5 minute read

Umwelt: Borkenkäfer-Alarm

Next Article
Vor 100 Jahren

Vor 100 Jahren

Borkenkäfer-Alarm

Nachdem bereits über die Biologie und Populationsentwicklung des bedeutendsten europäischen Forstschädlings (Erker 04/2022) geschrieben und die explosionsartige Ausbreitung und Möglichkeiten zur Eindämmung (Erker 08/2022) aufgezeigt wurden, soll in dieser Ausgabe über die getätigten Maßnahmen und die aktuelle Befallslage informiert werden.

Auch wenn die Erwartungshaltung nach den flächigen Schadholzereignissen in den Jahren 2018 bis 2020 bereits Richtung Borkenkäfermassenvermehrung ging, hat das Ausmaß der Schäden im Sommer 2021 alle überrascht, sogar lang gediente Forstmänner. Grundbesitzer, Holzernteunternehmen und Mitarbeiter der Forstbehörde, teils mit jahrzehntelanger Erfahrung, konnten sich an keine vergleichbare Massengradation erinnern. Hatten die Ausmaße der entstandenen Borkenkäferschäden im Sommer/Herbst 2021 die Forstbehörde überrascht, so war die weitere Entwicklung im Jahr 2022 vorhersehbar. Leider hat das Wetter alles andere als dazu beigetragen, die Populationsentwicklung einzubremsen. Bereits im Mai waren im Sterzinger Raum Sommertemperaturen zu verzeichnen. Die erste Sommerhälfte war geprägt von überdurchschnittlich warmen Tagen mit wenig Niederschlag. Der Spätsommer dauerte gefühlt bis Ende Oktober. Der heiße Sommer hat dazu beigetragen, dass sich der Käfer früher und schneller entwickeln und damit auch mehrere Generationen ausbilden konnte. Im Schnitt war der Sommer 2022 im Vergleich zum langjährigen Mittelwert zwischen 1991 und 2020 in Sterzing um über 2° C wärmer.

Beispiel für die Ausbreitung in Gesille in Ridnaun: aktuell befallene Käfernester in einer Schadholzfläche von 2018 (gelbe Flächen)

Gestresste Bäume, leichtes Spiel

Normalerweise haben Fichten die Möglichkeit, sich mit vermehrter Harzproduktion gegen einen Borkenkäferangriff zu wehren. Die einbohrenden Käfer bleiben im Harz kleben und können den Entwicklungszyklus nicht beginnen. Durch den mangelnden Niederschlag im vergangenen Winter und im Frühjahr waren die Waldböden dermaßen ausgetrocknet, dass das Wasser kaum für das Wachstum des Baumes ausreichte und die Bildung von Harz kaum möglich war. Besonders die Fichte als Flachwurzler war vom knappen Wasserhaushalt stark betroffen und derart gestresst, dass der Borkenkäfer leichtes Spiel hatte.

330 Hektar Wald im Wipptal befallen

Um einen Überblick über die vom Käfer befallenen Bestände zu erhalten und diese zu dokumentieren, wurden im gesamten Einzugsgebiet des Forstinspektorats Hubschrauberflüge durchgeführt, wobei die befallenen Bestände fotografiert wurden. Anschließend wurden die sichtbaren befallenen Flächen über eine GIS-Software digitalisiert und graphisch dargestellt. Grundeigentümer mit Käfernestern wurden verständigt und beraten. Insgesamt sind in den sechs Gemeinden des Wipptales aktuell rund 330 ha Wald vom Buchdrucker befallen (Stand: Mitte Oktober 2022, ohne die bereits geräumten Flächen). Dies entspricht bei einer mittleren Holzmenge von 400 Vorratsfestmetern (Vfm) pro Hektar etwa 130.000 Vfm an Käferholz. 2022 wurden bereits über 130 ha an befallenen Flächen geräumt. Über 50.000 Vfm wurden als Schadholz genutzt. Der jährliche Hiebsatz im Forstin-

spektorat Sterzing liegt bei 50.000 Vfm. Mit diesem Hiebsatz wird eine nachhaltige Menge an Holz definiert, die jährlich entnommen werden kann. Der geschätzte Befall ist somit bereits knapp auf das Dreifache des Jahreshiebsatzes gestiegen. Der Marktwert des befallenen Holzes nimmt bereits innerhalb von wenigen Wochen nach Käferbefall aufgrund der Bläuefärbung ab. Nach einem Jahr kann das Holz aufgrund der Schwundrisse nicht mehr eingeschnitten werden und dient nur noch als Brennholz. Aufgrund der erschwerten Bedingungen gewährt die Landesverwaltung für die Schadholzbringung einen Beitrag. Auf diese Weise wurden in den letzten vier Jahren landesweit rund 7.200 Beiträge (Vaia, Schneedruck, Käferholz) im Wert von 35 Millionen Euro gewährt und ausbezahlt.

