12 minute read

Musik: Komponist Josef Haller im Interview

„Das vielgerühmte Talent wird oft überbewertet“

Der Sterzinger Komponist Josef Haller im Interview

Denkt man ans Komponieren, kommen einem unweigerlich berühmte Musik-Genies wie Bach, Mozart oder Beethoven in den Sinn. Dass diese Fähigkeit weniger eine Gabe ist, als vielmehr mit einem starken Interesse für Klänge zu tun hat und mit dem Willen, dieses Handwerk zu erlernen, darüber spricht der junge Sterzinger Komponist Josef Haller.

Erker: Herr Haller, wann wussten Sie, dass Sie Musiker bzw.

Komponist werden wollen?

Josef Haller: Es gab keinen bestimmten Auslöser oder einen bestimmten Moment, an dem mir klar war, dass ich Musik machen möchte. Meine Eltern sind Musikliebhaber und meine älteren Geschwister haben ebenfalls alle ein Instrument erlernt. Musik war immer ein Teil unseres Lebens, der gefördert wurde. Bereits als Kind habe ich auf dem alten Flügel in unserem Wohnzimmer, ein Erbstück eines Groß-Onkels, herumgespielt. Später nahmen mich meine Eltern, die beide langjährige und begeisterte Mitglieder im Sterzinger Pfarrchor sind, zu den Chorproben mit und so lernte ich die Vielstimmigkeit und das Zusammenspiel der Harmonien kennen. Wir hatten zuhause einige Schallplatten, bis heute sind mir die Alben „The Wall“ von Pink Floyd und die Carmina Burana von Carl Orff in Erinnerung, die mich schon als Kind fasziniert haben.

ZUR PERSON

Josef Haller, geboren 1993 in Sterzing, erhielt seine erste musikalische Ausbildung an der heimischen Musikschule, später wechselte er ans Konservatorium „C. Monteverdi“ in Bozen zu Professor Andrea Bonatta. Von 2012 bis 2017 studierte er am Mozarteum Innsbruck Instrumentalpädagogik sowie am Tiroler Landeskonservatorium Klavier Konzertfach (Sebastian Euler) und Komposition (Franz Baur). Anschließend setzte er seine Ausbildung an der Royal Academy of Music Aarhus (Dänemark) in den Fächern Klavier mit Schwerpunkt Zeitgenössische Musik (Søren Rastogi und Martin Qvist-Hansen) sowie Komposition (Niels Rønsholdt und Simon Steen-Andersen) fort, wo er 2019 abschloss. Zurzeit studiert er Jazzklavier am Tiroler Landeskonservatorium bei Stephan Costa. Seine Kompositionen wurden in Österreich (u. a. Klangspuren Schwaz), Italien (u. a. TransArt Festival Bozen) und Dänemark (u. a. Pulsar Festival Copenhagen) aufgeführt. 2016 erhielt er das Hilde-Zach-Kompositionsstipendium der Stadt Innsbruck sowie ein Kompositionsstipendium von Kraftwerk Neue Musik Tirol. Haller lebt als freischaffender Musiker und Komponist in Innsbruck und arbeitet als Klavierlehrer an der Landesmusikschule Westliches Mittelgebirge in Axams.

Was bedeutet Musik für Sie?

Das ist eine sehr schwierige Frage. Es sagt sich so leicht, dass einem die Musik alles bedeutet. Sie ist sicher ein wichtiger Teil meines Lebens, das kann sie aber auch für jemanden sein, der „nur“ Musikliebhaber ist. Für mich ist die Musik eine Spielwiese, ein Experimentierfeld; ich habe hier die Freiheit, alles auszuprobieren und mich auf eine besondere Art und Weise, die mit der gesprochenen Sprache nicht möglich ist, auszudrücken. Das Tolle an der Musik ist, dass man sich in sehr viele verschiedene Bereiche sehr vertiefen kann. Musik wird nie langweilig. Ich glaube, deshalb ist mir die Leidenschaft dafür auch geblieben.

Haben Ihre Eltern und Bekannten Sie in Ihrem Berufswunsch unterstützt?

