NR. 5 Mai 2014
Mai 2014 www.das-ideale-heim.ch CHF 9.50
KLEINE HÄUSER: Acht Beispiele
TESSIN Betonbau mit Weitsicht von Silvia und Reto Gmür Architekten
MY DAY WITH Ein Blick in die persönliche Wohnwelt der Innenarchitektin Mia Kepenek
L SPEZIA und «Wohner» Esszimm
Tipps für nd gu Einrichtunauf Möbelk
TESSIN: Betonbau mit Weitsicht MY DAY WITH: Mia Kepenek SPEZIAL: Wohn- und Esszimmer
KLEIN & FEIN GUTE ARCHITEKTUR MUSS NICHT VIEL PLATZ EINNEHMEN. OFT SIND KLEINE HÄUSER UND WOHNUNGEN ECHTE PERLEN. ACHT BEISPIELE.
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Formgebung Wertvoller als purer Raum ist die Möglichkeit, ihn flexibel zu nutzen – USM Möbelbausysteme für anpassungsfähige Lösungen.
Fragen Sie nach detaillierten Unterlagen oder besuchen Sie unsere Showrooms. USM U. Schärer Söhne AG, CH-3110 Münsingen, Tel. +41 31 720 72 72 Showrooms: Berlin, Bern, Düsseldorf, Hamburg, München, New York, Paris, Stuttgart, Tokio info@usm.com, www.usm.com
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E D I T O R I A L
Foto: Bruno Helbling, Stuhl von Arne Jacobsen by Republik of Fritz Hansen über www.holmsweetholm.ch
Rückzugsorte können nicht bombastisch sein Als Kind zog ich mich oft ins Schlafzimmer zurück, wenn mich die Erwachsenen mal wieder auf die Palme getrieben hatten. Oft habe ich mir dann vorgestellt, wie es wäre, nur auf diesen rund zwölf Quadratmetern zu leben. Ich habe mir im Kopf alles perfekt eingerichtet, und theoretisch hätte es funktioniert – bis auf das Bad. Dass man sich aber auf wenigen Quadratmetern – total rund dreissig – eine ganze Wohnung einrichten kann, zeigt das polnische Architekturbüro 3XA (ab Seite 50). Ab Seite 64 zeigen wir Ihnen verschiedene Beispiele von sogenannten Einraumhäusern, die aber alles bieten, was das wohnende Herz begehrt. Meister bezüglich der Gestaltung kleiner Häuser sind die Japaner. Ein besonders schönes Beispiel japanischer Baukunst, das aber ebenso gut irgendwo bei uns stehen könnte, finden Sie ab Seite 44. Sich gut einrichten hat a priori nichts mit der Grösse der Räume zu tun. Im Gegenteil: Oft ist es fast noch schwieriger, einen grossen Raum so zu beleben, dass die einzelnen Möbelstücke nicht wie Schiffe auf einem kaum befahrenen See zur Geltung kommen. Bei der Auswahl unserer Reports ist es uns wichtig, dass die Einrichtung auch etwas über die Bewohner erzählt. Auf den Bildern soll spürbar sein, dass die Wohnung oder das Haus von den dort Lebenden in Besitz genommen wurde. Zugegeben: Oft werde ich darauf angesprochen, dass die gezeigten Reportagen alles andere als die Realität widerspiegeln. Ich behaupte dann immer wieder, dass die Unordnung hinter der Kamera zu finden wäre – was nicht immer stimmt, aber meistens der Fall ist. In der neuen Rubrik «My Day With», die wir mit dieser Ausgabe lancieren, steht jedoch der in der Wohnung lebende Mensch im Fokus. Hier wird explizit auf Persönliches hingewiesen, auf Sammelleidenschaften etwa oder auf Selbstgemachtes. In dieser Ausgabe zeigen wir Ihnen die Wohnung von Mia Kepenek.
Das beliebteste Wohnzimmer der Schweizer ist unser Metier.
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Gute Lektüre wünscht herzlichst
ANITA SIMEON LUTZ Chefredakteurin anita.simeon@archithema.ch
Das Ideale Heim im Mai 2014 — Editorial
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I N H A LT Mai 2014
Porträt JEAN-MARC GADY
Seite 92 Clever EINRAUMHÄUSER
Seite 64 Tessin AM RANDE
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Fokus kleine Räume
21 Mein Ideales Heim –— Virginia Maissen liebte das Stöbern auf dem Dachboden ihrer Grossmutter.
44 Japan –— Bauklötze und Vogelnester inspirierten den Architekten Keisuke Maeda.
22 Auslese –— Tipps der Redaktion.
50 Polen –— Die Einzimmerwohnung eines jungen polnischen Architektenteams.
30 Design –— Moritz Schmid entwarf für den «Auftritt Schweiz» eine Bank. 32 Architektur –— Ein Restaurant in der Landschaft von Büning-Pfaue Kartmann Architekten.
56 Tessin –— Wespi de Meuron Romeo schaffen Grösse durch Reduktion. 64 Einraumhäuser –— Eine Auswahl an erfinderischen Kleinbauten.
34 Kunst –— Ein neues Werk von Felice Varini an der Universität St. Gallen. Klein & Fein: Die Japaner sind Meister im Bauen kleiner Häuser. Hier das Beispiel von Keisuke Maeda. (Titelbild: Sergio Pirrone)
36 Reisen –— Entspannen im Vollholzhotel «Forsthofalm» sowie Tipps in Salzburg. 38 Bücher –— Über Häuser und Blumen: unsere Empfehlungen. 42 Let’s Play –— Das Resultat von Thai Hua.
Wohnen 92 Porträt –— Die Pariser Bleibe des französischen Designers Jean-Marc Gady sowie einige seiner Entwürfe. 98 Tessin –— Betonbau im Grünen von Silvia und Reto Gmür Architekten. 106 My Day With –— Ein Blick in die Wohnung der Innenarchitektin Mia Kepenek.
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Fotos: Francis Amiand (1), Leonardo Finotti (1), Hannes Henz (1)
Entree
Das Ideale Heim im Mai 2014 — Inhalt
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Begehbarer Kleiderschrank Gliss Walk-In – Bett Nature Ferruccio Laviani Rahmen mit Spiegel D.950.1 Gio Ponti Molteni&C Agency T 091 7911008
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molteni.it
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Jubiläum «CONSETA»
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Rückblick 1935
Garten
NUR-DACH-HAUS
SERGE LUTENS
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112 Visite –— Eine neue Pulverbeschichtungsanlage bei USM steigert die Präzision der Produktion. 116 Küche –— Platz sparen und schaffen mit den Küchen von Wiesmann. 120 Bad –— Dank geschickter Planung lassen sich Wellnessbäder auch auf wenigen Quadratmetern umsetzen.
72 Wohnen –— Die schönsten Produkte für das Wohnzimmer. 84 Einrichten –— DECOLARGO schafft eine Atmosphäre durch natürliche Materialien und Eigenentwürfe. 86 Essen –— Bei Esszimmertischen liegt Holz im Trend.
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Editorial Impressum Köpfe Prämien Wettbewerb Vorschau Juni
Serviceguide 140 Profis 144 Service: Neues auf einen Blick 146 Die Experten 150 Designhotels 152 Adressen
124 Garten –— Der legendäre Parfumeur Serge Lutens hat in Marrakesch einen verzauberten Garten entstehen lassen. 130 Jubiläum –— Vor 50 Jahren erblickte «Conseta» von Cor das Licht der Welt. 132 Das Ideale Heim 1935 –— Ein Haus von Paul Artaria und Karl Zaeslin. Dazu Möbel-Tipps von unseren Vintage-Spezialisten.
Standards
Spezial «Wohnen»
Spezial WOHNEN
Titelthemen sind farbig markiert
Seite 72
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Fotos: COR (1), Cyrill Chrétien / Philipp Mägerli (1), Living Divani (1), Ligne Roset (1), Patrice Nagel (1)
Rundgang
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AUSLESE
Produkte & Prototypen: Eine lange Vitrine zeigt einen Einblick in die tägliche Arbeit des Designers.
KONSTANTIN GRCIC
Panorama Vitra Design Museum
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Kunst im Hotel Das Hotel Castell in Zuoz hat sich auch unter Kunstfreunden einen Namen gemacht. Das Etablissement beherbergt nicht nur eine grosse Anzahl von Werken aus der Sammlung des Hauptaktionärs Ruedi Bechtler, sondern bietet im hoteleigenen Artshop neu auch eigene Editionen an, wie die Colored Lamp des Künstlers Olaf Breuning. www.hotelcastell.ch
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Bildung im Licht Die Velux Stiftung hat zum vierten Mal den Tageslicht-Award vergeben. Diesjährige Gewinner sind die japanischen Architekten Kazuyo Sejima und Ryue Nishizawa von Sanaa für das Rolex Learning Center an der École polytechnique fédérale de Lausanne. Einen Ehrenpreis der Jury erhielt der Zürcher Architekt Christian Kerez für das Schulhaus Leutschenbach in Zürich (im Bild). www.veluxstiftung.ch
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Versteinert Am 15. Mai 2014 können sich Interessierte über die Vielfalt von Naturstein und dessen Bearbeitungsmöglichkeiten bei Stone Group informieren. Anhand fünf auserwählter Projekte zeigt Stone, wie Abläufe strukturiert und Steine bearbeitet werden und wie ein Bauprojekt begleitet wird. Musik und kulinarische Genüsse runden den Abend ab. www.stonegroup.ch
Fotos: Florian Böhm (2), Markus Jans (1)
Konstantin Grcic
Der Stuhl «Chair One» (aka «Grcic-Stuhl») konnte in einem Sprint von nur zehn Jahren seinen Klassiker-Status gewinnen. Wie viele von Grcics Produkzeh ten strahlt s er Ernsthaftigkeit und eine gewisse Sperrigkeit aus, doch das Können des d Designers liegt vor allem darin, dass seine Entwürfe jede Gefälligkeit vermeiden und ihre oft eigenwillige Ästhetik aus der Auseinandersetzung mit verme Materi Materialien, Technologien und Produktionsverfahren beziehen. Für die Ausstellung kr kreierte Grcic raumgreifende Installationen: ein Wohninterieur, ein Designund einen Stadtraum. Sie zeigen fiktive Szenarien, die seine persönlichen atelier u Visionen für das Leben von morgen darlegen. AH K Konstantin Grcic – Panorama, Vitra Design Museum, bis zum 14. September 2014. www.design-museum.de, www.konstantin-grcic.com
Das Ideale Heim im Mai 2014 — Auslese
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AUSLESE Martino Gamper: Remake aus drei Stühlen, 2008.
Gemustert: Dekorationsstoff für die Krefelder Textilindustrie, nach 1898.
Henry van de Velde: In seinem Arbeitszimmer im Haus Hohe Pappeln in WeimarEhringsdorf, 1907/08.
MUSEUM BELLERIVE
Henry van de Velde – Interieurs Der Allrounder
Andrea Garbald: Historische Fotografie zwischen künstlerischem Anspruch und akribischer Dokumentation.
Chronist Das Buch «Andrea Garbald (1877–1958)», erschienen im Scheidegger Spiess Verlag, ist eine umfassende Präsentation des aussergewöhnlichen Werks des ersten Berufsfotografen des Bergells. Andrea Garbald verbrachte beinahe sein ganzes Leben in der elterlichen, von Gottfried Semper erbauten Villa in Castasegna. Von dort aus hielt er Landschaft und Menschen, Ereignisse und Bräuche eindringlich und über einen langen Zeitraum fest. www.scheidegger-spiess.ch
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Bildgerecht Vom 16. Mai bis 1. Juni 2014 werden im ewzUnterwerk Selnau die Besten des «Swiss Photo Award» 2014 gezeigt. Zuvor, vom 9. Mai bis 1. Juni 2014 werden die Fotografen der Shortlist, Ränge 4 bis 10 einer Kategorie, in der Photobastei ausgestellt. Dieses Jahr finden – mit Ausnahme der Preisverleihung – alle Veranstaltungen des Begleitprogramms in der Photobastei statt. www.ewzselection.ch
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Heiss: Henry van de Velde, dreiteiliges Teeservice, 1921–1922.
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Reshape Seit Anfang Jahr präsentiert sich der Sitz von Wogg in einem neuen Kleid. Für den gelungenen Umbau zeichnet das Studio Hannes Wettstein verantwortlich. Einfache, aber hochwertige Materialien sowie clevere Lösungen widerspiegeln die Philosophie des Schweizer Möbelherstellers. www.wogg.ch www.studiohanneswettstein.com
Fotos: Frau mit Blumentopf: © 2014 Fondazione Garbald, Castasegna; Stefan Jaeggi (1); FX. Jaggy/U. Romito (2); Klassik Stiftung Weimar (1)
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Henry van de Velde war nicht nur Maler, er bildete sich autodidaktisch zum Architekten, Designer, Pädagogen und Kunstberater aus. Sein Haus Bloemenwerf in Uccle bei Brüssel war ein aufsehenerregendes Projekt, das durch seine neuartigen Raumaufteilungen für allerlei Gesprächsstoff sorgte. Auch in Paris, Berlin, Weimar, der Schweiz und den Niederlanden arbeitete Henry van de Velde an seiner Neuorientierung des Kunstgewerbes. Die Ausstellung im Museum Bellerive zeigt anhand von Einzelstücken, Kunstwerken, Fotos und ganzen Interieurs das Schaffen von Henry van de Velde. Sie veranschaulicht seine gestalterische Kraft und Vielseitigkeit. FQ Bis 1. Juni 2014, Museum Bellerive, Höschgasse 3, 8008 Zürich www.museum-bellerive.ch
Das Ideale Heim im Mai 2014 — Auslese
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AUSLESE Multidisziplinäre Plattform: «La Fabrique» von Bureau A.
Reflexionen über grundlegende Fragen der Architektur: Gartenhaus bei Freiburg von Vécsey Schmid Architekten.
S AM BASEL
Vorstellungen. Junge Schweizer Architekten Im Jahr 2014 feiert das Schweizerische Architekturmuseum (S AM) sein 30-jähriges Bestehen. Die Ausstellung «Vorstellungen. Junge Schweizer Architekten» zeigt sechs Positionen der zeitgenössischen Schweizer Architektur – junger Architektinnen und Architekten zwischen 30 und 40. Mit dabei: BHSF Architekten, Bureau A, Pascal Flammer, Gruppe, LVPH architectes und Vécsey Schmid Architekten. Ziel ist es, ein Spektrum unterschiedlicher Haltungen aufzuzeigen. Der Begriff «Vorstellungen» ist bewusst mehrdeutig angelegt. Natürlich geht es um Vorstellung im Sinne von Imagination und Vision. Bis 4. Mai 2014, www.sam-basel.org Raffinierte Einfachheit: Zahnarztpraxis in Duisburg von BHSF Architekten.
Der Stahlrohrstuhl von Marcel Breuer gilt als Symbol der Moderne schlechthin. Entworfen vor knapp 90 Jahren war der Stuhl als Gegenentwurf zum Historismus ein klares Zeichen für den Aufbruch in eine neue Zeit. Das Unternehmen Tecta stellt den Klassiker in Lizenz immer noch her, nun neu auch mit einem Baumwoll-Leinen-Bezug in sage und schreibe 132 frischen Farben. www.tecta.de
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Klassiker aus Amerika
Frank Landau bezeichnet sich als Antiquitätenhändler des 20. Jahrhunderts (siehe Homestory in der März-Nummer von Das Ideale Heim). In Zusammenarbeit mit der Zürcher Galerie Dierking präsentiert der in Frankfurt ansässige Designspezialist zwischen dem 9. Mai und 7. Juni Wohnobjekte amerikanischer Designer aus den 50er- und 60er-Jahren. (Bild: Sofa von George Nakashima von 1962) www.franklandau.com, www.dierking.ch
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Preisübergabe Als krönenden Abschluss unseres diesjährigen Architekurpreises «Das beste Einfamilienhaus» durften wir im März den von der Raiffeisenbank gesponserten Publikumspreis übergeben. Im Bild: Gewinnerin Ros Flüeler und Beat Zimmermann, Bankleiter Raiffeisenbank Oberbaselbiet, Gelterkinden. Wir gratulieren! www.architekturpreise.ch
Fotos: David Gagnebin de-Bons (1), Doris Lasch (1)
Neue Farben
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MODELL: SHRIMP von Jehs + Laub Produktinformationen über René Wullschleger t +41(0)62.823 00 01 f +41(0)62.823 00 06 r. wullschleger@cor.de Tellstr. 10 5000 Aarau
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Herausragend gefasster Solitär: Der Baum wird vom Ende des überhängenden Quaders gerahmt.
