wien VIS Vienna Independent Shorts – International Short Film Festival diverse Locations, Programmdetails unter, www.viennashorts.com 21.6., 19.00; 23.6, 21.00, Wien Doris Uhlich: Sneak Preview (im Rahmen von „Alles muss raus!“ von Brut Wien)

Stadtkino Wien, 1030 Wien, Schwarzenbergplatz 7–8, T. 01/712 62 76, www.brut-wien.at, www.dorisuhlich.at diverse Termine, Wien Tomboy (F 2010), Regie: Céline Sciamma, mit Zoé Héran, Malonn Lévana u.a.

bühne 1.6., 20.00, Villach A.MUSE.GUEULE – Lesung u. Performance von und mit Renate Aichinger Damensalon, 9500 Villach, Gerber­ gasse 4, www.gemmakunstschaun.at 1.,2.6., 20.30, Wien Leja Jurišic´ u. Petra Veber (Slowenien): Ballet of Revolt. Performance, Tickets € 18/erm. 11 Tanzquartier Wien, 1070 Wien, Museumsplatz 1, T. 01/581 35 91, www.tqw.at 2.–3., 5.–6.6., 20.30, Wien New Boehmian Gastarbeiter Opera, Doku-Performance im Rahmen der Wiener Festwochen WUK – Werkstätten und Kulturhaus, Währingerstr. 59, T. 01/401 21-0, www.wuk.at 8.–9.6., 20.00, Villach Versuch einer Liebe, an A.C.M.E.Production, Theaterstück von Paula Perschke u. Ninja Reichert Damensalon, 9500 Villach, Gerbergasse 4, www.gemmakunstschaun.at 9.6., 11.00, Villach Die „GenderBox.onetwothree“ tanzt mit Martina Seidl und dir, im Rahmen des Kunstprojekts „bist du gender oder was?“ von Barbara Rapp, im Rahmen von GEMMAKUN?TSCHAUN.2012 Open Air Galerie Hauptplatz Villach, 9500 Villach, http://bistdugenderoderwas.blogspot. com 14.6., 14.30, Villach Die „GenderBox.onetwothree“ wählt mit Barbara Rapp und dir, im Rahmen von GEMMAKUN?TSCHAUN.2012 Bahnhof Villach, 9500 Villach, http:// bistdugenderoderwas.blogspot.com 14., 20., 28.6., 19.30, Wien Die Reise – Ein Projekt für 30 Mig-

rantInnen von Jacqueline Kornmüller, eine Kooperation von Volkstheater mit „wenn es soweit ist“ Volkstheater, Haupthaus, 1070 Wien, Neustiftgasse 1, T. 01/521 11-0, www.volkstheater.at 16.6., 19.30, Wien MEMOIREN der Sarah Bernhard, von John Murrell, Deutsch von Ute Horstmann Volkstheater, Haupthaus, 1070 Wien, Neustiftgasse 1, T. 01/521 11-0, www.volkstheater.at ab 21.6., Melk Die Päpstin, nach dem Roman von Donna W. Cross, Bühnenfassung von Susanne Felicitas Wolf Wachauarena Melk, 3390 Melk, T. 02752/540 60, www.kultur-melk.at

ausstellung bis 6.6., Wien invisible transfer of signals for ioana nemes: Ausstellung zum ersten Todestag von Ioana Nemes (1979–2011), u.a. mit Arbeiten von Apparatus 22, Irina Bujor, Kilobase Bucharest u.a. Galerie Art Point, 1010 Wien, Universitätsstraße 5, Di, Mi, Fr 14–18.00, Do 14–19.30, T. 01/523 87 65-0, www.kulturkontakt.or.at bis 6.6., Berlin T.W.B.T.C. – To Whom Belongs The City: 16-Kanal-Videoinstallationen. Wie viel Entscheidungsgewalt von Frauen ist architektonisch und politisch sichtbar? alpha nova kulturwerkstatt & galerie futura, 12435 Berlin, Am Flutgraben 3, T. 030/95 61 60 52, www.alphanova-kulturwerkstatt.de ab 6.6., Zürich Rosa Barba: Time as Perspective Kunsthaus Zürich, 8001 Zürich, Heimplatz 1, Sa, So u. Di 10–18.00, Mi–Fr 10–20.00, www.kunsthaus.ch bis 9.6., Berlin Diana Hartmann: Fotoausstellung „Fruchtkörper/Antikörper und Sex with an Intersex“ SilverFuture, 12047 Berlin-Neukölln, Weserstraße 206, http://silverfuture.net bis 9.6., Wien Aneignung: Teil I: Bildbefragung, mit Werken von Claudia Angelmaier, Anna Artaker (A), Natalie Czech (D), Mishka Henner (GB) u.a. Fotogalerie Wien, 1090 Wien, Währingerstr. 59, Di u. Fr 14–19.00, Mi u. Do 12–19.00 Uhr, Sa 10–14.00,

