Aktuell
Zweiter Lockdown im Wipptal Umfrage: Renate Breitenberger, Barbara Felizetti Sorg
Seit einem dreiviertel Jahr plagen wir uns mit Covid-19 herum, jeder auf seine Weise. Trotz kleiner Hoffnungsschimmer scheint ein Ende der Pandemie so schnell nicht in Sicht. Selbst wenn ein Impfstoff den Virus verdrängt, es wird seine Zeit brauchen, bis wir wieder ins Vor-Corona-Leben zurückkehren – sofern dies überhaupt möglich ist. Wie hat sich die Pandemie auf den Alltag der Wipptaler ausgewirkt? Welche Herausforderungen haben sie zu meistern? Der Erker hat sich in unterschiedlichen Branchen umgehört – und genauso unterschiedliche Antworten erhalten. „Früher unsichtbar, jetzt im Mittelpunkt“ Wer denkt, die Reinigungsbranche mache ein großes Geschäft, der liegt falsch. Mit der Schließung der Hotels im März hat sich unsere Auftragslage abrupt verändert. SRD ist eine große Firma, die langfristig planen muss. Corona hat unsere Planung und Philosophie auf den Kopf gestellt und stattdessen Unsicherheit verbreitet. Früher waren wir unsichtbar, auf einmal standen wir im Mittelpunkt. Die Reinigung musste bereits vor Corona professionell abgewickelt werden. Corona ließ die Anforderungen der Kunden in Sachen Hygiene weiter steigen. Nach jeder neuen Verordnung galt es, unsere 220 Mitarbeiter südtirolweit zu informieren, ein- und umzuschu-
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Erker 12/20
Menschenleere Laubengasse in Sterzing len und umzuorganisieren. Wir reinigen vor allem Büros, private Sanitätsinstitutionen sowie Lebensmittelbetriebe, Weinkellereien, zeitweise waren wir auch für die Desinfektionsreinigung der Lokomotiven verantwortlich. Die Mitarbeiter arbeiten mit FFP2-Masken, Arbeitsbekleidung, teils Vollmontur. Obwohl sie sich ständig bewegen müssen, ist ihre Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt. Das ist eine extreme physische Herausforderung. Dazu kommt die psychische Last, sich jeden Tag aufs Neue mit dem Virus konfrontieren zu müssen. Während alle im Lockdown wa-
ren, war das Reinigungspersonal im Außendienst. Corona hat unsere Branche in den Vordergrund gerückt. Das Gute daran: Zum ersten Mal wurde von unseren Kollektivverträgen und von viel zu niedrigen Tarifen gesprochen. Unser Unternehmen unterstützt zwar die Mitarbeiter mit Sonderzulagen, die Wertschätzung der Reinigungsbranche muss sich aber auch in der kollektiven Anpassung der Entlohnung niederschlagen. Reinigen bedeutet mehr, als mit Besen und Kehrschaufel unterwegs zu sein. Vor allem in Zeiten wie diesen tragen wir eine immense Ver-
antwortung. Wir sollen das Virus dämpfen, sollen verhindern, dass er sich verbreitet, sind tagtäglich an der Front. Warum das Reinigungspersonal trotzdem nicht als „systemrelevant“ eingestuft wird, fragen wir uns schon lange. Unsere Branche muss stärker gefördert und unterstützt werden. Professionell ausgebildetes und angemessen bezahltes Personal kommt schließlich allen zugute. Wenn nicht heute der richtige Zeitpunkt für mehr Wertschätzung ist, wann dann? Mirko Cinosi, Geschäftsführung, Reinigungsunternehmen SRD, Sterzing