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Geschichte: Das Wipptal im Zeitraffer Teil 25

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Veranstaltungen

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Musikanten und Chorsänger geehrt

Nachdem im vergangenen Jahr die Cäcilienfeiern pandemiebedingt allesamt abgesagt werden mussten, konnten diese heuer in beschränktem Maße wieder stattfinden. Chöre und Musikkapellen zeichneten im Rahmen der Feiern langjährige ehrenamtliche Mitglieder aus und zollten ihnen Anerkennung und Dank.

Vereinskapelle Gossensaß

Musikkapelle Wiesen

(v. l.) Herbert Pichler, Kurt Jocher, Hans Marginter, Friedl Tratter, Astrid Astenwald, Arthur Hofer und Lukas Haller (v. l.) Die Geehrten Nataly Keim, Armin Keim, Martina Keim, Thomas Keim, Paul Keim, Roland Keim und August Seidner

Am Cäciliensonntag ehrte die Musikkapelle Wiesen ihre Schutzpatronin. Nach der Messfeier in der örtlichen Pfarrkirche ließ sie bei der anschließenden Jahresversammlung im Haus der Dorfgemeinschaft das vergangene Musikjahr Revue passieren. Trotz coronabedingter Pausen rückte die Musikkapelle 15 Mal aus. 24 Jungmusikanten stehen in Ausbildung. Mit dem neuen Kapellmeister Manfred Niederwieser konnte ein motivierter musikalischer Leiter gewonnen werden, der sich nun besonders auf das Hauptkonzert im März freut. Obmann Lukas Haller bedankte sich bei Gemeinde und Waldinteressentschaft für die finanzielle Unterstützung. Im Rahmen der Feier wurden mehrere Mitglieder geehrt: Für ihre 25-jährige Mitgliedschaft wurden die Klarinettistin und Kassierin Astrid Astenwald sowie Schlagzeuger und Obmann Lukas Haller ausgezeichnet. Die Klarinettisten Friedrich Tratter und Arthur Hofer sowie der Tubist Hans Marginter erhielten das große Ehrenzeichen in Gold am Bande für 60 Jahre im Dienst der Musik. Kurt Jocher, langjähriger Obmann und Klarinettist, wurden in Anerkennung seiner Dienste für den Verein das Verdienstzeichen in Silber und das Ehrenzeichen in Gold für 40 Jahre Mitgliedschaft überreicht. Auch die Dienste des Fähnrichs Herbert Pichler wurden gewürdigt Die Vereinskapelle und der Pfarrchor Gossensaß gestalteten die diesjährige Messfeier zu Ehren der hl. Cäcilia, die von „Radio Maria“ live übertragen wurde. Nach dem Gottesdienst versammelten sich die Musikanten zu ihrer 102. Jahresversammlung im Gemeindesaal von Gossensaß. Obmann Armin Keim gedachte der im vergangenen Jahr verstorbenen Mitglieder. Es war in den vergangenen beiden Vereinsjahren nicht immer leicht, doch Obmann und Kapellmeister zeigten sich erfreut über den guten Zusammenhalt in der Kapelle und schauen positiv in die Zukunft. Im Sommer konnten wieder Konzerte abgehalten werden. Kapellmeister Klaus Sailer dankte für die gelungenen Auftritte. Schriftführer Christian Sparber berichtete von fünf Ausrückungen, drei Auftritten einer Bläsergruppe, drei Auftritten der Jugendkapelle Brennerwind sowie 18 Gesamtproben. Neu in den Verein aufgenommen wurden Sarah Bacher und Barbara Weissteiner. Sie erhielten von Jugendleiter Christian Festini das Jungmusikerleistungsabzeichen in Bronze überreicht, das auch an Jungmusikantin Eva Holzer überreicht wurde. Mehrere Mitglieder wurden für ihre langjährige Mitgliedschaft geehrt. Paul Keim, Roland Keim und August Seidner wurden für ihre 50-jährige Zugehörigkeit mit dem Ehrenzeichen in Großgold ausgezeichnet. Martina Keim und Thomas Keim erhielten das Abzeichen in Silber für 25-jährige Mitgliedschaft und Nataly Keim das Abzeichen in Bronze für 15-jährige Mitgliedschaft. Armin Keim wurde für seine über zehnjährige Tätigkeit als Obmann das Verdienstzeichen in Silber verliehen. Bei den kurz vorher stattgefundenen Neuwahlen wurden Obmann Armin Keim, sein Stellvertreter Michael Keim, Jugendleiter Christian Festini, Schriftführer Christian Sparber, Notenwartin Nataly Keim und Instrumentenwart Christian Mühlsteiger bestätigt. Martin Keim wechselte in das Amt des Kassiers. Neu im Ausschuss ist Julia Siller als Trachtenwartin. Der ehemalige Kassier Raimund Keim stellte sich nicht mehr der Wahl. Ihm wurde für seine insgesamt 24 Jahre im Ausschuss, davon 21 Jahre als Kassier, gedankt.

