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Wiesen: Runter vom Gas
from ERKER 12 2020
by Der Erker
Wiesen
Steigt endlich runter vom Gas!
Die Unfallbilanz in der Hinteren Gasse: ein Totalschaden, ein angefahrener Hund, mehrere „Beinahe-Unfälle“ Diese Plakate haben Kinder gestaltet („weil die Autofohrer zu schnell fohrn“)
In der Hinteren Gasse in Wiesen dürfen Autofahrer nicht schneller als 30 km/h fahren. Doch die wenigsten halten sich an die Geschwindigkeitsbegrenzung. Anrainer sind frustriert. Seit langem fordern sie mehr Sicherheit auf der Straße – vergeblich.
Die Hintere Gasse ist ein ruhiger Fleck. Eng schlängelt sich die schmale Straße durch Wiesen und Felder den plätschernden Mühlbach entlang. Naturnah. Idyllisch. Familienfreundlich. Die Gasse ist nicht viel befahren, aber wenn ein Auto naht, dann heißt es gut aufpassen. „30 km/h fährt hier fast niemand, obwohl es in dieser Zone vorgeschrieben wäre“, erzählt Manuel Guadagnini, ein Anrainer. Dass eine Geschwindigkeitsbegrenzung eingeführt worden ist, hat triftige Gründe. Viele Häuser grenzen direkt an die enge Straße, die meisten Ein- und Ausfahrten und auch andere Stellen sind unübersichtlich. Trotzdem nehmen die wenigsten Autofahrer ihren Fuß vom Gaspedal. „Meistens sind es dieselben“, erzählt eine Anrainerin und meint damit neben Paketlieferanten und LKW vor allem Bewohner von Oberwiesen. Diese fahren – meist aus Gewohnheit – nicht über die Pfitschtalstraße, die Hauptdurchzugsstraße zwischen Sterzing und Hochtal, sondern über die Hintere Gasse. Auch im Winter werde die Geschwindigkeit auf der geräumten, aber doch rutschigen Straße unterschätzt. Autos bremsen, rutschen, landen mit dem Vorderreifen im Graben und müssen herausgezogen werden. Die bisherige Unfallbilanz: ein Totalschaden, ein angefahrener Hund, der anschließend eingeschläfert werden musste, zahlreiche Beinahe-Unfälle. „Schon oft wäre Schlimmes passiert, würden Mamis und Papis nicht genau auf sich und ihre Kinder Acht geben“, so eine Anrainerin. Niemals würde sie ihr Kind alleine bis zur Trautsonstraße gehen lassen, zu oft habe sie erlebt, wie Autos daherschießen, wie Mütter und Kinder vor Panik schreien und ausweichen, wie Autolenker im letzten Moment erschrocken abbremsen.
„Gesagt getan! Gemeinsam für mehr Sicherheit am Schulweg“
Seit rund zwei Jahren stellt Manuel Guadangini stellvertretend für Anrainer immer wieder Anträge an die Gemeindeverwaltung und macht auf die Problematik aufmerksam – schriftlich, telefonisch, persönlich. „Ich habe alles Mögliche probiert, bisher ohne Erfolg.“ Jedes Mal sei er vertröstet worden. Im Sommer 2019 hätte sich eine Arbeitsgruppe mit dem Thema beschäftigen sollen, im Frühjahr 2020 hätte ein Verkehrskonzept ausgearbeitet werden sollen, mit Anrainern hätte ein Gespräch stattfinden sollen. Jetzt ist November und die Situation noch immer dieselbe. Die Aktion „Gesagt getan! Gemeinsam für mehr Sicherheit am Schulweg“ von Südtirol 1, Safety Park, VKE, Land Südtirol und Radio Tirol gab Manuel Guadagnini neue Hoffnung. Seit Ende Oktober bietet der Radiosender seinen Hörern Hilfe an und will gemeinsam mit Experten des Safety Park und Verantwortlichen der Gemeinde die Schulwege sicherer machen. Statistisch gesehen gibt es in Südtirol jeden Tag fünf Verkehrsunfälle, die Hälfte davon in Ortsbereichen. Genau dort, wo auch Kinder zur Schule unterwegs sind. Manuel Guadagnini hatte Glück. Südtirol 1 sagte sofort zu, sich die Gefahrenstelle vor Ort anzusehen. Zwei Tage später schildern Eltern, Kinder, Anrainer und Gemeindevertreter bei einem Treffen beim „Rieplhof“ in der Hinteren Gasse dem Südtirol-1-Reporter die Situation. Am Zaun hängen Plakate, welche die Kinder in der Grundschule und im Kindergarten spontan gestaltet haben. „Achtung, Kinder!“, „Bitte langsam fahren“, „Sicherheit am Schulweg“, steht darauf geschrieben, daneben bunte Zeichnungen von spielenden Kindern, SpeedCheck-Boxen, Radar, Zebrastreifen und Vorfahrtsschilder. Bürgermeister Stefan Gufler verweist im Radio-Interview auf die Priorität, die das Thema Verkehrssicherheit in der Hinteren Gasse habe. Innerhalb November werde der Verkehrstisch, die Plattform für Anliegen der Bürger, neu ernannt und sich dem Thema annehmen. Für das gesamte Gemeindegebiet soll ein Konzept für mehr Verkehrssicherheit und Verkehrsberuhigung ausgearbeitet werden. Wie viele Monate es dauern wird, bis sich die Situation in der Hinteren Gasse verbessert, darauf kann Gufler dem Reporter keine konkrete Antwort geben.
(K)eine Lösung, die allen passt
„Schade, dass der Safety-Experte im letzten Moment abgesagt hat und beim Treffen nicht dabei war. Seine Meinung hätte uns sehr interessiert“, sagt eine Anrainerin. Eine Lösung zu finden scheint nicht einfach zu sein. Speed-Check-Boxen ja, aber an Ecken und Kurven sind anscheinend keine erlaubt. Liegende Polizisten an ausgewählten Stellen ja, bedeutet aber auch ein ständiges Abbremsen und Wiederanfahren, Probleme für landwirtschaftliche Fahrzeuge, Hindernisse für die Schneeräumung. Verbreiterte liegende Polizisten? Wäre zu prüfen. Einbahnregelung? Blinkende Lampen? Ja, aber am dritten Tag fahren vermutlich alle wieder gleich schnell. Eine Sperre, um die Hintere Gasse nur für einige Anrainer befahrbar zu machen gilt als gute Lösung, doch muss die Durchfahrt für Milchwagen, Feuerwehr, Krankenwagen und Schneeräumung garantiert werden. Eine Verbreiterung der Straße oder ein Gehsteig kommt für die Anrainer jedenfalls nicht in Frage. Man wolle keine Autobahn, so der Tenor, das sei nicht die Lösung. Bürgerlisten-Gemeinderätin Claudia Raffl sagt, sie habe bei Verkehrstisch-Treffen immer wieder die Gefahrenzone Hintere Gasse vorgebracht. Darüber diskutiert worden sei erst im Frühjahr 2020, nachdem zahlreiche Bürger den Bürgermeister aufgesucht hatten. Mehrere Vorschläge seien besprochen worden. Der Verkehrstisch entschied sich für einen Sensibilisierungsbrief an alle Bewohner der Hinteren Gasse. Sollte auch dieser nicht greifen, werden Maßnahmen verschärft. Unterm Strich habe es laut Raffl „viele Ideen, aber wenig Konkretes“ gegeben. Die Südtirol-1-Aktion hat jedenfalls Wind in das VerkehrstheDie Situation in der Hinteren Gasse ist nicht die einzige Problemzone in Wiesen. „In der Zone Moosfeld rasen Autos mit 80 oder 90 Sachen durch, trotz blinkender Geschwindigkeitstafeln. Ampeln bringen nichts und die liegenden Polizisten krachen jedes Mal, wenn jemand drüberfährt“, so eine Anrainerin. „Lebensgefährlich“ seien auch der Thurnerweg zwischen Dorfladen und Pizzeria „Monika“ sowie der Gehsteig beim Gemeindepark, der ohne weiterführenden Zebrastreifen plötzlich ende. Schon öfters sei ein Kind beim Überqueren der Straße in ein Auto hineingelaufen und beinahe überfahren worden. Auch auf der Pfitschtalstraße geben einige Autofahrer weiterhin oder erst recht Gas, selbst wenn sich Schülerlotse, Eltern und Kinder auf dem Zebrastreifen oder in unmittelbarer Nähe der Straße aufhalten. Bei beinahe jeder Gemeinderatssitzung in Wiesen wird über Verkehr und Energie gesprochen, und das seit Jahren. Bürger haben Unterschriftenaktionen gestartet, um das Problem „langfristig und endgültig zu lösen“. 2016 nahm der Gemeinderat einen Beschlussantrag der Bürgerliste zum „Schutz der Gesundheit und Sicherheit der Bürger“ an, doch nach wie vor sind Autofahrer mit überhöhter Geschwindigkeit unterwegs. In einem Beschlussantrag forderte Bürgerlisten-Gemeinderat Renato Bussola innerhalb Juni 2020 Speed-Check-Boxen im Moosfeld, in Wiesen, St. Jakob und Kematen. Die Mehrheit im Gemeinderat sprach sich dafür aus, unter Einbeziehung eines Verkehrsplaners ein Gesamtkonzept für mehr Verkehrsberuhigung und -sicherheit auszuarbeiten und eine Lösung für das gesamte Gemeindegebiet herbeizuführen. Nun warten alle gespannt darauf, wann das Konzept endlich ausgearbeitet ist – und ob es endlich eine Lösung bringt, nach der sich alle sehnen.
