ARTMAPP #19, Winter 2018/19

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N O V 2 0 18 – F E B 2 0 19 E U R 6 , 9 0 D/A

S F R 9, 9 0

D as Kunst m a g a zin f ür Ent d e c ke r

Die Kunst-App im App Store und bei Google Play mobil.artmapp.net

BAUHAUS 100

GRAND TOUR DER MODERNE

BRÄCKLE HECK MOON SLEVOGT TURRELL

AARAU BERLIN DARMSTADT KARLSRUHE MÜNCHEN WIEN ZÜRICH


Tischleuchte WG 24, Design: Wilhelm Wagenfeld


Titelmotiv: Erik Madigan Heck (* 1983, USA), „Honeycomb“, 2015, C-Print, 116,8 x 175,3 cm, Auflage: 9 + 2 AP, Courtesy: Christophe Guye Galerie, Zürich

EDI TOR I A L # 19 2018/19

Reiner Brouwer, Foto: © Carmen Jäger

Walltattoos

Die für 2019 geplante Realisierung des Humboldt Forums im Berliner Schloss, eines gigantischen Ausstellungshauses mit Schwerpunkt auf der Kunst und den ­Kulturen der Welt, schreitet voran. Die ersten Kunst-am-Bau-Wettbewerbe wurden ausgefochten und die ersten Preisträger gekürt. Für das untere Foyer, eine karge, quadratische Halle, gab es zwei erste Preise: Martin Bruno Schmid wollte in seinem Entwurf 64 massiv goldene Dübel in die Wände bohren, die Realisierungsempfehlung bekam aber die Idee von Dellbrügge & de Moll. Nach der Präsentation der Wett­bewerbsbeiträge im Humboldt Forum traf ich mich mit Martin Bruno Schmid: Hallo Martin, wie bist du auf das Bohren und Bearbeiten von Betonwänden ­gekommen? Die Auseinandersetzung mit Beton ist für mich ganz natürlich: Ich komme aus einer Gipser- und Malerfamilie, war schon als Junge mit auf der Baustelle. D ­ amals begann ich, Werkzeuge und Materialien anders („kreativ“) einzu­setzen, als man es eigentlich macht. Mit Bohrern in die

­Wände gezeichnet, Eckschienen „­ individuell“ gebogen und verbaut. Gibt es eine Diskrepanz zwischen d ­ einer Kunst im Atelier und deinen A ­ rbeiten am Bau? Ganz klassisch studierte ich von Grund auf an der Kunstakademie Stuttgart Malerei, Zeichnung, Modellieren … alles, was so dazugehört. Irgendwann habe ich aber festgestellt, dass ich auch mit einer Bohrmaschine zeichnen und mit grobem Schleifpapier „malen“ kann. Und zwar besser als jemals zuvor. Das waren einschneidende Aha-­Erlebnisse gegen Ende des Studiums. Ich spürte einfach, dass ich „meine“ Materialien und Werkzeuge gefunden hatte. Dein Galerist Hubert Schwarz aus Greifswald zeigt deine Arbeiten auf der kommenden art KARLSRUHE. Bei deinen vielen Kunst-am-Bau-Projekten könnte man m ­ einen, du bist nicht auf dem ­klassischen Kunstmarkt vertreten? Da ich eher kunstmarkt-untypische Werke hervorbringe, braucht es andere, alternative Wege der Vermittlung. Diese nehmen oft etwas mehr Zeit und andere Energien in Anspruch. Auch für meine Galeristen. Für mich gibt es keinen Konflikt mit dem Kunstmarkt, im Gegenteil: Ich freue mich oft eher über den Mut der Käufer und Sammler und darüber, wenn meine Ideen und Vorstellungen nicht nur auf Verständnis, sondern auf B ­ egeisterung stoßen. Liebe Leser, ich wünsche Ihnen viel Spaß auf Ihrer Entdeckungstour mit ARTMAPP!

Martin Bruno Schmid, Foto: Daniel Rohner

Reiner Brouwer Herausgeber


modernegalerie.org

Max Slevogt, Segelboote auf der Alster am Abend (Detail), 1905, Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie, Foto: bpk / Nationalgalerie, SMB / Andres Kilger

Moderne Galerie


01.09.2018 — 13.01.2019

Slevogt und Frankreich Cézanne Courbet Delacroix van Gogh Manet Monet Renoir …

Die Ausstellung wird unterstützt durch

Exposition organisée avec le soutien du Musée des Beaux-Arts de Nancy


ANZEIGE

Ohne Titel, 2013 © Karin Kneffel, VG Bild-Kunst, Bonn 2018

PROGRAMMTIPPS ZUR AUSSTELLUNG VERNISSAGE MIT OFFENEM ATELIER Sonntag, 9. Dezember 2018, 11 Uhr | Eintritt frei WISSENSCHAFT TRIFFT KUNST Mittwoch, 30. Januar 2019, 19 Uhr Die Architektin Marie-Theres Deutsch spricht mit der Astrophysikerin und Philosophin Dr. Sibylle Anderl über die Bedeutung des Fensters. | 9 € TECHNIK TRIFFT KUNST Mittwoch, 20. Februar 2019, 19 Uhr Ursula Rothfuss, Derix Glasstudios in Taunusstein und Karl Traut, Glaskünstler im Gespräch mit Daniella Baumeister, hr2-kultur. | 9 € SLAMDANCE Mittwoch, 27. Februar 2019, 19 Uhr Tanz trifft Text. Tänzerin Victoria Söntgen und Dichter Dalibor Marković werfen sich die Bälle ihrer Kunstform zu und laden das Publikum ins Spiel mit ein. | 12 €

Löwengasse 15 Eingang Dorotheenstraße 61348 Bad Homburg v. d. Höhe www.museum-sinclair-haus.de Eine Institution der Stiftung Nantesbuch gGmbH Öffnungszeiten: Dienstag 14 – 20 Uhr Mittwoch bis Freitag 14 – 19 Uhr Samstag, Sonntag und an Feiertagen 10 – 18 Uhr Montags und 24., 31.12. geschlossen 25., 26.12. und 1.1. 12 – 18 Uhr Information und Anmeldung: T +49 (0) 6172 404 -120 info@museum-sinclair-haus.de


9. DEZEMBER 2018 BIS 3. MÄRZ 2019

Aussicht – Einsicht BLICK DURCHS FENSTER

Seitdem sich der Mensch in Bauwerken von der Natur abgeschirmt hat, nimmt das Fenster eine bedeutende Rolle in der visuellen Wahrnehmung der Welt ein. Die zeitgenössische Kunst tastet sich von innen und von außen an diese Öffnung heran. Die wechselseitigen Durchblicke oder Spiegelungen werden genauso in den Fokus genommen wie das Licht selbst, das fähig ist, die gläserne Barriere zu durchdringen. Auch die Wirklichkeit der Natur, die auf „der anderen Seite“ liegt, wird hinterfragt. Das Fenster wird zum künstlerischen Experimentierfeld. Das Museum Sinclair-Haus zeigt anlässlich seiner Wiedereröffnung zeitgenössische Filme, Fotografien, Installationen, Gemälde, Zeichnungen und Scherenschnitte rund um das Thema „Fenster“. Mit Arbeiten von Nicole Ahland, Jessica Backhaus, Peter Braunholz, Elisabeth Brockmann, Thomas Demand, Sven Fennema, Caroline von Grone, Jens Hausmann, Sibylle Hoessler, Aino Kannisto, Barbara Klemm, Fritz Klemm, Karin Kneffel, Bernd Lieven, Annette Schröter, Lynn Silverman, Melanie Wiora, Julia Willms und Arnold von Wedemeyer.

Sven Fennema, out of the blue, 2012 © Sven Fennema

o b e n : A r n o l d v o n W e d e m e y e r, T h e C a b i n ( D i e H ü t t e ) , 2 0 0 9 ( S t i l l ) © A r n o l d v o n W e d e m e y e r l i n k s : S i b y l l e H o e s s l e r, Pe a c e ( S e r i e P y t h i a ) , 2 0 1 4 © V G B i l d - K u n s t , B o n n 2 0 1 8


Inhalt

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(auszugsweise)

ARTM APP Winter 2018/19

Wolfgang Holler, Foto: Klassik Stiftung Weimar

Grand Tour der Moderne

16

EIN OFFENES BAU HAUS Interview mit Werner Holler, Generaldirektor der Klassik Stiftung Weimar von Carsten Probst

20

MODER NE IN MI T T ELDEU TSCHL A ND Margret Hoppe in der Collection Regard – von Sarah Alberti

22

MEINE JAHR E A N DER HFG U L M Interview mit Jeanine Meerapfel, Präsidentin der Akademie der Künste von Carsten Probst

30

LICHT, LU F T U ND SON NE 100 Jahre Bauhaus-Moderne im deutschen Südwesten – von Chris Gerbing

35

BAU HAUS IN DAR MSTADT Vom Künstlerhaus zum Meisterhaus – von Christoph Schütte

46

OT TO BART NING, 1883 –1959 Architekt einer sozialen Moderne – von Werner Durth

52

„BAU HAUSIMW EST EN “ Die Versprechen der Geometrie – von Katja Behrens

60

MODER NE U ND PROVINZ? Das Bauhaus in Niedersachsen – von Bettina Götz

66

BACKST EIN U ND BAU HAUS -LEUCHT EN Das Bauhaus im Norden – von Bettina Götz

72

Jeanine Meerapfel, Foto: © Marcus Lieberenz /  bildbuehne.de

Wien „EU ROPÄISCHE V ER EINIGU NG DER KU NST “ Wien und die Moderne – von Carsten Probst

82

EXPR ESSIONIST MI T BAROCKEM PINSELSCHW U NG Oskar Kokoschka im Kunsthaus Zürich – von Alice Henkes

86

Schmuck, Mode und Design

Ute Stuffer, Foto: Kunstmuseum Ravensburg

BET W EEN ART & FASHION Erik Madigan Heck und Sarah Moon – von Marc Peschke

102

KU NSTST ÜCKE Eine Reise zu Schmuck, Mode und Design – von Chris Gerbing

112

AU TOR ENSCHMUCK AU F DER IHM MÜ NCHEN Interview mit der Kuratorin Sabine Runde – von Chris Gerbing

118


James Turrell, Foto: Maria Muxel

Por träts MART IN BRU NO SCHMID Bodenständiger Minimalismus – von Nicole Fritz

124

MA X SLEVOGT ZU M 150. GEBU RTSTAG „Das Auge sieht, was es sucht“ – von Kim Behm

134

GERD SONNTAG Malerei · Zeichnungen Glasskulpturen

Ausstellungen JAKOB BR ÄCKLE IM MUSEU M BIBER ACH Der weite Weg zu „meiner einfachen Landschaft“ – von Uwe Degreif

142

MY T HEN DER R EGION Axel Lapp, Direktor der MEWO Kunsthalle Memmingen von Babette Caesar

148

AUS DER SA MMLU NG HER AUS Ute Stuffer, Direktorin des Kunstmuseums Ravensburg – von Babette Caesar

155

HAR ALD F. MÜ LLER Kunst am Bau im Bahnhof Singen am Hohentwiel – von Siegmund Kopitzki

158

DEM HIMMEL SO NAHE James Turrells „Skyspace“ in Lech am Arlberg – von Siegmund Kopitzki

162

GR A NDIOSE R EISE IN DIE NACHT Schweizer Surrealismus im Aargauer Kunsthaus – von Alice Henkes

166

Amrei Heyne

1.12. 2018 – 7. 4.2019

APPETIZER

94

BUCHTIPPS

121

AMREI ON TOU R

172

TER MINE

174

IMPRESSU M

191

8.12. 2018 – 14.4.2019

EINE ITALIENISCHE REISE Italienische Fotografie des 19. Jahrhunderts

KUNSTSAMMLUNG JENA www.kunstsammlung.jena.de KUNSTSAMMLUNG. Städtische Museen Jena. JenaKultur


2018 war grossartig Wir danken fĂźr das 7. Schweizerischen in Bad Ragaz und freuen

2021 wird


Bad Ragartz

grosse Interesse an der Triennale der Skulptur uns auf Sie in 2021.

einzigartig.




d R e a M l o v e R 14.10.18 – 24.02.19 Gefördert durch

Ruth MaRten Tickets inkl. VRS-Fahrausweis über

www.maxernstmuseum.lvr.de Ruth Marten, 16, 1997, Gouache auf Papier © 2018 Ruth Marten


Frisierszene. Opus 227 (Dekorationsentwurf für einen Waschraum, Detail) Paul Signac | 1892 | © All Right reserved | Privatsammlung

Bahnhof Rolandseck

Förderer

IM JAPANFIEBER VON MONET BIS MANGA

26. August 2018 – 20. Januar 2019

Partner

SAMMLUNG RAU für


27. Januar bis 16. März 2019 Meteor, Ikone und Vergitterung Hommage an den Bauhaus-Künstler Leo Grewenig (1898-1991) Raumzeichen Stab-Skulpturen von Astrid Lincke-Zukunft

Leo Grewenig als Student, Fotografie, 1923 © Nachlass Grewenig, Bensheim

Galerie Netuschil, Darmstadt · www.galerie-netuschil.net

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KÜNSTLERHAUS – MEISTERHAUS – MEISTERBAU www.mathildenhoehe.eu

20. Januar bis 29. März 2019 Gertrud und Alfred Arndt Zwei Bauhaus-Künstler in Darmstadt Kunst Archiv Darmstadt e. V. · www.kunstarchivdarmstadt.de

Alfred und Gertrud Arndt, Fotografie, 1927, © Archiv Alfred und Gertrud Arndt, Darmstadt

SOMMER 2019


BAU HAUS 1 0 0 Fagus-Werk, 1911, Architekt: Walter Gropius © UNESCO -Welterbe Fagus-Werk

Das Bauhaus findet man nur in Berlin, Dessau oder ­Weimar? – Keineswegs! In ganz Deutschland gibt es herausragende Orte des Bauhauses und der Moderne – wegweisende Architektur, die unser Verständnis von Leben, Arbeiten, Lernen und Wohnen nachhaltig geprägt hat. Von Norden nach Süden, von Westen nach Osten: Die „Grand Tour der Moderne“ verbindet bedeutende Gebäude, die zwischen 1900 und 2000 erbaut wurden, zu ­e inem Streifzug durch 100 Jahre Architekturgeschichte. Ergänzt durch Länderrouten in Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, die mit der Bahn, dem Auto oder dem Fahrrad erfahren werden können, vermittelt die „Grand Tour der Moderne“ einen ganzheitlichen Architektur­ ansatz. Ob die Frauensiedlung Loheland in Künzell bei Fulda, das Fagus-Werk in Alfeld oder das Festspielhaus Hellerau in Dresden: Ihr Spektrum umfasst Einzelgebäude und Sied­ lungen, Ikonen und Streitobjekte, Schlüsselbauten und Unbekanntes. w w w . g ra n d t o u rd e r m o d e r n e . d e


Grand Tour der Moderne

s of aus

grandtourdermoderne.de

A R T M A P P   W I N T E R 2 018/19 — B A U H A U S 10 0

Entdecken Sie Orte des Bauhauses und der Moderne!

#GrandTourOfModernism


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A R T M A P P   W I N T E R 2 018/19 — B A U H A U S 10 0

Die „Grand Tour der Moderne“ im Rahmen von „bauhaus 100“ Die „Grand Tour der Moderne“ ist neben allen glanzvollen Festaktivitäten im Bauhaus-Jahr 2019 der vielleicht wichtigste Programmteil. Sie ermöglicht einen Überblick über modernes Erbe in Deutschland aus unmittel­b arer Anschauung, jenseits aller historisch-akade­ mischen Debatten. Die direkte Erfahrung der auf der „Grand Tour“ gelisteten Orte und Landschaften zeigt die Architektur der Moderne mit ihren höchst ­u nterschiedlichen Gesichtern. Die „eine“ Bauhaus-Moderne, der sich alles Bisherige unterworfen hätte, gibt es offenkundig nicht – und ­diese Erkenntnis wird schon beim Besuch nur weniger der um die 100 ausgewählten Orte sinnfällig. Kulturleuchttürme mit und ohne UNESCO-Welt­k ulturerbeStatus wechseln auf den von den Veranstaltern vorgeschlagenen Einzeltouren mit weniger bekannten, teilweise auch entlegenen ­Orten, die abseits der touristischen Aufmerksamkeit liegen. Unter den prominenten Orten des modernen Weltkulturerbes wiederum ragen jene heraus, die noch nicht musealisiert sind, sondern noch heute oder heute wieder ihrer ursprünglichen Bestimmung gemäß genutzt w ­ erden: Neben dem Bauhaus in Dessau sind das etwa der ­ö ffentlich zugängliche Campus der ehemaligen Kunst- und ­Kunst­gewerbeschule von Henry van de Velde in Weimar (die heutige Bauhaus-Universität), das Chilehaus in Hamburg (nur ein paar Schritte von der Speicherstadt entfernt) oder die großen Berliner Siedlungsprojekte von Bruno Taut in Britz und im Prenzlauer Berg. In Berlin sollte man freilich auch das Kulturforum mit der Neuen ­Nationalgalerie Mies van der Rohes sowie die Philharmonie und Staatsbibliothek Hans Scharouns als Refe­renzen der 1960er-Jahre an die utopistische Moderne gesehen haben. Wechselt hier schon die bauliche Rhetorik zwischen ratio­ nalen und expressiven Gesten, führt einem ein Besuch der (nicht als UNESCO-Welterbe gelisteten) Gartenstadt Hellerau in Dresden eine ganz andere Frühform avantgar­distischer Stadtplanung vor Augen: organisch im Geist der Lebensreformbewegung durchgebildet und weitab von Standardisierung und Flachdachästhetik. Die von Max Bill ­entworfene Hochschule für Gestaltung in Ulm wiederum ist ähnlich wie das Kulturforum in Berlin nicht nur ein Zeugnis für die ­Ü ber­t ragung von Prinzipien der Avantgarde in die westdeutsche Nachkriegszeit, sondern hat das kulturelle Selbstverständnis der ­a lten Bundesrepublik wie nur wenige Institutionen sonst geprägt. Auch die Böttcherstraße in Bremen und das ­monumentale Hygienemuseum in Dresden machen die Spannbreite moderner Ansätze in Museumsbauten der 1930er-Jahre bis heute erfahrbar. Die Website der „Grand Tour der Moderne“ mit ihren Kurzbeschreibungen und ­F otografien ­vermittelt erste Orientierungen für die übersichtlich ­angeordneten Vorschläge, wie sich auf mehrtägigen Touren über die Liste der „Grand Tour“ hinaus moderne Topografien mit bislang ­weniger beachteten Kleinoden der Moderne erkunden lassen. CARSTEN PROBST

Peter- Behrens- Bau, ehemaliges Hauptlagerhaus der Gutehoffnungshütte (GHH) an der Essener Straße in Oberhausen © LVR- Industriemuseum, Jürgen Hoffmann



20 Grand Tour der Moderne – Weimar

Wolfgang Holler, Generaldirektor Museen der Klassik Stif tung Weimar

Ein offenes Bauhaus höchst unterschiedlich. Es ist etwas völlig anderes, ob ein Staatssekretär nach etwas sucht, womit er sein Bundesland nach vorne bringen kann, oder ob jemand ein Gebäude in der Nachbarschaft hat, das er ästhetisch grauenvoll findet und dann erfährt, dass es Bauhaus-Architektur ist – oder ob ich als Museumsmann, der übrigens lange nichts mit dem Bauhaus zu tun hatte, durch meine Arbeit in Weimar nun sehr viel Spannendes darüber lerne. ARTMAPP: Das Bauhaus als Label, in das jeder hineininterpretieren kann, was er will?

Wolfgang Holler,

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Foto: Klassik Stiftung Weimar

Im April 2019 eröffnet in Weimar ein neues Bauhaus-Museum, um an die Ursprünge der avantgardistischen Institution in der „Klassiker-Stadt“ zu erinnern. Der Entwurf der Berliner Architektin Heike Hanada für das künftige Museum, ein ­etwas hermetisch wirkender Kubus am Weimarhallenpark, entfachte jedoch von Beginn an hitzige Debatten, die ungute Erinnerungen an den schwierigen Stand des Bauhauses in der Stadt wieder auf leben ließen. Professor Wolfgang Holler, 2009 aus Dresden als Direktor an die Museen Weimar ge­ kommen, sprach mit ARTMAPP über das Bauhaus-Jubiläum sowie das Museum als Chance und produktive Zumutung. Das Interview führte Carsten Probst. ARTMAPP: Herr Holler, warum interessiert sich nach Ihrem Eindruck die Politik plötzlich für das Bauhaus, nachdem man seine Bedeutung für ­Thüringen und Weimar bis vor wenigen Jahren ja beinahe verleugnet hat? Wolfgang Holler: Nun, mit dem Bauhaus ist – wie bei nur wenigen anderen kulturellen Phänomenen – etwas Positives verbunden, bei dem Demokratie, Pluralität, Diversität, aber auch Aufbruch und Widerstand gegen autoritäre Regime eine große Rolle spielen. Es stimmt, in Weimar hat es das Bauhaus bis heute schwer, aber die Identifikationen damit sind auch

WH: Es ist viel mehr: ein Versprechen mit einer utopischen Qualität! Es ist mit Ideen gesättigt, die immer noch Potenzial haben. Die Kernfragen heute sind doch: Wie will ich leben? Wie kann ich leben, und wo will ich leben? In einer krisen­ haften ­Situation brauche ich Ideen für Antworten auf solche Fragen. Das Bauhaus liefert auch ein Gegenwartsversprechen. Aber wer weiß, wie das in zehn oder 20 Jahren aussieht? ARTMAPP: Werden mit dem feierlichen Gedenken nicht die problematischen Kapitel in der Geschichte des Bauhauses kaschiert? Der Bauhaus-Schüler Fritz Ertl hat Entwürfe für das Vernichtungslager Auschwitz gezeichnet. Der soziale Wohnungsbau der 1950er- bis 1970er-Jahre hat in vielen Städten weltweit Problemviertel entstehen lassen ... WH: Da könnte man auch noch Ernst Neufert hinzufügen, der in den 1940er-Jahren in seiner Bauentwurfslehre wunderbare Module für standardisierte Siedlungsbauten entwickelt hat, woraus sich dann aber auch Konzentrationslager machen ließen, und der im Büro von Albert Speer dieser Entwicklung durchaus nahestand. Natürlich ist das für mich als Historiker relevant! Wenn ich das Bauhaus aber einem größeren ­P ub­l ikum vorstelle, muss ich das Thema zunächst einmal ­herunterdimmen auf Begriffe wie „Flachdach“ und Ähn­ liches, damit die Leute einen Begriff davon bekommen, wovon wir reden. Ganz klar, die Vermittlung darf da nicht ­stehen bleiben – aber, egoistisch gesprochen, ist das Bauhaus-Museum für mich als Direktor der Museen in Weimar zunächst einmal eine tolle Chance! Denn für die Zukunft ­dieser Museen wird Goethe, so faszinierend er ist, womöglich weniger eine Rolle spielen als das Bauhaus.


21 ARTMAPP: Sie zielen auf ein internationales ­P ublikum? Achtzig Prozent der Besucher in den Bauhaus-­Museen kommen aus dem Ausland. WH: Auf jeden Fall! Der ganze Klassikbereich in Weimar ist eine rein deutschsprachige Angelegenheit. Das Bauhaus ­da­gegen gehört Deutschland nicht allein, übrigens auch als Folge des Nationalsozialismus, der viele Bauhäusler ins Exil getrieben hat. Dadurch wird es heute ebenso von ame­r i­ kanischen, asiatischen oder afrikanischen Standpunkten aus diskutiert. Mit der deutschen Klassik könnten wir solche ­Besucher nie ­erreichen, und das ist eine Chance für die Stadt, keine Frage. ARTMAPP: Eine inhaltliche Vision für das neue Haus schien dennoch lange Zeit nicht recht erkennbar zu sein – außer dass man Ersatz brauchte für das viel zu kleine Provisorium am Theaterplatz. WH: Aber der neue Standort liegt nun wirklich in einem historischen Spannungsfeld! Unsere Überlegung war es immer, dort eine Art Palimpsest der Geschichte zu kreieren. Sie haben die spätbürgerliche Baukultur, Sie haben parallel das Gau­ forum – ich finde, das Bauhaus-Museum Weimar passt sehr gut dorthin, denn so zeigen sich wie in einem Brennglas verschiedene Facetten unseres deutschen Selbstverständnisses, der deutschen Identität, aber auch die Verankerung in der Internationalität. ARTMAPP: Heike Hanadas Entwurf wurde von Weimarer Bürgerinitiativen als „Wolfsschanze 2.0“ oder „Reichsbunker“ geschmäht. WH: Na ja, das Haus hat eine wahnsinnige Diskussion ausgelöst. Im Stadtrat, im Internet, überall war das ein Thema, und zwar größtenteils negativ. Die Wogen haben sich aber inzwischen geglättet. Und natürlich wollen wir nicht nur auf die Besucher von außerhalb schauen, sondern auch die Weimarer mitnehmen. Das Haus ist doch kein Unort! Es sieht von außen vielleicht ein bisschen verschlossen aus, aber in seinem Inneren ist es total offen.

Das neue Bauhaus Museum Weimar, Eingangsportal, geplante Eröffnung April 2019, Visualisierung: bloomimages GmbH © Klassik Stiftung Weimar

ARTMAPP: Und wie wollen Sie die Bürger inhaltlich überzeugen? WH: Vorweg: Wir wollen keine Bauhaus-Heldenverehrung, und wir wollen keine schnöde historische Nacherzählung. Man wird sehen, dass viele heutige Fragen in dem Haus eine Rolle spielen. Die Präsentation wird sich nach einzelnen Themen gliedern, zum Beispiel über den sogenannten „Neuen Menschen“. Dabei wird es dann auch um Nietzsche und seine Zeit gehen, also nicht nur um Fragen des Bauhauses selbst, sondern dessen Wurzeln in der vorangegangenen Zeit seit dem späten 19. Jahrhundert. Das Bauhaus hat darauf sehr vielfältig geantwortet, etwa mit Ideen zum mechanisierten oder dem spirituellen Menschen – bis hin zum „Triadischen ­B allett“. Aber auch ein neues Frauenbild ist daraus hervor­ gegangen – wobei die Rolle der Frauen am Bauhaus selbst nicht gerade glanzvoll war. Doch es gibt eben zugleich her­ vorragende Bauhaus-Schülerinnen wie Ré Soupault, die viele Ideen individuell weiterentwickelt haben und die wir ebenso in ­L eben und Werk vorstellen werden. Überhaupt stehen ja die Protagonisten des Bauhauses für sehr verschiedene ­F a­cetten: Hannes Meyer für den sozialpolitischen Auftrag, Ludwig Mies van der Rohe für das weltläufig-elegante ­B auhaus, ­Walter Gropius unter anderem auch für dessen frühzeitige Musealisierung. Selbst Weimar und die poli­ tischen Um­stände sowie Anfeindungen in der Stadt, die damals zum Weggang des Bauhauses nach Dessau geführt ­haben, werden im Museum eine Rolle spielen. Da kann sich jeder selbst einen Reim auf gewisse Aktualitäten machen. Aber zunächst einmal müssen die Besucher, wenn sie hereinkommen, das Innere des Hauses selbst einladend finden! www. bauhaus100. de


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Margret Hoppe, aus der Serie: „Unterbelichtete Moderne“, Thilo Schoder, Frauenklinik Gera II, 2017, C- Print, 40 x 32 cm


23 Grand Tour der Moderne – Sachsen/Thüringen

M argret Hoppe in der Collection Regard, Berlin

Moderne in Mitteldeutschland

ARTMAPP: Frau Hoppe, für Ihre neue Serie haben Sie Gebäude fotografiert, die der Klassischen ­Moderne zuzurechnen sind, bisher jedoch wenig Beachtung fanden. Wie kamen Sie auf die Idee? Margret Hoppe: Ich habe mich lange mit architektonischen Hinterlassenschaften der DDR beschäftigt, die heute keine Funktion mehr haben. Dann bin ich während eines Frankreichaufenthalts auf Le Corbusier gestoßen und habe seine Bauten in Europa und Indien fotografiert. Ich wollte nicht noch einmal bereits als ikonisch definierte Architektur fotografieren, sondern unbekannte Bauten der Moderne in Mitteldeutschland. Ich bin hier aufgewachsen und lebe und arbeite in der Region. Auch hier steht Architektur, die nicht weniger gut oder weniger modern ist, sondern bisher einfach nicht viel Aufmerksamkeit bekommen hat.

ARTMAPP: Die Serie trägt den Titel „Unterbelichtete Moderne“. Dieser ist zum einen metaphorisch zu verstehen, weil diese Gebäude eben wenig ­bekannt sind. Kann man ihn auch wörtlich lesen, in dem Sinne, dass sie bisher auch kaum fotografiert worden sind? MH: Ja, in diesem doppelten Sinne ist er zu verstehen. ARTMAPP: Insbesondere die Bauten von Thilo Schoder sind für die Serie zentral: Er war Schüler Henry van de Veldes, hat in Gera die ehemalige Frauenklinik und eine Textilfabrik entworfen, ein Krankenhaus in Zwenkau bei Leipzig und eine Wohnsiedlung in Hermsdorf. 1932 ist er nach ­Norwegen emigriert, seine Bauten als auch seine Möbel gerieten in Vergessenheit. Warum? MH: Für die Nationalsozialisten war Thilo Schoders Architektur zu modern. Er ist nach Norwegen emigriert, weil er keine Aufträge mehr bekam, und wurde nach dem Krieg in Deutschland nicht mehr wahrgenommen, auch weil er eben nicht am Bauhaus war. Ulrike Lorenz, die Leiterin der Kunsthalle Mannheim, hat 2001 eine große Monografie zu ihm publiziert, was sehr erfreulich ist. Zu DDR-Zeiten wurden seine privaten Villen enteignet und teilweise für staatliche Zwecke umfunktioniert. Die Frauenklinik in Gera war zu DDR-Zeiten eine Poliklinik. Als Kind war ich selbst dort bei einer HNO-Ärztin. Auch das Kreiskrankenhaus Zwenkau war immer Krankenhaus. ARTMAPP: Stehen die Gebäude heute unter Denkmalschutz? MH: Teilweise. Die Textilfabrik und die Frauenklinik in Gera stehen unter Denkmalschutz, auch das Haus Schminke von Hans Scharoun in Löbau und die Siedlung in Zwenkau. Manchmal kam der Denkmalschutz aber auch zu spät, zum Beispiel bei der Siedlung Törten in Dessau. Da wurden zu DDR-Zeiten hässliche Materialien zur Wärmedämmung ­a ngebracht, Fenster vergrößert oder Fassaden verkleidet. Ein Sammelsurium an Baumaterialien aus den späten 1960er-Jahren.

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Die Moderne rückt mit dem anstehenden Bauhaus-Jubiläum in den Fokus der Aufmerksamkeit. Doch es sind nicht nur die Meister und Schüler aus Weimar und Dessau, die mit ihren Bauten Mitteldeutschland geprägt haben. Seit Jahren fotografiert Margret Hoppe Ikonen der Moderne, zuletzt vor allem Bauten von Le Corbusier in Frankreich und Indien. Für ihre neueste Serie recherchierte sie zu Gebäuden der Moderne in Mitteldeutschland. Margret Hoppe, Jahrgang 1981, studierte an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig bei Timm Rautert und Christopher Muller sowie in Paris bei Christian Boltanski. Die Collection Regard in Berlin kon­ trastiert ihre neuesten Arbeiten mit dem Werk von Julien Lescoeur. Beide haben eine sichtbar komplementäre Art und Weise, wie sie Architekturen fotografieren. Da sie sich in ­ihren Arbeiten auf Strukturen, Materialität und Oberflächen, also auf Texturen, konzentrieren, trägt die Ausstellung den Titel „ ARCHIT E[X]T UR ES“. ART MAPP traf Margret ­Hoppe zu einem Gespräch über menschenleere Architekturfotografie, prägende Arztbesuche und ihren subjektiven Blick auf Gebautes. Das Interview führte Sarah Alberti.


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Margret Hoppe, aus der Serie: „Unterbelichtete Moderne“, Hans Scharoun, Haus Schminke V, Löbau, 2017, C- Print, 40 x 30 cm

rechte Seite: Margret Hoppe, aus der Serie: „Unterbelichtete Moderne“, Hans Scharoun, Haus Schminke I, Löbau, 2017, C- Print, 32 x 40 cm

Alle Fotos: © VG Bild- Kunst, Bonn 2018

ARTMAPP: Inwieweit sind die Gebäude heute noch in Benutzung? Und gibt es nun auch im ­H inblick auf das Bauhaus-Jubiläum im ­kommenden Jahr eine Aufmerksamkeit dafür? MH: Leider steht die sehr beeindruckende Textilfabrik in Gera seit letztem Sommer leer. Auch das Haus Meyer von Thilo Schoder steht leer, weil es einen Streit zwischen den Erben gibt. Die Frauenklinik wird als Bürogebäude genutzt und das Krankenhaus Zwenkau ist nach wie vor ein Krankenhaus. Ich weiß, dass in der Frauenklinik eine kleine Ausstellung zu ­Thilo Schoder geplant ist. Leider gab es dort dafür bisher nur wenig Aufmerksamkeit. Umso wichtiger wäre, das Bauhaus-­ Jahr zu nutzen.

ARTMAPP: Inwieweit schreibt sich das Wissen um die Geschichte der Orte in ihre Fotografien, in die Wahl bestimmter Bildausschnitte ein? MH: Die Bildausschnitte sind rein subjektiv und entstehen vor allem nach ästhetischen Gesichtspunkten. Wichtig ist mir aber immer, bestimmte Details zu fotografieren, die die ­Z eitlichkeit der Orte beschreiben. Es gibt ein Bild aus dem Krankenhaus in Zwenkau, wo man am Rand einen Kopierer sieht und weiß, dass das Foto in den letzten Jahren gemacht sein muss. Und man sieht auch die Abnutzung der Orte sowie manchmal neu Saniertes.


25 ARTMAPP: Ihre Fotografien der Bauten sind zwar im Ansatz dokumentarisch, jedoch vor allem subjektiv, da sie die Architektur nur ausschnitthaft, in ungewohnten Perspektiven zeigen. Dieser Ansatz eint Ihre bisherigen Arbeiten. MH: Das Foto ist immer ein Zeitdokument. Ich fotografiere analog auf Negativfilm und brauche dafür die Realität. Dann baue ich mir die Bilder im Sucher zurecht und schaue nach den Linien und Farben, die das Bild komponieren. Diese Kompositionen und auch die Farbauswahl sind sehr subjektiv. Sowohl bei Le Corbusier als auch am Bauhaus bzw. bei den Bauten der Moderne spielten die Farben eine wichtige Rolle, waren Teil der Architektur. Mit meiner Perspektive und auch über die Ausschnitte, mit denen ich Farbf lächen auswähle, schaffe ich eine eigene Sprache in der Fotografie.

ARTMAPP: Kannten Sie sich vor der Ausstellung? MH: Wir kannten uns seit dem „Salon Photographique“ 2015, den Marc Barbey mit seiner Collection Regard immer auch während der „Paris Photo“ veranstaltet. Das war eine sehr prägende Begegnung für uns alle, da der Salon während der Attentate in Paris stattfand. Die Serie wurde in diesem Sommer schon in Arles während des Fotofestivals gezeigt, auch mit Julien und der Collection Regard. ARTMAPP: Werden Sie noch weitere Orte fotografieren? MH: Ja, es gibt noch sehr viele Orte, die ich fotografieren möchte. Dazu gehört auch das Fenster von Josef Albers im GRASSI Museum für Angewandte Kunst Leipzig oder das Haus Auerbach in Jena und noch weitere Siedlungsbauten von Thilo Schoder.

B i s 7. D e z e m b e r 2 0 1 8 A RC HI T E [X] T U R E S Marg re t Hoppe & Julie n L escoe ur C o l l e c t i o n R e g a rd , B e r l i n w w w . c o l l e c t i o n r e g a rd . d e www. marg re thoppe. com

ARTMAPP: Die Bilder bleiben bei Ihnen ­menschenleer, obwohl die Gebäude zum Teil noch in Benutzung sind.

2 4 . Febr uar bis 19. Mai 2019 Das Bauhaus G ra f i s c h e M e i s t e r w e r k e v o n K l e e b i s K a n d i n s k y

ARTMAPP: In der Collection Regard stellen Sie die Serie nun gemeinsam mit Arbeiten von Julien ­L escoeur aus, der Details von Strukturen und ­Texturen von Gebäuden ins Bild setzt. Inwieweit treten ihre Ansätze in Dialog? MH: Wir beschäftigen uns beide mit Raum im Bild und mit Orten, die eine spezifische Geschichte haben. Wir fotogra­ fieren auch beide in Farbe. Dennoch ist unsere Bildsprache sehr unterschiedlich. In meinen Bildern sieht man Ausschnitte der Architektur, die jedoch immer auch einen Raum öffnen. Bei Julien sind es tatsächlich Oberflächen, während bei mir oft sehr harte und grafische Linien oder Farbf lächen den Raum definieren.

Im Herbst 1921 präsentierte Walter Gropius mit dem Leiter der druckgrafischen Werkstatt am Bauhaus ­Weimar, Lyonel Feininger, eines der wichtigsten transnationalen Kunstprojekte nach dem Ersten Weltkrieg: Unter dem Titel „Neue Europäische Graphik“ luden sie die künstlerische Avantgarde Europas ein, je eine Druckgrafik zu einer fünf Mappen umfassenden Werkschau aktueller Grafik beizusteuern. Dabei ­e ntstanden bis 1924 die Mappen I, III, IV und V mit Druckgrafiken deutscher, italienischer und russischer Künstler. Die II. Mappe mit Arbeiten französischer Künstler blieb Fragment. Das Lindenau-Museum ist eines der wenigen Museen, das in Besitz aller vier editierten Mappen ist. Zum Jubiläum des Bauhauses werden alle grafischen Blätter in einer Ausstellung präsentiert, darunter Arbeiten von Max Beckmann, Marc Chagall, Giorgio di Chirico, Lyonel Feininger, Wassily Kandinsky, Ernst Ludwig Kirchner und Paul Klee.

A R T M A P P   W I N T E R 2 018/19 — B A U H A U S 10 0

Lindenau-Mu seum Altenburg, Thür ingen

MH: Die Menschen sind zwar nicht auf den Bildern zu sehen, sie sind dennoch anwesend. Denn die Architektur ist für den Menschen gemacht und man sieht immer Spuren des Menschen in meinen Bildern.


Entdecken Sie das Bundesland, in dem es so viele authentische Bauhaus-Bauten wie nirgendwo sonst gibt und in dem die Ikone der Moderne am intensivsten wirkte. Erleben Sie Orte wie das Bauhaus Dessau und die dortigen Meisterhäuser, die Werke Lyonel Feiningers in Halle an der Saale oder die „bunte Stadt“ Magdeburg. #moderndenken

Hier macht das Bauhaus Schule.

Bildnachweiss: Christoph Rokitta

www.bauhaus-entdecken.de


Foto: David Pinzer

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IN S ACHSE N GROS SE KUNS T Z U F INDE N IS T K EINE GROS SE KUNS T. Sachsen ist das beliebteste Reiseziel für Kultureisen in Deutschland. Neben markanter Architektur und einer unvergleichlichen Musiklandschaft nimmt auch die Bildende Kunst eine herausragende Rolle ein. Der „Kunstverführer Sachsen – Geschichte, Museen, Wirkungsstätten“ gibt Einblicke in die sächsische Kunstgeschichte und die wichtigsten Museen und Galerien in Sachsen. Weitere Informationen finden Sie unter www.sachsen-tourismus.de oder bei der TMGS mbH, Bautzner Str. 45 - 47, 01099 Dresden, Tel. 0351 491700.


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Die wichtigsten Ausstellungen zum Jubiläum in Baden -Wür t temberg

Der Süden feiert 100 Jahre Bauhaus rechte Seite: Weißenhofmuseum Haus Le Corbusier, UNESCO -Weltkultererbe 2016, im Stuttgarter Stadtteil Weißenhof, Foto: Achim Mende, © Stuttgart- Marketing GmbH

Z E PPE L I N M USEU M F R I E DR ICHSH A F E N:

S TA AT S G A L E R I E S T U T T G A R T:

„ I D E A L S TA N DA R D –

„ D I E B AU H AU S - M A P P E N –

S P E K U L AT I O N E N Ü B E R E I N B AU H AU S H E U T E “

E I N E U R O PÄ I S C H E S P R O J E K T “

30. November 2018 bis 28 . Apr il 2019

15 . November 2019 bis 1. März 2020

Das Bauhaus wurde 1933 geschlossen. Doch hat es damit ­geendet? Seine gestalterischen Einflüsse finden sich bis heute in der zeitgenössischen Architektur und Kunst. Das Zeppelin Museum in Friedrichshafen begreift das Bauhaus in seiner Ausstellung als nicht abgeschlossenes, sondern bis heute ­offenes Projekt und als Treiber für Innovationen in der Gesellschaft. Fünf international bekannte Künstlerinnen und Künstler suchen im Rahmen der Ausstellung Antworten auf die Frage, was Bauhaus heute bedeutet.

In der Druckwerkstatt des Bauhauses in Weimar entstanden ab 1921 jene Druckgrafiken, die als Bauhaus-Mappen Bekanntheit erlangen sollten. Lyonel Feiniger, der die Druckerei leitete, wollte in den Bauhaus-Drucken die wichtigsten Vertreter der europäischen Avantgarde vereinen. Es gelang ihm, 52 Werke von 45 Künstlern zu gewinnen, die in vier Mappen veröffentlicht wurden. Neben den vier Bauhausmappen zeigt die Ausstellung weitere Mappenwerke von Bauhaus-Künstlern wie Wassily Kandinsky oder Oskar Schlemmer.

S TA AT S G A L E R I E S T U T T G A R T: „W E I S S E N H O F C I T Y – VO N G E S C H I C H T E

PAU S A T O N N E N H A L L E , M Ö S S I N G E N :

U N D G E G E N WA R T D E R Z U K U N F T E I N E R S TA D T “

„ PAU S A . J E D E M E N G E S T O F F D R I N “

7. J u n i b i s 2 0 . O k t o b e r 2 0 1 9

3. Mai bis 2 4 . November 2019

Mit dem zukunftsorientierten Denken des Bauhauses ­beschäftigt sich auch eine Ausstellung im größten Kunstmuseum Baden-Württembergs. Internationale Künstlerinnen und Künstler erforschen im Rahmen des Projekts die Ambi­ tionen des Bauhauses und des Universalismus der Moderne im Kontext der Stadt Stuttgart. Mit der Fragestellung setzen sie sich in Hörspielen, Gemälden, Filmen, Installationen und Interventionen auseinander. Die Orte der Präsentationen ­begrenzen sich dabei nicht nur auf die Räume der Staatsgalerie. Ganz bewusst werden die Besucher auch auf unpopulären Wegen zu Stationen im Stadtraum geführt oder über das ­R adio angesprochen.

Wenn ab Mai in Mössingen bunte Stoff bahnen in einer ­H alle hängen, muss sich niemand wundern. Sie sollen „Zeit-­R äume“ bilden und farblich sowie sinnlich Einheiten darstellen, die die einzelnen Meilensteine der Fir­m en­ geschichte der „ P ausa“ w iedergeben . Die ehemalige Textildruckfirma Pausa arbeitete in ihren Anfängen in den 1920er-Jahren eng mit dem Bauhaus zusammen und führte auch nach dessen Schließung den besonderen Pausa-Stil in Tradition des Bauhauses weiter. Hierzu zeigt das Museum Mössingen die Firmen- und Design­g eschichte aus der ­u m­f assenden Sammlung von 86.000 Stoffmustern in der ehemaligen Firmenhalle.


Z E N T RU M F Ü R K U NS T U N D M E DIE N K A R L SRU HE :

„ S T U DIO 100“

„ D I E G A N Z E W E LT E I N B AU H AU S “

in 2019

26. Ok tober 2019 bis 2 . Febr uar 2020

100 Tage – 100 Akteure. Das hat sich das „Studio 100“ anlässlich des Bauhaus-Jubiläums auf die Fahnen geschrieben. Gezeigt werden in dieser außergewöhnlichen Ausstellung Werke von Alumni sowie aktuellen Studierenden an Designschulen, die nach der Tradition des Bauhauses lehren. Auch die Hoch­schule für Gestaltung in Ulm (HfG) macht mit bei diesem Projekt, das zusätzlich von Lesungen, Podiumsvor­ trägen und künstlerischen Auftritten begleitet wird.

„Die ganze Welt ein Bauhaus“, sagte einst der Bauhausschüler und -lehrer Fritz Kuhr. Die ifa nahm sich dem an und ent­ wickelte eine internationale Wanderausstellung, die neben Argentinien und Mexiko auch im Zentrum für Kunst und ­Medien in Karlsruhe (ZKM) zu sehen sein wird. Nach jedem Standort soll das Ausgestellte um lokale Einflüsse erweitert werden. Nicht nur die Internationalität und die Bezüge zur ­außereuropäischen Moderne geben die Aussage Kuhrs wieder, sondern auch die Verwischung zwischen Kunst, Handwerk und T ­ echnik, was Walter Gropius als ganze Welt der Gestaltung bezeichnete. www. tour ismus-bw. de/ Kult ur

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H O C H S C H U L E F Ü R G E S TA LT U N G U L M :


30 Grand Tour der Moderne – Baden-Württemberg

Jeanine M eerapfel, Präsidentin der Akademie der Künste

Meine Jahre an der HfG Ulm

ARTMAPP: Frau Meerapfel, welche Erinnerungen verbinden Sie mit Ihrer Studienzeit an der Hochschule für Gestaltung Ulm? Jeanine Meerapfel: Ich fand es dort unglaublich spannend, ­i nsbesondere die Abteilung für Filmgestaltung, die von ­A lexander Kluge und Edgar Reitz gegründet worden war. Für mich war das damals eine völlig neue Welt. Die HfG war ja eine Gründung der Geschwister-Scholl-Stiftung, die nach dem Krieg eine Nachfolgeinstitution des Bauhauses eröffnen wollte, und es gab dort diese Interdisziplinarität, die für mich sehr spannend war. Alle Studenten mussten zum Beispiel ebenso Fotografie, Druckverfahren, Soziologie oder Kyber­ netik lernen. Wir Studierende der Filmgestaltung waren ein bisschen anders als die anderen, wir waren ­rebellischer und haben als erste angefangen, linke Literatur zu lesen.

Jeanine Meerapfel, Präsidentin der Akademie der Künste, Berlin, Foto: © Marcus Lieberenz / bildbuehne.de

Vom 16. bis 2 4 . Januar 2019 wird das Jubiläum der Bauhaus-Gründung mit einem großen Festival in der Berliner Akademie der Künste eingeläutet. Was wenige wissen: Die Präsidentin der Akademie, Filmregisseurin Jeanine Meerapfel, hat zwischen 1964 und 1968 an der Hochschule für Gestaltung in Ulm Film studiert – an jener Lehrinstitution also, die sich in ihren Anfangsjahren ab 1953 noch als eine Erbin des Bauhauses verstand. Was dieses Erbe für die gebürtige Argentinierin gerade auch in den turbulenten letzten Jahren der Hochschule bedeutete, erfuhr Carsten Probst für ARTMAPP im Gespräch mit Jeanine Meerapfel.

ARTMAPP: Sie studierten ja gerade in der politisch sehr umkämpften Endzeit dort, als es viele ­programmatische Auseinandersetzungen – nicht zuletzt um die Finanzierung der HfG – gab, die ja eine Außenseiterin im bundesdeutschen Hochschul­betrieb jener Zeit war. JM: Man wollte eine Hochschule im Geist des Widerstandes sein, aus dem ja auch schon die Gründerin der HfG, Inge ­A icher-Scholl, kam. Es war eine aufklärerische Schule gegen den Geist der 1950er-Jahre mit ihrem Ver­gessenwollen der Geschichte. Es sollten neue Pläne für die Zukunft – sowohl beim Bauen, beim Design und auch in den Medien – entstehen. Ich erinnere mich an heftige Debatten der ­Studierenden im Plenum, als es d ­ arum ging, dass die Hochschule mög­ licherweise vor der Schließung steht. Die Studierendenschaft hatte eine klare Analyse: Es waren ­p olitische Gründe ge­ wesen, die dazu geführt haben, die HfG Ulm zu schließen. Wir diskutierten über mögliche Protestaktionen.


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HfG -Studenten und - Dozenten demonstrieren vor dem Württembergischen Kunst verein und dem Landtag in Stuttgart für den Erhalt ihrer Hochschule, Mai 1968,

JM: Relevant war für mich damals, dass ich Tomás Maldonado, den seinerzeitigen Rektor der HfG, sowie einige Professoren – Gui Bonsiepe, Tom Gonda – in Buenos Aires kennengelernt hatte und sie mir von der HfG erzählten. ­Insbesondere dass gerade eine Abteilung für Filmgestaltung gegründet worden war – die erste Filmschule der Bundes­ republik –, war für mich interessant. Ich hatte damals schon zwei Jahre Drehbuch in Argentinien studiert. ARTMAPP: Was hat Sie an der HfG für Ihren ­weiteren Werdegang als Filmregisseurin geprägt? JM: Dieser interdisziplinäre Ansatz der HfG, die Art zu ­denken, die dort vermittelt und gelebt wurde. Der Glaube, wenn wir es schaffen, die Welt von dem Firlefanz zu befreien und die Köpfe der Menschen auf das Wesentliche zu richten, dann können wir eine bessere Gesellschaft auf bauen. Es gab die Vorstellung, dass die Dinge, die uns umgeben, unsere Art zu sein, mitbestimmen und dass man daran arbeiten muss, die Welt etwas sachlicher zu machen, weniger verkitscht. Das habe ich verinnerlicht. Aber nicht nur das. Ich habe damals auch gelernt, Ästhetik politisch zu denken. Insbesondere die Lehre bei Alexander Kluge und Edgar Reitz war für mich ­prägend. Durch sie habe ich gelernt, Zusammenhänge zu erkennen und sie filmisch zu verarbeiten, und dass man gegenüber Revisionismus und einer bestimmten Form des Vergessenwollens Widerstand leisten muss.

Foto: Herbert W. Kapitzki, © Museum Ulm, HfG -Archiv Ulm

ARTMAPP: Das Bauhaus-Jahr wird im Januar in Berlin an der Akademie der Künste eröffnet, deren Präsidentin Sie sind und in deren Sektion „Baukunst“ das Erbe des Bauhauses auch heute noch auf die eine oder andere Weise fortwirkt. Allgemein gefragt: Würden Sie heute mehr zu der Ansicht neigen, es gebe nur „ein“ Bauhaus, das historische, oder sehen Sie das Bauhaus-Erbe bei seinen verschiedenen „Nachfolgern“ wie in Ulm, Chicago, Offenbach, Black Mountain usw. für gewisse Zeit adäquat fortgeführt? JM: Für mich ist das keine „Entweder-oder“-Frage. Selbst­ verständlich hat es ein historisches Bauhaus gegeben. Kunsthochschulen wie Ulm, Black Mountain, Offenbach etc. waren stark davon beeinflusst.

Vom 4. bis 6. April 2019 widmet sich das Symposium „­ Agenten der Auf klärung“ an der Akademie der Künste in Berlin der „unsichtbaren Philosophie“ des Lehrens, Gestaltens und Veränderns der Hochschule für Gestaltung Ulm. ­ Mit Filmen, Vorträgen und Gesprächen wird gemeinsam mit ehemaligen Lehrenden und Studierenden die ­gesellschaftskritische, politische und gestalterische ­B edeutung dieser beispielhaften Lehrinstitution diskutiert und in die ­G egenwart übersetzt werden.

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ARTMAPP: Sie sind damals aus Ihrem Heimatland Argentinien nach Deutschland gekommen. War da schon die Bezugnahme auf das Bauhaus-Erbe für Ihre Wahl Ulms als Studienort relevant gewesen?


32 Grand Tour der Moderne – Baden-Württemberg

Sicht auf Terrasse und Mensa der HfG, Ulm, Foto: Martin Rudau, © Stiftung Hochschule für Gestaltung HfG Ulm

Die Hochschule für Gestaltung Ulm (Hf G)

„Weltsprache“ der Freiheit „ H e ro i s c h w a r n i c h t d a s E n d e d e r H f G , s o n d e r n d i e H o f f n u n g a m A n f a n g . Die Hf G i st nicht zu messe n an de m, wa s sie e r re ichte, sonde r n an de m, w a s z u e r r e i c h e n i h r v e r w e h r t b l i e b .“ G U I B O N S I E P E , P r o f e s s o r a n d e r H f G 19 6 8


Im Oktober 1955 wurde die Hochschule für Gestaltung Ulm offiziell eröffnet, nur wenige Wochen nach dem Ende der „documenta 1“ in Kassel. Beide entsprangen demselben Grund­a nliegen: die ein Jahrzehnt zuvor noch verfemte ­Moderne als „Weltsprache“ der Freiheit und Leitkultur des ­demokratischen Westdeutschlands vorzustellen. Für beide war die Moderne nicht gescheitert, sondern lediglich durch totalitäre Regime unterbrochen worden und ließ sich nach deren Ende gleichsam wiederherstellen: Der demokratische Staat war das eigentlich moderne Projekt, das in der Weimarer Republik seinen Feinden noch unterlegen gewesen war. So wurde in Ulm wie in Kassel von Neuem der Glauben der modernen Avantgarden an die gesellschaftsbildende Kraft von Kunst, Architektur und Design beschworen. Der Name der Hochschule für Gestaltung war in dieser Hinsicht weitaus mehr als nur ein wörtlicher Rückbezug auf die Selbstbe­ zeichnung des Bauhauses: Diese Hochschule wollte selbst „Gesellschaft“ sein – und ebendiese gestalten. Initiatoren der HfG-Gründung war neben Hans-Werner Richter und Otl ­A icher vor allem Inge Scholl, die große Schwester Hans und Sophie Scholls, welche 19 43 als Mitglieder der Wider­ standsgruppe „Weiße Rose“ wegen ihrer Aktionen gegen das NS-Regime hingerichtet worden waren. Scholl und Aicher hatten bereits 1946 die Ulmer Volkshochschule gegründet, deren volkserzieherischer Gedanke jenem der späteren HfG wie ebenfalls der „documenta“ durchaus nahekam. Mit der Geschwister-Scholl-Stiftung als Trägerin und Max Bill als Gründungsdirektor hatte sich die HfG dem Erbe des Bauhauses verschrieben, das mit seiner Gründung während der Weimarer Republik, noch dazu in Weimar selbst, eine g­ eradezu klassisch-deutsche Institution mit einer demokratischen und internationalen Ausrichtung unter einem Begriff zusammengebunden hatte. Zahlreiche ehemalige Bauhaus-Lehrer weilten während der NS-Zeit in den Ländern der Westalliierten im Exil und hatten dort neue Wirkungs­ felder gefunden. Dies erleichterte den Kontakt der Stiftung zu US-amerikanischen Geldgebern, deren Anschubfinan­ zierung für das private Institut unerlässlich gewesen war. Die Berufung auf die Bauhaus-Nachfolge, die Beteiligung ehemaliger prominenter Bauhäusler wie Max Bill, Josef Albers oder Johannes Itten sowie das Ideal einer autonomen Institution machten die Hochschule auf dem Oberen Kuhberg in Ulm gleichermaßen zu einem internationalen Leuchtturm wie zu einer Exotin innerhalb des westdeutschen Hochschul­ betriebes. Sie verwaltete sich trotz staatlicher Zuschüsse weitgehend selbst und folgte ihren eigenen Lehrplänen; sie

praktizierte Interdisziplinarität, während das Hochschul­ system insgesamt seiner Fächertradition verhaftet blieb. Die Ulmer Hochschule verstand sich als eine Art Mustergesellschaft und vermarktete sich auch dementsprechend. So sagte der damalige Rektor Tomás Maldonado 1964: „Die HfG ist nicht nur eine Schule, an der man eine bestimmte Fachausbildung erhält; die HfG ist vielmehr eine Gemeinschaft, deren Mitglieder dieselben Intentionen teilen: der menschlichen Umwelt Struktur und Gehalt zu verleihen.“ Bedeutung und Einfluss der Ulmer Hochschule waren fraglos einzigartig für die Entwicklung des Designs und der Designausbildung, womöglich sogar für das kulturelle ­Selbstverständnis der jungen Bundesrepublik. Ihre Selbstidealisierung erscheint aus heutiger Sicht als das Produkt des damaligen Zeitgeistes. Das bezeugen nicht zuletzt die zahlreichen Industrieaufträge, die nach dem Entwurf in Ulm sofort in Produktion gingen, vom Corporate Design der Lufthansa über die Triebwagen der Hamburger U-Bahn bis zum „Ulmer Hocker“, zum „Stapelgeschirr“ und zu Audiogeräten der Firma Braun: Die HfG wurde zu einer Marke, zu einem Label für einen Avantgardismus, der sich nun mehr oder weniger geschmeidig als Corporate Design und symbolisches Kapital der Demokratie verkaufen ließ. Man verstand sich an der HfG ­dabei als so links, wie es das Bauhaus nie gewesen war, und ­erlag dem Trugschluss, dass der eigene zeitweilige Markterfolg schon zeige, dass man die bundesrepublikanische Gesellschaft auf das richtige Gleis in die Zukunft gesetzt habe. A ls 20 03 das 50 -jähr ige Jubiläum der Gr und­ steinlegung der HfG begangen wurde, existierte das alte bundesrepublikanische Narrativ der sich selbst erfüllenden Demokratie nicht mehr. Zahlreiche Veröffentlichungen betrieben aus diesem Anlass eine historisch überf ällige Entmythologisierung der Hochschulgeschichte. René Spitz, der 2002 und 2014 eine Aufarbeitung der – auch politischen – Institutsgeschichte vorlegte, sieht etwa nach Auswertung zahlreicher Akten und Sitzungsprotokolle die Schließung der Hochschule 1968 nicht mehr als Handstreich des damaligen baden-württembergischen Ministerpräsidenten Hans Fil­ binger, wie es seinerzeit noch von vielen Lehrenden und Studierenden verbreitet worden war, sondern als hausgemachten Zerfall einer von internen Streitigkeiten über die

Bis 25 . November 2018 wir de mon st r ie re n! link sbündig bi s zum schlu ss. Hochschule f ür Gestalt ung Ulm 19 68 St udio Hf G | Hf G -A rchiv Ulm www. hfg- archiv. ulm . de

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Aschenbecher „Ulmer Welle“ von Walter Zeischegg, Foto: © Museum Ulm, HfG -Archiv Ulm

Walter Zeischegg (Wien 1917–1983 Ulm) war der Hochschule für Gestaltung (HfG) seit ihren Anfängen eng verbunden. Bereits 1951 holt ihn Max Bill nach Ulm, später unterrichtete er dann als Dozent in der Abteilung Produktgestaltung. Sein 1966 für die Firma Helit ent worfener stapelbarer ­S inus-Aschenbecher („Ulmer Welle“) ist Teil der ständigen Designsammlung des MoMA in New York.

Ausrichtung des Lehrbetriebes und finanziellen Problemen zersetzten Institution. Die Landesregierung in Stuttgart hatte der HfG zwar die finanziellen Zuschüsse für das Haushaltsjahr 1969 gestrichen. Doch hatte die Geschwister-Scholl-Stiftung als Trägerin selbst kein Geld mehr, um die Auf lagen der Landespolitik für deren Zuschüsse erfüllen zu können. Zahlreiche Dozenten hatten die Hochschule deshalb bereits verlassen. Schon die Anschubfinanzierung, die die Stiftung Anfang der 1950er-Jahre aus den USA erhalten hatte, war Spitz zufolge aus einem Fonds gekommen, der von der CIA kontrolliert worden war. Die Debatten an der HfG um ihre vermeintliche Autonomie, ihre de facto bestehende Abhängigkeit von Wirtschaft und Politik, die Anbindung an das historische Bauhaus-­ Vorbild r­ espektive die Loslösung von demselben waren geradezu u ­ nvermeidliche Korrekturen eines ahistorischen Selbstbildes der Anfangsjahre gewesen. Aber auch die tiefgehenden A ­ useinandersetzungen um eine „analytische“ oder politisch-ästhetische Ausrichtung der Lehre bzw. die

kollektive oder hierarchische Leitung der Hochschule warfen Fragen von grundsätzlicher historischer Schärfe auf, die eigentlich ein Abbild des demokratischen Selbstverständnisses der G ­ esellschaft waren und eine einzelne Institution überfordern mussten. Das Scheitern des „Experimentes Ulm“ ausgerechnet im revolutionären Jahr 1968 eröffnet so gesehen einen tiefen Einblick in die kulturelle Verfasstheit der alten Bundes­ republik, deren Hauptprobleme, das Schwanken zwischen Markt und Staat, mit der Wiedervereinigung erneut und ­heute mehr denn je sichtbar sind. Insofern hat das Wort von Professor Gui Bonsiepe aus dem Schließungsjahr 1968 geradezu prophetischen Klang: „Heroisch war nicht das Ende der HfG, sondern die Hoffnung am Anfang. Die HfG ist nicht zu messen an dem, was sie erreichte, sondern an dem, was zu erreichen ihr verwehrt blieb.“ CARSTEN PROBST


35 Grand Tour der Moderne – Baden-Württemberg

10 0 Jahre Bauhaus - M oderne im deutschen Südwesten

Licht, Luft und Sonne VON CHRIS GERBING

Das Bauhaus ist nächstes Jahr in aller Munde. Die Institution, die mit der Moderne traditionell verbunden wird, die Architektur und Design wie keine andere beeinflusst hat und bis heute beeinflusst, hätte 2019 ihren 100. Geburtstag gefeiert. Die „Grand Tour der Moderne“ hat dafür eine Auswahl an 100 Orten ausgewählt, an denen die Bauhaus-Moderne bis heute lebendig ist. Dass es sich dabei nur um eine kleine Auswahl handelt, bei der zwar „baukulturelle Bezüge und gesellschaftspolitische Kontexte“ vermittelt werden, „Hidden Champions“ aber trotzdem nicht unberücksichtigt bleiben, wird bei der kleinen Umschau im deutschen Südwesten deutlich.

Der Tagblatt-Turm in Stuttgart bei Nacht,

Das 1928 im Stil der Neuen Sachlichkeit errichtete Gebäude war damals das höchste Hochhaus in Süddeutschland und das erste in Deutschland, das in Sichtbeton errichtet wurde. Architekt Ernst Otto Oßwald nannte das Gebäude „Zweckbau – ein Haus, das die Benutzung der Räume wirtschaftlich, gesund und behaglich macht“. So sehr viele Stuttgarter damals über den nüchternen Koloss in der doch eher schwäbisch-bieder geprägten ­mittelalterlichen Innenstadt schimpften – heute ist der 61 Meter hohe Tagblatt-Turm ein Wahrzeichen der Stadt. Der Turm wurde für das Stuttgarter „Neue Tagblatt“ erbaut. Nach dem Krieg war die „Stuttgarter Zeitung“ im T ­ agblatt-Turm zu Hause, bis sie ihren Standort nach Stuttgart-Möhringen verlegte.

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Foto: © Pressefoto Kraufmann


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B AU H AU S I N S T U T T G A R T: W E I S S E N H O F S I E D L U N G , TAG B L AT T-T U R M – U N D DA R A N E R I N N E R N D E AU S S T E L L U N G E N

Die Weißenhofsiedlung, 1927 unter der Leitung von Ludwig Mies van der Rohe entstanden, ist einer der wenigen süd­ westdeutschen „100 Orte“, denn es handelt sich um einen herausragenden Beitrag des Neuen Bauens. Das Besondere an der Siedlung war vor allem ihre weltverbessernde Attitüde. Innerhalb nur weniger Monate schufen insgesamt 17 Architekten, darunter Walter Gropius, Ludwig Hilberseimer, Le Corbusier sowie die beiden Taut-Brüder Bruno und Max, ­d iese Mustersiedlung für die Werkbund-Ausstellung „Die Wohnung“, die durch ihre internationale publizistische ­Verbreitung große Strahlkraft hatte und modellhaft für ­wei­tere Siedlungen dieser Art wirkte. Sie war dabei aber nicht die erste ihrer Art: In Berlin, Celle und Frankfurt am Main war die neue Bauweise bereits eingeführt worden. Flachdächer und schmucklose Kastenformen, die der Zweckrationalität ­g eschuldet waren, sind dort wie auch in Stuttgart maß­ gebliche Signets einer neuen Architektursprache, die sich in Verwendung neuer Materialien und sachlich schlichter Innenausstattungen als Gegenentwurf zu den Mietskasernen der Jahrhundertwende um 1900 verstand. Mit den beiden Cor­bu­sier-Häusern (das Doppelhaus ist heute Mu­ seum), die unter UNESCO-Welterbeschutz stehen, und dem

Einfamilienhaus von Hans Scharoun mit seinen charakteristischen Schwüngen besitzt die Siedlung markante, weltweit bekannte Gebäude – von den Nationalsozialisten einst als ­B eispiel für einen „zivilisierten Stall“ verspottet bzw. als „Araberdorf “ verhöhnt. Ihr utopisches Potenzial wird in der Staatsgalerie Stuttgart in der Ausstellung „Von Geschichte und Gegenwart der Zukunft einer Stadt“ aufgegriffen, ­w ährend sich die dort ebenfalls präsentierten „Bauhaus-­ Mappen“ vor dem Hintergrund verstehen, dass etliche der Bauhaus-Meister ihre Ausbildung an der Stuttgarter Aka­ demie bei Adolf Hölzel erhalten hatten. Neben der Weißenhofsiedlung entstanden bis 1931 drei weitere dem Neuen Bauen verpflichtete Siedlungen (Ziegelklinge, Insel- und Wallmersiedlung) in Stuttgart. Insofern ist die K ­ ochenhofsiedlung in direkter Nachbarschaft zum Weißenhof als traditionalistischer Gegenentwurf der „Stuttgarter ­S chule“ zu verstehen. In der Stuttgarter Innenstadt wurde 1928 zudem der Tagblatt-Turm für die Redaktion der Zeitung „Neues Tagblatt“ erbaut – das Ensemble aus Kaufhaus Schocken mit seinem elegant geschwungenen Treppenturm von Erich Mendelsohn und Ernst Otto Oßwalds Hochhaus ist aber leider aufgrund der Nachkriegsplanungen nicht mehr erlebbar, wohingegen der Tagblatt-Turm seit 2005 wieder ein an seine Erbauungszeit erinnerndes Beleuchtungskonzept hat.

Das Scharoun- Haus im Stuttgarter Stadtteil Weißenhof, Foto: © TMBW / Gregor Lengler


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Torhaus, Dammerstocksiedlung von Walter Gropius in Karlsruhe, Foto: © TMBW / Gregor Lengler

D I E DA M M E R S T O C K S I E D L U N G

Während in der Weißenhofsiedlung mit dem Bau von Ein- und Zweifamilienhäusern eher eine finanziell potentere Schicht angesprochen wurde, stand bei der 1928/29 im ­K arlsruher Süden erbauten Dammerstocksiedlung, so ­Walter Gropius im Begleitkatalog, „der Gebrauchswert der ­Woh­n ungen für Familien aus mittleren und unteren ­E inkommensschichten“ im Vordergrund, um die damals grassierende Wohnungsnot nachhaltig zu lindern. Insgesamt 228 Wohnungen wurden innerhalb der Mustersiedlung realisiert, es handelte sich ­d amals um das „konsequenteste Beispiel einer Siedlung im Zeilenbau“ (Adolf Behne). Revolutionär waren zu dieser Zeit die Zentralheizung und die Warmwasserversorgung, die über ein zentrales Waschhaus ermöglicht wurden. Auch die Prominenz der in Karlsruhe

beteiligten Architekten, die sich unter der Leitung von Walter Gropius der Schaffung von ­modernem, lebenswertem und dennoch erschwinglichem Wohnraum für weniger wohl­ habende Familien annahmen, zeigt deutlich den Anspruch, der mit der Siedlung verbunden wurde. In 23 Wohnungs­ typen sollte „die möglichst vollkommene und leistungsfähige Wohnung mit möglichst geringem Aufwand“ realisiert werden, wie es im Ausstellungskatalog von 1929 heißt. Zwar konnte die Siedlung durch die Welt­wirtschaftskrise nicht wie geplant fertiggestellt werden, doch sind die Zeilenwohnungsbauten, Laubenganghäuser und das ­Z entralheizungs- und Wäschereigebäude bis heute eindrückliche Zeugnisse des Willens der damaligen Zeit, das Prinzip von „Licht, Luft und Sonne“ auch im günstigeren Wohnbau­segment umzusetzen. Normierung, Rationalisierung und Typisierung wurden als aus dem Industriebau bekannte M ­ ethoden der günstigen Wohnraumerstellung angewandt. Selbst der Eingangs­ pavillon, in dem damals die Eintritts­k arten gelöst und der Katalog erworben werden konnten, ist noch erhalten, sodass die Siedlung in einer beispielhaften G ­ eschlossenheit erlebt werden kann.

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Plakatmotiv zur Ausstellung „Schönheit im Raum“, 2015/16, Tonnenhalle im Pausa- Quartier, Mössingen, Foto: © Stadt Mössingen und Wüstenrot Stiftung

N E U E S B AU E N N AC H 19 4 5 Z W I S C H E N S T U T T G A R T, BODE NSE E U N D K A R L SRU HE

Die dem Heimatstil verpf lichtete „Stuttgarter Schule“ um Paul Bonatz (von dem etliche der bis heute erhaltenen Neckar­ staustufen stammen) und Paul Schmitthenner wirkte noch nach 1945: Einige der Gebäude der Weißenhofsiedlung wurden abgerissen, eine ­all­gemeine Zugänglichmachung seitens der Stadt ab­gelehnt. Wenig verwunderlich, dass Egon Eiermann 1947 nicht nach Stuttgart, sondern nach Karlsruhe berufen wurde und dort in der Nachfolge des Bauhauses geometrische Strenge und Präzision in Lehre wie Architektur vermittelte. In Baden-­Baden, seinem letzten Wohnort, stehen zwei seiner Villenbauten: 1958 bis 1960 realisierte er das Haus Hardenberg, 1959 bis 1962 sein eigenes Wohnhaus. Von Mies van der Rohe direkt be­einflusst war übrigens auch Manfred Lehmbruck, einer der wenig beachteten, aber hervorragenden Architekten der Nachkriegszeit. Von ihm stammt das zwischen 1951 und 1961 errichtete, heute als Industriedenkmal

unter Schutz stehende Pausa-Quartier in Mössingen für die gleichnamige Textil­f irma, die damals mit Künstlern wie ­W illi Baumeister, HAP Grieshaber und Anton Stankowski zusammenarbeitete. Die Ausstellung anlässlich des Bauhaus-Jubiläums „Pausa – Jede Menge Stoff drin“ macht deutlich, dass das Bauhaus auch im Bereich des Designs die Nachkriegszeit beeinflusste. Wenig später errichtete Lehmbruck außerdem das Reuchlinhaus in Pforzheim als eines der ersten Kultur­z entren nach 1945, ­dessen Wechselausstellungshalle zur architektonischen V ­ erneigung vor Mies geriet. Ebenfalls dem Bauhaus-Stil ­verpflichtet ist der um 1930 erbaute H ­ afenbahnhof Friedrichshafen, in dem sich heute das ­Z eppelin Museum befindet, das sich 2019 mit den „Speku­ lationen über ein Bauhaus heute“ auseinandersetzt. Aber auch die Wartepavillons in Meersburg und Konstanz, 1951 bzw. 1953 gebaut, folgen deutlich dieser Architektursprache.


39 1 0 0 J A H R E B AU H AU S – 3 0 J A H R E „ D I G I TA L E S B AU H AU S “ Z K M

Vor dem Hintergrund der Weißenhofsiedlung versteht sich auch die Ausstellung, die ab Oktober 2019 im ZKM in Karls­ ruhe zu sehen sein wird: „Die ganze Welt ein Bauhaus“ verhandelt in acht Kapiteln das Zusammenwirken der Künste, die Experimente und Feste am Bauhaus sowie das daraus ­resultierende Gesamtkunstwerk. Die Ausstellung ist insofern außerordentlich passend für das ZKM, als es sich selbst als „digitales Bauhaus“ versteht, in dem nach Dessauer Vorbild Lehre, Forschung, Präsentation und Produktion – hier unter dem Primat der Neuen Medien – Hand in Hand gehen. Übrigens war die Gründung des ZKM 1989, unterstützt durch den damaligen Ministerpräsidenten Lothar Späth, für jenen auch eine späte Wiedergutmachung: 1968 war nämlich die Ulmer Hochschule für Gestaltung als direkte Nachfolgeinstitution des Bauhauses geschlossen w ­ orden, nicht zuletzt aus finanziellen Gründen, für die er im Finanzausschuss des Landtages in Baden-Württemberg v ­ erantwortlich zeichnete – ein Schritt, den Späth wohl in s­ päteren Jahren bedauerte.

Dauerhaf t We i ß e n h o f m u s e u m i m L e C o r b u s i e r H a u s www. st ut tgar t. de/weissenhof 7. J u n i b i s 2 0 . O k t o b e r 2 0 1 9 We i ß e n h o f C i t y – Vo n G e s c h i c h t e u n d G e g e n w a r t der Zuk unf t einer Stadt 15 . November 2019 bis 1. März 2020 D i e B a u h a u s - M a p p e n – E i n e u ro p ä i s c h e s P ro j e k t Staatsgaler ie St ut tgar t www. staatsgaler ie. de 30. November 2018 bis 28 Apr il 2019 I d e a l S t a n d a rd – S p e k u l a t i o n e n ü b e r e i n B a u h a u s h e u t e Zeppelin Museum Fr iedr ichshafen www. zeppelin-museum. de 3. Mai bis 2 4 . November 2019

Infos zu den Ausstellungen in Stuttgart und den zu ­besichtigenden „Orten der Moderne“ im Großraum der ­L andeshauptstadt: www.bauhaus100.de/de/bauhaus-100/ akteure/verbundmitglieder/BaWu.html

Pau sa – Jede Me nge Stof f dr in To n n e n h a l l e i m P a u s a - Q u a r t i e r, Löwensteinplatz 1, 7 2 116 Mössingen Eier mann-Häuser in Baden-Baden: Wo h n h a u s E i e r m a n n , K r i p p e n h o f 1 6 – 1 8 H a u s H a rd e n b e r g , H e r r m a n n - S i e l c k e n - S t r. 4 7 R euchlinhaus P forzheim www. schmuck museum. de 26. Ok tober 2019 bis 2 . Febr uar 2020 D i e g a n z e We l t e i n B a u h a u s Z K M | Zent r um f ür Kunst und Medien, Karlsr uhe

Schmuckmuseum Pforzheim im Reuchlinhaus, erbaut z wischen 1957 und 1961 nach Plänen Manfred Lembrucks (1913–1992), Foto: Valentin Wormbs

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www. zk m. de


40 Grand Tour der Moderne – Baden-Württemberg

Kremer’s Farbenwelt 1: M alerei als Architektur

Bruno Tauts Farbkonzept In un se re r R e ihe „ Kre me r’s Farbe nwelt“ br inge n wir z um 100 -jähr ige n Gr ündungsjubiläum d e s B a u h a u s e s i n We i m a r e i n e n B e i t ra g ü b e r F a r b e n , d i e i n d e r A r c h i t e k t u r a b A n f a n g

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d e r 1 9 2 0 e r- J a h r e Ve r w e n d u n g f a n d e n .

Die Arbeitersiedlung „Onkel Toms Hütte“ ist im Berliner Volksmund nicht von ungefähr auch als „Papageiensiedlung“ bekannt: Zwischen 1926 und 1932 sind die Reihenhäuser am Rand des Grunewalds für 2.200 Menschen errichtet worden und sollten nach dem Willen ihres Architekten Bruno Taut eine fröhlich-lebendige Farbgebung erhalten. Sein Farb­ konzept war für Taut elementarer Bestandteil einer sozialen Stadtplanung. Die seit den 1920er-Jahren überall entstan­ denen Mietskasernen in tristem Grau bezeichnete Taut als „gebaute Gemeinheiten“. Auch im vorwiegend bürgerlich ­geprägten Stadtteil Zehlendorf stand Tauts Idee von Siedlungsarchitektur im Zentrum der sozialen Konfliktlinien der Weimarer Republik. Taut war ebenso wie zahlreiche andere Architekten, die aus der Gartenstadtbewegung und dem Reform­woh­ nungsbau hervorgegangen waren, ein Verfechter der utopistisch gedachten Verschmelzung von Architektur und Natur. Vor und nach dem Ersten Weltkrieg entworfene Kristalllandschaften und Stadtkronen, etwa in seinen großen Bildzyklen „Alpine Architektur“ und „Auflösung der Städte“ von 1918/19, waren expressiv gezeichnete Erzählungen von einer harmonischen, unter Führung von „Weltbaumeistern“ gestifteten, zukünftigen Sozialordnung, die der industriellen Maschinenwelt diametral entgegenstehen sollte. Sie verraten zugleich Tauts malerische Begabung. Aus dieser malerischen Grundhaltung zu Licht und Farbe wird auch Tauts Vorliebe für Farben in der Architektur nachvollziehbar, mit der er gleichzeitig eine Alternative zur „weißen Moderne“ schuf, die sich, zumindest äußerlich, etwa in der Stuttgarter Weißenhofsiedlung oder den Dessauer Meisterhäusern zeigte. Der Architekt Winfried Brenne, der neben ver­ sc h iedenen a nderen B auprojek t en Taut s auc h d ie Onkel-Tom-Siedlung vor wenigen Jahren historisch ­behutsam restauriert hat, reaktivierte hierfür nun Tauts Farbkonzept als deren elementaren Bestandteil. Neben dem sozialpolitischen Aspekt entdeckte Brenne dabei vor allem die bauphysikalische Funktion der mineralischen, erdpigmenthaltigen Farben, die Taut verwendet hatte und die sich wie bei einem Fresko dank ihres silikathaltigen Bindemittels

mit dem Untergrund verbinden konnten. Sie schillern unter dem Mikroskop in allen Farben des Spektrums und können das Sonnenlicht und Tagesstimmungen deshalb lebendiger reflektieren. So sollte die Farbe die Grenze zwischen den Gebäuden und ihrer von Bäumen und Rasenflächen bestimmten Umgebung auflösen. Auf feinem mineralischem Glattputz erhielt die weiße Südfassade mit roten Klinkerlisenen, Brüstungen und Sockel wieder ein leuchtendes Blau in den zurückgesetzten Obergeschossen, wie es ursprünglich von Bruno Taut konzipiert worden war. Die Nordseite leuchtet in zartem Gelb, die Obergeschosse und Balkone sind mit einem kräftigen Grünton versehen; Schwarz, Weiß, Gelb und Rot gliedern die Fassaden; innen haben Wände und Decken eine Dünnputzschicht erhalten und wurden ebenfalls mit mineralischer Farbe nach demselben Prinzip gestrichen. Ähnlich war Taut bereits in seiner Zeit als Magdeburger Stadtbaurat bei der Aktion „farbiges Magdeburg“ von 1921 bis 192 4 vorgegangen, als er mit seinem engen Mitarbeiter Carl Krayl ganze Straßenzüge und selbst das barocke Rathaus bunt übermalen ließ. Auch in der sachsen-anhaltischen Landeshauptstadt sind Tauts Wohnsiedlungen aus den 1920er-Jahren mittlerweile schrittweise wiederhergestellt worden. In der Gartenstadtkolonie „Reform“, die Taut zwischen 1913 bis 1933 als Architekt erbaute, waren nach der Wiederver­einigung ­w egen des Mangels an Baumaterialien in der DDR noch ­v ielfach die Originalputze und R ­ este der ursprüng­l ichen ­Bemalung erhalten: Warmes Gelb und Ocker, Ochsenblutrot und Blau unterstützten die ­räumliche ­Staffelung der Bauten in den Straßen, setzten Stirn- und S ­ eitenwände der meist zweistöckigen Häuser ­voneinander ab und schufen Kontraste zwischen gegenüberliegenden ­Straßenseiten: links ruhig, rechts lebhafter – oder umgekehrt. Allein für die Haustüren sind 21 verschiedene Farbschemata dokumentiert. Ein zusammenhängendes Farbkonzept f ür die Stadt gab es dabei allerdings nicht. Die Architektenbüros ­S auerbruch & Hutton, Peter Kulka oder Friedensreich ­Hundertwasser haben mittlerweile die Konzeptionen Bruno Tauts für die heutige Zeit adaptiert.

Foto aus dem Buch: Bruno Taut, „Ein Wohnhaus“, Stuttgart 1927, farbige Blitzlichtaufnahme der Arbeitsnische, Obergeschoss seines eigenen Domizils in Dahlewitz bei Berlin, erbaut 1925/26



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Baumanns Mischtabelle Blau zum Farbton 1143 Ultramarinblau (Buchstabe E Taut)


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D I E A N W E N D U N G D E R B AU M A N N - P R A S E S C H E N FA R B T O N K A R T E Z U R E R Z I E L U N G H A R M O N I S C H E R FA R B S T I M M U N G E N

Die von Taut hauptsächlich angewendeten Farben unterliegen zwei Zuordnungen. Die Buchstaben von A bis Z verwendet Taut in seinem Buch „Ein Wohnhaus“. Die nummerischen Ziffern von 1 bis 1143 stammen aus den Farbtonkarten von Paul Baumann. „Die Anwendung der Baumann-Praseschen Farbtonkarte zur Erzielung harmonischer Farbstimmungen“ definiert mithilfe von Tabellen die Mischungsverhältnisse der einzelnen Farbabstufungen. Im praktischen Anwendungsversuch verwendet ­K remer Pigmente Baumanns Mischtabelle Blau zum Farbton 1143. Die zu verwendeten Pigmente werden von Baumann mit „Ultramarinblau hell“ und „Weiß“ angegeben. Die besten ­E rgebnisse wurden mit den Kremer-Pigmenten #45080 ­Ultramarinblau hell und #46300 Zinkweiß erzielt: 1142: 1 Te i l # 4 5 0 8 0 U l t ra m a r i n b l a u h e l l 11 41: 6 Te i l e # 4 5 0 8 0 U l t ra m a r i n b l a u h e l l u n d 1 Te i l # 4 6 3 0 0 Z i n k w e i ß 1138: 2 Te i l e # 4 5 0 8 0 U l t ra m a r i n b l a u h e l l u n d 7 Te i l e # 4 6 3 0 0 Z i n k w e i ß 1136: 1 Te i l # 4 5 0 8 0 U l t ra m a r i n b l a u h e l l u n d 2 0 Te i l e # 4 6 3 0 0 Z i n k w e i ß Farbaufstriche von Kremer Pigmente nach der Mischtabelle von Baumann

CARSTEN PROBST

mit den Pigmenten #45080 Ultramarinblau hell und #46300 Zinkweiß

Und das ist es, was die Firma Kremer Pigmente ausmacht. Vor 40 Jahren galten historische Pigmente als überflüssiger Ballast vergangener Tage. Das Herstellen der eigenen Farbe aus B ­ indemittel und Pigment war für die schnelllebige Zeit zu langsam geworden. Aber es stellte sich heraus, dass die moderne Industrie weder die Schönheit historischer Farbigkeit noch die Genauigkeit der Farbrezepturen für die Kunden herstellen konnte. Heute ist Kremer Pigmente Weltmarktführer im Bereich der historischen Pigmente. Viele begeisterte Kunden, die für spezielle Anwendungen in der Restaurierung, der Denkmalpf lege oder der Kunst individuelle Produkte ein­ setzen möchten, wenden sich an den Pigmentspezialisten. David Kremer und Dr. Georg Kremer, 2017 © Kremer Pigmente GmbH & Co. KG

w w w . k r e m e r- p i g m e n t e . c o m

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K R E M E R ’ S FA R BW E LT


44 Grand Tour der Moderne – Baden-Württemberg

„Bauhaus heute“ im Zeppelin Museum Friedrichshafen

IDEAL STANDARD Das Zeppelin Museum Friedrichshafen nimmt das 100-jäh­ rige Gründungsjubiläum zum Anlass, um in seiner groß angelegten Ausstellung dem „Bauhaus heute“ nachzugehen. In einem offenen Diskurs hinterfragt die Schau, inwiefern die einstigen gestalterisch-modernistischen Ansätze bis in un­sere Zeit relevant sind, sich zu Neuem gewandelt haben und Gesellschaften noch immer beeinf lussen. Das Mu­ seum selbst befindet sich seit den späten 1980er-Jahren in dem 1933 e­ r­ö ffneten und in den 1950er-Jahren nach Original­plänen wieder aufgebauten Hafenbahnhof. Das ­stilistisch der Neuen Sachlichkeit zuzuordnende Gebäude ­b eherbergt die maß­stabsgetreue Rekonstruktion der Pas­ sagierräume des Zeppelins LZ 129 „Hindenburg“, der 1937 in Lakehurst in New Jersey/USA verunglückte. Die Innen­ ausstattung der ­„ Hindenburg“ belege eindrucksvoll die

Assimilation modernistischen Bauhaus-Designs seitens der Nationalsozialisten, begründet Kurator Dominik Busch die Auseinandersetzung mit dem Bauhaus in einem erweiterten Feld. Des Weiteren wird gefragt: Wie wirken sich die Ideen heute aus – auch auf die Museumsarbeit der Zukunft? Welche Perspektiven er­öffnen sie mit Blick auf zeitgenössische ­Skulpturen und Installationen? Daneben werden historische Themenkomplexe wie Wohnen und Massenproduktion aus heutiger Sicht kritisch hinterfragt. Als künstlerische Positionen hat Dominik Busch die in Bratislava geborene, in Cambridge/USA lebende Katarina ­Burin und die 1981 in Dshangi-Dsher/Kirgisistan geborene, in Köln arbeitende Erika Hock eingeladen. Hock verknüpft in ihren skulpturalen Werken Elemente der Moderne mit solchen der Postmoderne. Aus der Begegnung beider Epochen


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ergeben sich Innovationen für die Gegenwart. So nimmt ihre raumfüllende Installation „Salon Tactile“ Bezug auf den R ­ epräsentationsstand „Café und Seide“, den Ludwig Mies van der Rohe und Lilly Reich 1927 für die deutsche Seidenindus­t rie entwarfen und der auf der Berliner Messe „Die Mode der Dame“ zu sehen war. Damals bestückt mit ersten Stahl­r ohrstühlen, entschied sich Erika Hock für skulpturale Zylinderkuben. Statt Lilly Reichs Seidenstores finden jetzt Fadenvorhänge mit intensiven Farbverläufen Verwendung. Diese Ausstellungsarchitektur fungiert zugleich als Ort des Diskurses und Erika Hock als transdisziplinärer sowie künstlerischer Filter, der kuratorische Entscheidungen kritisch reflektiert. Mit Zeichnungen, Fotografien und Modellen nimmt Katarina Burin Bezug auf die Arbeit der in Vergessenheit ­geratenen kroatischen Architektin Petra Andrejova-Molnár (1899–1985). Sie rückt Molnárs Schlüsselwerk „Hotel NordSud“ in den Fokus und hinterfragt damit zugleich die patriarchalisch geprägte Geschichtsschreibung des Mo­ dernismus. Ähnlich wie Erika Hock mit Lilly Reichs Werk verfährt. Fragen nach der Urheberschaft, nach dem Mythos des Architekten als „Weltenbauer“ kommen zur Sprache, die an Aktualität nichts verloren haben. Wie ließe sich Staatsbürgerschaft in einer Zeit der technischen Beschleunigung neu denken? Dieser Vision geht der britische Künstler Christopher Kulendran Thomas mit „New Eelam“ in Form eines imaginierten globalen Netzwerks nach, das sich zwischen Kunstkollektiv und Immobi­l ienStart-up bewegt. Ohne territoriale Grenzen und nationale Identitäten bräuchte es ein weltweites Wohnabonnement

und Wohnraum „so einfach, wie das Streamen eines Films“. Sein spekulativer Dokumentarfilm „60 Million Americans can’t be wrong“ von 2018 thematisiert die Konsequenzen und Potenziale einer neuen industriellen Revolution. In die kritische Auseinandersetzung mit der Tech­ nologie 4 .0 führt auch das litauische Künstlerkollektiv „Pakui Hardware“ den Betrachter. Neringa Černiauskaité und ­Ugnius Gelguda, beide seit 2014 in Berlin, beleuchten mit ­ihren „On Demand“-Skulpturen ein laborähnliches Setting. Sie konfrontieren mit domestizierter, aber künstlich mo­ difizierter Natur und Hightechmaterialien. Das baut ein Spannungsfeld auf, in dem ihre hybriden Wesen wie Zeichen der ver­meintlich logischen Fortsetzung einer Hunderte Jahre alten technologischen Entwicklung erscheinen. Angeregt durch Vorbilder aus dem Kontext des his­ torischen Bauhauses, namentlich durch Künstler wie Anni und Josef Albers, die österreichische Architektin Margarete Schütte-­L ihotzky, den US-Amerikaner Richard Buckminster Fuller und die Möbeldesigner Charles und Ray Eames, sind die Wohnmodelle „A–Z Living Units“ der US-amerikanischen Künstlerin Andrea Zittel. Sie beherbergen auf kleinstem denkbarem Raum Bett, Tisch und Kochzeile, die nach einem f lexiblen System an jedem Ort aufgestellt werden können. „Mit der ‚Living Unit‘ wollte ich die Einschränkungen in ­meinem Leben so umgestalten, dass sie zum Luxus werden“, erinnert sie sich an die Zeit in ihrer ersten New Yorker ­Wohnung. Zittel rezipiert damit sehr konkret die Grund­ gedanken des Bauhauses, um zeitgenössischen Utopien eine Gestalt zu geben. BABETTE CAESAR

30. November 2018 bis 28 . Apr il 2019 I D E A L S TA N DA R D Spek ulat ionen über ein Bauhaus heute www. zeppelin-museum. de

linke Seite: Andrea Zittel, „A to Z 1994 Living Unit“, 1994, Metall, Holz, Matratze, Kissen, Samt, Spiegel, Glas, Kochfeld, Mikrowelle, Handtücher, Bürste, Wecker, Licht, 146 x 210 x 205 cm

Zeppelin Museum, Foto: Michael Fischer

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© Courtesy: die Künstlerin und Fondazione Sandretto Re Rebaudengo


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Grand Tour der Moderne – Hessen

Gertrud Arndt, „Maskenselbstbildnis 13“, Dessau, 1930 © Archiv Alfred und Gertrud Arndt, Darmstadt


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Bauhaus in Darmstadt

Vom Künstlerhaus zum Meisterhaus N ä c h s t e r H a l t : M a t h i l d e n h ö h e . D o c h D a r m s t a d t k o m m t a u f d e m „ R e i s e p l a n“ z u m 1 0 0 . G e b u r t s t a g d e s B a u h a u s e s ü b e r h a u p t n i c h t v o r. D a b e i i s t n i c h t n u r d a s „ N e u e F ra n k f u r t “ i n H e s s e n e i n e B a u h a u s - R e i s e w e r t .