Musikkapelle Innerpfitsch

Kirchenchor Jaufental Pfarrchor Sterzing

Foto © Pfarrchor Sterzing

In für Pandemiezeiten ungewohnt entspannter Atmosphäre fand Ende November im Vigil-Raber-Saal in Sterzing die Jahresversammlung des Pfarrchores Sterzing statt. Dabei wurden Sänger und Musiker für ihre langjährige Mitgliedschaft geehrt. Manuela und Elisa Knollenberger sind seit 10 Jahren, Margit Gogl Luhn, Werner Rainer, Maria Dolliana und Karl Schölzhorn seit 40 Jahren beim Pfarrchor. Manuel Schiabello erhielt die Ehrentafel für 25 Jahre als Sänger, Chorleiter und Organist. An Karl Pichler wurde für 50 Jahre als Chorsänger und an Luis Rabensteiner für 60 Jahre als Violinist im Dienste der Kirchenmusik die Urkunde sowie die Cäcilienmedaille bzw. die Schutzmantelmadonna überreicht. Dankbarkeit und Freude über so viel Begeisterung für die Chormusik klang aus dem Munde der Gratulanten Dekan Christoph Schweigl, Margareth Oberrauch vom Verband der Kirchenmusik und Bürgermeister Peter Volgger. Bei der Neuwahl des Ausschusses wurde Obmann Heinrich Forer bestätigt, die scheidenden Mitglieder Petra Saxl und Greti Mantinger wurden durch Silvia Goller ersetzt. Obmann Forer und Chorleiter Schiabello haben den Pfarrchor „auf Sicht“ durch diese schwierige Zeit manövriert, so dass dank gut vorbereiteter Sänger mit wechselnder Besetzung alle Termine des Kirchenjahres wahrgenommen werden konnten. Die Mitglieder des Pfarrchores sind willens, die liturgischen Feiern auch in Zukunft mit Musik und Gesang zu bereichern.

Die Geehrten (v. l.) Walter Wieser, Matthias Tötsch, Peter Volgger, Markus Graus, Veronika Tötsch und Michael Tötsch

Am Cäciliensonntag gestaltete die Musikkapelle Innerpfitsch die hl. Messe und traf sich anschließend zum gemeinsamen Festmahl. Dort hielten die Musikkanten Rückschau auf das abgelaufene Tätigkeitsjahr. Mit zahlreichen Auftritten in Gruppen, aber auch mit einigen Konzerten im Freien war die Tätigkeit trotz Einschränkungen recht umfangreich. Im Rahmen der Feier bedankte sich Obfrau Martina Wieser bei den Musikanten für die flexible Probenarbeit, die aufgrund der Pandemie immer wieder notwendig war. Zudem dankte sie der Gemeindeverwaltung für die finanzielle Unterstützung. Im Rahmen der Feier wurden langjährige Mitglieder geehrt sowie ein Jungmusikant mit dem Jungmusikerleistungsabzeichen in Bronze ausgezeichnet.

