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Umfrage: Das Wipptal im Lockdown
from ERKER 12 2020
by Der Erker
Zweiter Lockdown im Wipptal
Seit einem dreiviertel Jahr plagen wir uns mit Covid-19 herum, jeder auf seine Weise. Trotz kleiner Hoffnungsschimmer scheint ein Ende der Pandemie so schnell nicht in Sicht. Selbst wenn ein Impfstoff den Virus verdrängt, es wird seine Zeit brauchen, bis wir wieder ins Vor-Corona-Leben zurückkehren – sofern dies überhaupt möglich ist. Wie hat sich die Pandemie auf den Alltag der Wipptaler ausgewirkt? Welche Herausforderungen haben sie zu meistern? Der Erker hat sich in unterschiedlichen Branchen umgehört – und genauso unterschiedliche Antworten erhalten.
„Früher unsichtbar, jetzt im Mittelpunkt“
Wer denkt, die Reinigungsbranche mache ein großes Geschäft, der liegt falsch. Mit der Schließung der Hotels im März hat sich unsere Auftragslage abrupt verändert. SRD ist eine große Firma, die langfristig planen muss. Corona hat unsere Planung und Philosophie auf den Kopf gestellt und stattdessen Unsicherheit verbreitet. Früher waren wir unsichtbar, auf einmal standen wir im Mittelpunkt. Die Reinigung musste bereits vor Corona professionell abgewickelt werden. Corona ließ die Anforderungen der Kunden in Sachen Hygiene weiter steigen. Nach jeder neuen Verordnung galt es, unsere 220 Mitarbeiter südtirolweit zu informieren, ein- und umzuschuUmfrage: Renate Breitenberger, Barbara Felizetti Sorg
28 Erker 12/20 Menschenleere Laubengasse in Sterzing
len und umzuorganisieren. Wir reinigen vor allem Büros, private Sanitätsinstitutionen sowie Lebensmittelbetriebe, Weinkellereien, zeitweise waren wir auch für die Desinfektionsreinigung der Lokomotiven verantwortlich. Die Mitarbeiter arbeiten mit FFP2-Masken, Arbeitsbekleidung, teils Vollmontur. Obwohl sie sich ständig bewegen müssen, ist ihre Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt. Das ist eine extreme physische Herausforderung. Dazu kommt die psychische Last, sich jeden Tag aufs Neue mit dem Virus konfrontieren zu müssen. Während alle im Lockdown waren, war das Reinigungspersonal im Außendienst. Corona hat unsere Branche in den Vordergrund gerückt. Das Gute daran: Zum ersten Mal wurde von unseren Kollektivverträgen und von viel zu niedrigen Tarifen gesprochen. Unser Unternehmen unterstützt zwar die Mitarbeiter mit Sonderzulagen, die Wertschätzung der Reinigungsbranche muss sich aber auch in der kollektiven Anpassung der Entlohnung niederschlagen. Reinigen bedeutet mehr, als mit Besen und Kehrschaufel unterwegs zu sein. Vor allem in Zeiten wie diesen tragen wir eine immense Verantwortung. Wir sollen das Virus dämpfen, sollen verhindern, dass er sich verbreitet, sind tagtäglich an der Front. Warum das Reinigungspersonal trotzdem nicht als „systemrelevant“ eingestuft wird, fragen wir uns schon lange. Unsere Branche muss stärker gefördert und unterstützt werden. Professionell ausgebildetes und angemessen bezahltes Personal kommt schließlich allen zugute. Wenn nicht heute der richtige Zeitpunkt für mehr Wertschätzung ist, wann dann?
Mirko Cinosi, Geschäftsführung,
Reinigungsunternehmen SRD, Sterzing
„Hoffe auf mehr Fahrten im Frühjahr“
Es ist eine mittlere Katastrophe. 2019 fuhren wir mit unseren Reisebussen rund 200.000 km, heuer waren es 5.000. Alle vier Reisebusse sind neu und haben einen enormen jährlichen Wertverlust von bis zu 50.000 Euro, einen davon haben wir heuer noch nie aus der Garage gefahren. Normalerweise machen wir 30 Wochenprogramme im Jahr, heuer waren es zwei im Sommer, statt mit 50 mit 20 Teilnehmern. Der Oktober war bis zum letzten Platz ausgebucht. Am Ende kam keine einzige Fahrt zustande, weder eine Ausflugsfahrt oder eine Gruppenreise noch eine mehrtägige Rundreise in Südtirol, im In- oder Ausland. Auch der Fahrplan bei den Linienbussen wurde im April auf einen Notfahrplan reduziert. Die meisten Mitarbeiter haben ihre Arbeitszeit von 100 auf 70 Prozent reduziert, so hatte zumindest jeder eine Arbeit. Drei Mitarbeiter wurden knappe zwei Monate in die Ausgleichskasse überwiesen. Gott sei Dank wurde bei der Tiroler Linienbus GmbH (TLB GmbH), an der wir als Gesellschafter beteiligt sind, aufgrund einer Straßensperre ein Bus-Ersatzdienst eingerichtet, der über sieben Monate zwei Fahrer benötigte, so dass wir unsere Fahrer von der Ausgleichkasse zurückholen konnten. Um die Arbeitszeiten der Fahrer nicht weiter zu reduzieren, indem ich selber Linienbus fahre, habe ich mich gefreut, für die Firma Wipptalerbau AG und die Firma Trabag LKW aushilfsweise zu fahren. Nach mehreren Monaten ohne Beschäftigung wird einem erst richtig bewusst, was es heißt, eine Arbeit zu haben. Es wird eine Weile dauern, bis sich die Leute trauen, wieder in ein „Massenverkehrsmittel“ einzusteigen. Unser Hauptgeschäft konzentriert sich hauptsächlich auf mehrtägige Pensionisten- und Seniorenreisen. Interessanterweise geht die Panik eher von Kindern aus, die ihren Eltern und Großeltern eine Busreise regelrecht ausreden, ja sogar verbieten. Ältere Senioren geben sich lockerer. Einige 80-Jährige meinten zu mir: „Wir haben den Krieg überlebt. Wir werden auch Corona überleben.“ Im Sommer erzählte mir die Tochter einer unternehmungsfreudigen Seniorin: „Gott sei Dank kann meine Mutter wieder mit dem Reisebus fahren, sie würde sonst durchdrehen.“ Im Linienbus macht die Maskenpflicht immer wieder Probleme. Manche verweigern das Maskentragen, tragen sie am Kinn oder sagen, sie werden sie schon über die Nase ziehen, wenn sie im Bus sitzen. Busfahrer haben beim Einsteigen der Fahrgäste Kontrollpflicht, danach ist es nicht mehr ihre Aufgabe. Mittlerweile gibt es bereits Fahrgäste, die andere Fahrgäste auf die Maskenpflicht hinweisen. Um die Sicherheit und Hygienemaßnahmen einzuhalten, wurden mehrere tausend Euro investiert. Die Fahrzeuge werden mit einem eigens dafür angekauften Desinfektionsgerät desinfiziert und auch die Fahrer werden durch
mittlerweile bestellte Schutzscheiben geschützt. Bei Dienstende um 20.00 Uhr werden die Fahrzeuge eine halbe Stunde lang desinfiziert, im Anschluss daran drei Stunden lang gelüftet. Das ist ein Aufwand, gibt aber auch eine gewisse Sicherheit, alles getan zu haben, um Fahrgäste und Fahrer zu schützen. Ich hoffe sehr, dass die Wintersaison einigermaßen läuft und im Frühjahr wieder mehr Fahrten möglich sind. Es gibt bereits Anfragen von Schulen für den Monat März. Im Vertrag mussten wir aber garantieren, dass der Auftrag bis zum letzten Tag kündbar ist. Die Unsicherheit bleibt, aber alles ist besser, als gar keine Perspektive mehr zu haben.
Alexander Rainer, Auto Rainer GmbH, Telfes
„Ein sehr schwieriger Winter“
Im November ist es in Freienfeld immer ruhig. Problematisch sehe ich, wie es im Winter weitergehen soll. Alles ist unsicher. Wann werden die Gäste wieder ohne Quarantänerisiko reisen können und auch reisen wollen? Wir können unseren Mitarbeitern nicht sagen, wann sie wieder arbeiten können. Es wird ein sehr schwieriger Winter werden, vor allem für Hoteliers und Gastwirte, die viel investiert haben. Die Mitarbeiter erhalten zwar den Lohnausgleich, aber ihnen fehlt ein Teil ihres gewohnten Gehalts. Trotz der schwierigen Situation sind wir optimistisch, dass auch diese Krise vorbeigehen wird. In der wärmeren Jahreszeit wird das Infektionsgeschehen wieder zurückgehen und dank des Impfstoffes gegen Corona funktioniert die nächste Wintersaison hoffentlich wieder einigermaßen normal. Roland Volgger, Wirtshaus & Hotel Lener, Freienfeld
klappt, er trifft sich mittlerweile sogar mit seinen Schulfreunden zum Chatten über die Konferenzfunktion. Unserer Tochter und unserem jüngsten Sohn fehlen die Freunde aus dem Kindergarten und da hat es schon Tränen gegeben, weil sie zu Hause bleiben mussten. Meine Frau ist deshalb ziemlich gefordert, kommt mit der Situation aber sehr gut zurecht. Im Büro haben wir schon im März alles für den Pandemie-Modus umgebaut: Plexiglas-Wände montiert, Maskenpflicht eingehalten, Desinfektionsmittel und Putzalkohol sind im Dauereinsatz. Fürs „Homeoffice“ sind wir schon seit dem ersten Lockdown gerüstet. Zwar haben sich persönliche Treffen mit Kunden in dieser Zeit komplett auf Null reduziert, wir haben aber schon seit Jahren Immobilien virtuell zugänglich gemacht, wodurch Interessierte über Videos, Online-Besichtigungen und dreidimensionale Grundrisse einen sehr detaillierten Eindruck von Wohnungen bekommen, auch ohne diese direkt zu besichtigen.
Lukas Siller, Immobilienmakler, Sterzing
„Machen das Beste draus“
Alles dreht sich nur noch um Corona. Zielführend ist das nicht. Wir Menschen planen unser Leben durch und kommen nur schwer damit klar, wenn es einmal außer Kontrolle gerät. Der erste Lockdown war eine große Herausforderung. Ich habe keinen einzigen Cent verdient. Mein Mann Harry und ich haben Kursvideos gemacht und sie den Leuten zur Verfügung gestellt. Der große Zuspruch gab uns Kraft, diese Zeit durchzustehen. Während andere Firmen im Sommer wieder loslegen konnten, haben wir die stillgelegten Abos nachgeholt. Somit hatten wir – bis auf das bisschen finanzielle Unterstützung des Landes – sechs Monate lang keinen Verdienst. Trotzdem versuchen wir, das Beste draus zu machen. Das gelingt uns nicht immer, aber wir bleiben dran. Corona ist da. Ich glaube aber nicht, dass die Realität so dramatisch ist, wie sie in den Medien dargestellt wird. Nach dem ersten Lockdown sind alle Kursbesucher aufgeblüht und freuten sich sehr über die gemeinsamen Treffen. Das ist Gesundheit.
Gabriella Genetin, Bewegungstrainerin, Yogalehrerin und Ernährungscoach, „Lebenskompass“, Gasteig
„Extremer Lockdown“
Der zweite Lockdown kommt mir noch extremer vor als der erste. Im Frühjahr haben die Leute noch bei uns eingekauft, jetzt kommen nur noch jene, die von ihrem Arbeitsplatz in Sterzing nach Hause zurückkehren. Auch die Urlauber sind ausgeblieben. Am Nachmittag wirkt Sterzing bis auf einzelne Spaziergänger wie ausgestorben. Nur selten kaufen ältere Leute bei uns ein. Vielleicht lassen sie sich das Brot nach Hause liefern oder jemand übernimmt den Einkauf für sie. Alle wirken in diesen Tagen sehr ernst, weil niemand weiß, wie es weitergeht. Im Moment gibt es auch nicht wirklich einen Lichtblick, auf den man sich freuen könnte. Ich hoffe, dass sich alles wieder zum Guten wendet. Sonja Messner, Verkäuferin in der
Bäckerei „Walcher“, Untertorplatz Sterzing
„Die Kulturbranche hat es am stärksten erwischt“
Ich denke, es wird nicht viele Menschen geben, bei denen das Leben in Zeiten dieser Pandemie normal weiterläuft, so auch bei mir nicht. Aber ich glaube, im Gegensatz zu vielen anderen kann ich mich noch glücklich schätzen und bin „bis jetzt“ noch relativ gut durch diese Krise gekommen. Aber natürlich und vor allem im ersten totalen Lockdown im Frühjahr war schon manchmal Endzeitstimmung zu spüren. Aber auch wenn es etwas abgedroschen klingen mag, bietet jede Krise auch eine Chance: Ich konnte zum Beispiel die stattfindende Entschleunigung in dieser Phase ganz deutlich verspüren. Plötzlich musste man nicht mehr liefern, ich muss dies und noch das ... Man konnte in dieser plötzlichen, ungewohnten Stille im Kopf alles loslassen, in der angenehmen Ruhe neue Pläne schmieden und gut philosophieren. Natürlich hat Corona auch meinen Alltag verändert. Ich bin ja Musiklehrer und Musiker und stehe in „normalen Zeiten“ mit großer Passion und Leidenschaft auf den Brettern, die die Welt bedeuten (die Bühne). Das Letztere ist nun wohl leider ein Totalausfall geworden. Denn unsere Kulturbranche hat es wohl am allermeisten erwischt. Besonders betroffen sind natürlich jene Kollegen, die hauptberuflich als freischaffende Künstler unterwegs waren. Für mich persönlich bedeutete das, dass mehrere aufregende Konzerte nicht stattfinden konnten, darunter auch das mittlerweile zur Tradition gewordene alljährliche Konzert der Joe Smith Band im Stadttheater von Sterzing. Doch im Gegensatz zu vielen anderen Kollegen gab es für mich ein weiteres Privileg: Ich konnte zwischen dem ersten und zweiten Lockdown im August einige Konzerte mit einer meiner kleineren Formationen geben. Zum Glück muss ich mir persönlich in solchen Zeiten keine Gedanken über Existenzängste machen, da ich ja meinen Lebensunterhalt in erster Linie als Musiklehrer verdiene. Auch im Unterricht an der Musikschule hat sich so einiges verändert, beispielsweise gibt es immer wieder einmal ein Wechsel von
Präsenz- zu Fernunterricht. Außerdem gibt es nur noch Einzelunterricht, da Gruppen leider nicht mehr zusammenspielen dürfen. Das Ensemblespiel kann also gar nicht mehr stattfinden. Zu den größten Herausforderungen in dieser Zeit zählt, gesund zu bleiben und situationsgemäß immer wieder spontan und neu zu reagieren. Ich erhoffe mir, im neuen Jahr gesund anzukommen, dass der Spuk dieser Pandemie abflacht und hoffentlich 2021 verschwindet, damit sich unser Leben endlich wieder normalisieren kann und jeder von uns wieder das tun und lassen kann, was ihm Spaß und Freude macht. Peppi Haller alias Joe Smith, Musiklehrer, Musiker und Sänger, Telfes
„Die größte Herausforderung: Motivation und Moral hochzuhalten“
Die Corona hat mein tägliches Leben wirklich beeinflusst. Während dieser Pandemie habe ich mein Universitätsstudium beendet, konnte dies aber nicht mit meinen Freunden feiern. Meine Arbeit wurde durch diese neuen Bedingungen stark betroffen und ich musste mich darauf einstellen, teilweise von zu Hause aus zu arbeiten. Meine Hobbys, insbesondere das historische Fechten, hörten leider wegen der Schließung aller Sportanlagen auf. Deshalb musste ich mich und mein Team als Organisator dieses Sports in Südtirol für das Training und den Online-Unterricht ausrüsten. Die größten Herausforderungen für mich bestehen darin, meine Motivation und Moral hochzuhalten. Sich daran zu erinnern, dass wir uns von den Beschränkungen, die dieses Virus uns auferlegt, nicht beirren lassen dürfen, sondern neue Kanäle für den Kontakt mit Freunden, zur Unterhaltung und sogar zur persönlichen Verbesserung kennenlernen oder auch erfinden müssen. Ich hoffe, dass wir mit dem neuen Jahr die Entwicklung eines Impfstoffes erreichen werden, der es uns ermöglicht, zur alten Routine zurückzukehren. Die gleiche Routine, die wir oft kritisieren, aber in Fällen wie diesen sogar vermissen.
