ERKER 04 2021

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Kultur

„Das vielgerühmte Talent wird oft überbewertet“ Der Sterzinger Komponist Josef Haller im Interview

Denkt man ans Komponieren, kommen einem unweigerlich berühmte Musik-Genies wie Bach, Mozart oder Beethoven in den Sinn. Dass diese Fähigkeit weniger eine Gabe ist, als vielmehr mit einem starken Interesse für Klänge zu tun hat und mit dem Willen, dieses Handwerk zu erlernen, darüber spricht der junge Sterzinger Komponist Josef Haller. Erker: Herr Haller, wann wussten Sie, dass Sie Musiker bzw. Komponist werden wollen? Josef Haller: Es gab keinen bestimmten Auslöser oder einen bestimmten Moment, an dem mir klar war, dass ich Musik machen möchte. Meine Eltern sind Musikliebha-

ber und meine älteren Geschwister haben ebenfalls alle ein Instrument erlernt. Musik war immer ein Teil unseres Lebens, der gefördert wurde. Bereits als Kind habe ich auf dem alten Flügel in unserem Wohnzimmer, ein Erbstück eines Groß-Onkels, herumgespielt. Später nahmen mich meine Eltern, die beide langjährige und begeisterte Mitglieder im Sterzinger Pfarrchor sind, zu den Chorproben mit und so lernte ich die Vielstimmigkeit und das Zusammenspiel der Harmonien kennen. Wir hatten zuhause einige Schallplatten, bis heute sind mir die Alben „The Wall“ von Pink Floyd und die Carmina Burana von Carl Orff in Erinnerung, die mich schon als Kind fasziniert haben.

ZUR PERSON Josef Haller, geboren 1993 in Sterzing, erhielt seine erste musikalische Ausbildung an der heimischen Musikschule, später wechselte er ans Konservatorium „C. Monteverdi“ in Bozen zu Professor Andrea Bonatta. Von 2012 bis 2017 studierte er am Mozarteum Innsbruck Instrumentalpädagogik sowie am Tiroler Landeskonservatorium Klavier Konzertfach (Sebastian Euler) und Komposition (Franz Baur). Anschließend setzte er seine Ausbildung an der Royal Academy of Music Aarhus (Dänemark) in den Fächern Klavier mit Schwerpunkt Zeitgenössische Musik (Søren Rastogi und Martin Qvist-Hansen) sowie Komposition (Niels Rønsholdt und Simon Steen-Andersen) fort, wo er 2019 abschloss. Zurzeit studiert er Jazzklavier am Tiroler Landeskonservatorium bei Stephan Costa. Seine Kompositionen wurden in Österreich (u. a. Klangspuren Schwaz), Italien (u. a. TransArt Festival Bozen) und Dänemark (u. a. Pulsar Festival Copenhagen) aufgeführt. 2016 erhielt er das Hilde-Zach-Kompositionsstipendium der Stadt Innsbruck sowie ein Kompositionsstipendium von Kraftwerk Neue Musik Tirol. Haller lebt als freischaffender Musiker und Komponist in Innsbruck und arbeitet als Klavierlehrer an der Landesmusikschule Westliches Mittelgebirge in Axams.

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Was bedeutet Musik für Sie? Das ist eine sehr schwierige Frage. Es sagt sich so leicht, dass einem die Musik alles bedeutet. Sie ist sicher ein wichtiger Teil meines Lebens, das kann sie aber auch für jemanden sein, der „nur“ Musikliebhaber ist. Für mich ist die Musik eine Spielwiese, ein Experimentierfeld; ich habe hier die Freiheit, alles auszuprobieren und mich auf eine besondere Art und Weise, die mit der gesprochenen Sprache nicht möglich ist, auszudrücken. Das Tolle an der Musik ist, dass man sich in sehr viele verschiedene Bereiche sehr vertiefen kann. Musik wird nie langweilig. Ich glaube, deshalb ist mir die Leidenschaft dafür auch geblieben. Haben Ihre Eltern und Bekannten Sie in Ihrem Berufswunsch unterstützt? Ich hatte das Glück, dass ich immer sehr unterstützt wurde, dafür bin ich meinen Eltern sehr dankbar. Ich weiß nicht, ob ich die Ausbildung zum Musiker und Komponisten ansonsten weiterverfolgt hätte. Ausschlaggebend für meine spätere Berufswahl war u. a. mein Klavierlehrer am Bozner Konservatorium Andrea Bonatta. Prägend war auch mein erster Klavierlehrer Christoph Hildebrandt an der Sterzinger Musikschule, der mir von Beginn an immer große Freiheit erlaubt und mich zum Experimentieren ermutigt hat. Welche Instrumente spielen Sie? Ich habe Klavier und Komposition als Hauptfach studiert und als Zweitinstrument Kontrabass gelernt. Gerade beim Komponieren ist es wichtig, ein Instrument und seine Möglichkeiten zu verstehen. Während das Klavier ein Universalinstrument ist, auf dem sozusagen

fast alles spielbar ist, muss man bei anderen Instrumenten Rücksicht auf instrumentenspezifische Besonderheiten und auf die Spielbarkeit nehmen. „Ich bin ein Befürworter von technischen Entwicklungen. Die gesamte Musikgeschichte ist geprägt von ständiger Innovation im Instrumentenbau, das war schon immer eine Triebfeder der Kreativität.“ Wieviel ist beim Komponieren Gabe, wieviel Handwerk? Ich glaube, das vielgerühmte Talent wird oft überbewertet. Mehr als eine Gabe ist es ein Interesse, Klänge zu erforschen und mit Akkorden und Melodien zu experimentieren. Es ist meiner Meinung nach keine Frage des Talents, sondern der Zielstrebigkeit und des Willens, sich ausgiebig damit zu beschäftigen. Anders ausgedrückt: Es ist noch kein Komponist vom Himmel gefallen. Natürlich sind bestimmte Dispositionen förderlich, wie etwa ein gutes Gehör, Vorstellungskraft, Aufmerksamkeit und Interesse. Vieles lernt man durch die Analyse der Werke anderer Komponisten, vor allem dann, wenn man sie selbst spielt. Am Konservatorium habe ich sehr viel Bach gespielt und dabei analysiert, wie seine Musik, besonders seine Fugen, aufgebaut sind. Mit meinen ersten Versuchen, selbst Fugen zu komponieren, bin ich natürlich kläglich gescheitert. Aber langsam und stetig habe ich Fortschritte gemacht. Das Handwerk bildet dann ein hilfreiches Werkzeug, um schneller voranzukommen und um strukturierter arbeiten und reflektieren zu können. Ein völlig anderes Konzept trifft


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