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Das Ideale Heim im Mai 2014 — Japan
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Verbindungsaufbau Bauklötze und Vogelnester inspirierten die Form des Hauses in Fukuyama, das der Architekt Keisuke Maeda als Bindeglied zwischen dichtem Wald und Siedlungsgebiet entwarf. Text: Romy Gutiérrez, Fotos: Sergio Pirrone, Hiroshi Ueda
Terrassendach: Durch die Tür neben der Küche im oberen Quader betritt man das als Terrasse dienende Dach des unteren Quaders.
Hochsitz: Der von der Küche abgehende Essbereich hat eine gerahmte Aussicht auf die Blätterdachebene des angrenzenden Waldes.
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Bescheidenheit: Die kleine Wohnung bietet Raum für alle Wohnbedürfnisse. (Leuchte: Cable Power)
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Das Ideale Heim im Mai 2014 — Polen
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Wie gross! Ein junges polnisches Architekten-Team stattete eine Einzimmerwohnung in Wrocław so aus, dass es an nichts mangelt. Text: Antje Herrmann, Fotos: S. Zajaczkowski
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ines der ersten Projekte des jungen polnischen Architekturbüros 3XA war die Renovation und Ausstattung einer kleinen Altbauwohnung im wiederbelebten Viertel Nadodrze in Wrocław. Wrocław, die Hauptstadt der Woiwodschaft Niederschlesien, liegt im Südwesten des Landes und ist die viertgrösste Stadt Polens. Nadodrze, mit seinem grossen Bestand an historischen Bauten, sei der schönste Teil der Stadt – darüber sind sich die Leute von 3XA mit allen Wrocławern einig. Und so, wie sich das Quartier in den letzten Jahren von einem wenig attraktiven zu einem trendigen Szeneviertel für Kreative gewandelt hat, hat sich auch das Wesen der nur 29 Quadratmeter grossen Wohnung verändert. In den 70er-Jahren wurde das über 100-jährige Haus umgebaut. Von einem Umbau nach heutigem Verständnis kann aber
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nicht die Rede sein. Ökonomische Zwänge und politische Umstände erforderten einen absolut rationalen Umgang mit Wohnfläche, und ästhetische Ansprüche blieben oft auf der Strecke. Zwei Wohnungen von jeweils zirka 80 m2 wurden kurzerhand zu vier kleineren Wohnungen aufgeteilt. Seitdem gibt es das auf knappe 30 Quadratmeter reduzierte «Obdach» – eine kleine Bude, extrahiert aus vielleicht einem halben Salon, einem Stückchen Schlafzimmer oder einem Teil eines einstigen Wohnzimmers. Beim sogenannten Umbau wurde in diesem Fall wenig bis gar kein Wert auf eine Rekonfigurierung der Räume oder auf den Erhalt von historischen Details gelegt. Und jetzt, nach vielen Jahrzehnten mit Wendungen und Wandlungen, kann und will die kleine Bleibe ihre Herkunft trotzdem nicht verleugnen. Der fragmentarisch erhalten gebliebene Stuck macht deutlich, dass die Zimmer regelrecht zerschnitten worden sind. Doch die inzwischen vom beschädigten Putz
befreite, weiss getünchte, grobe Ziegelwand verleiht dem Raum einen ganz eigenen Charakterzug und zumindest die durchgemachte Transformation legitimiert die Erinnerung an ein Loft. Zeit und Raum Vormals wohnte hier eine alte Dame, Böden und Wände waren in fürchterlichen Farben gestrichen, die Ausstattung der Wohnung alles andere als zeitgemäss. Doch zuallererst stellte sich den Architekten die Frage, wie maximiert man einen so kleinen Raum? Ewa Czerny von 3XA sagt: «In einer Einzimmerwohnung geht es immer darum, die zwei Hauptfunktionen Wohnen und Schlafen zu kombinieren», und machte sich den eigentlichen Mangel eines Umstandes zunutze: Der Raum war höher als breit oder lang und in diesem Verhältnis konnte die Deckenhöhe von 3,70 Meter sogar klaustropho-