Hamburg zum Beispiel. Oder Celle. Weimar, Dessau und ­ erlin gehören selbstredend ganz unbedingt auf den B ­e rfreulich detaillierten „Reiseplan“, der auf der eigens ­e ingerichteten Internetpräsenz bauhaus100.de einen ­Ü berblick über all jene Orte des Bauhauses und der Architekturmoderne geben will, die zu entdecken und zu bereisen sich unbedingt lohne. ­Bernau, Wittenberg und Zwenkau etwa, Stuttgart, Karlsruhe und Ulm natürlich, Essen, Krefeld und Künzell. Eine B ­ ahnCard 100 für das g­ roße Jubiläumsjahr, mag man sich ­angesichts der Fülle der Reiseziele denken, rentierte sich also allemal. Ganz Deutschland, scheint es, feiert im kommenden Jahr 100 Jahre Bauhaus. Ganz Deutschland? Ausgerechnet in Hessen sieht es, glaubt man der Broschüre, ähnlich düster aus wie, sagen wir, in Mecklenburg-Vorpommern. Oder in Bayern. Na, dann doch nicht ganz. Denn naturgemäß kommt insbesondere in Frankfurt am Main das in der Ära des legendären Stadtbaurats Ernst May (1886–1970) Stein gewordene Neue Bauen vor. Mag man also die noch heute existierenden Siedlungen am Bornheimer Hang und „Zickzackhausen“ in Niederrad, in der Römerstadt das Musterhaus mitsamt der epochemachenden „Frankfurter Küche“ Margarete Schütte-Lihotzkys besuchen sowie die Sonderausstellungen im Deutschen Architekturmuseum und im Museum Angewandte Kunst. Und dann, auf dem Weg nach Krefeld zu den Häusern Esters und Lange, nach Thüringen und Sachsen-Anhalt, vielleicht schnell noch einen Abstecher zur Frauensiedlung Loheland bei Fulda machen.

Doch Darmstadt kommt – sieht man von einem H ­ inweis auf die zunächst im NRW-Forum Düsseldorf sowie im Museum für Fotografie in Berlin gezeigte und im Sep­tember in der 1957 von Theo Pabst (1905–1970) im Stil der Klassischen Moderne errichteten Kunsthalle Station machende Ausstellung ­„ Bauhaus und die Fotografie“ einmal ab – bemerkenswerterweise überhaupt nicht vor. Sicher, es fehlt hier, wenn man so will, weitgehend die Hardware. Architektur und vor allem Städtebau gewordene Moderne also, wie sie etwa das „Neue Frankfurt“ charakterisiert.

Alfred Arndt, Galerietrakt Haus Ströher, Darmstadt, 1957 © Archiv Alfred und Gertrud Arndt, Darmstadt


48 Darmstadt ist schließlich die Stadt des Jugendstils, nicht des Bauhauses, und, so möchte man meinen, hat gerade andere Sorgen. Arbeitet man doch seit Jahren mit Hochdruck daran, sich mit dem Ensemble auf der Mathildenhöhe für den ­U NESCO-Welterbestatus zu bewerben. Und doch, sagt etwa Claus K. Netuschil, seien „die Darmstädter Bezüge zum Bauhaus ungleich vielfältiger“, als man gemeinhin annehme. Biografisch geradeso wie institutionell. Weshalb er als Leiter des Kunst Archivs Darmstadt sowie in seiner Galerie gleich drei Ausstellungen zum Thema vorbereitet. Präsentationen, die es durchaus in sich haben.

Wer weiß schon noch, dass das Bauhaus-Archiv 1960, als ein Teil von Gropius’ Vorlass nach Darmstadt gelangte, in der ­Jugendstilstadt gegründet wurde – und hier bis 1970 zu Hause war? Oder dass Walter Gropius’ 1979 in überarbeiteter Form am Berliner Landwehrkanal errichtetes Archivgebäude ursprünglich auf der Darmstädter Rosenhöhe stehen sollte? Netuschil, der die Schau im hiesigen Kunst Archiv ge­mein­ sam mit Bernd Freese und dem Architekturhistoriker Werner Durth kuratiert, will mit der Präsentation zu den A ­ nfängen des Bauhaus-Archivs nicht weniger als die „frühe Rezeption eines internationalen Stils“ dokumentieren – und trotzdem keine staubtrockene Archivausstellung vorlegen. „Man braucht sich keine Sorgen machen, dass es nicht bildhaft ­genug wird.“ Viel mehr wird man neben zahlreichen Do­ kumenten, Fotos und Modellen die grafische Produk­t ion des Bauhauses mit einer hochkarätigen Auswahl von ­B lättern etwa Paul Klees und Wassily Kandinskys, von ­Oskar ­S chlemmer und Georg Muche, Lyonel Feininger oder ­L ászló Moholy-Nagy vorstellen.

Alfred Arndt, „Stadt im Süden“, 1925, Öl auf Karton, 51,5 x 36,1 cm, signiert, datiert und bezeichnet © Archiv Alfred und Gertrud Arndt, Darmstadt


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Walter Gropius auf der Rosenhöhe in Darmstadt mit Heinz Winfried Sabais (rechts), dem Architekten Max Guther (links) und Vertretern der Stadt Darmstadt

Schon ab Januar 2019 wird das Kunst Archiv im Kennedy-Haus derweil eine vielversprechende Schau mit Arbeiten des seit 1948 bis zu seinem Tod in Darmstadt lebenden Ehepaars Alfred und Gertrud Arndt zeigen. Das Werk eines „Urbauhäuslers“ also, wie ihn Gropius nannte, und das seiner nicht weniger mit dem Bauhaus verbundenen Frau. Beide hatten noch in Weimar studiert, Alfred (1898–1978) Architektur, Gertrud (1903–2000), die gleichfalls Architektin hatte werden wollen, war unterdessen wie die meisten weiblichen Studierenden in der Webereiklasse gelandet. Sie wurde spät, erst in den 80er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts, über die Textilkunst hinaus auch mit ihren „Maskenfotos“ bekannt: vorwiegend in den 1930er-Jahren und eigentlich, wie sie selbst sagte, vor allem „aus Langeweile“ entstandene, konzeptuell auf das Werk Cindy Shermans vorausweisende Selbstinszenierungen vor der Kamera.

Alfred Arndt, ab 1929 selbst Lehrer am Bauhaus und mit ­G ertrud Bewohner eines der Dessauer Meisterhäuser, ist ­u nterdessen als Schöpfer eines weitgehend unbekannten ­malerischen Werks zu entdecken: frühe Landschaften etwa, die man kaum mit dem Bauhaus in Verbindung brächte, sowie kaum je gezeigte Arbeiten der 1950er-Jahre. Und schließlich und keineswegs zuletzt will Netuschil in seiner Galerie ­Werke aus dem „höchst qualitätvollen“ Nachlass des 1991 im südhessischen Bensheim verstorbenen Malers Leo Grewenig zeigen. Auch er ein Bauhaus-Künstler der ersten Stunde, der bei Moholy-Nagy, Josef Albers und Wassily Kandinsky ­studierte und dessen Nähe zu Paul Klee, etwa in den Arbeiten der 1960er-Jahre, evident erscheint.

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© Nachlass Pit Ludwig, Darmstadt / Sammlung Hermann Hauck / Kunst Archiv Darmstadt e. V.


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Leo Grewenig, „Rotes Mittelfeld“, 1963, Öl auf Holz, 60 x 80 cm © Nachlass Grewenig, Bensheim

Geschichte und Gegenwart der Fotografie will unterdessen die unter anderem von der Kulturstiftung des Bundes, dem Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst, dem NRW-Forum Düsseldorf sowie der Hochschule Darmstadt geförderte Ausstellung in der Kunsthalle untersuchen. Sie lockt nicht nur mit der – virtuellen – Rekonstruktion einer 1929 von László Moholy-Nagy für den Werkbund kuratierten Fotoschau, sondern stellt die Avantgarden einer Reihe zeitgenössischer fotokünstlerischer Positionen sowie Arbeiten von Studierenden gegenüber. Begleitet wird die Präsentation von einem Symposium auf der Mathildenhöhe. Womit wir endlich doch noch am Hochzeitsturm und also in der Schatzkammer des Jugendstils gelandet wären. Hier wird zunächst eine Ausstellung im ­D esignhaus das „Bauhaus im Spiegel der Mathildenhöhe“ ­betrachten, bevor es schließlich auch das Institut Mathildenhöhe zum 100. Geburtstag des Bauhauses noch einmal genauer wissen will.

„Künstlerhaus – Meisterhaus – Meisterbau“, so der Titel der Schau in den einstigen Ateliers des Ernst-Ludwig-Hauses, verspricht dabei nichts weniger, als das Bauhaus und mithin die dem Neuen Bauen sowie dem Neuen Sehen, der Archi­ tektur sowie der Fotografie, der Gestaltung wie der Kunst gleichermaßen verpf lichtete und für die Entwicklung der Moderne wohl entscheidende Schule überhaupt zu kontex­ tualisieren. Immerhin, so Institutsdirektor Philipp Gutbrod, spanne sich „das Wirken des Bauhauses in eine komplexe Entwicklungslinie von den englischen Reformbewegungen über die Ausstellungen auf der Mathildenhöhe und den Werkbund bis zu den Künstlervereinigungen, ehe sie nach dem Ersten Weltkrieg im Bauhaus kulminiert“. Dass wegweisende Impulse für die Design- und Ar­ chitek­t urgeschichte in der Tat von Darmstadt ausgingen, wo der kunstsinnige Großherzog Ernst-Ludwig mit Hans Chris­ tiansen und Josef Maria Olbrich, Paul Bürck, Rudolf Bosselt und Ludwig Habich sowie Patriz Huber und Peter Behrens ­zunächst sieben Künstler an die 1899 gegründete Künstler­ kolonie berief, erscheint denn auch keineswegs abwegig.


51 Bis 2 4 . Februar 2019 „ DA S N E U E F R I S C H Z U WA G E N ! “ E R N S T L U D W I G Z U M 1 5 0 . G E B U R T S TA G Mathildenhöhe Dar mstadt www. mathildenhoehe. eu 20. Januar bis 30. März 2019 Alf red und G e r t r ud Ar ndt . Zwei Bauhausk ünstler in Dar mstadt K u n s t A r c h i v D a r m s t a d t e . V. www. k un starchivdar m stadt . de 1 4 . Apr il bis 19. Juli 2019 B auhau s-A rchiv Dar m stadt . Fr ühe R ezept ion eines inter nat ionalen St ils K u n s t A r c h i v D a r m s t a d t e . V. www. k un starchivdar m stadt . de 2 7. J a n u a r b i s 1 6 . M ä r z 2 0 1 9 L eo Gre we nig – Male re i A s t r i d L i n c k e -Z u k u n f t – S t a b p l a s t i k e n Galer ie Net uschil, Dar mstadt www. galer ie-net uschil. net 25 . September 2019 bis 5 . Januar 2020 B a u h a u s u n d d i e F o t o g ra f i e . Zum Neuen Sehen in der Gegenwar tsk unst Kunsthalle Dar mstadt www. k unsthalle-dar mstadt. de

CHRISTOPH SCHÜT TE

Das Institut Mathildenhöhe in Darmstadt zeigt in diesem Herbst eine Jubiläumsausstellung zum 150. Geburtstag des Gründers der Künstlerkolonie, Großherzog Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein (1868–1937). 1899 gründete Ernst ­Ludwig die Künstlerkolonie und berief die ersten sieben Künstler, darunter Joseph Maria Olbrich (1867–1908).

Franz von Stuck, „Porträt des Großherzogs Ernst Ludwig“, um 1907, Institut Mathildenhöhe, Städtische Kunstsammlung Darmstadt, Foto: Gregor Schuster

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Schon die grundlegende, mit der ersten Ausstellung der Kolonie 1901 formulierte und in dem Ensemble aus Hochzeitsturm, Ateliergebäude und Wohnhäusern zur gebauten Realität gewordene Idee, Architektur und Innenraumgestaltung, freie und angewandte Kunst zusammenzudenken und als Einheit zu präsentieren, weist, folgt man Philipp Gutbrod, nach Weimar und nach Dessau voraus. „Von den Künstlerhäusern der Mathildenhöhe bis zu den ­Dessauer Meisterhäusern“, so Gutbrod, „von Albin Müllers ‚Miethäusergruppe‘ bis zu sozialen Wohnprojekten wie der Stuttgarter Weißenhofsiedlung, vom Darmstädter Programm der großherzoglichen Lehrateliers für angewandte Kunst bis zum Bauhaus-Unterricht, von der Bedeutung der Künstlerkolonie-Mitglieder für den Werkbund bis zum Einf luss Peter Behrens’ als Lehrer führender Bauhäusler wie Walter Gropius oder Ludwig Mies van der Rohe.“ Und in der Tat mag man Behrens, 1907 überdies Mitbegründer des Deutschen Werkbundes, als eine Schlüsselfigur in der von Gutbrod skizzierten Entwicklungslinie ansehen. Nicht nur, weil der als Autodidakt zur Architektur gelangte Künstler auf der Mathildenhöhe mit dem Haus Behrens sein erstes Gebäude überhaupt realisierte. Schon bald darauf setzte er mit der Turbinenhalle der AEG in Berlin baukünstlerische Maßstäbe für die frühe Moderne. Behrens’ Begriff der Architektur bezog die Raumgestaltung, etwa im Haus Behrens das Entwerfen von Tischen, Stühlen und Leuchten bis hin zu Besteck und Geschirr, ganz selbstverständlich mit ein. Und Behrens, als Schüler Ferdinand Brütts von Haus aus M ­ aler, war denn auch als Architekt ebenso erfolgreich wie als Schriftgestalter, als Designer von Lampen und Logos ­g eradeso wie von Kaffeemaschinen, Wasserkochern und ­Ventilatoren. „Der Jugendstil“, so Gutbrods für die vielversprechende Ausstellung präparierte These, „war in Darmstadt nicht zuletzt Ausgangspunkt für die Neubestimmung des Verhältnisses von Material, Form und Funktion, die von der Jahrhundertwende bis 1914 auf der Mathildenhöhe stattgefunden hat und am Bauhaus weitergeführt worden ist.“ Wohin das führen sollte, kann man beispielhaft in ­K refeld, Dessau oder Stuttgart sehen, in Hessen in „Zickzackhausen“ oder in der Römerstadt und also den Siedlungen des „Neuen Frankfurt“. Wer wissen will, wie alles anfing, mag ­seinen „Bauhaus 100“-Reiseplan kurzerhand mit einem roten Stift ergänzen. Und auf seinen Wegen quer durch Deutschland unbedingt den einen oder anderen Halt in Darmstadt vorsehen.


Frauenklinik im Klinikum Darmstadt, 1952–1954 gebaut nach einem Ent wurf von Otto Bartning


53 Grand Tour der Moderne – Hessen

Ot to Bar tning, 1883 –1959

Der Name Bartning ist prominent und bekannt. Schulen und Straßen sind nach ihm benannt, in Berlin die geschwungene Allee, die über den Hanseatenweg zur Akademie der Künste im Tiergarten führt. Als inspirierender Architekt und Programmatiker der westdeutschen Nachkriegsmoderne ist er auch im Ausland anerkannt. Die erste umfassende Ausstellung zum Leben und Werk des Architekten wurde 2017 und 2018 in der Akademie der Künste Berlin, im ZKM Karlsruhe und im Institut Mathildenhöhe Darmstadt gezeigt. (Katalog: Akademie der Künste/Wüstenrot Stiftung [Hg.], „Otto Bartning. Architekt einer sozialen Moderne“, Darmstadt 2017)

R E VO L U T I O N D E R K Ü N S T E

1883 in Karlsruhe geboren, studierte Bartning zunächst an der Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg, dann in seiner Heimatstadt Architektur. Schon während des Studiums erhielt er erste Aufträge für Kirchenbauten, die – wie auch seine frühen Villen und Landhäuser – bereits die Abkehr vom damals gängigen Historismus in der Architektur zeigen. Er publizierte ab 1907 kritische Schriften gegen die „Stilbaukunst“ und schloss sich der Reformbewegung des Deutschen Werkbunds an, doch erfolgte der radikale Bruch mit den kulturellen Traditionen der Kaiserzeit erst mit dem Ende des Ersten Weltkriegs. Im Dezember 1918 gründete er mit Walter Gropius und Bruno Taut, Künstlern wie Ludwig Meidner und Max Pechstein den revolutionären „Arbeitsrat für Kunst“ unter der Forderung: „Kunst und Volk müssen eine Einheit bilden. Die Kunst soll nicht mehr Genuß weniger, sondern Glück und ­Leben der Masse sein. Zusammenschluß der Künste unter den Flügeln einer großen Baukunst ist das Ziel“. In der Absicht

einer grundlegenden Neuordnung der Lehre an Kunst- und Architekturschulen leitete Bartning den Unterrichtsausschuss im Arbeitsrat, dem auch Walter Gropius angehörte, der hier wesentliche Impulse für das Programm der im April 1919 in Weimar gegründeten Staatlichen Hochschule „Bauhaus“ erhielt; für Oskar Schlemmer war Bartning „der eigentliche Vater des Bauhaus-Gedankens“. In einer bisweilen religiös übersteigerten Hoffnung auf eine künftige sozialistische Gesellschaft skizzierten Bartnings Freunde und Kollegen im Arbeitsrat sowie in anderen ­Künstlervereinigungen wie in der „Novembergruppe“ oder in der „Gläsernen Kette“ mit expressionistischem Pathos ­A rchitekturfantasien für gläserne Volkshäuser und Gemeinschaftsbauten, während Bartning die Dialektik von Sakralem und Profanem auf eigene Weise zu entwickeln versuchte. 1919 veröffentlichte er seine Programmschrift „Vom neuen Kirchbau“, 1922 entwarf er die „Sternkirche“, deren Konzept seinem Werk noch über Jahrzehnte unterschiedlichste Varianten ermöglichen wird. Bis 1924 entwarf und realisierte er mit dem Haus Schuster am Wylerberg bei Kleve eine Ikone des Expressionismus in der Architektur. Nach Inf lation und Wirtschaftskrise, politischer Ernüchterung und Währungsreform folgte dem revolutionären Überschwang der Nachkriegsjahre die Neue Sachlichkeit im Neuen Bauen der Weimarer Republik. Nach Auflösung der Künstlergruppen schloss sich Bartning 1926 mit Kollegen wie Peter Behrens, Walter Gropius, Erich Mendelsohn, Ludwig Mies van der Rohe, Hans Poelzig, Hans Scharoun sowie den Brüdern Hans und Wassili Luckhardt, Bruno und Max Taut zur Berliner Architektenvereinigung „Der Ring“ zusammen, projektierte und verwirklichte mit ihnen Großprojekte wie die Siemensstadt in Berlin. Im selben Jahr übernahm er nach dem Umzug des Bauhauses nach Dessau von Gropius das Haus in Weimar, in dem er nun eine Bauhochschule mit praxisbezogenem Studium im „Aktiven Bauatelier“ einrichtete.

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Architekt einer sozialen Moderne


54 Neben Forschung, Lehre und täglicher Baupraxis, deren Spektrum von Klinik-, Kultur-, Sozial- und Wohnbauten bis hin zu weiträumigen Siedlungsprojekten reichte, war Bartning weiterhin als Kirchenbaumeister gefragt. Er entwarf und realisierte 1928 für die Industrieausstellung „Pressa“ in Köln die aus vorgefertigten Elementen montierte Stahlkirche, die trotz höchst rationeller Konzeption und Produktion durch ihre ­E leganz, ihre Proportionen und die leuchtenden Farbklänge der gläsernen Wände einen Sakralraum von ganz eigener ­atmosphärischer Qualität umhüllte, sowie weitere experimentelle Projekte wie die ebenfalls als Stahlskelettbau 1930 konstru­ierte Rundkirche in Essen. Spätestens seit Errichtung dieser Bauten war Bartning unbestrittene Leitfigur des evangelischen Kirchenbaus, in seiner Prominenz allenfalls vergleichbar mit dem Kölner Architekten Rudolf Schwarz, dem Erneuerer der katholischen Sakralarchitektur. 1930 von der nationalsozialistisch geprägten Landes­ regierung in Thüringen als Professor und Direktor der Weimarer Bauhochschule entlassen, widmete sich Bartning verstärkt dem Wohnungs- und Kirchenbau im In- und Ausland. In der Zeit des Nationalsozialismus bearbeitete er für Kirchengemeinden im Ausland Projekte in Barcelona, Beirut, Brüssel, Lissabon, Paris und anderen Städten.

W I E D E R AU F B AU O D E R N E U B E G I N N ?

Als politisch unbelasteter Nestor des Neuen Bauens international bekannt und geschätzt, wurde Bartning zum Wortführer der deutschen Architektenschaft, 1946 zum ­Erneuerer des Deutschen Werkbunds, seit 1950 als Vorsitzender des Bundes Deutscher Architekten auch in internationalen Vereini­g ungen aktiv. 1955 gehörte er mit Hans Scharoun zu den Gründungsmitgliedern der Akademie der Künste in ­B erlin. Seine Bauten und Schriften prägten die nachwach­ sende Generation.

Konsequent beteiligte er sich an der Wiederbelebung des Deutschen Werkbunds und unterzeichnete mit ehemaligen Protagonisten des Neuen Bauens der Weimarer Republik 1947 eine Liste grundsätzlicher Forderungen, in der es hieß: „Das zerstörte Erbe darf nicht historisch rekonstruiert werden, es kann nur für neue Aufgaben in neuer Form erstehen.“ W ­ ieder war es die Beschwörung des Neuen, die hier aus den 1920er-­ Jahren nachklang, doch wusste gerade Bartning auch das Alte zum Weiterbauen zu nutzen. Den Aufruf zur Er­neuerung ­bezog er zuallererst auf den mentalen Wandel der Deutschen, in Abkehr vom Nationalismus und Rassenwahn. In christlicher Solidargemeinschaft sollte ein innerer Wandel stattfinden, insbesondere in den Kirchengemeinden, in denen sich Menschen nach Krieg und Vertreibung in Armut und Demut zusammenfanden. Als Orte der Identifikation, Integration und des gemeinsamen Neubeginns sollten ihnen die Notkirchen dienen, die nach Bartnings Entwurf zwischen 1947 und 1952 in vorgefertigten Bauelementen aus Holz den Gemeinden im Westen und im Osten Deutschlands geliefert und von den Gemeinden in Selbsthilfe vor Ort in unterschiedlichen Varianten zusammengefügt wurden, darunter auch die Matthäuskirche in Darmstadt, die bis heute ihre ­spirituelle Aura bewahrt hat. Als prominenter Architekt des Neuen Bauens der 1920er-Jahre war Bartning 1951 Organisator und Moderator des international beachteten Darmstädter Gesprächs „ Mensch und R aum“, in dem Perspektiven künftiger ­B au­k ultur diskutiert und in den folgenden Jahren durch ­einige „Meisterbauten“ ­dokumentiert wurden, die für die

Matthäuskirche, Darmstadt, gebaut 1949 unter der Leitung von Otto Bartning

rechte Seite: Stahlkirche mit Ausstellungsgebäude, Köln, 1928, gebaut nach einem Ent wurf von Otto Bartning

Alle Fotos: © Otto - Bartning-Archiv


Nachkriegsmoderne bis heute gültige Maßstäbe setzten. Als Beispiel seien hier nur die Schulbauten von Max Taut und Hans Schwippert sowie das Ledigenwohnheim von Ernst Neufert genannt. Bartning selbst entwarf die damals sensa­t ionelle Frauenklinik im Klinikum Darmstadt, heute noch in Betrieb. Als Berater Berlins war Bartning maßgeblich an der Vorbereitung der Internationalen Bauausstellung, „Interbau 1957“ im Hansaviertel beteiligt, die als Antwort auf den Wiederauf bau im Osten der Stadt galt. Durch die spektakulären Bauten prominenter Architekten wie Alvar Aalto, Le Corbusier, Oscar Niemeyer, Pierre Vago und vielen anderen wurde die „Interbau“ zu einem weltweiten Erfolg, der wesentlich dem weit gespannten Beziehungsgeflecht und dem diplomatischen Geschick Bartnings zu verdanken war.

1951 war ihm nach eigenem Entwurf eine Wohnung im ErnstLudwig-Haus auf der Mathildenhöhe eingerichtet worden, in dem er bis zu seinem Tod 1959 in Darmstadt gelebt hat. WERNER DURTH

www. ot to -bar t ning. de

Werner Durth ist Architekt, Soziologe, Architekturhistoriker und Hochschullehrer. Er war ordentlicher Professor für das Fachgebiet Geschichte und Theorie der Architektur an der Technischen Universität Darmstadt. Werner Durth leitete bis Ende 2017 das Otto-Bartning-Archiv der TU Darmstadt.

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Hessisches Landesmuseum Darmstadt Leo Grewenig. Tinten-Tiere 1 5 . N o v e m b e r 2 0 1 8 b i s 1 7. F e b r u a r 2 0 1 9 L e o G r e w e n i g . T i n t e n -T i e r e 11. Apr il bis 1 4 . Juli 2019 bauhau s Posit ione n Hessisches Landesmuseum Dar mstadt G ra p h i s c h e S a m m l u n g www. hlmd. de

Leo Grewenig, „Baumgruppe“, 1959, Tusche in Schwarz und Braun, 54,1 x 37 cm, HLMD, Inv.- Nr. HZ 10899, Foto: Wolfgang Fuhrmannek, Hessisches Landesmuseum Darmstadt

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© Nachlass Leo Grewenig

Nur ein Dezennium aus dem großen Lebenswerk von Leo Grewenig (1898–1991) wird in der Ausstellung in den Fokus gerückt. Die 40 Tuschzeichnungen entstammen einer ­Werkphase, die Mitte der 1950er-Jahre begann und bis in die frühen 1960er-Jahre dauerte. Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg markierte in Deutschland nicht nur einen wirtschaftlichen und demokratischen Neubeginn, sondern der überstandene Terror und die neu entstandenen Sachzwänge machten die R ­ evision ästhetischer Maximen unumgänglich. Leo Grewenig, der unter anderem in den 1920er-Jahren am Bauhaus studierte und dort eine Gesellen- und Meister­ prüfung ablegte, suchte in der Auseinandersetzung mit dem Informel bzw. dem ­Tachismus nach seiner speziellen Bildsprache. Daraus entstanden die Tuscharbeiten. Sie nehmen eine Scharnier- und Schlüsselfunktion ein, insofern als der Künstler hier noch gegenständlich-mimetisch argumentiert, bevor er sich nach Abschluss dieser Werkphase ganz der Ab­ straktion zuwenden wird. Im Dialog mit seinen Malmaterialien, der Tinte, dem saugenden Papier und speziellen Grundierungen, entsteht eine Fülle von Strukturen. Dicke Kleckse oder feinste Verästelungen setzten Fantasie und Inspiration in Gang. In seinen schwarzen Tuschen bringt Grewenig ungeahnte Farbspiele zum Klingen. Durch die Bildtitel, die Grewenig in Anlehnung an seinen Bauhauslehrer Paul Klee als Assoziationsvorgaben einsetzt, und seine Künstlersignatur kommt der bildnerische

Prozess zum Abschluss. Vor allem Tiere entspringen diesem Zusammenspiel der Zeichenmittel: Schnecken, Spinnen, Schwämme oder Tintenfische, aber auch seltene Blumen, Bäume und Algen genauso wie schillernde Steine und tanzende Wesen bevölkern die großformatigen Papierbögen. Die Ausstellung kombiniert Grewenigs Tinten-Metamorphosen mit Exponaten aus der naturkundlichen Abteilung. Bizarre Schwämme, Insekten oder auch reale Versteinerungen regen an, immer neue Naturphänomene in Grewenigs Tuschen zu entdecken. Erstmals sind diese Tuschzeichnungen in einer Ausstellung zu sehen. „Leo Grewenig. Tinten-Tiere“ zeigt eine fantastische, bis dato kaum bekannte Seite dieses vielfältigen Künstlers. Der Ausstellungskatalog (18,50 Euro) ist reich ­bebildert und liefert hervorragende Reproduktionen. Außerdem enthält er eine ausführliche Biografie zu Leo Grewenigs künstlerischem Werdegang sowie einen wissenschaftlichen Beitrag, der die Tuschzeichnungen kunstgeschichtlich beleuchtet und in ihren kulturhistorischen Kontext stellt. MARC PESCHKE



www.draiflessen.com

grenz über schreitend 14.10.2018–27.01.2019


59 Grand Tour der Moderne – Hessen

Piet Mondrian, „Oostzijder Mühle am Abend“, um 1907/08, Sammlung Gemeentemuseum Den Haag, Den Haag, Niederlande

Piet M ondrian in Wiesbaden

Natur und Konstruktion „ N a t u r u n d K o n s t r u k t i o n“ – u n t e r d i e s e m T i t e l z e i g t d a s M u s e u m W i e s b a d e n d i e e r s t e M o n d r i a n - R e t ro s p e k t i v e i m R h e i n - M a i n - G e b i e t

Piet Mondrian (1872–1944) – dieser Name steht für Quadrate, Rechtecke, die Primärfarben Rot, Blau, Gelb, grau-weiße ­F lächen, schwarze Raster. Ikonen sind diese abstrakten ­Gemälde, wer sie einmal sieht, vergisst sie nie. Problematisch an Ikonen ist, dass ihre Strahlkraft Dahinterliegendes unsichtbar ­werden lässt. So auch bei Mondrian. Oder hätten Sie gewusst, dass der für seine gegenstandslosen Kompositionen welt­berühmte Maler vor 1917 ein facettenreicheres, großteils naturalistisches Werk geschaffen hat? Das Museum Wiesbaden wagt einen neuen Blick. Im Zentrum die Frage: Wie kam es zu den späten neoplastischen Bildern, die mit den frühen gar nichts zu tun zu haben scheinen? „Etwas, das Mondrian selbst übrigens genau so gewollt hat“, so Kurator Roman Zieglgänsberger im Katalog. Die Ausstellung, realisiert in Zusammenarbeit mit dem Gemeentemuseum in Den Haag, folgt dem Œuvre ­c hronologisch, lässt Verbindungen sichtbar werden: ­Ausgangspunkt ist Mondrians nahezu unbekannte natura­ listische Phase ab den 1890er-Jahren – Bach- und Flussläufe, Wälder, Gehöfte, Kühe, Felder, Mühlen. Mitunter wirken die Gebäude und Tiere eigenartig starr und seltsam verkantet in der sie umgebenden Natur, erste Raster sind erkennbar. ­Zieglgänsberger weist aufschlussreich nach, dass bereits hier Mondrians malerische Loslösung vom Abbild beginnt. Von 1908 bis 1917 werden diese Bezüge weiter aufgebrochen. Seit 1911 lebt der Maler in Paris und damit im Epizentrum der

Avantgarde. Der Kubismus befeuert sein Schaffen, ebenso ­u rbane Impulse – Fassaden, Gerüste. Die Kompositionen ­werden zunehmend geometrisierend, die Anschlüsse zwischen realem Gegenstand, Form und Farbe immer brüchiger. Mondrian will die „Natur“, das Sichtbare als Ursprung seiner Motive, hinter sich lassen. 1917 ist Mondrian Mitbegründer der Künstlergruppe „De Stijl“ und nun gänzlich in der gegenstandsfreien ­D ar­stellung an­gelangt. Seine kunsttheoretischen Abhandlungen legen den Grundstein für Generationen Abstrakter nach ihm. Die Weltkarriere mit Stationen in Paris, London, New York folgt. „Natur und Konstruktion“ – ein Widerspruch, wie es scheint. Doch genau in diesem Spannungsfeld strebte ­M ondrian am Wendepunkt der Moderne nach Ausdruck ­jenseits der Dinge, nach dem Bild als Essenz, nach reiner ­Objektivität. E ­ rfüllt sah er das in jenen Gemälden, für die man ihn kennt. In Wiesbaden kann man diese sowie den Weg ­dahin nun entdecken. K ATRI N G Ü N T H ER

B i s 1 7. F e b r u a r 2 0 1 9 Piet Mondr ian Nat ur und Konst r uk t ion www. museum-wiesbaden. de

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und lässt bisher kaum B ekanntes entdecken.


60 Grand Tour der Moderne – Nordrhein-Westfalen

„bauhausimwesten“ – Die Versprechen der Geometrie

Blick auf die Moderne Das große Bauhaus-Jubiläum 2019 wird auch in Nordrhein-Westfalen ausgiebig gefeiert, schließlich findet man hier immer noch grandiose Bauten aus jener Zeit wie auch Projekte und Lehranstalten, die sich auf die Impulse des ­Bauhauses berufen und sie in Gebäuden, Stadtbildern, Kunsthandwerk, Mode, Fotografie, Tanz oder pädagogischen Konzepten bis in die Gegenwart lebendig halten.

Kesselhaus mit Eingang zum Red Dot Design Museum, links Fassade der Halle 5 © Sven Lorenz / Stiftung Zollverein

Peter Behrens gilt als einer der Wegbereiter des Bauhauses. Er hatte mit seiner klar strukturierten Architektur den Weg für das Neue Bauen gebahnt. Betont einfach, sachlich und ­s chnörkellos sollten die zweckhaften Gebäude sein, das Formrepertoire wurde zunehmend geometrisch und ­f lächig. Behrens selbst war als A rchitekt Autodidakt, ­d a­neben war er Maler, Designer, Typograf und Pionier des modernen ­I n­dustriedesigns, verkörperte also selbst schon, was bald zum P rinzip der Bauhaus-Schule wurde: die Grenzüberschreitung. In seinen Anfängen noch von der ­O rnamentik des ­Jugendstils geprägt, hatte Peter Behrens 1905 den Vortragssaal des Folkwang Museums in Hagen entworfen, um 1909 ebenda die Villa Cuno gebaut (Haßleyerstr. 35), das Krema­torium in Hagen-Delstern entworfen, in Düsseldorf 1911 bis 1912 die Hauptverwaltung für den Mannesmann-Konzern und 1921 bis 1925 das Zentrallager der Gutehoffnungshütte in Oberhausen. Die Projekte in Hagen initiierte Karl Ernst O ­ sthaus, der großzügige und visionäre Mäzen, der in seiner Hei­ matstadt Hagen mit Bau- und Sammlungsvorhaben der Bauhaus-Moderne im Ruhrgebiet den Weg ebnete. Die Zusammenführung von Kunst und Handwerk war eines der zentralen Anliegen der Bauhaus-Lehre ebenso wie die Einsicht, dass Wohnen als sozialer Akt auch in die Ge­ sellschaft hineinwirkt. Es ging Gründungsdirektor Walter Gropius schließlich nicht bloß um neue, modernere Konzepte von Architektur und Gestaltung, sondern Lehre und Lernen wurden am Bauhaus immer auch und von Beginn an als gesellschaftlich relevant und individuell verstanden. Bauen war insofern ein im weitesten Sinne politisches Statement. Die Reformbewegungen des frühen 20. Jahrhunderts, die auch im von Karl Ernst Osthaus initiierten sogenannten „Hagener Impuls“ prominent wirkten, hoben die Grenzen von freier und angewandter Kunst auf, schufen nicht nur ­äußerlich neue Räume, sondern waren zugleich für Innenausstattung und Möblierung zuständig sowie für die Bewegung der Menschen im Raum. Die neuen, von Künstlern gestalteten Kleider zum Beispiel befreiten nicht nur ihre Trägerinnen von Korsett und Ornament, sondern standen ebenso für ein gänzlich neues Frauenbild. (Wir sollten nicht vergessen, was wir bis heute diesen Reformen verdanken!) Nicht nur Architektur, auch Mode kann politisch sein.


Paul Poiret, „Mantel“, 1913, graue Wolle, schwarze Seide, getragen von Madame Poiret, Stiftung August Ohm, Hamburg, Foto: Kunstmuseen Krefeld

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Museum Haus Lange, Krefeld, 1928 –1930,

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Architekt: Ludwig Mies van der Rohe

Vom 12. Oktober 2018 bis 24. Februar 2019 zeigt das Krefelder Kaiser Wilhelm Museum als einen Beitrag zum Projekt ­„ bauhausimwesten“ die Ausstellung „Auf Freiheit zugeschnitten. Das Künstler-Kleid um 1900 in Mode, Kunst und Gesellschaft“ und behandelt damit einen wichtigen Beitrag jener Epoche zur Emanzipation. Insbesondere die rheinische Textilstadt Krefeld kann ja mit großen Bauhaus-Namen aufwarten: Mies van der Rohe, Lilly Reich, Johannes Itten, Georg Muche und viele andere, sie alle haben ihre Spuren in der Stadt hinterlassen – als Bau­ meister und Lehrer, als Pädagogen, Textildesigner, Künstler und Gestalter. Am bekanntesten sind wohl die beiden Ende der 1920er-Jahre errichteten ehemaligen Wohnbauten Haus ­L ange und Haus Esters, die heute als Museen genutzt werden, sowie das sogenannte Färberei- und HE-Gebäude, der einzige Fabrikbau, den Mies van der Rohe 1931 in Krefeld


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für die ­Verseidag realisiert hat. Krefelds Bildungs- und Wirt­ schaftsbürgertum war damals der künstlerischen Moderne gegenüber vergleichsweise aufgeschlossen, Seidenfabri­ kanten und Künstler standen in regem Austausch, die Ziele der Reformbewegungen und des Werkbundes wurden diskutiert, industrielle Produktion, Ausbildung und Gestaltung eng verflochten. So ist Krefeld in den 1920er-Jahren ein Tummelplatz der Avantgarde gewesen, nun werden hier im ganzen kommenden Jubiläumsjahr zentrale Aspekte jener wegweisenden Moderne vorgestellt. Einen besonderen Höhepunkt stellt dabei das Projekt „MIK – Mies in Krefeld“ dar, in dessen Rahmen der Verein „Projekt MIK – Mies in Krefeld e. V.“ gemeinsam mit der Stadt eine begehbare Skulptur des zeitgenössischen Künstlers ­T homas Schütte realisiert, in der neben einer Ausstellung auch Vorträge und Debatten stattfinden werden. Bildhauer Schütte hat schon 2016 mit seiner anmutig-eleganten Skulpturen­halle in Neuss einen wichtigen Beitrag zu jenem äußerst lebendigen Weiterleben der Moderne geschaffen. Das Ge­bäude selbst, in dem er Ausstellungen von Bildhauerkol­ legen ausrichtet, steht in unmittelbarer Nähe zur Museums Insel Hombroich. Dort hat der Bildhauer Erwin Heerich begehbare, teils als Ausstellungs- und Aufführungsräume genutzte ­k ubische Skulpturen errichtet. Kunst parallel zur Natur, das Motto der Museums Insel Hombroich, findet hier ihren schönsten Ausdruck. Auf der anderen Seite von Schüttes Skulpturenhalle, nahe der Raketenstation, befindet sich das Ausstellungs­ gebäude der Langen Foundation, vom japanischen Architekt Tadao Andō entworfen und 2004 hier realisiert. Eine bestechende Betonmoderne, die mit einer Dramaturgie aus offenen und geschlossenen Bereichen, aus Masse und Raum, Licht und Dunkel spannungsgeladene Räume schafft – sehr einfach und sehr komplex zugleich.

Ser vierschale von Dynamit Nobel, Troisdorf, Harnstoff- Formaldehyd- Harz, Handelsname „Pollopas“, 1930er-Jahre © Deutscher Kunststoff- Museumsverein

„Mies in Krefeld“ nun wird von Thomas Schütte einen Pavillon erhalten, der funktional ist und dabei anschaulich vorführt, dass auch ein bildender Künstler die Klaviatur der Bauhaus-Moderne perfekt beherrscht – man darf gespannt sein. Einfache Geometrien, eine Symbiose mit der umge­ benden Natur, sichtbare Materialien (feiner Sichtbeton, Holz) und raffinierte Details markieren ja schon seine Neusser Skulpturenhalle. Ziemlich bald nach 1945 hatte man insbesondere in Deutschland versucht, an die bewährten Konzepte der 1920er-Jahre anzuschließen. Die junge Nachkriegsdemokratie brauchte schließlich – nach den auch ästhetisch düsteren 1930er- und 1940er-Jahren – ein neues Gesicht. Schon zuvor sollte ja die vorsichtige Demokratisierung Deutschlands während der Weimarer Republik nicht zuletzt mittels der neuen Bau- und Stadtplanungskonzepte eine ­a ngemessene Gestalt erhalten. So ist denn auch die Nachkriegsarchitektur in NRW erkennbar vom Bauhaus inspiriert, von der Idee, dass die Welt sich durch Gestaltung, Kunst und Bildung erneuern ließe. Nicht nur private Wohnhäuser, sondern ebenso öffentliche Gebäude oder Industriearchitektur und Kirchenbaukunst tragen den Geist der Moderne im Westen weiter. Ober eben Museen. Eine Inkunabel jener sich auf das Bauhaus berufenden Moderne ist – schändlicherweise – gerade (2013) in Düsseldorf dem Wahn des „pedestrianizing“, dem Fußgängerzonenwahn, zum Opfer gefallen. Die mit ihrem kessen Schwung die Rundungen des Schauspielhauses reflektierende, hoch­ beinig-filigrane Betonbrücke, genannt „der Tausendfüßler“, wurde abgerissen, trotz anhaltender Proteste vor allem von Künstlern und Denkmalschützern. Auch das gibt es. K ATJA BEH REN S

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Architektur- Ikonen in Düsseldor f

Von der Moderne in die Zukunft Schauspielhaus und Dreischeibenhaus, Foto: Düsseldorf Tourismus GmbH

Düsseldorf ist ein wahres Open-Air-Museum für Architektur-Liebhaber. Wer neugierig ist auf unbekannte Geschichten hinter den bekannten Fassaden, findet Antworten beim ­neuen Architektur-Spaziergang „Von der Moderne in die ­Zukunft – Architektur-Ikonen in Düsseldorf “. Thematisiert werden u. a. die spannenden Ansätze von Architekten wie Wilhelm Kreis oder Daniel Libeskind, die das Bild der Stadt entscheidend mitgeprägt haben. Die Führung verdeutlicht, wie sehr das Düsseldorfer Stadtbild und seine Zukunft mit der Plankunst visionärer Architekten verknüpft sind.

S TA H L B A R O N E U N D S TA R A RC H I T E K T E N

B AU K U N S T U N D K U N S T S C H ÄT Z E

In der Altstadt präsentiert sich die ­Kultur in unverwechselbaren Landmarken: das K20 der Kunstsammlung NRW – formal einem Konzertf lügel ­n achempfunden –, die Kunsthalle ­Düsseldorf im Stil des ­Brutalismus sowie die Kunstakademie, der monumentale Prachtbau der Neorenaissance, die den Nukleus der Kunststadt Düsseldorf bildet.

U N V E RW E C H S E L B A R E B AU T E N U N D S PA N N E N D E G E S C H I C H T E N

Die Entdeckungstour endet am Ehrenhof-Ensemble. Als Messegelände in den Zwanzigerjahren errichtet, bietet es ­h eute als „Kulturzentrum Ehrenhof “ Raum für Musik und Kunst. Die Tonhalle, das „Planetarium der Musik“, das NRW-Forum als internationales Ausstellungshaus für ­F otografie, Pop und digitale Kultur sowie der Kunstpalast mit seinen Schätzen untermauern Düsseldorfs Ruf als Kultur­ metropole von Weltrang.

J E T Z T B U C H E N : K U N S T-WO C H E N E N D E M I T S TA D T F Ü H R U N G U N D H O T E L Ve ra n s t a l t e r : D ü s s e l d o r f To u r i s m u s G m b H

Düsseldorf ist bekannt für seine hohe Dichte an Museen und für die weltweit renommierte Kunstakademie. ­Verbinden Sie einen Wochenend-Tripp mit der ­Architektur-Stadt ­f ührung und hochwertigen Kunsterlebnissen. • Übernachtung inkl. Frühstück in einem der beiden ­Düsseldorfer Hyatt Hotels • Ticket für die öffentliche Architektur-Führung • DüsseldorfCard mit zahlreichen freien Eintritten in M ­ useen und andere Freizeiteinrichtungen sowie freier Fahrt mit ÖPNV • Düsseldorf-Infopaket und Reiseführer (pro Zimmer) Hyatt Regency Düsseldorf: ab 124,00 € pro Person im Doppelzimmer Hyatt House Düsseldorf/Andreas Quartier: ab 139,00 € pro Person im Doppelzimmer Architektur-Stadtführung auch buchbar ohne Über nachtung:

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Die Tour startet am Neuen Stahlhof aus den 1920er Jahren, kontrastiert vom angrenzenden Alten Stahlhof, den sich die „Stahlbarone“ zwischen 1906 und 1908 als steinernes Zeichen ihrer Macht errichten ließen. Nach dem Krieg re­ sidierte hier die britische Militärregierung. Ein Höhepunkt des Rundgangs ist das Wilhelm-Marx-Haus, Deutschlands erstes Bürohochhaus. Auf der Königsallee beschäftigt sich der ­Spaziergang mit dem Jugendstilprachtbau, den Joseph Maria Olbrich für das Kauf haus Tietz errichtete. Der Kö-­ Bogen des New Yorker Stararchitekten Daniel Libeskind steht in einem auffälligen Kontrast zum Dreischeibenhaus und zum Schauspielhaus.


Das Bauhaus in Niedersachsen

Moderne und Provinz? Niedersachsens beachtlicher Beitrag zur „Grand Tour der ­Moderne“ im Bauhaus-Jubiläumsjahr 2019 reicht von zwei UNESCO-Welterbestätten über verblüffende Entdeckungen in der Provinz bis hin zu spannenden Ausstellungen von fast in Vergessenheit geratenen Künstlern. In Alfeld an der Leine steht das Gebäude, welches bis heute als einer der Initialbauten der modernen Architektur des 20. Jahrhunderts gilt: das Fagus-Werk. Der erste eigenständige Bau des späteren Bauhaus-Direktors Walter Gropius, weist voraus auf eine Formensprache, die sich ab den 1920er-­ Jahren im Neuen Bauen und Internationalen Stil weltweit durchsetzen wird. In den Jahren der Weimarer Republik hatten sich die Architekten Fritz Schupp und Martin Kremmer auf Industriearchitektur als eine bis dahin nicht eigens definierte bauliche Aufgabe spezialisiert. Die Architektengemeinschaft mit Sitz in Essen und Berlin, die wie keine andere den deutschen ­I ndustriebau im frühen 20. Jahrhundert prägte, war an fast ­jeder großen Werksanlage im Ruhrgebiet, darunter die Zeche Zollverein, beteiligt. Ihre Tagesanlagen des Erzbergbergwerks Rammelsberg gehören zu den bekanntesten Bauwerken der Industriearchitektur des frühen 20. Jahrhunderts. Schupp und Kremmer errichteten sie in den Jahren 1935 bis 1939. Die Architekten bauten die Bergwerksanlage nach den

Vorstellungen des modernen Bauens von symmetrisch-übersichtlicher Gestaltung des Gesamtkomplexes und unter Berücksichtigung der herrschenden nationalsozialistischen Architektursprache. Das Herzstück, die in den Hang des Rammelsberges gebaute Erzauf bereitungsanlage, gehörte in den 1930er bis 1950er-Jahren weltweit zu den modernsten Anlagen dieser Art. Das nationalsozialistische Regime finanzierte den Ausbau des Erzbergwerkes seit 1934 durch ein millionenschweres Wirtschaftsprogramm. Ziel der nationalsozialistischen Politik war die Unabhängigkeit von der Rohstoffeinfuhr aus dem Ausland während des Zweiten Weltkriegs. Schon vor der Stilllegung des Erzbergwerkes 1988 wurden die Tagesanlagen unter Denkmalschutz gestellt. 1992 schaffte es das Bergwerk Rammelsberg zusammen mit der Altstadt von Goslar auf die Liste des Weltkulturerbes der UNESCO. Das Weltkulturerbe Rammelsberg ist als Museum und Besucherbergwerk täglich geöffnet. Verbindet man Celle gemeinhin mit historischen ­F achwerkgebäuden, so überrascht die Stadt mit der bundesweit größten Dichte an Bauhaus-Architektur. Tatsächlich war Celle in den 1920er- und 1930er-Jahren aufgrund des bei­spiel­ haften sozialen öffentlichen Wohnungsbaus des Architekten und Städteplaners Otto Haesler ein viel besuchtes Zentrum des Neuen Bauens. Hier in der Provinz entwarf Haesler unter


67 Grand Tour der Moderne – Niedersachsen linke Seite: Rammelsberg, Foto: Stefan Schiefer © GOSL AR Marketing GmbH

15 . Febr uar bis 3. November 2019 M u t i g – D i e P ro v i n z u n d d a s B a u h a u s U N E S C O - We l t e r b e F a g u s - We r k www.fag us-werk. com 2 3 . J u n i b i s 1 7. N o v e m b e r 2 0 1 9 I n d u s t r i e b a u i n d e r F o t o g ra f i e d e r M o d e r n e – D i e Ta g e s ­a n l a g e n d e s We l t k u l t u r e r b e s Erzbe rg we rk R ammel sbe rg w w w . ra m m e l s b e r g . d e O t t o - H a e s l e r- M u s e u m , C e l l e w w w . o t t o - h a e s l e r- s t i f t u n g . d e 2 7. A p r i l b i s 4 . A u g u s t 2 0 1 9 Da s B auhau s in Oldenburg www. landesmuseum-ol. de 9. Febr uar bis 5 . Mai 2019 U m b o . F o t o g ra f. www. spre ngel-mu se um . de

Umbo, „Selbstporträt“, Zeichnung auf Postkarte an Paul Citroen, 1930, BET TINA GÖTZ

15 x 10,5 cm, Foto: Galerie Berinson, Berlin Erstmalige Abbildung dieser völlig unbekannten Zeichnung. Die Postkarte ist nicht Teil der Ausstellung im Sprengel- Museum.

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anderem 192 4 die erste farbige Siedlung der modernen Ar­ chitektur: Blau-grau-rote funktional-kubische Formen mit Flachdach und Übereckfenstern prägen den „Italienischen Garten“. Haeslers radikalste Reaktion auf die Wohnungsnot in jenen Jahren war 1930 die Kleinstwohnungssiedlung ­„ Blumenläger Feld“, die er in Form zweier parallel verlau­ fender, 220 Meter langer, zweigeschossiger Wohnzeilen realisierte. Neben den Wohnsiedlungen entwarf Haesler ­einschließlich der Direktoren- und Rektorenhäuser die international viel beachtete Altstädter Volksschule (Glasschule), in der alles der Funktion – dem Lehren und Lernen – untergeordnet war. Haesler pflegte enge Kontakte zum Bauhaus. Walter Gropius schlug ihn 1930 gar als Nachfolger von Hannes Meyer als Bauhaus-Direktor vor. Heute erinnert das Otto-Haesler-­ Museum in Celle an den Architekten. Im Bauhaus-Jubiläumsjahr zeigen zahlreiche Ver­ anstaltungen und Ausstellungen, wie das Erbe des Bauhauses in Niedersachsen Künstler, Architekten und viele mehr ­n achhaltig prägte. So bereitet unter anderem das Olden­ burger Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte mit dem ­F orschungsprojekt „Das Bauhaus in Oldenburg – Avantgarde in der Provinz“ für 2019 eine große Ausstellung vor, die sich mit der Geschichte des wechselseitigen Austausches und der inspirierenden Auseinandersetzung zwischen Bauhaus und Landesmuseum befasst. Vorgestellt werden exemplarisch die Biografien und Werke von vier ­niedersächsischen Bauhaus-Schülern. In Hannover präsentiert das Sprengel Museum das Werk des Fotografen und Bauhaus-Schülers Umbo. Otto ­M aximilian Umbehr, so sein bürgerlicher Name, zählt neben dem ungleich bekannteren László Moholy-Nagy zu den ­i nnovativsten Fotografen der 1920er- und 1930er-Jahre. Der in Düsseldorf geborene Umbo kam dabei erst nach ­s einem Studium am Weimarer Bauhaus, nämlich 1926 in Berlin auf Anregung des befreundeten Paul Citroen, zur ­F otografie. ­S eine Porträts aus der Welt der Künstler- und Schauspielerboheme waren bahnbrechend für die moderne Bildnisfotografie der Zeit. Von der Schilderung großstäd­ tischen Lebens bis zur Fotomontage und experimentellen Fotografie suchte er ­beständig nach neuen Lösungen, um die gestalterischen M ­ öglichkeiten des Mediums zu erweitern. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 g­ eriet Umbo mehr und mehr in Vergessenheit. Nach der Zerstörung seines A ­ teliers und Archivs lebte er ab 1945 bis zu seinem Tod 1980 in Hannover. Erst Mitte der 1970er-Jahre wurde sein Werk ­wiederentdeckt. Die Ausstellung wird a­ nlässlich des gemeinsamen Ankaufs von Umbos Nachlass durch das Sprengel Museum, die Berlinische Galerie und das Bauhaus Dessau mit jeweils unterschiedlichen Themen­schwerpunkten in allen drei Institutionen gezeigt.


DAS BAUHAUS Grafische Meisterwerke von Klee bis Kandinsky 24.2.–19.5.2019

Wilhelm

Löber

Bauhaus-Schüler · Keramiker · Bildhauer

Keramik-Museum Bürgel 03.11.2018 - 31.03.2019

Rokokoschloss Dornburg 20.04.2019 - 30.06.2019

L I N D E NAU - M U S E U M A LT E N B U RG

www.keramik-museum-buergel.de


Foto: © UNESCO -Welterbe Fagus-Werk

Das UNESCO -Welterbe Fagus -Werk in Niedersachsen

Das lebende Denkmal UNESCO-Welterbe Fagus-Werk in Alfeld, zwischen Hannover und Göttingen, wurde bereits 1911, als Erstlingswerk vom Architekten Walter Gropius ­errichtet und gilt weltweit als Ursprungsbau der Moderne. Mit einer herausragenden Stahl-Glas-Architektur gelang es ihm, zusammen mit dem Firmengründer Carl Benscheidt, ­einem mittelständischen Betrieb ein völlig ungewohntes, vom ­Traditionellen abweichendes Erscheinungsbild zu geben. Markenzeichen für das Neue Bauen ist die Konstruktion der Fassade aus Glas und Stahl sowie die stützenlosen, voll­ ständig verglasten Ecken, die dem Gebäudekomplex eine schwerelose Eleganz verleihen. Seit mehr als 100 Jahren ­werden in diesem bedeutenden Industriebauwerk Fagus-­ Schuhleisten sowie heute ergänzend GreCon Mess- und Brandschutzsysteme sowie Holzbearbeitungsmaschinen produziert. Die UNESCO hat dieses architektonische ­M eisterwerk 2011 zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt. Dass herausragende und starke Persönlichkeiten und Institutionen bereits vor der Gründung des Bauhauses und darüber hinaus zusammen mit dem Bauhaus mutig, kreativ und nachhaltig in der südniedersächsischen Provinz gewirkt haben, zeigt die Ausstellung zum Bauhausjubiläum „Mut – Die Provinz und das Bauhaus“ (16. Februar bis 3. November

2019). Neben dem Fagus-Werk präsentieren sich der PS.SPEICHER Einbeck, mit der Adler-Serie, für die Gropius das Emblem g­ estaltet hat, die Porzellanmanufaktur Fürstenberg, als eine Wirkungsstätte des Bauhäuslers Wilhelm Wagenfeld sowie die Möbelmanufaktur Tecta in Lauenförde, die über 30 ori­g inalgetreue und lizenzierte Bauhaus-Reeditionen fertigt. Die Ausstellung „Die erste und die letzte Fabrik von Walter Gropius“ (9. November 2019 bis 5. Januar 2020) ­do­k umentiert fotografisch das Fagus-Werk sowie das Glaswerk in Amberg, das Walter Gropius, im Auftrag von Philip Rosenthal erbaute. Die Ausstellungen werden begleitet von Vorträgen, Theaterinszenierungen, Lesungen, Konzerten und Film­ präsentationen im besonderen Ambiente der Bauhausfabrik. Ein multimediales und interaktives UNESCO-Besucherzentrum sowie die Fagus-Gropius-Ausstellung im ehemaligen Lagerhaus informieren über die Geschichte und Gegenwart des UNESCO-Welterbes Fagus-Werk. Füh­r un­ gen laden ein, einen Blick hinter die Kulisse des l­ ebenden Denkmals in die aktive Produktion zu werfen. www.fag us-werk. com

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Ursprungsbau der Moderne


70 Grand Tour der Moderne – Niedersachsen

Kunsthalle Emden: Franz Radziwill und die Gegenwar t

Forschung und Technik

Franz Radziwill, „Der Sender Norddeich“, 1932, Öl auf Leinwand auf Holz, 98 x 78,6 cm © Museumsstiftung Post und Telekommunikation, Frankfurt am Main / VG Bild- Kunst, Bonn 2018


Dritten Reichs von der glorifizierenden Darstellung mili­ tärisch-technischer Konstruktionen ab und konzentrierte sich fortan ganz auf das Malen apokalyptischer Landschaften, traumatisierter Menschen und christlicher Symbole. Korrespondierend mit den von Hochhäusern und ­Industriebauten geprägten frühen Landschaftsdarstellungen Radziwills werden in der Emder Schau, die von Direktor ­S tefan Borchardt in enger Zusammenarbeit mit Eugenia ­K riwoscheja kuratiert wurde, frühe Schwarz-Weiß-Aufnahmen von Gasbehältern und Wassertürmen des Düsseldorfer Fotografenpaares Bernd und Hilla Becher gezeigt. Die großformatigen Fotografien des Kanadiers Edward Burtynsky hingegen zeigen menschengemachte, zerstörerische und ­k atastrophale Eingriffe in die Natur in Ländern wie Bang­ ladesch, Aserbaidschan und China. Sie führen drastisch vor Augen, dass der Mensch seinen eigenen Fortschrittsfantasien moralisch nicht immer gewachsen ist. In kritischer Auseinandersetzung mit den umstrittenen Möglichkeiten der Gentechnik und den zweifelhaften Methoden der Pharmaindustrie produziert die US-amerikanische Künstlerin Lynn Hershman Leeson, Jahrgang 1941, seit den 1960er-Jahren Kunstwerke in verschiedenen Medien sowie Spielfilme. Auf ihrem 2014 entstandenem Digitaldruck „Wallpaper“ versammelte sie Medien- und Internetbilder aus Genlaboren, Versuchsstätten und Pharmalabs ebenso wie Bilder genmanipulierter Tiere und Gemüsesorten. So hält sie dem konsumorientierten Betrachter gewissermaßen den Spiegel vor. Die Emder Ausstellung gliedert sich in verschiedene Kapitel, die einerseits die Modernität und die Technikbegeisterung im künstlerischen Schaffen Radziwills sowie der Künstler späterer Generationen unterstreichen und andererseits kritisch die Brisanz und Gefahren dieses Strebens nach dem technisch Machbaren anmahnen. Als symbolisches Werk für das permanente Wollen und Scheitern kann Franz Radziwills 1960 entstandenes Spätwerk „Der Sturz des Ikarus“ gelesen werden. Die mythologische Erzählung von dem im Übermut gen Himmel Fliegenden, dessen Flügel daraufhin von der Sonne versengt werden, endet bei Radziwill in einer einsamen Meeresbucht, wo der nackte, schutzlose Ikarus noch hoffen darf, von einem Ozeanriesen aufgegriffen zu werden. Ein heute wiederum aktuelles Bild, wenn man es vor dem Hintergrund der verzweifelten, über das Mittelmeer flüchtenden Migranten betrachtet. – Vom 2. Februar bis 22. April 2019 ist die Ausstellung in der Städtischen Galerie Bietigheim-Bissingen zu sehen. NICOLE BÜSIN G & HEIKO KL A AS

Bis 13. Januar 2019 F ra n z R a d z i w i l l u n d d i e G e g e n w a r t L a n d s c h a f t , Te c h n i k , M e d i e n www. k unsthalle-emden. de

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71 Eine vielschichtige Schau in der Kunsthalle Emden lässt Werke des norddeutschen Malers Franz Radziwill in einen Dialog mit zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern treten. „Vorsprung durch Technik “, so lautete in den 1990er-Jahren der Werbeslogan einer bekannten deutschen Automarke. Technikbegeisterung wird dabei heutzutage ­häufig begleitet von einer gewissen Skepsis gegenüber dem technisch Möglichen. Neuerungen wie Gentechnik, Robotik oder künstliche Intelligenz könnten, so die Sorge vieler Menschen, durchaus auch Unheilvolles mit sich bringen. Neu ist das nicht. Schon der norddeutsche Maler Franz Radziwill (1895–1983), ein Hauptvertreter des „Magischen Realismus“, kombinierte in seinem Werk unter diesen Vor­ zeichen immer wieder Technik- und Landschaftsmotive. Seine Darstellungen von Kränen, Hochhäusern, Werften, Schleusenanlagen, Raketen, Düsenjets, Gasometern oder Hochbrücken zeigen eine Welt, in der vom Menschen geschaffene industrielle Anlagen und Bauten eine in grellen, unwirtlichen Farben erscheinende Naturlandschaft erobert haben. Franz Radziwill selbst stellte fest: „Nur Spezialisten wissen, wie und warum es so funktioniert. Hier liegt nun das Unheimliche, ja das Spukhafte und Erregende, das unser Tun und Leben beeindruckt, bedrängt und manchmal an irgendeinem Tag auch ganz fordert.“ Dass seine Themen noch immer hochaktuell sind, legen nicht zuletzt die Geschehnisse rund um den Hambacher Forst offen. Die Kunsthalle Emden zeigt jetzt unter dem Titel „Franz Radziwill und die Gegenwart. Landschaft, Technik, Medien“ den in Norddeutschland sehr bekannten Maler im Dialog mit Werken zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler. Ihnen gemeinsam ist eine kritische Haltung gegenüber dem Fortschrittsglauben, eine Skepsis, die auch Franz Radziwill teilte. In seinem Spätwerk wandte er sich nach einer Phase der geradezu naiven Kriegsbegeisterung während des


72 Grand Tour der Moderne – Hamburg und Bremen

Bauhaus im Norden

Backstein und Bauhaus-Leuchten Auch we nn Hamburg und B re me n ke ine Z e nt re n de r B auhau s-B e weg ung ware n – ­H a m b u r g s d a m a l i g e r O b e r b a u d i r e k t o r F r i t z S c h u m a c h e r b ­ ezeichnete die neusachliche A ­ r c h i t e k t u r g a r a l s „ K o n s t r u k t i o n s f a n a t i s m u s“ – , s o e n t s t a n d e n d o c h h i e r e b e n f a l l s p rä g n a n t e ­B a u w e r k e d e r M o d e r n e .

Gustav Oelsner, Wohnhäuser an der Hamburger Helmholtzstraße heute, Foto: Johanna Klier und Markus Dorfmüller


Landhaus Michaelsen, die „weiße Villa“ von Karl Schneider, 1923,

Die lange Tradition der Verwendung von Backstein, der sich im rauen Klima des Nordens als ideales Baumaterial ­e rwiesen hatte, prägt bis heute das Stadtbild der Hansestädte. Zeitgleich mit der Gründung und Etablierung des Bau­h auses entwickelte sich der Backstein-Expressionismus als ­eigenständige Spielart moderner Architektur. Die neue ­F ormensprache zeigte sich dabei in einer Experimentier­ freudigkeit, die ­K linker gezielt zu ornamentalen Mustern zusammensetzte und dabei die ästhetischen Qualitäten der rauen, porösen Ober­f lächen sowie das breite Farbspektrum der Steine nutzte. Ein herausragendes Beispiel hierfür ist etwa das zum U ­ NESCO-Welterbe zählende Chilehaus in Hamburgs ­K ontorhausviertel. Das spektakuläre zehnstöckige Gebäude wurde in den Jahren 1922 bis 1924 von Fritz Höger in einer Form erbaut, die an ein Passagierschiff erinnert. Trotz seiner enormen Größe wirkt das Chilehaus aufgrund seiner geschwungenen Fassaden, die zu einer extrem spitzen Ecke zusammenlaufen – gleich einem riesigen Schiffsbug –, leicht und dynamisch. Fritz Schumacher nahm als Oberbaudirektor Hamburgs von 1909 bis zu seiner Zwangspensionierung durch die Nazis 1933 entscheidenden Einf luss auf die Gestaltung der modernen Hansestadt. Neben dem berühmten Kontorhausviertel konzipierte er mehr als 90 Gebäude, darunter das Finanzgebäude am Gänsemarkt, das Holthusenbad in Ep­ pendorf, das Museum für Hamburgische Geschichte, das Krematorium auf dem Ohlsdorfer Friedhof sowie zahlreiche Schulen. Charakteristisch für seine Entwürfe ist eine ­Mischung von modernen und traditionellen Elementen. Als Planer im Dienst des Senats konnte er seine Vorstellungen ­einer organischen Stadtentwicklung in Wohnsiedlungen wie der Jarrestadt oder dem Dulsberg umsetzen. Hier reagierte er im Rückgriff auf ein traditionelles Baumaterial, den Backstein, auf eine der vordringlichsten Herausforderungen jener Jahre der Weimarer Republik, nämlich für eine rasant wachsende städtische Bevölkerung preiswerten sowie qualitätvollen Wohnraum zu schaffen.

Im Gegensatz zu Schumacher, der auf die alteingesessenen und einf lussreichen Architektenverbände Rücksicht nehmen musste, forcierte sein Amtskollege Gustav Oelsner in Altona – bis 1937 eine unabhängige preußische Großstadt – unter dem Motto „Licht, Luft und Sonne“ den sozialen Wohnungsbau im Stil des Neuen Bauens. Es entstanden ­moderne Zeilenbauten mit f lachen Dächern, horizontalen Fensterbändern sowie Wandgliederungen in einem für Oelsner typischen lebhaften Farbenspiel gelb-orange-roter, aber auch blau-grün-violetter Klinker. Eines der größten Bauvorhaben Altonas war seinerzeit das Berufsschulzentrum „Haus der Jugend“ am Platz der Republik. Neben Oelsner gilt Karl Schneider, der unter an­ derem bei Walter Gropius, Peter Behrens und Fritz Höger ar­b eitete, als führender Vertreter des Neuen Bauens in Norddeutschland. Bereits 1923 erregte er mit dem Bau des Landhauses Michaelsen in Hamburg Aufsehen. Die strahlend weiße Villa über dem Falkensteiner Elbufer ist mit ihren ­c ollageartig zusammengesetzten kubischen Formen und ­gebogenen Panoramascheiben eines der frühesten Beispiele des Neuen Bauens. Heute ist sie – als Puppenmuseum – in ­Teilen öffentlich zugänglich. Schneider entwarf zudem eindrucksvolle Wohn- und Industrieanlagen. An der Hamburger Landeskunstschule etablierte er 1930 als Leiter der Architekturklasse eine reformierte, am Bauhaus orientierte Lehre. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs konnten diese Ideen an der Landeskunstschule durch Bauhaus-Schüler wie Kurt Kranz, Otto Lindig oder Gustav Hassenpf lug, die nun hier lehrten, wieder aufgegriffen werden. Hamburg feiert im Bauhaus-Jubiläumsjahr 2019 eine Vielzahl an baukulturellen Ereignissen mit zahlreichen ­Veranst alt ungen: darunter der 150. Geburtst ag Frit z ­S chu­m achers, 25 Jahre Hamburger Architektursommer, 150 Jahre Gartenschau und nicht zuletzt 150 Jahre Ham­ burger Kunsthalle.

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Foto: © Elke Dröscher


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Ausdruckstanz im Himmelssaal des Haus Atlantis in der Böttcherstraße in Bremen 1931 © Archiv Böttcherstraße Bremen

Böttcherstraße in Bremen: Ein et wa 100 Meter langes Gesamtkunst werk im Stilmix von Backsteinexpressionismus und Art Déco. 1922–1931 auf Initiative des Kaufmanns Ludwig Roselius von Bernhard Hoetger, Eduard Scotland und Alfred Runge errichtet.

Wer kennt sie nicht, die Bremer Stadtmusikanten am Bremer Rathaus? Doch nur wenige wissen, dass das werbewirksame Symbol der Hansestadt 1951 von Gerhard Marcks geschaffen wurde – nicht nur einer der bedeutendsten figür­lichen Bildhauer des 20. Jahrhunderts, sondern auch einer der ersten Meister am neu gegründeten Bauhaus. Als künstlerischer ­Leiter baute er schon ab 1919 im 20 Kilometer von Weimar entfernten Dornburg an der Saale die Keramikwerkstatt auf. Hier entstanden nicht nur experimentelle Gefäße, sondern ebenso erste Prototypen für die serielle Produktion, etwa der Sintrax-Kaffeebereiter. Dieser von Marcks entworfene und später

von Wilhelm Wagenfeld weiterentwickelte Designklassiker legte den Grundstein für die fruchtbare Zusammenarbeit sowohl des Bauhauses als auch der Kunstgewerbeschule Burg Giebichenstein in Halle (Saale) mit dem Glaswerk Schott in Jena. Marcks’ Festhalten an der ursprünglichen Idee einer ­E rneuerung aller Künste durch das Handwerk geriet indes bald in Diskrepanz zu Gropius’ Intention, die industrielle ­Fertigung in den Mittelpunkt der Ausbildung zu stellen. Noch vor dem Umzug des Bauhauses nach Dessau folgte er 1925 ­einem Ruf an die Burg Giebichenstein.


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Chilehau s, Hamburg www. chilehaus. de Bis 2 4 . Juni 2019 S c h ö n e r Wo h n e n i n A l t o n a Stadtent wicklung im 20. und 2 1. Jahrhunder t www. altonaer museum . de 11. Mai bis 2 2 . Juni 2019 Karl Schneiders Landhaus Michaelsen in zeitgenössischen Publikat ionen w w w . e l k e - d ro e s c h e r. d e 10. Mai bis 30. Juni 2019 Spure n des B auhau ses in Hamburg w w w . a k a d e m i e - d e r- k u e n s t e . d e 1 4 . März bis 28. Juli 2019 Kos mos Marck s M a r g u e r i t e F r i e d l a e n d e r- W i l d e n h a i n u n d G e r h a rd M a r c k s www. marck s . de W i l h e l m Wa g e n f e l d H a u s , B r e m e n www. wilhelm-wage nfeld-st if t ung. de

BET TINA GÖTZ

Wilhelm Wagenfeld, Tischlampe „W24“, 1924 (im Hintergrund links: Sintrax- Kaffeebereiter, 1931) © VG Bild- Kunst, Bonn 2018 Foto: Titus Czerski / BTZ Bremer Touristik-Zentrale

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Marcks war in Berlin geboren worden, er lebte in W ­ eimar, Halle, Hamburg und Köln. Obwohl ihn außer der Schaffung der Bremer Stadtmusikanten kein direkter biografischer ­B ezug mit der Hansestadt verbindet, gründete er just hier ­gemeinsam mit der Stadt Bremen und dem Bremer Kunst­ verein 1969 die Gerhard-Marcks-Stiftung, die heute im Gerhard-­M arcks-Haus seinen künstlerischen Nachlass bewahrt. Im Rahmen des Bauhaus-Jubiläums zeigt man da ab März 2019 die Ausstellung „Kosmos Marcks. Marguerite Friedlaender-Wildenhain und Gerhard Marcks“. Gleich gegenüber befindet sich das Wilhelm Wagenfeld Haus, das nach dem bekannten Bauhäusler benannt ist, dessen Nachlass ebenfalls hier verwaltet wird. Darüber hinaus ist es das einzige Ausstellungshaus in Norddeutschland, das sich ausschließlich dem Thema Design widmet. Der in Bremen geborene Wagenfeld gilt als Pionier des Produktdesigns. 192 4 legte er seine Gesellenprüfung in der Metallwerkstatt des Bauhauses ab und entwarf noch im ­g leichen Jahr eines der wohl bekanntesten Produkte des ­B auhauses. Seine legendäre Tischleuchte „W2 4“ mit dem ­t ypischen schlichten Kuppelschirm aus Opalglas und einem Schaft aus vernickeltem Stahl gilt als Inbegriff des modernen Industriedesigns. Sie steht wie kein anderer Gebrauchsgegenstand paradigmatisch für die gesamte Bauhaus-Ästhetik. Auf Anregung seines Lehrers László Moholy-Nagy schuf ­Wa­g enfeld auch eine Variante mit Glasteilen für Fuß und Schaft. Kaum zu glauben, doch erste Versuche, die Leuchte zu ­vermarkten, schlugen fehl, da trotz ihrer industriellen Anmutung die meisten Teile noch immer von Hand hergestellt werden mussten. 1980 überarbeitete Wagenfeld seine Version von 1924 minimal in Zusammenarbeit mit der Bremer Firma Tecnolumen, die seitdem die einzigen autorisierten Neu­ editionen der heute zigfach plagiierten Bauhaus-Leuchte produziert. Für Wagenfeld, der sich selbst als Formenfinder bezeichnete, sollte ein Produkt „anspruchslos“ sein – ein preiswerter, nutzbarer, aber ästhetisch ansprechender Alltagsgegenstand. Vor allem in den 1950er- und 1960er-Jahren wirkte er als Designer bei WMF prägend für die weitere Verbreitung moderner Gestaltung von Gebrauchsgegenständen. Wer kennt nicht „Max und Moritz“, das Salz-und-Pfefferstreuer-Set, das immer noch erhältlich ist. Nicht zuletzt durch den Designboom der 1980er-Jahre avancierten viele seiner Entwürfe aus Glas und Metall zu modernen Klassikern, die bis heute produziert werden.


„ … nach dem nördlichen Eismeer zu sehe ich noch eine kleine Tür.“ Schiffswege von Künstlern und Literaten ins Exil (1933 – 1941)

1. Dezember 2018 bis 7. April 2019 Öffnungszeiten Dez. – März Di – So April täglich Kunstmuseum Ahoop Kunsttermine 4-2018.indd 1

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77 Grand Tour der Moderne – Mecklenburg-Vorpommern

Die Bauhauskünstlerin Dör te Helm in Rostock und Ahrenshoop

Dörte Helm, „Wahrsagerin“ (Selbstbildnis), um 1925, Foto: © Kunstmuseum Ahrenshoop

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Eine Frau der Moderne


78 Als Dörte Helm-Heise 1941 gerade 42-jährig an einer Infek­ tionskrankheit stirbt, hat sie schon einige Jahre kaum noch gemalt oder gezeichnet. In Rostock, wo sie in den 1920ern eine schillernde Künstlerpersönlichkeit war, ist – wie überall in Deutschland seit 1933 geschehen – die avantgardistische ­Kultur im Wesentlichen ausgestorben. Seit 1932 in Hamburg lebte die „Halbjüdin“ nunmehr zurückgezogen im Schutz ­i hres Ehemannes, des bei der Zeitschrift „Funkwacht“ in ­leitender Stellung tätigen Journalisten Heinrich Heise. Im Rückblick auf ihr vorzeitig und im Angesicht der Zeitereignisse erloschenes Schaffen hat der Rostocker Kunsthistoriker Peter Palme ihr Werk über Jahre erforscht und 2007 im MCM Art Verlag publiziert. Als Tochter eines Rostocker Universitätsprofessors, des Altphilologen Rudolf Helm, und seiner aus der jüdischen Familie Bauer-Rothschild stammenden Frau Alice ist Dörte Helm umfassend humanistisch gebildet. 17-jährig beginnt sie in Kassel Bildhauerei zu studieren und kommt 1918 zum Grafikstudium an die Weimarer Akademie. 1919 geht hier aus der Zusammenlegung von Akademie und Gewerbeschule das Bauhaus hervor. Als Studentin Walther Klemms, der mit ­seiner ganzen Klasse an das Bauhaus wechselt, kommt Dörte Helm nun und ohne Vorbereitung in Berührung mit avantgardistischen Ideen. Lehrer wie Johannes Itten, Georg Muche, Lyonel Feininger, Oskar Schlemmer, Paul Klee, Wassily Kandinsky und schließlich der Bauhausdirektor Walter Gropius

entflammen ihre künstlerische Leidenschaft und wecken ihr Verständnis für eine sinnvolle Verf lechtung bildnerischer Möglichkeiten im angewandten und im freien Bereich. Dörte Helm ist eine der wenigen Frauen, die am frühen Bauhaus alle Ausbildungsstufen absolvieren. Selbst in der Wandmalerei – bis dato eine ausschließliche Männerdomäne – erkämpft sie sich einen Platz, obwohl der Werkmeister Oskar Schlemmer die Beteiligung von Frauen an Architekturprojekten grundsätzlich ablehnt. Dörte Helm überzeugt ihre Lehrer durch Temperament und Begabung. Schlemmer würdigt sie in einem Tagebuch und Gropius involviert sie in Projekte seines Büros, etwa bei den Häusern Sommerfeld und Otte in Berlin. 1923 ist sie an der Organisation jener großen Leistungsschau beteiligt, mit der die avantgardistische Kunstschule im national-konservativen Umfeld Thüringens ihr Existenzrecht zu beweisen sucht. Die zur Ausstellung erschienene Postkartenserie enthält neben Motiven der berühmten Lehrer auch eines von Dörte Helm: ein bemerkenswertes Zeichen für die d ­ amals von ihr im Kreise dieser Lehrer offensichtlich erstrittene Akzeptanz. Gleichwohl gerät die Künstlerin am Bauhaus in ­Un­g nade. 1924 muss sie in den väterlichen Haushalt zurückkehren. Hier setzt sich der in Weimar auf gesellschaftlicher Ebene ausgetragene Konflikt der Schule im familiären Kreis fort, denn den Eltern, die ihr jetzt wirtschaftlich unter die Arme greifen, sind die Ambitionen des Bauhauses fremd. Die Beziehungen, in denen Helm damals innerhalb und außerhalb der Familie lebt, spiegeln sich in ihren Porträts jener Jahre. Es sind keine Auftragsarbeiten, sondern Bildnisse ihr ­n ahestehender ­Menschen, darunter etwa Line Ristow, die ­G eliebte des H ­ instorff-Verlegers Peter E . Erichson. Der ­Kunstmäzen ­betraut sie 1926 mit der Innengestaltung seines

Dörte Helm, Bauhaus Ausstellung Weimar, Juli bis September 1923, Postkarte Nr. 14, Sammlung MoMA, New York


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Dörte Helm, „Komposition mit weiblichem Kopf“, 1920/1922, Bleistift/Wasserfarben, Courtesy: Joost van Mar – Kunstgalerie Warnemünde, Rostock

Zu der Ausstellung „Dörte Helm L ABOR DER M ­ ODERNE“ erschien im Sommer 2018 ein Katalog. Eine er weiterte Ausstellung folgt im Mai 2019.

w w w.joost vanmar- galerie.de

„Aben­teuern vom Kater Müffchen und vom kleinen Hein“. Was unter anderen Verhältnissen aus ihrem hohen künstlerischen Anspruch und Vermögen noch hervorgegangen wäre, muss offenbleiben. D R. K ATR I N A RR I E TA

Künstlerische Leitung Kunstmuseum Ahrenshoop

E I N E F R AU A M B AU H AU S

Zurzeit wird im Auftrag von ZDF und ARTE eine ­sechsteilige T V-Serie gedreht, in deren Mittelpunkt die junge Bauhaus-Studentin Dörte Helm – gespielt von Anna Maria Mühe – steht. „Eine Frau am Bauhaus“ wird voraussichtlich im Herbst 2019 ausgestrahlt werden. Schon im Frühjahr 2019 kann man Julia Riedler als ­Dörte Helm in einem Spielfilm über das Bauhaus sehen. Das T V-Drama „Bauhaus“ ­(Arbeitstitel) wird im ­R ahmen eines Themenabends im ­Ersten zu sehen sein. w w w . z e ro o n e . d e w w w . m d r. d e

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Ahrenshooper Sommerhauses, wo die Freundin Line Ristow lebt. Neben ­einem großen Glasfenster entwirft Dörte Helm das Mobiliar ganz im Geiste des Bauhauses. Eine weitere ­baugebundene Aufgabe ergibt sich 1927, als Walter Butzek – 1929 der Architekt der „Bunten Stube“ in Ahrenshoop – sie zur farblichen Innengestaltung des Warnemünder Kurhauses heranzieht. In Rostock ist Dörte Helm schon 192 4 Mitglied der „Vereinigung Rostocker Künstler“ und, wohl wegen ihrer ­M itwirkung an der Bauhaus-Schau von 1923, in die Ausstellungsleitung berufen worden. In dieser Zeit entstehen leuchtende Pastelle mit Landschaften und surrealen Szenen in einer manchmal dramatisch aufgewühlten Stimmungslage. Trotz – oder gerade wegen – ihres avantgardistischen Hintergrundes gelingt es ihr nicht, als Künstlerin wirtschaftlich unabhängig zu existieren. Der erstarkende Nationalsozialismus erhöht den Druck auf das, was zu sein und zu leisten sie als junge Frau anvisiert hatte. Kaum anders ist zu erklären, dass die freie bildkünst­lerische Arbeit Dörte Helm-Heises nach ihrer Heirat und bereits fast zehn Jahre vor ihrem Tod nahezu vollständig ­v ersiegt. Sie sucht sich fortan weniger verfängliche Betätigungs­felder. Im Dezember 1931 wird am Rostocker Stadttheater ihr Märchenspiel „König Drosselbart“ auf­geführt. Die Bühnenbilder dazu sind von ihr. Sie erdenkt Kostüme für die Puppenspielertruppe ihres Mannes und schreibt ein selbst illust riertes K inderbuch mit den


10. November 2018 bis 10. Februar 2019

Paul Citroen Der Mensch vor der Kunst

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ICH UND MEIN SELFIE Künstlerselbstporträts von Liebermann bis Immendorff

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KUNSTMUSEUM MORITZBURG

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KULTUR STIFTUNG SACHSENANHALT

HALLE | SAALE

KLIMT 14. Okt 2018

Mit Unterstützung von

Partner

Bild: Gustav Klimt: Eugenia Primavesi (Ausschnitt), 1913/1914, Öl auf Leinwand, 140 × 85 cm, Japan, Toyota Municipal Museum of Art, Foto: ©2017, Photo by Austrian Archives/Scala Florence

06. Jan 2019


„Europäische Vereinigung der Kunst“

Wien und die Moderne Wien stand in diesem Jahr bislang ganz im Zeichen der ­Moderne, was vor allem an der Koinzidenz vierer markanter Todestage lag, die sich 2018 zum hundertsten Mal jährten: Egon Schiele, Koloman Moser, Otto Wagner und Gustav Klimt. Gerade bei den viel beworbenen Retrospektiven für die beiden Letztgenannten bot sich aber auch der inhaltliche ­Brückenschlag zum Bauhaus an. Bei Otto Wagner, der Ende des 19. Jahrhunderts als Stadtbaurat die Umgestaltung Wiens im Zeichen des Funk­ tionalismus vorantrieb, liegt es auf der Hand, ihn als einen direkten Vordenker der internationalen Standardisierung und des Neuen Bauens zu verstehen. Zahlreiche Wagner-Schüler wie Josef-Maria Olbrich und Josef Hoffmann haben den G ­ edanken der Einheit von Architektur und Kunst nach Deutschland vermittelt. Hoffmann war 1907 auch Mit­begründer des Deutschen Werkbundes, zu dessen Mitgliedern früh Walter Gropius oder Bruno Taut gehörten und der späterhin seinerseits von Personal und Ideen des ­Bauhauses maßgeblich geprägt wurde. In seiner großen Ausstellung über Gustav Klimt und seine Zeitgenossen im Unteren Belvedere wiederum rekon­ struierte Kurator Alexander Klee im Frühjahr dieses Jahres,

wie sich die vom Zerfall bedrohte moderne Avantgarde in Wien nach dem Ende der Donaumonarchie und dem Tode Klimts in inter­n ationalen Netzwerken reorganisierte. Die Weimarer Bauhaus-Gründung und das zweite Aufleben einer europäischen Moderne wäre demnach auch Ergebnis des ­g roßen Aderlasses an ehemals avantgardistischen Pionieren der W ­ iener Szene nach 1918. Nicht von ungefähr jedenfalls versammelte das Bauhaus auch immer wieder Künstler, ­Gestalter und Architekten aus den ehemaligen Nationalitäten der ­D onaumonarchie. Vor allem deren ganz praktische ­Formen der Kunsterziehung, die weniger abstrakt, als an den Fragen des Kunsthandwerks ausgerichtet waren, haben das Bauhaus geprägt. Ausgerechnet in Brüssel, wo die Aus­ stellung seit d ­ em Herbst zu sehen ist, thematisiert man diese inter­nationalisierte Form der Kunsterziehung euphemistisch auch als „ersten europäischen Kunststil“ und damit als ­Vorwegnahme der Europäischen Vereinigung mit den Mitteln der Kunst. www. wiener moder ne 2018 . info


83 linke Seite: Otto Wagner Pavillon, Karlsplatz, 1040 Wien, w w w.wienmuseum.at, © WienTourismus / Christian Stemper

STADTBAHN - PAVILLONS AM K ARLSPL ATZ

Der Bau der Stadtbahn war das größte Infrastrukturprojekt in Wien um 1900. Otto Wagner wurde mit der Gestaltung des neuen Massenverkehrsmittels betraut, das bis heute das Stadtbild prägt. Wagner ent warf sowohl die großen Bauteile wie Brücken, Tunnelportale und Stationsgebäude als auch die Ausstattungsdetails (Geländer, Leuchten, Aufschriften, Fahrkartenund Gepäckschalter, Bodenbeläge etc.).

Die beiden Jugendstil- Pavillons am Karlsplatz entstanden 1898

als S ­ tationsgebäude der Stadtbahn. Einen davon nutzt das Wien Museum für eine Otto -Wagner- Dokumentation (geöffnet April bis Anfang November). Der z weite Pavillon (in der Nähe des Musikvereins) ist in den Betrieb eines Cafés integriert.

Das Erstaunlichste an der Retrospektive zu Egon Schieles 100. Todestag war zunächst die Welle eines neuen eu­ ropäischen P uritanismus, als sich eine internationale Werbekampagne der Stadt Wien auf Großplakaten unter ­a nderem eines Aktes von Schiele bediente, der dann nach dem Einschreiten von „Ethikkommissionen“ in London und Hamburg von einer Werbebanderole bemäntelt ­w erden musste, weil die darauf zu sehenden entblößten Geschlechtsteile verstörend auf K inder und religiöse ­M enschen wirken könnten. Die Schiele-Retrospektive im Wiener Museum des Privatsammlers Leopold, die auf einen

Egon Schiele, „Die Umarmung“, 1917 © Belvedere, Wien

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EGON SCHIEL E I M M USEU M L EOPOL D U N D I N D E R O R A N G E R I E D E S U N T E R E N B E LV E D E R E

großen Sammlungs­bestand des Hauses zurückgreifen konnte und just im September noch einmal bis zum März 2019 verlängert wurde, glänzt dann mit zahlreichen Schiele-Bildern, die seit Jahrzehnten als Motive für Werbung, Postkarten, Buchcover und Bettwäsche in Umlauf sind – etwa das ­berühmte „Selbst­bildnis mit Lampionfrüchten“ von 1912 oder nicht weniger berühmte „Sitzende Männerakt“ von 1910. ­Natürlich sind auch die einschlägig bekannten Darstellungen von mehr oder weniger entblößten Mädchen und Jungen oder lesbischen Paaren zu sehen, an deren einst „unerhörte“ Provokation man sich nun offenkundig etwas überraschend wieder erinnert hat. Die Schau mit der sehenswerten Schiele-Sammlung in der Orangerie des Unteren Belvedere hingegen, die seit Mitte Oktober zu sehen ist, hat bislang kein vergleichbares Aufsehen erregt – vielleicht weil das Jubiläumsjahr sich bereits dem Ende neigt; vielleicht aber auch, weil in einer distinguiert-­ altehrwürdigen Institution wie der Staatsgalerie im Unteren Belvedere alles ein wenig mehr wie „Geschichte“ wirkt.


84 C L AU D E M O N E T I N D E R A L B E R T I N A

Selten sind Monet-Ausstellungen in den letzten Jahrzehnten von neuen kunsthistorischen Erkenntnissen oder kritischen Revisionen veranlasst worden, eher schon aufgrund touris­ tischer und betriebswirtschaftlicher Erwägungen. Mehr als 20 Jahre, so heißt es, sei keine große Monet-Schau mehr in Wien zu sehen gewesen. Die letzte, 1996 im Unteren Belvedere, produzierte hunderte Meter lange Menschenschlangen vor dem Einlass. Da lässt sich eine gewisse Erlöserwartung auch für 2018 ausrechnen: 450.000 Besucher werden der A ­ lbertina bis zum 6. Januar, an dem die Ausstellung endet, prognostiziert. Dass Monets Farbenkonzept bislang kaum erforscht sei, wie das Museum vermeldet, kann man angesichts solcher Zahlen getrost als Vorwand verstehen. Bei täglichen Akkumulat ionen von 5 .000 Besuchern in den Sälen und angehängtem Instagram-Wettbewerb für die schönsten ­S elfies vor Lieblings-Monets beantworten sich Fragen nach Farbkonzepten von selbst: Sie werden geliked – oder nicht. 100 Malereien von Monet von über 40 Leihgebern weltweit erlauben jedoch durchaus einen umfassenden Überblick über die Werkentwicklung, gerade in jener realistischen Phase vor 1871, die das Publikum allgemein weniger inte­ ressiert. Hier sind Licht und Farben noch Gegenständen und Figuren klar zugeordnet, Monets Entwicklung aber, wie sie zwischen Bildern wie „Am Strand von Trouville“ von 1870 und dem „Boulevard des Capucines“ von 1873 aus dem ­Moskauer Puschkin-Museum stattgefunden hat, lassen den Impressionismus als Frucht der Realismusdebatten in Frankreich seit den 1850er-Jahren gut erkennbar werden. Im „Boulevard“-Gemälde erscheint das Licht nicht mehr als

Ref lexion der einfallenden Sonne auf den Fassaden und ­Bäumen, sondern als eine in ihnen gebundene Substanz, die gleichsam durch das Auge des Betrachters aktiviert wird. ­Monets Haltung gegenüber dem Erbe des Realismus bekundet damit eine Reduktion auf formale Fragen, die man später mitunter verächtlich als L‘art pour l‘art bezeichnete. Denn in seinen auf autonome Lichtmomente konzentrierten Male­ reien löst sich der Monet’sche Realismus schließlich von seinen irdischen, sozialen Implikationen nahezu völlig ab. Diese Lehrmeinung vertritt ebenso die Ausstellung in der ­A lbertina, auch hinsichtlich Monets Spätwerk, indem sie es als Wegbereiter des abstrakten Expressionismus bezeichnet. Dessen Hauptvertreter Jackson Pollock aber traf wie kaum ­einen anderen Künstler der sogenannten Westkunst nach dem Zweiten Weltkrieg das Verdikt, dem hegemonialen ­A nspruch der Vereinigten Staaten im Kalten Krieg ein ästhetisches, vom Politischen und Historischen abgelöstes Label geliefert zu haben. Die Illusion des zeitlosen, von gesellschaftlichen ­U mständen unberührten Naturlichtidylls scheint vielen ­B esuchern in der Albertina auch der Hauptanziehungspunkt zu sein. Vielleicht wäre es daher ein lohnenderes Forschungsprojekt gewesen, jene vermeintlich revolutionäre Trennung von Gegenstand und Farbe, wie man sie Monet gern zuschreibt, als einen Akt der Geschichtsbefreiung zu erörtern, der als künstlerischer Topos weit in die Renaissance zurückreicht und daher auch zu Monets Zeit mehr Konvention denn Revolution war.

Claude Monet, „Der Boulevard des Capucines“, 1873, Öl auf Leinwand, Staatliches Museum für bildende Künste A. S. Puschkin, Moskau, © Photo Scala, Florence 2017


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Pieter Bruegel d.Ä. (um 1525/30 –1569), „Turmbau zu Babel“, Kunsthistorisches Museum Wien, Gemäldegalerie, © KHM - Museumsverband

P I E T E R B R U E G E L D E R Ä LT E R E

Unangefochtener Höhepunkt des zweiten Ausstellungs­ halbjahres in Wien ist nicht die Moderne, sondern die Bruegel-Schau zu dessen 450. Todestag. Vom Kunsthisto­ rischen Museum vorab als Once-in-a-Lifetime-Show beworben, bietet sie in der Tat erstaunliche 30 von 40 derzeit noch bekannten Gemälden des Künstlers auf und damit drei Viertel des ihm zugeschriebenen Werkes – begünstigt durch zahlreiche Leihgaben aus Europa und den USA, begünstigt aber auch durch den famosen Eigenbestand des KHM von allein zwölf Gemälden. Erstmals sind vier der ursprünglich sechs Teile von Bruegels Jahreszeiten-Zyklus vereint (ein Bild ist verschollen, ein anderes konnte nicht aus New York geliehen werden). Erstmals seit den Zeiten des Habsburger Kaisers Rudolf II. vor 350 Jahren werden der „Kleine“ und der „Große Turmbau zu Babel“ wieder gemeinsam in einem Raum präsentiert. Die Chronologie in der Ausstellung folgt Bruegels Entwicklung vom erfolgreichen Miniaturisten zum ver­ mutlich wichtigsten Landschaftsmaler seiner Zeit, der das Schauspiel der in seinen „Wimmelbildern“ aufgebotenen Menschenmengen erkennbar als Teil der Naturkräfte in seine großen Landschaftskompositionen integrierte. Wirkt dabei gerade in den burlesken Szenen aus Bruegels Frühzeit noch das Vorbild Hieronymus Bosch nach, entwickeln seine bühnenhaften Landschaften einen ganz eigenen Sog, den man heute noch empfindet. Als anlässlich eines Forschungsprojekts der Getty Foundation an den zwölf Bruegel-Originalen im Besitz des KHM Oberflächenstudien mit verschiedenen Kameras vorgenommen wurden, fertigte man von den

Bildern zugleich hoch auflösende digitale Aufnahmen, die über Bildschirme nun bislang ungeahnte Detailstudien ­ermöglichen. Bei aller Skepsis gegenüber technischen Ergänzungen in historischen Malereiausstellungen ergeben sich hier völlig neue Eindrücke von Bruegels Bilderwelt, durch die man nicht nur die Exaktheit seiner Bildinszenierungen bis hin zur ­Mimik und Gestik der Figuren auf engstem Raum erkunden kann, sondern auch Bruegels Fähigkeit, mit geradezu ex­pressiven Pinselstrichen Landschaften aus Farben entstehen zu lassen. Was bislang nur wenigen Forschern gestattet war, die den Bildern zentimenternah kommen durften, kann jetzt ­jeder sehen. Der weltweit größte Bestand an Bruegel-Gemälden an einem Ort (hinzu kommen auch noch sechs Zeichnungen in der Albertina) basiert auf einem bemerkenswerten politischen Paradox des 16. Jahrhunderts: Denn Bruegel stand, wie Hieronymus Bosch, mutmaßlich der Reformation und dem Humanismus des Erasmus nahe, während das katholische Machtgefüge der Habsburger nach dem Konzil von Trient die Gegenreformation stützte. Allerdings war bereits der Vater Rudolfs II., Maximilian II., in konfessionellen Fragen tolerant gewesen (und hatte unter anderem auch Aufträge an Albrecht Dürer vergeben). Rudolf verstand sich wie sein Vater als Förderer der Künste und hegte offenbar keine konfessionellen Vorbehalte gegen das schon zu Lebzeiten erfolgreiche Werk des Brüsseler Malers, das er mit etlichen Ankäufen förderte. CARSTEN PROBST

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I M K U NST HISTOR ISCHE N M USEU M


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Expressionist mit barockem Pinselschwung

Oskar Kokoschka im Kunsthaus Zürich Da s Kunsthau s Zür ich feier t Oskar Kokoschka i n e i n e r ü p p i g e n R e t ro s p e k t i v e . E i n H ö h e p u n k t d e r S c h a u i s t d a s Tr i p t y c h o n „­ P ro m e t h e u s“ , d a s n o c h n i e i n d e r S c h w e i z p rä s e n t i e r t w u rd e .

Oskar Kokoschka, „Selbstbildnis mit gekreuzten Armen“, 1923, Öl auf Leinwand, 110 x 70 cm, Kunstsammlungen Chemnitz, Leihgabe, Foto: © Kunstsammlungen Chemnitz / PUNCTUM / Bertram Kober © Fondation Oskar Kokoschka / 2018 ProLitteris, Zürich

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Lange war sein Werk nicht mehr in der Schweiz zu sehen. 1986 zeigte das Kunsthaus Zürich eine Ausstellung zum 100. Geburtstag Oskar Kokoschkas. Nun, gut 30 Jahre später, richtet man dem wegweisenden Expressionisten und Weltbürger hier erneut eine großzügige Retrospektive ein. Neben ­b ekannten und weniger bekannten Gemälden und Zeichnungen sind auch die beiden großen Triptychen ­„ Prometheus“ (1950) und „Die Thermopylen“ (195 4) zu ­s ehen, die bisher erst ein einziges Mal gemeinsam gezeigt wurden – 1962 in der Tate in London. Oskar Kokoschka ist einer der großen expressiven Maler des 20. Jahrhunderts. An seinem Werk lässt sich nicht nur das bewegte Leben eines Künstlers nachvollziehen, es lassen sich daran auch wesentliche Stationen der europäischen Zeitund Kunstgeschichte ablesen. Die Ausstellung im Kunsthaus Zürich nimmt diesen narrativen Faden im Œuvre Kokoschkas auf und führt in sieben bis acht Kapiteln chronologisch gereiht durch Leben wie Wirken des Künstlers und die Wechselfälle seiner Zeit. Kuratorin Cathérine Hug möchte so vor allem „die gesamte Bandbreite des Werkes veranschaulichen“.


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Oskar Kokoschka, „Die Prometheus Saga (Hades und Persephone, Apokalypse, Prometheus)“, 1950, Öl und Mischtechnik auf Leinwand, Hades und Persephone: 239 x 234 cm / Apokalypse: 239 x 349 cm / Prometheus: 239 x 234 cm, The Samuel Courtauld Trust, The Courtauld Galler y, London © Fondation Oskar Kokoschka / 2018 ProLitteris, Zürich

Z E I C H N U N G E N W I E B I L D TAG E B Ü C H E R

Die Schau beginnt mit den Lehrjahren an der Kunstgewerbeschule Wien und der Zeit in Berlin ab 1910. Sie beleuchtet die emotional wilden, künstlerisch fruchtbaren Jahre mit Alma Mahler und die Zeit seiner Professur in Dresden, in der Bilder entstanden, die heute zu den Publikumslieblingen gehören. Kokoschkas Reisen sind ebenso Thema wie die nationalsozialistische Brandmarkung seines Werkes als „entartete Kunst“, seine Jahre im Exil und das Spätwerk. Rund 100 Gemälde versammelt die Ausstellung und mindestens ebenso viele Arbeiten auf Papier: Zeichnungen, Fotografien, Briefe. Cathérine Hug ist es ein Anliegen zu zeigen, dass es sich bei den Zeichnungen nicht bloß um Skizzen, Vorarbeiten handelt: „Das zeichnerische Werk kann als autonom betrachtet werden – wie Bildtagebücher.“


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Zu den Höhepunkten der Ausstellung zählen zweifellos die beiden Triptychen „Prometheus“ und „Die Thermopylen“, die erstmals außerhalb Englands gemeinsam zu sehen sind. Das insgesamt über acht Meter breite Werk „Prometheus“, das in seiner lichten Farbigkeit und Figurenfülle geradezu barock wirkt, entstand 1950 im Auftrag des Grafen Antoine Seilern für dessen Privathaus in London. Es befindet sich heute ebenda im Courtauld Institute of Art. Das vier Jahre später entstandene Werk „Die Thermopylen“ hängt im Philosophenturm der Universität Hamburg. Beide monumentalen Tableaus zeugen vom Interesse des reifen Malers Kokoschka an der Kultur der Antike. Zugleich sind sie als unmissverständliche Statements für die gegenständliche Malerei lesbar. Eine Haltung, die Kokoschka in den Nachkriegsjahren, die nur mehr die Abstraktion als modern und zeitgemäß gelten lassen wollten, als Antimodernen erscheinen ließen. Die Beweggründe Kokoschkas, an der Figuration festzuhalten, waren jedoch durchaus progressiv: Er kämpfte für eine Kunst, die sich allen Menschen mitteilen kann, für einen demokratischen Zugang zu Bildung und für eine offene Gesellschaft. ALICE HENKES

1 4 . Dezember 2018 bis 10. März 2019 Oskar Kokoschka Kunsthaus Zür ich www. k unsthaus. ch

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„Kulturelle Höhepunkte aus wirklich allen Epochen“

Schatzkammer Baden-Württemberg F ü r K u l t u r r e i s e n d e u n d N a t u r g e n i e ß e r b i e t e t ­B a d e n - ­W ü r t t e m b e r g e i n e V i e l z a h l a n G e h e i m t i p p s . A n d r e a s B ra u n , G e s c h ä f t s f ü h r e r To u r i s m u s M a r k e t i n g G m b H B a d e n - W ü r t t e m b e r g , s t e l l t s i e v o r. Das Inter view f ür A RT M A PP f ühr te Alice Henkes.

A R T M A P P   W I N T E R 2 018/19 — A P P E T I Z E R S P E C I A L

ARTMAPP: Herr Braun, was empfehlen Sie kulturell interessierten Besucherinnen und Besuchern, die Baden-Württemberg noch nicht kennen? Andreas Braun: Bei uns können Sie kulturelle Höhepunkte aus wirklich allen Epochen der Menschheitsgeschichte entdecken. Das fängt bei den ältesten Skulpturen der Welt an, jenen 40.000 Jahre alten Eiszeit-Figuren von der Schwäbischen Alb, die inzwischen zum UNESCO-Welterbe zählen. Und spannt dann einen weiten Bogen über die vielen Burgen, Schlösser und Klöster bis zu zeitgenössischen Opern- oder Ballettinszenierungen. Kultur in allen Facetten gibt es übrigens überall im Land, in den Städten genauso wie in den ländlichen Regionen. In Oberschwaben oder im Schwarzwald ebenso wie in der Landeshauptstadt Stuttgart. Andreas Braun, Foto: © TMBW, Kreymborg


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linke Seite: Blick auf Konstanz am Bodensee, rechts: Heidelberg, Blick über den Neckar auf die Alte Brücke und das Schloss, Fotos: Achim Mende © TMBW

ARTMAPP: Ist Baden-Württemberg nicht auch für seine exzellenten Weine bekannt? Andreas Braun: Aber ganz sicher! Mit den Anbaugebieten ­Baden und Württemberg liegen zwei der größten und inte­ ressantesten Weinbauregionen in Deutschlands Süden. Die Qualität der Weine ist hervorragend und vielfach ausge­ zeichnet. Liebhaber von Kultur und Design können bei einer Weinreise übrigens auch Baukunst in den Reben entdecken. Viele Weingüter arbeiten inzwischen mit namhaften Architekten zusammen, die aufregende Bauwerke aus Stahl, Glas und Beton im Weinberg errichten. Mit der umgebenden Natur bildet das einen wunderbaren Kontrast.

ARTMAPP: Im Zusammenhang mit Baden-Württemberg fallen immer wieder die kulturelle Vielfalt und die Gegensätze von Tradition und Moderne auf. Andreas Braun: Unsere kulturelle Vielfalt hängt eng mit der Geschichte des Landes zusammen. Ursprünglich gab es hier viele Hundert kleine Fürstentümer und Territorien. Dieser bunte Flickenteppich zeigt sich bis heute in der Vielfalt ­k ultureller oder auch kulinarischer Traditionen und Besonderheiten, die liebevoll gepflegt werden. Gleichwohl sind die Menschen in Baden-Württemberg bekannt für ihren Tüft­ lergeist und ihre Innovationsfreude. Das hat nicht nur Erfindungen wie das Fahrrad oder das Automobil hervor­ gebracht, sondern gilt auch für die Kultur. Denken Sie etwa an die vielen Bauhaus-Künstler, an die wir 2019 zum 100. Geburtstag der Kunstschule erinnern. ARTMAPP: Was verbindet Baden-Württemberg mit dem Bauhaus im Jahr 2019? Andreas Braun: Auch wenn das Bauhaus in Weimar gegründet wurde: Viele der Bauhaus-Künstler lebten und wirkten in Baden-Württemberg. Ihre Spuren lassen sich bis heute im Land finden. Etwa in der berühmten Stuttgarter Weißen­ hofsiedlung von 1927. Oder in der bisher noch nicht ganz so bekannten Siedlung Dammerstock in Karlsruhe, die der ­Bauhaus-Gründer Walter Gropius plante. Nach dem Krieg lebten die Ideen des Bauhauses übrigens in der Ulmer Hochschule für Gestaltung weiter. Künstler wie Max Bill prägten von dort aus Design und Gestaltung der jungen Bundesrepublik. Noch heute kann man dort die Design-Klassiker dieser Zeit in einem Museum entdecken. ARTMAPP: Lieber Herr Braun – vielen Dank für das Gespräch!

Hochschule für Gestaltung Ulm (HfG), Foto: Gregor Lengler, © TMBW

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Between Art & Fashion


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„ Ich baue meine Bilder von den Kleidungsst ücken au sgehend, w e r s i e t rä g t , i n t e r e s s i e r t m i c h n i c h t . A u s d i e s e m G r u n d f o t o g ra f i e r e i c h d i e M o d e l s o f t v o n h i n t e n o d e r z e i g e n u r Te i l e i h r e s G e s i c h t s .“

So beschrieb der junge US-amerikanische Künstler Erik ­ adigan Heck einmal seine Arbeitsweise. Gerade war sein M Werk in der Zürcher Christophe Guye Galerie zu sehen. In der Helmut Newton Stiftung im Museum für Fotografie in Berlin kann man derzeit ganz andere Bilder bewundern, nämlich jene der Französin Sarah Moon. Beide Positionen – so ­un­terschiedlich sie sind – erweiterten die Grenzen der Modefotografie. Für ARTMAPP ein schöner Anlass, mit ­Matthias Harder von der Newton Foundation und Galerist Christophe Guye über Kunst, Fotografie, Mode und einiges mehr zu sprechen. Die Interviews mit Christophe Guye und Matthias Harder führte Marc Peschke.

linke Seite: Erik Madigan Heck (*1983, USA), „Muse“, 2014, C- Print, 101,6 x 76,2 cm, Auflage 9, plus 2 AP, Courtesy: Christophe Guye Galerie

Interview mit Christophe Guye in seiner Galerie in Zürich

Christophe Guye: Fotografie ist Kunst, wenn sie von bildenden Künstlern geschaffen wird und kunsthistorisch relevant ist. Ich bin ein entschiedener Gegner von Bezeichnungen wie „Fotokunst“ oder „Kunstfotograf “. Ich halte mich an das Zitat von Peter Henry Emerson aus „Hints on Art“ aus dem Jahr 1889: „Nennen Sie sich nicht ‚Kunstfotograf ‘ und bringen ­d amit ‚Kunstmaler‘ und ‚Kunstbildhauer‘ zum Lachen; ­nennen Sie sich Fotograf und warten Sie ab, bis Künstler Sie Bruder nennen.“ ARTMAPP: Soeben ist Ihre Ausstellung „Old ­F uture“ des 1983 geborenen US-Amerikaners Erik Madigan Heck zu Ende gegangen. Wie war die Resonanz? CG: Die Resonanz war überwältigend! Wir hatten nicht nur ein enormes Besucheraufkommen und überdurchschnittlich viel Presse, sondern auch viele große Ankäufe, unter anderem von mehreren wichtigen Sammlungen.

ARTMAPP: Was macht den inzwischen inter­ national bekannten Künstler für Sie unver­ wechselbar und originell? CG: Es ist einerseits das Spannungsfeld zwischen Malerei und Fotografie sowie anderseits zwischen Modefotografie und bildender Kunst. Des Weiteren der klare und unverwechselbare Umgang mit Farben und Formen – minimal und pur. Zudem liegt sein Fokus auf der optimalen Darstellung des Kleidungsstücks und dem optimalen Zusammenspiel der Formen und Farben des Stoffes mit dem von ihm geschaffenen Bild und nicht auf der Inszenierung des Fotomodels. ARTMAPP: Ins Auge fallen die leuchtenden ­Farben, die Rot- und Blautöne – und die vielen, vielen ­Blumen. Inspiriert scheint Heck vor allem durch Malerei? CG: Das ist ebenfalls richtig. Erik Madigan Heck ist ein ausgebildeter Maler und entdeckte erst später die Fotografie. Seine Inspiration findet er nicht in der Fotografie, sondern in der Malerei, bei Malern wie Édouard Vuillard, Edgar Degas, Peter Doig, Marlene Dumas oder Gerhard Richter.

A R T M A P P   W I N T E R 2 018/19 — K U N S T & M O D E

ARTMAPP: Christophe Guye, in Ihrer Galerie in Zürich darf man „das Medium der Fotografie ­innerhalb des erweiterten Kontexts zeitgenös­ sischer Kunst“ betrachten. In welchem Moment wird Fotografie zur Kunst?


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ARTMAPP: Die digitale Postproduktion ist ein wichtiger Teil des Arbeitsprozesses von Heck, der selbst sagt: „Meine Fotografien sind in einem ersten Schritt wie Leinwände, auf die ich am Computer bis zu 100 Farbschichten auftrage.“ Kann man hier eigentlich noch von „Fotokunst“ sprechen? Oder ist das, was Heck schafft, eher „digitale Malerei“? CG: Der Ausgangspunkt seiner Arbeiten ist nach wie vor stets eine Fotografie. Obwohl noch sehr viele Fotografen in Dunkelkammern und Laboren arbeiten, gibt es gleichzeitig einen Trend hin zum Schaffen von Bildern oder dem sogenannten „Imagemaking“, bei dem verschiedene Ausgangsmaterialien und unterschiedliche – analoge wie auch digitale – Technologien angewendet werden. Ein Prozess, in dem die Grenzen der Fotografie auf spannende Art und Weise ausgelotet werden.

ARTMAPP: Der Einfluss der Ästhetik japanischer Kunst auf das Werk Hecks ist nicht zu unterschätzen – interessanterweise zeigen Sie in Ihrer Galerie auch immer wieder japanische Fotokunst … CG: Japanische und zum Teil auch koreanische Fotografie ­ ermag es, mit ihrer kontemplativ geprägten Bildsprache v ­i mmer wieder auch durch westliche Ästhetik geschulte ­Augen in i­ hren Bann zu schlagen. Eine einzigartige Ästhetik paart sich mit einer subtilen Sicht auf den spirituellen Reichtum dieser Länder und macht ihre Fotografie zu einem einmaligen Erlebnis. ARTMAPP: „Ich wollte schon immer Kunst ­machen, die vor allem schön ist; Werke, die beim Anschauen eine emotionale Reaktion auslösen. Doch Schönheit ist heute ein fast verpönter Begriff, vor allem im Kunstbereich“, so sagt der Künstler. Ist Schönheit heute tatsächlich verpönt? CG: Über Schönheit in der Kunst wird schon seit über 200 Jahren philosophiert. Zu oft und zu Unrecht wird jedoch Schönheit zur Dekoration oder zum Unkünstlerischen ­v erdammt, viele große Künstler der Vergangenheit und ­G egenwart beweisen das Gegenteil. Ich bin wie Erik davon überzeug t , dass keine Gesellscha f t ohne Schönheit funktioniert. ARTMAPP: Auf diesen Seiten zeigen wir auch das Werk von Sarah Moon. Wie finden Sie ihre Arbeiten? CG: Ich bin ein großer Bewunderer von Sarah Moons Arbeiten und hatte im Jahr 2009 eine Einzelausstellung für sie in Zürich organisiert.

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Erik Madigan Heck (*1983, USA), „Dries Van Noten“, 2013, Dye Transfer Print, 116,8 x 177,8 cm, Courtesy: Christophe Guye Galerie

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Ausstellungsansicht Sarah Moon in der Ausstellung „Bet ween Art & Fashion. Photographs from the Collection of Carla Sozzani“, Foto: Gerhard Kassner

Interview mit Matthias Harder, Helmut Newton Foundation, Berlin ARTMAPP: Matthias Harder, in der Helmut ­Newton Foundation in Berlin ist derzeit die Ausstellung „Between Art & Fashion. Photographs from the Collection of Carla Sozzani“ zu sehen. Carla ­Sozzani, einst Chefredakteurin der italienischen „Elle“ und „Vogue“, war auch Galeristin und hat über viele Jahre selbst Fotografie gesammelt. Was zeichnet Sozzani als Sammlerin aus?

Matthias Harder: Bei Carla Sozzani fällt am Ende alles wieder in eins: die Arbeit als langjährige Moderedakteurin und redaktionelle Brückenbauerin, als neugierige und ein­ f lussreiche Galeristin sowie persönliche Vorlieben als Fan nahezu aller künstlerischen Medien. Ihre Fotosammlung entstand aus all diesen Beschäftigungsfeldern und Passionen. Seit den 1990er-Jahren kaufte sie die unterschiedlichsten Fotografien verschiedener Genres, vorwiegend in SchwarzWeiß. Andere wurden ihr geschenkt, so auch von Helmut Newton. Er hat ja insgesamt viermal in ihrer Mailänder Galerie ausgestellt – und wird nun posthum in der allerneuesten


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Matthias Harder mit Sarah Moon (z wischen Carla Sozzani und Paolo Roversi) bei der Eröffnungsrede zu der Ausstellung „Bet ween Art & Fashion. Photographs from the Collection of Carla Sozzani“,

Filiale von „Corso Como“ mit angeschlossener Galleria Carla Sozzani in New York mit den 45-teiligen „Private Property Suites“ präsentiert. Sozzanis Sammlung – respektive ihr ­momentaner Zwischenzustand – ist eine völlig subjektive und unsystematische, aber gleichwohl augenöffnende ­Zusammenstellung. Wir sind glücklich, dass wir einen Ausschnitt daraus erstmals in Berlin zeigen können. Denn es gibt international nur sehr wenige Privatsammlungen zur Modefotografie – und darüber hinaus – von einer solchen formalen und inhaltlichen Qualität.

ARTMAPP: Sozzani interessierte sich besonders für die Schnittstellen von Kunst, Design und Mode, wie Ihre Ausstellung in der Helmut Newton ­Foundation zeigt. Unter anderem präsentierte sie in ihrer Mailänder Galerie neben Helmut Newton, Annie Leibovitz, Paolo Roversi, David Bailey, Hiro oder David LaChapelle auch Sarah Moon, der Sie in Berlin nun viel Ausstellungsfläche einräumen. Was fasziniert Sie an der Fotografie Moons? MH: Sarah Moon lässt uns träumen. Sie zeigt die Mode von Yamamoto, Alaïa und anderen, wie wir nun endlich auch in der Helmut Newton Foundation sehen können, unscharf und marginalisiert – ja, geradezu atmosphärisch hingehaucht. Dieser Ansatz ist in der zeitgenössischen Fotografie selten.

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Foto: Ida Marie Tangeraas


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Sarah Moon, „Avril pour Alaïa“, 2006 © Sarah Moon

Sarah Moon fotografierte Avril Bénard seit ihrer Kindheit immer wieder – oft in Doppelbelichtung.


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MH: In der aktuellen Sammlungspräsentation von Carla ­S ozzani ist es möglich, so kann man sagen, eines dieser ­Vorbilder studieren, und zwar Lillian Bassmann, von der ich für unsere Ausstellung gleich sechs großformatige Abzüge aus­g ewählt habe. Manche Künstler oder Fotografen sind nur durch ein Bild repräsentiert, doch manchmal – wie hier – auch durch mehrere Werke, um unterschiedliche, innovative ­A spekte herauszustellen: Bassmann hat bereits in den 1940er-Jahren, also vor Newton, in drei Bereichen gearbeitet: Mode, Porträt und Akt . Diese Bilder wurden vorzugsweise in „Harper’s ­Bazaar“ publiziert. Durch besagte sechs Schwarz-Weiß-Fotografien präsentiere ich insofern eine ­Vorläuferin Newtons – und sie hat ebenfalls mit fotogra­ fischen Unschärfen gearbeitet, die uns Jahrzehnte später ähnlich bei Sarah Moon wiederbegegnen. Für mich ist es kein Zufall, dass sich jeweils mehrere Arbeiten Bassmanns und Moons in Carla Sozzanis Sammlung befinden. ARTMAPP: Sarah Moon sprach einmal von der Fotografie als „Seele des Moments, den man gerade eben zu Ende gehen sah“ … MH: Das ist eine schöne Formulierung, die man ihr, wenn man die Fotografin einmal kennengelernt hat, als authen­ tische Äußerung glauben mag. Sie spricht nicht von einem „Moment“, sondern von der „Seele eines Moments“ – und ­diese scheinen wir mit Blick auf ihre Fotografien zu spüren. Natürlich steckt parallel auch ein Verblassen der Schönheit ­darin, gewissermaßen ein Vanitas-Moment.

ARTMAPP: Sind die Arbeiten Sarah Moons in ihrer malerischen Mehrdeutigkeit eigentlich noch der Modefotografie zuzuordnen? MH: Selbstverständlich ist dies Modefotografie! Und ­g leichzeitig „Mood Photography“. Ein Produkt wird innerhalb einer Auftragsarbeit für die Modeklienten oder für das ­Z eitschrifteneditorial so verunklärt, dass visuell nur noch eine Anmutung, eine Stimmung davon, transportiert wird. Gerade eben ist ein neues Übersichtswerk zur Modefotografie erschienen, „Icons of Style“, herausgegeben von Paul ­M artineau vom Fotografie-Department des J. Paul Getty ­Museums in Los Angeles – und ein Modebild Sarah Moons ziert das Cover. Wenn so etwas geschieht, kann man sagen: Sie steht heute geradezu für die Modefotografie – wie Helmut Newton zu seinen Lebzeiten, der in der erwähnten Publika­ tion natürlich ebenfalls nicht fehlt. ARTMAPP: Hat dieses elegante und geheimnis­ volle Werk Sarah Moons heute Nachfolger? Wie sehen Sie etwa die Bilder von Erik Madigan Heck, die wir auf diesen Seiten auch vorstellen? MH: Wenn Künstler und Fotografen erfolgreich sind, gibt es immer Kollegen, die formal folgen, sei es als Plagiatoren oder schlicht inspiriert. Ich persönlich schätze die Fotografien von Donata Wenders, die vergleichbar zeitlos und f lüchtig erscheinen. Sie verwendet unter anderem halbtransparente Stoffe und arrangiert sie beim Porträtieren vor den meist weiblichen Modellen. Donata Wenders fotografiert auch „en plein air“, etwa während es schneit, wodurch sich die Figuren im Bildhintergrund in vage dunkle Schemen aufzulösen scheinen. Vielleicht entspricht diese zurückhaltende, zarte Annäherung eher einem weiblichen Blick auf Mode und ­Menschen. Erik Madigan Heck ist dagegen weniger zeitlos, sondern sehr zeitgenössisch. Er arbeitet zumeist mit teilweise extremen Farbkontrasten und einer geradezu klinischen Schärfe, die Stoffe und Schnitte klar nachzeichnet. Doch ­zugegeben, manche Passagen in einigen seiner Modebilder wirken ebenfalls „wie gemalt“ oder weichgezeichnet – ä­ hnlich wie bei Sarah Moon. Sein noch junges und relativ heterogenes Werk birgt viele interessante Überraschungen; ich werde es weiterhin beobachten.

Bis 18. November 2018 S a ra h M o o n i n d e r A u s s t e l l u n g B e t w e e n A r t & F a s h i o n P h o t o g ra p h s f ro m t h e C o l l e c t i o n o f C a r l a S o z z a n i H e l m u t N e w t o n S t i f t u n g i m M u s e u m f ü r F o t o g ra f i e , B e r l i n w w w . h e l m u t- n e w t o n . d e

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ARTMAPP: Die 1941 geborene Künstlerin gab sich 1970 den Künstlernamen Sarah Moon und begann nach ihrer erfolgreichen Lauf bahn als Model eine zweite Karriere als professionelle Fotografin. Als Autodidaktin entwickelte sie schon bald eine sehr ungewöhnliche, poetische Bildsprache. Wo sehen Sie Vorbilder für dieses Werk?


G al er i e für Kunst & Design

Anhänger mit Tahitiperle von Peter Burger

Im Herzen der Goldstadt Pforzheim, in den Schmuckwelten – Europas größtem Schmuck- und Uhrenhaus – hat sich die Galerie für Kunst & Design etabliert.

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GALERIE für Kunst und Design · SCHMUCKWELTEN Pforzheim Westliche-Karl-Friedrich-Str. 56 · www.galerie-kunst-design.de

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Sie zeigt die Kompetenz der Region im Bereich Unikat- und Designschmuck in ihrer ganzen Bandbreite. Ergänzt wird das Sortiment durch ausgewählte Arbeiten nationaler und internationaler Goldschmiedinnen. Die Formensprache der über 80 Designer ist vielfältig, Ideenreichtum und Handwerkskunst begeistern.

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Erstklassiges Kunsthandwerk, hohe Handwerkskunst und kunstvolles Design zum Anfassen und Mitnehmen. Besuchen Sie unsere einzigartigen Sonderschauen EXEMPLA (Thema 2019 „Textil – Stoff der Zukunft“), TALENTE, MEISTER DER MODERNE und SCHMUCK. Willkommen auf der «Handwerk & Design».

Messegelände München www.ihm-handwerk-design.com


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Eine Reise zu Schmuck und Design 2018

Kunststücke VON CHRIS GERBING

Myster y-Tischuhr „Wächterlöwen“, Nephrit, Email, Gold, Smaragde, Rubine, Zitrin, Diamanten, Perlen, Koralle, Schmuckstein, Platin, Uhr werk Herstellung: European Watch & Clock Co, Ent wurf: Cartier, Ausführung: Maurice Couët, Paris, 1929, Aga- Khan-Sammlung


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Seit Marilyn Monroes hingehauchtem „Diamonds are a girl’s best friends“ gibt es zum Glitzer- und Glamour-Faktor auch das passende Lied. Ob in München bei der Internationalen Handwerkermesse, den Wiener Schmucktagen oder in der Goldstadt Pforzheim – überall glitzert und funkelt es (auch), wobei das Design, die ansprechende Form der Kreationen auch jenseits des Schmuckbereichs eine wichtige Rolle spielt. Dies schlägt zudem den Bogen zur Mode. Begleiten Sie uns entsprechend auf einen kleinen Streifzug quer durch die Republik, nach Basel und Wien!

AU T O R E N S C H M U C K U N D M E H R AU F D E R I H M M Ü N C H E N , B E I D E N W I E N E R S C H M U C K TAG E N U N D I N P F O R Z H E I M –

Schmuck, Mode, Accessoires auf allen Ebenen werden i­ ns­besondere in der „Handwerk & Design“ auf der IHM in München ins rechte Licht gerückt. Auf ihr trifft Handwerk vom Feinsten auf Design der Extraklasse und Gestalter vor Ort weihen in die Geheimnisse ihres Schaffens ein. Besondere Anziehungspunkte sind der Messeauftritt des Bayerischen Kunstgewerbevereins und der Bereich „Frame“, wo inter­ nationale Galerien ihre Kreationen aus Schmuck und Keramik präsentieren. Zudem wartet die «Handwerk & Design» mit Sonderschauen auf, in denen beispielsweise „Talente“ den „Meistern der Moderne“ gegenübergestellt werden. Der ­„Talente“-Preis zeichnet die vielversprechendsten Newcomer aus, mit dem international renommierten Herbert-Hofmann-­ Preis werden dagegen die Meister der Schmuckkunst geehrt, wie beispielsweise Julia Maria Künnap mit der B ­ rosche „Why is it all overgrowing“. Auf der «Handwerk & Design» werden aber nicht nur aktuelle Strömungen und Trends vorgestellt, die Besucher können Ausstellern oft auch über die Schulter schauen, die Entste­hung eines Unikats miterleben und die Werke erwerben. Dazu finden auf der Bühne täglich Modenschauen, Design-Talks und Interviews statt. Wer nicht bis zum Frühjahr warten möchte, um sich mit edlem Geschmeide auszustatten, dem sind Anfang ­November die Wiener Schmucktage zu empfehlen. Während des Festivals steht die Österreichische Hauptstadt für einige Tage ganz unter dem Zeichen des Schönen und Edlen, denn durch die Verteilung auf 35 Orte rund um den Stephansdom wird der Besucher quasi auf Schritt und Tritt mit zeitge­ nössischer Schmuckproduktion konfrontiert. Einzel- und Gruppenausstellungen in Ateliers, Galerien, Geschäften und Museen werden ergänzt durch Workshops, Thementouren und Events. Zeitgenössisches Schmuckdesign, innovativer Autorenschmuck – aber auch damit verbundenes aktuelles Kunstschaffen ermöglichen ein Erlebnis mit allen Sinnen. Den „ Bling-Bling-Faktor“ spricht dagegen das ­P forzheimer Schmuckmuseum an: Dort wird in der Sonderausstellung „Ost trifft West“ die 30 Jahre dauernde Liebesgeschichte von Sadruddin und Catherine Aga Khan ­a nhand von über 100 edlen Schmuck-, Zigaretten- und

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D O R T AU C H M I T „ B L I N G - B L I N G - FA K T O R “


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Oversized Venus Fly Trap, Mode - Designer: Maor Zabar, Israel, Foto: Jood Moskovich, © Spielzeug Welten Museum Basel

Schminket uis sow ie einer Hand voll Uhren nachge­ zeichnet. Aga Khan schenkte seiner Ehefrau zu besonderen Anlässen die Art Déco-Pretiosen großer Pariser Juweliere, die bis heute durch ihre technische und künstlerische Finesse ­begeistern. Ähnlich verhält es sich auch mit der Ausstellungstätigkeit der Galerie für Kunst & Design im Industriehaus Pforzheim: ­Neben der Präsentation von Autorenschmuck, bei dem ganz eigene Themen wie beispielsweise Wellen und Meer oder Spitze in Schmuckkreationen umgesetzt werden, versteht sich die Galerie auch als Ort, an dem die Vielfalt der Region und darüber hinaus gezeigt wird. Wechselnde ­Ausstellungen – aktuell „Flacons für den Duft“ und dann „Meisterstücke“ – zeugen von der Bandbreite der Möglich­ keiten im Schmuckbereich, die übrigens in Workshops auch ausprobiert werden können. .

I T ’ S DE SIGN, S T U PI D! H A L L E 1 4 I N L E I P Z I G , T R AC H T E N I N K R E F E L D U N D H Ü T E I N BA SEL

Design ist eigentlich überall: In Architektur, Stadtplanung und Möblierung, in Mode, Produkt- und Grafikdesign – ­e ntsprechend ist Design auch, wie die amerikanische Kuratorin Hilary Jay unlängst schrieb, „mächtig, kritisch, fundamental und unvermeidbar, denn alles ist designt.“ Dies zeigt die Schau „Neue urbane Produktion“ eindrücklich, die derzeit in Halle 14, dem Kunstzentrum in der ehemaligen Baumwollspinnerei in Leipzig, zu sehen ist. Die Ausstellung fokussiert insbesondere auf die aktuelle Hinwendung gerade junger D ­ esigner zu Kleinstmanufakturen mit hohem ide­ ellem Anspruch: Ressourcenschonung, Umweltschutz,


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A L L E S S E X Y – O D E R WA S ? „ M O D E 6 8 “ I N R AT I N G E N U N D „ FA S T FA S H I O N “ I N KÖ L N

Mit den 68ern rutschte der Rock ein gewaltiges Stück nach oben: Auf Demonstrationen protestierten Frauen für ein „Hoch mit dem Rocksaum“. Die Kleidung war ein Statement, nicht nur der Minirock, sondern auch Parka, Schlaghose und Plateau-Schuh zeugten von einer neuen Lust, die Über­ zeugung, aber auch die Zugehörigkeit – heute würden wir sagen: zur Peer Group – über das Outfit zu demonstrieren. Die ­Beatles, Rolling Stones und Twiggy prägten das Gefühl einer Generation, die sich die sexuelle ebenso wie die politische Freiheit auf die Fahnen geschrieben hatte. Einen größeren Kontrast zur Mode der Kriegsgeneration hätte es wohl kaum geben können. Die Hoffnung vieler Frauen war, dass sich

Ottonie von Roeder & Anastasia Eggers, „Cow&Co“, 2017, Ausstellung „Neue Urbane Produktion“ bis 8. Dezember 2018 in Halle 14, Leipziger Baumwollspinnerei

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Nachhaltigkeit und Wertschätzung sowohl der Arbeit als auch dem Produkt gegenüber finden in dem Ausdruck „Urban Manufacturing“ ihre Entsprechung. Im Rahmen der Schau demonstrieren dies sieben Künstler, die aus der denkmalgeschützten Halle ein temporäres Zentrum für zeitgenössische urbane Produktion machen. Eine „gläserne Manufaktur“ sozusagen, in der der Produktionsprozess an der Schnittstelle zwischen Kunst, experimentellem Design und sozialem ­Engagement angesiedelt ist. „Tracht oder Mode?“ fragt das Textilmuseum Krefeld in der kommenden Ausstellung – ebenfalls ein aktuelles Thema, betrachtet man die Oktoberfestbesucher in Dirndl und Krachlederner. Der Hagener Maler Paul Prött trug rund 600 Kleidungsstücke, Kopf bedeckungen und Trachtenschmuck zusammen, die nun erstmals der Öffentlichkeit präsentiert werden. Etwas enger gefasst ist „Mut zum Hut“, die momentan im Spielzeug Welten Museum in Basel gezeigt wird. Sie blickt in die Tiefen der Geschichte und verdeutlicht, dass der Hut früher Zeichen politischer Gesinnung, familiärer Bindung (Frauen trugen Hauben als Zeichen ihrer Zugehörigkeit zu einem Mann) und Ausweis der Standeszugehörigkeit war.

Hüte dienten sowohl der Entbietung von Grüßen, wie auch dem Schutz vor den Unbilden des Wetters. Mit der neuen Lust auf den Hut blickt das Museum auch in die Gegenwart, denn nicht nur in Ascot, auch in der Pop Kultur ist zwischenzeitlich der Trend zum Hut auszumachen. Stars wie Mick Jagger oder Rihanna sind hier Vorreiter einer Bewegung, die vielleicht bald die Massen erreicht – dann hieße es: Hut tut gut!


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Titelmotiv zur Ausstellung „Tracht oder Mode“, Die europäische Sammlung Paul Prött, Foto: © Deutsches Textilmuseum Krefeld

­d ahinter auch ein neuer Männertyp verbarg. Nachdem sie während der Studentenunruhen diesbezüglich bitter ­e nttäuscht wurden, formierte sich die Frauenbewegung, ­deren herausragendes Symbol die lila Latzhose wurde. Im Industriemuseum Ratingen – in dem das Manufakturwesen auf dem Kontinent unter anderem seinen Ausgang nahm – werden diese ­A spekte in der Ausstellung „Mode 68. Mini, sexy, provokant“ auf 500 Quadratmetern thematisiert. Spätestens seit dieser Zeit haben wir uns an mindestens zweimal jährlich neue Modetrends gewöhnt. Dass es inzwischen noch schneller geht, zeigt die „Fast Fashion“ deutlich. Dabei handelt es sich um ein Thema, bei dem einerseits Ausbeutung, menschenunwürdige, gefährliche Arbeit sowie Umweltverschmutzung und andererseits die Pionierleistung, Menschen ohne Ausbildung eine Perspektive zu geben, im Kölner Rautenstrauch-Joest-Museum beleuchtet werden. Ihr Gegenstück ist die „Slow Fashion“, bei der auf Aspekte wie Nachhaltigkeit, faire Produktionsbedingungen und ange­ messene Bezahlung Wert gelegt wird. Beiden Modetrends ist die Ausstellung gewidmet, die damit einen Überblick über den gesamten Konsumprozess gibt, die von der globalen ­Vernetzung der Branche und ihrer Schnelllebigkeit erzählt, aber auch die Lebensverhältnisse der Textilarbeiter aufgreift, die letztlich durch die Kauf haltung der Konsumenten be­ einflusst werden.

Bis 6. Januar 2019 O s t t r i f f t We s t – E x q u i s i t e K o s t b a r k e i t e n d e s A r t D é c o . Die Sammlung von P r in z und P r in zessin Sadr uddin Aga Khan Schmuck museum P forzheim im R euchlinhaus www. schmuck museum. de Bis 10. November 2018 Flacons Bis Anfang Dezember 2018 Meisterstücke Galer ie f ür Kunst & Desig n im Indust r iehaus P forzheim w w w . g a l e r i e - k u n s t- d e s i g n . d e 6. bis 11. November 2018 Wie ne r Schmuck tage mit 160 öste r re ichi sche n und inter nat ionalen Schmuckschaf fenden www. wienerschmuck tage. at


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Taslima Akhter, The Life & Struggle of Garment Workers, © Taslima Akther 2009

Bis 8. Dezember 2018 N e u e u r b a n e P ro d u k t i o n Halle 1 4 – Zent r um f ür zeitgenössische Kunst L e ipzige r B aumwoll spinne re i www. halle 1 4 . org B i s 7. A p r i l 2 0 1 9 Mut zum Hut. Vo m A l l t a g s o b j e k t u m 1 7 5 0 z u D e s i g n e r k r e a t i o n e n v o n h e u t e S p i e l z e u g We l t e n M u s e u m B a s e l www. spiel zeug-welten-museum-basel. ch Bis 1 4 . Apr il 2019 D i e e u ro p ä i s c h e S a m m l u n g P a u l P rö t t D e u t s c h e s Te x t i l m u s e u m K r e f e l d www. k re feld . de/te x t ilmu se um Bis 2 2. Dezember 2019 M o d e 6 8 . M i n i , s e x y , p ro v o k a n t LV R - I n d u s t r i e m u s e u m Te x t i l f a b r i k C ro m f o rd , R a t i n g e n i n d u s t r i e m u s e u m . l v r. d e Bis 2 4 . Februar 2019 Fast Fashion. Die Schat tenseiten der Mode R a u t e n s t ra u c h - J o e s t- M u s e u m K u l t u r e n d e r We l t www. mu seenkoeln . de

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Tra c h t o d e r M o d e .


118 Inter view mit Sabine Runde, Kuratorin

„Schmuck 2019“ „ I c h s e h e S c h m u c k i m m e r a l s Te i l d e s g ro ß e n G a n z e n .“

Sabine Runde, Oberkustodin des Museums Angewandte Kunst, Foto: Katrin Schilling, Frankfurt

ARTMAPP: Frau Runde, worauf liegt aktuell der Fokus Ihrer Arbeit am Museum Angewandte Kunst in Frankfurt? Seit über 30 Jahren kuratiert die Frankfurter Kunsthis­ torikerin Sabine Runde als Oberkustodin des Museums Angewandte Kunst Ausstellungen mit Schmuck und Kunsthandwerk. Ihre Arbeit ist programmatisch auf die Thematik Kunsthandwerk und angewandte Kunst ausgerichtet. Neben zahlreichen Gruppen- und Einzelausstellungen realisierte sie 1987 bis 2012 die „Internationale Triennale“ (gegründet 1978) und entwickelte diese weltweit einzigartige Reihe zum ­z eitgenössischen Kunsthandwerk von der Leistungs- zur Überblicksschau künstlerischer Entwicklungen in diesem ­Bereich. Ein Fokus lag dabei immer auch auf aktuellem „Autorenschmuck“. Sabine Runde erarbeitete sich über die Jahre den Ruf einer exzellenten Kennerin der Szene; 2019 wird sie die Auswahl der Teilnehmer für die Sonderausstellung „Schmuck“ auf der „Handwerk & Design“ im Rahmen der ­Internationalen Handwerksmesse in München treffen. Chris Gerbing sprach für ARTMAPP mit Sabine Runde.

Sabine Runde: Derzeit arbeite ich intensiv an einem am Museum angesiedelten Forschungsprojekt, das sich zum Ziel gesetzt hat, die Perspektivwechsel auf das Kunsthandwerk seit 1945 zu untersuchen. Am Ende wird eine Ausstellung ­stehen, innerhalb derer alle nach dem Zweiten Weltkrieg ­entstandenen, in unserem Haus befindlichen Objekte gezeigt werden. Die Museumssammlung ist der zentrale Ausgangspunkt, um in der Publikation, wo weitere Autoren zu Wort kommen sollen, die Veränderungen dieses Metiers zu formulieren und zu reflektieren. Mein Ziel ist es, zu verdeutlichen, wie sehr die Kunst unsere Lebensbereiche durchdrungen hat. Dabei sehe ich Schmuck immer als Teil des großen Ganzen. 2019 werde ich zudem Franz Bette, einen Schmuckkünstler, dessen minimalistisches Konzept international geschätzt wird, mit neuen Werken in dem brandneuen ALIEN Art, Kaohsiung/Taiwan, zeigen.


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ARTMAPP: Im Rahmen der Internationalen Handwerksmesse in München werden Sie im kommenden Jahr für die Endauswahl der Teilnehmer der Sonderausstellung „Schmuck“ verantwortlich zeichnen. Was ist das Besondere an dieser Schau? SR: Es handelt sich dabei um die älteste, international angesehene Präsentation zum zeitgenössischen Schmuckschaffen, die 1959 von Herbert Hofmann ins Leben gerufen wurde. ­D amit ist sie immer wieder Ausgangspunkt für neue ­S trömungen im zeitgenössischen Schmuckschaffen. Die ­Ausstellung zeigt sowohl Arbeiten von jungen, noch in Ausbildung befindlichen Gestaltern, als auch von arrivierten Schmuckkünstlern. Das Renommee der Schau lässt sich nicht zuletzt an der konstant hohen Zahl an Einreichungen ablesen, die im Regelfall bei etwa 700 liegt. Aus diesen trifft der jährlich wechselnde Kurator – für 2019 also ich – seine persönliche Auswahl. Letztes Jahr wurde das sogar noch getoppt: Über 900 Bewerber aus 65 Ländern hatten für die „Schmuck 2018“ Beiträge eingereicht. Die jeweilige Ausstellung ist dann Grundlage der unabhängigen Jury, die sich im Rahmen der Messe trifft, um die nächsten Preisträger des Herbert-­ Hofmann-Preises zu bestimmen. Ich bin entsprechend sehr gespannt auf das, was für 2019 eingereicht wird. ARTMAPP: Welche Rolle spielt der Autorenschmuck im Gesamtzusammenhang der Messe?

1 3 . b i s 1 7. M ä r z 2 0 1 9 Handwerk & Design Messegelände München, Halle B1 www. ihm-handwe rk- desig n . com

Ausgezeichnet mit dem Herbert- Hofmann- Preis 2018: Julia Maria Künnap, „Why Is It All Overgrowing“, Brosche, Foto: Julia Maria Künnap / GHM A R T M A P P   W I N T E R 2 018/19 — K U N S T & M O D E

SR: In den letzten zehn Jahren haben verschiedene Bereiche die Kunstwelt erobert, die zuvor nicht als Kunst betrachtet worden waren. Denken Sie an die Mode oder die Street-Art. Sie machen deutlich, dass die zwischen Kunst und Nichtkunst seit der Industrialisierung gezogene Grenze vermehrt an Relevanz verliert. Der Autorenschmuck spielt seit den 1960er-Jahren an der Schnittstelle von Kunsthandwerk und bildender Kunst eine wichtige Rolle. Dabei wurde und wird nicht nur der Materialwert als Kategorie verworfen, sondern zugleich das Kriterium des Tragbaren außer Kraft gesetzt: Autorenschmuck folgt künstlerischen Intentionen, er spielt mit dem Material, auch der Idee der Tragbarkeit und fasziniert durch seine Gestaltungskonzepte. Im Gesamtzusammenhang der IHM ist der Autorenschmuck ein wichtiges Segment von hohem Renommee, das häufig vorbildhaft für die De­ signer wirkt. Insofern ist er als Impulsgeber und Motor für die künstlerische Auseinandersetzung mit dem, was Schmuck heute bedeutet, ein elementar wichtiger Aspekt.


Ein Museum der Eine Ausstellung des

Gefรถrdert durch Orientstiftung zur Fรถrderung der ostasiatischen Kunst

Medienpartner S Kรถlner Kulturstiftung der Kreissparkasse Kรถln


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Die Geschichte der Goldschmiedeschule mit Uhrmacherschule Der Beginn des Berufsschulwesens vor 250 Jahren in Pforzheim

In dieser Schatulle wird die von Peter Paul Pfeiffer 1928 verfasste Schulchronik aufbewahrt. Foto: Archiv GmU

Chris Gerbing Die Geschichte der Goldschmiedeschule mit Uhrmacherschule Untitled Verlag 164 S. 17 x 24,5 cm Hardcover EUR 29,90 Bestellung über www.goldschmiedeschule.de Erscheint am 28. November 2018

Ergänzt wird die wissenschaftliche Aufarbeitung durch ­E rinnerungen von Zeitzeugen, die Schlaglichter auf unterschiedliche Themen werfen. Damit reicht der persönlich geprägte Blick zurück bis in die 1930er Jahre. Erst seit 1973 sind Goldschmiede und Uhrmacher wieder unter einem Dach im 1960 eingeweihten Neubau an der St.-Georgen-Steige vereint. Von hier aus wird der Blick zudem in Gegenwart und Zukunft gelenkt und auf das Projekt „Jubiläumsuhr“ fokussiert, das beide an der Schule unterrichteten Gewerke an insgesamt 25 Unikaten zusammenführte, die zu 100 Prozent in Pforzheim, an der Schule, entstanden sind. Eine Traditionsinstitution feiert seinen Geburtstag – ein Vierteljahrhundert beruf liche Bildung lässt sich mit allen Veränderungen, die die Zeitläufte brachten, die aber auch durch veränderte Anforderungen und Ansprüche an die Branche Nachjustierungen notwendig machten, an der ­G oldschmiedeschule mit Uhrmacherschule nachvoll­ ziehen. Das Buch versteht sich vor diesem Hintergrund als „Blick ­z urück nach vorn“, weil die Gegenwart von der Vergangenheit be­einf lusst ist und die Weichen in die Zukunft in ihr gestellt werden.

A R T M A P P   W I N T E R 2 018/19 — B U C H T I P P S

Als im Juli 1768 der Emailmaler Melchior Andreas Kößler als Lehrer ins Waisenhaus Pforzheim berufen wurde, konnte niemand ahnen, dass hier einst die Wiege des deutschen ­B erufsschulwesens und des Dualen Systems liegen, dass Markgraf Karl Friedrich von Baden damit den Grundstein zur beruflichen Ausbildung in Schule und Betrieb legen würde. Wenig zuvor hatte er bereits in Durlach eine „Winterschule“ zur Ausbildung von Lehrlingen ins Leben gerufen, doch Pforzheim kann sich rühmen, seit 1. September 1768 – mit ­wenigen kriegsbedingten Ausnahmen – immer die betrieb­ liche Ausbildung mit theoretischem und fachpraktischem Unterricht begleitet zu haben. Die Schule steht in engem ­Zusammenhang mit der nur eineinhalb Jahre zuvor im Waisenhaus etablierten Uhren- und Schmuckmanufaktur, für die Arbeitskräfte angelernt werden mussten, um eine gleichbleibende Qualität trotz arbeitsteiliger Prozesse zu garantieren. Die Publikation zeichnet die Geschichte der Goldschmiedeschule mit Uhrmacherschule seit ihren Anfängen im Waisenhaus nach, bettet sie in den größeren Zusammenhang des Aufgeklärten Absolutismus badischer Prägung ein und skizziert von Baden ausgehend die Entwicklung des ­Berufsschulwesens. Mit einer Zeitleiste, verschiedenen er­ läuternden Grafiken und zahlreichen Bildern ist das Buch eine Handreichung für alle, die tiefer in die bewegte Geschichte und die wechselnden Standorte der Schule einsteigen wollen.


122 Ernst Wilhelm Nay Werkverzeichnis der Aquarelle, ­ Guachen und Zeichnungen Band 3 Hrsg. Ernst Wilhelm Nay Stiftung bearbeitet von Dr. Magdalene Claesges — Der Forschung, dem Handel und jedem interessierten ­K unstfreund bietet das Werkverzeichnis der Aquarelle, ­G uachen und Zeichnungen von E. W. Nay (1902–1968) einen umfassenden Überblick über sein eindrucksvolles ­Œuvre auf Papier. Mit dem vorliegenden dritten Band ist dieses Werkverzeichnis nun vollständig publiziert. Hatje Cantz Verlag 536 S. 1.283 Abb. 25 x 31,5 cm Hardcover, Leinen gebunden, im Schuber EUR 248,00 ISBN 978-3-7757-3413-4 Deutsch

Hans Engels, Axel Tilch Bauhaus-Architektur (1919-1933) — Auch 100 Jahre nach seiner Gründung hat das Bauhaus nichts von seiner Faszination eingebüßt. Dieser Band präsentiert die wichtigsten Bauwerke der einflussreichsten Architekturschule des 20. Jahrhunderts in grandiosen Aufnahmen von Hans Engels. Mit Bauten von Walter Gropius, Marcel Breuer, Ludwig Mies van der Rohe u.a.

Lotte Laserstein Von Angesicht zu Angesicht — Das bisher kaum gezeigte Werk einer lange vergessenen Künstlerin: Ihre sensibel gestalteten Porträts von ­s ouveränen Frauen brachten der Berliner Malerin Lotte Laserstein (1898–1993) in der Weimarer Republik ­raschen Erfolg. Dieses Buch bietet die Chance, dem ­faszinierenden Werk dieser Künstlerin zu begegnen.

Prestel Verlag 152 S. 120 Farbabb. 24 x 28 cm Hardcover EUR 38,00 ISBN 978-3-7913-58480-1 Deutsch

Prestel Verlag 192 S. 140 Farbabb. 21 x 28 cm Hardcover EUR 45,00 ISBN 978-3-7913-5803-1 Deutsch


123 Konstruktion der Welt Kunst und Ökonomie 2008-2018 Hrsg. Kunsthalle Mannheim, Dr. Sebastian Baden — Wie reflektiert zeitgenössische Kunst die heutige Arbeitswelt? Dieser Frage geht der Katalog zum zweiten Teil der Ausstellung „Konstruktion der Welt“ der Kunsthalle Mannheim nach. Dabei stehen vor allem künstlerische Positionen der letzten Dekade im Zentrum, die die gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Auswirkungen der jüngsten Wirtschaftskrise nach 2008 aufgreifen.

Christof Kerber Verlag 400 S. 24 x 28 cm Klappenbroschur, broschiert EUR 58,00 ISBN 978-3-7356-0457-6 Deutsch

Konstruktion der Welt Kunst + Ökonomie 1919-1939 Hrsg. Kunsthalle Mannheim, Ulrike Lorenz, Eckhart Gillen — Von der Weimarer Republik über die USA bis hin zur ­S owjetunion: Zwischen 1919 und 1939 entwickelten sich die visuellen Künste dieser drei Großmächte p ­ lötzlich ­a nalog. Die Kunsthalle Mannheim zeigt in ihrer Ausstellung „Konstruktion der Welt“ die vielfältigen F­ acetten des ­k ritischen Realismus und der Neuen S ­ achlichkeit erstmals im internationalen Vergleich.

Der Flaneur Vom Impressionismus bis zur Gegenwart Hrsg. Volker Adolphs und Stephan Berg — Der flaneurhafte Blick auf die Großstadt in i­mpressionistischen Werken bis hin zu ­z eitgenössischer Fotografie – dies ist das zentrale Thema des vorliegenden Bandes.

Wienand Verlag 344 S. 173 Farb- u. 76 S/W-Abb. 24 x 30 cm Gebunden EUR 39,80 ISBN 978-3-86832-481-5 Deutsch

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Christof Kerber Verlag 192 S. 24 x 28 cm Klappenbroschur, broschiert EUR 38,00 ISBN 978-3-7356-0459-0 Deutsch, Englisch


M ar tin Bruno Schmid

Bodenständiger Minimalismus


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„ I c h m a c h e n i c h t a u s S e l b s t z w e c k L ö c h e r. Für mich i st da s Löche rbohre n auch e ine Möglichke it, h i n t e r d i e D i n g e z u s c h a u e n .“

Martin Bruno Schmid, Foto: Daniel Rohner, Chur

Martin Bruno Schmids (* 1970) Werk steht auf den ersten Blick in der Tradition der formalistischen Moderne. Wie ­a ndere Kollegen seiner Generation greift der in Baden-­Würt­ temberg ansässige Künstler den minimalistisch-konkreten Formenkanon jedoch auf und aktualisiert diesen auf ganz ­eigenständige Art und Weise für die Gegenwart.

Alle Arbeiten © VG Bild- Kunst, Bonn 2018

Impuls des Werks ist die vollkommen regelmäßige Verteilung der am gesamten Gebäude sichtbaren Beton-Schalungs­ löcher. Diesem strengen orthogonalen Raster fügt der Künstler insgesamt 34 zusätzliche Schalungslöcher hinzu – in völlig freier Verteilung. Innen und außen am Gebäude. Ausschließlich an untypischen, leicht deplatzierten Stellen. Eine minimale Geste rückt ein kleines architektonisches Detail in den Fokus, bespielt leise und zurückhaltend das gesamte Bauwerk und bringt es dezent zum Singen.

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Martin Bruno Schmid, „Schalungslöcher (+34)“, 2014, Hochschule für Technik Stuttgart, Foto: Frank Kleinbach, Stuttgart


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Noch während seines Studiums an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart entsteht die Werk­reihe „Face­peelings“. Für diese schmirgelte Martin Bruno Schmid Cover von Mode-, Lifestyle- und Kunstmagazinen so lange ab, bis eine weiße samtige Oberf läche zum Vorschein kam. Die ­bunten Hochglanzmagazine wurden auf diese Art und Weise durch Handarbeit in hermetische Minimal-Arte­ fakte t­ ransformiert, die den Betrachter dazu auffordern, sich auf die eigenen inneren Bilder zu besinnen, anstatt sich an den m ­ assenhaft verbreiteten kommerziellen Bildwelten zu orientieren. Alleinstellungsmerkmal der Bilder, die Martin Bruno Schmid im Zuge seiner weiteren künstlerischen Entwicklung kreierte, ist die Wahl seines bodenständigen Werkzeuges. So fertigt Schmid seine Wandbilder, sogenannte „Bohr­ stücke“, nicht mit Pinsel und Farbe, sondern mittels einer Bohr­maschine, mit der er die Oberfläche des Bildträgers in der Tradition der formalistischen Malerei selbst zum Thema macht, indem er sie perforiert. Durch die unregelmäßig ­g esetzten Bohrungen entstehen geometrische Formen, ­K reise, Vierecke oder Muster, die den Bildträger bzw. die Wand organisch verlebendigen.

Martin Bruno Schmid, „Tondo“, Universität Furt wangen / VS -Schwenningen, 2011, Beton, gesägt und gedreht, Foto: Wolfram Janzer / Raphael Janzer, Stuttgart

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rechte Seite, Foto: Frank Kleinbach, Stuttgart

Ein 4 Tonnen schweres Kreissegment mit einem Durchmesser von 2,50 m wird aus einer tragenden, 40 cm starken Sicht­ betonwand ausgesägt, um 10° im Uhrzeigersinn gedreht und dauerhaft wieder in die Wand eingesetzt. Das regelmäßige Fugenraster der Sichtbetonwand ist minimal in Bewegung gesetzt, das gesamte Foyer visuell aktiviert.




129 Martin Bruno Schmid, „Bohrschnitt, prekär“, Universität Tübingen GUZ, 2016 –2019 (Fertigstellung Gebäude) linke Seite, Foto: Frank Kleinbach, Stuttgart, unten, Visualisierung: Alex Kern, Basel

Mit den Jahren wurden die Arbeiten von Martin Bruno Schmid dann im wahrsten Sinne des Wortes immer „raumgreifender“ und der Künstler „aktivierte“ nicht mehr nur Wände bzw. Decken von Innenräumen, sondern ganze Gebäude, die er im Rahmen von Kunst-am-Bau-Projekten auf die unterschiedlichste Art und Weise künstlerisch auflädt. Für überregionales Aufsehen sorgte im Jahr 2017 ­beispielsweise sein Plan, im Zuge eines gewonnen Kunst-­amBau-Wettbewerbes die tragenden Stahlbetonsäulen im Foyer des neuen Geo- und Umweltzentrums der Universität Tübingen jeweils der Länge nach aufzuschlitzen. Ein Eingriff, der zwar ephemer, aber von großer Wirkung ist. Entsteht bei den Besuchern, die diese Schlitze wahrnehmen, doch ein Gefühl von Verunsicherung und nicht zuletzt vielleicht auch ein Bewusstsein für die Labilität der Natur, die in diesem Haus erforscht wird.

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Das Foyer des neuen Geo- und Umweltzentrums der ­Universität Tübingen wird von fünf schlanken, 7,50 m hohen Stahlbetonstützen getragen. Jede der fünf Stützen wird der Länge nach mittig aufgesägt. Die jeweilige Länge der ­Sägeschnitte ist statisch exakt berechnet und verweist auf die maximale Grenze der Tragfähigkeit: je kürzer der Schnitt desto höher die Drucklast auf die Stütze. Ein prekäres Gefühl latenter Spannung und Unsicherheit stellt sich ein und die simple Frage wird evoziert: Hält das? Sämtliche eingesetzten Maschinen und Methoden sind ­identisch mit denjenigen, die auch am Geo- und Umwelt­ zentrum zum Einsatz kommen. Nichts wird appliziert, das Werk entsteht ausschließlich durch Entfernen von Material.


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Mit dem Wettbewerbsbeitrag „Fond (Goldgrund)“ wurde ein weiterer Entwurf des Künstlers mit einem ersten Preis ­a us­g ezeichnet, der nicht Kunst „am“ Bau, sondern im ­wahrsten Sinne des Wortes Kunst „im“ Bau ist. So sollen im Rahmen dieses Projektes im Foyer des Humboldt Forums im neuen Berliner Schloss 64 handgearbeitete Dübelobjekte aus reinem Gold so in die Wände des Auditoriums eingemauert und ­verankert werden, dass für den Betrachter nur noch die kreisrunden Oberf lächen als minimalistische goldene ­S etzungen sichtbar sind. Eine Arbeit, die das Argument der Politik, dass Kunst und Kultur Investitionen in die Zukunft seien, beim Wort nimmt und nicht zuletzt im Sinne der Humboldt-­B rüder zu lesen ist, da hier high & low auf ­überzeugende Art und Weise in einem Werk vereint sind. NICOLE FRITZ, DIREKTORIN DER KUNSTHALLE TÜBINGEN

2 1. bis 2 4 . Febr uar 2019 Mar t in Br uno Schmid auf der ar t K A R L SRUHE Gale r ie Hube r t Schwarz , Gre ifswald www. mar t inbr unoschmid. de www. galer ie-schwarz . de


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Martin Bruno Schmid, „Fond (Goldgrund)“, Humboldt Forum im Berliner Schloss, 2018, 1. Preis, 14 Karat Gold in Wand, Je 16 x 80mm, 64 Stück

Visualisierungen: Alex Kern, Basel

In die Wände des Humboldt Forums im Berliner Schloss sollen insgesamt 64 handgefertigte Dübel-Objekte aus ­purem Gold eingemauert werden. Spärlich im Raum verteilt verweisen nur ihre runden ­Öffnungen und ihr dezenter Goldschimmer auf die dahinter schlummernden Objekte und deren Wertigkeit. 99 % des Kunstwerks sind nicht sichtbar, nur vorstellbar. Eine Intarsie der etwas anderen Art. Und eine Investition in die Zukunft.

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(entspricht insgesamt ca. 2 Kilogramm),


Gesichter einer Sammlung 28/07/2018 –20/01/2019 Städtische Galerie Karlsruhe Lorenzstraße 27 76135 Karlsruhe www.staedtische-galerie.de

STEFAN STRUMBEL im 2-RAUM des Museum Art.Plus 18.11.2018 – 24.03.2019 *

DONAUESCHINGEN

KARLSRUHE

T Z T JE KET TICHERN SIC sru

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Klassische Moderne und Gegenwartskunst 21. – 24. Februar 2019 | Messe Karlsruhe Veranstalter:

art-karlsruhe.de

Stefan Strumbel, Untitled, 2018, Aluminium patiniert © VG Bild-Kunst, Bonn 2018, Foto: ziora *Das Museum ist wegen Ausstellungswechsel vom 21.01.–16.02.2019 geschlossen

blick kontakt


Martha Jungwirth, O. t., 2017 (Detail), Sammlung Freymond, Courtesy galerie Krinzinger © Vg Bild-Kunst, Bonn 2018

Hans-und-Sophie-Scholl-Platz 1 89073 Ulm Telefon: 0731-161 43 60 www.kunsthalle-weishaupt.de

Martha Jungwirth

21. 10. 2018 –6. 10. 2019

AusgAng

panta rhei

Neues aus

20. Oktober 2018 — 24. Februar 2019

offen der sammluNg

Kunst in Isny Städtische Galerie im Schloss Isny Shoppingmall Der Einkaufswagen als Kunstobjekt www.isny.de

18|11|18

ZEICHEN

Alexander Schellbach Barbara Walker Tim Wolff 27. Oktober 2018—3. Februar 2019

24|02|19

Shoppingmall

MEWO Kunsthalle Bahnhofstraße 1 87700 Memmingen 47° 59' 11" N 10° 11' 12" O 08331-850-771 www.mewo-kunsthalle.de


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M ax Slevogt:

„Das Auge sieht, was es sucht“ Anlässlich des 150. Gebur tstages von Ma x Sle vog t laden M ­ useen i n H a n n o v e r, M a i n z u n d S a a r b r ü c k e n m i t g ro ß a n g e l e g t e n A u s s t e l l u n g e n zur Neuentdeck ung des vielseit igen Künstlers ein.

Für die einen ist Max Slevogt (1868 –1932) der Pf älzer ­L andschaftsmaler schlechthin, für die anderen zählt er mit Max Liebermann und Lovis Corinth zum „Dreigestirn des deutschen Impressionismus“. Beides stimmt und beides ­b ezeichnet jeweils nur einen kleinen Ausschnitt seines ­k ünstlerischen Werkes. Slevogt hat durchaus zahlreiche Landschaften gemalt, aber eine ebenso wichtige Rolle spielen in seinem Œuvre ­r eligiöse, mythologische oder phantastische Themen. Er ­bezog sich immer wieder auf Literatur und Musik, entwarf Bühnenbilder und war befreundet mit dem portugiesischen Starbariton Francisco D’Andrade, den er mehrfach in dessen Paraderolle als Don Giovanni darstellte. Er malte und zeich­ nete Porträts und war ein gefragter Illustrator. Seine „Gelegenheitsarbeiten“, illustrierte Briefe oder Speisekarten etwa, offenbaren einen geistreichen, ­humorvollen und bisweilen karikierenden Zeichner.

Max Slevogt, „Kleines Selbstbildnis mit steifem Hut“, 1912, Öl auf Holz , 32,5 × 24,2 cm, Ausstellung „Slevogt und Frankreich“ im Saarlandmuseum, © Saarlandmuseum, Moderne Galerie, Saarbrücken


Das Landesmuseum Hannover, das die bedeutendste Sammlung des „Dreigestirns des deutschen Impressionismus“ besitzt, fächert in einer umfangreichen Retrospektive den ganzen Slevogt auf. Genau 150 Werke sind zu sehen – Malerei, Druckgrafik, Zeichnungen –, denn für Slevogt standen die grafischen Arbeiten gleichberechtigt neben der Malerei, und dem soll die chronologisch angelegte Präsentation nun erstmals auch gerecht werden. Max Slevogt studierte ab 1885 an der Kunstakademie in München, wo er sich nach dem Studium 1890 als freier Maler niederließ und zwei Jahre später Gründungsmitglied der „Münchner Sezession“ war. Schnell hatte er im konservativen München einen notorischen Ruf als „Slevogt, der Schreckliche“ weg. Bevor er 1901 in das progressivere Berlin übersiedelte, verbrachte er mehrere Monate in Frankfurt am Main, wo seine berühmten Zoobilder entstanden, die zugleich eine Aufhellung seiner Palette einleiteten. Berlin indes schien auf ihn gewartet zu haben. Mit seiner Kunst wurde er in

Max Slevogt, „Skizze mit Flagge“, 1908, Öl auf Malpappe, 40,5 x 55,8 cm, Ausstellung „Ein Tag am Meer. Slevogt, Liebermann & Cassirer“ im Landesmuseum Mainz, Foto: Ursula Rudischer © GDKE/Landesmuseum Mainz

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den frankophilen Kreisen der „Berliner Sezession“ begeistert aufgenommen. Fulminanter Auftakt des Erfolges war 1902 „Das Champagnerlied oder: Der weiße D’Andrade“ in der Ausstellung der „Berliner Sezession“. Schon seit 1899 wurde Slevogt von Paul Cassirer, dem einflussreichsten Berliner Galeristen seiner Zeit, vertreten. Im Verlag von dessen Vetter Bruno Cassirer erschienen mehrere Bildzyklen und Illustrationen des Künstlers. Paul Cassirer war es auch, der um 1905 den Slogan „Dreigestirn des deutschen Impressionismus“ erfand, mit dem er die drei Superstars – Liebermann, Corinth, Slevogt – eingängig vermarkten konnte. Dabei ist Slevogt nicht nur der jüngste und heute am wenigsten bekannte, sondern sicherlich auch der vielseitigste der drei. Während die Retrospektive in Hannover diese Vielseitigkeit eindrucksvoll bezeugt , konzentriert sich die Ausstellung im Landesmuseum Mainz auf das in Slevogts Werk seltene Thema der Strandlandschaft. Im Mittelpunkt steht das erst vor Kurzem aus Privatbesitz aufgetauchte Bild „Skizze mit Flagge“ aus dem Jahr 1908. Auf Einladung Paul Cassirers und seiner Frau Tilla Durieux verbrachte Slevogt in jenem Sommer einige Wochen im holländischen Noordwijk, wo die beiden ein Strandhaus besaßen. Auch Lovis Corinth

Edouard Manet, „Der Herbst“, 1882, Öl auf Leinwand, 73 × 51 cm, Ausstellung „Slevogt und Frankreich“ im Saarlandmuseum, Moderne Galerie, Saarbrücken, Leihgeber: Musée des Beaux-Arts, Nancy


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Max Slevogt, „Frida Fuchs“, 1904, Öl auf Leinwand, 92 × 74 cm, Ausstellung „Slevogt und Frankreich“ im Saarlandmuseum, Moderne Galerie, Saarbrücken, Leihgeber: Staatsgalerie Stuttgart

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und Max Liebermann waren mit von der Partie. Die wenigen Strandbilder aus Slevogts Schaffen werden in der Ausstellung thematisch verwandten Gemälden und Grafiken Liebermanns und Corinths gegenübergestellt. Und so ist Slevogts Bild gleichzeitig der Auf hänger, um seine Netzwerke, den künstlerischen Austausch mit seinen Malerkollegen sowie das enge Verhältnis zu Paul und Bruno Cassirer genauer zu betrachten. Um Max Slevogts künstlerischen Blick nach Frankreich geht es in Saarbrücken. Hier wird nicht nur dessen 150. Geburtstag gewürdigt, sondern zugleich das 50-jährige Bestehen der Modernen Galerie des Saarlandmuseums ge­feiert. Ausgehend vom reichen Eigenbestand und ergänzt um internationale Leihgaben werden 111 Gemälde und ­A rbeiten auf Papier von Max Slevogt in Dialog mit 78 Werken von Paul ­C ézanne, Eugène Delacroix, Claude Monet, Édouard Manet, Auguste Renoir und anderen französischen Meistern des 19. Jahrhunderts gestellt. Ein besonderes Highlight der ­Ausstellung ist Manets „Die Rue Mosnier mit Fahnen“. Manet war nicht nur großes Vorbild, sondern auch ein Lieblingsmaler Slevogts, besagtes Bild hing sogar in seinem Salon. In der M ­ odernen Galerie wird es nun Slevogts „Unter den Linden“ gegenübergestellt, denn es ist das Konzept


138 dieser ein­drücklichen Ausstellung (und des Kataloges) durch direkte Nachbarschaften Parallelen und Unterschiede auf­ zuzeigen. Auch hier erkundet man, thematisch gegliedert, die ganze Vielfalt Max Slevogts. Slevog t ist a ngereg t u nd beeinf lusst von den ­f ranzösischen Künstlern, aber mit dem französischen Impressionismus haben selbst seine lichtdurchf luteten Landschaften wenig zu tun. Insofern ist seine Beschäftigung mit den Werken der französischen Maler wohl eher ein Befragen hinsichtlich der malerischen Möglichkeiten. Dass Manet ein Favorit war, kommt somit nicht von ungef ähr. Ebensowenig überrascht es, dass sich in Slevogts späten Werken der zwanziger Jahre die Formen immer weiter in Farbe auf lösen. Es gibt viel zu entdecken!

Bis 13. Januar 2019 S l e v o g t u n d F ra n k r e i c h Saarlandmuseum, Moder ne Galer ie, Saarbr ücken www. k ult urbesit z . de Bis 2 4 . Februar 2019 M a x S l e v o g t . E i n e R e t ro s p e k t i v e z u m 1 5 0 . G e b u r t s t a g w w w . l a n d e s m u s e u m - h a n n o v e r. n i e d e r s a c h s e n . d e Bis 10. Februar 2019 E i n Ta g a m M e e r. S l e v o g t , L i e b e r m a n n & C a s s i r e r www. landesmuseum-main z . de

KIM BEHM

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Plakette Slevogt weg, Quelle: GDKE Rheinland- Pfalz, Landesmuseum Mainz, Bildarchiv Südliche Weinstrasse e.V.

F E I E R T M A X S L E VO G T

Der kleine Ort Leinsweiler, an der Südlichen Weinstraße gelegen, ist ein herrliches Fleckchen Erde – inmitten pittoresker Landschaft, mit angenehmem Klima und guten Weinen. Was für ein Gegensatz zur Kunstmetropole Berlin! Kein Wunder, dass Max Slevogt, der ohnehin enge familiäre Beziehungen in die Pfalz hatte, hier 1914 einen Sommersitz, den Slevogthof, erwarb und die dortige Landschaft wieder und wieder malte. Ausgehend vom Slevogthof wurde nun zum Jubi­ läumsjahr ein circa neun Kilometer langer Rundwanderweg angelegt, der auch in kleinere Touren unterteilt werden kann. Etwa drei Stunden sind für die ganze Route einzuplanen. Ohne entsprechende Ausrüstung sollte auf einige Abstecher verzichtet werden, ansonsten ist es ein herrlicher Spaziergang auf den Spuren Max Slevogts mit beeindruckenden Aus­ blicken und zwölf Stationen, an denen bebilderte Tafeln die Entstehungsorte einzelner Bilder markieren und diese mit kurzen Texten erläutern. Der Flyer „150 Jahre Max Slevogt – Mensch, Maler, Ort“ führt das ganze Programm im Jubiläumsjahr zusammen: landauland.suedlicheweinstrasse.de. KIM BEHM


Max Slevogt, „Frauenraub“, 1905, 181,5 x 131 cm, Öl auf Leinwand, Ausstellung „Max Slevogt. Eine Retrospektive zum 150. Geburtstag“ im Landesmuseum Hannover © Landesmuseum Hannover

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FIRST DATES by JÖRG DÖRING 29.11.18 - 20.01.19

www.galerie-im-venet-haus.de



Jakob Bräckle im Museum Biberach

Der weite Weg zu „meiner einfachen Landschaft“


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Jakob Bräckle, „Helle Felder“, 1984, Öl auf Leinwand, Museum Biberach

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Jakob Bräckle (1897–1987) zählt zu den bedeutenden Malern Oberschwabens im 20. Jahrhundert. Die Wertschätzung für sein Schaffen reicht weit über den Kreis der Kunstkenner hinaus. Für viele hat er den Blick auf Oberschwaben geprägt. Die Gegend zwischen Ulm und dem Bodensee ist bis in die 1950er-Jahre ländlich-dörflich geprägt, Ackerflächen wechseln mit Weideland und Wald; Städte fehlen. Bräckles Bilder liefern ein getreues Abbild dieser Wesensart.


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Bräckle hat künstlerisch mehrere stilistische Neuerungen des 20. Jahrhunderts mit vollzogen und zugleich an seinem ­T hema festgehalten. Kein anderer Künstler Süddeutschlands hat das Motiv der landwirtschaftlichen Felder und dörf lichen Gebäude im 20. Jahrhundert mit ähnlicher Beharrlichkeit b ­ earbeitet und in die Moderne geführt wie er. Es gelang ihm, den Strukturwandel hin zu einer agrarindus­ triellen L ­ andwirtschaft mit einer zeitgemäßen künstlerischen ­D arstellungsweise zu verbinden. In seinem Schaffen gab es Entwicklung und Konstanz, das Regionale und das Inter­ nationale. Das macht es bis heute unverwechselbar, seine Entwicklung lässt staunen. Jakob Bräckle hat 65 Jahre lang gemalt. Sein Œuvre umfasst circa 3.900 Ölgemälde. Lediglich eine Handvoll zeigen Innenräume. Die allermeisten widmen sich seinem Dorf, den dortigen Feldern und der Arbeit in der Landwirtschaft. Würde man einen Kreis um den Flecken Winterreute ziehen, so wären fast alle Bilder innerhalb eines Radius von fünf Kilometern entstanden. Auch die Eltern Jakob Bräckles betreiben einen kleinen Hof, dazu eine Käserei. Früh lernt er den Rhythmus des bäuerlichen Lebens kennen, auch wenn er nicht daran teilnehmen kann. Wegen einer Kinderlähmung ist er seit seinem zweiten Lebensjahr gehbehindert. Umso stärker schult sich seine Beobachtung. Winterreute liegt auf einer Hochebene nahe Biberach, es gibt kaum Hügel, die Landschaft ist unspektakulär. „Diese, meine einfache Landschaft Winterreute, welche nicht viel äußeren Reiz hat, lässt mich schon früh in das Geheimnisvolle der Natur, in das Unsichtbare, in das Ewige hineinblicken“, schreibt er 1967. Zu diesem Zeitpunkt ist ihm bereits der Schritt in die Abstraktion gelungen. Dieser fiel ihm nicht leicht, lange fehlte es ihm an ­K larheit. Jahrzehntelang hatte er den bäuerlichen Alltag ­dargestellt, hatte dieselben Felder und Waldränder im Wechsel der Tages- wie Jahreszeiten gemalt und war sich b ­ ewusst geworden, dass alles jeden Tag anders aussieht. Ein ums an­ dere Mal verlieh er der Vielfalt der Erscheinungen ­bildlichen Ausdruck. Nun, Anfang der 1950er-Jahre, sucht er nach etwas anderem. Er begann, sich zu fragen, was die Dinge mitein­ ander verbindet, was ihren Wesenskern ausmacht und wie er ihn darstellen könne. Und was das eine Haus mit dem anderen Haus gemeinsam hat, obwohl die Gebäude unterschiedlich aussehen.

Jakob Bräckle, „Mondschein“, 1956, Öl auf Leinwand, Privatbesitz


Jakob Bräckle, „Häuser im Schnee“, 1975, Öl auf Hartfaser, Privatbesitz

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Jakob Bräckle, „Kartoffelernte“, 1954, Öl auf Karton, Privatbesitz

Antworten findet er auf unterschiedlichen Wegen. Zum einen über das Kennenlernen von originalen Werken des russischen Avantgardekünstlers Kasimir Malewitsch. Er begegnet ihnen bei dem Architekten Hugo Häring. Häring hatte die Bilder kriegsbedingt von Berlin in seine Geburtsstadt Biberach verbracht. An Malewitschs Figuren beeindrucken Bräckle das Flächenhafte und das Monumentale. In der Folge reduziert er die Anzahl an Details und formt figürliche Gliedmaßen geometrisch. Und er beginnt, die Farben gegenstandsunabhängig zu setzen.


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Die fernöstliche Sicht bespricht er mit dem Arzt Dr. Gustav Laib, dem Vater des Künstlers Wolfgang Laib, der in Biberach praktiziert. Seit seiner Jugend verbindet Wolfgang Laib und Jakob Bräckle eine persönliche Freundschaft, Laib bezeichnet ihn in Interviews mehrfach als für ihn einflussreich. In seinen letzten 25 Jahren formuliert Jakob Bräckle die Motive der konstruktiv abstrahierten Felder und Gebäude weiter aus. Er brauchte dafür nicht mehr die Nachahmung, er trug die Landschaft in sich. So konnte er eine andere Perspektive einnehmen. Er verließ die Nahsicht und nahm einen Überblick ein. Die reale Welt tritt in diesen Bildern zurück und war doch Ausgangspunkt. Aus Anbaulandschaften waren nun Erbauungslandschaften geworden. UWE DEGREIF

J a k o b B rä c k l e (1 8 9 7 – 1 9 8 7). M e i n e e i n f a c h e L a n d s c h a f t 10. November 2018 bis 2 2 . Apr il 2019 M u s e u m B i b e ra c h 5 . M a i 2 0 1 9 b i s 7. J u l i 2 0 1 9 Städt ische Galer ie Böblingen

Jakob Bräckle beim Malen, um 1970

Alle Fotos: © Museum Biberach

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Zum anderen gewinnt er seine Überzeugung für die Abstraktion aus buddhistischen Texten, beispielsweise Laotses Buch „Tao te king“. Darin wird der wahre Seinsgrunds allen Lebens im „Nichts“ und in der „Leere“ gesehen. In der Folge entleeren sich seine Bildräume und er begradigt alles Gekurvte. Volumina wie Bäume oder Sträucher verschwinden, bauliche Versprünge werden eingeebnet. Die ersten überzeugenden ­Ergebnisse gelingen ihm am Motiv der Winterlandschaft. In der kalten Jahreszeit schafft die Natur einen abstrahierten Eindruck von sich. Schnee ebnet nicht nur Bodenwellen ein, er reduziert auch vorhandene Farben; übrig bleiben ein­ heitlich helle Flächen und weich gerundete Umrisse. In der Schneelandschaft treffen sich für Bräckle Erfahrung und Verallgemeinerung. Diese Sicht überträgt er später auf andere Jahreszeiten und auf Darstellungen seines Dorfes.


148 A xel Lapp, MEWO Kunsthalle M emmingen

Mythen der Region

A xel Lapp, Leiter der MEWO Kunsthalle Memmingen, Foto: © Conny Koresin

ARTMAPP: Ihr Haus beherbergt insgesamt vier historische Sammlungen. Deren Werke reichen vom 18. Jahrhundert bis in die 1960er-Jahre. Wie binden Sie diese ein, um sie in der Öffentlichkeit präsent zu halten?

Die MEWO Kunsthalle präsentiert seit November 2005 ein anspruchsvolles Ausstellungsprogramm zur Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts. Im ehemaligen Postamt direkt neben dem Bahnhof bietet sie auf 850 Quadratmetern, verteilt auf drei Etagen und in einem überdachten Lichthof, Raum für traditionelle Ausstellungen und experimentelle Formate. Babette Caesar sprach für ARTMAPP mit dem Leiter Axel Lapp über die Intentionen seines Hauses und die kommenden Ausstellungen. ARTMAPP: Wie breit ist das künstlerische ­Spektrum, das Sie Ihren Besuchern in den ­Ausstellungen vermitteln? Axel Lapp: Das Programm der MEWO Kunsthalle soll genauso vielfältig sein wie unser Publikum. Es geht uns darum, gerade auch im ländlichen Raum kulturelle Teilhabe zu ermöglichen und Kultur demokratisch zu vermitteln. Da interessiert sich ein Teil des Publikums eher für einen lokalen Fotografen, der ihre Heimat in ein neues Licht rückt oder ihren Blick bestärkt, und die anderen sind ganz gespannt auf junge internationale Künstler, die unerwartete Herangehensweisen präsentieren.

AL: Wir haben uns aktiv dafür entschieden, keine Dauerausstellung einzurichten, sondern immer wieder einzelne Aspekte aus den historischen Beständen zu präsentieren, um kontinuierlich neue Perspektiven auf das Material zu ent­ wickeln. Diesen Sommer zeigten wir zum Beispiel eine kunsthistorische Ausstellung zu Max Unold, die zum einen auf Anicuț a Belau-Levin fokussierte, seiner Lebensgefährtin und Muse von 1908 bis 1915, und die zum anderen seine doch engen Verstrickungen mit dem nationalsozialistischen Regime untersuchte. So traf die Geschichte der Emanzipation auf die damalige Zeitgeschichte und eröffnete mit den Erinnerungen einiger Besucher den Raum für vielerlei Diskussionen. Historische Kunst ist für den heutigen Betrachter ja oft nur dann von Interesse, wenn wir mit ihr Geschichten erzählen, die bis heute relevant sind. Daneben zeigten wir ganz untypische abstrakte Bilder von Josef Madlener, dem für seine Heiligenbilder bekannten Memminger Künstler, und seiner Tochter Julie in einer Kinderausstellung. Mit großem Erfolg konnten wir ein neues Publikum auf eine alters- und ausbildungsgerechte Weise ansprechen. Das bedeutet jedoch auf keinen Fall, dass nicht genauso Erwachsene dabei etwas Neues kennenlernen und ihre Freude an dem kindlichen Angebot haben konnten. Auch Erwachsene können manchmal vom Denken mit den Fingern profitieren.


Jessica Wolfelsperger, aus der fotografischen Serie „Saga“, 2017, in der Ausstellung „FOREST. ENTER. EXIT.“ Die Arbeit entstand während einer Künstlerresidenz des Verzasca Foto Festivals, Tessin.

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150 ARTMAPP: Für die kommende Herbst/­W interSaison haben Sie zwei Ausstellungen vor­gesehen. Am 26. Oktober eröffnen Sie „Zeichen“. Das ist ein Titel, der eher nüchtern klingt. Was verbirgt sich dahinter? AL: „Zeichen“ ist eine Annäherung an den wohl grund­ legendsten und unmittelbarsten Prozess der Kunst: das Zeichnen. Seit Urzeiten sind Zeichnungen Objekte der Erinnerung und der wissenschaftlichen Dokumentation (noch heute halten Archäologen ihre Ausgrabungen in detaillierten Zeichnungen fest). So verschieden die dabei gezeigten Arbeiten von Alexander Schellbach, Barbara Walker und Tim Wolff auch sind, so vergleichbar ist doch ihre erzählerische Intention, ihre Zeichenhaftigkeit. ARTMAPP: Einen Monat später am 23. November startet „FOREST. ENTER. EXIT.“ – auf welche Fährte soll einen dieser Titel bringen? AL: Der Titel der Ausstellung „FOREST. ENTER. EXIT.“, die übrigens von meinem Kollegen Axel Städter kuratiert wird, ist eher ein Spiel mit den Begriffen, als dass er auf eine ­bestimmte Fährte locken soll. Das gedankliche oder reale ­B etreten, das Entkommen oder sich Verlieren steckt natürlich darin. Im Kern der Ausstellung steht die Beziehung zwischen Wald und Mensch. Die Fragestellung zielt darauf ab, wie wir uns dem Wald nähern – tatsächlich, sinnlich, aber auch im übertragenen Sinn. Das beginnt schon damit, dass wir k ­ or­rekterweise von Forst sprechen müssten, also einer wirtschaftlichen und durch den Menschen gepflegten Natur. Urwälder gibt es in Mitteleuropa fast keine mehr. Diese vielfältigen Zugänge spiegeln sich in der Fülle der verschiedenen künstlerischen Positionen und der genutzten Medien wider. So sind in der Ausstellung Fotografien, Skulptur, Installationen, eine text- sowie eine soundbasierte Arbeit und eine Videoinstallation vertreten.

