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Mit Strategie ins digitale Zeitalter

Knapp ein Jahr nachdem Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach auf der DMEA eine Digitalisierungsstrategie für das Gesundheitswesen und die Pflege ankündigte, wurde diese veröffentlicht. Zufrieden sind jedoch nicht alle.

„Deutschlands Gesundheitswesen hängt in der Digitalisierung um Jahrzehnte zurück“, begann Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach die Pressekonferenz, bei die Weichen für die Digitalisierung im Gesundheitswesen gestellt werden sollten. Die Ausgangslage: Die elektronische Patientenakte – deren Grundlage vor sage und schreibe 20 Jahren gelegt wurde – wird nicht mal von einem Prozent der Versicherten genutzt, Forschung anhand von Gesundheitsdaten ist auch nicht möglich, die Digitalisierung ein Flickenteppich aus unterschiedlichsten Lösungen.

Das soll die an diesem Tag vorgestellte Digitalisierungsstrategie ändern. Drei „kurzfristig zu erreichende Ziele“ geben die Richtung vor. Demnach sollen:

• bis 2025 80 Prozent der gesetzlich Versicherten über eine elektronische Patientenakte (ePA) verfügen,

• bis Ende 2025 80 Prozent der ePA-Nutzer, in medizinischer Behandlung, eine digitale Medikationsübersicht haben

• und bis Ende 2026 darüber hinaus mindesten 300 Forschungsvorhaben mit Gesundheitsdaten durch das neue Forschungsdatenzentrum Gesundheit realisiert werden.

Grundlage dafür bilden zwei Gesetze – eines davon: das Digitalgesetz. Neben Neuerungen rund um die ePA und das eRezept geht dieses auch auf die Umstrukturierung der Gematik ein. Die Organisation soll demnach zu einer Digitalagentur in 100-prozentiger Trägerschaft des Bundes ausgebaut werden – unterstützt von einem interdisziplinären Ausschuss mit Vertretern des BfDI, BSI sowie aus Medizin und Ethik, der bei Fragen zu den Themen „Datenschutz“, „Datensicherheit“, „Datennutzung“ sowie „Anwenderfreundlichkeit“ beratend zur Seite steht. Mehr Kompetenzen sol- len auch Gesundheitskioske und Apotheken erhalten: Gerade in unterbesetzten Regionen sollen diese künftig auch assistierte Telemedizin anbieten dürfen.

„Das zweite Gesetz ist das Gesundheitsdatennutzungsgesetz“, so Lauterbach. Dieses ermögliche laut dem Minister künftig, Daten so zusammenzuführen, dass auch longitudinale Auswertungen möglich sind. Pseudonymisiert natürlich. Der Sachverständigenrat habe sich dafür beispielsweise die Lösungen Estlands angeschaut. Dort käme „sogenannte Blockchain-Technologie“ zum Einsatz, bei der man „gut prüfen kann, wer sich in ein System einlinkt und das dann sanktionieren kann“. Zugangspunkt zu den Daten soll eine zentrale Datenzugangs- und Koordinierungsstelle sein. Die Antragsstellung erfolgt – auch für die forschende Industrie – durch das Forschungsdatenzentrum Gesundheit (FDZ).

Kritik an den Vorhaben lies freilich nicht lange auf sich warten. „Statt wie bisher unter der ärztlichen Schweigepflicht stehend, sollen künftig die Krankheitsdaten aller Bürger in Deutschland ab deren Geburt automatisiert und verpflichtend aus den Praxen heraus in zentralen Datensammlungen gespeichert werden. Um dann künftig dort auf Anfrage jedem, der den Anspruch erhebt, ,etwas mit Medizin zu tun zu haben‘ für Auswertungen in Deutschland und im von der EU-Kommission geplanten ‚Europäischen Gesundheitsdatenraum‘ zur Verfügung zu stehen“, moniert etwa die Freie Ärzteschaft. Ähnlich, wenn auch nicht ganz so scharf, äußerte sich die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV). Dort befürchtet man vor allem, dass unausgereifte Lösungen überstürzt ausgerollt werden. „Das derzeitige Vorgehen von Politik und gematik erinnert jedoch fatal an die Fehler der vergangenen Jahre bei der Digitalisierung, in denen Anwendungen teilweise unausgereift als verbindlich erklärt wurden“, heißt es dazu von der Vereinigung.

Positiv bewertete hingegen der BVMed, der Bundesverband Medizintechnologie, den geplanten verbesserten Zugang zu Versorgungsdaten für forschende Unternehmen sowie eine einheitliche Auslegung des nationalen und europäischen Datenschutzrechts. Neben der primären Datennutzung werde die Umsetzung der Sekundärnutzung ein entscheidender Schritt für die Entwicklung künftiger medizinischer Innovationen sein. „Dabei müssen wir einen Rechtsrahmen schaffen, der

Persönlichkeitsrechte im Rahmen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) schützt, gleichzeitig aber den Zugang zu möglichst vollständigen Gesundheitsdatensätzen ermöglicht“, so BVMed-Digitalexpertin Natalie Gladkov. Ein vertrauensvoller Umgang mit den Daten unter Einsatz moderner Technologien zum Schutz der Daten könne dabei der Schlüssel für die Stärkung der Innovationskraft sein. Ebenfalls positiv äußerte man sich beim bvitg, dem Bundesverband Gesundheits-IT, zu Lauterbachs Digitalstrategie. Dort heißt es ganz einfach: „Die einhundertprozentige Eigentümerschaft des Bundes an der neuen Digitalagentur lässt auf eine strukturiertere und transparentere Arbeitsweise der jetzigen Gematik GmbH hoffen. So können im Idealfall Entscheidungen schneller getroffen und alle beteiligten Player in den Entscheidungsprozess eingebunden werden.“

Die Krankenkassen sehen dies etwas kritischer. So heißt es von Seiten des GKV-Spitzenverbandes: „Wir glauben nicht, dass es sinnvoll ist, zentrale Akteure wie die Ärzteschaft, die Krankenhäuser, Apotheken und die Krankenkassen im Rahmen der Verstaatlichung der Gematik von der Trägerschaft dieser zentralen Institution für die Weiterentwicklung der Digitalisierung des Gesundheitswesens auszuschließen. Der Blick auf andere staatliche Digitalisierungsprojekte, wie beispielsweise das Bürgerportal, stimmt uns leider nicht optimistisch.“ Und weiter: „Wir gehen davon aus, dass eine eventuelle künftige Gematik als staatliche Institution auch vom Staat finanziert wird.“

Auf den Finanzen liegt auch der Fokus der Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG). „Die Mär, dass man mit Digitalisierung Geld sparen kann, ist angesichts des Fachkräftemangels und der mit dem KHZG enorm gestiegenen Kosten für digitale Lösungen im Krankenhaus schon heute widerlegt“, so Dr. Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der DKG. „Wichtig ist: Die Digitalisierung muss nachhaltig umgesetzt werden. Dazu gehört auch, die entstehenden Betriebs- und Personalkosten im System abzubilden. Sonst verpufft der Impuls des Krankenhaus-Zukunftsfonds, ohne dauerhaft für eine Verbesserung der Versorgung zu dienen“, betont der DKG-Vorstandsvorsitzende.

Mehr unter: https://voge.ly/vglkzTt/

Autor: Natalie Ziebolz

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