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Schmale Schnitte Das Haus in Ranzo am Lago Maggiore arbeitet mit Kontrasten und schafft mit integriertem Mobiliar räumliche Grösse. Text: Anita Simeon Lutz, Fotos: Hannes Henz
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Das Ideale Heim im Mai 2014 — Tessin
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igentlich könnte man das Haus als raumhaltige Stützmauer betrachten. Das Gebäude oberhalb des Dorfkerns von Ranzo liegt an einem extremen Steilhang mit grossartigem Panorama auf den Lago Maggiore und die den See umfassende Bergwelt. Es zieht sich dem Hang entlang in die Länge. Die Zimmer sind zum See hin aneinandergereiht, aber nicht alle haben eine gläserne, unkontrollierte, alles umfassende Aussicht zum See. Das Werk der Wespi de Meuron Romeo Architekten spielt mit Kontrasten und mit einem ganz gezielten Umgang mit den Themen Licht und Aussicht. Betritt man das Haus durch die schmale Stirnseite, eröffnet sich dem Besucher als Erstes ein Wohnzimmer mit erhabenem, offenem Blick über den Lago Maggiore. Ein von den Architekten entworfener Küchenkubus gliedert den Raum in eine Essund eine Wohnzone. In der Rückwand des Wohnzimmers ist ein Cheminée eingelassen, das durch grössere und kleinere Nischen in der Wand ergänzt wird. Der karge Beton mit grobem Putz kontrastiert die opulente Landschaft. Überhaupt verleiht die Reduktion der Materialien auf Beton, rauen Putz und Eichenholz den Räumen Kraft. Im Wohnzimmer ist die erhabene Aussicht omnipräsent. Anders in den angrenzenden Schlafräumen. Hier herrscht schon eine fast klösterliche, kartausenartige Stimmung. Das Licht gelangt über vorgelagerte Licht-
höfe ins Innere. Nur ausgestanzte, quadratische Scharten im Beton geben den Blick nach aussen frei. Diese Ausschnitte erscheinen wie Bilder an der Wand und holen nur ein kleines Moment der landschaftlichen Umgebung ins Haus. Die Atmosphäre ist hier konträr zum Wohnzimmer. Im Gegensatz zum offenen, in die Weite blickenden Wohnraum sind hier die Räume auf sich konzentriert. Es sind Orte des Rückzugs, der Kontemplation, der Ruhe. Letzteres ist im wahrsten Sinne des Wortes zu verstehen und ist eigentlich der Grund für die klosterartige Vormauerung der Räume. Das Gebäude steht nämlich nicht nur an einem Steilhang, sondern auch unmittelbar über einer Eisenbahnlinie mit einer doch beachtlichen Frequenz. Das Projekt reagiert auf die Lärmbelastung durch die beschriebenen, den Schlafräumen vorgelagerten Lichthöfe, die einerseits als Schallschutz dienen, andererseits aber die Sonneneinstrahlung nur indirekt in die Räume reflektieren, sodass auch im Sommer eine kühle, behagliche Atmosphäre vorherrscht. Orte des Rückzugs Obwohl die Schlafzimmer lediglich eine Quadratmeterfläche von 8,5 aufweisen, wirken sie keinesfalls klaustrophobisch klein. Dank dem bereits bei der Planung integrierten Mobiliar, das aus einem Bett mit angrenzendem Schreibtisch und einer raumtrennenden Schrankwand besteht, wird viel Platz gewonnen. Die einheitliche Materialisierung der Schreiner-
Kontraste: Der karge Beton mit grobem Putz kontrastiert die opulente Landschaft. (Tisch: Entwurf Architekten; Stühle: Eames-Chairs, Vitra)
Integriert: Der Eingang zum Haus ist unscheinbar. Die ortstypische Pflästerung verbindet das Haus mit der Strasse.
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Budenzauber Gebäude müssen nicht immer mit Dimensionen protzen, um Architektur zur Geltung zu bringen. Auch kleine und kleinste Häuser können bezüglich Idee und Umsetzung absolut einzigartig sein.
Kammermusik: Die einfache, fast strenge Erscheinung des Gebäudes ist auch im Innern nachvollziehbar.