Der Kirchenchor Jaufental ehrte am Cäciliensonntag vier langjährige Mitglieder für ihre Verdienste um den Chorgesang. Am Ende des Gottesdienstes, der von der Musikkapelle Jaufental festlich gestaltet wurde, erhielt Josef Plank eine Ehrenurkunde des Verbandes der Kirchenchöre für seine 55-jährige ehrenamtliche Tätigkeit im Dienst der Chormusik. In dieser Zeit hat er sich als Basssänger, Obmann und Chordirigent vielfältige Verdienste um den Kirchenchor erworben und maßgeblichen Anteil an der Kirchenmusik in Jaufental gehabt. Ausgezeichnet wurden auch die drei Geschwister Waltraud, Maria und Walter Haller vom Hofer, die alle seit 40 Jahren mit großem Einsatz ihren Beitrag zum Chorleben geleistet haben. Waltraud Haller

ist nicht nur aktive Sängerin, sondern seit vielen Jahren auch als Organistin tätig und trägt so Sonntag für Sonntag zur musikalischen Gestaltung der Gottesdienste bei. Die Pfarrgemeinde zollte den Geehrten mit herzlichem Beifall Anerkennung und Dank für ihre Leistungen.

Sterzing Neue Musikanten bei Bürgerkapelle

Seit Frühjahr 2020 hat sich trotz Pandemie bei der Bürgerkapelle Sterzing einiges getan. Immer dann, wenn es die Bestimmungen zugelassen haben, trafen sich die Musikanten zum Musizieren: im Innenhof des Deutschhauses, im Vigil-Raber-Saal oder klassisch im Probelokal, in kleinen Gruppen oder im Gesamten. Die Bürgerkapelle versuchte stets, das Bestmögliche für das Vereinsleben und die Gemeinschaft zu unternehmen, und hat dabei stets die Bestimmungen beachtet. Das für Dezember geplante Konzert im Stadttheater musste leider kurzfristig abgesagt werden. In die Reihen der Bürgerkapelle haben mittlerweile auch einige neue, junge Musikanten Eingang gefunden. Die „Zwangspause“ hatte auch etwas Gutes: Der Nachwuchs konnte sich allmählich an das Niveau herantasten und in der Kapelle ankommen.

Margarethenkirche

LAGE: Sterzing KIRCHENPATRON: hl. Margareta von Antiochia ENTSTEHUNGSZEIT UND ERBAUER: 1678 – 1680; erbaut nach Plänen von Peter Delai

Ein romanisches Gotteshaus zu Ehren der hl. Margareta wird in Sterzing urkundlich erstmals im Jahr 1337 erwähnt. 1367 stifteten einflussreiche Sterzinger Bürger eine tägliche Frühmesse, später kamen gestiftete Sonntagsgottesdienste hinzu. Dieser erste Kirchenbau wurde nachweislich in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts umgestaltet und erweitert. Der romanische Turm mit seinen Rundbogenschallfenstern und stumpfen Spitzbogenblenden blieb erhalten und wurde in den Jahren 1624/25 instandgesetzt. Die heutige Kirche entstand im Stil des Frühbarocks zwischen 1678 und 1680 nach Plänen von Peter Delai. Der aus Sterzing stammende Fürstbischof Paulinus Mayr (1677 – 1685) legte im Jahr 1678 den Grundstein für den Neubau und weihte auch selbst die Kirche mit drei Altären am 17. Mai 1681 ein. Der Turm blieb wiederum bestehen und wurde in den Neubau integriert. Die St. Margarethenkirche diente – aufgrund der doch etwas abgelegenen Lage der Pfarrkirche – durch die Jahrhunderte hindurch als „Hilfspfarrkirche“ und hat für die seelsorgliche Betreuung der Stadtbevölkerung noch heute einen besonderen Stellenwert. Der frühbarocke Sakralbau ist wuchtig konzipiert, wird von einem Tonnengewölbe überspannt und verfügt über einen angesetzten Chor. Der Hochaltar – ein Wandaufbau mit Säulen- und Pilasterpaaren über

Die hl. Margareta von Antiochia († 305) gilt als eine bedeutende Märtyrerin und wird den Vierzehn Nothelfern sowie den „Drei heiligen Madl‘n“ (Barbara, Margareta und Katharina) zugerechnet. Einer Legende nach soll sie in Antiochia in Pisidien (Yalvac bei Aksehir in der Türkei) als Tochter eines heidnischen Priesters geboren worden sein. Der Stadtpräfekt wollte das schöne Mädchen heiraten, doch Margareta weigerte sich und ließ sich taufen, um in ein Kloster eintreten zu können. Der Vater verstieß daraufhin die eigene Tochter. Der Stadtpräfekt ließ Margareta gefangen nehmen und forderte sie auf, ihrem Glauben abzuschwören. Als Margareta sich weigerte, wurde sie gefoltert und anschließend enthauptet. Mehrere Reliquien der Heiligen fanden schließlich den Weg nach Italien und werden heute in der Kirche S. Flaviano in Montefiascone nördlich von Rom verehrt. Margareta gilt als Schutzpatronin der Mädchen, Ehefrauen und Gebärenden, aber auch der Bauern und der Fruchtbarkeit. Die Heilige wird häufig mit einem Drachen („Wurm“, „Lindwurm“) dargestellt. Dieser versinnbildlicht den Kampf gegen das Böse, d. h. den Kampf gegen die Versuchung, ihren Glauben zu verleugnen. Weitere Attribute der Heiligen sind häufig ein Kreuzstab mit einer Taube, aber auch ein Kreuz mit Krone oder Perlenkranz, Fackel, Kamm und Palme. dem Sockel und einfachem Volutengiebel – nimmt die zentrale Position im Kircheninneren ein. Die zwei Seitenstatuen stellen den hl. Johannes von Nepomuk sowie den hl. Franz Xaver dar. Der Hochaltar enthält ein im Jahr 1822 von Josef Renzler angefertigtes Altarbild. Dieses zeigt die hl. Margareth. Am Giebel finden sich Engel sowie eine Darstellung der Krönung Mariens mit Wolken und Strahlenkranz. Die Seitenaltäre dürften ebenfalls in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden sein und weisen neben den entsprechenden Säulenpaaren – ähnlich dem Hochaltar – bewegtes Gebälk auf. Die Statuen der Seitenaltäre stellen die hll. Joachim und Anna sowie hll. Zacharias und Elisabeth dar. Die Altarbilder zeigen links die Unbefleckte (Immaculata) Muttergottes sowie rechts die Vermählung Mariens. Das linke Altarbild ist eine Auftragsarbeit und stammt ebenfalls von Josef Renzler. Beide Altarbilder dürften in der 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts angefertigt worden sein. An den Wänden im Kircheninneren befinden sich mehrere, wohl aus dem 17. Jahrhundert stammende Holzskulpturen. Die Kanzel ist eine bemerkenswerte Arbeit von Josef Benedikt Propst und dürfte um das Jahr 1820 entstanden sein. Die Reliefs zeigen die Bergpredigt sowie die Parabel vom Sämann.

Zuhören, hinterfragen, verlernen

Nach Bozen und Brixen kam „Tsinstiya – Stimmen des Widerstands“ im November auch nach Sterzing. Die performative Lesung war Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen OEW und Rotierendem Theater, die beide ihren Sitz in Brixen haben. Das sechsköpfige Schauspielteam unterstand der Regie von Emma Mulser und Ide Mamam.

Es war eine Lesung der etwas anderen Art. Nicht nur, weil sich Aspekte des theatralischen Schauspiels und des gewöhnlichen Vorlesens miteinander vermischten, sondern auch, weil sie nicht zu reinen Unterhaltungszwecken stattfand, sondern gleichsam beim Publikum einen Lernprozess anregte. Tsinstiya ist Hausa und bedeutet so viel wie „Gemeinsam sind wir stark“. Inhalt des Stücks war die Porträtierung von vier afrikanischen Widerstandskämpfern aus der Zeit des Kolonialismus. Während sie in Europa nur minimal Bekanntheit erlangt haben, sind sie in ihren Herkunftsländern herausragende Persönlichkeiten. OEW-Mitarbeiter Adrian Luncke gestand, dass es nicht einfach war, von den vielen widerständigen Stimmen eine Auswahl zu treffen. Deshalb wurde versucht, sowohl im geographischen und zeitlichen als auch im soziologischen und kulturellen Sinn eine größtmögliche Bandbreite vertreten zu haben: Vorgestellt wurde als erste Sarraounia Mangou, die es als einzige der Dorfoberhäupter ihres Umkreises wagte, den Franzosen die Stirn zu bieten, als zweite Lalla Fathma N’Soumer, die sich ihrem Schicksal als entmündigte Ehefrau nicht beugte, im Widerstand gegen die Franzosen kämpfte und muslimischen Glauben mit Feminismus vereinte, als dritter Amilcar Cabral, ein Dichter, Theoretiker und Diplomat aus Guinea-Bissau, der bis zu seiner Ermordung für die afrikanische Unabhängigkeit und das kulturelle Selbstbewusstsein kämpfte, und als vierter Steve Biko, der unter dem südafrikanischen Apartheitsregime Schriften verfasste, in denen er die weiße Bevölkerung aufforderte, ihre privilegierte gesellschaftliche Position zu hinterfragen. Biko wurde wie Cabral ermordet. Die Verschiedenartigkeit der Akteure weist darauf hin, dass der afrikanische Kontinent in Wirklichkeit vielfältiger und größer ist, als hierzulande verbreitete Annahmen zugestehen. Diese werden der tatsächlich vorhandenen Komplexität meist nicht gerecht. Weiter durchzog ein dynamisches Spiel mit Grenzen die Akte: jenes zwischen Gegenwart und Vergangenheit, zwischen den Geschlechtern, zwischen den Hautfarben, zwischen professionellem und lajenhaftem Schauspiel sowie zwischen Bildung und Unterhaltung ergänzten geschickt Fragen rund um Ende und Anfang von Sprachen und Identitäten. Oftmals erscheinen Grenzen als starke Trennungslinien, bei genauerer Betrachtung sind sie aber eher wenig greifbar und fließend, vor allem aber wandlungsfähig und gestaltbar. Das Rampenlicht wurde auf marginalisiertes Geschichtswissen gerichtet und stellte indirekt Fragen in Bezug auf die Art der Wissensvermittlung in den hiesigen Bildungseinrichtungen: Für welche historischen Ereignisse bietet der Lehrplan wie viel Zeit und warum? Lernen wir vom Kolonialismus und Imperialismus in angemessener Weise? Welchen Platz bekommen die Akteure, die aufseiten der Unterdrückten gegen die europäische Gewaltherrschaft kämpften, in den Geschichtsbüchern zugewiesen? Werden ihnen mehrere Seiten gewidmet oder lesen wir zu diesem Thema nur in Fußnoten? Das Theater war auch in der Art sehr avantgardistisch, wie es das Publikum in den Prozess mit einbezogen und es geschickt wie an der Hand begleitete: Durch kritische Fragen machten sich unangenehme Gefühle breit. Diese sind aber der Ausgangspunkt für das Hinterfragen der eigenen Annahmen, was bestenfalls zu einer Überschreibung führt, zu einem Verlernen von einer verzerrten und verfälschten Perspektive auf die

Gegebenheiten. So befinden sich auch Nachkommen derer unter uns, welche Kolonialisierung keineswegs als Siegeszug miterlebt haben. Zudem schreiben sich kolonialrassistische Strukturen auch nach den Unabhängigkeitserklärungen der betroffenen Staaten sowohl in wirtschaftlicher als auch in soziokultureller Weise fort und ermöglichen uns Nachkommen der ehemaligen Kolonialherren, nach wie vor davon zu profitieren. Dies wird zum Beispiel im Angebot von in Bangladesh produzierten Billigklamotten oder in der Benachteiligung von als nicht weiß gelesenen Personen auf dem Wohnungsmarkt sichtbar. Die Begrifflichkeit „nicht weiß gelesen“ soll verdeutlichen, dass die Einteilung der

Menschen in Hautfarben ein soziales Handeln ist und nichts mit einer biologischen Gegebenheit zu tun hat.

Das Theaterstück machte deutlich, dass ein gutes Zusammenleben zwischen Ein- und Mehrheimischen ein Geben und

Nehmen auf beiden Seiten beinhaltet. Dies bedeutet keineswegs, alles gutheißen oder die eigenen Traditionen vollständig aufgeben zu müssen, jedoch die eigenen Überzeugungen zu hinterfragen und sich selbst einmal aus einer gewissen Distanz zu beobachten. Als die Lesung fast zu Ende war, wurde noch ein sehr einprägsamer Satz verlesen: „Zwischen zwei Individuen und auch zwei Kulturen gibt es immer sowohl Unterschiede als auch Gemeinsamkeiten. Wir können uns bei jedem Mal entscheiden, worauf wir den Fokus legen.“

Nadia Sorg

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