T. 01/408 54 62, www.fotogalerie-wien.at bis 9.6., Salzburg Olivia Arthur, Lurdes R. Basoli, Zhe Chen, Emily Schiffer – Preisträgerinnen des Inge Morath Award Galerie Fotohof, Erhardplatz 3, 5020 Salzburg, Di–Fr 15–19.00, Sa 11– 15.00, Eintritt frei, T. 0662/84 92 96, www.fotohof.at bis 23.6., Berlin Sanna Kannisto – Close Observer, Fotoarbeiten Gallery Taik, Bergstraße 22, 10115 Berlin, Di–Sa 12–18.00 u. auf Anfrage, www.sannakannisto.com, www.helsinkischool.fi bis 16.6., Villach Damensalon präsentiert: DESTINATION: MUSE (NRA) UM – Eine Odyssee mit Sirenen, mit Renate Aichinger Crisendorfer, Sabine Druck, Simone Dueller u.v.m., im Rahmen von GEMMAKUN?TSCHAUN.2012 Damensalon, 9500 Villach, ­Gerbergasse 4, Mi–Fr 14–18.30, Sa 10–13.00, www.gemmakunstschaun.at ab 22.6., Berlin Diane Arbus: Fotografien Martin-Gropius-Bau, Niederkirchner Straße 7, 10963 Berlin, Mi–Mo 10–19.00, www.berlinerfestspiele.de bis 24.6., Bregenz Danh Võ – Vô Danh: Objekten, Installationen, Fotografien u. Arbeiten auf Papier Kunsthaus Bregenz, 6900 Bregenz, Karl-Tizian-Platz, Di–So 10–18.00, Do 10–21.00, T. 05574/485 94-0, www.kunsthaus-bregenz.at bis 24.6., Mannheim Pippilotti Rist: Augapfelmassage. Videoarbeiten, Skulpturen u. raumgreifende Installationen aus über 25 Schaffensjahren Kunsthalle Mannheim, 68165 Mannheim, Friedrichsplatz 4, Di–So, Feiertage 11–18.00, Mi 11–18.00 (freier Eintritt), T. 0621/293 64 52, www.kunsthalle-mannheim.eu bis 25.6., Wien Eveline Rabold: Fokus, Blicke, Faltungen. Fotoarbeiten KosmosTheater, Theaterfoyer, 1070 Wien, Siebensterngasse 42, jeweils 90 Minuten vor Vorstellungsbeginn, Eintritt frei, T. 01/532 12 26, www.kosmostheater.at bis 1.7., Krems Wunder. Kunst, Wissenschaft und Religion. Vom 4. Jahrhundert bis zur

Gegenwart, mit Werken von Yoko Ono, Francis Alÿs, Joseph Beuys, Dara Birnbaum u.a. Kunsthalle Krems, 3500 Krems, Franz-Zeller Platz 3, tägl. 10–17.00, T. 02732/90 80 10, www.kunsthalle.at bis 8.7., Salzburg Wie zusammen leben? Gruppenausstellung mit Werken von Johanna Diehl, Nilbar Güres˛, Klub Zwei, Ernst Logar, Ján Manˇcuška, Wendelien van Oldenborgh; Kabinett: Susanne M. Winterling Salzburger Kunstverein, Künstlerhaus, Hellbrunner Straße 3, 5020 Salzburg, Di–So, 12–19.00, T. 0662/84 22 94-0, www.salzburger-kunstverein.at, www.susannewinterling.de bis 29.7., Köln Yvonne Rainer: Raum, Körper, Sprache Museum Ludwig, 50667 Köln, Bischofsgartenstrasse 1, Di–So u. Feiertag 10–18.00, jeder 1. Do im Monat 10–22.00, T. 0221/221 261 65, www.museenkoeln.de/museum-ludwig bis 12.8., Wien Besetzt! Kampf um Freiräume in den 70ern Wien Museum, 1040 Wien, Karlsplatz, Di–So u. Feiertag 10–18.00, T. 01/505 87 47-0, www.wienmuseum.at bis 6.8., Berlin Aufklärung und Aufregung – 50 Jahre Schwule und Lesben in der BRAVO Schwules Museum, EG, (Eingang 1. Hof), 10961 Berlin, Mehringdamm 61, tägl. außer Di 14–18.00, Sa 14–19.00, T. 030/69 59 90 50, www.schwulesmuseum.de bis 6.8., Berlin Fotografie – Petra Gall – Rüdiger Trautsch Schwules Museum, EG, (Eingang 1. Hof), 10961 Berlin, Mehringdamm 61, tägl. außer Di 14–18.00, Sa 14–19.00, T. 030/69 59 90 50, www. schwulesmuseum.de