Ich hatte das Glück, dass ich immer sehr unterstützt wurde, dafür bin ich meinen Eltern sehr dankbar. Ich weiß nicht, ob ich die Ausbildung zum Musiker und Komponisten ansonsten weiterverfolgt hätte. Ausschlaggebend für meine spätere Berufswahl war u. a. mein Klavierlehrer am Bozner Konservatorium Andrea Bonatta. Prägend war auch mein erster Klavierlehrer Christoph Hildebrandt an der Sterzinger Musikschule, der mir von Beginn an immer große Freiheit erlaubt und mich zum Experimentieren ermutigt hat.

Welche Instrumente spielen

Sie?

Ich habe Klavier und Komposition als Hauptfach studiert und als Zweitinstrument Kontrabass gelernt. Gerade beim Komponieren ist es wichtig, ein Instrument und seine Möglichkeiten zu verstehen. Während das Klavier ein Universalinstrument ist, auf dem sozusagen fast alles spielbar ist, muss man bei anderen Instrumenten Rücksicht auf instrumentenspezifische Besonderheiten und auf die Spielbarkeit nehmen.

„Ich bin ein Befürworter von technischen Entwicklungen. Die gesamte Musikgeschichte ist geprägt von ständiger Innovation im Instrumentenbau, das war schon immer eine Triebfeder der Kreativität.“

Wieviel ist beim Komponieren

Gabe, wieviel Handwerk?

Ich glaube, das vielgerühmte Talent wird oft überbewertet. Mehr als eine Gabe ist es ein Interesse, Klänge zu erforschen und mit Akkorden und Melodien zu experimentieren. Es ist meiner Meinung nach keine Frage des Talents, sondern der Zielstrebigkeit und des Willens, sich ausgiebig damit zu beschäftigen. Anders ausgedrückt: Es ist noch kein Komponist vom Himmel gefallen. Natürlich sind bestimmte Dispositionen förderlich, wie etwa ein gutes Gehör, Vorstellungskraft, Aufmerksamkeit und Interesse. Vieles lernt man durch die Analyse der Werke anderer Komponisten, vor allem dann, wenn man sie selbst spielt. Am Konservatorium habe ich sehr viel Bach gespielt und dabei analysiert, wie seine Musik, besonders seine Fugen, aufgebaut sind. Mit meinen ersten Versuchen, selbst Fugen zu komponieren, bin ich natürlich kläglich gescheitert. Aber langsam und stetig habe ich Fortschritte gemacht. Das Handwerk bildet dann ein hilfreiches Werkzeug, um schneller voranzukommen und um strukturierter arbeiten und reflektieren zu können. Ein völlig anderes Konzept trifft

Josef Haller: „Ich glaube, das vielgerühmte Talent wird oft überbewertet. Mehr als eine Gabe ist es ein Interesse, Klänge zu erforschen und mit Akkorden und Melodien zu experimentieren.“

auf experimentelle zeitgenössische Musik zu, wo wieder andere Parameter gelten. Dort geht es weniger um Melodie, Harmonie oder ob man irgendwelche Regeln einhält, sondern vielmehr um das Experimentieren mit Klängen, um die Klangforschung. Ein solides Handwerk ist aber auch dort wichtig und sehr nützlich.

„Ich skizziere viele verschiedene Möglichkeiten und experimentiere mit diesen Bausteinen, die ich am Ende zu einer Komposition zusammenfüge.“

Welchen Komponisten bewundern Sie am meisten?

Tatsächlich kann ich diese Frage nicht beantworten. Über die Jahre hinweg haben sich meine Vorlieben immer wieder geändert. In meiner Jugendzeit haben mich besonders Johann Sebastian Bach und Franz Schubert fasziniert, später entdeckte ich Alexander Scriabin. Mittlerweile interessiere ich mich besonders für Jazz sowie elektronische Komponisten und Producer. Ich versuche immer meine Fühler auszustrecken und die Ohren offen für Neues zu halten. Wenn man sich bemüht zu verstehen, was eine bestimmte Klangsprache oder Musikrichtung ausmacht, kann man sich für sehr viel Verschiedenes begeistern und es wird einem nie langweilig.

Wie entstehen Ihre Kompositionen? Steht am Anfang die

Idee, ein Motiv, das Sie bereits in den Akkorden ausformuliert klar vor sich sehen?

Die Entstehung einer Komposition geschieht auf vollkommen unterschiedliche Art und Weise, dafür gibt es auch kein Patentrezept. Der Ausgangspunkt ist sehr oft ein konkreter Auftrag, bei dem Besetzung und Dauer vorgegeben sind. Zuerst beschäftige ich mich dann näher mit den Instrumenten und erforsche sie dahingehend, welche Klänge man damit erzeugen kann. Oft steht am Anfang einer Komposition weniger eine Melodie als vielmehr eine Klanglichkeit, eine Geste, mit der man weiter experimentieren möchte. Ab und zu setze ich mich auch einfach ans Klavier und beginne, solche Klanglichkeiten improvisatorisch zu erforschen. Dieses Improvisieren ist dann aber meistens sehr weit von der endgültigen Komposition entfernt. In einem zweiten Moment erfolgt die eigentliche Schreibtischarbeit, die mitunter sehr langwierig sein kann. Ich skizziere viele verschiedene Möglichkeiten und experimentiere mit diesen Bausteinen, die ich am Ende zu einer Komposition zusammenfüge. In der Musikliteratur, ausgenommen vielleicht Mozart, stößt man auf viele Komponisten, die mit ihren Werken gekämpft haben, erkennbar an den vielen durchgestrichenen Passagen und Ausbesserungen. Man streicht sehr viel wieder durch, aber das Aussortieren ist auch ein wichtiger Teil des Forschungsprozesses. Ein Großteil von dem, was ich schreibe, schafft es gar nicht in das Endprodukt. Aber dadurch, dass ich mit einem Computerprogramm arbeite und die Noten nicht auf Papier schreibe, sieht man am Ende nicht, welche Veränderungen vorgenommen wurden. Bestimmte Klischees, die man aus den Beethoven- und Mozart-Verfilmungen kennt, sind allerdings sehr weit davon entfernt,

Master-Leh r,gang

Manag,ement und Unternehmens,führung

> clerufsbt-glt-Ht-ml, praxisorienlierl und U1l'tlrt-lisch fllm.lil.:'rt > Akademisdtt:'t Abschluss mil Upgrm.Je-

Möglit"hkt-il l.iis ,mm ~Master ur clusi!lt-ss i\dmiuistn1lion

> i'ub~~u11~ ,iud1 nh11E! ;ilura ml1>r akadcmi sch c n Abseh luss

l<iostenl0-se Infoabende,: ML 28-04.2021 um 19 Uhr. Bildungshaus Kloster Neu:1m Da. 15.07-2021 um 18 Uhr. 01 Tcchpark Bw:cn

KI.-OSTER - US1'1Ff All-BAZ IA 1)1 - OVA·C • L ~A

~·t; N.~ "'i:,,;. .U:

l.!.! SC:lliOOI llf MläiiiäQeii'lenl and Technology Weitere lnforr:natlone,n: \'!\.~"-''· klo~ter-neu~I 1ft .1 t/masterlchri,;an~ 1,~ li11.rm•ck(wklostt>r-11t-usUfl.i L Tt-1. 0472 824 338

wie ein Kompositionsprozess in der Realität abläuft. Es ist eine verklärte Sicht, in welcher das Musik-Genie in einem Rausch eine gesamte Symphonie herunterschreibt. Am Ende ist schlicht und einfach auch viel unspektakuläre Arbeit dabei, das wird in den Filmen allerdings oft nicht gezeigt.

Sie haben ein Notationsprogramm erwähnt.

Ich benutze Sibelius. So wie Word für die Texterstellung ausgerichtet ist, kann man mit diesem Programm Noten aufschreiben. Allerdings gibt es einen großen Unterschied zu den Textprogrammen. Unser Alphabet hat 26 Buchstaben und die Texte fließen nur in eine Richtung von links nach rechts. Die Möglichkeiten der Musiknotation sind aber um einiges komplexer, wobei das Programm nicht immer versteht, was man will, weshalb man manchmal etwas tricksen muss.

An welcher Komposition ar-

beiten Sie gerade?

Zurzeit laufen Proben für ein Konzert mit meinem Klaviertrio. Das nächste Projekt ist ein Stück für Streichorchester und Gesang, das im Herbst 2021 in Götzens bei Innsbruck aufgeführt werden soll. Im Rahmen einer Kooperation sind auch weitere Konzerte angedacht, sofern möglich, soll ein Konzert auch in Sterzing stattfinden. In nächster Zukunft steht dann ein Auftragswerk für Trompete und Klavier auf dem Plan.

„Die Entstehung einer Komposition geschieht auf vollkommen unterschiedliche Art und Weise, dafür gibt es auch kein Patentrezept.“

Sie arbeiten hauptberuflich als Komponist?

Ich würde sagen zu 50 Prozent. Es ist zwar möglich, ausschließlich vom Komponieren zu leben, aber dafür muss man seine gesamte Zeit und Energie ausschließlich dafür investieren. Für mich würde das aber bedeuten, auf Auftritte und Live-Erlebnisse zu verzichten und nur mehr vor dem Computer zu sitzen anstatt vor dem Klavier. Die performative Seite des Musikmachens möchte ich aber nicht missen, daher spiele ich auch bei Orchester- und Ensembleprojekten mit und plane Kammermusikkonzerte. Zudem unterrichte ich auch zweimal in der Woche an der Musikschule in Axams. Somit ist für ein fixes Einkommen gesorgt und ich muss mich nicht dem ständigen Druck von Abgabeterminen aussetzen. Das ermöglicht mir im besten Fall sogar mehr Freiheit. Besonders in einer Zeit, in der das Kulturleben von der Corona-Pandemie beherrscht wird, ist es natürlich eine große Erleichterung, wenn für ein geregeltes Einkommen gesorgt ist. Viele freischaffende Künstler wurden durch die Pandemie in eine sehr prekäre Situation gebracht, auch ich musste viele Auftritte absagen.

Schätzt man gerade in einer solchen Zeit den Wert der Kunst, der Musik, der

Live-Auftritte umso mehr?

Ich denke, Kultur ist etwas zutiefst Menschliches, das so alt wie die Menschheit selbst ist, und ich sehe es sehr kritisch, einen so essentiellen Teil der gesellschaftlichen Interaktion vollständig ins Internet zu verlegen, wie es momentan der Fall ist. Ich spreche dabei gar nicht von der sogenannten „Hochkultur“, sondern jedes Rock-Konzert, jeder Techno-Klub, jedes Volksmusikfest, Seniorensingen, Musikschulkonzert, Lagerfeuer-Lied oder Kabarettprogramm sind genauso wichtiger Teil der Musikszene wie klassische Konzerte. Genau das macht Kultur aus, dass sie in ausnahmslos jeder Alters- und Gesellschaftsschicht Ausdruck findet – wo immer Menschen zusammenkommen, entsteht ein Bedürfnis nach Kultur. Das macht ein Kulturangebot geradezu unabdingbar für eine Gesellschaft und ich finde es sehr schade, wenn das von der Politik nicht erkannt wird und man in Krisensituationen als „nicht systemrelevant“ abgestempelt wird.

Sie haben für das neu installierte Glockenspiel im Sterzinger Zwölferturm heuer ein eigenes Stück komponiert. Wie kam es dazu?

Der Tourismusverein Sterzing ist an mich herangetreten und hat mich gefragt, ob ich ein Stück dafür komponieren würde. Meine ursprüngliche Idee war es, die Sterzinger Vereine wie Musikkapelle und Chor sowie die Musikschule miteinzubeziehen und das Werk in Instrumentalbesetzung

- •.• der Profi für zulriedc,ne Miterbeiter •••

~alcher Bau, _____ _. \IJlr ~uckeM •••

Verw~,~~ngsmitarbeiter (m/w) BeUJirb Dlch!

bettlna,hofer@salcher-bau,lt

gemeinsam aufzuführen. Im Laufe des Herbstes ist diese Idee allerdings mehr und mehr zerbröckelt, weil weder die Musikkapelle noch der Chor Proben abhalten konnten. Der Chor sollte den Andachtsjodler, der ja typisch für Sterzing steht, interpretieren, darüber wollte ich eine Melodie legen. Nachdem absehbar war, dass es zu keiner Aufführung in Gesamtbesetzung kommen wird, habe ich das Stück allerdings nicht mehr fertig komponiert und aus den geplanten acht Minuten sind schließlich nur drei geworden; ich blieb als Solist übrig – ganz minimalistisch und besinnlich, passend zur Corona-Zeit.

Wie ist das Projekt in der

Sterzinger Bevölkerung aufgenommen worden?

Ich denke, das Glockenspiel kam bei den Sterzingern sehr gut an, gerade weil es für sie organisiert wurde und wir es trotz Corona und ausbleibender Touristenströme durchgezogen haben. Natürlich lag das Hauptziel darin, eine Touristenattraktion zu schaffen. Es war mir aber auch wichtig, der Sterzinger Bevölkerung ein kulturelles Erlebnis zu bieten und so einen Mehrwert zu schaffen. Die vielen positiven Rückmeldungen haben mir gezeigt, wie hungrig die Menschen nach einem Kulturangebot sind – und sei es nur in dieser reduzierten Form.

Eine Komposition für ein Glockenspiel ist doch eher etwas

Ungewöhnliches. Was war die größte Herausforderung?

Es gab gleich mehrere Herausforderungen. Zum einen war es der begrenzte Zeitrahmen. Ich konnte das Glockenspiel nämlich nicht zu jeder beliebigen Zeit ausprobieren. Eine große Unterstützung war in dieser Hinsicht die Firma Grassmayr, die es mir erlaubte, auf dem Prototyp auf ihrem Werksgelände zu probieren. Die nächste Herausforderung bestand darin, das Klangverhalten der Glocken zu verstehen. Eine Glocke ist nämlich kein herkömmliches Instrument: Der Grundton, der eigentlich nicht vorhanden ist, wird durch eine Vielzahl von Obertönen erzeugt. Im Zusammenklang harmonisieren diese Töne anders, als man es von Instrumentalklängen gewohnt ist, und das muss im Satz berücksichtigt werden. Jede der Glocken ist eben einzigartig und hat sozusagen ihren eigenen Willen.

Sie haben die Glocken mit einem Keyboard zum Klingen gebracht. Welche Technik steckt dahinter?

Am Keyboard war ein Sender installiert, der das Signal an einen Computer übermittelte, dieser wiederum steuerte die Mechanik der Glocken. Die allergrößte Herausforderung bestand darin, mit der Zeitverzögerung, die sich durch die Distanz zwischen Keyboard und Glocken ergab, zurecht zu kommen. An diese Zeitverzögerung von rund einer halben Sekunde musste ich mich erst gewöhnen und das musste ich natürlich auch bei der Komposition berücksichtigen: Die Melodie durfte nicht zu schnell sein und es durfte die gleiche Note nicht sofort aufeinander folgen, weil auch der Hammer, der die Glocke schlägt, eine gewisse Zeit benötigt, um wieder an seinen Ausgangspunkt zurückzukehren.

Wie stehen Sie zu den modernen digitalen Hilfsmitteln?

Chilly Gonzales hat bei seinen

Konzerten beispielsweise auf seinem iPad Klavier gespielt.

Ich bin ein Befürworter von technischen Entwicklungen. Die gesamte Musikgeschichte ist geprägt von ständiger Innovation im Instrumentenbau, das war schon immer eine Triebfeder der Kreativität. Ich finde es im Gegenzug sogar ein wenig schade, weil man in der Klassik regelrecht stehengeblieben ist. Das Klavier, so wie wir es heute kennen, entspricht dem Entwicklungsstand von vor fast 100 Jahren. Seither gab es keine großen Innovationen mehr, während die moderne Musik bei den Tasteninstrumenten einen großen Entwicklungsschub bewirkte: Synthesizer, Keyboard und elektronische Tasteninstrumente bieten hier eine riesengroße Palette an Möglichkeiten, nicht zuletzt auch die Apps für iPad. Ein großes Thema wird in Zukunft auch das Zusammenspiel von künstlicher Intelligenz mit Komposition und Live-Performance spielen – hier gibt es schon erstaunliche Fortschritte. Ich denke, das wird zwar die Rolle von Komponisten verändern, aber uns sicher nicht obsolet machen.

Welches Werk möchten Sie unbedingt einmal komponieren?

Mein Ziel ist es, offen zu bleiben für neue Entwicklungen und Strömungen. Das, was mir gefällt, möchte ich erforschen und neu verbinden.

Interview: Astrid Tötsch

This article is from: