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Geschichte: Der Tiroler Dichter Adolf Pichler

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Der Tiroler Dichter Adolf Pichler

Der Dichter Adolf Pichler (1819 – 1900)

Unter den bekanntesten vaterländischen Schriftstellern und Dichtern Tirols Ende des 19. Jahrhunderts wird neben Anton Müller (Bruder Willram) und Sebastian Rieger (Reimmichl) auch der in Erl in Tirol geborene Dichter Adolf Pichler genannt. Er war nicht nur Schriftsteller, sondern auch Arzt und Naturwissenschaftler. Er schrieb um 1870 das epische Ge dicht „Der Schmied zu Gossensaß“, auch deshalb soll an ihn erinnert werden. Zu Ehren seines 200. Geburtstages wurde vor kur zem in Innsbruck ein Sammelband seiner Werke mit dem Titel „Die verlorenen Seelen von Malcesine – Adolf Pichler (1819 – 1900)“ vor gestellt. Adolf Pichler wurde am 4. Sep tember 1819 in Erl geboren. Seine Kindheits- und Jugendjahre musste er in unglücklichen Famili enverhältnissen verbringen. Vater und Mutter vernachlässigten ihn sträflich. Dank der finanziellen Hil fe von Verwandten durfte der talentierte Knabe studieren. In Innsbruck besuchte er das Gymnasium und begann an der Universität ein Jus-Studium. Daneben studierte er moderne Sprachen und deut sche Literatur. 1842 wechselte er zum Studium der Medizin nach Wien, wo er im Jahr 1848 promo vierte. Dies war das Jahr der deutschen Märzrevolution, die auch auf andere Länder übergriff. Das Volk verlangte Pressefreiheit und ein Parlament. In diesem Sturm jahr nahm Adolf Pichler an den Studentenerhebungen in Wien teil. Als er von der Bedrohung sei ner Heimat Tirol durch die Italievon Günther Ennemoser

Adolf Pichler bei einer Wanderung

ner erfuhr, bildete er ein Freiwilligen-Korps, um mit diesem an die Südgrenze seines Heimatlan des zu marschieren. Unter den 131 Freiwilligen befand sich auch der greise Kapuzinerpater Joa chim Haspinger, ein Kampfgefährte Andreas Hofers. Am 27. April 1848 zog diese Kampfgruppe in Bozen ein, wo sie mit Jubel emp fangen wurde. Am 10. Juni kehrten die Freiwilligen mit Adolf Pichler wieder nach Wien zurück, wo sie den Oktober-Aufstand miter lebten. Dann zog es Pichler wieder nach Innsbruck, wo er im November 1848 an der philosophischen Fa kultät der Universität eine Supplentenstelle an der Lehrkanzel für Naturgeschichte übernehmen durfte. Als er am Wettbewerb für eine neue Professur an dieser Fa kultät scheiterte, kehrte er an das Gymnasium zurück, um dort Na turwissenschaften zu unterrichten. In der Freizeit beschäftigte er sich mit Geologie und Mineralo gie sowie mit geognostischen Studien. Er unternahm ausgedehnte Wanderungen in der Tiroler Berg welt. Auf seinen Reisen lernte er in Berlin Alexander von Humboldt kennen. Den Arztberuf wollte Adolf Pichler nie ausüben. Der von den Behörden nicht gern

gesehene Gelehrte musste lange warten, bis er zum Professor der Geologie an der Universität Inns bruck ernannt wurde – da schrieb man das Jahr 1867. 1890 trat er nach insgesamt 42 Dienstjahren in den Ruhestand. Politisch wollte er noch 1850 im Schleswig-Holstei nischen Krieg, wieder mit Freiwilligen, mitmischen. Die Behörden gestatteten ihm dieses Abenteuer jedoch nicht. Somit war sein dies bezügliches Engagement zu Ende. Trotz seines Fachwissens zog es Pichler immer wieder zur Dich tung. Bekannt wurde er durch seine literarischen Werke, sei ne Gedichte, seine Epen und Erzählungen. Den Stoff für Sagen und Epen nahm er gerne aus al ten Volkssagen, die bis zum Nibelungenzyklus zurückreichen. Seine dichterischen Erfolge stellten sich nach und nach ein. Dramen glückten ihm nicht, dafür aber ly rische Werke. Besondere Bedeutung erhielten seine Hymnen, Wanderskizzen und Epen. In sei nem Buch „Aus Tiroler Bergen“ schildert er Begegnungen und Erfahrungen mit Tiroler Origina len: Bauern, Hirten, Jägern, Holzknechten, Wilderern, Schmugglern und Einsiedlern. Pichler sieht und schildert das soziale Elend ge nauso wie die aufkeimende Hoffnung einer Fremdenverkehrsentwicklung durch die Eisenbahn. Seine naturwissenschaftlichen Leistungen werden auch heute noch gewürdigt. Adolf Pichler war für seine Zeit weltoffen. Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte er in Barwies im Tiroler Oberland und in Inns bruck. Am 15. November 1900 er

Abends saß der Sohn des Bauern Schmauchend vor des Hauses Tür, Um die Kühlung zu genießen Und des süßen Lindenduftes, Der zu ihm herüberwehte. (Auszug)

Der Sohn des Bauern musste trotz seiner Angst vor Gespenstern in der Nacht in die Dorfschmiede, um einen Pflug zu richten. Dort traf er unerwartet auf einen Zwerg und die Tochter des Schmiedes. Der Bösewicht fesselte ihn mit einer selbst geschmiedeten Kette und führte ihn zum Mädchen. „Zähm ihn, lehr ihn jubeln, tanzen, singen, bis er dir zugetan und ich wiederkomme!“, rief der Zwerg und verschwand. Die Tochter des Schmiedes führte den Mutlosen lächelnd vor die Tür und nahm ihm die Fessel ab. Fertig stand da der Pflug wie neu. Schnell brachte der junge Mann den Pflug zum Vater, der voll des Lobes war. Der Zauber wich jedoch nicht vom Bauernsohn. Er irrte im Dunkel der Nacht umher, bis ihn der Vater fragte: „Was hast du, fehlt dir etwas?“ Nun erzählte der Arme sein Schicksal. Der Bauer lachte und meinte: „Geh zum Pfarrer und lass dich vom Zauberfluch befreien, nimm aber die Hexe mit, die da bei war!“ Der Sohn folgte diesem Ratschlag und der Zauber war gebrochen. Dies auch zur Lehre der Junggesellen, denen gleiches widerfuhr. Die Ballade hat 157 Verse.

Denkmal auf dem Adolf-Pichler-Platz in Innsbruck

lag er einem Herzinfarkt. Adolf Pichler war ein Liberaler der ers ten Stunde, dann ein Deutsch-Nationaler. Er betonte stets die sprach liche, kulturelle und politische Einheit Österreichs mit Deutschland, weshalb er von vielen nicht geliebt wurde. Pichlers Verhältnis zur Kirche war von vielen Konflikten überschattet. Er stellte sich gegen den dominierenden Klerika lismus und die Kaisertreue. Die Stadt Innsbruck ehrte ihn mit der Ehrenbürgerschaft. 1909 wurde auf dem heutigen Adolf-Pichler-Platz in Innsbruck ein überlebensgroßes

Denkmal des Dichters aufgestellt. Pichlers Nachlass wird vom Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum ver waltet. E

Ingenieur Adriano Ottaviani (1925 – 2018)

Die staatliche Bergbaugesellschaft A.M.M.I. (Azienda Minerali Me tallici Italiani) führte seit 1940 das Bergwerk am Schneeberg und die Aufbereitungsanlage in Maiern im Ridnauntal. 1957 wurde sie in die Aktiengesellschaft A.M.M.I. s.p.a umgewandelt, an der die öffent liche Hand aber immer noch bedeutende Anteile hielt. Im Zuge dieser Betriebsumwandlung wur de im Jahr 1958 der Ingenieur Adriano Ottaviani zum neuen Be triebsdirektor in Ridnaun und am Schneeberg bestellt. Ottaviani war der bedeutendste unter den Direktoren, die in ita lienischer Zeit das Bergwerk am Schneeberg und die Aufberei tungsanlage in Maiern geleitet haben. Unter ihm wurden die be deutendsten Investitionen getätigt und dem Betrieb nachhaltig ein Stempel aufgedrückt. Geboren wurde Adriano Ottavia ni am 28. Juni 1925 im belgischen Fleurus. Nach einer Ausbildung zum Ingenieur wurde er 1958 Be triebsdirektor in Maiern. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten und die enorme Schuldenlast, die zur Teilprivatisierung der A.M.M.I. ge führt hatten, besserten sich trotz der Umwandlung der A.M.M.I. in eine Aktiengesellschaft (s.p.a.) kaum. Die Gründe dafür lagen in den anhaltend niedrigen Preisen für Blei und Zink am Beginn der 1960er Jahre, die im Jahr 1962 ei nen noch nie dagewesenen Tiefpunkt erreichten. Dies geht aus 48

den stenografischen Protokollen des Senats hervor, dem aufgrund der staatlichen Beteiligungen die Abschlussbilanz des Jahres 1962 vorgelegt werden musste. Diese schloss dementsprechend auch mit einem ansehnlichen Verlust. Die betrieblichen Herausforde rungen für Ottaviani waren also enorm. Aus einem Bericht Otta vianis aus dem Jahr 1966 geht hervor, dass er schon früh zwei Hauptprobleme im Betrieb am Schneeberg ausgemacht hatte: die Bedingungen für die Arbeiter und den Erztransport. Ottaviani war um eine nachhaltige Verbes serung der Arbeitsbedingungen und vor allem der Unterbringung der Arbeiter bemüht, denn viele der italienischen Arbeiter moch ten nicht mehr in der isolierten Knappensiedlung in St. Martin le ben. Es herrschte ein reger Wechsel unter ihnen und mancher verblieb nur kurze Zeit unter diesen Bedingungen. Nach den Planun gen der Werksleitung sollte daher das Knappendorf St. Martin län gerfristig aufgelassen und die Arbeiter in Ridnaun untergebracht werden. Es wurde dort ein neu es Arbeiterwohnhaus geplant, in dem in Zwei- und Dreibettzim mern etwa hundert Arbeiter untergebracht werden konnten. Die Seilbahn über die Schneeberg scharte war nicht nur in ihrem Betrieb arbeitsintensiv, sondern auch störungsanfällig. Ein neuer För derstollen sollte beide Hauptprobvon Armin Torggler leme des Betriebs am Schneeberg entschärfen und damit den Bergbau rentabler machen. Zudem ließen sich zu Beginn der 1960er Jahre die Schneeberger Erzlager vom St. Martin-Stollen aus nicht mehr rentabel abbauen. Schon zur Zeit der k.k. Bergver waltung Klausen gab es Planungen, den Karl-Stollen, der von der Passeirer Seite unterhalb von See moos in den Berg führte, bis ins Lazzachertal zu verlängern. Die Ausführung dieses Vorhabens wurde allerdings durch den Aus bruch des Ersten Weltkrieges verhindert. Zu Beginn der 1960er Jahre griffen Ottaviani und die Führung der A.M.M.I. dieses Pro jekt wieder auf. Darüber hinaus erhoffte man sich in der Tiefe noch Erzlager im Umfang von 500.000 Tonnen. 1962 wurde dann im Lazzachertal der sogenannte Poschhaus-Stol len auf einer Höhe von 2.000 m angeschlagen. Der Vortrieb des Stollens erfolgte in den darauffol genden Jahren nicht durch die Arbeiter des Bergwerks selbst, sondern durch die Firma Del Favero im Auftrag der A.M.M.I. Der Ver trag über diese Arbeiten wurde 1965 abgeschlossen. Den Auftrag zur Errichtung der Gebäude rund um das Stollenmundloch erhielt die Firma Della Vedova. Im September 1966 erreichte man den Punkt unterhalb des Karlstol lens. Dieser liegt 60 m höher als der Poschhaus-Stollen. Man kon zentrierte sich zunächst auf die Erschließung der neuen Erzlager stätte, die man 1967 nach etwa 3,6 km vom Mundloch aus er reichte. Die Kosten für das Projekt waren enorm: 180 Millionen Lire ver schlang der Betontunnel, der das Mundloch mit der Bergstation der Seilbahn verband, die Gleisanla ge im Poschhaus-Stollen kostete weitere 525 Millionen Lire. Als Probleme mit der Bewetterung der hinteren Bereiche des Posch haus-Stollens auftraten, wurde in den ersten Monaten des Jah res 1968 der neue Unterbaustollen über einen Schacht mit dem Karl-Stollen verbunden. Die ge nauen Vermessungen untertage lagen in den Händen des Ingeni eurs Renato Ferracini. Bereits während des Vortriebs des Poschhaus-Stollens wurde auch das neue Arbeiterwohnheim in Maiern errichtet. Ihren Arbeits platz erreichte die Belegschaft durch eine neue Kabinenseilbahn der Firma Leitner aus Sterzing, die pro Stunde 94 Personen transpor tieren konnte. Die Übersiedlung der Arbeiter von Schneeberg nach Maiern wurde durch den Brand des großen Knappenhauses im Juni 1967 erheblich beschleunigt. Ottaviani war bis 1971 Direktor in Maiern. Danach war er auf Sardi nien tätig. Er starb im hohen Alter von fast 93 Jahren am 23. Juni 2018 in Iglesias. E

Platz 2 für „Wellenbrecher“

„Wellenbrecher“ schwappt über: Mit ihrem achten, Ende August veröffentlichten Studioalbum lan den „Unantastbar“ wenige Tage nach dessen Veröffentlichung auf Platz 2 der deutschen Albumcharts. Nur die legendäre US-amerikanische Metal-Band Metallica verwehrte den Wippund Eisacktalern Punkrockern die absolute Chartspitze. Nach 15 Jahren Bandhistorie und einem fulminanten Jubi läumskonzert im Sommer 2019 in Sterzing zog sich die im deutschen Sprachraum heute weitum bekannte Hardrockband eine Zeitlang zurück. Im Spätsommer meldeten sich die Punkrocker nun mit einem Album zurück, das wohl durch genau jene Attribute fesselt, die man mit Unantastbar assoziiert. „Wellenbrecher“ ist di Anfang Oktober erschien mit „Attacke ins Glück – Corona Tape II“ das 16. Studioalbum von Frei.Wild. Mit zehn Num mer-eins-Platzierungen sowie zahlreichen Gold- und Platinauszeichnun gen zählt die 2001 gegründete Band Frei.Wild zu den der erfolgreichsten deutschsprachigen Rockbands. Dass die erfolgreiche Eisacktaler Deutschrock-Band angesichts Coro na nicht in Schockstarre verfiel, bewies sie bereits im April mit dem rekt, rotzig, kritisch, hat aber auch Mut zu Gefühl und Herzblut. Seit über 15 Jahren stehen Unantast bar mit ihrer unvergleichbaren Attitüde für raue, rebellische und authentische Musik. Das Album mit seinen 17 neuen Songs möchte Kraft und Selbstver trauen schenken, „um an sich zu glau ben und jeden einzelnen Mo ment zu genießen“. Die Oktober-Ter mine der geplanten Nightlinertour mussten Covid-19-be - dingt auf das nächste Jahr verschoben wer den. Da gehen – sofern die Pandemie es zulässt – Unantastbar auf ihre bisher größte Konzert tournee durch Deutschland, Ös

Attacke ins Glück

terreich und die Schweiz. Nummer-eins-Album „Corona Qua rantäne Tape“. Und der neue Song „Planet voller Affen“ zeigt, dass Frei. Wild auch beim Nachfolger „Atta cke ins Glück“ in die Vollen gehen. Das neue Album mit zwölf hammer harten neuen Songs ist mit der lauteste Rock, seit es Coro na gibt. Für Frei.Wild ist klar: „Wären all die Widrigkeiten um Covid-19 nicht bittere Realität, würde es dieses Al bum in dieser Form sicher nicht geben.“

STILFES Volksbühne verkuppelt Bauern in TV-Serie

Im Oktober zeigt die Volksbühne Stilfes im örtlichen Vereinshaus in einer Inszenierung von Franziska Brandner das Lustspiel „80 Kühe – und kein Bauer“. In der Komödie von Helmut Schmidt dreht sich alles um die beliebte TV-Serie „Vier Hände für ein Euter“. Nachdem die „Hofwoche“ fast vorbei ist, zieht Moderatorin Vera Westermann mit einer neuen Fol ge Bilanz. Als erstes sucht sie die resolute Bäuerin Regina Ho fer auf, die jedoch soeben ihren Freund Roland vom Hof gejagt hat. Regina ahnt noch nicht, dass aus Kostengründen des Fernsehsenders für einige Tage ein weiteres Paar in ihr Haus einziehen wird und ist zunächst – wie ihre Mutter Brunhilde – darüber entsetzt. Regina und Roland werden dann sogar von dem Fern sehsender „gekauft“, um den Zuschauern das verliebte Paar vorzuspielen. Als sie aber merken, dass die polnische Bäuerin Justyna und ihr Bewerber Olli sich auch nur vor der Kamera gut verstehen, wittern Mutter und Tochter ihre Chance. Vera Westermann hat wieder alle Hände voll zu tun, damit eine akzeptable Sendung gedreht werden kann. Das Cha os auf dem Hof erreicht seinen Höhepunkt mit Intrigen, Eifersucht und Mordanschlägen. Zum Schluss passiert jedoch etwas, das es noch in kei ner Folge von „Vier Hände für ein Euter“ gegeben hat ... Premiere feiert das Stück am 16. Oktober um 20.00 Uhr. Weitere Auf führungen im Veranstaltungskalender und auf Erker online.

Das Wipptal in historischen Bildern

von Alois Karl Eller

Die Neustadt von Sterzing – ein oft wiederkehrendes Bildmotiv

Zur Geschichte der Fotografie im Wipptaler Raum

Im Jahr 1839 informierte die Pariser Akademie der Wissenschaften erstmals die Öffentlichkeit über die aufsehenerregende Erfindung des fotografischen Prozesses durch Josef Nicephore Niepce und Louis Daguerre. Die Ausbreitung dieser Erfindung ging jedoch in den ab gelegenen Landstrichen, zumal im „Land im Gebirge“ (Tirol), nur zögerlich vor sich. Die ersten Wan derfotografen zogen, bepackt mit einem Traggestell voll von Appara ten und den nötigen Chemikalien, in den 40er und 50er Jahren des 19. Jahrhunderts erstmals durch Tirol. Um 1860 eröffneten dann in den Tiroler Städten (Bozen, Trient, Meran, Innsbruck) Fotografen ihre ersten Ateliers. Die erste und damit vermutlich äl teste erhalten gebliebene Ansicht von Sterzing zeigt die Neustadt mit Zwölferturm (Foto E. Reul bach, München); das Foto muss um 1870 aufgenommen worden sein, da der Zwölferturm noch eine provisorische Abdeckung nach dem Brand von 1867 zeigt (veröffentlicht in der Broschüre „Sterzing in Schwarz-Weiß 1860 – 1960). In der Stadt selbst lässt sich spätestens 1872 der aus Hall in Tirol stammende Fotograf Josef Schmalzl mit Atelier nachweisen; er verließ Sterzing wahrscheinlich wieder im Jahr 1883.

Die Fotoglasplatte von Dr. Franz Stoedtner

„Sterzing, Straße mit Rathaus. Neg. Nr. 1085100“. Bildarchiv Marburg. Dr. Franz Stoedtner Berlin. Foto 1895

war Glas das erste verfügbare Trägermaterial für Fotoemulsionen. Der Arzt Richard Leach Madox entdeckte 1871 die Vorteile einer Gelatine-Bromsilber-Suspension und war mit seiner Erfindung, der Bromsilber-Gelatine-Trockenplatte, einer der Wegbereiter der damals modernen Fotografie. Dieses Ver fahren mit Gelatine und den eingebetteten Halogeniden Silberchlorid und Silberbromid war von 1871 bis Anfang des 20. Jahrhunderts das gebräuchlichste Verfahren. Die abgebildete Fotoplatte mit den Ausmaßen 5 x 7 cm aus dem „Bildarchiv Marburg“ wurde nach dem genannten Verfahren entwi ckelt; die Glasplatte war leicht im Gebrauch, garantierte eine hervor ragende Qualität und ließ sich gut archivieren. Der Fotograf und Kunsthistoriker Dr. Franz Stoedtner (1870 – 1946) gründete 1895 in Berlin das „Institut für wissenschaftliche Projection“ mit dem Ziel, fotografische Aufnahmen als Bildmaterial für Vorträge und Publikationen anzu bieten. In diese Sammlung wurde

auch die hier gezeigte Aufnahme der Neustadt von Sterzing, datiert 1895, eingereiht. Das umfangrei che Archiv mit über 200.000 Glasplatten-Negativen und zahlreichen Musteralben erwarb 1977 das Bild archiv „Foto Marburg“.

Sterzinger Neustadt im Jahr 1895

Ein Gutteil der erhalten gebliebenen historischen Aufnahmen von Sterzing zeigt die Stadtgasse in der Neustadt entweder vom Süden Richtung Zwölferturm oder die Ansicht vom Norden mit Blick Richtung Rathaus. Nur selten finden sich fotografische Momentaufnahmen aus der Alt stadt oder der Nordansicht vom Zwölferturm; selten verirrten sich Fotografen in die Seitengassen oder hielten Gebäude am Rande der Stadt fest. Schon immer beeindruckten die Stadtbesucher die geschlossene Reihe der im Wesentlichen um 1500 erbauten herrschaftlichen Bürgerhäuser. Die gassenzuge wandte Hauptfassade ragt in der Regel über drei Stockwerke auf und schließt mit der für Sterzing so typischen und architektonisch unterschiedlich gestalteten Feu ermauer nach oben ab. Der Fotograf Franz Stoedtner hält rechts im Bild die Gasthaus schilde „Zur Neuen Post“ (auch „Zum Stern“ genannt) und das kunstvoll gearbei tete schmiedeeiserne Schild vom Gasthof „Zum Weißen Lamm“, angefertigt um 1800, fest. Zen triert im Bild wird der kunstvoll gestaltete, in Ratschinger Marmor erbaute Eckerker vom Sterzinger Rat haus gezeigt. Das Rathaus ließen die Stadtherren von 1468 bis 1473 errichten, der Eckerker wurde im Zuge eines Umbaues 1524 eingefügt. Der Gehsteig, der noch sehr eng an den Häuserfronten entlang geht, wurde ein paar Jahre vor der Aufnahme neu mit Grasstei ner Granitplatten verlegt. Auch die im Bild an der linken Seite verlaufende, einst in Holz ange fertigte Stadtritsche erscheint ausgewechselt und in Stein und Zement neu erbaut und mit Granitplatten abgedeckt. Diese Arbeiten hatte der aus Mailand stammende Bauunternehmer Massimo Zanotta 1879 ausge führt. Der abgestellte Leiterwagen am linken Bildrand zeigt, dass das Auto in Sterzing noch nicht an gekommen ist. Von den ersten Automobilen wird in Sterzing erst um 1900 berichtet. Dazu eine Anekdote: Lud wig Obwexer, der Eigentümer des Gasthofes „Zur Goldenen Rose“, ließ, so wird berichtet, jeden Tag – um Benzin zu spa ren – mit einem Pferd ein Auto vor das Gasthaus ziehen und so den Besuchern zu zeigen, dass auch finanzkräftige Autobesit zer in seinem Gasthof einkehren.

Franzensfeste sucht Kunstschaffende

© Festung Franzensfeste

Die dritte Ausgabe der Schau „Kunst im Advent“ läuft ab 27. November in der Festung Fran zensfeste. Sie zeigt Arbeiten von Künstlern, die sich kritisch mit der Zeit rund um Weihnach ten auseinandersetzen, zugleich aber auch die mit der Pandemie zusammenhängenden Ereignis se und Dynamiken dieses Jahres thematisieren.

Kometenhagel, 2019, Verena Oberhollenzer, Kunst im Advent 2019

Künstler, die daran teilnehmen möchten, können ihr Konzept zusammen mit den notwen digen Unterlagen bis 16. Oktober an Esther Erlacher (esther.erlacher@franzensfeste. info; Tel. 0472 057212) oder Sandra Mutschlechner (sand ra.mutschlechner@franzensfeste.info; Tel. 0472 057206) schicken.

Fotoglasplatte: „Sterzing, Straße mit Rathaus (Brenner). Nr. 85100“. „Verlag Dr. Franz Stoedtner Berlin NW7. Wissenschaftliche Projektion und Stereoskopie“

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