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Kreuz und Glocke | Seite

2019

Kreuz und Glocke 1

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Für uns heute gehören ein Kreuz und eine Glocke einfach zu einer christlichen Kirche. Aber das war nicht von Anfang an so. Die frühen Christen Ich läute Leid, kannten die Glocke; sie wurde in der Antike im öffentlichen Leben und bei heidnischen Kulten genutzt. Sie wurden als Schmuck oder als Amulett getragen. Da sie aus Metall gefertigt war, schrieb man ihr zauberbrechende und glückbringende Eigenschaften zu. Die Glocke war aber kein Zeichen für die christliche Liebe, weshalb Paulus sie als „dröhnendes Erz“ (1. Kor. 13,1) bezeichnete. ich läute Freud, Der Tod Jesu am Kreuz und seine Auferstehung sind das Fundament des christlichen Glaubens. Ohne sie ist christlicher Glaube nutzlos. (1. Kor 15, 17). Trotzdem war das Kreuz nicht das ursprüngliche Symbol der frühen Christen. Die Akzeptanz des Kreuzes und die Wertschätzung von Glocken änderten sich erst zu Beich läuteginn des 4. Jahrhunderts als Christen nicht mehr unterdrückt und verfolgt wurden. Die Veränderung begann im Jahr 312 n.Chr. Kaiser Konstantin siegte in einer Schlacht, weil er der Vision eines Lichtkreuzes folgte, welche ihm verhieß: in hoc signo vinces, in diesem Zeichen wirst du siegen. Acht Jahre

Zeit später verbot Konstantin Kreuzigungen und im Jahr 326 fand die Kaiserinmutter Helena bei Ausgrabungen in Jerusalem das Kreuz Jesu. Die weitere Entwicklung führte und dazu, dass Ende des 4. Jahrhunderts das Christentum durch Kaiser Theodosius zur Staatsreligion erhoben wurde. Seit der KreuzauffinEwigkeit.

dung durch Helena wurde das Kreuz in der christlichen Kunst ein immer bedeutenderes Thema, ob als Gemälde, Mosaik oder Skulptur. In der neuen, christenfreundlichen Umwelt gaben die Christen auch ihre ablehnende Haltung den Glocken gegenüber auf, trug doch schon der Hohepriester im Jerusalemer Tempel an seinem Gewand kleine Glöckchen. Diese standen für die 12 Stämme Israels, wie die 12 Apostel auch, die Jesus berufen hatte. Die 12 Apostel verkündigten das Evangelium. Die Glocken sollten nun mit ihrem Klang auf diese neue, frohe Botschaft aufmerksam machen. Auch kamen im Jerusalemer Tempel Glocken als Tonabgeber für den Psalmengesang zum Einsatz. So wurden sie durch die Christen zunehmend in ihren Dienst genommen, in den frühen Klöstern zur Unterscheidung von ora et labora, von den Wandermönchen auf ihren Missionsreisen und schon in den ersten Kirchen riefen sie zu Gebet und Gottesdienst. Glocken wurden das akustische Medium der Christianisierung. Gegen den magisch-heidnischen Aberglauben von der apotropäischen, d.h. schadenabwehrenden Wirkung der Glocke setzten die Christen die Glockenweihe. Durch sie wurde die Glocke zur „vox domini“. Durch die Ich läute Leid, Kraft Gottes sollte die Glocke, besser ihr Klang, Menschen schützen ich läute Freud, und Schaden von ihnen abwehren. Deshalb schrieb ich läute Zeit Wilhelm Durandus im Jahr 1291 in seiner Schrift „Rationale divinorum und Ewigkeit. officiorum“: Wenn die Glocke läutet, dann sollen alle, die sie hören „zum Schoß der Albert Junker1 2 heiligen Kirche vor

das Banner des heiligen Kreuzes flüchten“. Kreuz und Kirche, Kirche und Glocke stehen zueinander in einer ganz engen Beziehung.