Bürgermeister Stefan Gufler über die Ver- den Ampeln überprüft, was aber laut geltender kehrsprobleme in der Hinteren Gasse und Straßenverkehrsordnung nicht mehr möglich wie die Straßen von Wiesen-Pfitsch sicherer ist. Deshalb sollen dieselben Maßnahmen wie gemacht werden sollen. im Hochtal gesetzt werden. In mehreren Bereichen wurden GeschwindigErker: Herr Gufler, wird in Sachen Ver- keitsreduzierungen auf maximal 30 km/h vorkehrssicherheit zu wenig getan? genommen. Erhoben wurde auch, in welchen Stefan Gufler: Verkehrssicherheit ist in jeder Bereichen weitere GeschwindigkeitsanzeigeGemeinde ein Thema. Alle Anträge und Anlie- tafeln wie am Moosfeld und im Dorfbereich gen der Bürger werden gesammelt und regel- von Wiesen angebracht werden sollen, die auf mäßig am Verkehrstisch besprochen, der sich überhöhte Geschwindigkeit hinweisen. An veraus Vertretern aller Gemeinderatsfraktionen schiedenen Stellen wurde mit dem Straßenbezusammensetzt und demnächst neu bestellt schilderungsdienst das Anbringen von neuen wird. Die Aussage, dass in Sachen Verkehrssi- Zebrastreifen geprüft und, wo es möglich war, cherheit zu wenig um- wurde dies auch umgegesetzt worden ist, muss setzt. In der Wohnbauzoich ausdrücklich zurück- ne Thurnerweg soll durch weisen. Beispielhaft darf die Errichtung einer neuich einige der unzähligen en Parkgarage das AbstelMaßnahmen anführen, len von Autos entlang der die in den letzten Jah- Zufahrtsstraßen und auf ren umgesetzt worden Gehsteigen möglichst unsind: Eine der wichtigs- terbunden werden. ten Maßnahmen ist die Es gibt zwar BeschränErneuerung der Straßen- kungen, Strafen und und Dorfbeleuchtung auf Kontrollen. Trotzdem dem gesamten Gemein- wird das Geschwindigdegebiet. Alle Bereiche keitslimit oft nicht einwerden gemäß der aktu- gehalten. Braucht es ellsten Beleuchtungsbe- härtere bzw. zielführechnung überprüft und rendere Maßnahmen? mit modernster LED-Beleuchtung ausgestattet. In der Zone „Am Moosfeld“ wurden unüberBürgermeister Stefan Gufler: „Korrektes und vorsichtiges Fahren hat den größten Effekt auf eine verbesserte Verkehrssicherheit.“ Wie gesagt wurden in einigen dieser Bereiche bereits entsprechende Maßnahmen gesetzt, andesichtliche Stellen besei- re Bereiche sind in Beartigt, Peitschenmasten zur besseren Beleuchtung beitung bzw. werden laufend zur Überprüfung der Zebrastreifen angebracht sowie die Bushal- aufgenommen. Es werden regelmäßige Konttestelle an eine geeignetere Stelle versetzt. Bei rollen durch die Ordnungskräfte vorgenommen. den Grundschulen und Kindergärten in Kema- Die Gemeindeverwaltung hat auch öfters um Inten und St. Jakob wurden blinkende Schilder tensivierung der Kontrollen ersucht, besonders sowie entsprechende Bodeneinzeichnungen an- dort, wo viele Schul- und Kindergartenkinder gebracht, die zur Vorsicht im Bereich der Schu- unterwegs sind. Diese wurden dann auch verlen und Kindergärten auffordern. Im Bereich des stärkt durchgeführt. Allerdings gibt es in Pfitsch Überganges zu Schule und Kindergarten in Wie- keine Gemeindepolizei, die für spezifische Konsen wurde das Aufstellen von auf Rot schalten- trollen der Nebenstraßen eingesetzt werden könnte. In diesem Zusammenhang ist man dabei, eine Vereinbarung mit der Stadtpolizei von Sterzing abzuschließen, um in Zukunft auch die Dienste einer Ortspolizei nutzen zu können.
Im Frühjahr hätte ein Experte ein Verkehrskonzept für die Gemeinde ausarbeiten sollen. Liegt es mittlerweile vor?
Im Rahmen der Erarbeitung des „Entwicklungskonzeptes Pfitschtal“ wurde als eine der Maßnahmen eine Dorf- und Verkehrsplanung angeregt. Ein genauer Zeitplan für die Beauftragung des Verkehrsplaners wurde nicht festgelegt. Inzwischen wurden die entsprechenden Schritte für eine Beauftragung gesetzt und das Ganze startet voraussichtlich in den nächsten Monaten.
Die Gemeinde wollte sich im Frühjahr 2020 mit Anrainern der Hinteren Gasse in Verbindung setzen. Dies soll bis heute nicht geschehen sein. Wann ist ein Treffen geplant?
Es hat mehrere Gespräche mit Anrainern gegeben und die Anliegen werden kontinuierlich bearbeitet. Wenn neue Informationen vorliegen, wird die Bevölkerung davon bestmöglich in Kenntnis gesetzt. Spezifische Treffen bzw. Lokalaugenscheine werden je nach Bedarf gemacht.
Totalschaden eines Autos, Unfall mit einem Tier, Beinahe-Unfälle mit Kindern.
Die Zeit drängt, etwas zu unternehmen.
Welchen Zeitplan hat sich die Gemeinde gesetzt, um die Straßen definitiv sicherer zu machen?
Mir sind diese Vorfälle zwar nicht bekannt, aber das Bemühen der Gemeindeverwaltung war es und wird es weiterhin sein, Maßnahmen zu setzen, die zu mehr Verkehrssicherheit beitragen. Mein Aufruf geht hierbei aber auch an die Eigenverantwortung jedes einzelnen von uns, da durch korrektes und vorsichtiges Fahren der größte Effekt einer verbesserten Verkehrssicherheit erreicht werden kann.
Interview: rb
ma gebracht. „Wir hoffen, dass der Bürgermeister verstanden hat, wie ernst es mit der Sicherheit im Dorf ist“, so Guadagnini. Er vertraut auf das Wort des Bürgermeisters und erhofft sich, dass diesmal auch Taten folgen. Die nächsten Schritte wird er wie bisher weiterverfolgen, auch im Auftrag des Radiosenders Südtirol 1, der über die Fortschritte in Wiesen ebenso wie der Erker regelmäßig berichten will. Die Experten vom Safety Park sehen übrigens einen liegenden Polizisten als geeignetste Lösung und ergänzend dazu blinkende Warntafeln. Der visuelle Reiz solcher Warnlichter hole Autofahrer aus ihrer Routine heraus und lenke den Fokus der Fahrer auf die Straße. Die Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 km/h werde dadurch eher eingehalten.
Weg vom Gaspedal
„Die Ängste und Sorgen der Eltern sind immer ernst zu nehmen“, so Vize-Bürgermeisterin Maria Rabensteiner Leitner, die ebenfalls beim Treffen dabei war. Würde jeder achtsam fahren, wären sämtliche Verkehrskonzepte, Sicherheitsmaßnahmen, Strafen und Kontrollen hinfällig. Um das Problem kurzfristig in den Griff zu bekommen, appelliert sie an die Eigenverantwortung eines jedes einzelnen: „Runter vom Gas, vor allem in Gebieten, in denen Kinder unterwegs sein könnten. Denn eines sollte allen, die im Auto sitzen, bewusst sein: Wer 20 km/h schneller fährt, spart zwar fünf Sekunden Fahrzeit ein. Passiert in diesen fünf Sekunden ein Unfall, lässt sich die Zeit nie im Leben mehr zurückdrehen.“ Renate Breitenberger
Machen wir Südtirol zum „Land der Artenvielfalt“
Die Artenvielfalt ist für das Leben auf der Erde eine Grundvoraussetzung. Klimawandel, Ressourcenverbrauch, Rodung von Wäldern, Verschmutzung der Meere und Urbanisierung veränderten in den letzten Jahrzenten nicht nur die Tropenwälder Südamerikas und die Gletscherregionen am Nordpol, sondern auch unsere lokale Flora und Fauna.
Verschiedene Studien belegen einen Rückgang der Fluginsekten von 75 Prozent innerhalb der letzten 30 Jahre. Der Bestand der insektenfressenden Vögel hat pa-
Zur Person
Massimo Santoro ist 26 Jahre alt und lebt in Brixen. Er verbringt fast jeden Tag in und mit der Natur, sei es bei seiner Arbeit als Waldpädagoge in einem Waldkindergarten als auch in seiner Freizeit als Wildtierfotograf. „Ich hoffe, dass durch mein Engagement auch unsere Kinder und Kindeskinder die Natur noch so genießen können, wie ich es jeden Tag darf“, so Santoro. von Massimo Santoro Der Vorstand der Arbeitsgruppe „Au-Raum“: (v. l.) Massimo Santoro, Hugo Wassermann, Silvan Lamprecht, Nadja Thaler, Johannes Wassermann und Andreas Declara
rallel dazu um bis zu 60 Prozent abgenommen. Auch in Südtirol fordert dieser starke Rückgang der Biodiversität immer wieder Opfer. Im vergangenen Jahr konnte in der Millander Au noch ein einziges Exemplar des Laubfrosches (südtirolweit) gezählt werden, in diesem Frühjahr blieb er stumm. Feuchtgebiete werden durch intensiv bewirtschaftete Flächen ersetzt und die Anzahl der im Frühjahr laichenden Amphibien schrumpft immer weiter. Besonders hart trifft es auch Vögel in Kulturlandschaften. Früher stark vorkommende Arten wie der Neuntöter sind heute eine Seltenheit. Genau diese sehr wertvollen und selten gewordenen Feuchtgebiete geraten in Südtirol immer mehr unter Druck. Stillschweigend verschwinden solche für die Biodiversität extrem wichtigen Flächen und es werden teils lächerliche Ausgleichsmaßnahmen getroffen. Für einen Teil des Auwaldes in der Industriezone in Brixen wurden beispielsweise vor einigen Jahren als „Ausgleichsmaßnahmen“ hochstämmige Bäume auf einem Parkplatz gepflanzt. So sind leider in den vergangenen 100 Jahren (was ein Wimpernschlag in der Zeit der Erde ist) sehr viele Flächen verloren gegangen. Vom Sterzinger Moos, das noch vor 150 Jahren einen Großteil des Sterzinger Talbodens bedeckte, ist nur ein kleiner Fleck übriggeblieben. Renaturierungen, wie etwa jene vom Ridnaunerbach (die sehr gelungen ist), bleiben eine Seltenheit.
Wie Wirtschaft und Umweltgruppen zusammenarbeiten können Das Waldstück in der Industriezone Brixen ist ohne Zweifel ein wertvoller Lebensraum und Rückzugsort für viele Pflanzen- und Tierarten in der sonst verbauten Industriezone Brixen. Auch wenn es noch offiziell als Auwald eingetragen ist, handelt es sich allerdings fachlich gesehen nicht mehr um das Ökosystem Auwald als solches, das sich durch regelmäßige Überschwemmungen und einen hohen Grundwasserspiegel
Tüpfelsumpfhuhn Eisvogel
In den vergangenen 30 Jahren ist der Bestand an Fluginsekten um 75 Prozent, an insektenfressenden Vögeln bis zu 60 Prozent geschrumpft.
