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Serie: Das Wipptal im Zeitraffer, Teil 10

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Das Wipptal im Zeitraffer

von Karl-Heinz Sparber (Teil 10)

1468

Das schönste Rathaus Tirols

1468 kauft die Stadt Sterzing das alte, 1453 abgebrannte Bauernanwesen in der heuti gen Rathausgasse. Es folgen umfangreiche Umbauten bis 1473 durch die Handwerker der Sterzinger Bauhütte: hin ten eine Fleischbank, darüber ein Tanzhaus (der heutige Vi gil-Raber-Saal), vorne die BrotJörg Kölderers Türkenkopf bank, darüber die Ratsräume mit dem Ratssaal. Der prächti ge dreistöckige marmorne Prunkerker wird erst 1524 nach den Plänen des genialen Hofbaumeisters von Kaiser Maximilian I. Jörg Kölderer fertiggestellt. Auf dem tragenden Eckpfeiler hat er einen in Stein gehauenen Türkenkopf angebracht, der Sage nach zur Erinnerung an seinen toten Vater, der im Türkenkrieg seinem Gegner noch den Kopf abgeschlagen haben soll. Von Jörg Kölderer stammt auch das sogenannte „Lusterweib chen“ (um 1525), das noch heute in der Mitte der Ratsstube hängt. 1539 werden der hintere und vordere Trakt mit einer Mauer verbunden und die Treppe zum Tanzhaus erstellt.

Das historische Rathaus mit dem Lusterweibchen von Jörg Kölderer (Postkarte) • Die Peter- und Paulskirche wird an den Sterzinger Jöchlsthurn angebaut im Auftrag von Leonhard und Hans Jöchl • Sterzing ist Mitglied der Tiroler Landschaft • Überschwemmung durch Eisack und Vallerbach

In Sterzing herrscht bereits eine große Berufsvielfalt

1474

Aus der Sterzinger Steuerrolle ist ersichtlich, dass bereits zahlreiche Handwerker und Berufe um das Fuhrwesen in der Stadt vertreten sind. Folgende 37 Berufe sind der Stadt steuerpflichtig: 8 Bäcker, 1 Bader, 1 Bergrichter, 2 Bildschnitzer, 4 Erzknappen, 4 Gerber, 1 Glockengießer, 3 Goldschmiede, 1 Kaminfeger, 2 Kaufmänner, 1 Kipfelbäcker, 2 Kessler, 3 Knechte, 1 Köhler, 2 Krämer, 5 Kürschner, 2 Maurer, 2 Mesner, 1 Messerschmied, 6 Metzger, 2 Müller, 1 Näherin, 1 Pfarrer, 1 Sattler, 2 Scherer, 1 Schlosser, 2 Schmelzer, 3 Schmiede, 7 Schneider, 10 Schuster, 1 Schwögler-Pfeifer, 1 Steinmetz, 4 Tagwerker, 4 Tischler, 2 Zimmermänner, 1 We ber, 1 Zöllner. Es fehlen die Wirte, von denen es zahlreiche gegeben haben muss. Die Handwerker zahlen einheitlich 15 Groschen, die Gewerbetreibenden 18 Groschen. Zur damaligen Währung: Ein Groschen besteht aus einer kleinen, dicken Silbermünze, die seit 1300 in der Münze von Meran geprägt wird. Die üblichen Münzen sind der Gulden und der Kreuzer. Dabei gilt folgende Umrechnungsformel: 1 Gulden = 60 Kreuzer = 40 Gro schen = 15 Vierer = 5 Pfund Berner. Im Jahrzehnt von 1490 bis 1500 kosten Schuhe ca. 7 Kreuzer, eine Kuh 1 Gulden 36 Kreu zer, ein Schwein 2 Gulden 16 Kreuzer, 1 Huhn 4 Kreuzer, 1 Maß Wein (ca. 0,8 Liter) 2 Kreuzer. Im Sterzinger Raum bestellt man die Getränke mit teils ungewöhnlichen, fast ulkig klingenden Bezeichnungen: 1 Sterzinger Maß = 2 Halbe oder Trinkl = 4 Seidl oder Vierling = 0,81675 Liter 1 Fraggele = 1 Pfiff oder Halbseidl oder Fräckerle = 0,1013151 Liter

1477 &

1477: Die Meraner Münze wird nach Hall verlegt.

1486: Große Münzreform von Erzherzog Sigis mund dem Münzreichen (1427 - 1496). Sein „Sechser“ ist die erste Bildnismünze in Tirol. Im Jahr 1951 wird zufällig in einem Geheim fach eines alten Kastens ein Lederbeutel gefunden. Unter diesem sensationellen „Sterzinger Fund“ befinden sich 812 gut erhaltene solche Silbermünzen und 69 Goldmünzen. Heute sind diese Münzen „in alle Winde“ verstreut.

1486

Erker 10/20 1474 n. Chr.

Der Tiroler Taler wird erstmals 1486 in Hall in Tirol geprägt.

1479 n. Chr.

Bergwerk Schneeberg kommt vom Berggericht an der Etsch zu jenem von Gossensaß-Sterzing

1483 - 84 n. Chr.

Auf seiner Reise durch Tirol erwähnt Felix Faber die Gegend um Sterzing sehr lesenswert.

1486 n. Chr.

• Erstmals werden

Passions- und Os terspiele in Sterzing aufgeführt • Höhepunkt des

Schneeberger Berg baues (1.000 Knappen in 70 Stollen)

Vigil Raber, ein berühmter Sterzinger

um 1480

Vigil Raber wird um 1480 als Sohn des Bäckermeis ters Michl Raber in Sterzing geboren. Der Bergsegen steht in höchs ter Blüte, Sterzing ist ein Kulturzentrum ohnegleichen im Tiroler Raum. Nach der Latein schule kommt Die Gedenktafel für Vigil Raber in der Vigil Raber zu Neustadt (heute Haus Gartner, ehemals Vasnachts- oder Raberhaus) einem Maler in die Lehre. Er entwickelt sich zum Tausendsassa: Er sammelt geistliche und weltliche Spiele , Schwänke der Handwerker, aber auch Passionsspiele (seit 1455 regelmä ßig in Sterzing aufgeführt), Weihnachtsspiele, Fastnachtspiele, Possen, Tanzszenen, Jahres zeitenspiele, er fungiert als Darsteller, Spielleiter, Theaterverleger, Stückeverleiher und Dichter. Darüber hinaus sammelt und zeich net er Wappen und veröffentlicht sie in seinen Wappenbüchern (über 10.000 Wappen). Am 14.12.1552 verstirbt er in hohem Alter und wird auf Stadtkosten begraben. Seine Heimatstadt hat seinen großen Bürger sehr in Ehren gehalten (1544 städtisches Bürgerrecht, Gedenktafel am Geburtshaus, Vigil-RaberSaal und Mittelschule „Vigil Raber“, Sterzinger Osterspiele organisiert vom Vigil-Raber-Ensemble).

Entdeckung der „Neuen Welt“ durch Christoph Ko lumbus (1451 - 1506). Er landet am 12. Oktober auf der Insel San Salvador vor der amerikanischen Küs te. Er bringt aus Übersee zahlreiche neue, exotische

Früchte und Tiere mit. Die Syphilis wird er wohl nicht mitgebracht haben, wie neuere Studien belegen, ob wohl ihm dies häufig nachgesagt wird. Der Erreger

Treponema pallidum hat mehrere Unterarten und ist in DNA-Proben aus Finnland, Estland und den Nieder landen aus dem frühen 15. Jahrhundert heuer (2020) nachgewiesen worden. Der Brixner Bildschnitzer Hans Harder schafft für die Sterzinger Pfarrkirche die spätgotische Kreuz tragungsgruppe und für das St. Magdalenakirchlein in Ridnaun den Einfigurenschrein des ehemaligen Hochaltares. An den zwei Flügeln werden außen die Verkündigung und innen vier Szenen aus dem Leben der hl. Magdalena dargestellt.

Harders Kreuztragungsgruppe Der ehemalige Einfigurenschrein im Magdalenakirchlein wird Hans Har der zugeschrieben. 1982 restauriert.

Das Landgericht Sterzing 1491

Das Landgericht Sterzing ist in neun Oblaien aufgeteilt. Die Oblai Sterzing besteht aus 99 Feuerstätten (= ein Haus, aus dem Rauch aufsteigt). Die Oblaien Wiesen und Flons haben 60, Oblanns 88, Pfitsch 68, Niederland 95, Stilfes und Auer 61, Jaufental und Ratschings 80, Ridnaun 89 und Runggenbach 106 Feuerstätten. Das macht in Summe 746 steuerzahlende Gebäude.

1491

Der „Victorinastein“

Am 2. Februar 1497 erfolgt die Grundsteinlegung zum Langhaus der neuen Pfarrkirche in Sterzing im Auftrag von Maximilian I. Der Bau zieht sich bis 1525 hin. Im Zuge der Grabungsarbeiten wird der Grabstein der Victorina Postumia gefunden. Es ist dies nicht nur ein Zeugnis der Anwesenheit der Römer in der Gegend, sondern er enthält auch die ältesten überlieferten Namen von Bewohnern im Sterzinger Raum. Am Südportal der neuen Pfarrkirche befindet sich berl.

Der Grabstein der Postumia Victorina (gestorben 201 n. Chr.) wird zu Lichtmess 1497 beim Grundaushub für das Lang haus der Sterzinger Pfarrkirche gefunden.

das Stadtwappen als Marmorrelief von Matheis Stö

1493 n. Chr.

Im Bergbaurevier von Gossensaß kommt es zu einer gefährlichen Knappenrebelli on. Landesfürst Maximilian I. schickt mehrere hundert be waffnete Söldner ins Berggericht Gossensaß-Sterzing. 27 Aufständische werden ver haftet und nach Bozen gebracht. Ihr Schicksal ist nicht überliefert.

1494 n. Chr.

1494: Der Tiroler Landesfürst (seit 1490), Römische König und Deut sche Kaiser (1493 - 1519) Maximilian I. heiratet in Hall sei ne zweite Frau Maria Blanca Sforza

1496 n. Chr.

• Handwerkertag der Tiroler Bau handwerker in

Sterzing • Kaiser Maximi lian I. bewilligt

Wegzolleinhe bung für Wagen und Saumross

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