ARTMAPP: Können Sie in dem Kontext kurz die Positionen der vertretenen Künstler skizzieren. Wie sie im Verhältnis von Wald und Mensch ­zueinander finden? AL: Die Positionen reichen über figurative bis hin zu abstrakten und konzeptuellen Ansätzen. Sie untersuchen die Beziehungen zwischen Wald und Mensch oder nutzen das Waldthema bzw. dessen Ästhetik als Mittel, um auf andere Ideen und Konzepte zu verweisen. Betrachten wir einmal die fotografische Serie „Saga“ von Jessica Wolfelsperger. Sie ­entstand während eines Aufenthalts im Schweizer Verzascatal und war Ausgangspunkt für diese Ausstellung. Die ­a rchaische Landschaft, die Geschichten und Mythen der ­R egion sind der Nährboden, auf dem sich Wolfelspergers ­A rbeit entwickelte – ohne dabei je zur bloßen Illustration zu werden. Zu einer jungen und technologieaffinen Künst­ lergeneration gehört die Gruppe „terra 0 “ (Paul Kolling, Paul Seidler und Max Hampshire). Ihre Frage nach der (Aus-)Nutzung von Natur ist – man denke nur an die Proteste im Hambacher Forst – aktueller denn je. Wieso sollten wir nicht für Dienstleistungen der Natur auf kommen? Wieso sollten wir nicht für Filtertätig­keiten von Gesteinsschichten oder die Umwandlung von CO2 in Sauerstoff durch Pf lanzen b ­ ezahlen bzw. unseren Mehrwert durch die Pf lege dieser Ökosysteme zurückgeben? Es geht hier um das aktive Übernehmen von Verantwortung gegenüber der Umwelt sowie die Arbeit an Konzepten, welche die Beziehung vom M ­ enschen zum Baum, zum Wald und zur Natur auch in ökonomischer Hinsicht neu denken. Bis 3. Februar 2019 Z e i c h e n – A l e x a n d e r S c h e l l b a c h , B a r b a ra Wa l k e r, T i m Wo l f f 2 4 . November 2018 bis 3. März 2019 F O R E S T. E N T E R . E X I T.

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www. mewo-k unsthalle. de

MEWO Kunsthalle Memmingen im alten Postamt, Foto: © MEWO Kunsthalle


Lager Lindele

Leben hinter Stacheldraht

25.10.18 3.3.19 Museum Biberach www.museum-biberach.de


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Xianwei Zhu in der Galerie Schrade – M ochental

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Rückkehr zu den Wurzeln


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Xianwei Zhu, Ausstellungsvorbreitung in der Nikolauskapelle, Galerie Schrade Schloss Mochental, Foto: Reiner Brouwer, 2018

Gewandert ist Xianwei Zhu im August und September viel. Durch die Landschaft rund um Schloss Mochental nahe Ehingen, wo es den berühmten Blautopf zu entdecken gibt, das Lautertal, die Donau, den „Blauen Steinbruch“. Letzterer, abgelegen und still mit grünem Baggersee, hat es dem Künstler besonders angetan. Xianwei Zhu, 1971 in Qingdao in China geboren, lebt seit rund 20 Jahren in Deutschland. An der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart hat er bei Professorin Cordula Güdemann Freie Malerei studiert. Davor, von 1989 bis 1996, lagen ein Studium der Kunsterziehung an der Hochschule Shandong und ein Postgraduiertenstudium der Malerei an der Kunstakademie China in Hangzhou. Jetzt, im Oktober 2018, ist ihm auf Schloss Mochental der 14. Franz-Joseph-Spiegler-Preis verliehen worden. Träger dieser Auszeichnung sind die Galerie Schrade und die Stadt Ehingen. Letztere fördert den Preis mit 4.000 Euro. ­G enau 49 Tage umfasst der Arbeitsaufenthalt für den auserwählten Künstler auf Schloss Mochental – genau so lange, wie Franz Joseph Spiegler (1691–1757), der als Hauptmeister der schwäbischen Barockmalerei gilt, einst für die Ausmalung der Mochentaler Nikolauskapelle benötigte. Was Xianwei Zhu in seiner Ausstellung unter dem Titel „Rückkehr zu den Wurzeln“ nun zeigt, sind sämtlich Werke aus diesem Zeitraum. In einer ersten Phase sei er viel gewandert, worauf hin er im ­A telier – ein einstiger Pferdestall als idyllisches Kleinod – ­Tuschezeichnungen angefertigt habe. Also nicht vor Ort, wie es von den großen deutschen Romantikern bekannt ist. Der Name Caspar David Friedrich kommt einem beim Anblick von Zhus atmosphärischen Stimmungsbildern schnell in den Sinn. Nicht nur der oft winzig klein inmitten der gewaltigen Landschaften dargestellten Figuren wegen, sondern auch weil die Wiedergabe von Licht, Luft, Wasser und Himmel Friedrichs melancholische Weiten assoziieren, in die es sich endlos schauen lässt. Ebenso schnell ist klar, dass hier einer dabei ist, zwei unterschiedliche Kulturen – chinesische Tuschemalerei und deutsche Romantik – zu verschmelzen. Doch so, dass sie erkennbar bleiben und ihre Wurzeln offenliegen. Von einer Multiperspektive spricht er. Gemeint sind die verschiedenen Blickachsen, die in die Tiefe und Höhe führen. Die den Raum einer Wasseroberfläche weit nach hinten öffnen, um gleich

oberhalb ein neues Motiv anzulegen. Dazwischen domi­ nieren freigelassene Flächen, die für die Leere stehen. Eine Fixierung auf einen bestimmten Punkt im Bild ist dadurch nicht möglich und auch nicht gewollt. Es beginnt eher ein optisches Wandern, etwa durch Zhus dreiteiliges Querformat „An der Quelle“, dessen Acrylfarben sich rechts zu den Felswänden des Donaudurchbruchs auftürmen. So gewaltig der Jurakalk bei Beuron in natura aufragt, so filigran wirkt sein Äußeres im Bild durch die sich überlagernden transparenten Malschichten. Besen und Tuschepinsel bringt Zhu zum ­Einsatz. Mittels Kohle Gezeichnetes evoziert spontane Leichtigkeit, wogegen gedeckte dunkle Töne Erdverbundenheit signalisieren. Vom „Ursprung“ spricht er, was auf Chinesisch „Yuan“ heißt und sich aus den drei Schriftzeichen für Wasser, Felsen und Brunnen fügt. Ursprung als ein Zurück zur Wurzel kann zugleich Tradition und Gegenwart bedeuten. Entlang dieser Schnittstelle bewegt sich Xianwei Zhus Malerei, deren Kraft und Poesie sich dem Moment verschrieben hat. BABETTE CAESAR

linke Seite: Xianwei Zhu, „Das Schloss Nr.1“, 2018, Acr yl auf Leinwand, 250 x 150 cm, Foto: Xianwei Zhu

Bis 25 . November 2018 Xianwei Zhu Rückkehr zu den Wurzeln

Alle Arbeiten © VG Bild- Kunst, Bonn 2018

1 4 . F ra n z - J o s e p h - S p i e g l e r- P r e i s t rä g e r G a l e r i e S c h ra d e , S c h l o s s M o c h e n t a l w w w . g a l e r i e - s c h ra d e . d e



155 Ute Stuf fer, Direktorin im Kunstmuseum Ravensburg

Aus der Sammlung heraus

ARTMAPP: Parallel zu der im September zu Ende gegangenen großen Werkschau „Bildlicht“ von Hermann Waibel haben Sie mit vier Filmen im Foyer ein neues Format installiert. Wie ist die ­Resonanz der Besucher, gerade auch der jüngeren, auf diese „Projektionen“? Ute Stuffer: Unter dem Titel „Projektionen“, der sowohl auf das Medium Film wie auch die Assoziationen der Besucher anspielt, haben wir nacheinander vier Filme von Künstlern verschiedener Generationen vorgestellt. Den roten Faden ­bildeten die großen Themen „Erinnerung“ und „Identität“, die in den Filmen von Kerry Tribe (USA), Jonas Mekas (Litauen), Hiwa K (Irak) und Christoph Girardet & Matthias Müller (Deutschland) auf unterschiedliche Weise verhandelt werden. Neue Formate brauchen in der Regel ein wenig Zeit, um ihr

Publikum zu finden. Bei der vierten Eröffnung dachte ich: „Jetzt ist die Filmreihe angekommen!“ Das war ein gutes ­Gefühl. Viele der Besucher haben jede Filmpräsentation mitverfolgt, Lust an der Diskussion und dem Begleitprogramm entwickelt – vor allem auch Studierende und junge Erwachsene aus der Umgebung. Die Beobachtungen haben mein Vorhaben bekräftigt, die Filmreihe auch in Zukunft in loser Folge fortzuführen, jeweils unter einem anderen thematischen Schwerpunkt. ARTMAPP: Gründungsdirektorin Nicole Fritz hat auf verschiedenen Wegen Werke aus der Sammlung Gudrun und Peter Selinka in die Wechsel­ ausstellungen einfließen lassen oder selbige zum Anlass genommen. Wie werden Sie mit der ­Vorgabe der Stiftung umgehen? US: Natürlich ist es für ein Museum sinnvoll, immer wieder aus der Sammlung heraus zu denken. Dazu gehört auch, künstlerische Positionen, die dem Publikum bislang nur ­anhand einzelner Arbeiten oder Werkkomplexe bekannt sind, in monografischen Ausstellungen vorzustellen, um grundlegende Themen, Fragestellungen, aber auch Entwicklungen innerhalb eines Œuvres nachvollziehbar werden zu lassen. Aus diesen Erfahrungen und der Wissensvermittlung entwickelt sich für die Besucher auf einer zweiten Ebene dann eine kenntnisreichere Beziehung zur Sammlung. Zugleich habe ich in der unteren Etage einen – im Vergleich zu den oberen – kleineren Raum einbauen lassen, der sich nicht nur ideal für Filmprojektionen eignet, sondern auch für intimere Präsentationen, um das Augenmerk beispielsweise auf kleinformatige Papierarbeiten oder selten gezeigte Perlen der Sammlung zu lenken. Da ich die vergangenen Jahre primär mit zeitgenös­ sischer Kunst gearbeitet habe, liegt mir der Dialog zwischen der Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts besonders am Herzen. So waren Werke aus der Sammlung Selinka Ausgangspunkt ­sowie Inspirationsquelle für eine thematische und generationsübergreifende Ausstellung für den kommenden Sommer. Und im Herbst 2019 wird dann ein zeitgenössisches Künstlerduo mit einem Künstler aus der Sammlung die Räume des Kunstmuseums bespielen.

Ute Stuffer, 2018, Foto: Kunstmuseum Ravensburg

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Die Kunstwissenschaftlerin Ute Stuffer hat im März 2018 die Nachfolge von Gründungsdirektorin Nicole Fritz im Kunstmuseum Ravensburg angetreten. Zuvor war sie zehn Jahre als Kuratorin am Kunstverein Hannover tätig. Jetzt im Süden Deutschlands angekommen, genieße sie die ­Bodenseeregion sowie die Nähe zur Schweiz und zu Österreich. Was sie b ­ ereits im Kunstmuseum bewegt hat und wie ihre nächsten Projekte aussehen, darüber sprach Babette Caesar für ­A RTMAPP mit der Kuratorin.


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Martha Jungwirth, „Istanbul“, 2017, Öl auf Karton, 160 x 195 cm, Sammlung Eric Freymond, Genf, Foto: Lisa Rastl, © VG Bild- Kunst, Bonn 2018

ARTMAPP: Worauf darf sich das Ravensburger Publikum während dieser Herbst- und Winter­ saison im Kunstmuseum freuen? US: Im Oktober starten wir mit einer umfassenden Einzelausstellung der österreichischen Malerin Martha Jungwirth. Für mich persönlich geht damit ein großer Wunsch in Erfüllung. 2014 hatte ich das Glück, ihre Retrospektive in der Kunsthalle Krems zu sehen – ein unvergessliches Seherlebnis, welches sich auch in ihrer Personale in der Albertina Wien eingestellt hat, die ich Anfang des Jahres im Rahmen eines Atelierbesuchs gemeinsam mit ihr angeschaut habe. Ihre farbmächtigen Bildwelten haben immer einen realen Ausgangspunkt, das heißt, sie sind durch Eindrücke von Reisen, Freunden, Gemälden oder medialen Abbildungen inspiriert. Dabei geht es Jungwirth gerade nicht um die Reproduktion des Erlebten, sondern vielmehr darum, die verschiedenen Wahrnehmungsebenen der Wirklichkeit in ein atmosphärisches Äquivalent aus Farb- und Formkompositionen zu überführen. Und es ist genau dieses Wechselspiel zwischen autonomer Malerei und gegenständlichem Bezug, Auf lösung und ­Verdichtung, das ihre Arbeiten so spannend macht. Jeder Pinselstrich, jeder Farbverlauf und jeder Klecks betont die Eigenweltlichkeit der Malerei und zugleich wird die Formierung der gegenständlichen Referenzen nicht ausgeschlossen. Sie hat selbst einmal beschrieben, dass es darum gehe, die ­r asche, f luide Welt der Bilder, die Erinnerungsfetzen, ein­ zufangen und der Malprozess beginne, wenn es gelingt, dass die innere und äußere Bewegung, die Körperbewegung,

zusammentreffen in einem Fluss, der nicht durch Reflexion gestört ist. Bei Jungwirth ist das Malen ein Experiment mit ­offenem Ausgang, das den kontrollierten Zufall einschließt. Schwerpunkt unserer Ausstellung sind Aquarelle, denn in diesem wässrigen, transparenten Medium fand sie von An­ beginn ihres Schaffens eine Technik, die den Eindruck steter Bewegung einzufangen vermag und ihrer Leidenschaft für ein nuancenreiches Kolorit entspricht. Porträts und Reisen sind hier die zentralen Themenkomplexe. Im November präsentieren wir dann ausgewählte Arbeiten von Pierre Alechinsky im Sammlungsraum im Erdgeschoss. Peter Selinka hat durch die Begegnung mit dessen Arbeiten Mitte der 1970er-Jahre seine Sammelleidenschaft für Künstler entwickelt, die – wie Alechinsky – der „CoBrA“-Bewegung angehörten und nachhaltig von ihr geprägt wurden. Die Linie und ostasiatische Einflüsse sind in seinen Arbeiten von zentraler Bedeutung, die von Zwitterwesen in tierischer und menschlicher Gestalt bevölkert werden. Ich denke, besonders im Vergleich mit den Arbeiten Jungwirths wird die jeweilige Spezifik der malerischen Positionen deutlich. Bis 2 4 . Februar 2019 Mar tha Jung wir th . Panta rhei P i e r r e A l e c h i n s k y . P rä s e n t a t i o n S a m m l u n g S e l i n k a w w w . k u n s t m u s e u m - ra v e n s b u r g . d e


Martha Jungwirth im Atelier, 2018 © Kunstmuseum Ravensburg

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Harald F. Müllers „­ Industriegebiet“, Singen am Hohent wiel

Kunst an der Haltestelle


159 Citius, altius fortius – größer, schneller, weiter ist das bekannte Motto der Olympioniken. Auch Kunst im öffentlichen Raum, so scheint es, sind keine Grenzen gesetzt. Harald F. Müller hat im Jahr 1998 gemeinsam mit Fabian Winkler, heute Professor für Kunst und Medien in den USA, in den Gängen der S-Bahn-Haltestelle „Industriegebiet“ mit 40.000 Kubikmeter Farbraum das größte und längste Kunstwerk der Stadt Singen errichtet. Jetzt wurde es nach einer aufwändigen ­Sanierung wiedereröffnet.

Oberbürgermeister Bernd Häussler im Gespräch mit Harald F. Müller anlässlich der Wiedereröffnung des Kunstprojektes „Industriegebiet“

In dieser Kunst am Bau (o. T.) wirken künstlerische Innovation und neueste Technologie kongenial zusammen – sowohl wird die kalte Zweckarchitektur des Nebenbahnhofs ­a ufgewertet als auch die Bedeutung des Areals für den ­W irtschaftsstandort Singen unterstrichen. Inspiriert von Frachtcontainern dachten Winkler/Müller nicht etwa in Farbflächen, sondern in Farbkörpern, wodurch der bewusst gesuchte Eindruck von schwarzen, weißen und roten Legosteinen entsteht.

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Alle Fotos: Guido Kasper


160 Die Simulation dieses Projekts wurde auf einem Silicon-­ Graphics-High-End-3-D-Grafikcomputer mit der Software „Softimage“ durchgeführt. Steven Spielberg brachte in seinem Science-Fiction-Film „Jurassic Park“ (1993) mit diesem System erstmals computergenerierte hyperrealistische Figuren in die Kinos. Im Industriegebiet Singens wurde diese digitale Technologie auf Architektur übertragen. Und wie sich zeigt, kann dieser zukunftsweisende Zugriff auch als Beispiel für interdisziplinäre Kooperationen gelten. Auf Interdisziplinarität legt Müller, der 400 Meter vom Haltepunkt „Industriegebiet“ entfernt sein Atelier hat, das er als „Möglichkeitsraum“ versteht, großen Wert. Der aus Karlsruhe stammende und in Singen lebende Künstler entwirft und realisiert seit zwei Jahrzehnten ­F arbkonzepte für bestehende Architekturen im öffent­ lichen Raum. Im R ­ ahmen des Kunstprojektes „Hier Da Und Dort“ zur Landesgartenschau schuf er im Jahr 2000 das Blowup „SINGEN“. Mitten im Zentrum, an der mehrspur igen H ­ aupt st raße, leuchtet der Name der St adt Autofahrern und Passanten von der Wand eines ehema­ ligen DRK-Gebäudes knapp und gleichzeitig ein wenig großspurig entgegen: n ­ eonpink strahlende Buchstaben (aus Holz) auf blau­schwarzem Grund. In seiner Leuchtkraft provoziert dieses „SINGEN“ das Sehen.

Die ortsbezogene Installation ist sowohl als Wandbild, als ­Reliefobjekt wie auch als frei schwebende Plastik lesbar. Die sechs Buchstaben liefern den Titel und sind geometrische Skulptur zugleich. Das dauerhaft angelegte Konzept­ kunstwerk entwickelt seine Wirkung vor allem aus dem Wechselspiel zwischen Ferne und Nähe: „Die Schrift führt von der Lesbarkeit aus der Ferne in die Abstraktion aus der Nähe“, erklärt Müller seine gestalterische Intention.


Singen steht zu Unrecht immer noch im Schatten des ­ ahen kulturellen Oberzentrums Konstanz. Aber die n „Hegau­metropole“ hat sich in den letzten Jahren als Stadt der Kunst einen Namen gemacht hat – nicht zuletzt durch den geglückten Aus- und Umbau des Kunstmuseums und der privaten Intervention „MAC – Museum Art & Cars“. „Für uns als Stadt Singen ist es besonders wichtig, dass die Kunst im öffent­l ichen Raum weiterhin erhalten bleibt“, sagte Oberbürgermeister Bernd Häussler, der auch das Kultur­r essort verantwortet, bei der Wiedereröffnung des Kunstprojektes „Industriegebiet“.

Harald F. Müller, der den Haltepunkt „schon abgeschrieben“ hatte, dankte herzlich. Er hat bereits ein drittes Werk für den Stadtraum Singens im Kopf: die Skulptur „Diamond Grade“. Eine monumentale, auf das Kunstmuseum verweisende Wegmarke, die zugleich als Wegweiser in die Zukunft der Kulturstadt Singen verstanden werden darf … SIEGMU N D KOPITZKI

w w w . s t ra t o z e ro . n e t

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James Turrell

Dem Himmel so nahe J a m e s Tu r r e l l h a t im รถste r re ichi sche n L ech am Arlbe rg e i n e n b e g e h b a r e n L i c h t ra u m in 1.780 Meter n Hรถhe geschaf fen.

Skyspace - Lech von James Turrell, Fotos: Florian Holzherr


Zuletzt gab James Turrell, US-amerikanischer Raum- und Lichtkünstler, im Museum Frieder Burda in Baden-Baden ein Gastspiel. Dort war Altes und Neues zu sehen. Obwohl der Mann auf die 80 zugeht, kann er es nicht lassen, sein Werk zu vergrößern. Weltweit hat er 75 „Skyspaces“ realisiert, seit 40 Jahren arbeitet er an seinem Opus magnum, dem Roden Crater in der Wüste von Arizona. Turrell erschafft eine Kunst, von der er selbstbewusst sagt, dass sie nicht von Licht handle, sondern sie sei Licht; er beleuchte auch nichts, er forme Licht, sodass man dessen Präsenz fühlen könne. Und das ist so. Sein in jeder Hinsicht helles Werk, auch wenn es am Ende reine Physik ist, entwickelt in der Wahrnehmung des Zuschauers ein Eigenleben. Es appelliert an dessen Sinne. Die Werke lassen sich auf der Haut spüren, ja, sie lassen sich einatmen. Der Besucher seiner Kunst wandert voller Andacht in Räumen ohne Grenzen. Oben und Unten lösen sich auf. Ach, süßer Schlaf … Nur gut andererseits, dass er, der Besucher, nicht hinter den Vorhang blicken kann, der die Computer und geschliffenen Linsen verdeckt, die das tolle Lichterfest ermöglichen. Die Illusion wäre dahin. Mit seinen Zauberschauen hat Turrell bisher ein Millionenpublikum erreicht. Als Guru versteht sich der Magier mit weißem Vollbart, der einer strenggläubigen Quäkerfamilie entstammt, dennoch nicht. Sein allerneuestes Werk ist der „Skyspace-Lech“ am Arlberg. Er wurde im Herbst 2018 eröffnet – der Künstler via Skype zugeschaltet. Der „Skyspace-Lech“ ist ein begehbares Kunstwerk, „das seinen Besuchern einzigartige visuelle Erfahrungen bringen und die Kunstwelt bereichern wird“. So optimistisch tönte es bereits früh in einer Medienmitteilung. Die ersten Skizzen erarbeitete Turrell 2014 nach einem Besuch in Lech. Oberhalb der Alp Tannegg, auf 1.780 Metern Höhe, fand er

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James Turrell, Foto: Maria Muxel

einen geeigneten Ort für das Projekt. Der Blick hinüber zum pyramidenförmigen Gipfel des Biberkopfs und auf die erste Walsersiedlung hatte tiefen Eindruck auf den „Maler des Lichts“ gemacht. Das Bludenzer Architektenbüro Baumschlager Eberle setzte seine Skizzen in Baupläne um. Zwei Jahre, jeweils während der Sommermonate, wurde am 1,5 Millionen Euro teuren „Skyspace Lech“ gearbeitet. Turrell war der Einladung des Vereins „Horizon Field“ gefolgt, der im Zusammenhang mit dem gleichnamigen Land-Art-Projekt des britischen Künstlers Antony Gormley gegründet worden war. Dessen „Horizon Field“ bestand aus einer Installation von 100 mannshohen Eisenmännern, die auf einer horizontalen Ebene jeweils in 2.039 Metern Höhe im Lechquellengebirge standen. Die Installation umfasste ein Gebiet von 150 Quadratkilometern. Ein Riesending. Aus verschiedenen Gründen, nicht zuletzt auch aus finanziellen, mussten die Eisenmänner nach dreijähriger Standzeit 2012 wieder abgebaut werden. Lediglich eine Figur am Kriegerhorn erinnert noch an die Aktion. Dagegen mutet Turrells „Skyspace-Lech“ eher minimalistisch an. Allerdings hat das Kunstwerk – im Unterschied zum „Horizon Field“ – kein Ablaufdatum. Letztlich aber hatte die Initiative des Vereins dazu geführt, dass sich Turrell für das Projekt erwärmen konnte. Mit der Bausteinaktion „A piece of Heaven“ wurde das Projekt mit 250.000 Euro unterstützt. Aber auch das Land Vorarlberg und der Kunstverein engagierten sich für „Skyspace-Lech“ sowie die örtlichen Touristiker, die sich immer wieder neue Attraktionen ausdenken. Dazu gehört etwa die temporäre Kunstinstallation „Türe“ am „Grünen Ring“ in Lech Zürs: neun Türen, gestaltet von neun internationalen Künstlern, sind an der Wanderroute an unterschiedlichsten Stellen platziert. Es geht dabei um virtuelle Grenzen und Linien, um Geschichten, transzendente Wahrnehmung und um bewusstes Betreten und Verlassen von (Außen-)Räumen.


Turrells unterirdisch in eine Landschaftskuppe integrierter „Skyspace-Lech“ misst 9 x 6 Meter, er ist fünf Meter hoch. Zugang gewährt ein 15 Meter langer Tunnel, dessen Blickachse auf den imposanten Biberkopfgipfel ausgerichtet wurde. Der mystische Lichtraum mit Platz für maximal 30 Besucher besitzt eine spezielle Kuppel, die sich öffnen lässt. Durch eine ellipsenförmige, an ein überdimensioniertes Auge erinnernde Öffnung lässt sie den Himmel für den Betrachter nahezu plastisch erscheinen. Das einfallende natürliche Licht, insbesondere während der Dämmerung, sorgt für wechselnde Stimmungen. Erstmalig realisierte Turrell in dem Auszeitdorf Lech eine Kombination aus „Skyspace“ und Farbfeldraum. Neben dem betörenden Blick in den Himmel taucht der Besucher auch bei geschlossener Kuppel in eine großartige Lichtarchitektur ein, die sich aus verschiedenen komponierten Farbabläufen zusammensetzt. Die Luft wird gleichsam stofflich, zu einem wunderbar intensiv leuchtenden Material. „Skyspace-Lech“ ist aber auch Schweigeraum, ein Ort der Entschleunigung und Erholung. Und: Er ist für Besucher sogar im Winter zugänglich.

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SIEGMU N D KOPITZKI

www. sk yspace-lech. com

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James Turrell wurde 1943 in Pasadena (Kalifornien/USA) als Sohn einer streng religiösen Quäkerfamilie geboren. Der Pazifist und Kriegsdienstverweigerer studierte Psychologie und Mathematik, bevor er einem Kunststudium nachging. In den 1960er-Jahren begann er, sich mit dem Thema Licht zu beschäftigen, was ihn am Ende zum bedeutendsten Lichtkünstler weltweit werden ließ. Turrell lebt mit seiner dritten Frau Kyung Lee in Flagstaff (Arizona/USA).


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Schweizer Surrealismus im Aargauer Kunsthaus

Grandiose Reise in die Nacht F a n t a s t i s c h , t rä u m e r i s c h u n d ü b e r ra s c h e n d d ü s t e r : D i e A u s s t e l l u n g „ S u r r e a l i s m u s S c h w e i z“ i m A a r g a u e r K u n s t h a u s b e l e u c h t e t e i n

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wenig bekanntes Kapitel der Schweizer Kunstgeschichte.

Die Pelztasse von Meret Oppenheim zählt zu den bekann­ testen Objekten des Surrealismus. Auch der junge Alberto Giacometti zählte kurzzeitig zu jenen Kreisen. Doch obwohl Kunstschaffende aus der Schweiz prägende Arbeiten der um 1920 in Paris entstandenen Kunstrichtung schufen, spricht man nicht von einem Schweizer Surrealismus. Die ordent­ liche, bodenständige Schweiz und der Surrealismus mit seiner Lust am Irrationalen und Unkontrollierbaren, das lässt sich nur schwer zusammendenken. Das sahen auch die Zeit­ genossen so. Die konservative Schweizer Gesellschaft der 1930er- bis 1960er-Jahre lehnte den Surrealismus ab. Sie wünschte eine aufgeräumte, frohgemute Kunst, in der sich Liebe zur Natur und zur Tradition spiegelte und die keine ­t rüben Gedanken aufkommen ließ. Mit einigen Bespielen dieser „ordentlichen“ Kunst ­beginnt die Ausstellung „Surrealismus Schweiz“, die Peter ­Fischer und Julia Schallberger im Aargauer Kunsthaus eingerichtet haben. Eine didaktische, aber clevere Geste: Zwei, drei Werke – etwa Jakob Probsts stattlicher „Schweizer Typ“ in Bronze und Plinio Colombis idyllischer „Bergwinter“ in Öl– genügen, um eine gewisse Zeitstimmung zu evozieren. Und sie lassen erahnen, wie beunruhigend der Surrealismus seinerzeit gewirkt haben muss mit seinen Traumgebilden und seinen dunklen, destruktiven Fantasien. Der Surrealismus begann in der Schweiz etwas später als in Frankreich. Man schielte zwar nach Paris hinüber, doch war das Auf kommen der neuen Kunstrichtung nicht ohne Vorläufer im eigenen Land. Paul Klee und Hans Arp zum ­Beispiel waren mehr am Unbewussten als an Bergpanoramen interessiert. Der Ausstellungsparcours entwickelt sich als eine Art Reise in die Nacht – mit enormer Sogwirkung. Staunend tappt man durch die Säle, entdeckt die Macht des Zufalls, Seelenlandschaften, Traum und Tod in Werken bekannter und weniger bekannter Kunstschaffender. Hier und da stößt man auch auf einige Positionen der Gegenwartskunst. Die ­Beschäftigung mit dem Unbewussten wirkt fort.

Wunderbar ist das Wiedersehen mit Otto Tschumis Lithografieserie der „Phantasmagorien“, die einem sublim-makaberen Bilderbuch entnommen scheinen. Erschreckend sind die gemalten Allegorien auf politische und psychische Abgründe, wie sie sich in bizarren Landschaften von Walter Kurt Wiemken, Max von Moos, Gérard Vulliamy und anderen finden. Es zählt zu den Überraschungen der Kunstgeschichte, dass ausgerechnet in der vom Krieg verschont gebliebenen Schweiz einige der düstersten Werke des Surrealismus entstanden. Es gibt aber auch bezaubernde Begegnungen. Der ­G enfer Künstler Jean Viollier zum Beispiel lässt in seinem ­G emälde „Méditations genevoises“ zwei skizzenhafte Frauenfiguren und ein detailliertes Landschaftsbild, eine reale und eine fantasierte Welt, miteinander verschmelzen. Beglückend ist auch eine Arbeit von Pipilotti Rist: In einer Kunstver­ packungskiste hat sie ein Miniaturschlafzimmer eingerichtet. Ein riesiger Vollmond steht in der Zimmerecke und wirkt wie aus dem Weltraum gepflückt. Über die Wände gleiten d ­ erweil Videoprojektionen wie Träume. Am Ende des Rundgangs – und das ist sehr klug eingerichtet – kehrt man in den ersten Raum mit seinen Heile-Welt-Bildern zurück und reibt sich verwundert die Augen, als kehre man zurück aus fernen Galaxien. ALICE HENKES

Bis 2 . Januar 2019 Sur reali smu s Schwe i z A a r g a u e r K u n s t h a u s , A a ra u www. aargauerk unsthau s. ch

rechte Seite: Max von Moos, „Schlangenzauber“, 1930, Tempera und Öl auf Karton, 81 x 54 cm, Privatbesitz, Foto: SIK- ISEA Zürich, © VG Bild- Kunst, Bonn 2018



Reiner Seliger, Deutschland, Gruppe: ohne Titel, „Sesto“ und „Siena“, Ziegel, Stahl und Mörtel, Foto: Sara Foser, Foto Fetzer, © Bad RagARTz 2018

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Ein grossARTiger Kunstsommer ist zu Ende. Aber: Nach der Triennale ist vor der Triennale. Die Bad RagARTz freut sich auf ein einzigARTiges 2021! „Es war wirklich berührend“, berichtet Rolf Hohmeister, Arzt und geistiger Vater der Schweizerischen Triennale der Skulptur, „wie viele Menschen aus der ganzen Welt in diesem Sommer den Weg zu uns nach Bad Ragaz gefunden haben!“ Tatsächlich: War schon die 6. Triennale im Jahr 2015 mit mehr als einer halben Million Besucher ein Riesenerfolg, so schlägt die Bad RagARTz 2018 alle Rekorde und schreibt die Erfolgsgeschichte dieses einzigartigen Ausstellungskonzepts fort: Selbst an normalen Wochentagen spazierten täglich Tau­ sende kunstinteressierter Besucher durch die gigantische Skulptureninstallation in den Parks und Straßen der kleinen, aber feinen sankt-gallischen Kurgemeinde.

H AU T N A H U N D S C H W E L L E N F R E I

Eigentlich auch kaum verwunderlich: Denn 77 Künstler aus aller Herren Länder zeigten insgesamt 450 Werke und er­ öffneten dem Publikum einen weltweit einzigartigen Raum, die Kunst in all ihren Facetten hautnah und schwellenfrei zu erleben. Betrachten, berühren, sich berühren lassen und gemeinsam über Kunst sprechen: Das ist das Konzept der Bad RagARTz. Und dieses funktioniert sichtlich: Kaum eine Skulptur oder eine Plastik, vor der sich nicht tagtäglich Menschentrauben versammelten, um angeregt über das Gesehene zu debattieren, zu kritisieren und sich inspirieren zu lassen.


169 I N S P I R AT I O N , B E W U N D E R U N G U N D R E S P E K T

„Das ist es, was wir uns wünschen“, so Esther Hohmeister, die bei der Bad RagARTz vor allem für die Organisation und die Inhalte der unzähligen Führungen verantwortlich zeichnet, „dass die Kunst die Menschen in ihren Bann zieht und Diskussionen auslöst.“ Denn, so Esther Hohmeister weiter, nur auf diese Weise könne sich eine Kultur weiterentwickeln: in der gemeinsamen Diskussion. Nur so entstehen Bewunderung und Respekt vor dem Werk des anderen und damit vor dem anderen Menschen selbst.

M E HR A L S 500 F Ü HRU NGE N U N D WO R K S H O P S F Ü R K I N D E R

„Deshalb ist es ebenso schön wie wertvoll, dass es unseren Vermittlerinnen und Vermittlern immer wieder gelingt, in den Führungen und Workshops auch die Kinder zwanglos und interaktiv an die Kunst heranzuführen. Stellen Sie sich vor: Mehr als 500 Angebote allein für Kinder haben wir in ­d iesem Sommer organisiert und damit der kommenden ­G eneration die Augen und die Herzen geöffnet“, sagt Rolf Hohmeister freudestrahlend.

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KEINE ZEIT FÜR TR ÄNEN: VO R F R E U D E AU F 2 0 2 1

Und so ist kaum zu glauben, dass nun schon wieder die ­Sat­telschlepper vorfahren, um die rund 2.500 Tonnen Kunst, welche für die 7. Triennale nach Bad Ragaz gebracht worden waren, einem neuen Bestimmungsort zuzuführen. Zeit, die eine oder andere Träne in den nahen Rhein zu entlassen, bleibt den engagierten Organisatoren und ­i hrem Team allerdings kaum: Denn nach der Triennale ist vor der Triennale. Bereits jetzt stapeln sich die Bewer­ bungs­dossiers und Pläne für die Bad RagARTz 2021 in der heimischen Küche. ANDRIN SCHÜTZ

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Ron Mueck, „Almost Alive“ @ Kunsthalle Tübingen

B e r l i n, Ku n s t ka p i t a l e! Re c l a i m t h e s t r e e t s! D a e i n e p i n ke I n s t a l l a t i o n, d o r t e i n o f f e n e s G a l e r i e a t e l i e r. A r t l o v e r s a u f O r i e n t i e r u n g s s u c h e i m S o c i a l -W h a t s A p p - D s c h u n g e l i m Ta x i g e n V i c t o r i a B a r o d e r P r e n z l a u e r B e r g z u r M a r i e n b u r g. A l l e s s u p e r! D i n n e r? D i e N a c h t i s t j u n g, l a s s t u n s L e g e n d e n s t r i c ke n. O u t o f I n s t a g r a m. „T h e M o m e n t i s E t e r n i t y “ – d i e b i s 1. A p r i l 2019 i m m e C o l l e c t o r s Ro o m p r ä s e n t i e r t e, v o n A n n e t t e K i c ke n k u r a t i e r t e A u s s t e l l u n g aus der Sammlung Olbricht ist Of fen ­ Olivia Berckemeyer, „Computerliebe“ @ Brunnenstraße, Berlin

b a r u n g u n d Ve r n e i g u n g, g l e i c h s a m E r h o l u n g v o n Ko n z e p t e n. B i r g i t B r e n n e r „ D e e p S l e e p“ r ü t t e l t w a c h

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Lee Bul, „Crash“ @ Martin- Gropius- Bau, Berlin

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A R T M A P P   W I N T E R 2 018/19 — A M R E I O N T O U R

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Te r min e f ü r En t d e c ke r

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Ahrenshoop

Bad Frankenhausen

Bad Homburg

„Nach dem nördlichen Eismeer zu sehe ich noch eine kleine Tür.“ Schiffswege von Künstlern und Literaten ins Exil (1933–1941) 1.12.2018 – 7.4.2019 Eröffnung 30.11.18, 18 Uhr Kunstmuseum Ahrenshoop

Paul Citroen Der Mensch vor der Kunst bis 10.2.2019 Panorama Museum

AUSSICHT – EINSICHT BLICK DURCHS FENSTER 9.12.2018 – 3.3.2019 MUSEUM SINCL AIR-HAUS

Paul Citroen (1896–1983) studierte zwischen 1922 und 1924 am Bauhaus in Weimar. 1933 gründete er mit Charles Roelofsz in Amsterdam die Nieuwe Kunstschool, eine private, an der deutschen Ausbildungsstätte orientierte Kunstakademie, an der er namhafte Dozentinnen und Dozenten versammelte. Ab 1935 arbeitete Citroen gleichzeitig als Lehrer an der Kunstakademie Den Haag, wo er dem Bauhaus weiter verpflichtet blieb und wichtige Impulse für die Entwicklung der niederländischen Kunst gab. Zum Bauhausjahr 2019 zeigt das Panorama Museum eine Übersichtsschau mit rund 80 Werken des Künstlers, die den Weg von Weimar in die Niederlande nachzeichnen und seine Entwicklung eindringlich dokumentieren. Die Ausstellung, entstanden in Kooperation mit dem Museum de Fundatie in Zwolle und Heino/Wijhe in den Niederlanden, zeigt den Künstler vor, in und mit der Kunst. ☞ Panorama Museum Di–So 10–17 Uhr Am Schlachtberg 9, 06567 Bad Frankenhausen T +49 (0) 34671 6190 www.panorama-museum.de

Seitdem der Mensch sich in Bauwerken von der Natur abschirmt, nimmt das Fenster eine bedeutende Rolle in der visuellen Wahrnehmung der Welt ein. Als vermittelnde Schwelle, als Rahmen gibt das Fenster einerseits ausschnitthaft die Umgebung preis und erlaubt andererseits Einblicke in Intimität und Privatsphäre. Als Kontaktpunkt zur Außenwelt ist das Fenster maßgeblich an unserer Beziehung zu Landschaft und Natur beteiligt, mehr noch, es ist nötig, um die Größe unserer Umwelt überhaupt „fassen“ zu können. Die zeitgenössische Kunst tastet sich von innen und von außen an diese Öffnung heran, erkundet Grenzen und Durchlässigkeit. Auch die Wirklichkeit der Natur, die auf „der anderen Seite“ liegt, wird hinterfragt. Das Museum Sinclair-Haus zeigt anlässlich seiner Wiedereröffnung zeitgenössische Filme, Fotografien, Installationen, Gemälde, Zeichnungen und Scherenschnitte rund um das Thema „Fenster“. ☞ MUSEUM SINCL AIR-HAUS Di 14–20 Uhr, Mi–Fr 14–19 Uhr, Sa/So 10–18 Uhr 25./26.12./1.1. 12–18 Uhr Geschlossen 24./31.12. Löwengasse 15, Eingang Dorotheenstraße, 61348 Bad Homburg v. d. Höhe T +49 (0) 6172 404-120 www.museum-sinclair-haus.de

Von den Nationalsozialisten verfolgt, verließen sie ihre Heimat Richtung Palästina, nach England, Skandinavien, in die USA oder nach Südamerika: Künstler und Literaturschaffende, unter ihnen George Grosz und Tisa von der Schulenburg, Else Lasker-­S chüler, Lea Grundig, Mascha Kaléko, Oscar Zügel, Bert Brecht und Helene Weigel, Arnold und Beatrice Zweig sowie Anna Seghers. Fast alle reisten vor 1933 zur Sommerfrische an die mecklenburgische und pommersche Ostseeküste. Oder weilten später in Ahrenshoop. Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen bislang in der Exil-Forschung eher vernachlässigte Fragen: Auf welchen Schiffen und von welchen Häfen aus reisten sie ins Ungewisse? Wer half ihnen bei der Beschaffung von Pässen, Visa und Schiffstickets? Wo gab es finanzielle Unterstützung? Wie verliefen die Überfahrten? Historischen Ansichten der jeweiligen Schiffe, Abfahrts- und Ankunftshäfen sollen die Schiffswege skizzieren – ergänzt von Gemälden, Zeichnungen, Aquarellen, Romanpassagen, Gedichten, deren Motive und Themen Einblicke in das jeweilige Exilschicksal gewähren. ☞ Kunstmuseum Ahrenshoop Di–So 10–17 Uhr Weg zum hohen Ufer 36, 18347 Ostseebad Ahrenshoop T +49 (0) 38220 6679-0 www.kunstmuseum-ahrenshoop.de

Aino Kannisto, „Untitled“ (Sauna Window), 2015 © Aino Kannisto, Courtesy: Galerie m, Bochum

Paul Citroen, „Porträt von Heinz Aron“, 1922, Öl auf Leinwand (Marouflé), 40 x 32 cm, Museum de Fundatie (Sammlung der Provinz Overijssel), Zwolle und Heino/ Wijhe, Niederlande, © VG Bild-Kunst, Bonn 2018

Else Lasker-Schüler (1869–1945), „Chaluzim kommen aus den Orangenhainen“, um 1935, Ent wurf für das Frontispiz des Buches „Hebräerland“, Bleistift und farbige Kreide auf Pergamin, 27,3 x 21,1 cm, Foto: Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft, Wuppertal


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Berlin

Das Eröffnungsfestival 100 Jahre Bauhaus vom 16. bis 24. Januar 2019 in der Akademie der Künste, Berlin bildet den Auftakt der bundesweiten Feierlichkeiten zum 100-jährigen Gründungsjubiläum des Bauhauses. Die herausragenden historischen Zeugnisse des Bauhauses werden neu gedacht - und zur Vorstellung gebracht. Ganz im Geiste des Bauhauses präsentiert sich das Eröffnungsfestival unter der künstlerischen Leitung von Bettina Wagner-Bergelt mit einer Vielzahl von Formaten – vom Konzert über Ausstellungen, Performances über den Diskurs bis hin zum Fest. Denn Oskar Schlemmer, Wassily Kandinsky, László Moholy-Nagy und Paul Klee liebten nicht nur die Kunst, sondern auch das Feiern. In der Virtual Reality-Installation „Das totale Tanztheater“ (UA) wird der weltweit gefragte Choreograf Richard Siegal in Zusammenarbeit mit der Interactive Media Foundation Zuschauer und Bühnengeschehen miteinander verschmelzen lassen. ☞ Akademie der Künste Ausstellungshallen täglich 10–20 Uhr Vorstellungstermine unter www.bauhausfestival.de Hanseatenweg 10, 10557 Berlin T + 49 (0)30 200 57 1000 www.bauhausfestival.de

Saul Leiter. David Lynch. Helmut Newton: Nudes 1.12.2018 – 19.5.2019 Helmut Newton Stiftung Museum für Fotografie Es ist das erste Mal in der Geschichte der Helmut Newton Stiftung, dass sich eine Ausstellung ausschließlich dem Genre Akt widmet. Saul Leiter inszenierte parallel zu seiner Modefotografie und seinen Farbabstraktionen, die seit den 1950er-Jahren in New York entstanden, auch Akt im Studio. Diese zu Lebzeiten unveröffentlichten, stillen und intimen Schwarz-Weiß-Aufnahmen sind subtile, ja gerade schüchterne Annäherungen an das Wesen und an den Körper einer Frau. Eine ähnliche Bildstimmung begegnet man bei den Aktaufnahmen von David Lynch, die ein halbes Jahrhundert später, vor allem in Lodz und Los Angeles entstanden sind. Es sind abstrakte Körperbilder, häufig vollformatige Details, die man erst auf den zweiten Blick mit einem menschlichen Körper in Verbindung bringt. Neben seiner Modebildproduktion schuf Helmut Newton seit den 1970er-Jahren im Akt-Genre ein unvergleichliches Werk voller subtiler Verführung und zeitloser Eleganz. Die jetzige Präsentation vereint 60 seiner Ikonen sowie etwa 40 bislang ungezeigte Werke aus dem Stiftungsarchiv. ☞ Helmut Newton Stiftung Museum für Fotografie Di/Mi/Fr–So 11–19 Uhr, Do 11–20 Uhr Jebensstraße 2, 10623 Berlin T +49 (0) 30 318 648 56 www.helmutnewton.com

Christiane Möbus: Holzauktion | Sunah Choi: Skala bis 25.11.2018 Museum Nikolaikirche Hannah-Höch-Preis und Hannah-Höch-Förderpreis des Landes Berlin 2018 Das Museum Nikolaikirche wird in diesem Herbst erneut zu einem Ort der zeitgenössischen Kunst. Nach der spektakulären Installation LOST WORDS von Chiharu Shiota im vergangenen Jahr zeigen nun gleich zwei Künstlerinnen ihr Werk im ältesten Gebäude Berlins. Anlass für die Ausstellung von ­C hristiane Möbus ist die Auszeichnung mit dem ­H annah-Höch-Preis des Landes Berlin 2018. Mit diesem bedeutenden Kunstpreis wird die Künstlerin für ihr Lebenswerk geehrt. Christiane Möbus erschafft seit 1970 mit ihren Installationen, Performances, Fotoarbeiten, Filmen und Texten poetische Sinnbilder, die stets auf existentielle Themen verweisen. Unter dem Titel „Holzauktion“ zeigt die Bildhauerin und Objektkünstlerin eine Reihe älterer, neuerer und neuester Arbeiten im Kirchenschiff. Die mit dem Förderpreis ausgezeichnete Sunah Choi erschafft multi­ mediale Skulpturen. Im Turmfuß der Nikolaikirche zeigt sie eine Installation mit dem Titel „Skala“. ☞ Museum Nikolaikirche täglich 10–18 Uhr Nikolaikirchplatz, 10178 Berlin www.stadtmuseum.de/hannah-hoech-preis

Christiane Möbus, „Männersache“ , 2018, Foto: Michael Setzpfandt © Christiane Möbus / VG Bild-Kunst, Bonn 2018

Das totale Tanz Theater, Foto: Interactive Media Foundation Helmut Newton, „Jenny Capitain, Pension Florian, Berlin“, 1977 © Helmut Newton Estate

A R T M A P P   W I N T E R 2 018/19 — T E R M I N E V O N A A C H E N B I S Z Ü R I C H

100 jahre bauhaus. Das Eröffnungsfestival Konzerte, Theater, Tanz, Performance, Installationen, Workshops Eine Initiative der Bauhaus Kooperation Berlin Dessau Weimar 16. – 24.01.2019 Festakt Eröffnung am 16.1.2019 Akademie der Künste, Hanseatenweg


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Bietigheim- Bissingen

LE CORBUSIER – DRUCKGRAPHIK bis 21.12.2018 GALERIE KORNFELD BERN Le Corbusier (1887–1965) gilt als einer der bedeutendsten Vertreter der Architektur und ihrer Theorie im 20. Jahrhundert. Sein vielfältiges Werk umfasst neben der Baukunst aber auch Malerei, Skulptur, Graphik und Möbeldesign. Wir freuen uns, eine Auswahl aus dem graphischen Oeuvre des Künstlers zu zeigen, darunter farbige, zum Teil handsignierte Lithographien, Kupferstiche und Rhodoid-Gravuren sowie Portfolios – Drucke, die ab den 60er Jahren von der Kunstvermittlerin Heidi Weber verlegt wurden. Bereichert wird die Ausstellung durch einzelne Möbelstücke wie Fauteuils, Sofas, Stühle und Tische aus der berühmten LC-Serie, die heute zu den Designklassikern der Moderne zählen. In Zusammenarbeit mit Teo Jakob. ☞ Galerie Kornfeld Bern Mo–Fr 14–17 Uhr, Sa 10–12 Uhr Laupenstraße 41, CH-3008 Bern T +41 (0)31 381 46 73 www. kornfeld.ch

Museumsnacht Bern 19 22.3.2019 Wenn die historischen Gebäude des UNESCO Weltkulturerbes in farbigem Licht erstrahlen und Kulturinteressierte aus dem ganzen Land durch die Straßen der Bundeshauptstadt strömen, ist es wieder soweit: die Musemsnacht Bern lädt zur Erkundungsreise durch Kunst, Kultur und Wissenschaft. Am 22. März 2019 öffnen um die 40 Museen und Kulturinstitutionen der Stadt für eine Nacht ihre Tore für Groß und Klein. Vom Botanischen Garten über das Museum für Kommunikation bis hin zum Zentrum Paul Klee setzen sie sich alle in Szene. Ob Konzert, Ausstellung, Poetry Slam oder Lesung; für 25 Franken entdecken Erwachsene ein buntes Programm aus kulturellen und kulinarischen Leckerbissen. Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren ­p rofitieren von einem kostenlosen MINI-Ticket. Wer nicht von Haus zu Haus flanieren mag, der fährt. Shuttle-Busse bringen die Nachtschwärmerinnen und Nachtschwärmer vom Bundesplatz in alle Richtungen. Zudem steht der öffentliche Verkehr in den Zonen 100/101 gratis zur Verfügung. ☞ www.museumsnacht-bern.ch

Revolution (Make-up) Palette Simone Westerwinter – eine Werkschau bis 13.1.2019 Studioausstellungen: Luisa Richter: Variationen einer fixen Idee bis 17.3.2019 Matthias Gnatzy: Die vier Kammern des Herzens bis 31.3.2019 Städtische Galerie Bietigheim-Bissingen Mit der Ausstellung „Revolution (Make-up) Palette“ plant Simone Westerwinter keinen Umsturz im Museum, sondern gibt einen umfassenden Einblick in ihr fast 30-jähriges, medial und stilistisch breit gefächertes Schaffen. Für Performances greift die Künstlerin beispielsweise Themen wie Boxen und Zuckerwatte oder Clownerie und Polonaise auf. Für die Bodenarbeit „Picknickdecke“ knüpft sie an die Konkrete Kunst an und verbindet sie wiederum mit angewandter Kunst und Design. Daneben entwickelt sie mit einem „JA“ und Regenbogenfarben die Farbfeldmalerei weiter. Simone Westerwinter bezieht sich auf kunsthistorische Traditionen und fügt neue, revolutionäre Gesten hinzu – etwas Schräges aus der Palette der Möglichkeiten, auf der Skala zwischen Make-up und Revolution, von sanft bis kühn, von rot bis grün, von grell bis pastell. Simone Westerwinter lebt wie Matthias Gnatzy (*1948) im Künstlerstädtchen Besigheim, wo auch Luisa Richter (1928–2015) geboren wurde. Diesen beiden Kunstschaffenden sind die kleinen, feinen Studioausstellungen gewidmet. ☞ Städtische Galerie Bietigheim-Bissingen Di/Mi/Fr 14–18 Uhr, Do 14–20 Uhr, Sa/So/26.12./1.1./6.1. 11–18 Uhr, Geschlossen 24./25./31.12. Hauptstraße 60–64, 74321 Bietigheim-Bissingen T +49 (0) 7142 74-483, -819 galerie@bietigheim-bissingen.de

Le Corbusier, „Taureau XVII“, 1963, farbige Lithographie, 71 x 52 cm, signiert und nummeriert, © FLC / 2018, ProLitteris, Zurich Museumsnacht Bern, Foto: Linus Bill

Simone Westerwinter, „REVOLUTION (M AKE-UP) PALET TE“, Nr. 1 von 2, 2018, Foto: Jürgen Altmann

A R T M A P P   W I N T E R 2 018/19 — T E R M I N E V O N A A C H E N B I S Z Ü R I C H

Bern


Eine Retrospektive zum 150. Geburtstag Landesmuseum Hannover 28.9.2018 bis 24.2.2019

Franz Radziwill, Wilhelmshaven/Werft von Wilhelmshaven, 1928, Öl/Lwd./Sperrholz, 95 × 115 cm © VG Bild-Kunst, Bonn 2018. Von der Heydt-Museum, Wuppertal

max slevogt Radziwill und die GeGenwaRt

Landschaft, Technik, Medien 22. Sept. 2018 bis 13. Januar 2019 Kunsthalle Emden

Audioguide deutsch/nederlands Führungen · Museumsshop Cafe Henri‘s · Malschule Raumvermietung Die KunsthalleDie wird Kunsthalle gefördertwird durch Die gefördert Kunsthalledurch wird gefördert durch

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Die Ausstellung Die wird Ausstellung gefördertwird Die durch Ausstellung gefördert durch wird gefördert durch

Kulturpartner Kulturpartner

Öffnungszeiten Di bis Fr 10 bis 17 Uhr, Sa, So/Feiertage 11 bis 17 Uhr Jeder erste Di/Monat 10 bis 21 Uhr (Langer Kunstabend) Mo sowie 23., 24., 25. und 31.12. geschlossen Zweiter Weihnachtstag und Neujahr geöffnet Kulturpartner

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Burgrieden

Eberdingen

Halle

Magie und Ritual + Benedikt Hipp bis 10.2.19 Museum Villa Rot

Enrico Bach, Franziska Holstein. Ayan Farah. bis 21.12.18 Aus der Südsee 20.1. - 10.6.2019 KUNSTWERK – Sammlung Klein

Gustav Klimt bis 6.1.2019 Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale)

Die Ausstellung „Enrico Bach, Franziska Holstein. Ayan Farah.“ präsentiert drei junge Positionen abstrakter Malerei aus der Sammlung Klein. 2019 bieten die Ausstellungen im KUNSTWERK einen Blick auf traditionelle und zeitgenössische Werke aus dem pazifischen Raum. Das erste Halbjahr ist Neuseeland und den polynesischen Inseln gewidmet. Bedruckte und bemalte Rindenstoffe, sogenannte „Tapa“ aus Samoa, Fiji, Tonga und Niue werden zusammen mit Gemälden der neuseeländischen Künstler Darryn George und John Pule präsentiert, die in ihrer Kunst traditionelle Elemente aufgreifen. ☞ KUNSTWERK – Sammlung Klein Mi–Fr/So 11–17 Uhr Siemensstraße 40, 71735 Eberdingen-Nussdorf T +49 (0) 7042 3769566 www.sammlung-klein.de

Anlässlich des 100. Todestages des Wiener Jugendstilmeisters veranstaltet das Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) 2018 die einzige Klimt-Schau in Europa außerhalb Österreichs. Die Ausstellung steht unter der Schirmherrschaft des Ministerpräsidenten des Landes Sachsen-Anhalt, Dr. Reiner Haseloff, und ist die erste große Werkschau zum Schaffen des Künstlers in Deutschland. Sie vereint mehr als 60 Zeichnungen und 10 Gemälde von den akademischen Anfängen des Malers und Grafikers in den 1880er-Jahren bis in das Todesjahr 1918. Eine derart umfassende Präsentation außerhalb von Wien und New York, wo sich die größten Bestände seiner Werke befinden, zusammenzutragen, ist heute aufgrund der Fragilität der Arbeiten und der besonderen Rahmenbedingungen ihrer Ausleihe nur noch mit großen Anstrengungen möglich. Dem Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) ist diese Sensation gelungen! ☞ Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) Mo/Di/Do–So/feiertags 10–18 Uhr Friedemann-Bach-Platz 5, 06108 Halle (Saale) T +49 345 212 590 www.kunstmuseum-moritzburg.de www.klimt2018.de

John Pule, „Illuminations“ (A Walk in the Cit y), 2011, Öl, Lack, Tinte, Emaille, Harz, 200 x 200 cm, © John Pule Bianca Patricia Isensee, aus der Serie „Tokyo Tea“, 2009, Fotografie © Bianca Patricia Isensee / VG Bild-Kunst, Bonn 2018

Gustav Klimt, „Bildnis Amalie Zuckerkandl“, 1917/18, Öl auf Leinwand, unvollendet, 128 x 128 cm, Wien, Belvedere, Foto: Johannes Stoll

A R T M A P P   W I N T E R 2 018/19 — T E R M I N E V O N A A C H E N B I S Z Ü R I C H

Unsere Zeiten scheinen geprägt durch Pragmatismus, Rationalität und Ökonomie. Häufig wird gerade in derart ausgerichteten Epochen der Wunsch der Menschen nach Magie und Zauber, nach unergründbaren Kräften wach. Als Alternativmodelle zu streng wissenschaftlichen Fakten sind okkulte Erscheinungen und Praktiken auch für Künstlerinnen und Künstler von großem Interesse. Die Ausstellung zeigt 19 künstlerische Positionen, die sich dem Magischen widmen. Auffällig ist hierbei die Bedeutung des Rituals als Werkzeug zur Erreichung eines übernatürlichen Zustandes. Parallel hierzu zeigt das Museum in seiner Kunsthalle eine Einzelausstellung mit Werken Benedikt Hipps. Der gebürtige Münchner entführt die Betrachterinnen und Betrachter mit seinen Arbeiten in einen Grenzbereich zwischen Vertrautem und Unbekanntem. Hierfür nutzt der Maler immer wieder Motive aus sakralen oder spirituellen Kontexten oder aus der Frühzeit des Menschen. ☞ Museum Villa Rot Mi–Sa 14–17 Uhr, So/feiertags 11–17 Uhr Schlossweg 2 , 88483 Burgrieden-Rot T +49 (0) 7392-8335 www.villa-rot.de


Marie Lienhard » Ateliereinblicke 2018 Ausstellung: 21. November 2018 bis 1. März 2019 montags bis freitags (an Werktagen) geöffnet von 10:00 bis 18:00 Uhr Eintritt frei!

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Heilbronn

Herford

Jena

„Bildhauerinnen. Von Kollwitz bis Genzken“ 11.11.2018 – 7.4.2019 Kunsthalle Vogelmann

Brisante Träume – Die Kunst der Weltausstellung bis 10.2.2019 Marta Herford Museum für Kunst, Architektur, Design

Gerd Sonntag Malerei, Zeichnungen und Glasskulpturen 1.12.2018 – 7.4.2019 Eine Italienische Reise Italienische Fotografie des 19. Jahrhunderts 8.12.2018 – 14.4.2019 Kunstsammlung Jena

Seit der ersten Weltausstellung in London 1851 ­h aben sich die Expos zu einem weltweiten Spektakel entwickelt. Neben Technik, Wissenschaft, Politik und Unterhaltung spielen auch Künstler und Künstlerinnen und ihre Werke eine zentrale Rolle – als Botschafter und Propagandisten, aber auch als freigeistige Akteure. ­P arallel im Kunstmuseum Ahlen und im Marta Herford widmet sich dieses Projekt wichtigen Themen in der Geschichte der Weltausstellungen. Bildgewaltig werden fünf Expos zwischen 1937 und 1970 zu neuem Leben erweckt. Eine fast raum-sprengende Leinwand von Robert Delaunay trifft dabei auf Architekturvisionen von Le Corbusier. Im Dialog mit zeitgenössischen Künstlern und Künstlerinnen werden Themen wie der Mensch, Atom und Kosmos, Utopie und Technik in aktuelle Zusammenhänge gerückt und finden zu einer lebendigen Inszenierung zusammen. ☞ Marta Herford Museum für Kunst, Architektur, Design Di–So/feiertags 11–18 Uhr jeden 1. Mi im Monat 11–21 Uhr Goebenstraße 2–10, 32052 Herford T +49 (0) 5221 9944300 www.marta-herford.de

Gerd Sonntag modelliert Hüttenglas zu Skulpturen, die in ihrer Art einzigartig sind. Der Künstler (* 1954) ist in Jena aufgewachsen und hat dort 1973 seine erste Einzelausstellung. 1977 übersiedelt er nach Berlin und wird Meisterschüler bei Theo Balden. Er gehört zu jenen, die ein eigenes Werk entwickeln und damit die Formvorstellungen des ostdeutschen Kulturbetriebs brüskieren. Die aktuelle Ausstellung widmet sich vor allem dem neuen Schaffen Sonntags. Neben den Glasarbeiten werden auch zahlreiche Bilder des Malers Gerd Sonntag gezeigt. Die Grand Tour, die Reisende im 19. Jahrhundert unternahmen, war ein Bildungsparcours, mit dem Ziel, die Geschichte von der Antike bis zur Gegenwart Revue passieren zu lassen. Am Ende blieben viele Erinnerungen, aber selten eine selber angefertigte Fotografie. Die Reisefotografie im Italien des 19. Jahrhunderts zeigt eine touristisch aufbereitete und geordnete Welt – als Album nicht selten direkt vor Ort mit bereits eingeklebten Abzügen zu erwerben. ☞ Kunstsammlung Jena Di/Mi/Fr 10–17 Uhr, Do 15–22 Uhr Sa/So 11–18 Uhr Markt 7, 07743 Jena T +49 (0) 3641 49-8261 www.kunstsammlung-jena.de

Robert Delaunay, „Air, fer, eau”, 1937, FNAC 15274, Centre national des arts plastiques © Domaine public / Cnap / Photographe: Fabrice Lindor

Else Bach, „Reh (Bambi)“, um 1936, Foto: ONUK Fotografie, Bernhard Schmitt

Gerd Sonntag, „Frau in Rot, Grün und Blau“, 2011, Glasskulptur © Kunstsammlung Jena

A R T M A P P   W I N T E R 2 018/19 — T E R M I N E V O N A A C H E N B I S Z Ü R I C H

Die Ausstellung zeigt das bildhauerische Schaffen von drei Künstlerinnengenerationen in Deutschland. Aufgrund ihrer körperlichen und technischen Herausforderung galt die Bildhauerei als vermeintlich „unweiblichste aller Künste“. Pionierinnen wie Käthe Kollwitz oder Clara Rilke-Westhoff ebnen den Weg der in Paris, Berlin und München ausgebildeten nachfolgenden Bildhauerinnengeneration um Renée Sintenis, Marg Moll und Milly Steger. An dieses Erbe knüpfen ab 1945 u. a. Gerlinde Beck, Brigitte Matschinsky-Dennighoff oder Ursula Sax sukzessive an. Künstlerinnen wie Rebecca Horn oder Isa Genzken stehen exemplarisch für den fundamentalen Wandel der dreidimensionalen Form Ende der 1960er-Jahre und prägen seitdem den künstlerischen Diskurs. Annähernd 100 Werke von etwa 50 Bildhauerinnen geben spannende Einblicke in ein weitgehend unentdecktes Kapitel der Kunst- und Kulturgeschichte. Die Ausstellung hinterfragt die überlieferte Rezeptionsgeschichte und liefert sinnstiftende neue Ansätze. ☞ Kunsthalle Vogelmann Di/Mi/Fr–So/feiertags 11–17 Uhr, Do 11–19 Uhr Allee 28, 74072 Heilbronn T +49 (0) 7131 56 4420 museen.heilbronn.de/kunsthalle/


23. INTERNATIONALE KUNSTMESSE | 19.– 21. JHDT. INTERNATIONAL ART FAIR | 19 – 21 CENTURY

17 – 20 JAN 2019 Weiss Mia Florentine, Art Angel - Serie 1, 2012, Fotografie, artdepot, Innsbruck

MESSE INNSBRUCK | DO – SA 11.00 – 19.00 | SO 11.00 – 17.00

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Kornwestheim

Mettingen

Neu-Ulm

Laura Ford – Stories we tell ourselves bis 20.1.2019 Museum im Kleihues-Bau

grenzüberschreitend bis 27.1.2019 Draiflessen Collection

FIRST DATES 29.11.2018 - 27.1.2019 Venet-Haus Galerie

Die Werkschau der walisischen Künstlerin Laura Ford im Museum im Kleihues-Bau zeigt rund 35 Arbeiten der renommierten Bildhauerin. In der Ausstellung vereint sie vielschichtige Erzählstränge, die tief in den gezeigten Skulpturen verborgen liegen. Die ausgestellten Skulpturen sind allesamt Protagonisten eines kollektiven Gedächtnisses aus Kinderreimen, Märchen und Sprichwörtern. Auf die Besucherinnen und Besucher der Werkschau wartet ein rätselhafter Ort mit poetischer Aura, der voller Verwandlungen steckt. Dabei liegt die Entscheidung im Auge des Betrachters wohin die Verwandlung der Mischwesen aus Menschen, Tieren und Pflanzen geht oder woher sie kommt. In den ebenso wunderbaren wie merkwürdigen Skulpturen verbergen sich menschliche und damit auch satirische und ironische Züge. Die Ausstellung lässt Platz für Gedankenräume, die zum Träumen und Nachdenken anregen. Eigene Erfahrungen können reflektiert und in eigenen Geschichten erzählt werden: „Stories we tell ourselves.“ ☞ Museum im Kleihues-Bau Fr–So 11–18 Uhr, Sonderöffnung auf Anfrage Stuttgarter Straße 93, 70806 Kornwestheim T +49 (0) 71 54 20 27 401 www.museen-kornwestheim.de

Die Ausstellung stellt die Frage nach den Qualitäten von Karten als Projektionsflächen der Welt. Sie setzt diese mit Kunstwerken internationaler Künstler in Beziehung, die sich mit dem Einfluss von Karten auf unsere Weltsicht auseinandersetzen. In einer Zeit, in der Globalität und territoriale Abgrenzung in einem Spannungsverhältnis stehen, soll diese Gegenüberstellung die Herkunft und Macht von „Weltbildern“, aber auch ihre Veränderlichkeit bewusst machen. Mit der Ausstellung lädt die Draiflessen Collection die Besucher dazu ein, mit Sehgewohnheiten zu brechen und neue Perspektiven auf die bislang vertraute Sicht auf die Welt zu gewinnen. Künstler und Kartografen (Auswahl von 40 Positionen): Joan Blaeu (1596–1673), Marcel Broodthaers (1924–1976), Lewis Carroll (1832–1898), Daniel Richter (*1962), Clement Valla (*1971) ☞ Draiflessen Collection Mi–So 11–17 Uhr, jeden 1. Do im Monat 11–21 Uhr Georgstraße 18, 49497 Mettingen T +49 (0) 54 52 91 68-0 www.draiflessen.com

Konsequent, eigensinnig, freigeistig…Jörg Döring, freischaffender Künstler, Mitte der 1960er im Ruhr­ gebiet geboren. In drei Dekaden hat JD eine eigenständige, vitale Bildsprache mit originellen Bezügen und Sichtweisen zur komplexen und komplizierten Alltagswelt entwickelt. Sein bildnerisches Œuvre formuliert sich ästhetisch feinnervig und genussvoll, sowie bei aller Ausbalancierung und Pracht der Werke, in der Tiefe ideell und bedeutungsvoll aufgeladen. Ab dem 29.11.18 sind die neuesten Werke Jörg Dörings in der Venet-Haus Galerie zu besichtigen. ☞ Venet-Haus Galerie GmbH Mi–Fr 16–19 Uhr Bahnhofstraße 41, 89231 Neu-Ulm T +49 (0) 176 24147800 www.galerie-im-venet-haus.de

Laura Ford, „Local Weather“, 2009, Stahl, Gips und Textil, 135 x 50 x 202 cm, Courtesy: Galerie Schef fel, Bad Homburg und Künstlerin, Foto: Atelier Laura Ford

Öl, Schellack auf Leinwand, Unikat, 2018

© Clement Valla

© Jörg Döring, Oberhausen

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Jörg Döring, „Delicious refreshing“, 170 x 170cm, Clement Valla, „Postcards from Google Earth”, 2010 – heute


Abb.: MARION EICHMANN | LICHTER | 2018 Collage, Papierschnitt, Grafitstift | 223 x 154 cm

Abb.: MARION EICHMANN | BLUMEN | 2018 Collage, Papierschnitt, Grafitstift | 175 x 138 cm

GALERIE TAMMEN & PARTNER auf der Kunstmesse art KARLSRUHE 2019 Do, 21. Februar – So, 24. Februar 2019 Preview: Mi, 20. Februar 2019 15 - 21 h (nur für geladene Gäste)

Künstler/innen: HARALD GNADE SABINE OSTERMANN MIcHAEL RAMSAUER ANDREAS THEURER GABI STREILE WERNER ScHMIDT one-artist-shows: MARION EIcHMANN DIETMAR BRIXY LARS THEUERKAUFF Skulpturenplatz: SONJA EDLE VON HOEßLE D-10969 Berlin • Hedemannstr. 14

Tel: +49 (0)30 225 027 910

Fax: +49 (0)30 225 027 911

Galerieausstellungen: 26. Oktober – 1. Dezember 2018: SAM GRIGORIAN - Décollagen ANDREAS THEURER - Skulpturen + Reliefs 7. Dezember 2018 - 26. Januar 2019: MARION EIcHMANN - Collagen, Papierschnitte 2. Februar – 16. März 2019: FLORIAN PELKA - Malerei MATTHIAS GARFF - Skulpturen

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Oberhausen

Remagen

Rosenheim

DIE GESTE Kunst zwischen Jubel, Dank und Nachdenklichkeit Meisterwerke aus der Sammlung Peter und Irene Ludwig von der Antike über Albrecht Dürer bis Roy Lichtenstein bis 13.1.2019 LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen

IM JAPANFIEBER Von Monet bis Manga bis 20.1.2019 Arp Museum Bahnhof Rolandseck

MENSCHENsKINDER Portraitfotografie – Sammlung SpallArt 14.12.2018 – 10.3.2019 Städtische Galerie

Mit seinem diesjährigen Ausstellungshöhepunkt „Im Japanfieber. Von Monet bis Manga“ widmet sich das Arp Museum Bahnhof Rolandseck in Kooperation mit dem museé des impressionismes in Giverny dem ­g roßen Einfluss japanischer Kunst und Kultur auf die westliche Kunst vom Impressionismus bis in unsere Gegenwart. Ausgehend von den japanischen Farbholzschnitten aus der Sammlung Claude Monets, die ­e rstmals in einem größeren Konvolut außerhalb Frankreichs zu sehen sind, präsentiert die Ausstellung impressionistische Künstler wie Monet, Signac, ­S eurat und van Gogh sowie die aktuellen ­I nspirationen Japans – Manga, Anime und Cosplay – im Widerhall unserer europäischen Kultur. ☞ Arp Museum Bahnhof Rolandseck Di–So/feiertags 11–18 Uhr Hans-Arp-Allee 1, 53424 Remagen T +49 (0) 2228-9425-0 www.arpmuseum.org

Die Ausstellung widmet sich dem Portrait in der Fotografie und offenbart, wie kunst- und (politisch) gehaltvoll Portraitfotografie von jeher war und auch in Zeiten omnipräsenter Selfies noch immer sein kann. Die Fotografien bilden einen Auszug aus der privaten Kunstsammlung SpallArt, die 2019 ihr 25-jähriges Jubiläum feiert. Zunächst aus der Begeisterung für die Vielfalt der Möglichkeiten entstanden, mit denen Fotografie unsere Wahrnehmung verstellt, verleugnet und fordernd hinterfragt, erhielt die stetig wachsende Sammlung im Lauf der Jahre eine deutliche Ausrichtung und Gewichtung zur zeitgenössischen Fotografie aus Österreich mit Bezügen zum europäischen Umfeld. Ein Schwerpunktthema ist dabei der Mensch zwischen Sehnsucht, Alltag und Wahn; der Suche nach Schönheit und deren trügerische Illusion. Inzwischen ­u mfasst die Sammlung über 2.200 Werke, darunter auch Videoarbeiten. Arbeiten u. a. von Nan Goldin, Marie-Jo Lafontaine, Stefan Moses, Cindy Sherman, Fritz Simak, Andy Warhol. ☞ Städtische Galerie Di–Fr 10–17 Uhr, Sa/So/26.12./6.1. 13–17 Uhr Max-Bram-Platz 2, 83022 Rosenheim T +49 (0) 8031 365 1447 galerie.rosenheim.de

Georges Seurat, „Der Bec du Hoc bei Grandcamp“, 1885, London, Tate, © London, Tate

Irene Andessner, „Irrlichter“, aus dem Zyklus „Milli Strubel“, 2000, Foto: Axel Majewski, Sofortbild, 80 x 56 cm, Unikat, Sammlung SpallArt, Inv.Nr. S-0921, © Irene Andessner

Roy Lichtenstein, Finger Pointing, 1973 © Estate of Roy Lichtenstein / VG Bild-Kunst, Bonn 2018

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Die LUDWIGGALERIE feiert ihr 20-jähriges Jubiläum mit einer großen Themenausstellung. Dass die Kunst zu allen Zeiten und in allen Kulturen die Geste als eines der wichtigsten Ausdrucksmittel ansah, wusste schon Leonardo da Vinci: Die Kunst sei eine „stumme“ Dichtung. Gesichtsausdruck, Körperhaltung und Gesten ersetzen die Worte, die nonverbale Kommunikation ist zentral für das grundsätzliche Miteinander. Gesten sind das allgemeine V­ erständigungsmittel, auch und gerade über Sprachgrenzen hinaus. Die namensgebenden Sammler der LUDWIGGALERIE, Peter und Irene Ludwig, haben in ihrer umfassenden Kunstkollektion Werke von der Antike bis zu aktuellen Kunstpositionen, von präkolumbianischer Kunst bis zum europäischen Mittelalter zusammen­g etragen. Seit der Neueröffnung der ehemals Städtischen Galerie als Ausstellungshaus unter dem Qualitätssiegel LUDWIGGALERIE wurden immer wieder große Aus­ stellungen aus den Beständen gezeigt. Die Geste des Dankes ist hier sicherlich angemessen, aber auch die Spannung zwischen Jubel und Nachdenklichkeit. ☞ LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen Di–So 11–18 Uhr Konrad-Adenauer-Allee 46, 46049 Oberhausen T +49 (0) 208 41249 28 www.ludwiggalerie.de


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Wohin das Auge reicht Neue Einblicke in die Sammlung Würth

www.kunst.wuerth.com Marc Quinn, The Eye of History (Atlantic Perspective), 2011, Sammlung Würth, Inv. 15686

Kunsthalle Würth, Schwäbisch Hall 23. 4. 2018–17.3.2019 Täglich 10–18 Uhr Eintritt frei

Zur Ausstellung erscheint ein umfangreicher Katalog im Swiridoff Verlag. Alle Aktivitäten der Kunsthalle Würth sind Projekte der Adolf Würth GmbH & Co. KG.

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Schwäbisch Gmünd

Schwerin

Durchleuchtet. Glaskunst aus der Sammlung 18.11.2018 – 17.2.2019 Galerie im Prediger Schwäbisch Gmünd

Hot Printing. Hendrik Nicolaas Werkman (1882–1945) 30.11.2018 – 24.2.2019 Staatliches Museum Schwerin Hendrik Nicolaas Werkman war als Künstler und ­G rafiker eine der herausragenden Persönlichkeiten der niederländischen Avantgarde. In den Niederlanden gilt er noch heute als einer der relevanten kons­ truktivistisch-abstrakten Künstler. Dabei arbeitete er als Drucker und Typograf zunächst eher konventionell. Erst Anfang der 1920er-Jahre begann er mit seinen experimentellen Arbeiten. Er entdeckte die künstlerisch-ästhetische Kraft von Lettern, Zahlen und ­B lindmaterial und erfüllte sie in seinen freien ­K ompositionen mit neuem visuellem Leben. Dieser Faszination können die Besucher in der ­A usstellung auch aktiv nachspüren, in der kleinen Druckerei dürfen sie selbst experimentieren. Die Ausstellung Hot Printing gibt einen Überblick über das druckgrafische Schaffen des Künstlers. Darüber hinaus wird die Rezeption seines Werkes in der deutschen Kunst nach 1945 thematisiert. Die Ausstellung entstand in Kooperation mit dem Groninger Museum und dem Museum Spendhaus in Reutlingen. ☞ Staatliche Schlösser, Gärten und Kunstsammlungen Mecklenburg-Vorpommern Staatliches Museum Schwerin Di–So 11–17 Uhr Alter Garten 3, 19055 Schwerin T +49 (0)385-588 47 222 www.museum-schwerin.de

© Klingspor-Museum Of fenbach

daneben Flaschen, Trinkgläser, Studioglas, 18.–21. Jahrhundert, Foto: Viscom Fotografie

Museum Stangenberg Merck i m H aus aufde r H öh e H el e ne -C h ri stal l e r-W e g 13 64 3 4 2 Se e h e i m -Juge nh e i m Te l .0625 7 - 90 5 3 61 w w w .m use um -juge nh e i m .de face bo o k: M use um Stange nbe rg M e rck geöffnet: Mi - Fr: 15 - 19 Uhr Sa / So / FT: 11 - 18 Uhr

Hendrik Nicolaas Werkman, „Hot Printing“, 1935-36

Kaiserpokal, 1867, Josephinenhütte Schreiberhau,

betrachten genießen entspannen

A R T M A P P   W I N T E R 2 018/19 — T E R M I N E V O N A A C H E N B I S Z Ü R I C H

Ein bisher für das Publikum nicht gehobener Schatz ist die beachtliche Glassammlung, über die das ­G münder Museum verfügt. Das Spektrum reicht vom barocken Schnittglas mit Blumen- oder Blattorna­ menten über bemaltes Biedermeierglas bis zum ­S tudioglas der Gegenwart. Ein besonderer Schwerpunkt der Kollektion bildet der Bestand an Gläsern aus der Wiesenthal- und Josephinen­h ütte, die beide nach dem Zweiten Weltkrieg in Schwäbisch Gmünd neu gegründet wurden. Namentlich die Wiesenthalhütte profilierte sich unter Klaus Breit (1926–2004) seit den 1960er-Jahren zu einer der führenden Glasmanufakturen Westdeutschlands. Ausgehend von den Ideen des Deutschen Werkbunds und des Bauhauses entwickelte die Wiesenthalhütte ein ausgeprägtes, eigenes Profil und Design, das über zwei Jahrzehnte hinweg einen maßgeblichen Anteil am Erscheinungsbild eines zeitgemäßen, modernen Wohnens weit über Deutschland hinaus hatte. ­S tilbildend waren kleine, napfförmige Mündungen etwa bei Vasen, kraftvolle Vierkant-, Flaschen- und Kugelvasen mit umgeschlagenen Mündungsringen und vor allem die berühmten sogenannten Zweigvasen, die ab 1971 in Kugel-, Scheiben- oder Säulenform produziert wurden. Ausgewählte Exponate beleuchten nun erstmals diesen Sammlungsbestand und zeigen die Vielfältigkeit und Faszination des Werkstoffes Glas. ☞ Museum im Prediger Di/Mi/Fr 14–17 Uhr, Do 14–19 Uhr, Sa/So/feiertags 11–17 Uhr Johannisplatz 3, 73525 Schwäbisch Gmünd T +49 (0) 7171 603 4130 www.museum-galerie-fabrik.de


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Tü b i n g e n

Waib ling en

War t h

Birgit Jürgenssen. Ich bin bis 17.2.2019 Kunsthalle Tübingen

Graphic Novels. Aktuelle deutsche Comic-Romane bis 6.1.2019 Galerie Stihl Waiblingen

Helen Dahm – Ein Kuss der ganzen Welt bis 25.8.2019 Kunstmuseum Thurgau, Kartause Ittingen

Birgit Jürgenssen (1949–2003) gehörte neben Valie Export und Maria Lassnig zur Avantgarde der 1970er-Jahre in Österreich. An kunsthistorische Traditionen wie den Surrealismus anknüpfend, entwickelte sie im Stillen ein eigenständiges Œuvre, das neben einem großen Fundus an Zeichnungen auch Skulpturen, experimentelle Objekte, Videos und vor allem Fotografien umfasst. Unter dem Titel ICH BIN zeigt die Kunsthalle Tübingen mit rund 200 Werken die erste umfassende Werkpräsentation der Künstlerin in Deutschland. Mit zum Teil noch nie gezeigten Arbeiten belegt die Schau, dass Birgit Jürgenssen mit ihrer intuitiven Sensitivität nicht nur aktuelle Diskurse zum Körper vorweggenommen hat, sondern in Bezug auf ihre Empathie gegenüber Tieren und der Umwelt ihrer Zeit voraus war. ☞ Kunsthalle Tübingen Di/Mi/Fr–So 11–18 Uhr, Do 11–19 Uhr Philosophenweg 76, 72076 Tübingen T +49 (0) 7071 9691 0 www.kunsthalle-tuebingen.de

Die aktuelle Ausstellung der Galerie Stihl Waiblingen widmet sich mit dem Thema Graphic Novel einer faszinierenden Sonderform des Comics. Die Schau versammelt siebzehn national und international bedeutende Künstlerinnen und Künstler sowie eine Auswahl herausragender Newcomer aus dem deutschsprachigen Raum. Anhand von Original­z eichnungen und Probedrucken gewährt sie einen exklusiven Einblick in die Entstehung der Graphic Novels. Die Comic-Romane erzählen große und kleine Geschichten in beeindruckenden Bildern und bedienen sich in der Verbindung von Bild und Text typischer Merkmale des Comics, gehen jedoch in ihrer künstlerischen Gestaltung als auch in der Komplexität der Erzählung deutlich weiter. Die Themen sind ebenso vielfältig wie anspruchsvoll und reichen von einschneidenden persönlichen Erlebnissen über Tages- und Weltpolitisches bis hin zu Fantasy- und Kriminalgeschichten. Ab 26. Januar 2019: La Bohème. Toulouse-Lautrec und die Meister von Montmartre. ☞ Galerie Stihl Waiblingen Di–So 11–18 Uhr, Do 11–20 Uhr Weingärtner Vorstadt 12, 71332 Waiblingen T +49 (0) 7151 5001 1686 www.galerie-stihl-waiblingen.de

Helen Dahm (1878–1968) gehört zu den Pionierinnen der Schweizer Moderne. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts lernt die junge Schweizerin in München die Künstlergruppe Der Blaue Reiter kennen. In der Folge wendet sie sich von der damals akademisch und männlich geprägten Zürcher Kunstwelt ab und zieht nach Oetwil am See im Kanton Zürich. Dort entsteht ein beeindruckender Kosmos von Garten- und Blumengemälden. Stets experimentierte die Künstlerin mit Form, Material und Motiven. So spiegelt sich in ihrem Schaffen beinahe ein Jahrhundert Kunstgeschichte. Helen Dahm trifft zeitlebens radikale Entscheidungen: 1938 verkauft sie ihren Besitz und reist nach Indien. Zurück im Zürcher Oberland entwickelt sie in den 1950er-Jahren eine auf Materialexperimenten basierende abstrakte Formensprache. 1954 erhält sie als erste Frau den Kunstpreis der Stadt Zürich. Anlässlich des 50. Todestags von Helen Dahm zeigt das Kunstmuseum Thurgau eine großangelegte Retrospektive, die über 170 Werke umfasst. ☞ Kunstmuseum Thurgau Kartause Ittingen Okt–April: Mo–So 11–17 Uhr Mai–Sept: Mo–So 11–18 Uhr CH-8532 Warth T +41 (0) 58 345 10 63 www.kunstmuseum.ch

Birgit Jürgenssen, „Ich möchte hier raus!“, 1976, S/ W Fotogafie, 40 x 30 cm, Estate Birgit Jürgenssen,

Helen Dahm, „Rosen in weißer Schale“, um 1930,

Courtesy: Galerie Hubert Winter, Wien, Bildrecht Wien, 2018

Öl auf Leinwand, 80 x 74 cm, Kunstmuseum Thurgau

Barbara Yelin, aus: „Der Sommer ihres Lebens“, 2017, von Thomas v. Steinaecker / Barbara Yelin, © Reprodukt


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Winterthur

Wismar

Zug

Food Revolution 5.0 Gestaltung für die Gesellschaft von morgen 2.12.2018 – 28.4.2019 Gewerbemuseum Winterthur

Gregor Schneider. CRYO-TANK PHOENIX 3 bis 5.12.2018 Kunstraum St. Georgen

KOMÖDIE DES DASEINS Kunst und Humor von der Antike bis heute bis 6.1.2019 Kunsthaus Zug

KUNSTRAUM St. Georgen ist eine Veranstaltungsreihe in der internationale künstlerische Positionen im Wechsel mit künstlerischen Positionen aus Mecklenburg-Vorpommern einer interessierten Öffentlichkeit in themenbezogenen Ausstellungen vorgestellt werden. Gregor Schneider wurde eingeladen eine seiner aktuellen Installationen in Korrespondenz mit der Architektur der St.-Georgen-Kirche zu präsentieren. In seinen Arbeiten beschäftigt sich der international bekannte Künstler mit Utopien und Konstrukten der Ewigkeit in Abgrenzung zu traditionellen westlich geprägten Todesvorstellungen. Seine Skulpturen ­m achen auf das Verschwinden des toten Körpers aus dem öffentlichen Raum aufmerksam. Der professio­ nalisierte und verberuflichte Umgang mit dem Tod als Produkt der Postmoderne wird hierbei hinterfragt – „der ‚dreckige‘, tote Körper und alles, was mit ihm zusammenhängt, wird verbannt, steht doch dieses Sinnbild des Verfalls und der Vergänglichkeit dem gesellschaftlichen Leitbild des ewig jugendlichen ­K örpers diametral entgegen“. (Gregor Schneider im Pressetext zur Ausstellung). ☞ KUNSTRAUM St. Georgen in Wismar St. Georgen-Kirche Wismar Vor dem Fürstenhof, 23966 Wismar

Das Kunsthaus Zug schickt die Besuchenden in S­ iebenmeilenstiefeln durch die Kunstgeschichte des Humors und geht dabei zurück bis zu den Griechen. ­„ Komödie des Daseins“ ist eine große Sonderaus­ stellung, wie es sie zu diesem Thema noch nie gab. Sie wurde in jahrelanger Forschungsarbeit entwickelt. Über 350 Arbeiten versammelt sie: Leihgaben aus der Schweiz und aus Europa sowie Werke der eigenen Sammlung. Es ist eine Versuchsanordnung mit Vasen, Flugblättern, Zeichnungen, Zeitschriften, Gemälden, Skulpturen, Fotografien und Videos: Situationskomik und existentieller Schrecken stehen dicht an dicht – auch in der Kunst. Fragt sich bloss, wer wo lachen wird, wann, wie, worüber und warum? Mit Werken von Beuys, Brus, Callot, Carracci, Cattelan, Goya, Dalí, Daumier, Duchamp, Ensor, Heartfield, Kabakov, Kippenberger, Klee, Lassnig, Magritte, Man Ray, ­M alewitsch, Naumann, Picasso, Oppenheim, Pipilotti Rist, Roth, Sherman, Signer, Sokov, Ulrichs, Warhol, Ai Weiwei u. v. a. ☞ Kunsthaus Zug Di–Fr 12–18 Uhr, Sa/So 10–17 Uhr Dorfstrasse 27, CH-6301 Zug T +41 (0) 41 725 33 44 www.kunsthauszug.ch

Jean-Étienne Liotard, „Liotard riant“, ca. 1751 Gregor Schneider, „CRYO-TANK PHOENIX 3“, Rheydt 2006, Carolien Niebling, „Mortadella with vegetables”, 2017,

stainless tank, water, 120 x 330 cm, Foto: Gregor Schneider

Foto: Jonas Marguet Shawn

© Gregor Schneider / VG-Bildkunst, Bonn 2018

© Musées d‘art et d‘histoire Genève

A R T M A P P   W I N T E R 2 018/19 — T E R M I N E V O N A A C H E N B I S Z Ü R I C H

Was und wie wollen wir in Zukunft essen? Braucht die Welt eine weltweite Ernährungsdemokratie oder gar eine globale Food Revolution? Wie wird im ­Z eichen von Klimawandel, stetig wachsender Welt­ bevölkerung und zunehmender Verstädterung die Versorgung der Menschheit sichergestellt? Welche Ernährungsgewohnheiten werden wir aufgeben, zu welchen zurückkehren? Oder werden wir womöglich ganz neue Formen entwickeln, mit denen wir über­ lebenswichtige Nährstoffe zu uns nehmen? Ob In-Vitro-Fleisch, Gemüse aus Indoor-Farmen, ­A lgenproteine oder auch Mehlwürmer: Mit rund 50 internationalen Design- und Forschungsprojekten präsentiert „Food Revolution 5.0“ zukunftsweisende Konzepte und Visionen oder formuliert kritische ­K ommentare zur Gestaltung notwendiger Verän­ derungen. Denn Essen, Ernährung und Nahrungsmittel berühren wesentliche Themen unserer Gesellschaft, erfreuliche wie auch beunruhigende, und wir sind, was wir essen – und ohne Essen können wir nicht existieren. ☞ Gewerbemuseum Winterthur Di–So 10–17 Uhr, Do 10–20 Uhr Kirchplatz 14, CH-8400 Winterthur T +41 (0) 52 267 51 36 www.gewerbemuseum.ch


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blickfang Bern | Bernexpo | 16.–18. November 2018 blickfang Zürich | StageOne | 23.–25. November 2018 Designers Market by blickfang | imm cologne | 18.–20. Januar 2019 blickfang Hamburg | Deichtorhallen | 01.–03. Februar 2019 blickfang Stuttgart | Liederhalle | 15.–17. März 2019 blickfang Basel | Messe Basel | 05.–07. April 2019 blickfang Wien | MAK | 25.–27. Oktober 2019 Kaufen Sie Ihr vergünstigtes Ticket auf: www.blickfang.com


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19. Ausgabe – 7. Jahrgang – November 2018

Christoph Schütte, Andrin Schütz

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Am 12. März erscheint die nächste Ausgabe

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Sarah Alberti, Dr. Katrin Arrieta, Katja Behrens, Kim Behm, Nicole Büsing & Heiko Klaas, Babette

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Design – Chris Steurer, www.csteurer.com

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Der ARTMAPP-Gesamtauflage liegt ein Beikleber „Grand Tour der Moderne“ der Bauhaus Kooperation Berlin Dessau Weimar gGmbH auf Seite 17 bei. Sollte diese Beilage nicht vorhanden sein oder Sie weitere Exemplare wünschen, wenden Sie sich bitte an: mail@artmapp.net.

A R T M A P P   W I N T E R 2 018/19 — I M P R E S S U M

HERAUSGEBER


Gregor Schneider

CRYO-TANK PHOENIX 3 10.11. – 05.12.2018 KUNSTRAUM St. Georgen Wismar

Kuratorin der Ausstellung: Miro Zahra KUNSTRAUM St. Georgen St.-Georgen-Kirche, St.-Georgen Kirchhof 1A 23966 Wismar geöffnet täglich von 10 bis 16 Uhr, Eintritt frei Foto: © Gregor Schneider VG-Bildkunst Bonn 2018



Piet Mondrian, Komposition mit großer roter Fläche, Gelb, Schwarz, Grau und Blau, 1921 Foto: Sammlung Gemeentemuseum Den Haag, Den Haag, Niederlande

Piet Mondrian Natur und Konstruktion 26 Okt 2018—17 Feb 2019

Museum Wiesbaden

museum-wiesbaden.de


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