Ruben Ragno, Project-Manager (Leitner AG), Franzensfeste
„Eine kalte Zeit“
Es ist eine unpersönliche, kalte Zeit. Du kannst den Leuten nicht einmal die Hand geben und Beileid wünschen, nur den Ellbogen entgegenstrecken. Dabei würde vielen gerade jetzt Nähe, Trost und eine Umarmung guttun, aber das alles geht nicht mehr, weil es verboten ist. Wir versuchen trotzdem, Angehörige beim Abschied eines lieben Menschen bestmöglich zu unterstützen und beizustehen. Viele sind hilflos, unsicher, wissen nicht, was sie tun dürfen und was nicht. Die wenigsten kommen persönlich zu uns. Die Vorbereitung der Bestattung läuft meistens über E-Mail oder WhatsApp. Eine Beerdigung ist nur noch im engsten Familienkreis möglich, mit Mundschutz und Abstand. Verstorbene zuhause aufbahren und gemeinsam Beten ist nicht mehr möglich. Früher ging der Trauerzug von der Kapelle aus zur Kirche. Jetzt müssen wir den Sarg vorher in die Kirche bringen
und die Trauernden kommen später nach. Es gibt kein Weihwasser, weder Chöre noch Musikkapellen dürfen die Messe musikalisch umrahmen, erlaubt sind höchstens zwei bis drei Leute. In den vergangenen Monaten sind mehr Menschen gestorben als in den Jahren zuvor. Ich weiß nicht, ob das ausschließlich an Corona liegt. Die Verstorbenen werden eingeäschert oder in eine „Barriera“, ein biologisch abbaubares Nylon, gelegt, das kaltgeschweißt verschlossen wird. Im Frühjahr mussten alle Verstorbenen eingeäschert werden. Sind Familienangehörige gerade in Quarantäne, wird mit einer Beerdigung oft zugewartet, damit alle anwesend sein können. Gemeinsam Abschied nehmen zu können, ist den meisten ein großes Anliegen. Ich hoffe inständig, dass im nächsten Jahr wieder „normale“ Beerdigungen und Beileidsbekundungen möglich sind – für Angehörige, Mittrauernde, für uns alle. Thomas Kofler, Bestatter, Sterzing
„So etwas ist nicht wieder gut zu machen“
Ich hätte im Oktober mit strengeren Maßnahmen gerechnet, aber dass sich ein Lockdown wiederholt, das habe ich wirklich nicht erwartet. Leider ist das heurige Jahr so, wie es ist. Das kann man nicht mehr ändern, Spesen wie Miete und Steuern sind trotzdem zu bezahlen. Das komplette Einkommen von ganzen drei Monaten fehlt. So etwas ist nicht wieder gut zu machen. Hoffentlich bringt uns das kommende Jahr wieder mehr Glück. Ich habe mich nach dem ersten Lockdown mit allen Mitteln ausgerüstet und habe mich an die Regeln gehalten. Einige Entscheidungen der Verantwortlichen sind für mich nicht nachvollziehbar, u. a. die Begründung der Schlie32
ßung der Friseure und Schönheitssalons. Es ist für mich nicht logisch, einige Tätigkeiten offenzuhalten, die nichts mit gesundheitlichen und schulischen Leistungen zu tun haben. Hoffen wir, dass es nicht wieder zu lange dauert, damit wir bald wieder arbeiten dürfen und ein wenig Normalität zurückkehrt. Nur gemeinsam können wir diese Herausforderung bewältigen. Sandra Sorg, Inhaberin des gleichnamigen Haarstudios, Sterzing
„Corona hat unser
Gemeinschaftswesen stark beeinflusst“
Seit dem Frühjahr ist vieles anders. Feuerwehr-Vollversammlungen und der Bezirkstag waren nur in kleinerem Rahmen möglich. Die Übungen wurden in Kleingruppen abgehalten, Gemeinschafts- und Jugendfeuerwehrübungen konnten nicht stattfinden. Bei jedem Einsatz arbeiten wir mit Mundschutz und Desinfektionsmittel, bei Bedarf stellt das Weiße Kreuz Covid-19-Schutzausrüstung zur Verfügung. Corona hat zwar nicht unsere Einsatzbereitschaft, aber unser Gemeinschaftswesen doch stark beeinflusst. Wir dürfen keine Feste mehr abhalten, um unsere Kasse aufzubessern, oder unter Kameraden beisammensitzen. Beides fehlt uns sehr. Im Frühjahr haben wir nach langem eine engagierte Jugendgruppe Wiesen gegründet, wir durften uns aber monatelang nicht treffen. Weder Übungen noch Ausbildungen sind möglich, das ist auch für die Feuerwehrleute, die im Frühjahr beigetreten sind, nicht ideal. Trotz dieser Umstände bleiben wir einsatzbereit und helfen, wo wir gebraucht werden, u. a. bei der Organisation der flächendeckenden Corona-Schnelltests. Beruflich habe ich das große Glück, trotz Lockdown arbeiten zu dürfen. Unsere Firma kümmert sich um die Wartung, Reinigung und Instandhaltung von Heizwerken in Südtirol, Norditalien, Österreich und Deutschland und hat sich im Energiesektor spezialisiert. Auf dem Laufenden zu bleiben, ist schwierig. Ich weiß nie, was die Politik am nächsten Tag entscheidet. Kehre ich nach drei Tagen aus dem Ausland zurück, haben sich in der Zwischenzeit sämtliche Regeln mehrmals geändert. Meine Frau, die einen Marktstand betreibt, ist von der Coronakrise stärker betroffen als ich. Märkte sind verboten, auch der Weihnachtsmarkt, eine der wichtigsten Einnahmequellen für Standbetreiber, fällt heuer aus. Trotz Corona werde ich mich – beruflich wie privat – gerne an dieses Jahr zurückerinnern. Meine Frau und ich haben heuer geheiratet und erwarten bald Nachwuchs. Michael Siller, Bezirks-Feuerwehrpräsident im Wipptal sowie Kaminkehrer, Heizkesselwärter und
Feuerungskontrolleur bei Siller & Feuer GmbH, Wiesen
„Sozialer Aspekt kommt beim Smart Working zu kurz“
Der Lockdown hat auch mich im Frühjahr überrumpelt. Die derzeit nicht vorhandenen oder zumindest stark limitierten medizinischen und wissenschaftlichen Kenntnisse über dieses neue Virus, die rigorosen, aber notwendigen Notstandsverordnungen, die daraus resultierenden sozialen und persönlichen Einschränkungen sowie die Ungewissheit über gesundheitliche, soziale, politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Auswirkungen haben meine gewohnte Lebensweise verändert. Meinen beruflichen Alltag im Bereich der Arbeitssicherheit erlebte bzw. erlebe ich als sehr arbeitsintensiv und herausfordernd. Bereits geplante Projekte mussten zeitlich umstrukturiert, bestehende Termine umorganisiert, diverse Dokumente zum Teil überarbeitet und den aktuellen Gegebenheiten angepasst oder erstmalig erstellt, Prioritäten neu gereiht werden. Der regelmäßige Austausch zwischen Ämtern, Schul- und Kindergartensprengel, Bildungsdirektionen aller drei Sprachgruppen, anderen Netzwerkpartnern, zuständigen Diensten wie dem Department für Gesundheitsvorsorge sowie der Arbeitsmedizin nahm zudem viel Zeit in Anspruch. Digitale Medien als alternative Kommunikationsform waren dabei eine große Unterstützung, für den privaten und vor allem im beruflichen Bereich: Konferenzen, Sitzungen, Besprechungen, Kundenberatungen und Fortbildungen wurden über Videokonferenzen organisiert und durchgeführt. Die unerwartete Corona-Pandemie ermöglichte bzw. erforderte beinahe über Nacht neue Arbeitsformen wie das Smart Working, das für mich auch zeitliche, ökonomische und organisatorische Vorteile mit sich brachte bzw. bringt. So fielen beispielsweise Zeit sowie Spesen für das tägliche Pendeln nach Bozen weg. Um meine Arbeit im Homeoffice versehen zu können, musste ich mir jedoch innerhalb weniger Tage einen entsprechenden Arbeitsplatz einrichten. Ich investierte in Möbel, Arbeitsgeräte, Hard- und Software sowie einen ordentlichen Internetzugang. Die Trennung von Beruf- und Privatleben hat mir anfangs Schwierigkeiten bereitet. Ich musste lernen, mir die Arbeitszeiten wie Dienstbeginn und vor allem Dienstende einzuteilen. Der soziale Aspekt kam beim Smart Working jedoch zu kurz. Die Qualität eines persönlichen direkten Gesprächs, wie etwa bei einem Kaffee mit Kollegen oder einem persönlichen Austausch mit unseren Netzwerkpart-
nern, kann mit einer digitalen Begegnung nicht verglichen werden. Gemeinsam mit unserem gut funktionierenden Team konnten und können wir diese stressige Zeit konstruktiv überbrücken, uns gegenseitig stärken und unterstützen. Für das neue Jahr erhoffe ich mir, dass neue medizinische Erkenntnisse die Gesundheitssituation verbessern, Ängste und Unsicherheiten abgebaut werden und wir wieder zu unserem gewohnten Alltag zurückkehren können. Für die zwischenmenschlichen Begegnungen, vor allem in den sozialen Netzwerken, wünsche ich mir einen verständnisvolleren, freundlicheren und respektvolleren Umgangston.
Alexandra Ralser, Leiterin des Arbeitsschutzdienstes für Grundschulen und Kindergärten, Mauls
„Unterricht mit Hausverstand“
Die Nachricht eines erneuten Lockdowns in Schulen war für mich bestürzend und mein erster Gedanke war „Na, bitte net!“. Als erstes habe ich dabei an die Kinder gedacht. Auch wenn der Unterricht im heurigen Schuljahr anders abläuft als vorher, gibt ein Unterricht in Präsenz den Kindern doch ein Stück Normalität. Die geregelten Abläufe geben ihnen Halt. Ich bin der Meinung, dass ein Lockdown für Kinder eine anregungsarme Zeit ist, in der sie ohne soziale Kontakte sind, die in diesem Alter ja unglaublich wichtig sind. Das Lernen mit- und voneinander hat oberste Priorität und sollte ihnen nicht verweigert werden. Die einzuhaltenden Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen nehmen die Kinder größtenteils klaglos hin. Alles besser als ein erneuter Lockdown in Schulen. Jedes Kind hat das Recht auf Bildung. Aber nicht nur für Kinder ist die Zeit der Schulschließung nicht einfach, sondern für alle Beteiligten, Eltern und Lehrpersonen. Das Schlimme ist, dass niemand konkrete Perspektiven hat, wie es weitergeht. Von Woche zu Woche hangeln wir uns durch und warten ab, welche Neuerungen und Maßnahmen von Seiten der Politik auf uns zukommen. Diesbezüglich möchte ich auch den Eltern für ihre Flexibilität und Mitarbeit danken, da auch diese immer wieder vor neue Herausforderungen gestellt werden. Ich glaube, dass dieses Hin und Her, das Ungewisse an den Kindern nicht spurlos vorüber geht. Wir als Erwachsene können damit besser umgehen, aber verstehen es die Kinder und wie erklärt man es ihnen? Ich hoffe wirklich, dass es zu keiner erneuten Schulschließung kommt. Wir sind bemüht, einen Unterricht „mit Hausverstand“ zu ermöglichen. Denn das haben sich die Kinder verdient. Einen geregelten Ablauf und das Lernen mit ihren Freunden.
Daniela Delueg, Schulleiterin an der Grundschule Ridnaun
„Großes Dankeschön an die Sterzinger“
Corona hat unsere Arbeit in kürzester Zeit komplett auf den Kopf gestellt. Zu unseren Aufgaben gehört prinzipiell die städtische Sicherheit, die Kontrolle des Verkehrs und die Verwaltung, aber plötzlich gab es nur mehr Corona: Ausgangssperren, Lockdown, Eigenerklärungen, Maskenpflicht, unzählige Verordnungen und Kontrollen. Die restlichen Aufgaben der Stadtpolizei gab es von einem Tag auf den anderen nicht mehr. Im Sommer konnten wir wieder vermehrt unsere „normalen“ Aufgaben wahrnehmen, doch allmählich schlitterten auch wir erneut in das Corona-Muster. Die sich ständig än-
Lockerungen ab dem 30. November bzw. 4. Dezember: Handel, Bars und Restaurants öffnen, an der Mittelschule gibt es wieder Präsenzunterricht
dernden Regeln waren die größte Herausforderung. Wir wussten nie, ob die geltenden Gesetze am nächsten Tag noch gültig waren, ständig wurden Verschärfungen, Lockerungen und Regeln neu eingeführt. Dazu kam, dass viele Normen nicht klar waren, wir aber den Bürgern eine klare Antwort geben wollten bzw. mussten: Darf man die eigene Gemeinde zu Fuß verlassen? Darf man mit dem Rad fahren? Da wir nicht gegen die Bevölkerung arbeiten und einfach nur strafen wollten (der leichte Weg), sondern für die Bevölkerung da sein und die Gesetze mit Hausverstand anwenden wollten, haben wir uns ein Netzwerk aufbauen müssen, um aus erster Hand die Infos einzuholen. Ich denke, das haben wir gut gemeistert. Wir haben es geschafft, mit wenigen Strafen, aber durch kontinuierliche Anwesenheit und Zusammenarbeit mit der Bevölkerung und den Carabinieri die Einhaltung der Regeln zu erreichen. Da muss ich die Sterzinger Bevölkerung fest loben. Natürlich gab es Fälle, in denen nur eine Geldstrafe Wirkung zeigte, aber das waren Einzelfälle. Unsere Mitbürger haben den Ernst der Lage verstanden. Sie haben auch verstanden, dass die Polizei zum Wohle aller Kontrollen durchführen muss. Ich bin und bleibe der Meinung, dass die Polizei, besonders die Stadtpolizei, von der Bevölkerung unbedingt als Teil der Gesellschaft – nur eben mit polizeilichen Aufgaben – gesehen werden muss und nicht als Fremdkörper, der nur Strafen ausstellt. Ich denke, das haben wir besonders jetzt in der Corona-Zeit gut geschafft. Deshalb: ein großes Dankeschön an die Sterzinger! Egon Bernabè, Kommandant der Stadtpolizei Sterzing