Borkenkäfermonitoring

Das Borkenkäfermonitoring wurde über die Sommermonate durchgeführt. In regelmäßigen Abständen von zehn Tagen wurden die Borkenkäferfallen entleert und die gefangenen Käfer gezählt. Dabei sticht vor allem der erste Flug im Mai deutlich hervor. Der Flug der Folgegenerationen ist kaum zu erkennen, da sich ab Juni die Entwicklungszyklen stark überlagern. Ab der Zählmenge von 3.000 Käfern in zehn Tagen spricht man von einer kritischen Dichte an Käfern, die zu flächigen Schäden führen können. Die Strategie der Forstbehörde liegt nun darin, die befallenen Flächen zu priorisieren und eine situationsbezogene Abwägung der notwendigen Maßnahmen in Abhängigkeit des Waldtyps (Objektschutzwald, Standortschutzwald, übrige Waldflächen) zu erarbeiten. Dazu ist eine Kartierung der befallenen Flächen und eine enge Absprache mit Grundbesitzern und Forstunternehmen nötig. Das Borkenkäfermonitoring wird weitergeführt, um die geeigneten Zeiträume für die Umsetzung der Maßnahmen zum Borkenkäfermanagement zu erfassen. Aufgrund der Tatsache, dass in stark befallenen Gebieten keine Maßnahme eine wirksame Ausbreitung des Käfers verhindern kann, wird in diesen Gebieten der Schwerpunkt auf die Wiederbewaldung der Wälder mit Schutzfunktion gelegt. Ob mittels Aussaat von Vorwaldbaumarten (hauptsächlich Birke) oder durch Aufforstung mit standortgerechten Baumarten – durch den Grundeigentümer selbst oder in Eigenregie – wird versucht, die Schutzwirkung des Waldes so bald wie möglich wiederherzustellen. Erste Aussaaten wurden bereits verwirklicht.

Befallene Bäume zeitgerecht entfernen

Im Zuge von vier Informationsveranstaltungen zum Thema Borkenkäfer klärten Landesrat Arnold Schuler sowie Landesforstdirektor Günther Unterthiner Interessierte über die Biologie, die Populationsdynamik sowie durchgeführte und zukünftige Maßnahmen zur Eindämmung auf. Diese Informationsveranstaltungen sollen als Forstinfotage auf die lokale Ebene heruntergebrochen werden, wo die Gegebenheiten vor Ort analysiert, dargestellt und diskutiert werden. Da uns die Käferproblematik sicherlich noch einige Jahre begleiten wird, gilt es, Maßnahmen zeitgerecht umzusetzen, um eine wirkungsvolle Eindämmung zu erzielen. Diese Maßnahmen sind vor allem in solchen Zonen sinnvoll, wo kleine und abgrenzbare Käfernester vorhanden sind. Zeitgerechtes Entfernen der im Herbst befallenen Bäume und der Abtransport der Stämme aus dem Wald vor dem erneuten Käferausflug Anfang Mai stellen dort die wichtigste Maßnahme dar. Sollte der Befall bereits ein flächiges Ausmaß erreicht haben, kann der weitere Befall von Beständen kaum eingebremst werden, da durch jegliche Entnahmemaßnahme die im Wald verbleibenden Bäume geschwächt werden (Sonnenbrand, Ernteschäden, Windeinfluss ...) und somit wiederum prioritär befallen werden. Zudem spielt die Schutzfunktion des Waldstandortes eine entscheidende Rolle. Aufgrund dieser Komplexität müssen auch die verschiedenen angedachten Maßnahmen situativ bewertet werden, immer mit dem Grundsatz, die aktuelle Situation hinsichtlich Schutzleistung des Waldes und seines Standortes nicht zu verschlechtern. Falls es der Waldstandort und die Schutzleistung des Waldes zulassen, gilt es, über die Wintermonate, in denen die Käferentwicklung ruht, alles befallene Holz, bei dem der Käfer zu einem hohen Prozentsatz unter der Rinde überwintert, aus dem Bestand zu bringen. Dazu braucht es den Willen und die Überzeugung der Grundbesitzer, eine gute Beratung und ehrliche Zusammenarbeit. So bleibt die Hoffnung, dass uns die Natur in diesem Jahr wohlgesinnt ist. In der Zwischenzeit müssen wir alle unsere Hausaufgaben machen und alles unternehmen, um die Käferepidemie, dort wo es möglich ist, einzubremsen.

Philipp Oberegger, Leiter des Forstinspektorates Sterzing

Aktuell befallene Flächen pro Gemeinde

Brenner: 40 ha Franzensfeste: 70 ha Freienfeld: 100 ha Pfitsch: 20 ha Ratschings: 80 ha Sterzing: 13 ha

This article is from: