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Prof. Dr. Dr. Thomas Gergen, Luxemburg | Seite

PROF. DR. DR. THOMAS GERGEN,

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LUXEMBURG48

Das „Glocken schwere“ Großwerk zur Firmenund Dynastiegeschichte von Otto-Glocken ist auf den ersten Blick für den Leser ohne SaarBezug, lag doch der Hauptsitz in Hemelingen bei Bremen. Doch verrät schon das Inhaltsverzeichnis, dass der Autor einen bedeutenden Textanteil der Produktionsstätte der Otto-Niederlassung in Saarlouis-Fraulautern gewidmet hat.

Der Titel der zuerst als Dissertation an der Radboud Universiteit Nijmegen im Jahre 2019 erschienenen Studie namens „Kirchenglocken –christliches Weltkulturerbe, dargestellt am Beispiel der Glockengießer Otto, Hemelingen/Bremen“ bildet die sehr lang erwartete Familienund Unternehmensgeschichte ab, die sich neben Hemelingen und Saarlouis obendrein mit der Niederlassung in Schlesien befasst. Insgesamt 8600 Glocken wurden von 1874 bis in die 1970er Jahre gegossen; zahlreiche Glocken an der Saar von der Gründung im Jahre 1952 bis 1961.

In seinem mit 640 Bildern versehenen Buch beschreibt Gerhard Reinhold den "Otto-spezifischen" Glockenguss, unterscheidet zwischen Glockenstühlen aus Holz und aus Stahl und bietet eine lesenswerte Charakterisierung von Otto-Glocken auf der Grundlage von mehr als 500 Klanganalysen. Ferner beschreibt und kommentiert er anschaulich über 300 Inschriften, um den Beitrag von Glockengeläut zur Geschichte der Kirchen und nicht zuletzt der Religion aufzuzeigen. Von wem hatte der katholische Priester Carl Otto die Gießerkunst erworben, lautet etwa eine Anfangsfrage, neben zahllosen anderen, die der interessierte Leser stellen und worauf er in Reinholds gründlich erforschtem Werk Antworten finden kann. An saarländischen Glocken ragen die Engelsglocken von St. Michael in Saarbrücken-St. Johann oder die Glocken für den Schutzpatron der Pfarrkirche und Hüttenstadt Völklingen heraus, wozu sich die St. Ingberter Glocken gesellen, die alle aufeinander abgestimmt wurden. Überdies sind zu erwähnen die Glocken der Kirchen St. Ludwig in Saarlouis, Dreifaltigkeit in Fraulautern und die von Mariä Himmelfahrt in Roden mit dem schwersten Geläut des Saarlandes und der schwersten Glocke St. Michael; dort war der 28. März 1954 Tag der Glockenweihe.49

Die Glocken des Benediktinerklosters St. Mauritius zu Tholey entstammen ebenfalls der Gießerei Otto in Saarlouis, nicht aber diejenigen des Redemptoristenklosters Bous. Die Edition der Chronik des Redemptoristenklosters hat gezeigt, dass das Kloster sein Vollgeläut erst 1960 bestellen und am 2. Oktober 1960 einweihen konnte, also zu einer Zeit, als der Betrieb in Saarlouis schon dem Ende entgegenging; die Bouser Patres bestellten aufgrund guter Kontakte schließlich bei Mabilon in Saarburg.50

Der hohe Marktanteil von Otto-Glocken im Saarland hatte mit der Präsenz der Glockengießerei Otto vor Ort zu tun. Otto war aber auch schon vor dem II. Weltkrieg im Saarland bekannt. Die ersten Otto-Geläute wurden 1910 nach Püttlingen und Saarbrücken geliefert. In der Zwischenkriegszeit seit 1918, als die nach der Glockenabnahme von 1917 verwaisten Türme wieder mit neuen Glocken versehen wurden und der Landkreis Saarlouis unter Völkerbundmandat stand und zum französischen Wirtschaftsgebiet gehörte, wurden (zwar) auch französische Gießereien wie Causard in Colmar und Paccard in Annecy berücksichtigt, die meisten Glocken aber wurden damals schon von Mabilon, Otto, Petit & Gebr. Edelbrock sowie von Schilling geliefert.

