ARTMAPP #22, Winter 2019/20

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Das Kunstmagazin f ür Entde cker

Die Kunst-App im App Store und bei Google Play

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REGENSBURG OSTBAYERN OTTO DIX SINGEN & DER HEGAU

BOTT HECKEL MATISSE NAUMAN RODIN TURNER

AARAU DÜSSELDORF KARLSRUHE MÜNCHEN MÜNSTER SAARBRÜCKEN


13.10.2019 bis 9.2.2020 Htwl. Der Twiel im blick.

AussTellung eine kooperation von kunstmuseum singen und stadtarchiv singen Htwl.

studio-weber.de

kunsTmuseum singen ekkeHArDsTrAsse 10 D-78224 singen 07731 85-271 kunsTmuseum-singen.De Di – Fr 14–18 uHr sA+ sO 11–17 uHr FeierTAg wie wOcHenTAg 24.–26.12. / 31.12.2019 unD 1.1.2020 gescHlOssen.


Titelmotiv: Gillian Wearing, „Self Portrait as My Mother Jean Gregory“, 2003, gerahmter Bromide-Print, 150 x 131 x 3,2 cm, Kunsthaus Zürich, Fotosammlung 2003 © Gillian Wearing, Courtesy Maureen Paley, London

EDI TOR I A L #22 2019/20

Reiner Brouwer, Foto: © Carmen Jäger

S T OA P FA L Z

Marianne Sperb lernte ich auf einer ­Pressereise in Linz kennen. Sie schreibt seit 35 Jahren für die „Mittelbayerische Zei­ tung“ über Regensburg und leitet inzwi­ schen die Kulturredaktion. Sie schwärmte über das Potenzial der anderen Donau­ metropole und ich fing sofort Feuer: Das Themenheft über Linz muss noch warten  – mit Marianne Sperb vereinbarte ich eine Ausgabe über Regensburg und Ostbayern.

Marianne Sperb, Foto: © Dietmar Krenz

Liebe Marianne, „Der Stein prägt die Oberpfalz. Stoapfalz, Steinpfalz, heißt sie auch. Karg, eigensinnig, gradlinig, oft wuchtig und manchmal grundiert von hintersinnigem Witz“, schreibst Du über die aktuelle Architektur in Ostbayern. Wie sind denn die Menschen, die dort leben? Der Oberpfälzer mag es, wenn die Dinge beständig und geregelt sind, aber seine Freiheit und seinen Kopf durchsetzen, mag er halt auch. Auf der anderen Seite: Die Menschen in der Oberpfalz sind neu­ gierig und fleißig, und sie haben Respekt vor jedem, der lernt und leistet. Es ist kein Zufall, dass in der Oberpfalz eine ganze Reihe wirtschaftlicher Weltmarktführer und Weltklasse-Wissenschaftler daheim sind. Und Schlitzohren übrigens auch!

Deine Verbundenheit mit Regensburg ­ urde mit dem Titel „Botschafterin der w Stadt“ dokumentiert. Was schätzt Du an Regensburg? Die Wege sind kurz, die Menschen offen und die Lebensqualität unvergleich­ lich. Kontraste geben dem Leben seinen intensiven Geschmack: Hier findet man den Charme von Kultur und Cafés und ­bekommt die Impulse von Wissenschaft und Wirtschaft. Es strömen das Flair der kleinen Stadt am Strom und die freie Luft einer Metropole in der Mitte Europas. Und das alles ist eingebettet in eine große Vergangenheit und schönstes Grün. Nicht weit entfernt von Regensburg liegt das entzückende Örtchen Kallmünz! Hier verbrachten Gabriele Münter und Wassily Kandinsky 1903 einen Sommer. Kannst Du unseren Lesern Deinen Heimatort, die „Perle im Naabtal“, für einen ­Ausflug empfehlen? Absolut! Man kann der Naab folgen, sogar radelnd oder paddelnd, bis Kall­ münz dann plötzlich samt Burgruine und Flusstal vor einem liegt. Dieser Blick ­berührt mich jedes Mal. Geduckte ­historische Häuser, schmale Gasserl, über­ raschende Felsengärten, die sich den Berg hinaufkämpfen, das sonderbare Felsen­ haus: Das Panorama ist pittoresk und ­urwüchsig. Nicht nur Kandinsky und die Münter waren hier glücklich; eine Reihe von Künstlern sind auch heute hier daheim. Nach Bummel und Burgbesteigung findet der Ausflügler auch noch gute, ehrliche Adressen zum Essen. Was will man mehr?

Bauhausgebäude, Dessau-Roßlau

Eiermannbau, Apolda

Liebe Leserinnen und Leser, ich wünsche Ihnen viel Spaß auf Ihrer persönlichen ­Entdeckungstour mit ARTMAPP. Reiner Brouwer Herausgeber

Gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages sowie durch das Land Sachsen-Anhalt und den Freistaat Thüringen.


Bruce Nauman, Marching Man (Detail), 1985 © Hamburger Kunsthalle / bpk © VG Bild-Kunst, Bonn / Foto: Elke Walford

Moderne Galerie In Kooperation mit

Rodin / Nauman

Gefördert durch

modernegalerie.org

21.9. 2019 — 26.1. 2020


Moderne Galerie

Auguste Rodin, L’homme qui marche (Detail), ca. 1899 © Musée Rodin / Foto: Christian Baraja

In Kooperation mit

Rodin / Nauman Gefördert durch

modernegalerie.org

21.9. 2019 — 26.1. 2020


Die Kaskade von Tivoli | Johann Martin von Rohden | 1825 Arp Museum Bahnhof Rolandseck Sammlung Rau für UNICEF | Foto: Mick Vincenz

Bahnhof Rolandseck

Partner

SAMMLUNG RAU für

KUNSTKAMMER RAU DIE VIER ELEMENTE

22. September 2019 – 1. Juni 2020


15.9.2019 – 16.2.2020


Inhalt

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(auszugsweise)

ARTM APP Winter 2019/20

I.D. Fürstin Gloria von Thurn und Taxis, Foto: Rainer Fleischmann Photographie

Regensburg

16

R EGENSBU RG A PEDE Spaziergang durch Regensburg – von Peter Lang

20

GLOR IA VON T HU R N U ND TA XIS Fürstliche Kunstsammlung Regensburg – von Marianne Sperb

32

„… GEH IN DEN CHOR U ND SING!“ Die Regensburger Domspatzen – von Peter Lang

38

MUSEU M „HAUS DER BAY ER ISCHEN GESCHICHT E “ Interview mit Gründungsdirektor Richard Loibl – von Peter Lang

40

© Fürst Thurn und Taxis Zentralarchiv

100 SCHÄTZE AUS 1000 JAHREN BAYERISCHE LANDESAUSSTELLUNG 27. SEPTEMBER 2019 – 8. MÄRZ 2020 Regensburg | Haus der Bayerischen Geschichte täglich außer Montag 9 – 18 Uhr | www.hdbg.de

Thomas E. Bauer, Konzerthaus Blaibach, Foto: Marco Borggreve

Ostbayern

50

MEIST ER DER ARCHI T EK T U R Regensburg, Oberpfalz, Niederbayern – von Marianne Sperb

52

DER VISIONÄR AUS DEM BAY ER ISCHEN WALD Thomas E. Bauer, Intendant des Konzerthauses Blaibach – von Peter Lang

58

ZWISCHEN N Ü R NBERG U ND BÖHMEN Der Tausendsassa Wilhelm Koch – von Marc Peschke

63

FR AGILE SCHÖNHEI T Glas aus dem Oberpfälzer und Bayerischen Wald – von Bettina Götz

70

PASSAU, SCHÖNE BAROCKPER LE! Die Stadt der Kunst, der Kirchen und des Genusses – von Marc Peschke

78

Singen & Der Hegau

96

von Siegmund Kopitzki

„KU LT U R IST F Ü R MICH ET WAS SEHR ESSENZIELLES“ Interview mit Oberbürgermeister Bernd Häusler

98

EIN STAR KE BILDGESCHICHT E „HT WL. Der Twiel im Blick“ im Kunstmuseum Singen

102

DER HEGAU. EIN T R AU M VON EINER L A NDSCHAF T Hesse, Dix, Heckel. Künstler der Höri

112

Schmuck und Design Eva Riesinger, Inhaberin der Soiz Galerie Passau, Foto: Christian Kropfmüller

Viel Raum für Autorenschmuck – von Chris Gerbing

130


JOSEF

NOWINKA 1919-2014

Linda Conze, Kuratorin am Kunstpalast, Düsseldorf, Foto: Anne Orthen, 2019

Por trät Ein Interview mit dem Maler Stefan Bircheneder – von Marc Peschke Sabine Beckers „BLAU“ – von Markus Döbele

84 120

Düsseldor f

144

FOTOSTADT DÜSSELDOR F Linda Conze, die neue Kuratorin am Kunstpalast – von Katja Behrens

148

Ausstellungen FR IEDR ICHSHAFEN Kunst am See im Zeppelin Museum – von Marc Peschke 40 Jahre Galerie Bernd Lutze – von Babette Caesar

124 126

PR EUSSEN-PRU NK IN POR ZELL A N Die neue Dauerausstellung im Schloss Schwerin – von Jan-Peter Schröder

140

VON T U R NER BIS T U R R ELL Auf Entdeckungstour in Westfalen – von Nicole Büsing & Heiko Klaas

154

GR IEN, RODIN / NAU MA N, MAT ISSE Drei bemerkenswerte Ausstellungen im Südwesten – von Kim Behm

180

IR R I T IER ENDER SPIEGEL Die Maske in der zeitg. Kunst im Aargauer Kunsthaus – von Alice Henkes

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Amrei Heyne

APPETIZER

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BUCHTIPPS

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AMREI ON TOU R

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TER MINE

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IMPRESSU M

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Josef Nowinka, Dompteuse, 1993

MALEREI 7. Dezember 2019 – 12. April 2020

KUNSTSAMMLUNG JENA www.kunstsammlung-jena.de

KUNSTSAMMLUNG. Städtische Museen Jena. JenaKultur


REMBRANDT. Ausgewählte Meistergrafiken aus der Schweriner Sammlung


Staatliche Schlösser, Gärten und Kunstsammlungen Mecklenburg-Vorpommern Staatliches Museum Schwerin REMBRANDT.

Teresa Diehl

Die Staatlichen Schlösser, Gärten und Kunstsammlungen Mecklenburg-Vorpommern widmen dem berühmtesten Künstler des Goldenen Zeitalters Rembrandt van Rijn (1606 – 1669) aus Anlass seines 350. Todesjahres eine Ausstellung. 70 Werke aus der wertvollen, 168 Radierungen umfassenden Schweriner Sammlung bieten Einblicke in Rembrandts Schaffensjahre von 1630 bis 1659.

Teresa Diehl ist eine Künstlerin, die thematisiert, was in der Welt passiert. Sie versteht sich als Weltbürgerin. 1961 im Libanon geboren, wuchs sie in Venezuela auf und lebt heute in den USA. Die auf ihren Reisen gewonnenen Erfahrungen fließen in ihre künstlerische Arbeit ein.

Neben Selbstporträts, Landschaften, alltäglichen Genre- und religiösen Szenen werden auch die sogenannten Nachtbilder vorgestellt. In diesen spiegelt sich in besonderer Weise die grafische Meisterschaft Rembrandts wider. Die für Rembrandt typischen HellDunkel-Inszenierungen finden in diesem Medium der Schwarz-Weiß-Kunst mit fein differenzierten Nuancen eine virtuose Umsetzung. Seine Bildentwürfe weisen eine hohe technische Experimentierfreudigkeit auf. Sowohl das breite Spektrum an Bildthemen als auch der brillante Umgang mit der Kaltnadel lassen die Begegnung mit seinem grafischen Werk zu einem einzigartigen Erlebnis werden. REMBRANDT. Ausgewählte Meistergrafiken aus der Schweriner Sammlung 19. Oktober 2019 bis 5. Januar 2020

Ihre Installation Post Revolution setzt sich mit den Ereignissen des Arabischen Frühlings auseinander, der in blutigen Kämpfen mündete. Die Ausstellung zeigt: Von Revolutionen ausgelöste Demokratisierungsprozesse verlaufen nicht immer gewaltfrei wie die friedliche Revolution in der DDR, deren 30-jähriges Jubiläum wir in diesem Jahr begehen. Teresa Diehl Post Revolution 13. September 2019 bis 5. Januar 2020

www.museum-schwerin.de links: Rembrandt van Rijn, Selbstbildnis von vorn gesehen, mit Barrett, um 1634, Foto G. Bröcker rechts: Teresa Diehl, Post Revolution, Präsentation der Installation im Staatlichen Museum Schwerin, Foto L. Behlert 2019 beide Abbildungen: © Staatliche Schlösser, Gärten und Kunstsammlungen MV




THE VIEW CONTEMPORARY ART Björn Schülke Kinetisches Objekt 2019

Werner Schlotter Nike 2018 Bronzeskulptur Foto: Stiele-Werdermann

art KARSLRUHE | Halle 4 | Stand L01 | 13. bis 16. Februar 2020 www.the-view-ch.com


Sabine Becker o.T. 2018 Kobaltpigment/Acryl auf Backpapier bzw. HDF

Stefan Bircheneder Hab und Gut 2019 Öl/Acryl auf Leinwand


Museen der Stadt Regensburg Historisches Museum · Städtische Galerie im Leeren Beutel document Reichstag · document Neupfarrplatz · document Keplerhaus document Schnupftabakfabrik · document Legionslagermauer www.regensburg.de/museen


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Albrecht Altdorfer im Historischen Museum

Foto: Museen der Stadt Regensburg, Michael Preischl

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reg Steinerne Brücke, Regensburg rechte Seite: Audimax, Universität Regensburg Fotos: © herbertstolz.de


ensburg Romanik & Romantik

Quadern an der Donau und den brutalistischen Betonmassen auf dem Uniberg im Süden gibt es in dieser Stadt, die alle Hochs und Tiefs zwischen Hauptstadt, Herzogsresidenz, Handelsmetropole und bedeutungsloser Provinz durchlaufen hat, wesentlich mehr zu entdecken als die üblichen „places of interest“, die in den gängigen Reiseführern Platz finden. Ohne Frage: Das Gros der historisch bedeutsamen Stätten ist in der Welterbe-Altstadt samt Stadtamhof, jenem nördlich der Donau gelegenen bayerischen Städtchen, das erst 192 4 eingemeindet wurde, versammelt. Kultur, Kunst und Klein­o de anderer Stadtteile und Vororte, Einmaligkeiten von der prähistorischen bis zur Jetztzeit geraten da leicht aus dem Fokus. PETER LANG

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Was hat Regensburg mit der Schutzzone für Pandabären in der südwestchinesischen Provinz Sichuan und der mexikanischen Agavenlandschaft zwischen dem Vulkan Tequila und dem Rio Grande gemeinsam? – Sie alle haben lange gekämpft, um am 13. Juni 2006 endlich in die Liste der UNESCO-­ Welterbestätten aufgenommen zu werden. Regensburg hatte es damals im zweiten Anlauf nach einem ersten Versuch 1994 geschafft. Verdientermaßen. In der reichhaltigen Bausubstanz der Stadt finden sich über 1.500 Einzeldenkmäler aus vielen Jahrhunderten, etwa 1.000 von ihnen gehören zum Gesamtensemble „Altstadt R ­ egensburg mit Stadtamhof “ und gelten somit offiziell als Kultur von Weltrang. Lohnend ist in jedem Fall ein Kunstspaziergang durch Regensburg abseits der Touristengruppen-Pfade: Zwischen den antiken römischen


Regensburg Die UNESCO Welterbestadt an der Donau T R A DI T ION U N D MODE R N E

Mit etwa tausend Baudenkmälern beherbergt Regensburg das größte und am besten erhaltene Altstadt-Ensemble nördlich der Alpen. Seit 200 6 darf sich die Stadt an der Donau ­U NESCO Welterbe nennen. Regensburg ist einer der wenigen Orte in Deutschland, die auf eine mehr als 2000-jährige Geschichte zurückblicken kann. Malerische Gassen, Patriziertürme, der Dom St. Peter, die einzige gotische Kathedrale Bayerns, und die Steinerne Brücke prägen das Stadtbild. Beim Schlendern durch die ­A ltstadt erhält man einen Eindruck von der bedeutsamen ­Geschichte der mittelalterlichen Reichsstadt, die zur Zeit des Immerwährenden Reichstags sogar eine Art deutsche „Hauptstadt“ war.

Regensburg ist alt und jung zugleich. Die Stadt hält nicht nur eine einmalige Fülle historischer Bauten und Kunstschätze für den Besucher bereit. Als lebendige Stadt der Wissenschaft mit drei Hochschulen und ca. 33.000 Studenten bietet sie auch ein pulsierendes Kulturleben sowie eine Vielzahl von Bars, Kneipen, Restaurants und Clubs. Besonders in den ­Sommermonaten locken zahlreiche Festivals Besucher von nah und fern in die Domstadt. Langweilig wird es in Regensburg so schnell nicht! Als viertgrößte Stadt Bayerns ist sie außerdem die Heimat von Global Playern, Weltmarkt­ führern und einer lebendigen Start-Up Szene. Mit mehr als 350 Jahren Tagungstradition ist die Stadt nicht nur für ­r egionale, sondern auch (inter-)nationale Tagungen und Kongresse höchst spannend.


H AU S D E R B AY E R I S C H E N G E S C H I C H T E

D I E S TA D T E R K U N D E N

Seit Juni 2019 ist Regensburg um noch eine Attraktion r­ eicher. Das Haus der Bayerischen Geschichte eröffnete am Donaumarkt sein Museum und zeigt nun auf über 2.500 Quadratmeter die Entstehung des modernen Bayerns und was es so besonders macht (www.hdbg.de/museum). Eine multimediale 360-Grad-Zeitreise von den Römern bis zum Königreich Bayern, eine Dauerausstellung, die vom Beginn des Königreichs 1806 bis in die Jetztzeit führt, einen Laden mit Souvenirs aus Bayern und ein Wirtshaus, in dem man ­B iere aus allen Regionen Bayerns genießen kann, selbst­ verständlich begleitet von echt bayerischen Schmankerln.

Ein hervorragender Weg dem Herzen und Wesen Regensburgs näher zu kommen, führt über eine Stadtführung: Alte Gemäuer und historische Ereignisse, bewegte Geschichte und amüsante Geschichten, versteckte Hinterhöfe und abgelegene, schmale Gassen, all das wird den Besuchern in ­einem kurzweiligen Rundgang vermittelt. Das ist der beste Einstieg, der jungen, dynamischen Stadt hinter die Kulissen zu schauen, um sie dann auf eigene Faust und mit vielen Anregungen versehen, noch intensiver erleben zu können. Der ideale Einstieg aber auch, um zu begreifen, was die alte Stadt so jung macht und wie die Regensburger und die vielen „Zugereisten“ es verstehen, die Stadt und das Leben zu genießen. R e g e n s b u r g To u r i s m u s G m b H , To u r i s t I n f o r m a t i o n T + 4 9 (0) 9 4 1 5 0 7 4 4 1 0 , t o u r i s m u s @ r e g e n s b u r g . d e www. rege n sburg. de/tour i s mu s

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Blick auf Regensburger Dom und Donau, Foto: © Rudolf Balasko – stock.adobe.com



21 Peter Lang

Regensburg a pede Fürst-Anselm-Allee: Allee im englischen Stil mit zahlreichen Denkmälern, 1779 bis 1781 von Fürst Carl Anselm von Thurn und Taxis als mittlerer Teil des Grüngürtels um die Mauern der Altstadt angelegt, Foto: Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege

Z U R Z I E R D E D E R S TA D T

R E G E N S B U RG E R D O M T Ü R M E

Das touristische Highlight ist neben Steinerner Brücke und Porta Praetoria unbestritten der Dom, die Regens­ burger ­K athedrale St. Peter, das Hauptwerk der Gotik in Süd­deutschland. Im Zuge der Begeisterung der Romantik für das Mittelalter, als man sich in Köln und Freiburg anschickte, die gotischen Dome zu vollenden, wollte auch Regensburg nicht zurückstehen und seine Domtürme zu Ende bauen. Ab 1859 wuchsen sie empor, seit 1869 schließlich ist das Werk vollbracht. Die Domtürme ragen heute 105 Meter über die Dächer der Stadt und sind zum Wahrzeichen Regensburgs geworden. Den Auftrag zur Vollendung hatte König Ludwig I. gegeben, er trieb ebenso die Regotisierung des Doms voran, den er von a­ llem barocken Zierrat und einer über der Vierung aufgesetzten Kuppel purifizieren ließ. 2019 wurde das Jubiläum „150 Jahre Vollendung der Regensburger Domtürme“ mit zahl­reichen Veranstaltungen gefeiert.

linke Seite: Dani Karavan, begehbares Bodenrelief „Misrach“ aus weißem Beton, auf dem Neupfarrplatz vor der Neupfarrkirche, Foto: Herbert Stolz

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Die „Allee“, die die Altstadt vom Herzogs- zum Villapark in einem Halbkreis umfasst, ist nicht nur der wichtigste Park ­Regensburgs, er stellt auch ein Denkmal von Weltrang dar. Handelt es sich doch dabei um den ersten Park des europä­ ischen Kontinents, der gezielt für die breite Öffentlichkeit angelegt wurde und von Anfang an – ganz im Sinne der Aufklärung – der Bürgerschaft zur Erbauung, Erholung und als Erbe dienen sollte. Fürst Carl Anselm von Thurn und Taxis (1733–1805) ließ die Anlage in den Jahren 1779 bis 1781 „zur Zierde der Stadt und zur Gesundheit der Einwohnerschaft“ anlegen und bepflanzen. Großen Revolutionen gehen meist kleine voraus: Die „Allee“, wie sie in Regensburg schlicht genannt wird, ist der erste Volkspark der Geschichte. Es handelt sich (zehn Jahre vor der Französischen Revolution!) um eine Schaffung für die Bürgerschaft, eine Investition gezielt für und in das Volk.


Zwischen Freiheit und Moderne Die Bildhauerin

Renée Sintenis 12|10|2019 − 12|01|2020

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Renée Sintenis, Ausschlagendes Pferdchen, 1923, Bronze, Sammlung Karl H. Knauf, Berlin © VG Bild-Kunst, Bonn 2019, Foto: Bernd Sinterhauf, Berlin

Kunstforum Ostdeutsche Galerie Regensburg

15.10.19 11:30


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Das Schmetterlingsreliquiar, gefertigt um 1310/20 in Paris, ist weltweit einzigartig und zeigt in großer Brillanz der Farben die Kreuzigung Christi mit Maria und Johannes. Das Miniaturwerk ist 4 x 5 Zentimeter groß. Foto: © Kunstsammlungen des Bistums Regensburg / Gerald Richter

E I N H Ö R N E R , KO B O L D E

Der „Star“ des Domschatzes ist gerade einmal vier Zentimeter hoch und fünf Zentimeter breit, aber er ist ein ­e inzigartiges Wunderwerk der Goldschmiedekunst und voll von Symbolik. Gefertigt um 1310/20 steht der emaillierte Reli­q uienschmetterling mit K nöchelchen von Heiligen und einem Splitter vom Kreuz Christi für den Glauben an ein ­L eben nach dem Tod. Von der Raupe zum Schmetterling, heraus aus dem irdischen Jammertal in die ewige Herrlichkeit … Entdeckt wurde das Reliquiar im April 1991 in einem go­t i­schen Kreuz der Regensburger Schotten­ kirche, verborgen in einem Hohlraum im Hinterkopf des Gekreuzigten. Daneben verdienen auch die anderen Exponate des Domschatzes besondere Aufmerksamkeit. Zu ­sehen sind Schatzkammerstücke des Mittelalters, des Barock und Rokoko. Zu nennen ist das reich geschmückte Prager ­Ottokarkreuz aus dem 13. Jahrhundert und ein kostbares Emailkästchen, das

wohl um 1400 in einer der Werkstätten der französischen Fürstenhöfe ent­standen ist. Es ist mit 11.000 Goldsternen verziert, mit fantastischen Fabeltieren, Einhörnern, Hirschen, Greifen und Koboldgesichtern. Der Domschatz ist seit 1974 in den historischen Räumen der ­ehemaligen bischöflichen Residenz mit Fresken aus der Renaissance ausgestellt. Seit 2002 wird der Schatz im restaurierten Ambiente präsentiert, neueste ­konservatorische Erkenntnisse sichern den Erhalt des Erbes vieler Jahrhunderte. Neben Prunkgewändern mit ­feinster Goldstickerei, Gold- und Silberschmiedearbeiten ­sowie w ­ ertvollen liturgischen Geräten finden sich auch die Hirtenstäbe der Bistumsheiligen Emmeram und Wolfgang aus dem 12. Jahrhundert. www. dom schat z-rege n sburg. de

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U N D EI N SCH ME T T ER L I NG


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Kunstforum Ostdeutsche Galerie, Foto: © Regensburg Tourismus GmbH

DA S K U N S T F O R U M O S T D E U T S C H E G A L E R I E – E I N P O L I T I S C H E S KO N S T R U K T

D O N U M E N TA

Das Kunstforum Ostdeutsche Galerie wurde 1970 mit einem einzigartigen Konzept eröffnet, das angesichts der gegen­ wärtigen Migration aktueller denn je ist. Gefördert nach dem Kulturparagrafen im Bundesvertriebenengesetz spürt es ­i nsbesondere der Kunst und Kultur der deutschen Bevölkerungsgruppen in Mittelosteuropa nach. Der Stiftungsauftrag bedeutet Inspiration und Spannung zugleich: Künstler­ persönlichkeiten werden nicht allein aus kunsthistorischer Sicht, sondern auch in Bezug zu ihren Biografien und zu historischen Umständen präsentiert. Der Schwerpunkt der Sammlung liegt auf der Klas­ sischen Moderne zwischen Impressionismus und Neuer Sachlichkeit. Parallel richtet das Museum den Blick auf die ­Gegenwartskunst im östlichen Europa. Lovis Corinth, Otto Dix, Dan Flavin, Alexander Kanoldt, Oskar Kokoschka, Käthe Kollwitz, Max Pechstein und Sigmar Polke gehören zu den namhaften Künstlerinnen und Künstlern, die die Sammlung prägen. Das Haus ist immer auch für Überraschungen gut. So wurde 2018 erstmals das virtuose grafische Werk des ­Z eichners Paul Holz (1883-1938) in einer umfangreichen Schau gezeigt. Das KOG vergibt alle zwei Jahre den mit 10.000 Euro dotierten Lovis-Corinth-Preis. Preisträger waren unter anderem Karl Schmidt-Rottluff, Markus Lüpertz, Sigmar ­Polke, Katharina Sieverding, Stefan Moses, Daniel Spoerri und Roman Ondak. 2020 wird der Künstler und Kurator Peter Weibel mit dieser Auszeichnung geehrt.

Die „donumenta“ steht für aktuelle Kunst aus 14 Ländern an der Donau: Multimedia, Performance, Installation, Fotografie, Malerei, Crossover – grenzenlos. Sie ist die Initiative ihrer künstlerischen Leiterin R ­ egina Hellwig-Schmid und wurde als Verein 2002 in Regensburg gegründet. Mit dem donumenta e. V. avancierte Regensburg zur Drehscheibe des ­i nternationalen Kulturaustauschs mit den Ländern an der Donau. Die „donumenta“ trägt wesentlich zum Profil der W ­ elterbestadt als Ort z­ eitgenössischer Kunst bei.

www. k unst for um . net

an der Römermauer war eines der Ergebnisse des „Danube Art Labs“ 2018.

www. donumenta. de

Die Installation von Alexandru Raevschi (Republik Moldau) Foto: donumenta


25 K U LT U R AU S 4 . 0 0 0 J A H R E N

Auch die prägenden Maler aus dem ersten Drittel des 16. Jahrhunderts, die in Bayern und im nördlichen Teil Österreichs entlang der Donau tätig waren, sind hier mit ausgewählten und zentralen Werke vertreten: Albrecht Altdorfer, Lucas Cranach der Ältere, Wolf Huber, Michael Ostendorfer. Aktuell zeigt das Historische Museum in einer Sonder­ ausstellung die Bilanz einer 25-jährigen archäologischen Großgrabung im Regensburger Stadtteil Burgweinting. Rund 1.000 Einzelstücke sind zu sehen. Mit modernster Multi­ mediatechnik und mehreren 3-D-Rekonstruktionen werden die Erkenntnisse aus den Grabungen vorgestellt. So ermöglicht die Ausstellung eindrucksvolle Einblicke in die vier Jahr­t ausende währende Präsenz von Menschen an diesem Ort. Die Zahlen sprechen für sich: 66 Hektar zusammenhängende Ausgrabungsf läche – die größte Flächengrabung Süd­deutschlands. Fundstücke aus einem Zeitraum von über 4.000 Jahren – von der Jungsteinzeit bis ins frühe Mittelalter. Objekte, die insgesamt mehr als 550 Kisten füllen. Das Gesamtbild ergibt nach heutigem Stand, dass es sich bei dieser Gegend um eine der bedeutendsten frühen Kulturlandschaften Bayerns gehandelt haben muss. Spektakuläre Fundstücke kamen zutage, zum Beispiel eine gut erhaltene Tasse aus der Bronzezeit, ein aus dem ostgotischen Italien importiertes vollständiges Stängelglas, eine Goldscheibenfibel aus dem frühen Mittelalter und vieles mehr. Die Ausstellung „Spuren von Jahrtausenden – 25 Jahre archäologische Großgrabung Burgweinting“ ist noch bis Juni 2020 geöffnet.

Die Porta Praetoria des damaligen Römerlagers „Castra Regina“, Foto: Regensburg Tourismus GmbH

A R T M A P P   W I N T E R 2 019/ 2 0 — R E G E N S B U R G

Zeugnisse der Regensburger Kunst- und Kulturgeschichte von der Steinzeit bis zum 19. Jahrhundert zu bewahren, zu sammeln und zu präsentieren, so lautet verkürzt formuliert der Auftrag des Historischen Museums der Stadt Regensburg. Erfüllt wird diese Vorgabe zwar nicht in Gänze – die Schausammlung endet mit dem Jahr 1600 –, aber das hat einfach Kapazitätsgründe. Denn die Räume in einem ehemaligen Kloster, das nach der Säkularisation 1810 als Kaserne diente, reichen bei Weitem nicht aus, die Fülle aller Schätze, Artefakte, Dokumente und Zeugnisse aufzunehmen. Der Spatenstich für einen zentralen Depotbau im Osten der Stadt erfolgte diesen September, derweil sind wertvolle archäologische Funde, kunsthistorisch bedeutsame Exponate und einmalige Zeit­ dokumente noch auf Lager im ganzen Stadtgebiet verteilt. Dennoch: In den Räumen des ehemaligen Minoritenklosters, das ab 1931 zum Museum umgebaut, im Krieg schwer beschädigt wurde und erst 1949 eröffnen konnte, sind die wichtigen Epochen Regensburgs umfassend abgebildet. Es vermittelt sich ein anschauliches Bild vom Leben über Jahrhunderte und Jahrtausende hinweg: von der Vor- und Frühgeschichte des Regensburger Raums und der gesamten Oberpfalz über die wichtigen Epochen während der Römerzeit und des Mittel­ alters, als Regensburg zur „Freien Reichsstadt“ aufstieg, bis ins die frühe Neuzeit.


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R EGIONA L E R OU T P U T

Die Städtische Galerie im „Leeren Beutel“ spiegelt vor allem das ostbayerische Kunstschaffen wider. Der einst als Getreidespeicher genutzte Stadel, genannt der „Leerer Beutel“, im Osten der Altstadt ist ein stattliches, denkmalgeschütztes Bauwerk aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Er wurde nach grundlegender Sanierung 1980 als Kulturzentrum eröffnet. Neben der Städtischen Galerie mit Dauer- und Wechselausstellungen beherbergt er einen Konzertsaal speziell für Jazz, ein Restaurant und ein Kino. Sehenswert machen die Dauerausstellung des ­Museums nicht nur Werke der Gruppe SPUR, jener Künstlervereinigung, die einen wichtigen künstlerischen und mit ihrem Manifest zugleich theoretischen Beitrag zur deutschen Avantgarde nach 1945 leistete. Die Ausstellung mit (wechselnden) Arbeiten aus dem Depot gibt einen repräsentativen Querschnitt durch das lokale Kunstschaffen vom Expressionismus bis heute. Die Wechselausstellungen setzen alljährlich verschiedene Schwerpunkte. In ausgewogener Mischung werden dokumentarische, monografische und thematische Ausstellungen kuratiert. Als rein städtischer Institution obliegt es dem Haus, vornehmlich den lokalen und regionalen künstlerischen Output zu sammeln und zu präsentieren.

Runde Jubiläen von Künstlerpersönlichkeiten sind willkommener Anlass für Retrospektiven. So ist von 14. Dezember 2019 bis 1. März 2020 dem Regensburger Künstler Walter ­Z acharias (1919–2000) eine Schau gewidmet, die dessen singuläre Stellung und sein vielfältig-vielschichtiges Œuvre vor Augen führt. Er entstammte einer Regensburger Künstler­ familie, die bereits im 19. Jahrhundert auf das neue Medium Fotografie setzte und ein bis heute erfolgreiches Familien­ unternehmen aufbaute. Zacharias studierte von 1947 bis 1951 an der Akademie der Bildenden Künste München bei Adolf Schinnerer, Franz Klemmer und Franz Nagel. Danach leitete er hauptberuflich das elterliche Fotohaus und betätigte sich nur mehr nebenbei als Künstler. 1959 erwarb er im Bayerischen Wald ein Bauernhaus, das er als Atelier nutzte. Dort sammelte er Alltagsgegenstände vorwiegend des bäuerlichen Lebens, die er für seine Objektkunst verwendete. Ab 1980 und nunmehr im Ruhestand arbeitete er ausschließlich als freier Künstler. Diese Zeit gilt als seine künstlerisch fruchtbarste. Plastiken, Kaligrafien, Collagen, Objets trouvés – Zacharias schuf Außergewöhnliches. Seine Arbeiten sind Fetisch, ­Totem, Votivgabe, Kunst. www. rege n sburg. de/mu see n

Walter Zacharias, ohne Titel, 1989, Foto: Museen der Stadt Regensburg, Josef Dendorfer


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Am Neupfarrplatz wird die 2.000-jährige Geschichte Regensburgs lebendig. Das „document Neupfarrplatz“ gewährt einen Blick auf verschiedene Epochen. Die unterirdischen Schauräume umfassen das Mauerwerk von drei Kellern des mittelalterlichen Judenviertels und Teile des Ringbunkers aus der Zeit des Nationalsozialismus. Foto: Stadt Regensburg, Bilddokumentation, Peter Ferstl

„DOCU MEN T E “ –

Regensburg gilt als die am besten erhaltene mittelalterliche Als Erstes wurde schon vor der Jahrtausendwende der unterGroßstadt Deutschlands; dieser Sachverhalt war eines der irdische Bereich des Neupfarrplatzes zum „document“ zentralen Argumente für die Aufnahme in die Liste des erklärt. Grund war die Stadtkerngrabung auf dem Platz von ­U NESCO-Welterbes 2006. Innerhalb des Altstadtensembles 1995 bis 1998, bei der große Teile der Kelleranlagen des mitmit seinen knapp 1.000 Einzeldenkmälern kann man Ge- telalterlichen jüdischen Viertels sowie spektakuläre Funde schichte hautnah erleben – nicht nur in Sammlungen und zum Alltagsleben seiner Bewohner, unter anderem ein Museen, sondern an originalen Standorten im öffentlichen Goldschatz aus dem 14. Jahrhundert mit 62 4 Münzen und Raum und in historischen Gebäuden. Das „documente“-­ ein Fingerring mit dem Siegel der jüdischen Gemeinde, Konzept macht Geschichte an historisch authentischen ­z utage kamen. In den unterirdischen Schauräumen des Standorten lebendig. Ohne Präsentationsvitrinen, ohne „­ documents“ sind heute Mauern des römischen Legions­ ­Ausstellungsarchitektur, ohne arrangierte Exponate. Der Ort lagers, drei Keller des mittel­a lterlichen Judenviertels, die als solcher ist das „document“. Aktuell sind sieben Orte in der Funda­mente der Neupfarrkirche und Teile eines 1940 erbauRegensburger Altstadt als „document“ ausgewiesen: Die ten Ringbunkers zu sehen. ­M ittelpunkt der Präsentation ­Porta Praetoria, Teile der römischen Legionslagermauer, die bildet die mit hohem wissenschaftlichen und technischen Ausgrabungen unter der Kirche Niedermünster, der Komplex ­Aufwand realisierte Rekonstruktion einiger Teile des Judendes Reichstags, die Schnupftabakfabrik und das Keplerhaus. viertels. Der Zugang zum „document“ Neupfarrplatz ist nur mit Führung möglich. www. rege n sburg. de/mu see n

A R T M A P P   W I N T E R 2 019/ 2 0 — R E G E N S B U R G

E I N E R E G E N S B U RG E R B E S O N D E R H E I T


28 J Ü D I S C H E S L E B E N I N R E G E N S B U RG

Bereits im Jahr 11. Jahrhundert bestand in Regensburg eine voll strukturierte Gemeinde. Nach Jahrhunderten mehr oder minder friedlicher Koexistenz zeigte man am 27. Februar 1519 den Regensburger Juden die Ausweisung an: Ihre Häuser wurden komplett abgerissen, die Synagoge geschleift. Der ­jüdische Friedhof vor den Toren der Stadt wurde geschändet, die über 4.000 Grabsteine zerstört oder – mit Billigung des Rats – als günstiges Baumaterial verwendet. Etwa 60 dieser „Judensteine“ sind noch an Häusern in der Altstadt erhalten. Den Platz des ehemaligen Ghettos dominiert heute die Neupfarrkirche von 1540. Zwei Jahre nach Errichtung des Renaissancebaus bekannte sich der Rat der Stadt zum Protestantismus. So wurde die Kirche zum ersten evangelischen Gotteshaus Regensburgs. Ein Kunstwerk des israelischen Künstlers Dani Karavan macht seit 2005 den Grundriss der Synagoge durch das begehbare Bodenrelief „Misrach“ aus weißem Beton sichtbar. So gerne die Kinder auf den Stufen und Säulenstümpfen auch

toben, so gerne man sich hier zum Verweilen niederlässt – städteplanerisch überzeugt das Denkmal kaum. Es steht bei Events wie dem Christkindlmarkt und anderen Veranstaltungen schlicht im Weg. Aber das muss wohl so sein und ergibt durchaus Sinn, denn seit 1519 ist und bleibt der Neupfarrplatz eine Wunde im Stadtbild. Jüdisches Leben kehrte in Regensburg erst nach 1669 wieder ein. Nach Erlass des Bayerischen Judenedikts von 1813 wächst die jüdische Gemeinde stark. 1912 kann eine große und repräsentative Synagoge in einem eigenwilligen Stilmix aus Historismus und Jugendstil eingeweiht werden. Sie sollte nur 26 Jahre bestehen. In der Pogromnacht von 1938 wurde sie von den Nazis niedergebrannt, die Deportation der Juden aus ­Regensburg folgte bald darauf. Die Eckdaten des orthodoxen Synagogen-Neubaus verbinden nun die traurige Geschichte der Juden in ­Regensburg mit der Jetztzeit: 80 Jahre, nachdem die Nationalsozialisten die alte Synagoge in Brand gesetzt hatten, wurde der Neubau fertiggestellt; am 27. Februar 2019, genau 500 Jahre, nachdem der Regensburger Rat seine jüdische Bevölkerung aus der Stadt vertrieben hatte, wurde Einweihung gefeiert. Ein Neuanfang, nicht zuletzt weil die jüdische Gemeinde der Stadt in den letzten Jahren wieder stark angewachsen ist. Das jüdische Zentrum mit Synagoge, Kulturräumen und Verwaltungsbüros zu erneuern, war daher das Gebot der Stunde. Im Frühjahr 2015 hatte die jüdische Gemeinde dafür einen Architekturwettbewerb ausgelobt. Gewonnen hat ihn das Büro Volker Staab aus Berlin mit einem Entwurf, der sich zwanglos ins Stadtbild fügt. Der Bau separiert sich nicht von seiner umgebenden Bebauung, er wirkt licht, offen, transparent und ist ein gutes Beispiel dafür, wie modernes Bauen im Welterbe gelingen kann. www. s ynagoge -rege n sburg. de

Synagoge, Jüdisches Gemeindezentrum Regensburg, Foto: Marcus Ebener

I N BE W EGU NG

Von den drei Regensburger Kunstvereinen ist der Kunst- und Gewerbeverein nicht nur der älteste – er gehört auch zu den ­ä ltesten seiner Art in Deutschland –, er ist zudem der ­m itgliederstärkste und mit seinen zentral gelegenen Ausstellungsräumen auch der mit der höchsten Präsenz. 1838 als Kunstverein gegründet und 1925 mit dem Gewerbeverein ­f usioniert, fand hier das lokale Kunstschaffen einen pro­ minenten Platz, insbesondere seit 1926 wurden mit den Jahresschauen die Besucher zahlreich angelockt. Ausstel­ lungen von teils namhaften Gastkünstlern haben bis heute Tradition, schon 1926 war es dem Verein gelungen, drei ­A kteure von Weltrang – Ferdinand Hodler, Max Liebermann, Max Klinger – in den eigenen Ausstellungsräumen zu präsentieren. Neben dem Neuen Kunstverein Regensburg, der ­ausschließlich Gegenwartskunst explizit nicht lokaler Künstlerpersönlichkeiten und Kollektive zeigt, gibt es noch den


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Förderkünstlerin 2019 im Andreasstadel: Barbara Sophie Höcherl, „Aves – Form 170505“, Taxidermie-Skulptur,

KunstvereinGRAZ, der dem Experiment Raum gibt, der Street-Art und Grenzbereichen der Kunst. Aktuell aufgrund Gentrifizierung zum Nomadendasein verdammt und der eigenen Atelier- und Ausstellungsräume beraubt, sucht und findet der Kunstverein GRAZ interimsmäßig Unterschlupf in privaten Galerien und anderen Ausstellungsräumen – ­aktuell in der Stadelgalerie im Andreasstadel. Das Künstlerhaus Andreasstadel in einem imposanten mittelalterlichen Speicherhaus am Nordufer der Donau ist Treffpunkt für nationale und internationale Künstler, Kulturschaffende und Kunstinteressierte aus allen Bereichen. Es beherbergt Ateliers, ein Programmkino, besagte Stadelgalerie, die Akademie Regensburg – eine private Kunstschule – sowie Räume für den internationalen Künstleraustausch. Getragen

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A R T M A P P   W I N T E R 2 019/ 2 0 — R E G E N S B U R G

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32 Fürstliche Kunstsammlung Regensburg

Gloria von Thurn und Taxis

„Ich habe Porträts immer gern gemocht und wollte die Familie malen lassen“, sagt die eigenwillige Multimillionärin an ­einem Septembersamstag im Bierzelt auf der Regensburger Dult. „Aber es war schwierig, einen Künstler zu finden.“ Als Gloria von Thurn und Taxis im Diözesanmuseum Freising Werke von Stefan Hunstein sah, fiel die Entscheidung plötzlich ganz leicht. Der Münchner inszenierte 201 4 eine fünfteilige ­V ideoarbeit: Gloria in einer Reihe mit ihren Kindern Albert, Elisabeth und Maria Theresia sowie Mutter Beatrix von ­S chönburg-Glauchau. Die Familie schaut frei von jeder Gefühlsregung von Bildschirmen, groß wie Kühlschrank­t üren. Das bewegte Porträt im Kontrast zum konventionellen ­G emälde: Die Videoserie f lankieren Ahnen in Öl. Im Zen­ trum des Saals thronen Gloria und Stammhalter Albert. Der US-Fotokünstler Todd Eberle setzte sie feudal samt Diadem, Silberrobe, Uniform und Hausorden in Szene. Das Bild grüßt augenzwinkernd hinüber zu einem echten Barockstar des Hauses: Carl Anselm (1733–1805). Bevor das „alte Reich“ versank, trieb Carl Anselm als I.D. Fürstin Gloria von Thurn und Taxis, Porträt, 2019, Stellvertreter des Kaisers beim Immerwährenden Reichstag Foto: Rainer Fleischmann Photographie zu Regensburg die fürstliche Prachtentfaltung auf die Spitze. © Fürst Thurn und Taxis Zentralarchiv Was muss das für ein Bild gewesen sein, wenn er am Rathaus vorfuhr, über und über strotzend vor Brillanten! Mehr als 70 Diamantknöpfe mit bis zu 2,7 Zentimetern im Durchmesser glitzerten auf dem Seidenrock. Der Preis für den funkelnden Overkill strapazierte die flüssigen Mittel selbst dieses SuperDiesem Blick muss man erst einmal standhalten können: reichen; er zahlte den Juwelier auf Pump. Der gewöhnliche Gloria von Thurn und Taxis schaut ihrem Gegenüber direkt Mann auf der Straße muss geblendet gewesen sein von solch in die Augen, vollständig neutral und sehr konzentriert. Es einem Auftritt. Eine Ahnung davon bekommt der Besucher, dauert lange, bis die Lider kurz zu- und wieder auf klappen. der im Regensburger Museum Carl Anselms Garnitur stu„The princess is present“: Die Begegnung scheucht Ge­ diert. Nicht einmal das Grüne Gewölbe in Dresden kann danken an Marina Abramović auf, die 2010 an einem Tisch wirklich Vergleichbares aufbieten. sitzend in New York 750.000 Menschen intensive Augen-­ Köstliche Silber-, Gold- und Glasgefäße. Eine singuGespräche gewährt hat – mit dem Unterschied, dass die läre Sammlung von 55 Tabakdosen, jede einzelne raffiniert Regensburger Adlige ihre Performance nicht im Museum of und überragend gestaltet. Leuchter, Uhren, Prunkspiegel, Modern Art gibt, sondern in ihrem Schloss, und nicht „nur“ Gemälde, 540 Gewehre und Pistolen, Möbel: Die Thurn und für 720 Stunden präsent ist, sondern seit fünf Jahren un­ Taxis sammelten das Beste, das Schönste, das Teuerste. Dieunterbrochen: per Video. ses Kulturerbe ist seit 1993 Eigentum Bayerns.


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Ballsaal, Schloss St. Emmeram, Foto: C. Mayer

So kam es, dass sich Besucher heute am angestammten Ort von Zeugnissen fürstlicher Hofhaltung überwältigen l­ assen können. Von der langen Tafel zum Beispiel, die das Zentrum des Zweigmuseums einnimmt. Auf Damast ist hier für 30 Personen gedeckt, mit sagenhaften 112 Tellern, Schüsseln und Schalen aus der Frühzeit des europäischen Porzellans. 1735 schuf die Wiener Manufaktur Du Paquier das geblümte Service. Erst acht Jahre zuvor war in Meißen das erste „weiße Gold“ gebrannt worden. Die Wiener produzierten es nur für 26 Jahre. Auch deshalb ist Du-Paquier-Porzellan so selten aufzutreiben wie ein Fisch in der Sahara. Das Service hat bald 300 Jahre lang vollständig und intakt alles überstanden: Umzüge, Galadiners, Schlachten, Kriege und Weltkriege. Unscheinbarer wirkt eine andere Sensation im Zweig­ museum: In einem Schaukasten drängen sich sonderbare Holzhäuschen mit abnehmbaren Dächern. „Diese Sammlung zählt zum Wertvollsten hier“, erklärt Peter Styra, der Chef der Museen, zu denen auch prächtige fürstliche Kutschen gehören und die Hof bibliothek mit 250.000 erlesenen Büchern, Handschriften und frühen Drucken. Die kunstvollen Holzminiaturen also, erzählt Styra, sind Modelle heiliger Stätten, entstanden zwischen 1696 und 1732. Pilger kauften sie im Heiligen Land als Souvenir. 24 Exemplare stehen hier – und damit die weltweit mit Abstand größte Sammlung. Entdeckt wurde sie erst vor gut zehn Jahren, zuf ällig, beim Aus­ räumen eines Dachbodens in einem der Schlösser. Kann vorkommen bei einer Familie, die einen der glanzvollsten Höfe Europas führte. Gloria von Thurn und Taxis hat den ganzen Hofstaatzauber längst abgeschafft. Kunst ihrer Zeit sammelt sie dennoch – oder vielmehr sammelte? „Die zeitgenössische Kunst finde ich aktuell nicht mehr so interessant“, sagt Durchlaucht, im Bierzelt auf der Dult. „Der Markt ist geldgesteuert und es ist so viel schlechte Kunst unterwegs.“ Die 59-Jährige, die sich von der Partyprinzessin zur Marienverehrerin gewandelt hat, fährt fort: „Auf den großen Messen geht es nur noch um sehen und gesehen werden. Der Markt ist überschwemmt mit Müll.“ Früher mischte die Fürstin gut mit in diesem Geschäft mit Kunst. Takashi Murakami kaufte sie, als er noch günstig war. Experten wie Simon de Pury attestierten ihr ein gutes Auge. Der frühere Sotheby’s-Frontman arrangierte für sie 2005 in New York ein Diner mit betuchten Sammlern, auf der Gästeliste standen etwa Larry Gagosian, Olivier Berggruen und Jeff Koons. Den verehrt die Adlige übrigens: „Er ist für mich der Michelangelo unserer Zeit.“ Zum Aufruf kamen Werke von Stars wie Rosemarie Trockel und Paul McCarthy.

Sein „Weihnachtsmann auf merde-farbenem Sockel“ war für 750.000 US-Dollar gut, Anselm Kiefers „XXI Claudia Quinta“ brachte 290.000 US-Dollar. Was findet die bekennend stockkonservative Familienschützerin, die übrigens Sex vor der Ehe schädlich findet, an Kunst voller sexueller Anspielungen, etwa bei Jeff Koons, oder an brutal-vulgären Grenzüberschreitungen mit Dildo und Ketchup wie bei Paul McCarthy? „Mir geht es bei Kunst darum, dass sie den Geist der Zeit spiegelt“, antwortet sie. Und: Kunst sei der Religion ganz nah. Der Akt des Erschaffens trage einen göttlichen Funken. Früher, in den 1980ern, sei es ihr weniger um Kunst als um die Begegnung mit Künstlern gegangen, gesteht „Gloria TT “. Viele Male besuchte sie Andy Warhol in der Factory; ­C indy Sherman und Julian Schnabel zählen zu ihren vielen Künstlerfreunden; Candida Höfer porträtierte für sie 2003

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© Fürst Thurn und Taxis Zentralarchiv


34 das Regensburger Schloss. Mit der Kamera fror sie die Zeit in den Prunkräumen ein. Eine der Fotografien schaut in Glorias privaten Salon. Ein Schwein von Jeff Koons linst um die Ecke und eine Bill-Viola-Arbeit flackert an der Wand. Heute malt die Fürstin selbst. Ihre Porträts von Promis wie Wolfgang Joop, Papst Benedikt oder Sahra Wagenknecht kommen leicht daher, mit dem Charme von Kinderzeichnungen. Sie bewegt sich damit im kreativen Flow der Familie. Schon Fürstin Margarete hatte vor 100 Jahren im Schlosspark einen Malturm und war als Bildhauerin renommiert. Glorias Tochter Maria Theresia und Schwiegersohn Hugo Wilson kapern als freischaffende Künstler von London aus erfolgreich die angesagten Galerien in Paris, Rom, München und Berlin. Und Tochter Elisabeth sitzt gerade an ihrem ersten Roman und hat zuletzt mit Freundinnen eine von argentinischen Gauchos inspirierte Modekollektion entworfen.

Die Preisexplosion auf dem Kunstmarkt beobachtet die Fürstin mit Grausen. „Da vergeht einem der Appetit auf Kunst. Ich besuche Ausstellungen, ich bin nach wie vor inte­ ressiert – aber sammle nicht mehr.“ Welches Werk sie gern besitzen würde, gern um sich hätte? „Einen alten Meister, einen van Eyck, einen Canaletto, einen Brueghel.“ Und welches Werk würde sie unter allen Umständen behalten? Durchlaucht kennt da kein Pardon: „Von Kunst könnte ich mich jederzeit trennen. Es gibt überhaupt kaum etwas Materielles, von dem ich mich nicht verabschieden würde. Ich hänge eher an persönlichen, an symbolischen Dingen“, sagt Gloria im Bierzelt. „An meiner kleinen Pietà zum Beispiel. Vor der bete ich.“ Und dabei schaut sie einen wieder so konzentriert an. MARIANNE SPERB

Tabatiere, Foto: © Fürst Thurn und Taxis Zentralarchiv

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Thurn-und-Taxis-Museen Besucher sollten für den Ausflug zu Fürstens Zeit mitbringen. Schloss, Kreuzgang, Marstall und Schatzkammer: Vier Museen im weitläufigen Komplex am Rand der Regensburger Altstadt vermitteln ein vielschichtiges Bild von über 500 Jahren Geschichte des Hauses Thurn und Taxis, von 1.000 Jahren Klostertradition und vom eleganten Lebensstil einer der bedeutendsten deutschen Adelsfamilien. Die 2.200 Prachtstücke der Schatzkammer gehören dem Freistaat Bayern. Das Fürstenhaus deckte mit der Schenkung dieser Sammlung 1993 Erbschaftssteuern in Höhe von 4 4 Millionen DM. Der Deal gestaltete sich wie ein Krimi. Thurn und Taxis hatte sich 1992 bereits Tafelsilber und Juwelen im Genfer Hotel „Beau Rivage“ im Rahmen einer Auktion

vergolden lassen. Bei einer spektakulären Sotheby’s-Auktion kam dann 1993 in Regensburg fürstlicher Hausrat unter den Hammer: Pomp und Plunder, Kunst und Krimskrams, und zum Beispiel auch 75.000 Weinflaschen aus den fürstlichen Kellergewölben. Für einfliegende solvente Bieter war sogar ein Hubschrauber-Landeplatz eingerichtet. Als die wertvollsten Bestände, die heute in der Schatzkammer glänzen, ins Ausland gebracht und bereits ­einem Auktionshaus anvertraut waren, reagierte der Freistaat auf die Signale und setzte alle Hebel in Bewegung, um dieses Kulturjuwel von nationalem Rang zu retten. Eine Win-win-win-Konstellation, wie am Ende alle Seiten betonten: für Bayern, für Regensburg, für das Fürstenhaus. www. thur nundta x is. de


art KARLSRUHE 2020 STEFAN BIRCHENEDER one artist show Halle 4 / Stand L 01 www.the-view-ch.com


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Margarete von Thurn und Taxis, „Heiliger Georg“, 1910, Giebelrelief in Kalksandstein, Foto: Peter Lang, 2019

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Kaiserlich-künstlerische Hoheit Margarete von Thurn und Taxis In die westliche Altstadt von Regensburg verirren sich die Touristen nur selten, schon gar nicht in die neusachlich ­a usgestaltete Kirche Herz Jesu, die man in Kunstreise­ f ührern vergeblich sucht . Der Bilderschmuck dieses Gotteshauses gilt als das Hauptwerk von Margit von Valsas­ sina, so der Künstlername von Fürstin Margarete von Thurn und Taxis, Erzherzogin von Österreich, königliche Prinzessin von U ­ ngarn und Böhmen sowie Ururenkelin von Kaiserin Maria Theresia. Sie war es, die K.-u.-K.-Glanz nach Regensburg brachte und dem Hause Thurn und Taxis zu höchstem A ­ ufstieg in der Klassengesellschaft vor dem Ersten Weltkrieg verhalf. Geboren am 6. Juli 1870 in Alcsút/Ungarn und auf­ gewachsen in Budapest erhielt sie als Heranwachsende Unterricht im Malen und Zeichnen bei der Wiener Impressionistin Olga Wisinger-Florian. Nach ihrer Heirat mit Fürst Albert von Thurn und Taxis am 15. Juli 1890 in Budapest residierte sie auf Schloss St. Emmeram in Regensburg, wo sie im Südflügel und in einem mittelalterlichen Turm im Schloss­ park – heute Malturm genannt – Ateliers einrichten ließ. Ihre bevorzugten Motive waren Blumen und Pf lanzen, 1903 ­erschien der von ihr illustrierte „Atlas der Heilpflanzen des Prälaten Kneipp“, der es auf mehrere Auflagen brachte. Angeregt durch den Besuch der Weltausstellung 1900 in Paris, beschäftigte sich die Fürstin intensiv mit der Bildhauerei. Als Lehrer hatte sie den Münchner Maler, Illustrator und Bildhauer August Hoffmann von Vestenhof verpf lichtet. Erste Werke für den öffentlichen Raum waren 1910 zwei Kalksteinreliefs an den Westgiebeln des fürstlichen Marstalls, bemerkenswert reife Darstellungen der Heiligen Christophorus und Georg – Letzterer als antiker Heros in der Pose eines Kämpfers –, der Schutzpatrone der Reisenden und der Reiter. In der Folge modelliert sie eine Fülle von Figuren,

meist Schmuck für Kirchen und Residenzen der Familie. 1926 wurde im Regensburger Stadtpark das Kriegerdenkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs nach einem Entwurf Margaretes aufgestellt. Das Monument in Form eines gestuften Blocks mit Relieffeldern stieß allgemein auf Ablehnung. Vermisst wurde das Heroische, es sei zu bescheiden, zu schlicht, so die Kritik. Von heutiger Warte aus hat die Fürstin freilich alles richtig gemacht. Das Mahnmal – für das sie kein Honorar berechnete – bricht in seiner minimalistischen Anlage mit Traditionen und lässt jeglichen Anflug von Heldenkult vermissen. Das plastische Hauptwerk der Adeligen findet sich in der eingangs erwähnten Herz-Jesu-Kirche, die in enger ­A bst immung mit der Fürst in konzipiert w urde. Die ­d reischiffige Basilika dominieren eine monumentale ­K reuzigungsgruppe aus Kiefersfelder Marmor und 14 Heiligenstatuen aus Terrakotta. Hier zeigt sich die künstlerische Handschrift Margaretes am reinsten, das Exaltierte des Jugend­stils und die großen Gesten des Expressionismus sind überwunden, in der Reduktion fand sie zu einer sachlich-­ geerdeten Formensprache, die dem klar gegliederten Raum eine heilig-nüchterne Atmosphäre verleiht. Margarete war Mitglied mehrerer Künstlervereinigungen und beteiligte sich regelmäßig an Ausstellungen im Kunst- und Gewerbehaus. Am 2. Mai 1955 ist sie 84-jährig verstorben. Bis heute genießt Margarete die höchste Verehrung der Regensburger: Im Ersten Weltkrieg versorgte sie als Krankenschwester Verwundete, bis 1950 arbeitet sie freiwillig als OP-Schwester in der Kinderklinik. Das Œuvre von Fürstin Margarete erfährt aktuell als Gegenstand kunstgeschicht­ licher Forschungen seine verdiente Aufmerksamkeit. PETER LANG


FARBE WALTER BEKENNEN OPHEY Museum im Kulturspeicher Würzburg 1.11.2019 bis 19.1.2020

Oskar-Laredo-Platz 1 · 97080 Würzburg · www.kulturspeicher.de


38 Die Regensburger Domspatzen

„… geh in den Chor und sing!“

Die Regensburger Domspatzen, Foto: Philipp B. N. Artmann


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Die Regensburger Domspatzen im Dom St. Peter, Foto: Michael Vogl

In der Rückschau fruchtbar und furchtbar zugleich: Unter Domkapellmeister Theobald Schrems, der von 192 4 bis zu ­seinem Tod 1963 dem Chor vorstand, reift die Klangkultur der Domspatzen zu einer bis dahin unerreichten Blüte. 1933 hört Adolf Hitler ein Konzert der Domspatzen und ist hingerissen. Fortan wird dem Knabenchor ein besonderer „Führer-­ Zuschuss“ gewährt. Das andere dunkle K apitel der 1 .000 -jährigen ­G eschichte des Domchors: Die bekannt gewordenen Fälle von Missbrauch und Gewalt aus den fünfziger bis in die 1990er-Jahre. Das Fazit zweier wissenschaftlicher Studien: Dem Erfolg des Knabenchors wurde meist alles untergeordnet, auch das Wohl der Kinder. Die Aufarbeitung treiben der Bischof von Regensburg zusammen mit Opfervertretern und Vertretern der Domspatzen vorbildlich und stetig voran. ­P rävention und permanente Reflexion bleiben Dauerauftrag für die Institution. Transparenz, Offenheit und Zusammenarbeit mit den Eltern der Schüler sind das Gebot der Stunde für die Zukunft. Es ist und bleibt die perfekte Stimmkultur, die den Sound der Domspatzen so faszinierend macht: Sicherheit in der Intonation, harmonisches Zusammenspiel der Einzelstimmen und technische Reife im Ausdruck. War der Chorklang unter Georg Ratzinger, von 1964 bis 1994 im Amt des Domkapellmeisters, zart, ätherisch, ja fast lieblich, so wurde unter Roland Büchner (Domkapellmeister bis August 2019) der Ton markanter, vielschichtiger und expressiver. Nun ist Christian Heiß Chef des weltberühmten Knabenchors. Er selbst besuchte von 197 7 bis 1986 Musikgymnasium und ­I nternat der Domspatzen, er ist nach Büchner der zweite ­Familienvater an der Spitze des Chors. Nach einer Herbst tou r nee stehen a kt uell die ­Weihnachtskonzerte an, in denen die Domspatzen ihre ­V ielseitigkeit und alle Facetten des Schöngesangs demon­ strieren. Der liturgische Dienst im Dom jeden Sonntag aber ist nach wie vor ihre vornehmste Aufgabe. Singen zur Ehre Gottes und zur Freude der Menschen! PETER LANG

www. domspat zen. de

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Emanuel Schikaneder, der Librettist von Mozarts „Zauber­ f löte“, Journalist Franz Josef Wagner, Komponist und Regisseur Franz Wittenbrink – die Liste ehemaliger Domspatzen, die Karriere machten, ist lang. Aus der Kaderschmiede kommt eine neue Generation von Sängern wie Thomas E. Bauer, Wilhelm Schwinghammer, Maximilian Mayer und Maximilian Schmitt. Zu nennen sind außerdem Dirigent Lothar Zagrosek, Schauspieler Alexander Held und viele, die in nicht künstlerischen Berufen erfolgreich sind. Wie lange es den Chor der Regensburger Domspatzen bereits gibt, lässt sich nicht mit Gewissheit sagen. Fakt ist: ­Bischof Wolfgang ordnete 975 eine Neustrukturierung an, die auch die Domschule betraf, die zentrale Bildungsstätte und Mittelpunkt aller gelehrten Studien. Dass bereits vor diesem Datum „scolari“ die musikalische Umrahmung von Gottesdiensten versahen, davon ist auszugehen. Denn im Oktober 776 hatte Tassilo III. das erste Schulgesetz Bayerns erlassen, das jeden Bischof einer Kathedralkirche verpflichtete, eine Schule zu unterhalten. Infrage kommende Dokumente – und leider auch ein unersetzlicher Schatz an Notenmaterial – wurden bei der Erstürmung Regensburgs durch napoleonische Truppen am 23. April 1809 ein Raub der Flammen. Die Dompräbende, das Anwesen mit Unterrichtsräumen, Internat, Verwaltung und Kapellmeisterwohnung südöstlich des Doms, brannte bis auf die Grundmauern nieder. Dass der Knabenchor des Regensburger Doms durch alle Epochen hindurch eine herausragende Stellung genoss, belegt unter anderem die Inschrift einer sorgsam ausgeführten Konsol­ figur in gotischen Minuskeln im Winterchor des Doms, die wie ein Insiderjoke anmutet: Schuler dv hast nitczvschike / dv gejn kor vnd sing. Ins Neuhochdeutsche übertragen heißt das so viel wie: Schüler, du hast hier nichts zu schaffen, du geh in den Chor und sing! Sollten die Domspatzen schon nicht der nachweislich älteste Knabenchor der Welt sein, so sind sie doch der mit der längsten ungebrochenen Tradition. Auch wenn Reformation und 30-jähriger Krieg den Chor vor große Herausforderungen stellten – 1646 war die Zahl der Chorscholaren auf zwei ­K naben geschrumpft –, auch wenn die Institution in den ­I nf lationsjahren 1922/23 akut von der Schließung bedroht war, weil Schüler in Scharen das Haus wegen der immensen Pensionskosten verließen und die staatlichen Fördermittel hinten und vorne nicht mehr ausreichten, die Domspatzen blieben eine Regensburger Institution. Der ins Leben gerufene Verein „Freunde der Regensburger Domchores“ e.V., dem viele ehemalige Domchorsänger und zahlreiche Persönlichkeiten aus Gesellschaft, Politik und Wirtschaft angehören, ist bis heute eine maßgebliche Stütze. Hauptträger des Domchors und der gesamten Institution heute – mit Grundschule, Gymnasium, Internat und Ganztagsbetreuung – ist allerdings das Domkapitel. Niveau und Stimmkultur des Chors dürften zu jeder Zeit hoch gewesen sein, der Domchor genoss stets auch überregional Renommee, Auslandsreisen mit begeisternden Rezensionen sind für das 19. Jahrhundert dokumentiert. Ein Marketing-Coup sondergleichen ist die Erfindung des Labels „Domspatzen“. War bislang lapidar von Domchor oder Domcapelle die Rede, so sind die „Cathedral Sparrows“ seit einer Chorreise nach Prag 1910 weltweit ein Begriff.


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„Die Geschichte eines Exponats ist uns wichtiger als sein materieller Wert.“ R I C H A R D L O I B L , L E I T E R D E S H A U S E S D E R B AY E R I S C H E N G E S C H I C H T E

Die Geschichtsschreibung Bayerns beginnt im Jahr 552, in dem der Stamm der Bayern erstmals schriftlich dokumentiert ist. Was seitdem und bis heute geschah, zeigen die Ausstellungen im neuen Museum Haus der Bayerischen Geschichte in Regensburg. Für ARTMAPP traf sich Peter Lang mit dessen Direktor Richard Loibl zum Interview. ARTMAPP: Mit gut einem halben Jahr Verspätung wurde das Haus der Bayerischen Geschichte diesen Juni eröffnet. Wie ist es angelaufen? Richard Loibl: Durch einen Brand auf der Baustelle der Bava­ riathek wurde nicht nur die Bauplanung, sondern auch der Zeitplan gehörig durcheinandergewirbelt. Der Druck war enorm und wir mussten das Haus ohne Testphase eröffnen. Normal hat man bei Häusern dieser Größe drei Monate Probebetrieb. Wir testeten die ersten drei Wochen im Betrieb und

Goldene Schiffe, die vom Augsburger Goldschmied Johann Zeckel gefertigte Lepanto - Monstranz, 1708, Bürgerkongregation Maria vom Sieg Ingolstadt, Foto: Philipp Mansmann, © Haus der Bayerischen Geschichte

verlangten entsprechend keinen Eintritt. Der Andrang war enorm, die Stimmung super, auch wenn halt noch nicht alles perfekt war. Am Abend war gewissermaßen Schichtwechsel, die Besucher raus, die Handwerker wieder rein. Seit Ende Juli laufen wir im Status optimal. Mittlerweile stehen wir bei fast 300.000 Besucherinnen und Besuchern im Haus, davon fast 200.000 in der Dauerausstellung, über 20.000 in der erst kürzlich eröffneten Landesausstellung. Das ist Königsschlösser-Niveau und schlichtweg sensationell. ARTMAPP: Warum eigentlich Haus der Bayerischen Geschichte und nicht Museum? RL: Wir zeigen, wie Bayern Freistaat wurde und was ihn so besonders macht. Damit sind war das Museum für die jüngste bayerische Geschichte von 1800 bis heute. Mit unseren ­L andes- und Bayern-Ausstellungen präsentieren wir aber auch die Zeiten vorher, gewissermaßen bis zurück zur ersten ­E rwähnung der Bayern um 500. Für Einrichtungen wie die unsere, die ihre Präsentationen dynamisch und fortschreibend ausrichten und die die neueste Geschichte in den Vordergrund rücken, hat sich die Bezeichnung „Haus“ ­e ingebürgert: Haus der Geschichte der Bundesrepublik, Haus der Geschichte Baden-Württembergs, usw. Es ­entspricht auch unserer eigenen Tradition: Das Haus der Bayerischen Geschichte, 1972 als Arbeitsgruppe gegründet, war das erste der neuen Geschichtshäuser nach dem Krieg. Alles geht zurück auf die Idee, ein Museum der bayerischen Geschichte auf die Beine zu stellen. Erstmals formulierte sie Ministerpräsident a. D. Wilhelm Hoegner (SPD) 1961. Sie kam aus einer Umbruchzeit. Das NS-Regime hatte viel vom bayerischen Selbstverständnis zerstört. Mit den Vertriebenen kamen viele neue Mitbürgerinnen und Mitbürger nach Bayern. Das mag übrigens eine gewisse Parallele zu heute sein. Gegründet wurde das Haus der Bayerischen Geschichte dann bereits 1972. Die Pläne eines festen Museums in Verbindung mit der Staatskanzlei in München zerschlugen sich aber. ­D eshalb machten meine Vorgänger große historische Ausstellungen, übrigens die ersten in der Bundesrepublik. Die Älteren erinnern sich gerne an die „Wittelsbacher-Aus­ stellungen“ 1980. Die erfolgreichste kulturhistorische Ausstellung in der Bundesrepublik seit der Wiedervereinigung ist bis heute unsere „Götterdämmerung: König Ludwig II.“ mit fast 600.000 Besuchern in Herrenchiemsee 2011. ­Genau zu dieser Zeit griff Ministerpräsident Seehofer die Idee einer ständigen Ausstellung wieder auf.


41 ARTMAPP: Die Medienschau im Foyer und die Dauerausstellung sind unübersehbar niederschwellig konzipiert …

ARTMAPP: Sie mussten in Rekordzeit eine Sammlung auf bauen. Wie gingen und gehen Sie hier vor? Suchten Sie anhand des Konzepts gezielt Dokumente und Objekte? Oder nahm die Planung der Präsentation erst Konturen an, als Ihnen Ausstellungsstücke zur Verfügung standen? RL: Beides. Wir haben gezielt Leihgeber angesprochen und wir haben dankbar Schenkungen aus der Bevölkerung angenommen. Deshalb können wir mit Stolz sagen, dass die Bevölkerung unser Museum aktiv mitgestaltet hat und noch immer mitgestaltet. Seit unserem Aufruf haben wir sehr viele einmalige und zeitgeschichtlich relevante Objekte und Dokumente erhalten und bekommen immer noch Raritäten, die es zu erhalten und zu präsentieren gilt. Das Haus der Bayerischen Geschichte ist dankbarer Abnehmer für Objekte mit besonderen Geschichten. ARTMAPP: Können Sie auch alles zeigen, was Sie zeigen wollen? RL: Persönlich hätte ich noch gerne ein Kabinett mit den großen Kunstwerken aus Bayern eingerichtet. Aber die Leihgaben dazu dauerhaft einzuwerben oder die Kunstwerke sogar zu kaufen, übersteigt unsere Möglichkeiten. Ich hoffe aber, dass wir unser Kulturkabinett einmal für eine gewisse Zeit in diese Richtung umbauen können. Für die vielen historischen Themen, die wir in der Dauerausstellung nur antippen konnten, steht uns glücklicherweise ein grandioser Sonderausstellungsbereich zur Verfügung, den wir entsprechend nutzen werden. Die erste Museumspräsentation zu den 1920er-Jahren wird ab September 2020 hier zu sehen sein.

Richard Loibl, Leiter des Hauses der Bayerischen Geschichte, Foto: Fred Schöllhorn © Haus der Bayerischen Geschichte

ARTMAPP: Neben den acht Kulturkabinetten mit den kulturellen Phänomenen, die Bayern prägen, sind auf Bühnen, in Vitrinen und in Erlebnislandschaften einschneidende Etappen (Generationen) aus 200 Jahren bayerischer Geschichte in einer Dauerausstellung zu sehen. Ist diese Präsentation prozesshaft zu verstehen? Wird sie ausgebaut und verändert? Wenn ja, in welchen Zeitabständen? RL: Wie gerade für das Kulturkabinett Kultur geschildert, haben wir Möglichkeiten zum Wechsel eingeplant. Wir werden in den Generationen auch immer einzelne Bühnen verändern müssen und dürfen, weil wir bestimmte Leihgaben nicht für die Ewigkeit bekommen haben. Außerdem haben wir ja großartige Räume für Veranstaltungen und manches Bayerische eignet sich halt mehr für die echte Bühne. In ein paar Jahren werden wir uns schließlich der Aufgabe stellen müssen, die Zeit nach 2000 zu bewerten und in Bühnen zu transferieren. Derzeit steht hier ja „nur“ ein Sammlungsregal. ARTMAPP: Was ist vom Versicherungswert her das kostbarste Objekt? RL: Das dürfte der Nymphenschlitten König Ludwigs II. sein, den wir leider wieder an die Bayerische Schlösser- und Seenverwaltung zurückgeben müssen. Ein unglaubliches Stück ist auch die Taschenuhr Ludwigs II., die er bei seinem Tod im Starnberger See trug, übrigens heute in Privatbesitz. Aufgrund ihrer Geschichte ist die Uhr im Grunde unbezahlbar. Und daran können Sie jetzt sehen, wie wir Historiker ticken: Die Geschichte eines Exponats, sein emotionaler und ideeller Wert, ist uns viel wichtiger als der materielle.

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RL: Wenn Sie damit meinen, dass wir Geschichte packend und zeitgemäß erzählen, dann stimmt das. Vielleicht greift es aber auch zu kurz: Das Panorama von und mit Christoph Süß ist für mich ein ganz herausragendes bayerisches Kunstwerk. Unser Auftrag ist, möglichst viele Menschen zu erreichen. Das versuchen wir über Geschichten, die wir auf wissenschaftlicher Basis erzählen und besonders ins Bild setzen. Infotainment ist das einmal treffend genannt worden. Wenn Besucherinnen und Besucher leuchtende Augen kriegen, weil sie den Goggo vom Vater in der Ausstellung finden, den Kindern und Enkeln von ihren Erlebnissen bei Olympia erzählen oder stolz berichten, dass sie in Wackersdorf dabei waren, dann ist das gelebte Geschichte. Das freut uns total. Unsere Schau ist konzipiert wie ein vielfach aufgefächertes Geschichtstheater auf unterschiedlichen Bühnen. Gerade der Aspekt der Inszenierung ist bestens geeignet, die Menschen mitten ins Geschehen zu holen, beispielsweise in die ­D ebatten im Bayerischen Landtag, an denen die Besucher ­teilnehmen und abstimmen können. Wir verstehen uns als Demokratiemuseum. Ihren herausragenden Wert muss man gerade heute wieder bewusst machen.


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Warten auf königliche Nachricht, Pokal in Form eines Erdglobus, um 1617–1631, The Royal Collections, Sweden, Foto: Sven Nilsson © The Royal Court, Sweden

Noch etwas: Weil es immer heißt, gerade die Winterzeit sei Museumszeit, wagen wir den Versuch, die Laufzeit der ­L andesausstellung bis zum 8. März 2020 zu dehnen. Wer Landes- und Dauerausstellung besucht, bekommt einen sehr anschaulichen Abriss der Geschichte Bayerns, wobei wir uns nicht auf Altbaiern beschränken, sondern selbstverständlich auch Franken und Schwaben gebührend berücksichtigen. ARTMAPP: Was tut sich eigentlich in der ­u nmittelbar angrenzenden Bavariathek? Wann wird sie eröffnet?

ARTMAPP: Und welches Objekt berührt Sie ­persönlich emotional am meisten? RL: Da muss ich gar nicht überlegen, das sind die Häftlings­ jacke von Auguste Pineau aus dem KZ Dachau und das Thora-­S child aus Gunzenhausen, das uns die Familie Dottheim aus New York und Jefferson City zur Verfügung stellte, deren Vorfahren vor dem NS-Terror in die USA geflohen waren. Die Familie reiste eigens aus den USA zur Eröffnung an. Das war schon sehr bewegend.

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ARTMAPP: Die erste Sonderausstellung im großen Saal im Erdgeschoss ist aktuell die Bayerische Landesausstellung „100 Schätze aus 1000 Jahren“ sein. Was erwartet hier die Besucher? R L: Vereinfacht gesagt: Was vorher geschah. Liegt der Schwerpunkt unserer Dauerausstellung auf der Zeit ab 1800, so zeigt die Landesausstellung 100 spannende und hochrangige Exponate aus Museen in Bayern, Deutschland und Europa, aus Paris, London, Stockholm, Prag und Wien, Stücke aus mehr als einem Jahrtausend bayerischer Geschichte. Von den Agilolfingern bis zu Napoleon, vom sechsten Jahrhundert bis 1800. Die Besucher gehen in der Geschichte zurück und ­erleben historische Entwicklungen aus den bayerischen, fränkischen und schwäbischen Regionen anhand ausgewählter Objekte, die eine eigene Geschichte erzählen und Einblicke in vergangene Zeiten ermöglichen. Kostbare, einmalige und ­sowohl materiell, künstlerisch als auch ideell wertvolle und unwiederbringliche Kostbarkeiten. Ergänzt wird diese 100-Objekte-Schau durch biografische Skizzen von Menschen aus den jeweiligen Zeitschnitten. Ritter, eine jüdische Ärztin aus dem 15. Jahrhundert, Kaufmann, Bauerntochter, Dorfgeistlicher und andere Figuren begleiten die Besucher in die Vergangenheit und schildern aus ihrer Sicht den Lauf der Zeiten. Ganz bewusst keine Herrscherfiguren, sondern Menschen aus ganz verschiedenen gesellschaftlichen Schichten.

RL: Die Bavariathek ist keine Bibliothek mit Büchern zu, aus und über Bayern! Zu Büchereien und Bibliotheken wollen wir keinesfalls in Konkurrenz treten. Hier sind Medien, Ton- und Filmdokumente zugänglich, hier werden sie auch produziert. Die Bavariathek umfasst ein Medienarchiv mit digitalisierten historischen Beständen, ein Online-Angebot, dass das ­Museum immer und überall zugänglich macht und ein museums- und medienpädagogisches Programm, das interaktives und digitales Lernen fördert. Flexible Projekt- und Studio­ räume mit technischer Ausstattung vom Greenscreen über Schnittplätze bis zur Sprecherkabine stehen zur Verfügung. Die Beschäftigung mit Geschichte und historischen Quellen, aber auch die kritische Auseinandersetzung mit gegen­ wärtigen gesellschaftlichen Entwicklungen gehören dazu. Spannend ist das Angebot insbesondere für Schulklassen, die hier Medienkompetenz und den kritischen Umgang mit digitalen Werkzeugen erlernen. An der virtuellen Werkbank können Schülerinnen und Schüler im Rahmen von Projekten Apps, virtuelle Ausstellungen oder Videos erstellen und damit am Archiv der Zukunft mitarbeiten. Die Bavariathek wird Mitte 2020 eröffnet. ARTMAPP: Es handelt sich um ein Haus für ­Bayern, für die Allgäuer gleichermaßen wie für die Mainfranken, Leute aus dem Rupertiwinkel, aus Nürnberg und dem Hofer Land. Finden sich alle wieder? RL: Aber selbstverständlich! In keinem anderen Bundesland muss man mehr auf den Proporz der Stämme achten als in Bayern, das beherzigen wir, darin sind wir geschult und ­gestählt. Recht machen kann man es dabei trotzdem nicht jedem. Was mich aber besonders freut: Die Presse in Franken und Schwaben berichtet überwiegend unvoreingenommen und ausgewogen über das Haus der Bayerischen Geschichte. Nur das eine oder andere Münchner Blatt scheint ein bisserl stinkig zu sein, dass das Museum nicht in Oberbayern steht. Bis 8. März 2020 100 Schät ze au s 1000 Jahre n B ayer ische Landesausstellung 2019/20 Mu seum der B ayer ischen Geschichte, R egensburg www. hdbg. de


UM ALLEN ZU LEUCHTEN …

Foto: Martin Meyer, Regensburg

Informations- und Besucherzentrum am Dom St. Peter

WWW.DOMPLATZ-5.DE

WWW.DOMSCHATZ-REGENSBURG.DE


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Regensburg: UNESCO -Weltkulturerbe an der Donau

„Die nördlichste Stadt Italiens“ Für Städte re i se nde bie te t R ege n sburg e i n e V i e l z a h l v o n ­k u l t u r e l l e n u n d k ult urgeschichtlichen Geheimt ipps. Wo l f g a n g D e r s c h , K u l t u r r e f e r e n t d e r

ARTMAPP: Herr Dersch, was dürfen kulturell interessierte Besucherinnen und Besucher, die Regensburg noch nicht kennen, auf keinen Fall verpassen?

S t a d t R e g e n s b u r g , s t e l l t e i n i g e d a v o n v o r. Das Inter view f ür A RT M A PP f ü h r t e R e i n e r B ro u w e r.

ARTMAPP: Regensburg gehört zu den ältesten Städten in Deutschland und feiert dieses Jahr die Vollendung der Regensburger Domtürme vor 150 Jahren. Was bedeutet das diesjährige Motto: ­„Türme für den König“? Wolfgang Dersch: Man kann es sich kaum noch vorstellen, aber gut 350 Jahre lang war der Dom St. Peter ohne Turm­ spitzen. König Ludwig I., der Bayern von 1825 bis 1848 regierte, ließ zunächst nicht gotische Einbauten aus dem Dom ­e nt­f ernen. Mit der Gründung eines Dombauvereins und großzügigen königlichen Stiftungen konnten schließlich die Domtürme zwischen 1859 und 1869 vollendet werden. Seitdem ragen die 105 Meter hohen Türme in den Himmel.

WD: Wer Regensburg besucht, sollte in jedem Fall die herausragenden Zeugen des UNESCO-Welterbes sehen: Die Steinerne Brücke, den Dom St. Peter oder das Alte Rathaus mit dem Reichssaal sind nur wenige Beispiele aus den über 1.000 Einzeldenkmälern in der Regensburger Altstadt mit Stadtamhof. Absolut sehens- und hörenswert sind auch die vielen kulturellen Veranstaltungen mit einer außergewöhn­ lichen Strahlkraft. Die Rathauskonzerte bringen – seit nunmehr 50 Jahren – herausragende und vielfach prämierte Spitzenmusikerinnen und -musiker in den altehrwürdigen historischen Reichssaal – bei umwerfender Akustik. Auch die Thurn und Taxis Schlossfestspiele, das Jazzweekend oder Konzerte der Domspatzen sind absolut erlebenswert. Das Theater Regensburg hat mit der Oper „Minona“ von Jüri Reinvere (*1971) oder dem Schauspiel „Richard III“ von William Shakespeare zwei herausragende Premieren in der Spielzeit 2019/20. Auch „Das DEGGINGER“ ist als junger Ort für Kulturveranstaltungen und kreative Ideen immer einen Besuch wert. Es gibt so viel zu entdecken, dass ein einziger Besuch nicht ausreicht …


45 linke Seite: Die Dächer der Altstadt Regensburg, Foto: Regensburg Tourismus GmbH

Wolfgang Dersch, Kulturreferent der Stadt Regensburg, Foto: Stadt Regensburg, Stefan Effenhauser

ARTMAPP: Im Zusammenhang mit Regensburg fallen immer wieder die Stichworte: die Altstadt mit dem Dom und ihren Geschlechtertürmen sowie die Lebensqualität in der „deutschesten aller Städte“ (nach Johann Wolfgang von Goethe). W D: Es gibt weitere Attribute, mit denen Regensburg ­bedacht wird, wie zum Beispiel „nördlichste Stadt Italiens“ oder „nördlichster Punkt der Donau“. Egal wie man Regensburg beschreibt, die Lebensqualität in der Stadt ist hoch. Dazu tragen – neben dem schon beschriebenen Stadtbild mit ­U NESCO-Welterbetitel – vor allem die Menschen bei, die hier leben. Sie lieben die Stadt, zeigen sie mit Stolz her und freuen sich über Gäste, die diese Schönheit ebenfalls zu schätzen wissen. Auch über 30.000 Studierende kommen nicht nur wegen der drei ausgezeichneten Hochschulen, sondern auch weil Regensburg ein wunderbarer Ort zum Leben ist. Das sieht und spürt man im Sommer jeden Abend am Ufer der ­Donau oder vor unserem Theater am Bismarckplatz.

ARTMAPP: Was verbindet Regensburg mit dem Jahr 2020? WD: Mit 2020 verbinden wir in Regensburg eine Vielzahl von Veranstaltungen und Reiseanlässen, es wird das ­g anze Jahr über für Kulturinteressierte vieles geboten. Unser ­k ulturelles Jahresthema im kommenden Jahr heißt: „Provinz – Stadt – Metropole“, worin der mögliche und ­gewünschte Spannungsbogen bereits deutlich wird. Regensburg heute – das ist eine Stadt mit vielen interessanten Facetten und Prädikaten: UNESCO-Weltkulturerbe, Sitz von drei Hochschulen, Standort moderner Unternehmen aus dem Bereich Zukunftstechnologien und vieles mehr. Aber eine richtige Großstadt, eine Metropole gar? Mit rund 160.000 Einwohnern doch Provinzstadt? Alles ist eine ­F rage der P ­ erspektive und ein guter Anlass, sich ein Jahr lang mit den verschiedensten Aspekten dieses besonderen Spannungsverhältnisses zwischen Provinz und Metropole zu beschäftigen – auf künstlerischer und kreativer Ebene. Wir freuen uns heute schon auf ein facettenreiches Programm und unsere Gäste! ARTMAPP: Lieber Herr Dersch – vielen Dank für das Gespräch!

Schlossfestspiele auf Thurn und Taxis,

Jazzweekend,

Foto: Odeon Concert / Clemens Mayer, Reinhard Söll

Foto: Kulturreferat, Stadt Regensburg

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tour i s mu s . rege n sburg. de


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Appetizer R e i se t ipps z u K un s t und K ult ur von Bet t ina Götz tour ist @ar t mapp. net

Bamber g

Foto: © Bellevue Parkhotel & Spa

Ad elbod en

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Dinner Concer t

Bad Ischl

Bier

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S chme cker

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Reise

D a s Ka i s e r s t ä d t c h e n B a d I s c h l

I n d e r U N ES CO -We l t e r b e s t a d t

a n d e r Tra u n wa r t e t i n d e r

l ä s s t s i c h Ku l t u r m i t ku l i n a r i -

­V o r we i h n a c h t s z e i t m i t v i e l e n

s c h e n E r l e b n i s s e n b e s t e n s ve r-

Ü b e r ra s c h u n g e n u n d t ra d i t i o -

b i n d e n . B a m b e rg s B i e r v i e l f a l t

n e l l e n H i g h l i g h t s a u f. D e r we i t

i s t l e g e n d ä r. L e r n e n S i e b e i

ü b e r d i e G re n z e n d e s S a l z-

einer individuellen Ent­

ka m m e rg u t e s h i n a us b e ka n n t e

d e c ku n g s t o u r vo n B ra u e re i z u

Christkindlmarkt der Ischler

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47 Karlsruhe Karlsruher Kul t urpause E i n Wo c h e n e n d e i s t v i e l z u ku r z , u m d a s r i e s i g e Ku l t u r­ Kaiserliche Hofburg Innsbruck, Foto: © Innsbruck Tourismus / Christian Vorhofer

Innsbruck Skig enuss

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Lit er a t our A l l e i n o d e r z u z we i t a u f

­a us z u kos t e n: H i e r t r i f f t B a ro c k s c h l os s a u f M e d i e n ku n s t, b a d i s c h e L e b e ns a r t a u f M u l t i ku l t i, m o d e r n e s B a u e n a u f jede Menge Stadtgrün. Noch b i s Fr ü h j a h r 2020 l o c ke n

Wel t klasse ­ Bischofsr eu t

a n g e b o t i n Ka r l s r u h e

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i n Eu ro p a s M i t t e“ ve ra n s c h a u -

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­E r ku n d u n g s t o u r z u g ro ß e r

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Ku n s t u n d g ro ß e n G e s c h i c h t e n

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g o l d e n e n M a d o n n a: E r l e b e n

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B a d i s c h e s L a n d e s m us e u m).

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Stubai Innsbruck “ zum ersten

„H a n s B a l d u n g G r i e n – H e i l i g |

t e t e n Fe r i e nwo h n u n g e n . D a s

e n d e i n E s s e n u n d b ew u n d e r n

M a l n a h ez u u n b e g re n z t e s

U n h e i l i g“ w ü rd i g t d a s e i g e n -

H a us „H a i d l - M a d l “ i s t e i n e s

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­P i s t e nve rg n ü g e n i n 13 S k i ­

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vo n r u n d 4 0 „B i b l i o t e l s“, d i e

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Badisches Landesmuseum im Schloss Karlsruhe, Foto: Mende Karlsruhe © KTG Karlsruhe Tourismus GmbH

f ü r e i n Wo c h e n e n d e i n d e r „Fä c h e r s t a d t “ e n t h ä l t z we i Ü/F, d i e Ka r l s r u h e C a rd s ow i e f re i en Eintritt in eine der beiden

ka r l s r u h e - t o u r i s m us .d e


48 Schloss Schwerin und Kreuzkanal, Foto: Marieke Sobiech, © Stadtmarketing GmbH Schwerin

Konst anz Konst anzer W int erspezial

Münst er Münst er à la

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49

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Thüringer Bachwoche 2010, Hohenstaufen Ensemble in der Traukirche St. Bartholomäus Dornheim, Foto: Jens Haentzschel / Thüringer Bachwochen e.V.

A R T M A P P   W I N T E R 2 019/ 2 0 — A P P E T I Z E R

2020 f e i e r t d a s Re i s e l a n d


ostbayern


51 Blaibach, Landkreis Cham / Oberpfalz: im Hintergrund das Bürgerhaus, 2012, vorne Eingang Konzerthaus, 2014, Peter Haimerl . Architektur, Foto: Reiner Brouwer

Der Stein prägt die Oberpfalz. ­„ Stoapfalz“, Steinpfalz, heißt sie auch. Karg, eigensinnig, gradlinig, of t wuchtig und manchmal g ­ rundier t von hintersinnigem Witz – so wird hier gebaut.

Architektur aus der Oberpfalz strahlt heute weit über die R ­ egion hinaus. Ehrgeizig - spektakuläre Projekte und ­r eiz voll - sonderbare ­K leinstobjekte: Unsere Tour führ t kreuz und quer durch die Region und macht den einen oder anderen Ausfallschrit t Richtung

MARIANNE SPERB

A R T M A P P   W I N T E R 2 019/ 2 0 — O S T B AY E R N

Niederbayern.


MEISTER DER ARCHITEKTUR REGENSBURG OBERPFALZ NIEDERBAYERN

BETR ACHTUNGEN VON M ARIANNE SPERB

Mitten in Regensburg schickt einen das Museum der ­ ayern durch die Geschichte, kunterbunt, kundig und B manchmal ganz schön durchgeknallt. Das Haus am Donauufer (Architekten: wörner traxler richter) lässt im Inneren längst verschwundene alte Plätze und Gässchen neu erleben. Eine Nummer für sich ist die Asphaltkapelle in Etsdorf (Landkreis Amberg). Die Bauskulptur für Meditation und Musik fasst nicht mehr als zwölf Menschen und sie ist nur ­eines der vielen Projekte von Wilhelm Koch, die allesamt herrlich schräg und tiefsinnig sind. Nicht aus Pappe: Das Headquarter von BHS Corru­ gated, weltgrößter Hersteller von Wellpappeanlagen in Weiherhammer (Landkreis Neustadt/ Waldnaab), ist ­aufregende Architektur voll futuristischem Swing, mit

dynamisch gekurvter Fassade (S+P Gesellschaft von Architekten mbH, Nürnberg). Bauherrenstolz manifestiert sich auch in Ebermannsdorf (Landkreis Amberg) in Baukunst auf der Höhe der Zeit: Der Sitz der Grammer Bürostühle GmbH liegt wie ein Felsen im Bayerischen Wald. Schwarze massive Wände f­ esseln den Blick schon von Weitem. Weltläufigkeit auf dem Land: Das findet man auch bei Michael Zink in Waldkirchen (Landkreis Neumarkt): Seine Galerie (Atelier Dimanche – Matthieu Robitaille et Tamara Henry, Lausanne) macht das Dorf – sieben Häuser, 120 Kühe – und lockt internationale Kunstfreunde zur Landpartie. Wo immer den Architekturfreund der Weg hinführt: Vor Über­ raschungen ist er in Ostbayern eigentlich nie sicher.


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BE SON DE R E ORT E U N D ÖRT CH E N I M L A N DK R EIS N EU M A R K T

Rund um Neumarkt in der Oberpfalz locken zehn Museen, die man hier nicht vermuten würde. Zwei der Kulturhäuser rangieren in der Extraklasse: Das Maybach- und das Lothar-­ Fischer-Museum sprechen nicht nur L iebhaber von Bildhauerei und Oldtimern an, sondern auch Freunde der ­A rchitektur. Das Museum Lothar Fischer in Neumarkt zeigt 450 Skulpturen des berühmten Bildhauers, Werke von ­Kollegen wie Wegbegleitern und der Künstlergruppe SPUR (1957–1965). Das weltweit einzigartige Maybach-Museum ist ein Hotspot für Oldtimer-Fans: 20 exquisite Exponate ­machen die Entwicklung des Motorenbaus anschaulich. Beide Museen hat das Büro Berschneider + Berschneider entworfen, Motto: „Wir optimieren Lebensraum. Planung, Ausführung und R ­ ealisierung erfolgen aus einer Hand.“ Natur und Architektur messen sich auf dem Golfplatz Lauterhofen im Landkreis Neumarkt. Das Örtchen wird zum skulpturalen Ort: Johannes Berschneider stellte ­Boxen aus Brettschichtplatten auf Bodenplatten. Rot lasierte Holz­gehäuse im Inneren werden außen von gestapelten Ästen eingehegt. Dem Benutzer bietet sich ein herrlicher Panoramablick über das Tal. Die WC-Häuschen sind berühmt geworden.

E I N G E DÄC H T N I S S P E I C H E R AU F S T E L Z E N : A RC H I V D E S B I S T U M S PA S S AU

Dicke Betonmauern umhüllen in Passau den Bücherschatz und das Archiv der Diözese. Auf sieben Kilometern Länge ­reihen sich hier die Archivalien. Das Magazin wirkt wie eine schützende Hand, die sich über die Geschichtszeugnisse ausbreitet. Das kleine, aber markante Bauwerk, 2016 entworfen von koeberl doeringer (Wien/Passau), ist der Gedächtnisspeicher des Bistums. Der fragile Schatz an Niederschriften, in der Dreiflüssestadt stets von Hochwasser bedroht, ruht auf Stelzen weit über der Marke der Jahrtausendflut. Die m ­ assive Fassade stellt in den fensterlosen Räumen optimale klimatische Bedingungen sicher. Und der Zugang ist nur über eine kleine Brücke möglich.

linke Seite: Golfclub Lauterhofen, WC- Häusl Bahn 14, Stampfbeton, Foto: Erich Spahn

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Archiv Bistum Passau, Architekt / Foto: koeberl doeringer architekten


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WIE EIN FELS: DA S S T E I N M U S E U M I N H AU Z E N B E RG

D I E G L A S K AT H E D R A L E VO N G R O P I U S I N A M B E RG

Direkt ins Wasser eines alten Steinbruchs wurde das Granitzentrum in Hauzenberg gebaut. Mit archaischer Wucht erheben sich die massiven, aus bruchrauen Steinquadern geschichteten Mauern über der Halde. Granit in der Felswand, am Boden, an Decken und Wänden, Materialien von grob gespitzt bis feinst poliert: Das Büro Brückner & Brückner Architekten aus Tirschenreuth baute den Stein weiter. Auf dem Weg zum Museum geben Stahlplanken nur vereinzelt Blicke auf den Steinbruch frei, bis man plötzlich vor dem riesigen Schriftzug „GRANIT“ steht und eine schwere Stahltür öffnet. Filme im Granitkino, eine Erdzeitachse und Multimediatechnik beamen den Besucher 500 Millionen Jahre zurück in die Erdgeschichte, hinunter in 15.000 Meter Erdtiefe, und führen ihn von der Romanik bis zur Gegenwart durch die ­G eschichte der Steinmetzkunst. Die Ausstellungsebene ­befindet sich auf einer hölzernen Seeterrasse. Eine breite Glasfront gibt den Blick auf Wasserfläche und Schausteinbruch mit Schmiede, Steinhauerhütten und Hebekranen frei. Das Museum dokumentiert nicht nur die lange Tradition der Granitbrüche und Steinmetzbetriebe im Bayerischen Wald, es ist zugleich Tagungsstätte, Fortbildungszentrum, Messeplatz und Werbeplattform der Natursteinindustrie.

Walter Gropius zeigte in einer kleinen Oberpfälzer Stadt, ­wofür Bauhaus-Architektur steht. Der weltberühmte Architekt schuf Ende der 1960er-Jahre eine Fabrikhalle für die Rosenthal AG (Selb), die einer Basilika nachempfunden war: die Glaskathedrale in Amberg. „Wenn das 100 Meter lange Beton-Giebeldach aus der grünen Talsenke auftaucht, ist man überrascht: geschockt von der radikalen Klarheit der ­seriellen Form und seiner architektonischen Souveränität im Niemandsland“, schrieb Architekturkritikerin Ira Mazzoni. Dachflächen und Mittelschiff sind aus Beton und Glas und ­erheben sich aus der Rasenf läche bis zum Giebel. Mo­ derner Funktionalismus, der Glasbläsern möglichst ideale Arbeits­b edingungen schenken sollte, verschmelzen mit Schönheit und sakraler Formensprache. Aus der Luft sieht die Halle aus wie ein perfekt geometrisches Element. Diese ­G laskathedrale wurde Walter Gropius’ letztes Bauwerk; die Fertigstellung 1970 erlebte er nicht mehr. Die Fabrik zählt zu den unge­w öhnlichsten und überzeugendsten Industrie­bauten in Deutschland und gehört zu den jüngsten Baudenkmälern Bayerns.


55 B AU K U N S T I M W E LT E R B E : D I E R E G E N S B U RG E R S Y N AG O G E

80 Jahre, nachdem die Nazis die alte Synagoge in Brand steckten, wurde 2019 in Regensburg die neue Heimat für die wachsende jüdische Gemeinde fertig. Mitten im Welterbe, wo sich auf Schritt und Tritt Römerzeit, Mittelalter und die Ära als Hauptstadt des Alten Reichs erleben lassen, entstand Baukunst der Moderne. Das Büro Volker Staab in Berlin füllte die seit 1938 klaffende Wunde am historischen Ort der alten ­Synagoge und versöhnte meisterhaft die Widersprüche von kleinem Baugrundstück und großem Raumprogramm, von strikten Sicherheitsauflagen und dem Wunsch nach Offenheit. Die Synagoge am Brixener Hof hat sich zum kleinen

großen Star unter Regensburgs Sehenswürdigkeiten ent­ wickelt. Die Bürger können sich nicht sattsehen an dem architektonischen Meisterwerk, Führung folgt auf Führung. Das Gebäude verblüfft mit vielen Details, ein Beispiel: die Kuppel über dem Gebetsraum. Die Architekten setzten dem Sakralraum eine Kappe aus knuffigem Metall auf. Tageslicht strömt ins Innere durch eine Haut aus satiniertem Glas und durch eine zart aufgefächerte Holzlamellenschale, die zum Himmel immer lichter wird. Die Zeltdecke ist aus dünnen Holzstäben komponiert, die sich zu einer freitragenden Decke mit 25 Metern Durchmesser wölben.

linke Seite: Granitzentrum Hauzenberg, Foto: Peter Manev

Glaskathedrale Amberg von Walter Gropius, Foto: Erich Spahn © VG Bild- Kunst, Bonn 2019


UPCOMING EXHIBITIONS THANK GOD IT´S F***ING CHRISTMAS: 26.11.2019 – 05.01.2020 LONDON ART FAIR: 21.01.2020 – 26.01.2020

Öffnungszeiten: Mittwoch – Donnerstag – Freitag immer 16 Uhr – 19 Uhr , sowie jederzeit auf Anfrage. Bahnhofstraße 41, D-89231 Neu-Ulm www.galerie-im-venet-haus.de


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Konzerthaus Blaibach, rechts im Hintergrund das Bürgerhaus, Foto: Reiner Brouwer

W E LT K L A S S E AU F D E M D O R F :

Mitten im Bayerischen Wald ist ein kleines Wunder zu bestaunen. Ein Aufsehen erregendes Konzerthaus schenkt einem Dorf Profil und Mitte. Als der Kern von Blaibach im Landkreis Cham zu veröden drohte, wagten sich Architekt ­Peter Haimerl, Kulturwald-Intendant Thomas E. Bauer und die Bürger an eine radikale Investition in die Zukunft. Mit einem elegant-minimalistischen Konzerthaus für rund 200 Besucher pflanzten sie dem Dorf ein neues Herzstück ein. Der Monolith, der halb in der Erde steckt, wirkt, als wäre ein Meteorit hier eingeschlagen. Eine offene Treppe führt unter den Felsen ins Foyer und in den steilen Saal. Aber hier geht es nicht um einen Bilbao-Effekt, sondern um Sinn und Inhalt. Die gekippte Form und die vielfach geschlitzten Wände folgen nicht dem optischen Effekt, sondern den Vorgaben der Akustik. Das Projekt und die Akteure wurden mit Preisen überhäuft. Seit 2014 ist Blaibach die Adresse für Künstler von Weltrang.

Beim Besuch Blaibachs bietet sich ein Abstecher nach ­P ulling an. Der Künstler Leo Schötz hat sich hier nach ­Plänen von ­A rchitekt Stephan Fabi mitten in herber Flur ein Atelier­h aus gebaut. Wie eine Stahlskulptur liegt es in der Landschaft: ­orientiert an den Linien von Straße, Fluss und Schiene, lang und schmal, außen rostbraun ummantelt von 270 Cortenstahl-Platten, innen geprägt von Beton und ­E ichenholz – ungewöhnlich und gleichzeitig auch so, als sei es eine Selbstverständlichkeit.

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DA S KO N Z E R T H AU S B L A I B AC H


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Thomas E. Bauer, Bariton, Intendant des Konzer thauses Blaibach

Der Visionär aus dem Bayerischen Wald

Da s von Thoma s E . B aue r ange reg te Kon z e r thau s in B laibach mit se ine r spek tak uläre n A rchitek t ur w u rd e 2 0 1 4 e rö f f n e t u n d w i rd v o n d e r B e v ö l k e r u n g b e s t e n s a n g e n o m m e n .

Dass Kultur Infrastruktur schaffen und das Image einer Region nachhaltig auf bessern kann, beweist ein Projekt, das weit über Bayern hinaus für Schlagzeilen sorgt: das Konzerthaus in Blaibach. Im Rahmen des geförderten Modellvorhabens „Ort schafft Mitte“ wurde Blaibachs historisches, aber über die ­Jahre stark vernachlässigtes Zentrum saniert. Herzstück der Maßnahme ist ein modernes Konzerthaus, das von Kulturwald-Intendant Thomas E. Bauer initiiert und 2014 eröffnet wurde. Der Münchner Architekt Peter Haimerl (* 1961 in Eben

bei Viechtach, Niederbayern) schuf einen visionär-monolithischen Bau, der in seiner Form für zeitgemäßen Minimalismus und Eleganz gleichermaßen steht. Weitab von jeglicher Großstadt wirkt das Konzerthaus wie ein vom Himmel gefallener Würfel. Die gekippte Box schmückt zusammen mit dem revitalisierten und erweiterten Bürgerhaus sowie einem historischen Bauernhaus nun wieder den Dorfplatz. Den Beitrag für ARTMAPP erstellte Peter Lang, Regensburg.


59 linke Seite: Konzerthaus Blaibach, Innenansicht, Foto: NA ARO

ARTMAPP: Wann reifte in Ihnen der Wunsch, Sänger zu werden? Wie klar war Ihre Sänger­ karriere vorgezeichnet? Thomas E. Bauer: Die Lauf bahn als Sänger war bei mir nicht unbedingt vorgegeben. Ich komme aus einem kleinen Dorf im Bayerischen Wald und wurde auf Initiative meines Grundschullehrers bei den Domspatzen eingeschult. An diese Zeit habe ich sehr schöne Erinnerungen. Das Musikgymnasium hat mir das Rüstzeug für meinen späteren Werdegang ­mitgegeben. Zunächst habe ich Jura studiert und als ­Gründungsmitglied des Ensembles „Singer Pur“ erste Bühnen­erfahrungen gesammelt. Da war dann das Gesangsstudium die logische Weiterbildung. Für den Rest braucht man dann vor allem Glück und Durchhaltevermögen.

TEB: Als Bayer sind mir natürlich die bayerischen Preise, zum Beispiel der „Kulturförderpreis des Kunstministeriums“, der „Kulturpreis der Bayerischen Landesstiftung“ und der „Kulturpreis Bayern“ wichtig. Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass man mir als ersten Sänger den „Schneider Schott Musikpreis“ für herausragende Interpretationen zeitgenössischer Musik zuerkannt hat. ARTMAPP: 2014 wurde das von Ihnen initiierte Konzerthaus in Blaibach eröffnet. Was hat Sie bewogen, Energie und Herzblut in einen sensationellen und spektakulären Bau in der tiefsten Provinz zu stecken? TEB: Ich bin im Bayerischen Wald aufgewachsen und habe von außen die sensationelle Entwicklung vieler gesellschaftlicher Bereiche in dieser Region seit den 1970er-Jahren sehr genau verfolgt. Städte wie Deggendorf oder Cham haben ­i nfrastrukturell gesehen einen richtigen Boom erlebt. Aus meiner Sicht hat sich eine analoge Entwicklung im Bereich prominenter Kultur aber nicht vollzogen. Natürlich gibt es eine Vielzahl von löblichen Initiativen: eine ernstliche Investition in diesen Sektor hat es aber bis dato nicht gegeben. Es führt an dieser Stelle zu weit, die vielen Ereignisse rund um die Errichtung des Blaibacher Konzerthauses aufzulisten. Eines hat sich aber herausgestellt: Hier ist über das Vehikel anspruchsvollster Musik und Architektur eine Region in Gang gebracht worden. Kunst ist zu einem harten Standortfaktor geworden. Den Beleg kann man vor Ort anhand des Vorher-nachher-Vergleichs eindrücklich erleben.

Thomas E. Bauer, Foto: Marco Borggreve

ARTMAPP: Wie ist in diesem Zusammenhang Ihr Engagement für „Kulturwald“ zu sehen, der Konzert- und Kulturreihe, die das ganze Jahr über viele Orte im Bayerischen Wald einbezieht? TEB: Wenn man das Konzerthaus als „Hardware“ begreift, dann ist der Kulturwald so etwas wie die „Software“ meiner Initiative. Sie bildet weiter den Kern des Engagements, eine Art ästhetische Grundidee. Seit der Eröffnung des Konzerthauses ist der Kulturwald verortet, ein Betriebsmodell, strahlt aber weiter aus in die Umgebung. Ich arbeite an einem Asso­ ziationsmodell, das weitere Vernetzungen in Ostbayern ermöglichen wird. w w w . k o n z e r t- h a u s . d e

Thomas E. Bauer wurde am 15. Juni 1970 in Metten geboren. Aufgewachsen ist der Sänger in Bernried, eine erste musikalische Ausbildung erhielt er bei den Regensburger Domspatzen, bei denen er 1990 das Abitur ablegte. Danach studierte er an der Hochschule für Musik und Theater München und war Meisterklassenschüler von Hanno Blaschke und Siegfried Mauser. Das von Bauer angeregte Konzerthaus in Blaibach mit seiner spektakulären Architektur wurde 2014 eröffnet und wird von der Bevölkerung bestens angenommen.

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ARTMAPP: Alle Ihre Preise aufzuzählen, würde den Rahmen sprengen. Nennen Sie bitte mit einer kurzen Begründung die drei Auszeichnungen, die Ihnen am meisten bedeuten.


kunstohnefilter.de „Kunst ohne Filter“ – unter diesem Motto hatten die Kunst­ erzieherinnen und Künstlerinnen Nicola Thumann und Melanie Köhler gemeinsam mit dem Tourismusverband die Idee für ein Kunstprojekt in Neumarkt: den Kunstautomaten. Seit Oktober 2017 kann man aus einem ausgedienten Zigarettenautomaten am Rathaus Kunstobjekte im Miniaturformat ziehen. Wer den ausgewiesenen Betrag von fünf Euro in Münzen rechts oben in den Schlitz wirft, bekommt anstelle von

Glimmstängeln ein regionales kreatives Originalwerk. Zwei Mal jährlich, im Oktober und April, finden am Auto­maten Vernissagen statt, dann werden die zehn Schächte des hell­ blauen Automaten mit neuen Kunstwerken bestückt. ­Neben etablierten Künstlern ist ein Schacht auch immer für eine Schulklasse reserviert. „Kunst ohne Filter“ entpuppt sich als viel beachtete Kunst­aktion: Bisher wurden über 2.000 Schachteln gezogen.

365 Tage Kultur in Neumarkt Konzerte und Ausstellungen im Reitstadel, Neumarkter ­Konzertfreunde, Internationale Meistersinger Akademie, Open Air-Matineen und Kinderprogramm im LGS-Park, ­K abarett und Kleinkunst, Ausstellungen und die Reihe ­K lang­raum in der ­Residenz, Ausstellungen, Künstler­gespräche und Kunstvermittlung im Museum Lothar Fischer, Sonder­ ausstellungen und Museumspädagogik im Stadt­museum, Ausstellungsreihe N ­ eumarkter Kulturpreisträger, Stadtbibliothek, Stadtarchiv, Sing- und Musikschule, Stadtführungen, K3 Kulturverein, ­Passionsspiele, Lesungen, Kulturpreis der Stadt, Kunstkreis Jura, Kunstautomat am Rathaus, Kulturnacht, Kunst im öffentlichen Raum, Altstadtfest mit Bandauftritten, U- und E-Musik, Kunstraum Klostertor, T ­ heaterverein Schloss-Spiele, Museums­f ührungen, Figuren­t heater, ­Sommerserenaden, ­L iederabende, Jazzweekend, Architekturvorträge und Veranstaltungen im Maybach-­Museum, Kolping Theaterbühne, Brauereimuseum, Rockkonzerte in den Jura­hallen, Gastspiele Operette und M ­ usical, Blaskapellen und Gesangsvereine, Chöre und O ­ rchester, Collegium Musicum, Kammermusikkreis und v ­ ieles mehr!

www.neumarkt.de


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Klang, Kunst, Dynamik Neumarkt in der Oberpfalz

Foto: © Museum für historische Maybach-Fahrzeuge

Museum Lothar Fischer, Neumarkt in der Oberpfalz, Foto: Berschneider + Berschneider Architekten, Pilsach

Im Sommer (Mitte Juli bis Mitte August) erklingen im Reit­ stadel die Stimmen junger Gesangstalente aus aller Welt. Die Internationale Meistersinger Akademie, die 2020 ihr zehn­ jähriges Jubiläum feiert, wird von der Stadt Neumarkt in der Oberpfalz veranstaltet. Hier erhalten die jungen Sängerinnen und Sänger unter der künstlerischen Leitung von Edith ­W iens den letzten Schliff für ihre Bühnenkarriere und be­ geistern vor ausverkauftem Haus. Alumni der IMA sind an den bedeutendsten Opernhäusern der Welt engagiert. Zudem veranstaltet die Stadt Neumarkt den „Sommer im Park“ mit zahlreichen musikalischen Matineen und einem Kinderprogramm an den Sonntagen zwischen dem 1. Mai und dem letzten Juliwochenende bei freiem Eintritt. Ein buntes Programm für die gesamte Familie auf dem Gelände der Landesgartenschau 1998, das seitdem als Park zugänglich ist. In weiteren Reihen wie dem „Klangraum“ im Gewölbekeller der Residenz (Oktober bis April) mit Jazz, szenischen Lesungen und Nischenkunst oder den Ausstellungen mit Kunst von Neumarkter Kulturpreisträgern, bei Festen wie dem Altstadtfest im Juni mit fünf Bühnen und rund 50 Bands bietet die Stadt Kultur für ein breites Publikum an. 2009 eröffnet wurde das Museum für historische Maybach-Fahrzeuge in den ehemaligen Express-Werken – ein einzigartiges Automobilmuseum, das ausschließlich Fahrzeuge der früheren Nobelmarke ausstellt. Nicht zu vergessen sind das Brauereimuseum der Glossnerbräu KG und das Weißwurstmuseum, die weitere regionale Traditionen beleuchten. Einen Besuch lohnt auch unbedingt die Burgruine Wolfstein, eine Anlage aus dem 12. Jahrhundert, von der man wunder­bare Ausblicke genießen kann – oder auch die barocke Wallfahrtskirche Maria-Hilf auf dem Mariahilfberg. MARC PESCHKE

www. neumark t. de

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Die ehemalige Pfalzgrafenstadt Neumarkt entstand im 12. Jahrhundert an der Fernhandelsroute zwischen Nürnberg und Regensburg. Das offizielle Gründungsjahr ist 1160. Heute zählt die lebendige Stadt über 40.000 Einwohner und ist im Kern noch historisch: Die Altstadt mit der lang gezogenen, prächtigen Marktstraße, Rathaus, Münster St. Johannes und das Pfalzgrafenschloss (dem heutigen Amtsgericht) mit den Festsälen der Residenz sowie der Hofkirche aus dem 16. Jahrhundert – all das ist überaus sehenswert. D a s St adt museu m Neu ma rk t zeig t die lok a le ­G eschichte und bietet einen profunden Einblick in die ­I ndustriekultur mit Fokus auf die Velociped-Fabrik der ­G ebrüder Goldschmidt, eine der ersten Fahrradfabriken in Deutschland. Wechselausstellungen zu verschiedensten Neumarkter Themen und regionaler Kunst sowie ein museums­p ädagogisches Angebot beleben die im Herzen der Stadt befindliche Institution. Das Museum Lothar ­F ischer im Stadtpark ist überregional bekannt als Tageslichtmuseum ­seines Namensgebers. Der 2004 verstorbene, in Neumarkt aufgewachsene Bildhauer war Mitbegründer der Gruppe „SPUR“ und hat zahlreiche Werke im öffentlichen Raum der Stadt hinterlassen, etwa die Brunnenanlage „Drei Reiter“ auf dem Residenzplatz. Neben dem Œuvre Fischers sind in dem Stiftermuseum jährlich drei Wechselausstellungen zu sehen, die in Verbindung zu Lothar Fischer oder seinem Werk stehen. Auch ganz neue, junge Kunst – vor allem bildhauerische ­A rbeiten – zeigt das Haus in einer schlichten weißen Kuben­a rchitektur mit viel Glas und wunderbaren Sichtachsen in den Stadtpark. Seit bald 40 Jahren laden die Neumarkter Konzertfreunde in den Reitstadel ein. Der Konzertsaal gilt durch seine brillante Akustik als einer der besten Europas. Die private Initiative engagiert hochkarätige Interpreten klassischer Musik, zu deren ausverkauften Auftritten das Publikum von weither anreist.


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Der Tausendsassa Wilhelm Koch

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Zwischen Nürnberg und Böhmen

Etsdorf, Ortsteil von Freudenberg im Oberpfälzer Landkreis Amberg-Sulzbach: Ein winziger Ort an der Staatsstraße 2040, die schon im Mittelalter ein bedeutender Handelsweg von West nach Ost, von Nürnberg nach Böhmen war. Vor allem Vieh wurde hier transportiert. Nach dem Dreißigjährigen Krieg wohnten in Etsdorf nur noch zwölf Menschen, heute sind es etwa 500. Hier ist Wilhelm Koch geboren, der dafür verantwortlich ist, dass an einem Ort, den manche als „Kaff “ bezeichnen würden, europäische Kunstgeschichte geschrieben wird. Hier in Etsdorf unterhält Koch seit 1984 sein Atelier. Im Jahr 2000 baute er ein neues, das „Koch-Studio“. Der 1960 geborene Leiter des Amberger Luftmuseums, studierter Grafikdesigner, kultureller Tausendsassa und Künstler ist eine zentrale Figur der Kunstszene der ganzen ­Region. Und er hatte mal wieder eine Idee: Hier, genau hier, in Etsdorf, soll ein griechischer Tempel stehen, besser gesagt die Neuauflage als europäischer Tempel. Ein „Tempel Museum Etsdorf “ gibt es schon.

Doch schon jetzt ist das Projekt ein Erfolg: Die Dorfgemeinschaft ist überzeugt. Veranstaltungen, Führungen im und um das Tempel Museum beleben das Dorf und die Region. Udo Lindenberg ist einer der Tempelpaten – der bekannteste ­Unterstützer. Ein anderer ist der Architekt Peter Haimerl aus München, der für die Gestaltung des 2014 eröffneten ­Konzerthauses in Blaibach bei Bad Kötzting verantwortlich ist – ein weiteres, visionäres Glanzlicht der Oberpfalz und schon heute ein Klassiker der zeitgenössischen Architektur. Haimerl hat den geplanten Tempel entworfen. Der Mann, der solche Ideen hat, begann seine Karriere als Kommunikationsdesigner. In Würzburg hat er studiert. Danach ging er an die Akademie der Bildenden Künste in München, wo er auch Lehraufträge innehatte, um später noch an der Städelschule in Frankfurt zu studieren und dort bei ­Ulrich Rückriem seinen Meisterschüler zu machen. Seit 1984 präsentiert er Ausstellungen mit seinen Installationen, pneumatischen auf blasbaren Gummiobjekten, Luftmaschinen, grafischen Serien und Videoarbeiten. Dazu kommen noch verschiedene Projekte der Kunst im öffentlichen Raum und der Architektur.

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„EUROPA“-Lichtinstallation an der Fassade des Tempel Museums, seit 2018, Foto: Marcus Rebmann


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Wilhelm Koch, Leiter Luftmuseum Amberg, Foto: Marcus Rebmann

Für ARTMAPP traf sich Marc Peschke mit Wilhelm Koch zum Interview. ARTMAPP: Lieber Wilhelm Koch, Sie sind immer wieder als „Visionär“ bezeichnet worden. Was bedeutet dieser Begriff für Sie und wie verbinden Sie ihn mit Ihrer Heimat, der Oberpfalz? Wilhelm Koch: Die Region und die „Provinz“ können ein sehr guter Nährboden sein und Optionen bieten, die in Zentren nicht möglich sind. Das beginnt bei den räumlichen Gegebenheiten, die Chancen bieten, und bei der starken Identifikation und Unterstützung durch Personen und Firmen. Visionen und Ideen können in der Provinz mitunter unmittelbarer umgesetzt werden. Die Oberpfalz zählt mittlerweile zu Bayerns und Deutschlands erfolgreichsten Regionen.

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ARTMAPP: Wie ist der aktuelle Stand, was die Vollendung des Tempels in Etsdorf betrifft? WK: Das Tempel Museum, das der Glyptothek Etsdorf gewidmet ist, feiert 2020 sein zehnjähriges Bestehen. 2020 soll auch mit dem Fundament dieses transnationalen Denkmals begonnen werden. Wenn alles klappt, kann das Bauwerk 2022 vollendet werden. Das Tempel Museum wird dann weiterhin als begleitende Galerie für Kunst zu den Themen Demokratie und Europa und als Veranstaltungsort fungieren.

ARTMAPP: Seit 1987 sind Sie auch Mitglied der „Freien Klasse München“. Was steckt hinter diesem Projekt? WK: Die „Freie Klasse München“ entspricht in ihrem Zu­ sammenspiel der Gemeinschaft einer Band. Alle spielen gemeinsam, doch anstatt Musik zu machen, ist das End­ produkt ihrer Arbeit die bildende Kunst. Es gibt dabei keinen Leadsänger oder Backgroundchor: Alle arbeiten gemeinsam an den Projekten und tragen ihren Teil zur „Band“ bei. ARTMAPP: In welcher Weise durchdringen sich Ihre Arbeiten als Künstler, Kurator und Gestalter? WK: Sie bedingen sich gegenseitig, ermöglichen meine ­P rojekte durch ihre komplexe und permanente Ergänzung. Bei meinen sozialen Plastiken sind auch die Fördervereine und die Stiftung, die ich leite, sowie die vielen Mitwirkenden und F ­ örderer unerlässlich und von sehr großer Bedeutung. ARTMAPP: Mit Ihrem „Büro Wilhelm Verlag“ haben Sie auch einen Verlag gegründet, der im vergangenen Jahr mit dem bayerischen Klein­ verlagspreis ausgezeichnet wurde. Wo sind hier Ihre Schwerpunkte? WK: Im „Büro Wilhelm Verlag“ erhalten außergewöhnliche Buchprojekte aus Bereichen wie Architektur, Kunst, Foto­ grafie und Literatur eine publizistische Plattform. Das Verlagskonzept ist nicht auf Masse ausgerichtet. Im Fokus ­stehen das Besondere und auch gestalterisch Anspruchsvolle.


65 ARTMAPP: Ausgezeichnet wurde unter anderem eine Publikation über das malerische Werk des Neumarkter Architekten Johannes Berschneider, der jüngst ebenfalls mit dem Bayerischen ­A rchitekturpreis prämiert wurde und etwa für die Planung des Museum Lothar Fischer in Neumarkt ­verantwortlich war. Mit dem Büro Berschneider + Berschneider k ­ ooperieren Sie auch als Leiter des Luftmuseums. Was fasziniert Sie an den Arbeiten des Büros? WK: Johannes Berschneider und sein Büro sind eine heraus­ ragende Kommunikationsmaschine rund um das Thema Architektur. Neben anspruchsvollen eigenen Bauprojekten engagiert sich Berschneider auf vielfältige Weise, um das ­T hema Architektur tagtäglich einem breiten Publikum zu vermitteln. Auf Verbandsebene im BDA und der Bayerischen Architektenkammer ist er ein unermüdlicher PR-Kreator und initiiert P ublikationen, Ausstellungen, Wettbewerbe, ­Baustellenbesichtigungen, „Architektourbusse“ und Veranstaltungen. Bayern- und deutschlandweit einzigartig dürften die von ihm geleiteten Architekturvorträge in Neumarkt sein mit unglaublichem Publikumszuspruch – jeweils 300 bis 500 Zuhörer. Die Vortragenden sind national und international herausragende Architekten, die Neumarkt und die Oberpfalz zu einem architektonischen Hotspot machen.

ARTMAPP: Erzählen Sie doch bitte mal von den Anfängen der Luftmuseums-Idee? Es begann in Kallmünz im „Gummeum“, oder? W K: Es begann in Amberg mit dem Schaulager „Gum­ meum I“. Es folgte 2000 bis 2002 das „Gummeum II“ im Raitenbucher Schloss in Kallmünz, wo ich die ersten ­S onderausstellungen und ein Symposium kuratierte. ARTMAPP: Was fasziniert Sie an dem Thema Luft? WK: Das Thema Luft lässt mich seit über 35 Jahren nicht mehr los. Das Sichtbarmachen des vermeintlich Unsichtbaren bietet eine Klaviatur an Themen, die wir in den letzten 13 Jahren unseres Bestehens mit über 100 Sonderausstellungen und in über 25 Räumen stetig neu ausbreiten und generieren. Die Themen Kunst, Design, Architektur und Technik stehen im Vordergrund. Die Vermittlung an ein breites und mitunter sehr junges Publikum ist uns ein Anliegen – und dass wir aus dem Museum herausgehen und Projekte für den öffentlichen Raum entwickeln und durchführen. www. tempel-museum. de w w w . e u ro p a - t e m p e l . d e www. luf t museum. de

Sasha Frolova, Moskau, Performance anlässlich der Ausstellungseröffnung „Inflandia“, 2017, Foto: Marcus Rebmann


66 Durch die Welt mit dem Künstler Peter Lang

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Das reine Pigment

Immer noch und immer wieder zieht die Landschaft Maler an – Landschaftsmalerei, auch wenn sie noch so oft totgeschrieben wurde: Sie lebt! Der Faszination der Landschaft lässt sich seit Jahren schon im Werk des Künstlers Peter Lang nachspüren. Durch die Welt reist er seit 2010 mit ­s einem ­m obilen Atelier – einem durch den Münchner ­A rchitekten Florian Nagler umkonstruierten Übersee­ container, der mit ­e iner Zisterne, einem Stromgenerator und einem Holzofen ausgestattet ist. Lebt sich mit dem „PRC“, mit „Peters Reise Container“, tief ein in die Natur­ räume jenseits der Zivilisation. Und so entstehen Langs Werke, die als „Stimmungsbilder“ beschrieben worden sind, als Wiedergänger einer explizit romantischen Auffassung von Malerei. Der 1965 in Oberbayern geborene, schon lange in ­Gleißenberg im Kreis Cham unweit der tschechischen Grenze lebende Maler und Grafiker, der an der Akademie in München studierte, hat sieben Monate über den Winter in Island ­g earbeitet, wo Gemälde, große Tuschezeichnungen und ­R adierungen entstanden sind. Lange Zeit hat er auch in ­P atagonien oder in den Alpen verbracht. Überall, wo er war, entstanden seine horizontal gegliederten Landschaften, die üppig koloriert sind, doch in ihrem Auf bau stets minima­ listischen Prinzipien folgen. Landschaft übersetzt er in Linien. In – wie er es nennt – „Lang-Pixel“.

„Peter Lang – Kalte Nacht“ hieß eine Ausstellung, die 2017 im Oberpfälzer Künstlerhaus in Schwandorf zu sehen war. Im Kunstverein Landshut zeigte er die Schau „line up“ und auch in der Städtischen Galerie im „Leeren Beutel“ in Regensburg wurden seine Arbeiten schon präsentiert: Peter Lang ist einer der bedeutendsten Maler in Bayern. Seine Werke sind in ­v ielen Sammlungen und Museen vertreten. Im Jahr 2014 hat er sein neues, ebenfalls von Nagler geplantes Ateliergebäude in Gleißenberg bezogen: ein strenges Bauensemble aus drei Giebelhallen in serieller Anordnung, das an alte Manu­ fakturen erinnert und mit dem „Deutschen Ziegelpreis“ ausgezeichnet wurde. Peter Langs sehr besondere Maltechnik, seine Arbeit mit in Pigmente getauchten Schlagschnüren, ist genauso ­u ngewöhnlich wie sein konzeptueller Ansatz: „Jede Landschaft hat ihr Geheimnis“, sagt er. „Geheimnisse sind verborgen, nicht leicht auszumachen. Man muss da sein, da bleiben, sich einleben.“


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linke Seite: „Peters Reise Container“ in Island, Foto: Steingerdur Johannsdottir oben: Peter Lang bei der Arbeit, Foto: Gabriele Lang-Kröll rechts: Peter Lang, „Ljosadyrd“, 2019, 230 x 140 cm © VG Bild- Kunst, Bonn 2019


GALERIE IM WOFERLHOF

LUFTMUSEUM

Dr. Elisabeth Lerche, Wettzeller Str. 207, 93444 Bad Kötzting T 09 941 90 53 15, galerieimwoferlhof@t-online.de

Kunst Architektur Design Technik

„Seine Künstler“

Gedächtnisausstellung für Achim Lerche vom 14. September 2019 bis 31. Januar 2020

„Inflandia“ Sasha Frolova, Moskau, Foto: Marcus Rebmann

Künstler: Magnus Angermeier, Friederike Büch, Terence Carr, Paul Damstè, Hans Dumler, Erwin Eisch, Gretel Eisch, Menno Fahl, Irene Fastner, Harald Reiner Gratz, W. A. Hansbauer, Clemens Heinl, Heiko Herrmann, Regine Herzog, Hubertus Hess, Franz Hitzler, Manfred Hollmann, Renate Höning, Jürgen Huber, Karl Imhof, Heike Kleinlein, Norbert Kleinlein, Peter Kobbe, Renate Kobbe, Christofer Kochs, Gertrude Lang, Christopher Lehmpfuhl, Maria Maier, Georg Manthe, Harry Meyer, Thomas Niggl, Hermann Nitsch, albertrichard Pfrieger, Gernot Pillhatsch, Jürgen Reipka, Christine Sabel, Armin Saub, Theodor Sellner, Elisabeth Schickling, Ulla Schmidt-Pesch, Daniel Kojo Schrade, Monika Schultes, Bernd Schwarting, Hannes Steinert, Helmut Sturm, Axel Vater, Richard Vogl, Reinhard Wöllmer, Sati Zech Achim Lerche vor seiner Scheune mit einem Bild von Irene Fastner, Foto: Ines Kohl

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Öffnungszeiten: Donnerstag / Sonntag 11 bis 16 Uhr und nach telefonischer Vereinbarung

21.10.19 VENINI in der Sammlung Losch

In Zusammenarbeit mit LE STANZE DEL VETRO, Venedig

Venedigs Glanz in Glas Sonderausstellung bis 22. März 2020

Murrine „A Dame“ in der Sonderausstellung VENINI

Glasmuseum Frauenau Staatliches Museum zur Geschichte der Glaskultur

Am Museumspark 1 • 94258 Frauenau • Tel. 09926-941020 • Fax 09926-941028

www.glasmuseum-frauenau.de Geöffnet Di.-So. 9-17 Uhr

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ARTMAPP traf Peter Lang zum Gespräch, das Interview ­f ührte Marc Peschke. ARTMAPP: Lieber Peter Lang, Ihr Werk wurde bisweilen mit romantischer Kunst in Zusammenhang gebracht. Suchen Sie das Erhabene, das Unermessliche in der Natur? Peter Lang: Genau. ARTMAPP: Das Licht, die Atmosphäre, spielt eine besondere Rolle in Ihrer Kunst – ohne sie sind Ihre Landschaften nicht denkbar. Reinhard Spieler, Direktor des Sprengel Museums Hannover, hat einmal über Sie gesagt, Ihr Thema sei „nicht wirklich das Abbild der Landschaft, sondern der Eindruck, den sie ausübt, wenn man sich ihr anvertraut und ausliefert“ … PL: Damit hat er absolut recht.

Peter Lang in seinem Atelier in Gleißenberg, 2019, Foto: Reiner Brouwer

ARTMAPP: Das „Einleben“ in die Natur, die Sie darstellen, etwa während Ihrer Zeit in Island, ist ein bedeutender Teil des Arbeitsprozesses. Warum ist Ihnen das so wichtig?

ARTMAPP: Gleichzeitig ist Ihr Werk von konzeptueller Strenge. Ein Widerspruch? PL: Nein, denn ein barocker Typ ist auch ein Asket. ARTMAPP: Wie wichtig ist der Mensch in Ihrer Kunst? Er hat keinen direkten Auftritt in Ihren Werken? PL: Sehr wichtig. Der Betrachter meiner Bilder ist der menschliche Protagonist. ARTMAPP: Ein Partner für Sie ist die Firma Kremer Pigmente aus Aichstetten, mit der Sie schon lange eng kooperieren. Kremer Pigmente arbeiten mit Gesteinen aus der ganzen Welt und auch Sie benutzen Pigmente, die vor Ort, etwa in Island, gewonnen wurden. Wie wichtig ist dieses Vorgehen für Ihre Kunst? PL: Ich arbeite grundsätzlich mit dem reinen Pigment. Zu meinem Pigment habe ich eine ganz besondere Beziehung, wie zu einem regionalen Lebensmittel. So „koche“ ich meine Bilder gern mit den regionalen Spezialitäten.

ARTMAPP: Auf Island sind auch neue Radierungen entstanden. Wie verbindet sich in Ihrem Werk die Druckgrafik mit der Malerei? PL: Mein Vorwärtsgehen in der Kunst ist nicht linear, sondern ein Mäandern. Die Radierung ist ein alter „neuer“ Aspekt, mittels derer sich insbesondere die isländische Nacht für mich fassen lässt. ARTMAPP: Ungewöhnlich ist auch Ihre Technik mit einer Maurer-Schlagschnur. Mit dieser schlagen Sie die Farbe auf die Leinwand – und erzeugen so eine vibrierende Bildwirkung … PL: Ja, genau. ARTMAPP: Sie stammen ursprünglich aus Oberbayern und leben und arbeiten in der Oberpfalz. ­ Sie haben sich einmal als „Wirtschaftsflüchtling“ bezeichnet … PL: Vergleichen Sie die Grundstückspreise. ARTMAPP: Welche Projekte und Ausstellungen sind derzeit in Arbeit? PL: In nächster Zukunft wird der Wald mein Thema sein. w w w . p e t e r- l a n g . i n f o

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PL: Um meine tradierten Vorstellungen zu überprüfen und diese über das lange Verweilen zu ergänzen.


70 Glas aus dem Oberpfälzer und Bayerischen Wald

Fragile Schönheit Vo n G e b ra u c h s g e g e n s t a n d über Sammlerst ück bis Kunstobjek t

Gläserne Scheune, Rudolf Schmid, „Räuber Heigl“-Glaswand (Ausschnitt), Foto: Thöner

Eine der beliebtesten Ferienstraßen schlängelt sich in ­z ahl­r eichen Windungen abwechslungsreich durch den Oberpfälzer und Bayerischen Wald: die Glasstraße – ein Name wie aus e­ inem Märchen. Jedoch bezeugen Glashütten und zahl­r eiche Kunstwerke in freier Natur ganz real eine jahrhundertealte Tradition der Glasherstellung im Gebiet zwischen Neustadt an der Waldnaab in der Oberpfalz und der südlich gelegenen „Dreif lüssestadt“ Passau in Niederbayern. In der Region gibt es viel zu entdecken: In der Nähe der Kreisstadt Regen etwa „wächst“ ein ganz besonderer Wald. Tannen, Fichten, Buchen, Kiefern und Espen aus farbigem, transparentem Flachglas funkeln in der Sonne. Und sogar nachts entfalten sie einen faszinierenden Reiz, wenn Bodenfluter die Bäume in märchenhaftes Licht tauchen. Damit auch ihre Stämme aus Glas Wind und Wetter ohne Schaden trotzen können, entwickelte der Glaskünstler Rudolf Schmid eigens eine spezielle Glasmischung. Seinen Lebenstraum hat er in Rauhbühl bei Viechtach verwirklicht. Dort hat er in einer gläsernen Scheune auf überdimensionalen Glaswänden die Legenden und Mythen des sagenumwobenen Bayerischen Waldes gemalt. Am Fuße des Lusen, mitten in der Waldwildnis, schmiegt sich ein smaragdgrün schimmerndes, fünf Meter langes gläsernes Schiff in eine Hand aus Holz. Dieses Gemeinschaftswerk deutscher und tschechischer Künstler steht für die Bewahrung des einmaligen Natur- und Kulturraums der beiden Nationalparks Bayerischer Wald und Šumava sowie für die Völkerverständigung über Grenzen hinweg. Zugleich ist die „Glasarche“ ein Symbol der jahrhundertealten Glas­ tradition in dieser Region.


Die Technik und die Werkzeuge der Glasherstellung haben sich seit der Antike kaum verändert, obwohl die Glaspro­ duktion heute im Wesentlichen mechanisiert ist. Bis zu 1.200 Grad heiß ist das zähflüssige Glas, die Schmelze, wenn es mit der Glasmacherpfeife aus dem Ofen geholt und zu ­einem ­sogenannten „Külbel“ aufgeblasen wird. Um die glühende Masse zu formen, muss das Zu­ sammenspiel von Blasen, Drehen und Schwingen stimmen, eine Fertigkeit, die Wissen sowie jahrelange Erfahrung und ­G eschicklichkeit des Glasmachers voraussetzt. Nicht zuletzt deshalb wurde die manuelle Glasfertigung 2015 ins ­U NESCO-Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen. Für den Brückenschlag zwischen Tradition und Gegenwart steht heute unter anderem die Zwiesel Kristallglas AG, Weltmarktführer für Gastronomieglas. Hier treffen modernste Fertigungstechniken auf altbewährtes Handwerk. Vor dem Werksverkauf der Firma in Zwiesel steht die höchste Kristallglaspyramide der Welt. Zehn Meter hoch und elf Tonnen schwer besteht das Rekordbauwerk aus 93.665 maschinell ­g eblasenen und ohne Klebstoff aufeinandergesetzten Tritan®-Weißweingläsern.

Im Gegensatz dazu entstehen in der Kristallglasmanufaktur Theresienthal die prunkvoll verzierten Gläser noch immer in traditioneller Handarbeit – vom Blasen über das Schleifen und Gravieren bis zur Bemalung. Die 1836 gegründete Manufaktur belieferte einst bayerische Könige und russische Zaren. Im benachbarten Museumsschlösschen kann man die wechselvolle Geschichte der Theresienthaler Glashütte nachvollziehen. Hier werden nicht nur prächtige historische Gläser, sondern ebenso Entwürfe und Musterstücke gezeigt, die etwa für ­Bayernkönig Ludwig II., den deutschen Kaiser Wilhelm II. oder für die französischen Kaiser gefertigt wurden.

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„Glasarche“, Goldsteig-Etappe Rachel-Lusen, Foto: Veronika Perschl


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Glasmuseum Frauenau, Foto: Tom Wundrak

Die älteste Glashütte Deutschlands ist die Freiherr von ­P oschinger Glasmanufaktur in Frauenau. Seit 450 Jahren ­produziert diese Familie in bereits 15. Generation mund­ geblasenes Glas. Berühmt geworden durch ihre irisierenden Jugendstilgläser konzentriert sich die Manufaktur heute auf Sonder- und Spezialanfertigungen für Luxusausstatter und Designer, aber auch für Stiftungen und Museen: von den ­g läsernen Füßen für den Beistelltisch „Bell Side Table“ des Münchner Designmöbelherstellers ClassiCon bis zu ­R epliken der historischen Lampen des Markgräf lichen Opernhauses in Bayreuth. Bei Poschinger dürfen Besucher im Rahmen von Führungen den Glasmachern über die Schultern schauen oder sich gleich selbst versuchen. Wer anschließend das Glasmuseum Frauenau besichtigen möchte, muss die „Gläsernen Gärten“ durchqueren. Der Landschaftspark präsentiert auf 20.000 Quadrat­ metern die Wandlungsf ähigkeit und die vielf ältigen Einsatz­möglich­keiten des künstlerischen Werkstoffs Glas. Die mehr als 30 Großskulpturen von regionalen sowie interna­t ionalen ­Glaskünstlern werden ergänzt von Audio­ stationen, die über die Kunstwerke sowie glashistorische Besonder­heiten informieren.

Im Glasmuseum Frauenau dreht sich im wahrsten Sinne des Wortes alles um Glas. Die moderne Architektur des Neubaus von 2005 in Form eines gläsernen Karussells ermöglicht eine einzigartige, speziell auf das Haus zugeschnittene Ausstellungskonzeption. Ein äußerer Rundgang führt durch die Geschichte des Glases, schlägt dabei den Bogen von den ­f rühen Hochkulturen bis ins 19. Jahrhundert. Ein zweiter Rundgang ist um einen gläsernen Schmelzofen in der Mitte des Gebäudes angeordnet, hier wird facettenreich über die ­A rbeitswelt einer Glashütte informiert. Ein dritter Aus­ stellungsbereich zeigt auf zwei Etagen die Sammlung internationaler Glaskunst des 20. und 21. Jahrhunderts, ­i nsbesondere die Geschichte der Studioglasbewegung. Die Initialzündung für ebendiese ging von dem US-amerika­ nischen Künstler Harvey K. Littleton (1922–2013) aus, der in Toledo/Ohio 1962 einen kleinen transportablen Brennofen entwickelte und damit zeigte, wie man unabhängig von der Zusammenarbeit mit großen Hütten Objekte aus Glas erschaffen konnte.


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BET TINA GÖTZ

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Zur gleichen Zeit experimentierte Erwin Eisch (* 1927), der zunächst Malerei und Bildhauerei studiert hatte, in der väterlichen Glasmanufaktur in Frauenau mit dem fragilen Werkstoff. Losgelöst von einer zweckgebunden-funktionalen Nutzung wurde für ihn Glas zu einem Mittel freien künst­ lerischen Ausdrucks. Eisch, die Leitfigur der deutschen Studioglasbewegung, ist mit zentralen Arbeiten im Glasmuseum vertreten. Eine Studiensammlung und mehrere Spezialbestände, zum Beispiel Schnupftabakgläser oder Hinterglasbilder, ergänzen die Dauerausstellung des Museums. Die aktuelle Sonderausstellung „VENINI – Venedigs Glanz in Glas“ widmet sich einer Ikone venezianischer Glaskunst – der Glasmanufaktur VENINI in der Zeit von 1925 bis 1959. Mit der Initiative Paolo Veninis (1895–1959) begann ­A nfang der 1920er-Jahre eine neue, künstlerisch-dynamische Phase für das Muranoglas der Moderne. Venini verpflichtete experimentierfreudige Künstler wie Carlo Scarpa (1906– 1978), der innovative Dekortechniken einführte. Darüber

hinaus pf legte er auch Verbindungen zu skandinavischen ­ esignern und arbeitete mit der Schwedin Tyra Lundgren D (1897–1979) zusammen, deren Arbeiten im „Kabinett“ des Glasmuseums präsentiert werden. Auf einer kleinen Sonderfläche der Ausstellung werden außerdem seltene Gläser mit Murrinen, dekorativ verschmolzenen Glasscheibchen, von Paolo Venini und anderen Designern präsentiert. Alle Ausstellungsexponate stammen aus dem Museum Le Stanze del Vetro, Venedig, sowie der Sammlung von Uschi und Rainer Losch, die dem Glasmuseum Frauenau eine großzügige Schenkung übergaben. In Passau endet unsere kleine Glasreise. Gleich neben dem Rathausturm im historischen Gebäudekomplex „Wilder Mann“ ist das Glasmuseum Passau untergebracht. Das Haus besitzt die weltweit größte Sammlung an böhmischem Glas von 1700 bis 1950. Derzeit ist eine neue Ausstellungskonzeption zu den berühmten Gläsern der Glashütte Lötz aus Klostermühle/Unterreichenstein im Böhmerwald in Vorbereitung – „Phänomen Lötz“ wird voraussichtlich im Frühjahr 2020 eröffnet werden.

www.kremer-pigmente.com


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Klemens ­Unger Die Zukunft von ­K loster Aldersbach Mit dem Erntedankfest am 1 4 . Oktober haben sich die ­ ldersbacher für längere Zeit von ihrer Klosterkirche A ­verabschiedet. Bis 2021, so die aktuellen Planungen, soll die Asamkirche für die Renovierungsarbeiten geschlossen ­bleiben und innen komplett saniert werden. Marc Peschke sprach für ARTMAPP mit Klemens ­Unger, dem ehemaligen Kulturreferenten der Stadt Regensburg und Vorstand des Vereins Freunde der Asamkirche e. V., über die Zukunft des Klosters Aldersbach. ARTMAPP: Lieber Herr Unger, seit wenigen Monaten sind Sie als Kulturreferent im Ruhestand – mit welchen Projekten sind Sie derzeit beschäftigt? Klemens Unger: Ich werde mich ehrenamtlich vor allem in den Vereinen „Freunde der Asamkirche Aldersbach“ und „Welterbe Kulturfonds Regensburg – die Förderer“ engagieren. Für die Restaurierung der Aldersbacher Kirche wollen wir ­einen Beitrag leisten. Das Projekt ist mit etwa 16 Millionen Euro veranschlagt. Noch teurer wird die Gesamtsanierung der Asambasilika St. Emmeram in Regensburg. Auch dafür ist ideelle und vor allem materielle Unterstützung notwendig. ARTMAPP: Immer wieder haben Sie sich mit der barocken Geschichte Ihrer Heimat befasst. Was fasziniert Sie an dieser Epoche? KU: Der geistige und künstlerische Auf bruch sowohl mit dem Konzil von Trient beziehungsweise der Gegen­ reformation als auch das Auf blühen der Kultur nach dem Dreißigjährigen Krieg und der Siegeszug barocker Lebensart, insbesondere in Bayern.

Klemens Unger, Foto: Kulturreferat Stadt Regensburg

ARTMAPP: Vor allem die spätbarocke Kunst von Cosmas Damian Asam und Egid Quirin Asam ist ein Thema, mit dem Sie sich beschäftigen und dazu auch Bücher verfasst haben. Was ist für Sie die besondere kunsthistorische Leistung der beiden? KU: Das kongeniale Brüderpaar hat in einer unglaublichen ­L ebensleistung nicht nur das barocke Bayern geprägt. Sie müssen als besonders bedeutende Künstler von euro­päischem Rang bezeichnet werden, was noch viel zu wenig bekannt ist. Die Brüder Asam haben einen Schwerpunkt ihrer Schöpfungen in Ostbayern und in Oberbayern geschaffen. Aber wer kennt schon ihre Werke in Böhmen (Prag und Kladrau), in Schlesien (Wahlstatt), in Österreich (Innsbruck), in der Schweiz (Maria Einsiedeln) und in Baden-Württemberg (Weingarten, Mannheim, Ettlingen)? ARTMAPP: Barock und Bier kommen in Niederbayern ganz eng zusammen. Wo trinken Sie am liebsten Ihre Halbe? KU: Unter Kastanien bei der Klosterschenke Weltenburg oder im Rosengarten beim Bräustüberl in Aldersbach. Extra Bavariam non est vita …!


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Klöster in Ostbayern

Bier und Klöster, das ist eine ganz lange Geschichte. Allein in Bayern gab es zur Zeit Karls des Großen bereits 300 Klöster, in denen Bier gebraut wurde. Die Klöster brauten für ihren ­E igenbedarf und gerade in der Fastenzeit war Bier als nahr­ haftes Getränk besonders gefragt, denn schließlich hieß es: „Liquida non frangunt ieunum“ – „Flüssiges bricht das Fasten nicht“. Bis zu fünf Liter am Tag sollen manche Mönche kon­ sumiert haben. Schon bald begannen die Klosterbrauereien, ihr Bier nicht mehr nur für sich selbst zu brauen, sondern an Pilger auszuschenken und dieses auch zu vermarkten. So wurden aus kleinen Brauereien zum Teil sehr große Wirtschafts­ betriebe. Manche dieser Klosterbrauereien gibt es heute noch, etwa die weltberühmten Brauereien von Andechs, Ettal, Scheyern oder Weltenburg.

Biere aus Klöstern zählen zu den besten der Welt – etwa jenes aus Weltenburg bei Kelheim. Die Klosterbrauerei wird seit 1973 von der Regensburger Brauerei Bischofshof ­g eführt. Hier, in einem Benediktinerkloster direkt an der Donau oberhalb des Donaudurchbruchs, wird seit dem Jahr 1050 Bier gebraut. Kunsthistorisch von erstem Rang ist die unter Abt Maurus I. Bächl erbaute spätbarocke Klosterkirche St. G ­ eorg, die von den Brüdern Asam ausgestaltet wurde. Bis heute umstritten ist, wer die Pläne für den Kirchenbau ge­ liefert hat – eventuell war es Cosmas Damian Asam selbst.

oben: Bavaria im Brauereihof, Aldersbach, Foto: © Brauerei Aldersbach linke Seite: Asamkirche in Aldersbach, Innenansicht, Foto: © Marcel Peda, Passau

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Barock und Braukunst


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In der Klosterschenke genießt man das weltbekannte „Barock Dunkel“: ein untergäriges dunkles Spezialbier. Ähnlich süffig geht es auch in der Brauerei Hacklberg in Passau zu, die dem Bistum Passau gehört. 1618 wurde sie gegründet und hat bis heute im Passauer Stadtteil Hacklberg ihren Sitz. Und auch hier kann man nicht nur Bier genießen, sondern auch Kunst und Kultur: Der ovale Festsaal im Fürstenbau des ehemaligen Schlosses wurde vor wenigen Jahren umfangreich restauriert. 1692 war der Sommersitz der Passauer Fürstbischöfe errichtet worden – ein nun wieder neu erstrahlendes Glanzstück niederbayerischer Barockarchitektur.

Die ehemalige Klosterbrauerei von Aldersbach bei Vilshofen zählt ebenfalls zu den ältesten der Welt. Bereits im 13. Jahrhundert wurde hier Bier gebraut und im Jahr 2016 gastierte ebenda die Landesausstellung „Bier in Bayern“. Inhaber der Brauerei mit Bräustüberl ist seit mehr als 200 Jahren die Familie des Freiherrn von Aretin, die auch ein Brauereimuseum eingerichtet hat. Barock und Bier auch hier: Kloster Alders­ bach wurde ebenfalls durch die Gebrüder Asam ausgestaltet. Das Kloster selbst ist heute im Besitz des 1983 gegründeten „Förderkreises Kloster Aldersbach “, der sich für die Er­ haltung des ehemals bedeutendsten Zisterzienserklosters in Bayern einsetzt. Im Jahr 2007 konnte der Fürstensaal wiedereröffnet werden. MARC PESCHKE

Deckenfresko im Hacklberger Fürstenbau: 1692 anstelle des älteren Schlosses errichtet, hat der Sommersitz der Passauer Fürstbischöfe die Jahrhunderte überdauert und erstrahlt heute wie einst in barocker Pracht. Foto: © Brauerei Hacklberg


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Abtei St. Georg in Weltenburg, Foto: © G. Röhrl

Streng genommen gibt es nur eine einzige Art, sich dem Kloster Weltenburg standesgemäß zu nähern, auch wenn Straßen, Wanderwege und der berühmte Donau-Radweg dorthin führen. Man muss es so machen: Man besteigt in Kelheim eines der vielen Passagierschiffe, setzt sich aufs Deck und bestellt ein Weltenburger Bier bei den supernetten Servicekräften. Und dann genießt man nur noch: die langsame Fahrt auf der hier ganz engen Donau bis zum Donaudurchbruch, der schmalsten Stelle, den Blick auf einzigartige Felsformationen, auf die Befreiungshalle hoch droben, diesen militant-mäch­ tigen Rundbau mit seinen Kolossalstatuen, welche die deutschen Volksstämme repräsentieren, errichtet unter ­Ludwig I. von 1842 bis 1863 zum Gedenken an die Befreiungskriege gegen Napoleon. Und dann, kaum hat man sein Bier getrunken, die Sekunde, wenn schließlich – pittoresker geht’s nicht – an einer Flussschlinge das Kloster Weltenburg auftaucht: Das gehört tatsächlich zu den ganz großen Momenten einer Urlaubsreise durch Niederbayern. Kloster Weltenburg und das Naturschutzgebiet ­„Weltenburger Enge“ sind ein touristisches Muss – und zwar aus drei Gründen: Da sind die Historie und dieses wunder­ bare Bauwerk. Da ist die unfassbar romantische Natur. Und da sind die Klostergastronomie und die Klosterbrauerei. Ein ­jeder setzt so seine Prioritäten. Gegründet wurde das Kloster etwa um das Jahr 600 – vermutlich die älteste klösterliche Niederlassung in Bayern. Die hier 1716 bis 1718 unter Abt Maurus Bächl erbaute und bis 1735 von den Gebrüdern Asam ausgestaltete Abteikirche

St. Georg ist ein Hauptwerk der europäischen Barockkunst. Ein Besucherzentrum informiert über die Geschichte des ­K losters – und auch Brauereiführungen werden angeboten. Hier kann man staunen, im schattigen Biergarten, in den ­Stuben oder im festlichen Barocksaal bayerische Spezialitäten genießen und danach, wenn gewünscht, wunderbar schlafen, denn das ­Gästehaus St. Georg bietet Platz für etwa 90 Per­ sonen. 500.000 Touristen kommen jedes Jahr – und das ganz zu Recht. Die Harmonie des Ortes ist fast zu vollkommen – in den touristischen Stoßzeiten ist man aber nicht alleine. Das sollte man wissen, wenn man seinen Besuch plant. Hat man dann alles gesehen, dann könnte man mit dem Schiff zurückfahren – oder man setzt mit einem kleinen Boot auf die andere Donauseite über, um von dort nach Kelheim zurückzuwandern. Dann schließlich sollte man das schöne Kelheim besuchen – und dort vielleicht noch eine weitere Bierspezia­ lität der Weltenburger Brauerei versuchen, der ältesten Klosterbrauerei der Welt, etwa das weltbekannte „Barock dunkel“, von dem nicht nur Kelheimer behaupten, es sei das allerbeste Dunkelbier überhaupt. Seit 1050 wird hier von Benediktinern gebraut und bis heute leben im Kloster sieben Mönche, deren Aufgabe unter anderem die Gästebetreuung ist. Also: auf zum Kloster Weltenburg! MARC PESCHKE

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Pittoresker geht’s nicht! Eine Fahrt zum Kloster Weltenburg


78 Die Stadt der Kunst, der Kirchen und des G ­ enusses

Passau, schöne Barockperle!

Drei Flüsse aus drei Himmelsrichtungen fließen in Passau zusammen – aus dem Westen die Donau, dem Süden der Inn und dem Norden die Ilz. Das macht die Stadt im Dreiländer­ eck zwischen Deutschland, Österreich und Tschechien schon in ihrer Lage zu etwas ganz Besonderem. Und mittendrin in diesem niederbayrischen Barockjuwel, das so italienisch ­anmutet wie keine andere deutsche Stadt, hat man sich gleich ein bisschen verliebt. Ganz einheitlich mutet die Architektur der Altstadt an: Vieles hier wurde von italienischen Bau­ meistern in den Jahren nach dem großen Brand von 1662 neu errichtet. Wenn dann noch die Sonne scheint und alles zum Leuchten bringt, ist es um einen geschehen: Passau, schöne Barockperle!

Passau. Das ist der von Carlo Lurago geplante Dom St. Stephan mit der größten Domorgel der Welt. Das ist das ­Museum am Dom in der neuen bischöf lichen Residenz, erbaut vermutlich von den Architekten Domenico d’Angeli und Antonio Beduzzi in schönstem Spätbarock und Rokoko. Das ist die Veste Oberhaus, eine der mächtigsten Burganlagen der Welt mit einem sehr sehenswerten Museum. Das sind das Drei­ flüsseeck und das fürstbischöfliche Opernhaus. Passau, das ist viel Baukunst und viel Kultur: Das ist das Römermuseum Kastell Boiotro, das Museum Moderner Kunst Wörlen, das mitten in der Altstadt direkt an der ­D onau liegt. Aber besuchen Sie auch unbedingt das Glasmuseum, das die Geschichte des böhmischen Glases darstellt. Das „schönste Glashaus der Welt“ hat Friedrich Dürrenmatt diese Sammlung genannt, die in dem feinen Hotel „Wilder Mann“ residiert.


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Alois Brunner, Kunstreferent der Diözese und Leiter des Museums am Dom, Passau, Foto: Dionys Asenkerschbaumer, Kellberg

links: Blick auf Passau, Foto: Herbert Stolz

ARTMAPP: Lieber Herr Brunner, wie fühlt es sich an, in Passau zu leben? Alois Brunner: Ich bin 1978 als Schüler nach Passau gekommen, habe hier studiert und arbeite seit 30 Jahren auf dem Domberg. Und noch immer bereitet es mir große Freude, durch die historische Altstadt mit ihrem italienischen Flair zu schlendern.

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Passau ist eine Stadt der Kunst, der K irchen und des ­G enusses. Passau, das ist das grüne Alpenwasser des Inns, das sind die braune Donau und die schwarze Ilz, die sich hier ­vereinigen. Passau, das sind viele Farben: Hier leuchten die Häuser­f assaden in den schönsten Pastelltönen, alles dicht ­z usammengedrängt auf einer Landzunge. Passau hat eine ­besondere Geschichte und eine besondere Ausstrahlung. ARTMAPP sprach mit zwei Kulturschaffenden über diese sehr besondere Stadt und darüber, wie es sich anfühlt, in Passau zu leben. Alois Brunner ist Kunstreferent der Diözese und Leiter des Museums am Dom, Eva Riesinger betreibt die Fotogalerie Soiz und ist zugleich Ausstellungsleiterin des Kunstvereins Passau. Die Interviews führte Marc Peschke.


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ARTMAPP: Das Museum am Dom in Passau ist bekannt für seine Meisterwerke romanischen bis barocken Kunstschaffens. Was sind die Höhe­ punkte der Sammlung und welches Exponat ist für Sie persönlich das bedeutendste? AB: Höhepunkte der Sammlung sind die ausgewählten prachtvollen liturgischen Geräte aus dem Domschatz, etwa die Monstranz in Herzform, die Hans Franz Fesenmayr um 1670 in Augsburg schuf. Als bedeutendstes Exponat zeigen wir die um 1733 geschaffene Modellreplik des Grabmals des Johannes von Nepomuk in Prag von Antonio Corradini, die auch schon in bedeutenden Ausstellungen in Tschechien und Österreich zu sehen war. Mein persönliches Lieblingsstück ist das um 1480 entstandene Standkreuz der Passauer Bäckerzunft, dessen aus Silber getriebene, vollplastische Figuren mich sehr beeindrucken.

oben: Eva Riesinger, Inhaberin der Soiz Galerie und Ausstellungsleiterin des Kunstvereins Passau, A R T M A P P   W I N T E R 2 019/ 2 0 — O S T B AY E R N

Foto: Christian Kropfmüller rechte Seite: Farbgestaltung der Hauskapelle im Passauer Bildungshaus „Spectrum Kirche“,

ARTMAPP: Sie beschäftigen sich als Kunstreferent der Diözese aber auch mit zeitgenössischer Kunst in Kirchen, etwa mit dem Werk des 1968 geborenen Kirchenkünstlers Tobias Kammerer. Können Sie uns das Engagement der Diözese im Bereich der zeitgenössischen Kunst am Beispiel Kammerers beschreiben? AB: Wie in anderen Diözesen wurden in Passau vor allem in den 1960er- und 1970er-Jahren in zahlreichen Kirchen die ­d amals wenig geschätzten historistischen Kirchen­ ausstattungen entfernt mit dem Ergebnis, dass die dann entstandenen Räume auf den heutigen Betrachter vielfach sehr kahl und nüchtern wirken. Entsprechend wünschen die Kirchengemeinden, solchen Räumen wieder eine ansprechende sakrale Ausstrahlung zu geben. Tobias Kammerer ist ein Künstler, der sich sehr gut in Sakralräume hineindenken kann. Mit seinen farbenfrohen und schwungvollen Gestaltungen gelingt es ihm, die vorhandenen Ausstattungsstücke optisch und ästhetisch zusammenzuführen und den Kirchen­ räumen einen spannungsreichen und einladenden Charakter zu verleihen. Als Beispiele nenne ich die Pfarrkirchen St. Gertraud in Passau und in Eichendorf sowie ganz aktuell die Farbgestaltung der Hauskapelle im Passauer Bildungshaus „Spectrum Kirche“. ARTMAPP: Haben Sie einen persönlichen ­P assau-Tipp für unsere Leser?

Foto: Tobias Kammerer

AB: Als Kunsthistoriker und Freund der klassischen Musik empfehle ich einen Besuch der beeindruckenden barocken Kathedrale, verbunden mit einem Konzert auf der größten Domorgel der Welt.


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ARTMAPP: Lieber Frau Riesinger, auch an Sie die Frage: Wie fühlt es sich an, in Passau zu leben? Eva Riesinger: Da bin ich ganz bei Neil Finn von Crowded House: „Everywhere you go, always take the weather with you“. Der sang das Anfang der 1990er-Jahre und es war ein großer Hit. ARTMAPP: Sie betreiben die Soiz Galerie seit 2015 in der Schustergasse in der Altstadt von Passau. Eine Galerie für Fotokunst, die unter anderem bekannte Fotografen wie Andreas Herzau oder Andrew Phelps vertritt. Ist Passau ein guter Standort für eine ambitionierte Fotokunstgalerie? ER: Vielleicht wird man stärker wahrgenommen, weil das Angebot an Galerien und speziell an Fotokunst kleiner ist als in den Metropolen. Aber ehrlich gesagt fehlt mir der Vergleich. ARTMAPP: Sie stammen selbst aus dem Bayerischen Wald, haben aber lange in München gelebt. Was unterscheidet den Niederbayern vom Oberbayern? ER: In München trifft man ja nicht viele Oberbayern. Die meisten können sich München nämlich nicht leisten. Eins weiß ich aber sicher: Der Niederbayer interessiert sich sehr für Niederbayern. Vielleicht, weil sich andere Leute nicht so sehr dafür interessieren.

ARTMAPP: Sie sind ebenfalls als neue Aus­ stellungsleiterin im Kunstverein Passau engagiert. Was sind hier Ihre Pläne? ER: Pläne könnten sich gerade am Anfang als zu starr erweisen. Ich glaube, man muss erst mal mit den richtigen Leuten reden. Nämlich mit solchen, die für gute Kunst stehen und sie unterstützen wollen – in welcher Form auch immer. Wenn man solche Menschen gewinnen kann, entwickeln sich die Dinge meiner Erfahrung nach von selbst. ARTMAPP: Haben Sie einen persönlichen ­P assau-Tipp für unsere Leser? ER: Bei der Soiz Galerie um die Ecke zur Bräugasse 17 gehen: Dort erst oben die Ausstellungen im Museum Moderner Kunst Wörlen besuchen, dann runter ins „Café Museum“ zu Kaffee mit Kuchen und abends dann zum Jazzkonzert in den Keller. Dort kann man berühmten Musikern noch richtig nahe kommen.


Blick auf Schloss Neuburg von Nordosten, Foto: W. Hartwig

„Viel getanzt, wenig gearbeitet, gut erholt“ Schloss Neuburg im Passauer Land – Burg, Gartenschloss, Ruine, Künstlererholungsheim Die hoch über dem Inn gelegene Neuburg ist eine der ­mächtigsten Burgen im ostbayerisch-oberösterreichischen Grenzgebiet. Sie übt auf die Menschen der Gegenwart die ­gleiche Faszination aus wie auf frühere Generationen. Nach einem Brand im Jahre 1810 geriet sie ob ihres ­r uinösen Zustandes beinahe in Vergessenheit. 1908 drohte daher der Abriss. Durch ein wegweisendes Restaurierungskonzept wurde die Neuburg zu einem Künstlererholungsheim ­ausgebaut. Etwa ab dem Jahr 1922 konnte sich dadurch ein vielfältiges künstlerisches Leben in den umgestalteten ­R äumen entwickeln.

Seit dem Jahre 1998 ist der Landkreis Passau Besitzer der Neuburg. Dieser hat sich zur Aufgabe gemacht, die Neuburg nicht nur zu renovieren, sondern diese auch weiterzuentwickeln. Heute befindet sich auf der Neuburg die bei Künstlern beliebte und anerkannte Landkreisgalerie. In den ehemaligen Räumen des Künstlererholungsheimes wird das thematisiert und ­weitergeführt, was die Neuburg seit Jahrhunderten ist – die Tradition als Künstlerschloss, wo Künstler, Kunsthandwerker und Restauratoren ihre Spuren hinterlassen haben.


AU S S I C H T S R E I C H U N D E R L E B N I S R E I C H WA N D E R N Schloss Ne uburg mit L andk re i sgale r ie Am Burgberg 5 , 9 4 1 27 Neuburg am Inn www. landk re i sgale r ie. de Öf f nungszeiten: Dienstag bis Sonntag, 11 bis 17 Uhr K u l t u r r e f e ra t d e s L a n d k r e i s e s P a s s a u T 0 8 5 1 3 9 7 6 2 1 , k u l t u r r e f e ra t @ l a n d k r e i s - p a s s a u . d e Mit f re undliche r Unte rst üt zung de r Kult urspon sore n des L andk re i ses Pa ssau

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An Donau und dem mächtigen Inn finden Naturliebhaber ein sehr gut ausgebautes Wegenetz. Eine übersichtliche Beschilderung weist zielführend den Weg und bietet vielfältige Möglichkeiten, um die landschaftlichen Schönheiten in der Region Passau kennen zu lernen. Manche kulturelle Stätte mit überraschenden Momenten bringt Sie zum Staunen. Genießen Sie Speisen, die schon fast in Vergessenheit geraten sind. Natur, Wald und Wasser – das war im Passauer Land schon immer wichtig an den großen Lebensadern Donau und Inn. Die größte Thermenlandschaft Europas fördert Ihre Gesundheit und bietet unzählige Wellnessangebote. Lassen Sie sich begeistern von einer einzigartigen Naturidylle und einer riesigen Auswahl an Freizeit- und Erholungsmöglichkeiten. Ein Paradies, mitten in Europa! Das Passauer Land ist vielfältig, ­erholsam und voller Abenteuer!