entlang eines Flusses auszeichnet, sondern leider um einen trockengefallenen Rest dieses ursprünglichen Auwaldes. Dadurch, dass sich der Eisack in den letzten Jahrzehnten immer weiter in sein Flussbett eingegraben hat, ist auch der Grundwasserspiegel beträchtlich gesunken und wird auch in Zukunft noch weiter sinken. Als bekannt wurde, dass die Firma Progress diesen „Auwaldrest“ gekauft hat, ist eine Kerngruppe aus Vorstandsmitgliedern der Umweltgruppe Eisacktal, Vertretern der Arbeitsgemeinschaft für Vogelkun-
© Silvan Lamprecht Nachtreiher
de und Vogelschutz Südtirol (AVK), Naturfotografen und Biologen des Raums Brixen aktiv geworden. In zahlreichen konstruktiven Treffen hat diese Gruppe mit fachlicher Unterstützung des Dachverbandes für Natur und Umweltschutz gemeinsam mit Progress eine Lösung gesucht. Letztendlich ist es der Progress AG gelungen, mehrere südlich an das Biotop Millander Au angrenzende Parzellen anzukaufen bzw. über Tausch zu erwerben. Es handelt sich hierbei um eine Gesamtfläche von 17.500 m2, hauptsächlich Apfelanlagen. Werden diese Flächen in die Millander Au integriert, so entspricht dies einer Verdoppelung des Feuchtlebensraumes im Biotop. Eine weitere Fläche für eine zukünftige Renaturierung wurde von Seiten der Firma Progress zugesichert. Der öko-
Schafstelze
logische Wert der neuen Flächen, in denen eine Renaturierung möglich ist und auch umgesetzt wird, ist im Vergleich zum bestehenden Wald in der Industriezone langfristig gesehen erheblich höher. Die Renaturierungsarbeiten sollen noch heuer beginnen. Die Fläche wird gezielt dem Lebensraum der am meisten bedrohten Lebewesen angepasst. Um die Artenvielfalt der Bevölkerung näherzubringen, sind zwei Beobachtungstürme vorgesehen.
Au-Raum – Arbeitsgruppe für Natur Brixen
Innerhalb der im Eisacktal bekannten „Hyla“ (Umweltgruppe Eisacktal) hat sich vor kurzem eine motivierte Gruppe aus Biologen, Hobby-Ornithologen, Insektenspezialisten, Naturfotografen und Naturinteressierten gebildet, die nun die Initiative ergreifen und ausgehend von Brixen in ganz Südtirol mit verschiedenen Umweltgruppen und Interessierten zusammenarbeiten möchte, um aus Südtirol wirklich „das Land der Artenvielfalt“ zu machen. Passend dazu wurde der Name „Au-Raum“ – Arbeitsgruppe für Natur Brixen gewählt. Der Name setzt sich aus den drei Wörtern „aufräumen“, „Au“ (aus Auwald) und „Raum“ zusammen. Die bereits über 25 Mitglieder starke Gruppe – darunter sind mit Nadja Thaler und Silvan Lamprecht auch zwei Wipptaler – möchte unkomplizierte Aktionen starten, um konkret Lebensräume zu schaffen und/oder zu erhalten. Ein weiteres Kernziel ist auch, die Bevölkerung vermehrt in Sachen Umweltschutz und Artenvielfalt aufzuklären. Die Gruppe ist noch jung und freut sich über jeden Interessierten, der dazu beitragen möchte, dass auch noch unsere Enkel etwas von unseren Schätzen der Natur sehen können. Die fruchtbare Zusammenarbeit mit der Firma Progress zeigt auf, dass sich wirtschaftliche Interessen und Umweltschutz sehr wohl kombinieren lassen. Die Arbeitsgruppe Au-Raum erklärt sich als Expertengruppe bereit, solche Projekte in Zukunft zu begleiten, und fordert gleichzeitig auch die Gemeinden auf, klare Schritte in diese Richtung zu setzen. Es ist an der Zeit, dass wir nicht nur die Wirtschaft, sondern endlich auch die Natur ernst nehmen und ihr etwas zurückgeben.
Wie heißen die Pflanzen im Dialekt Ihres Heimatortes?
Das Naturmuseum Südtirol sucht mundartliche Pflanzennamen und bittet um Ihre Mithilfe. Wenn Sie für die abgebildeten Pflanzen eine eigene Bezeichnung in Ihrem Dialekt haben, teilen Sie diese bitte per E-Mail (pflanzennamen@naturmuseum.it) mit. Weitere Pflanzennamen finden Sie auch auf www.natura.museum/de/pflanzennamen.
Acker-Quecke (Elymus repens)
Gewöhnlicher Tüpfelfarn (Polypodium vulgare)
Breit-Wegerich (Plantago major) Efeu (Hedera helix)
Breitblättriger Rohrkolben (Typha latifolia)