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Das Ideale Heim im Mai 2014 — Einraumhäuser
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Monocoque: Das Gebäude aus einem Stück wurde vorgefertigt und mit dem Kran auf seinen Platz gehievt.
Nachkomme: Es wirkt, als wäre dem Boden eine neue Generation Haus entwachsen. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm: Form und Farbe des Gebäudes haben das gleiche Erbgut wie seine Vorfahren.
Fotos: Philip Vile (4)
Taubenschlag Das Anwesen in Snape Maltings im Südosten Englands ist ein Konglomerat aus ehemaligen und längst verlassenen Industriegebäuden. Seit Jahren nun schon hat hier eine angesehene Musikschule, die «Aldeburgh Music», ihr Domizil gefunden. Die Gebäude wurden quasi von einer neuen Nutzung adoptiert, und so scheint es auch, als würde die angrenzende Ruine eines nutzlosen Nebengebäudes ihr Gnadenbrot erhalten. Abriss wäre eine Alternative gewesen, schliesslich folgen Formen immer noch ihren Funktionen. Doch wenn ein Architekt bedenkt, was war, ist und sein wird, ist es nur allzu legitim, dass er seiner Gedankenwelt auch ein Bild gibt. Möglicherweise darf sogar von einem Bewusstseinswandel die Rede sein, wenn Architekten wie Bauherren heute mehr denn je auf Vergangenheit, Verfall und Vergehen nicht automatisch und ausschliesslich mit Abriss und Rückbau folgern. Das kleine Häuschen wurde aus Cortenstahlplatten vorgefertigt, von Mann und Maschine nur noch an seine Adresse «verpflanzt»
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und schliesslich mit entsprechender Gebäudetechnik komplettiert. Zwiebelartig reihen sich die Schichten Mauerwerk, Stahlbau und Holzverkleidung zu einem kleinen Konzerthäuschen mit einer Akustik, die nicht nur für Übungszwecke ausreichend, sondern auch für Konzerte im kleinsten Rahmen ganz passabel ist. Der kleine Neubau mit Ruine heisst «Dovecote», Taubenschlag, und wird von Students in Residence bespielt. Ein Mezzanin mit Dachfenster ist für sie Arbeits- und Wohnbereich zugleich und bietet mit einem Ausblick auf das Marschland eine ganz eigene Art Luxus. Die liebevolle Bezeichnung «Taubenschlag» bezieht sich nicht auf die vormalige Funktion des Gebäudes, sondern assoziiert vielmehr ein Kommen und Gehen. Bad und WC liegen über dem Hof – ein Umstand, der vielleicht bewusst verhindern soll, dass sich temporäre Bewohner hier allzu fest einnisten. AH
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www.haworthtompkins.com
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SPEZIAL WOHNEN
Minotti: In der Ablagefläche des Konsolentisches «Lane» verstecken sich praktische Schubladen. Der Kubus ist aus lackiertem Palisander, die Beine aus lackiertem PU. www.minotti.com
Zeit für neue Wohngefährten! Frühlingszeit ist Möbelzeit. Wir präsentieren Ihnen die Highlights der Saison. Redaktion: Franziska Quandt, Antje Herrmann
Living Divani: Der Couchtisch «Strato» hat eine identische Tisch- und Fussplatte. Das Nussbaumfurnier ist erhältlich als gewachste Variante oder lackiert in Schwarz und Weiss. Ausserdem gibt es eine wunderschöne dreistöckige Version. www.livingdivani.it
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Das Ideale Heim im Mai 2014 — Wohnen
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Vifian: Das Systemmöbel «vifian’pure» kann Sideboard oder Raumtrenner sein. Regalfächer, Fronttüren und Schubladen sind in über 30 Farben erhältlich und frei kombinierbar. www.vifian.ch
Roche Bobois: Die schlichte, aber elegante Leuchte «Yoyo» wurde von Hitoshi Makino gestaltet. Der Leuchtkörper ist das Spiegelbild des Fusses und wirft Licht mittels LED. www.roche-bobois.com
Cubit: Virtuose Regalskulpturen aus farbwitzigen Modulen lassen sich mit «Cubit» erbauen. Ein cleveres Klammerund Stecksystem erlaubt sogar gewagte Überhänge. www.cubit-shop.com
Flexform: Zweisitzer und Sessel «Lysander» können mit einem Bezug aus Schutzverbundgewebe oder Leder bezogen sein. Die Beine sind aus massivem Eschenholz. www.flexform.it
Wittmann: Das Sofa «Joyce» integriert sich durch sein reduziertes Volumen auch in kleinere Räume. Den Bezug aus Leder gibt es in verschiedenen Qualitäten und Farben. www.wittmann.ch
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KÜCHE
Maximale Raumnutzung: Architekturbedingte Zwischenräume werden mit begehbarem Stauraum optimal genutzt.