vortrag diskussion 4.6., 19.00, Linz aFz-Diskuthek: „Pflege- und Sorgearbeit im Spannungsfeld von Ehtik und Ökonomie. Und die Frauen Mittendrin!“ – Vortrag u. Diskussion mit Maria Dammayr Autonomes Frauenzentrum, 4020 Linz, Starhembergstraße 10/Ecke Mozartstraße, 2. Stock, T. 0732/60 22 00 (Mo–Fr 9–12.00, Do 13–16.00),

Juni 2012 an.schläge l 43


an.künden Arche e.V., 10115 Berlin, Große Hamburger Straße 28, T. 030/282 74 35, www.evas-arche.de 1.–3.10., Graz Bewerbungs- u. Berufstraining: Strategiebildung und Training für Wissenschaftlerinnen, Kosten: € 295/80, Anmeldung bis 30. Juli unter ilse. wieser@uni-graz.at Karl-Franzens-Universität Graz, 8010 Graz, Zentrum für Weiterbildung, Harrachgasse 23/2

aktivitäten 12.–16.6 , 11–23.00, Wien Vienna Pride – Musik, Tanz, Vorträge, Filme, Workshops Rathausplatz, 1010 Wien, www.viennapride.at

© Gregor Titze

Natur-verbunden Weil bald Sommer ist, übersiedelt das Brut Koproduktionshaus für das „Up to Nature“-Festival in den Wienerwald. Dort entwerfen u.a. Choreografin Ingri Midgard Fiskal, Komponistin Ingvild Langgård und Bühnenbildnerin Signe Becker in der Konzertperformance „Night Tripper“ ein mystisches und animalisches Bild der Natur. Die bildende Künstlerin Johanna Kirsch setzt sich in einen Baum, um die Perspektive zu wechseln und ihrem Ich auf die Spur zu kommen. 15.6. ab 18.00, 16.–17.6. ab 12.00: Up to Nature – Unplugged-Festival im Grünen, Programmdetails unter www.brut-wien.at, Eintritt frei www.frauenzentrum.at 5.6., 19.00, Wien Greta Wagner (D): Neuro-Enhancement und Geschlecht, im Rahmen der Ringvorlesung „Gendered Subjects: Neurokulturen und Geschlecht“ Campus der Universität Wien, Hörsaal B, 1090 Wien, Spitalgasse 2–4, Hof 2, http://kalender.univie.ac.at 7.6., 19.00, Berlin Migration als Auslöser von Identitätskrisen oder als Chance zur Entwicklung. Vortrag und Gespräch Interkulturelles Frauenzentrum S.U.S.I., 10115 Berlin, Linienstr. 138, T. 030/282 66 27 19, www.susi-frauen-zentrum.com 14.6., Innsbruck 24. Innsbrucker Gender Lecture: „Gender“ und „Migration“ in biographischen Konstruktionen – Method(olog)ische Anmerkungen, mit Bettina Dausien, Sabine Gatt u. Michaela Ralser Universität Innsbruck, HS 2, SOWI, 6020 Innsbruck, Universitätsstraße 15, www.uibk.ac.at 21.6., 19.00, Berlin Frauenleben – Gespräch mit Texina Faria Interkulturelles Frauenzentrum S.U.S.I., 10115 Berlin, Linienstr. 138, www.susi-frauen-zentrum.com

44 l an.schläge Juni 2012

lesung 4.6., 20.00, Wien Kriegswaffe Planet Erde – Buchpräsentation von Rosalie Bertell, Tickets € 5 3raum Anatomietheater, 1030 Wien, Beatrixgasse 11, T. 0650/323 33 77, www.3raum.or.at 5.6., 20.00, Berlin „Ab jetzt ist Ruhe“ – Lesung mit Marion Brasch Buchhandlung Thaer, 12161 Berlin, Bundesallee 77, T. 030/852 79 08, http://thaer.shop-asp.de 6.6., 20.00, Berlin Lesbische Auslese – Literarisches Quartett, mit Ahima Beerlage, Laura Méritt, Katrin Raum, zu Gast: Brigitta Altermann, exklusiv für Frauen BEGiNE – Treffpunkt und Kultur für Frauen e.V., 10783 Berlin-Schöneberg, Potsdamer Str. 139, T. 030/215 14 14, www.begine.de

seminar workshop 14.6., 19.30, Berlin Workshop: Denken neu lenken. Grenzen setzen – wie es leichter geht, NEIN zu sagen Ökumenisches Frauenzentrum Evas

13.–16.6., Wien Regenbogenführung an der Universität Wien: Mann – Frau – schwul – lesbisch – queer? Führungen zur Geschichte der Homosexualität an der Universität Wien Universität Wien, 1010 Wien, Dr.Karl-Lueger-Ring 1, http://kalender. univie.ac.at

Bitches & Popos Experimentell, facettenreich und doch tanzbar– so klingen die Songs von Patrick Weber. Sein KünstlerEgo Crazy Bitch In A Cave trägt pompöse Kostüme und eine Wallemähne: Genderstereotype murdered on the Disco-Dancefloor!. Geschlechternormen werden auch bei Pop:sch, local heroes in Sachen Queer Electro-Pop, zerlegt, etwa wenn es um das Thema Körperhaare geht: So sexy hat noch kein Damenbart geklungen. 22.6., 22.30: Crazy Bitch In A Cave & Pop:sch, Volkstheater, Rote Bar, 1070 Wien, Neustiftgasse 1, Tickets: AK € 12/VVK 10, T. 01/521 11-0, www.volkstheater.at

15.6., 17.30, Wien Djane-Workshop for Lesbians & Friends, mit Sweet Susie u. Falangee (brunnhilde) Großes Zelt des Pride Village, 1010 Wien, Rathausplatz, www.viennapride.at 22.6., 15.00, Wien Mädelsflohmarkt: Vintage- u. Secondhandklamotten, Schuhe, Schmuck, Accessoires u. Designstücke, nur bei Schönwetter Künstlerhaus brut, 1010 Wien, Karlsplatz 5, T. 01/587 87 74, www.brut-wien.at 18.–22.10., Auschwitz-Birkenau Frauenstudienreise nach Auschwitz: Frauen als Verfolgte, Opfer u. Täterinnen, Kosten € 220, Anmeldung bis 30.6. bei Karin Graf unter T. +49(0)561/24771, karin-e-graf@t-online.de jeden Mi u. Fr, 21.00, Wien Resis.danse Frauentanzabend Café Standard, 1050 Wien, Margaretenstraße 63 (Ecke Straußengasse), www.resisdanse.at diverse Termine, Schweiz Wen-Do – Selbstverteidigung u. Selbstbehauptung von Frauen, für

Pop:sch

Mädchen u. Frauen Infos und aktuelles Kursangebot unter www.wendo.ch jeden Freitag, 12–20.00, Berlin Sexclusivitäten mit Laura Mérritt: Freitags-Freuden-Salon bei Kaffee & Kuchen, ab 18.00 Veranstaltungen zu verschiedenen Themen Sexclusivitäten, 10961 Berlin, Fürbringerstraße 2, T. 030/693 66 66, www.sexclusivitaeten.de

beratung jeden Mi, 20–21.30, Wien Coming-out-Gruppe für Lesben (Neuu. Quereinsteigerinnen, Spätzünderin-

nen und solche, die sich – noch – nicht sicher sind), Juni-Termine: 6.6., 13.6., 20.6., 27.6. Lila Tipp – Lesbenberatung, 1060 Wien, Linke Wienzeile 102, T. 01/586 81 50, www.villa.at/lilatip jeden Donnerstag (werktags), 9–11.00, Graz Infotage 2012, Bildungsberatung im Rahmen von zam (Zentrum für Ausbildungsmanagement), spezielle Angebote für Frauen mit Interesse an technischen Berufen, bis 28.6. im zam Frauenservice, 8020 Graz, Lendplatz 38, ab 5.7. im zam nowa, 8010 Graz, Jakominiplatz 16, Steinfeldhaus, weitere Infos unter T. 0316/48 26 00, www.nowa.at

Manege frei! Der Zirkus bot Frauen und Mädchen im 19. Jahrhundert die Möglichkeit, ein unabhängiges Leben zu führen – ob als Dompteuse, Muskelfrau, Luftakrobatin oder gar Zirkusdirektorin. Das Frauenmuseum Hittisau widmet ausgewählten weiblichen Zirkus-Biografien eine eigene Ausstellung, geht aber auch Fragen von Ausgrenzung und Ausbeutung im Zirkus nach. bis 13.1.2013: Die Tollkühnen Frauen, Frauenmuseum Hittisau, 6952 Hittisau, Platz 501, Do 15–20.00, Fr–So 10–12.00 u. 14–17.00, T. 05513/62 09 30, www.frauenmuseum.at


an.künden No Secret Singer-Songwriter Rae Spoon, transgender CountrySänger aus Kanada, ist auch in unseren Breiten kein Unbekannter. Die jüngste Veröffentlichung des Musikers, der seine Zelte von Berlin nach Montreal verlegt und sich stilistisch zunehmend Rock- und ElektronikKlängen zugewendet hat, trägt den Titel „I Can’t Keep All Of Our Secrets“. Thema des Elektro-Pop-Albums ist die Komplexität von Verlust und Trauer – Spoon verarbeitet darin den plötzlichen Tod eines guten Freundes. 7., 10. u 11.6. Berlin, 13.6. Basel, 15.6. Wien, 16.6. Nürnberg, 17.6. Innsbruck, 23.6. Hamburg, www.raespoon.com Projekt, 10991 Berlin Mitte, Choriner Straße 10, T. 030/280 61 85, www. frauenkreise-berlin.de

Alexandra Bircken: Pferdchen, 2008. Foto: Jonas Leihener, Frankfurt/M.; Courtesy BQ, Berlin; Herald St, London; Kimmerich, New York

Ver-flochten Alexandra Bircken verflicht, verknotet und verwebt alltägliche Materialen wie Strumpfhosen, Zeitungsfetzen oder Schaumstoff zu Bildern oder Skulpturen. Textilien spielen eine große Rolle in der Kunst der ehemaligen Modedesign-Schülerin, die regelmäßig auf internationalen Ausstellungen vertreten ist. Ohne Bedeutung aufzudrängen, hinterfragen ihre Werke dabei immer auch Geschlechter- und Künstlerrollen sowie an Material und Gesten gebundene Klischees. bis 2.9., Alexandra Bircken, Hamburger Kunstverein, 20095 Hamburg, Klosterwall 23, Di–So u. Feiertag 12–18.00, T. 040/32 21 57, www.kunstverein.de jeden Do, 20–23.00, online Help Chat: Halt der Gewalt! www.haltdergewalt.at/gtchat jeden Fr, 14–19.00, Berlin Coming-out-Beratung für Frauen, telefonisch, persönlich oder per E-mail beratung@spinnboden.de Spinnboden Lesbenarchiv, 10115 Berlin, Anklamer Straße 38, 2. Hinterhof/3. Aufgang/2. Stock, T. 030/448 58 48, www.spinnboden.de diverse Termine, Vorarlberg FEMAIL-Sprechtage zu Themen wie Beihilfen, Karenz, Wiedereinstieg, Bildung, Gesundheit, Trennung u. Pension Sprechtage u. Orte unter www. femail.at diverse Termine, Graz Beratung in persönlichen Gesprächen, telefonisch u. per E-Mail zu frauenspezifischen Erkrankungen, Menstruation, Wechseljahre, Sexualität, Verhütungsmittel, Schwangerschaftsabbruch usw. Frauengesundheitszentrum, 8010

Graz, Joanneumring 3, T. 0316/83 79 98, www.fgz.co.at diverse Termine, Wien, Graz, Innsbruck verschiedene therapeutische Gruppen: Young*Trans, Queer*Family, SAPPHO u.a. COURAGE – Beratungsstelle für gleichgeschlechtliche und transGender Lebensweisen, Standorte u. Termine unter www.courage-beratung.at nach Terminvereinbarung, Linz Rechtsberatung, psychosoziale Beratung, Selbsthilfegruppen, Beratung nach Terminvereinbarung Autonomes Frauenzentrum, 4020 Linz, Starhembergstraße 10/Ecke Mozartstraße, 2. Stock, T. 0732/60 22 00 (Mo–Fr 9–12.00, Do 13–16.00), www.frauenzentrum.at diverse Termine, Berlin Frauenkreise – anonyme Krisen-, Konflikt- u. Rechtsberatung für Frauen Frauenkreise – soziokulturelles

radio fixtermine Mo, 18–19.00, Wien Khorschid Khanum – Die persischsprachige Frauensendung Orange 94.0 MHz, Live Stream: http://o94.at, jeden 1. Mo Mo, 19–20.00, Oberösterreich 52 Radiominuten – Sendung von FIFTITU%, Vernetzungsstelle für Frauen in Kunst und Kultur in OÖ Radio FRO, 105.0 MHz (Linz), Live Stream: http://fro.at, jeden 4. Mo Mo, 18–19.00, Kärnten Frauenstimmen – Glas zena Radio Agora 105.5 MHz (Dobrac), Live Stream: www.agora.at, wöchentlich Di, 13–14.00, Wien Globale Dialoge – Women on Air Orange 94.0 MHz, Live Stream: http://o94.at, wöchentlich Di, 18–19.00, Wien Weibertalk – Sendung des Autonomen FrauenLesbenZentrums Innsbruck Orange 94.0 MHz, Live Stream: http://o94.at, jeden 2. Di Di, 20–21.00, Deutschland Mrs. Pepsteins Welt – FeminismusAllüren, und Musik, Musik, Musik Radio Blau 99.2 MHz (Leipzig), www.mrspepstein.de, jeden 4. Di Di, 21–22.00, Wien female:pressure – Feministisches Magazin zu Musik- und Clubkultur Orange 94.0 MHz, Live Stream: http://o94.at, jeden 2. Di Mi, 18–18.30, Salzburg Frauenzimmer – Plattform für eine frauenspezifische Information Radiofabrik 107.5 MHz (Salzburg Stadt), Live Stream: www.radiofabrik.at, wöchentlich Mi, 17–18.00, Steiermark Femme Totale – frauenspezifische Themen aus den Bereichen Kunst, Kultur, Politik, Gesundheit, Soziales Kultur- und Bildungskanal des Radio Helsinki auf 92,6 MHz, Live Stream: www.helsinki.at

© JJ Levine

Mi, 18–19.00, Wien Bauch, Bein, Po – Die Sendung für die ganze Frau Orange 94.0 MHz, Live Stream: http://o94.at, jeden 2. Mi Do, 18–19.00, Wien Transgender Radio liefert eine bunte Mischung zu Transgender-Themen aus Berlin Orange 94.0 MHz, Live-Stream: http://o94.at/programs/transgenderradio/, jeden 1. und 3. Do Do, 21–22.00, Web Disco Biscuit, präsentiert von Vina Yun Live-Stream: www.muelgrimeradio.de jeden 4. Do

So, vierwöchentlich, 17–18.00, Steiermark Wäre ich ein Buch... feministische Inhalte aus Büchern und anderen Medien Radio Helsinki 92.6 MHz (Graz), Live Stream: www.helsinki.at So, 17–18.00, Steiermark Genderfrequenz – Sozialpolitisch, feministisch, unbeugsam Radio Helsinki, 92.6 MHz (Graz), Live Stream: www.helsinki.at, jeden 2. So So, 19–20.00, Tirol Weibertalk – Sendung des Autonomen FrauenLesbenZentrums Innsbruck FREIRAD 105.9 MHz (Innsbruck), Live Stream: www.freirad.at, jeden 1. So

Fr, 18–19.00, Wien Radio UFF – Sendung des Unabhängigen FrauenForums Orange 94.0 MHz, Live Stream: http://o94.at, jeden 1. Fr Fr, 19–20.00, Oberösterreich SPACEfemFM Frauenradio Radio FRO 105.0 MHz (Linz), Live Stream: http://fro.at, eden 1., 3. u. 4. Fr Sa, 12–13.00, Deutschland Rainbow City – Radio für Lesben und Schwule 97.2 MHz (Berlin), Live Stream: www.radiorainbowcity.de, wöchentlich

Kino Mittelmeer Das Internationale Filmfestival Innsbruck nimmt uns mit auf eine Reise zum Mittelmeer, nach Algerien, nach Südost-Europa und wieder zurück. Eine Kooperation mit dem Sarajewo Filmfestival eröffnet jungen FilmemacherInnen eine Plattform für Austausch. Ehrengast des Festivals ist Jeanine Meerapfel: Die in Argentinien gebürtige Regisseurin gewann für ihre Spiel- und Dokumentarfilme bereits zahlreiche Preise. Und auch Kurzfilme kommen beim IFFI nicht zu kurz! 5.–10.6., Internationales Filmfestival Innsbruck, Programminfos u. Tickets unter T. 0512/57 12 62, www.iffi.at Juni 2012 an.schläge l 45


das illustrierte werbe-wäh

Vorschau auf die Juli / August-Ausgabe:

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Jenseits der Hetero-Ehe

an.schläge-Abopreise: Schnupperabo (3 Hefte): 10/12* Euro Jahresabo (10 Hefte): 35/ermäßigt 29/45* Euro Unterstützungsabo (10 Hefte): 43/53* Euro * Gültig für Europa, weitere Auslandspreise auf Anfrage. Weitere Infos unter abo@anschlaege.at oder auf www.anschlaege.at.

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Kleeblattgasse 7 Rathausstraße 21 Schottengasse 4 Wollzeile 11 Schulerstraße 1–3 Johannesgasse 16 Universitätsstraße 7 Taborstraße 28 Mariahilferstraße 8 Kaiserstraße 96 Museumsplatz 1 Alser Straße 39 Berggasse 8 Schwarzspanierstraße 15 Wielandgasse 2–4 Rudolfstr. 17 Dragonenstr. 22 Dreifaltigkeitsgasse 12 Museumstraße 4 Kirchstraße 39 Siebenundvierzigergasse 27 Feuerbachgasse 25 Paulitschgasse 5/7

und auch in vielen Städten in Deutschland. 46 l an.schläge Juni 2012

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an.schläge gibt’s in folgenden Buchhandlungen: ChickLit Fachbuchhandlung ÖGB Kuppitsch Morawa Frick International tiempo Facultas Lhotzkys Literaturbuffet Südwind Tabak Trafik Brosenbauch Walther König im MQ Riedl Löwenherz Südwind Infoladen Infomaden Infoladen Treibsand Kulturverein Waschaecht Rupertusbuchhandlung Wagnersche Buchhdlg. Verein Amazone Berta – Bücher & Produkte KiG! Kultur_in_Graz Hacek-Bücherei

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Die faule Frieda

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Frieda hängt den ganzen Tag in ihrem Baum und schaut sich die Gegend an. Nur im Notfall klettert sie kurz herunter, ansonsten hat sie es immer sehr gemütlich. Der kreischende Affe, der sie zum Springen antreiben will, kann sie nicht beeindrucken. Sie lädt ihn ein, sich lieber mal zu ihr zu hängen. Und schon sieht die Welt ganz anders aus. Die faule Frieda macht richtig Geschmack auf so eine nette Hängepause.

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Frieda gähnt laut und schließt die Augen, denkt: „Was soll falsch am Hängen sein? Im affig-wilden Weltgetriebe gibt es genug, die lauthals schrei`n.“ Irene Gunnesch und Heide Stöllinger: Faule Frieda. Jungbrunnen 2011 ab 4 Jahre 13,90 Euro

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21.09.2011 10:28:09

Queen of the Neighbourhood

kollektiv sternchen & steine

Hendrik Wallat

Revolutionäre Frauen

Begegnungen auf der Trans*fläche

Staat oder Revolution

Biografien und Stencils

128 Seiten | 12,80 EUR [D] | ISBN 978-3-942885-05-8

Das Queen of the Neighbourhood Collective versorgt die nach revolutionären Stencils hungrigen Straßen mit neuem feministischen Glanz und macht sich über die Che-Effekte in der westlichen Kulturindustrie lustig. In Schrift und Bild portraitiert werden dreißig Aktivistinnen, Anarchistinnen, Feministinnen, Freiheitskämpferinnen und Visionärinnen:

Queen of theHarrietNeighbourhood Tubman, Louise Michel, Vera Zasulich, Emma Gold-

Revolutionäre Frauen

man, Qiu Jin, Nora Connolly O’Brien, Lucia Sanchez Saornil, Angela Davis, Comandante Ramona, Phoolan Devi, Ani Pachen, Anna Mae Aquash, Hannie Schaft, Rosa Luxemburg, Brigitte Mohnhaupt, Lolita Lebron, Djamila Bouhired, Malalai Joya, Vandana Shiva, Olive Morris, Assata Shakur und andere.

Biografien und Stencils

– reflektiert 76 Momente des transnormalen Alltags 128 Seiten, 9,80 EUR [D] | ISBN 978-3-942885-12-6

Vielschichtige Kurzgeschichten und Zeichnungen erzählen von den Absurditäten des Trans*alltags. Aus der Sicht von autonomen/anarchistischen/queer-feministischen Trans*Leuten (so was gibt’s!) und ihrem Umfeld. Bücher, die sich geisteswissenschaftlich oder medizinisch mit dem „Phänomen“ trans* beschäftigen, gibt es viele. Hier ist endlich ein Buch mit Geschichten und Bildern, über die mensch auch mal herzhaft und befreiend lachen kann – der Zwang, sich 1nem von 2 Geschlechtern zuordnen zu müssen, bringt reichlich groteske Situationen hervor.

128 Seiten | 12,80 EUR [D] | ISBN 978-3-942885-05-8

viele buecher wenig platz keine fenster schlechte luft selbstorganisiertes kollektiv respektvoller umgang politischer raum nicht gewinnorientiert bibliophil antirassistisch antisexistisch gegen diskriminierung antifaschistisch feministisch antihomophob emanzipatorisch gegen antisemitismus lustvoll

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„Man kann nur dann gut leben, wenn man weiß, dass es auch den anderen gut geht.“ (Ute Bock)

Das Queen of the Neighbourhood Collective versorgt die nach revolutionären Stencils hungrigen Straßen mit neuem feministischen Glanz und macht sich über die Che-Effekte in der westlichen Kulturindustrie lustig. In Schrift und Bild portraitiert werden dreißig Aktivistinnen, Anarchistinnen, Feministinnen, Freiheitskämpferinnen und Visionärinnen: Harriet Tubman, Louise Michel, Vera Zasulich, Emma Goldman, Qiu Jin, Nora Connolly O’Brien, Lucia Sanchez Saornil, Angela Davis, Comandante Ramona, Phoolan Devi, Ani Pachen, Anna Mae Aquash, Hannie Schaft, Rosa Luxemburg, Brigitte Mohnhaupt, Lolita Lebron, Djamila Bouhired, Malalai Joya, Vandana Shiva, Olive Morris, Assata Shakur und andere.

Bernhard Schmid

Die arabische Revolution?

Aspekte und Probleme linker Bolschewismuskritik

Soziale Elemente und Jugendprotest in den nordafrikanischen Revolten

Hardcover, 288 Seiten, 29,80 EUR [D] ISBN 978-3-942885-17-1

Im Mittelpunkt steht die Darstellung zentraler theoretischer Kritiken an Lenin und seinen Genoss*innen, die links von der Sozialdemokratie entstanden sind: Trotzki, Luxemburg, Gorter, Pannekoek, Rühle, Rocker, Goldman, Steinberg, Korsch, Weil und viele weitere kommen zu Wort. Diese Revolutionäre teilten mit dem Bolschewismus die Kritik an Reformismus und Kapitalismus, erkannten aber, dass jener selbst eine neue Form der Herrschaft war, die der (Arbeiter*innen-) Selbstbefreiung entgegenstand.

TB, 120 Seiten, 12.80 EUR [D] ISBN 978-3-942885-02-7

kollektiv sternchen & steine

Begegnungen auf der Trans*fläche

– reflektiert 76 Momente des transnormalen Alltags

Hendrik Wallat edition assemblage Staat oder Revolution

Aspekte und Probleme linker Bolschewismuskritik

edition-assemblage.de | Postfach 27 46 | D-48014 Münster

128 Seiten, 9,80 EUR [D] | ISBN 978-3-942885-12-6

Vielschichtige Kurzgeschichten und Zeichnungen erzählen von den Absurditäten des Trans*alltags. Aus der Sicht von autonomen/anarchistischen/queer-feministischen Trans*Leuten (so was gibt’s!) und ihrem Umfeld. Bücher, die sich geisteswissenschaftlich oder medizinisch mit dem „Phänomen“ trans* beschäftigen, gibt es viele. Hier ist endlich ein Buch mit Geschichten und Bildern, über die mensch auch mal herzhaft und befreiend lachen kann – der Zwang, sich 1nem von 2 Geschlechtern zuordnen zu müssen, bringt reichlich groteske Situationen hervor.

Hardcover, 288 Seiten, 29,80 EUR [D] ISBN 978-3-942885-17-1

Im Mittelpunkt steht die Darstellung zen retischer Kritiken an Lenin und seinen G die links von der Sozialdemokratie entst Trotzki, Luxemburg, Gorter, Pannekoek, Goldman, Steinberg, Korsch, Weil und v kommen zu Wort. Diese Revolutionäre t Bolschewismus die Kritik an Reformism talismus, erkannten aber, dass jener sel Form der Herrschaft war, die der (Arbei Selbstbefreiung entgegenstand.


€ 3,80 (Ö) € 4,80 (D) sfr 9,00

Emanzipationsmittel

l l an.schläge das feministische monatsmagazin. juni 2012

Thema: Biking Feminismus & Fahrradliebe Piraten-Partei Piratinnen organisieren sich gegen Sexismus

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Gaggle Viele Frauenstimmen – ein Indie-Pop-Chor

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