„Zu dritt geht’s leichter“
Der Frühjahrslockdown hat uns nur gestreift. Da wir Bauern sind, durften wir immer im Gewächshaus und in den Gärten mit unseren Kräutern arbeiten. Die Ernte war super, auch im Sommer war der Verkauf am Bauernmarkt und im Hofladen sehr gut. Jetzt ist es für uns, wie für viele, sehr schwierig: Drei Weihnachtsmärkte sind abgesagt, es kommen wahrscheinlich keine Gäste und somit fällt ein großer Teil unseres Verkaufs weg. Aber wir Kräutergärtner sind keine „Sumser“, sondern Optimisten und haben für diese schwierige Zeit viele Ideen realisiert. Zu dritt geht’s auch leichter. In Sterzing haben wir gerade die wunderschöne Alte Apotheke unter dem Zwölferturm eröffnet, das
macht Spaß und wir hoffen, dass es sich rentiert. Die Einheimischen waren auch auf den Weihnachtsmärkten immer schon die wichtigsten Kunden und wir glauben, so können wir die Wipptaler erreichen. Den Ab-Hof-Verkauf in Wiesen und Pflersch bieten wir weiterhin an. Wir machen Geschenke für Privatkunden und Firmen und haben unsere Internetseite verbessert, zurzeit wird auch viel online bestellt. Wir haben neue Produkte und im Sommer ein Video gedreht. Im neuen Jahr wird es wieder bergauf gehen. Wir werden die Erfahrungen aus der Krise für uns nutzen können und weiterhin mit viel Freude in der Natur arbeiten. Bernhard Auckenthaler, Sepp und Gabi Holzer, Biowipptal Wiesen/Pflersch
„Hoffe, dass diese Zeit bald vorüber ist“
Wir Förster haben Glück und dürfen trotz Lockdown arbeiten. Wie für alle Familien war und ist es aber auch für mich und meine Frau eine Herausforderung, Kinder und Beruf unter Dach und Fach zu bringen. Meine Frau ist Kindergartenköchin. Nach der Schließung des Kindergartens Anfang März wurde sie anderen Gemeindediensten zugeteilt. Wir haben uns irgendwie durchgewurstelt. Ich habe mir frei genommen, damit sie zur Arbeit gehen kann, und umgekehrt. Ansonsten hat sich unser Alltag am Ende eines Tales kaum geändert. Wir können spazieren gehen, öffnen die Haustür und stehen mitten in der Natur. Wer in einem Kondominium in Bozen lebt, hat weit weniger Freiheiten und ist sehr eingeschränkt. Trotz der Dramatik hat Corona auch einige wenige Vorteile mit sich gebracht. Weiterbildungskurse sind im Homeoffice möglich, Büroarbeit über Multime dia-Channels. Früher fuhr ich für Vereinstätig keiten nach der Arbeit mit dem Auto nach Bozen und kam spät abends von Sitzungen heim. Heute finden sie in der Küche vor dem Computer statt. Das ist stressfreier, nachhaltiger, umwelt- und familienfreundlicher. Trotzdem freue ich mich wieder darauf, meine Kollegen persönlich zu treffen. Man muss nicht wegen jeder Kleinigkeit zusammenkommen, aber hin und wieder braucht es auch einen persönlichen Austausch. Anfang März, als der Corona-Lockdown losging, gab es in Pflersch einige Bergrettungseinsätze, auch mit Reanimation. In solchen Stresssituationen haben wir mehr als Bergretter reagiert und weniger auf unsere eigene Gesundheit geachtet. Im Nachhinein habe ich mich gefragt, ob unser Verhalten falsch war, weil es nicht den vorgeschriebenen Covid-19-Richtlinien entsprach. An diesen neuen Umstand muss man sich erst gewöhnen. Im Sommer gab es in Pflersch fast doppelt so viele Bergrettungseinsätze wie sonst. Mehr Leute, vor allem Touristen, waren in den Bergen unterwegs, auch das Wetter spielte mit. Mit dem Lockdown im Herbst waren die Einsätze wie abgestellt. Die Jäger dürfen sich glücklicherweise zur Jagdausübung frei bewegen. Die Abschusspläne auf Schalenwild sind in Südtirol verpflichtend, um die land- und forstwirtschaftlichen Kulturen vor Wildschäden zu schützen. In einigen Revieren gibt es eine hohe Wilddichte. Ein Jahr ohne Abschüsse wäre an sich nicht schlimm, aber die Tiere pflanzen sich in der Zwischenzeit fort, verursachen vermehrt Verbiss-Schäden und machen die Schutzwälder instabil. Auch wäre es nicht einfach bzw. unmöglich, im Jahr darauf doppelt so viele Abschüsse freizugeben bzw. zu tätigen. Corona trifft uns alle, jeden auf seine Weise. Ich hoffe, dass diese Zeit bald vorüber ist. Bis dahin müssen wir es wohl alles so nehmen, wie es kommt. Thomas Windisch, Förster, Jäger,
Gossensaß-Pflersch, Pflersch