Am 31.12.1960 musste die Saarlouiser Glockengießerei infolge eines Todesfalles innerhalb der Firma die Produktion in Saarlouis kurzfristig einstellen. Gemeint ist der Tod von Karl (III) Otto am 21. Juli 1960. Den Geschäftsanteil übernahm sein Sohn Dieter, der später auch den Anteil von Alois Riewer übernahm. Als sein Vater Karl (III) starb, war Dieter Otto 25 Jahre alt. Er übernahm in diesem Alter sowohl die Verantwortung für die Glockengießerei in Hemelingen wie auch in Saarlouis. Im Alter von 18 Jahren war er mit Johannes und Friedrich Otto nach Saarlouis gekommen, wo er in der neuen Gießerei seine Lehre und seine Ausbildung zum Glockengießermeister machte. Nur acht Jahre hat die Saarlouiser Glockengießerei aktiv gearbeitet und in dieser Zeit 535 Glocken mit einem Gesamtgewicht von knapp 400 Tonnen gegossen. Bei der auf dem Gelände der kriegszerstörten Gasanstalt errichteten Otto-Filiale in Saarlouis gibt es indes Anlass zur Klarstellung beim Thema der eigenen Rechtspersönlichkeit der „Saarlouiser Glockengießerei G.m.b.H.“ Zu jener Zeit galt im „Saarstaat“ zwar deutsches Recht mit französischem Sonderrecht hinsichtlich der Wirtschafts- und Währungsunion; doch bestand eine saarländische Besonderheit dergestalt, dass die Mehrheit der Kapitalträger in saarländischer Hand sein musste, was die herausragende Erwähnung des Unternehmers Riewer aus Völklingen erklärt. Die Behauptung, Friedrich Otto habe Saarlouis nicht (zumindest mit-)gegründet, ist in dieser schroffen Form zurückzuweisen. Zwar erscheint er im Handelsregister (HRS Saarlouis 103) nicht explizit als Gesellschafter/Mitgesellschafter, jedoch als Geschäftsführer und Glockengießer. Das Handelsregister, das nach § 15 Handelsgesetzbuch damals wie heute öffentlichen Glauben genießt und dessen Eintrag bis zum erschütternden Beweis als wahr gilt, weist Friedrich Otto somit als dritten Eingetragenen aus (positive Publizität). Zudem sind bei einer GmbH die Geschäftsführer zumeist auch Gesellschafter nach Gesellschafterliste (§§ 6, 40 GmbHG); daher kann er gesellschaftsrechtlich von Anfang an als zumindest einer der Mitbegründer der Zweiggießerei Saarlouis eingestuft werden.

Die Saarlouiser Glockengießerei G.m.b.H. wurde mit Datum vom 15. Mai 1961 in die Firma F. Otto KG in Bremen-Hemelingen überführt. Aus heutiger Sicht ist nach Ansicht Reinholds diese radikale Entscheidung falsch gewesen. Wenn auch der Weiterbetrieb der Gießerei an der Saar auf Dauer wenig sinnvoll gewesen wäre – wegen der Tatsache, dass nahezu alle Kirchen des Saarlandes mit Glocken ausgestattet waren und wegen der Nähe zur Glockengießerei Mabilon in Saarburg –, so wäre es sicher gut gewesen, einen Wartungsbetrieb zur Pflege und Reparatur der vielen Otto-Geläute an der Saar aufrechtzuerhalten; hier kann man Gerhard Reinhold sicherlich zustimmen und ihm uneingeschränkt für die sorgfältige Herausarbeitung der Tätigkeit der Glockengießerei Otto an der Saar sowie im Allgemeinen danken.

Denn das Buch bringt die Landesgeschichte gerade im Bereich Wirtschafts- und Kirchengeschichte merklich weiter und gehört gerade wegen der exakten Beleuchtung der Zweigniederlassung Saarlouis in die saarländische Landesbibliothek.