Revival des Reduits
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homas Wiesmann ist energischer Verfechter von an die wirklichen Bedürfnisse angepassten Küchenlösungen. Er sieht die Herausforderung darin, Küchen mit den praktischen Vorteilen der Frankfurter Küche in lichtdurchfluteten Räumen zu gestalten. Die ideale Küche müsse natürlich dazu taugen, Gäste mit einem Fünfgangmenü zu bekochen, alle Nachbarskinder zu verköstigen
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oder kiloweise Früchte einzukochen, aber mindestens 90 Prozent der Zeit würden die Arbeits- und Rüstfläche, ein Kombi-Steamer sowie zwei Herdplatten genügen. Diesem Umstand wird das von ihm seit Jahren propagierte Reduit gerecht, das er schon in unzähligen Varianten gestaltet hat und genau wie seine Küchen immer individuell ausführt. Ein solches ist weit mehr als einfach eine Vorratskammer, es nimmt alles auf, was nicht ständig benutzt wird. Die eigentliche Küche wird so überschaubarer, nur die wirk-
lich nötigen und täglich benutzten Geräte bleiben in der Küche selbst und da jederzeit in Griffnähe. Die Ablage- oder Rüstflächen hingegen bleiben frei, damit man für das grosse Geköch nicht erst alles von diesen wegräumen muss. Und gerade bei zum Wohnraum offenen Küchen sind diese in aufgeräumtem Zustand ein Vielfaches ansehnlicher. Der Zugang zum Reduit ist in derselben Frontausführung gehalten wie die grifflose Hochschrankzeile. Damit stört die geheime Kammer die Optik der Küche nicht im Ge-
Fotos: Courtesy of Wiesmann Küchen
Die Beispiele von WIESMANN KÜCHEN zeigen, wie auch in flächenmässig kleinen Küchen gleichzeitig Platz gespart und geschaffen werden kann. Redaktion: Romy Gutiérrez
Das Ideale Heim im Mai 2014 — Küche
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Kostensparend: Im Reduit braucht es keine teuren Oberflächen und Fronten, sondern nur geräumige, offene Regale.
ringsten. Und im begehbaren Stauraum selbst braucht es nicht zwingend teure Oberflächen, Fronten und Möbel – intelligent geplante, geräumige offene Regale erfüllen ihren Zweck absolut. Ein Reduit ist also keine Frage der Exklusivität, im Gegenteil, es hilft vielmehr, die Gesamtkosten zu reduzieren. Nutzung von Zwischenräumen Prinzipiell kann ein Reduit überall da gebaut werden, wo Hochschrankzeilen Platz haben. Es ermöglicht aber auch die optimale Nutzung von architektonisch bedingten Zwischenräumen. Da die Küche so insgesamt kompakter wird, kommen wiederum mehr Räume oder Bereiche des Zuhauses für diese infrage. Und für den Innenausbau sonst als problematisch bekannte Dachschrägen oder spitz zulaufende Ecken, sich verjüngende oder auch über Eck verlaufende Wandräume sind geradezu prädestiniert für eine Reduitlösung. Wiesmann Küchen AG, Dufourstrasse 93 ab 1. Juli 2014: Dufourstrasse 171, 8008 Zürich T 044 383 45 00, www.wiesmann-kuechen.ch
Platzschaffend: Alles, was nicht ständig benutzt wird, hat seinen festen Platz in der von der Küche abgehenden Kammer.
Geheimtür: Der Zugang zum Reduit ist in mit der Hochschrankzeile identischer Front ausgeführt.
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