In den vergangenen 1600 Jahren haben sich über 2500 Gießer dem Guss von Glocken gewidmet und hunderttausend von Glocken als Kommunikations- und Musikinstrument für die Kirchen im sogenannten christlichen Abendland gegossen, von der einfachen Nussschalenglocke, über die Bienenkorb- und Zuckerhutglocke, die gotischen Glocken des Spätmittelalters, z. B. eines Ghert van Wou, bis zu den modernen Dreiklangglocken des 19./20. Jh. und unserer Tage.

Campanologische, glockenkundliche Themen können auf der Metaebene behandelt werden, sie können aber auch auf der Ebene der Protagonisten, der Kirchengemeinden und der Glockengießer, betrachtet werden. Dieses Beziehungsgeflecht mit den Kirchen auf der einen und den Glockengießern auf der anderen Seite ist in dem systemo-historischen Diagramm auf der Seite 152 des OTTO-Glockenbuches dargestellt. Es wird durch zwei Diagramme auf den S. 153 und 429 inhaltlich erweitert.

Bei der vertikalen Betrachtungsweise geht in diesem systemo-historischen Diagramm der Blick von den Kirchen auf die Glocken einer oder mehrerer Kirchen, auf ihre Verwendung unter liturgiegeschichtlichen, musikwissenschaftlichen, kunsthistorischen, handwerksgeschichtlichen und religiös-volkskundlichen Aspekten. Es geht um die Geschichte der Kirchen, den Gebrauch ihrer Glocken, die Läuteordnungen, die Glockeninschriften und die geographische Verbreitung von Glocken allgemein bzw. die eines bestimmten Gießers. Bei dieser Betrachtung stehen die Glockengießer nicht im Fokus, oft werden sie gar nicht oder nur mit ihrem Namen erwähnt. Obwohl sie essenziell sind für die Geschichte der Kirchenglocken, ist ihre Geschichte bisher nicht gut erforscht.

Anders ist es bei der horizontalen Blickrichtung; hier richtet sich der Blick von den Gießern auf die Kirchen und ihre Glocken. Hier geht es um familiengeschichtliche Aspekte der Gießer und weiter um all die Determinanten, die für klangvolle Glocken und Geläute auf der Seite der Gießer von Bedeutung sind, aber auch um solche auf der Seite der Kirchengemeinden im sogenannten „Geläuterahmen“, d. h. der „Sachkultur in Turm und Glockenstube“.3 Im Schnittpunkt des Diagramms steht die Glocke und ihr sakral-liturgischer aber auch weltlich-profaner Gebrauch. „In der jeder Glocke steckt eine ganze Welt,“ ihr gerecht zu werden, erfordert ganzheitliches Denken.

Die Glockengießer Otto sind Teil der deutschen Glockengeschichte des 19./20. Jahrhunderts und damit Teil der 1600jährigen Glockengeschichte der Christenheit und des christlichen Kulturerbes. Vom Abendland aus wurde die schwingend geläutete Kirchenglocke in alle Kontinente verbreitet und ist damit christliches Weltkulturerbe, wenn sie auch noch nicht in der UNESCO-Weltkulturerbeliste eingetragen ist. Allerdings wird dieses Kulturerbe durch die vielen Kirchenschließungen stark zurückgedrängt. Damit geht auch eine Anfrage an den Denkmalschutz einher, wenn davon nämlich auch denkmalwürdige Glocken betroffen sind.

Gerhard Reinhold

Kreuz und Glocke

Das Kreuz, das Kruzifix mit dem Glauben an die Auferstehung, ist seit dem 4. Jh. das sichtbare Zeichen des Glaubens, das „signum fidei cristianae“. Die Glocke ist seit dem 6. Jahrhundert das akustische Zeichen der Kirche, das „signum ecclesiae“. Grafik: G. Reinhold

1 Aus: Vortrag bei der Öffentlichen Verteidigung der Dissertation am 1. Juli 2019 in der Aula der Radboud Universiteit Nijmegen 2 Mit diesen Worten beschrieb Albert Junker die Aufgabe der Glocken. Quelle: Griesbacher, 1927, S. 266. 3 Gerhard Best, 1989/90, S. 25

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