Geschichte der Rodener Glocken ausgehend vom Guss bei der Firma Otto in Fraulautern bis zum Tag der Glockenweihe als Doppel8-Film (8mm Schmalfilm) fest. Damit schuf er das hierzu wichtigste zeitgenössische Dokument. Der Film dauert etwas über eine halbe Stunde. Die Glockenstühle wurden im Übrigen gefertigt von der Firma Konstroffer & Sohn (Peter und Werner) in Roden. Das Gesamtgewicht der Michaelsglocke wird von Reinhold mit 4840 kg angegeben. 50 Thomas Gergen, Europa-Kloster Bous (19492009), in: Ders. (Hg.), 60 Jahre Redemptoristenklöster Bous und Püttlingen, St. Ingbert 2020, S. 302-312.

OTTO GLOCKEN

Gerhard Reinhold

Familien- und Firmengeschichte der Glockengießerdynastie Otto

artkonzeptkörner

ISBN 978-3-00-063109-2

Unter den vielen Glockengießern gibt es nur wenige, die sowohl

durch den Klang ihrer Glocken sowie aufgrund der Anzahl der von ihnen gegossenen Glocken herausragen.

Hierzu gehören die Glockengießer Otto, die von 1874 bis in die siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts an die 9.000 Glocken produziert haben. Sie hatten Gießereien in Hemelingen/Bremen, Breslau und Saarlouis und gehörten zu den großen deutschen Bronzeglockengießern des 19. und 20. Jahrhunderts. Reich bebildert wird hier erstmals die Familien- und Firmengeschichte der Glockengießer Otto zusammengetragen. Am Anfang aber steht die Frage: Von wem erlernte der katholische Priester Carl Otto die Kunst des Glockengießens? Wie stieg die Firma zu einer anerkannten „Reformgießerei“ auf, deren glockentheoretisches und glockentechnisches Knowhow sich in Deutschland weiterverbreitete? Über 8.600 OTTO-Glocken aus der Zeit von 1874 bis 1973 weisen die Werkverzeichnisse dieses Buches nach. Die fast hundertjährige Glockenproduktion der Ottos wird durch viele Grafiken veranschaulicht. Mit der Auswertung von Hunderten von OTTO-Glocken wird der äußeren Gestaltung der OTTO-Glocken, ihren Inschriften und Verzierungen, aber auch den klanglichen Charakteristika der OTTO-Glocken auf den Grund gegangen. Glocken sind „beladen mit Gottes Botschaft“. Deshalb werden über 300 Glockeninschriften von OTTO-Glocken wiedergegeben, viele davon kommentiert. Sechzig OTTO-Geläute werden vorgestellt. Sie geben einen Eindruck von der Geschichte und geografischen Verbreitung der Otto-Glocken. Die Geschichte der Glockengießer Otto ist Teil der deutschen Glockengeschichte. Sie ist eingebettet in die Geschichte Deutschlands von der Kaiserzeit bis in die siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts. OTTO-Glocken zeichnen sich aufgrund der von Carl Otto entwickelten „OTTO-Rippe“ durch eine außergewöhnliche Klangfarbe aus. Der Klang der OTTO-Glocken fasziniert noch heute die Menschen. Und so heißt es über OTTO-Glocken sicher zu recht: „Es sind die schönsten Glockentöne im ganzen Ort.“

Quellen- und Literaturverzeichnis Ergänzungen

Balz, Klaus Voll 100. Die Geschichte St. Michaels in Bremen-Grohn. Hrsg. Kirchengemeinde St. Michael, Bremen-Grohn 2008

Gergen, Thomas Die schwerste Glocke des Saarlandes: Die Michaels-Glocke in Roden und das dortige „Griesbachersche Idealsextett“, in: Unsere Heimat. Mitteilungsblatt des Landkreises Saarlouis für Kultur und Landschaft, 37. Jg., Heft 1/2012, S. 35–38

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