85 Ein Inter view mit dem M aler Stefan Bircheneder

„Meine Arbeit ist eine ­ Antwort auf etwas Fehlendes in meiner Heimat …“

ARTMAPP: Lieber Stefan, du bist in Niederbayern geboren, genauer im Landkreis Passau, in Vilshofen. Wie wichtig ist deine Herkunft für deine Kunst? Stefan Bircheneder: Für mich selbst ist meine Heimat natürlich sehr wichtig. Es ist gut, wenn man irgendwo geerdet ist, und es ist gut, wenn man für seine Arbeit ein positives Umfeld hat. Für die Thematik in meiner Kunst ist die Herkunft aber nicht direkt wichtig. Meine Arbeit ist eher eine Antwort auf etwas Fehlendes in meiner Heimat und auch ein Gegenpol zu dem prägenden, allgegenwärtigen Barock hier.

Stefan Bircheneder, „Treuhand GELB“, 2019, Öl und Acryl auf Leinwand, Kabel, Aluminium, 80 x 60 x 60 cm, Courtesy: THE VIEW, Salenstein, Foto: Falko Gaulke

ARTMAPP: Du arbeitest in der Provinz. Oder kann man das gar nicht mehr sagen? Ist „Provinz“ ein Begriff, der für dich überhaupt Sinn ergibt? SB: In Zeiten ständiger Mobilität, und hier muss man anmerken, dass die nächste Autobahnauffahrt nur zwei Kilometer entfernt ist, sehe ich es nicht als Provinz. Provinz hat ja eine negative Konnotation und sie ist ja nur dort, wo nicht über den Tellerrand geschaut wird. Das vielfältige Kulturleben hier zeugt von einem gewissen Weitblick. Ich würde einfach sagen: Ich arbeite auf dem Land. Das trifft auch am ehesten die Dinge, die ich hier schätze: viel Grün, keine Straßenbeleuchtung und Gemüse aus dem eigenen Garten. ARTMAPP: Deine Malerei zeigt keine niederbayerischen Idyllen, sondern – im Gegenteil – Industrieruinen, Lagerhallen, Schalträume oder verlassene Arbeitsorte. Was interessiert dich an diesen schon historischen Motiven, an der vergangenen ­Industriekultur des 20. Jahrhunderts? SB: Die „Gründerzeit“ hat ja in Ostbayern nur entschärft stattgefunden. Dem gegenüber stehen Regionen wie etwa Oberfranken mit seiner Porzellanindustrie, die Oberlausitz und das Vogtland mit ihren Textilprodukten – bis hin zum ­bekannten Ruhrgebiet. Für mich stehen aber diese Orte auch für eine ganz aktuelle Thematik. Unsere Arbeitswelt in Zeiten der Digitalisierung muss sich mit ähnlichen Problemen ­auseinandersetzen wie die Industriekultur oder auch die Landwirtschaft im letzten Jahrhundert. „History repeats ­itself “ und hier hilft es, Vorangegangenes zu thematisieren und zu verstehen. Es geht mir ja nicht um den reinen Arbeitsort als architektonisches Sujet. Ich sehe meine Arbeiten im Kontext der Arbeitswelt, also ebenso der Arbeitsbedin­ gungen. Die Arbeiter selbst sollen in den Fokus rücken. Und auch die soziale Verantwortung von Arbeitgebern ist ein ­interessanter Aspekt der Industriekultur, beispielsweise Arbeitersiedlungen, wenn man an die momentane Situation auf unserem Wohnungsmarkt denkt.

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In Vilshofen an Donau und Vils ist er geboren, gelebt hat er im nahen Straubing, in Regensburg und seit einiger Zeit wieder in Vilshofen. Stefan Bircheneder ist im östlichen Bayern verwurzelt – auch wenn er als ausstellender Künstler in den vergangenen Jahren viel in Deutschland und im Ausland unterwegs war. Die ersten Jahre, so sagt man, sind prägend. Und die verbrachte der Künstler im Schatten prächtiger Benediktinerabteien – in einer reizvollen und sehr geschichtsträchtigen Region. Zwischen Donautal und Bayerischem Wald, zwischen „bayerischer Toskana“ und Klosterwinkel wuchs Bircheneder auf – und absolvierte nach seinem Fachabitur im Bereich Gestaltung in Straubing eine Ausbildung zum Kirchenmaler/Restaurator. Seine Zeit als Kirchenmaler wurde prägend für seine Kunst, mit der Bircheneder 2009 erstmals an die Öffentlichkeit trat. ARTMAPP sprach mit Stefan Bircheneder über Kunst und Kultur, über Provinz und Großstadt, über Foto­ realismus und Fiktion – das Interview führte Marc Peschke.


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Stefan Bircheneder, „Polyester“, 2018, Öl auf Leinwand, 280 x 150 cm, Courtesy: THE VIEW, Salenstein, Foto: Wolfram Schmidt


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88 ARTMAPP: Arbeitest du nach Fotografien?

ARTMAPP: Deine Malerei hat fotorealistische Züge. Kannst du mit den klassischen Vertretern des Stils etwas anfangen, also mit jenen Malern, die ihre Hochzeit hatten, als du geboren wurdest? SB: Auf jeden Fall kann ich mit den meisten Vertretern etwas anfangen, wobei ich meine Arbeit nur bedingt fotorealistisch sehe bzw. meine Intention im Gegensatz zu den frühen Vertretern dieses Genres ja nicht die perfekte Abbildung einer fotografischen Vorlage ist. Der Realismus ergibt sich einfach zwangsläufig durch meine Malweise. ARTMAPP: Das Abbildende, das allzu Virtuose, war in den klassischen Jahren fotorealistischer Malerei ja verpönt. Wie wird deine Ölmalerei heute wahrgenommen? SB: Es gibt ja allgemein in unserem Konsumverhalten ein ­stärker werdendes Bewusstsein für Nachhaltigkeit und Produktionsbedingungen. Dies kann man durchaus etwas auf meine Kunst übertragen. Meine Kunden schätzen den langen Produktionsprozess und sehen darin ein Qualitätsmerkmal. Ich denke auch, dass ich durch die lange Auseinandersetzung mit einem Bild dieses ja gewissermaßen persönlich auflade, ähnlich wie die dargestellten Orte eine durch jahrzehntelange Verrichtung von Arbeit aufgeladene Atmosphäre besitzen.

Stefan Bircheneder, Foto: Wolfram Schmidt

SB: Ja, ich habe eine große Datenbank mit Fotografien von meinen Recherchereisen. Dies ist mein Grundstock, aus dem ich schöpfe. Da ich allerdings kein Profifotograf bin und meist die Orte nur sehr kurz aufsuchen kann, sei es aus Sicherheitsgründen oder einfach weil es nicht ganz legal ist, sind viele Fotos eher f lüchtige Schnappschüsse. Aber aus einzelnen ­Details und den Zusammenhängen kann ich mir ihm Nachhinein im Atelier meine Version zusammenstellen. Mir bleiben also alle Freiheiten in der Komposition oder Farbgebung. Wobei mir eben eine reine Dokumentation im Sinne einer Bestandsaufnahme nicht wichtig ist, sondern das Einfangen und Darstellen einer verblichenen Energie und atmosphä­ rischen Aufgeladenheit. ARTMAPP: In deinem 2017 begonnenen Zyklus „Nur für Personal“ präsentierst du Spinde von ­Fabrikarbeitern, die du als Malerei-auf-Leinwand-Objekte nachbaust. Hier darf der Betrachter einen intimen Blick auf das werfen, was die Arbeiter so alles in ihren Spinden horteten. Der Mensch, seine Privatsphäre, ist präsent in seinen Hinter­ lassenschaften. Diese Spinde gehören eigentlich in eine andere Zeit – schwingt da auch Nostalgie mit? SB: Sicherlich, dahingehend dass Arbeiternehmer heutzutage meist anonym und einfach leicht austauschbar sind, möchte ich ihre Individualität und Menschlichkeit zeigen. Auch oder gerade deshalb wähle ich ja die Titel, etwa „Stereotypen“ oder „Stillleben“. Nostalgisch sind hier die Versatzstücke, die ich dem Betrachter in den Spinden zeige, aber das liegt daran, dass sich aus diesen alten Gegenständen schönere Geschichten spinnen lassen und ich den narrativen Charakter dieser Arbeiterporträts herausarbeiten kann, ohne den Arbeiter selbst darzustellen. Spinde gibt es auch heute noch, allerdings wäre mir die Geschichte mit einem „Coffee to go“-Becher und einer „Powerbank mit Ladekabel“ etwas zu flach.


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Stefan Bircheneder, „Auf & Ab“, 2019, Öl auf Leinwand, 115 x 195 cm, Courtesy: THE VIEW, Salenstein, Foto: Falko Gaulke

SB: Es ist sicher eine Antwort auf meine Zeit in diesem Bereich. Oft hatten Dinge und Orte vor ihrer Restaurierung einen größeren Charme. Kleine Makel, Schmutz und Fehler geben den Dingen meist erst ein richtiges Leben und etwas Unangetastetes hat eine stärkere Aura als eine frisch sanierte Kirche. Und dies kann ich nun mit meiner Malerei ausleben. Und die Augentäuschung und der erwähnte Überraschungseffekt sind ja schließlich Stilmittel des Barock. Hier wurde ja oft nur etwas vorgetäuscht, etwa Marmor oder massives Gold mittels Blattgold. Auch meine Malweise, die Lasurtechnik, kommt aus der sakralen Kunst. Ich bediene mich sozusagen derselben Mittel – nur mit anderem Ergebnis. Der Überraschungseffekt ist aber nur zweitrangig bzw. beiläufig. Mir ist vor allem der konzeptionelle Ansatz im „Beackern“ meines Themas wichtig.

ARTMAPP: In deinem Lebenslauf ist es schön nachzuvollziehen, wie deine Ausstellungen erst regional verortet waren und sich dann immer mehr ausgeweitet haben. Was waren deine schönsten Stationen und welche folgen noch? SB: Ein wichtiges Projekt war für mich die museale Ausstellung in der Städtischen Galerie „Leerer Beutel“ in Regensburg. Ich mag sehr gerne besondere Gebäude und jedes Mal wirken meine Arbeiten dementsprechend anders. Die Städtische ­Galerie Straubing im ehemaligen Schlachthof ist zum Beispiel ein beeindruckender, aber auch unheimlicher Ort. Die Spind-Arbeiten beschäftigen sich unter anderem mit dem Thema Privatsphäre eines Arbeiters. Diese dann in einem ­Zivilschutzbunker zu zeigen, in dem im Notfall Privatsphäre vollkommen aufgegeben würde, erzeugte eine hochinteressante Kombination. Diese Ausstellung bei The View in der Schweiz war somit ein Glücksfall. Zurzeit freue ich mich über die Ausstellung im Museum Modern Art in Hünfeld. In den schönen Räumen des alten Gaswerks kann ich mich richtig ausbreiten. Das ist bislang meine größte Schau. w w w . b i r c h e n e d e r. d e

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ARTMAPP: Der Trompe-l’œil-Effekt deiner ­A rbeiten ist teilweise überwältigend – etwa wie du Metall darstellst, wie du abgerissene Tapeten malst. Oder auch dieser ganze Rost und Schmutz! Ist das ein Erbe deiner Zeit als Restaurator und Kirchenmaler? Und ist dir das wichtig: dieser ­Ü ber­r aschungseffekt, die Augentäuschung?


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Ein Ausflug nach Linz zur Mural Harbor Galler y

Unverfälscht und neu

2016 besucht die Weird Crew den Hafen und hinterlässt das Bild „Die vier Jahreszeiten“ – von links nach rechts: „Winter“ von Frau Isa, „Herbst“ von Dexter und Rookie, „Sommer“ von Herrn von Bias (und verdeckt: „Frühling“ von Vidam). Foto: Christian Boehm

Von Passau nach Linz, von Ostbayern nach Oberösterreich – das ist mit dem Auto eine Reise von kaum mehr als einer Stunde. Nimmt man ein Donauschiff, so dauert es etwa fünf Stunden, doch die Reise lohnt auf jeden Fall: Linz mit seinem barocken Hauptplatz punktet mit viel aktueller Kunst. Direkt am Donauufer liegt das Lentos Kunstmuseum mit seiner Sammlung zeitgenössischer Kunst, wo bis zum 19. Januar in der Ausstellung „Wolfgang Gurlitt. Zauberprinz“ der Kunsthändler und Sammler vorgestellt wird, der während der Zeit des Nationalsozialismus in den Handel mit beschlagnahmter Kunst involviert war. Das Museum im Kulturspeicher ­Würzburg zeigt das Leben und Wirken des Kunsthändlers Wolfgang Gurlitt (1888–1965) anschließend vom 8. Februar bis 3. Mai 2020. Auf der anderen Donauseite befindet sich das Ars Electronica Center, das an der Schnittstelle von Kunst, Technik und Gesellschaft arbeitet. Hier kann man künstlicher Intelligenz beim Denken zuschauen, selbst fahrende Autos trainieren, Roboter programmieren, 3-D-drucken oder die eigene DNA mit der Genschere bearbeiten. Etwas sehr Besonderes ist auch die Mural Harbor Gallery: Mehr als 300 teils überdimensionale Graffitis zieren den Linzer Hafen mit seinen Lagerhallen, Containern und Kränen. Die Geschichte von Mural Harbor beginnt im Jahr 2012 mit der Gestaltung eines überdimensionalen Wandgemäldes. 2019 sind es bereits mehrere Hundert Graffiti und Murals von Künstlerinnen und Künstlern aus 35 Nationen – darunter sehr bekannte Namen wie Aryz, Roa, Loomit oder Nychos.


Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, sich gemeinsam mit einem Guide auf Entdeckungsreise zu begeben. Im Rahmen von Bootstouren und Rundgängen wird Wissenswertes zu den Künstlerinnen und Künstlern, zu Arbeitsmaterialien, Übertragungstechniken, Begrifflichkeiten sowie zur Rechtslage und Geschichte von Graffiti vermittelt. Im praktischen Teil der Führungen erhalten die Besucher selbst die Möglichkeit, kreativ zu sein und Spuren in der Galerie zu hinterlassen. Jährlich kommen 5.000 Gäste zu den Führungen, doch noch viel mehr erkunden den Hafen auf eigene Faust.

Kurator Leonhard Gruber beschreibt die Ausrichtung der ­ ural Harbour Gallery: „Mich interessiert das Unverfälschte M und das Neue – keine Weichspüler-Murals. Es geht darum, das Thema mit einem 360°-Blick anzugehen und völlig wertfrei alle Spielarten und Techniken der urbanen Künste zu präsentieren. Das Konservieren des ‚Banksy-Zeitalters‘ ­machen andere Häuser.“ Für das Jahr 2020 plant man im Mural Harbor die ­E röffnung des MAZ – Museum Auf Zeit, wo auf 2.500 Qua­ dratmetern Ausstellungsfläche dieser Kunst erstmals in Linz auch Innenräume zur Verfügung gestellt werden. MARC PESCHKE

w w w . m u ra l h a r b o r. a t www. lentos. at www. lin ztour ismus. at

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Im April 2019 malt der Münchner Satone das Bild „Lemon“ und posiert anschließend vor der Kamera von Christian Boehm.


Dave Bopp » Ateliereinblicke 2019 Wallhack

Ausstellung: 21. November 2019 bis 21. Februar 2020 montags bis freitags (an Werktagen) geöffnet von 10:00 bis 18:00 Uhr Eintritt frei!

EnBW Energie Baden-Württemberg AG Durlacher Allee 93 76131 Karlsruhe www.enbw.com


karlsruhe Tradition und Aufbruch 20. Juli 2019 - 19. Januar 2020 Städtische Galerie Karlsruhe www.karlsruhe.de/b1/kultur/kunst_ausstellungen/ museen/staedtische_galerie.de Writing the History of the Future – Die Sammlung des ZKM 23. Februar 2019 - 28. März 2021 ZKM | Zentrum für Kunst und Medien www. zkm.de

KULTURHIGHLIGHTS

2019/2020 Boucher

07. NOVEMBER 2020 - 31. JANUAR 2021 Staatliche Kunsthalle Karlsruhe

Planet 3.0 – Klima.Leben.Zukunft 18. Juli 2019 - 03. Mai 2020 Staatliches Museum für Naturkunde Karlsruhe www.smnk.de Kaiser und Sultan – Nachbarn in Europas Mitte 1600 - 1700 19. Oktober 2019 - 19. April 2020 Badisches Landesmuseum, Schloss Karlsruhe www.landesmuseum.de Gebundene Pracht – Die Faszination Faksimile in der Badischen Landesbibliothek 25. Oktober 2019 - 25. Januar 2020 Badische Landesbibliothek www.blb-karlsruhe.de Hans Baldung Grien. heilig | unheilig 30. November 2019 - 08. März 2020 Staatliche Kunsthalle Karlsruhe www.kunsthalle-karlsruhe.de art Karlsruhe 13. Februar 2020 - 16. Februar 2020 Messe Karlsruhe www.messe-karlsruhe.de 43. INTERNATIONALE HÄNDEL-FESTSPIELE 14. Februar 2020 - 28. Februar 2020 Badisches Staatstheater Karlsruhe www.staatstheater.karlsruhe.de 25. Europäische Kulturtage: Europa – ein Versprechen 05. Mai 2020 - 17. Mai 2020 Karlsruhe www.europaeische-kulturtage.de SCHLOSSLICHTSPIELE KARLSRUHE 8. August - 15. September 2020 Schlossplatz Karlsruhe www.schlosslichtspiele.info Die Perser 10. Oktober 2020 - 11. April 2021 Badisches Landesmuseum, Schloss Karlsruhe www.landesmuseum.de Boucher 07. November 2020 - 31 Januar 2021 Staatliche Kunsthalle Karlsruhe www.kunsthalle-karlsruhe.de Karlsruher Christkindlesmarkt 29. November 2020 - 23. Dezember 2020 Friedrichsplatz www.weihnachtsstadt-karlsruhe.de Bild: Staatliche Kunsthalle Karlsruhe

Tourist-Information Karlsruhe Tel.: +49 (0) 721 602997-580 touristinfo@karlsruhe-tourismus.de www.karlsruhe-tourismus.de

KULTUR IN KARLSRUHE


EINE EINRICHTUNG DES   KUNSTMUSEUM STUTTGART

bis 02.02.2020

Stefan Rohrer, Helios, 2011, Autokarosserie, Blattgold

OTTO-DIX-WEG 6   78343 GAIENHOFEN-HEMMENHOFEN   MUSEUM-HAUS-DIX.DE

Otto Dix vor seinem Haus in Hemmenhofen, 1961, Foto: Hannes Kilian, © Haus der Geschichte Baden-Württemberg, Sammlung Kilian

21. MÄRZ BIS 31. OKTOBER 2020   DI BIS SO 11–18 UHR    MO GESCHLOSSEN

VOLLGAS – FULL SPEED

„EINZIGARTIG ANDERS“,

DONAUESCHINGEN

NI 2019

ehr Noch m NS T K & U AU T O S 2 im M AC

lautet das Motto des Singener MAC Museum Art & Cars. Und „einzigartig anders“ ist das, was Besucher im Museumsensemble unterm Hausberg Hohentwiel, eingebettet in den Grüngürtel der Aach, erwartet. Das gilt erst recht, seit im Juni 2019 mit dem MAC 2 das zweite außergewöhnliche Gebäude eröffnet hat, in dem Architektur, Oldtimer und Kunst eine einzigartige Verbindung eingehen. Parkstrasse 1-5 | DE 78224 Singen www.museum-art-cars.com

SEIT JU


VOR ANKÜNDIGUNG Experimentelle 21. 2020 Veranstalter: Förderkreis für Kultur und Heimatgeschichte Gottmadingen e. V. Veranstaltungsorte: – Amstetten / Niederösterreich – Randegg / Hegau – Thayngen / Schweiz – Bad Schussenried / Biberach – Sélestat / Elsass foekuhei-gottmadingen.de


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Singen am Hohentwiel ist eine Stadt in B ­ aden-­Württemberg, 30 Kilometer nordwestlich von Konstanz und 20 Kilometer nordöstlich von Schaffhausen (Schweiz) gelegen.


97 Singen ist nach der Kreisstadt Konstanz mit knapp 50.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt des Landkreises Konstanz und bildet das Mittelzentrum für die umliegenden Hegau-­ Gemeinden. Seit 1956 ist Singen eine Große Kreisstadt. Markantes Zeichen ist der Hohentwiel, ein Vulkankegel, der zu den Hegaubergen gehört. Die mittelalterliche Burgruine ist eine Touristenattraktion. Singen und seine Wirtschaft sind

geprägt durch Großunternehmen wie das Aluminiumwerk ­ onstellium, Georg Fischer, Maggi, Takeda Pharma sowie C durch einen ­breiten Mittelstand. Der Einzelhandel und große Filialunternehmen haben Singen zur Einkaufsmetropole für den Hegau sowie die benachbarten Schweizer Städte und ­Gemeinden werden lassen. SIEGMU N D KOPITZKI

Harald F. Müller, „SINGEN“, Installation im Stadtraum, entstanden 2000, im Rahmen der Ausstellung „HIER DA UND DORT. Kunst in Singen“, k­ uratiert von Jean-Christophe Ammann


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Inter view mit Oberbürgermeister Bernd Häusler

„Kultur ist für mich etwas sehr Essenzielles“ Bernd Häusler, Oberbürgermeister von Singen, 53, ist nicht nur für die Finanzen der Stadt zuständig, auch das Ressort Kultur gehört zu seinem Verantwortungsbereich. Häusler ist seit 2013 Oberbürgermeister der Großen Kreisstadt am Fuße des Hohentwiels. Er ist 2. Vorsitzender des Kunstvereins sowie im Vorstand der Südwestdeutschen Kunststiftung, die einer seiner Vorgänger gründete. Davor war er sieben Jahre Bürgermeister. Häusler gehört der CDU an. Das Interview für ARTMAPP führte Siegmund Kopitzki.

ARTMAPP: Herr Oberbürgermeister Häusler, es gibt von Ihnen einen Satz, der über den Stadtrand hinaus aufhorchen ließ: „Singen ist die Kulturstadt zwischen Stuttgart und Zürich.“ Können Sie uns das bitte etwas näher erläutern? Bernd Häusler: Bereits seit den Zwanzigerjahren des vorigen Jahrhunderts konnte man in Singen Kunst im öffentlichen Raum bewundern. Viele Künstler fanden damals in unserer


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linke Seite: Stephan Balkenhol (* 1957), „Männliche Figur“, 2000, Holz, farbig gefasst, Maggi GmbH der Nestlé Deutschland, Wasserturm © VG Bild- Kunst, Bonn 2019

ARTMAPP: Sie sind als OB für das Ressort Kultur verantwortlich. Normalerweise gilt Kultur als Blümchenressort und wird von den Bürgermeistern mitverwaltet. Kultur ist Ihnen demzufolge auch persönlich wichtig? BH: Kultur ist für mich etwas sehr Essenzielles; sie ist im wahrsten Sinne ein „Lebensmittel“. Daher steht für mich die Kultur ganz oben auf der Agenda, denn sie ist wichtiges und notwendiges Bindeglied einer offenen, toleranten und demokratischen Stadtgesellschaft.

Region eine neue Wirkungsstätte, gerade die benachbarte Höri wurde zu einem „Malerwinkel“, in dem so bekannte Größen wie Otto Dix, Erich Heckel oder Curth Georg Becker eine neue Heimstatt abseits der Repressionen fanden, die ihnen die Nazis damals zufügten. Dieses künstlerische Schaffen machte sich auch in Singen bemerkbar, denn hier fanden nach dem Zweiten Weltkrieg große Kunstausstellungen statt, die unsere Stadt zu einem Forum der Moderne werden ließen. Sie legten den Grundstein unserer städtischen Kunstsammlung und seither verfügt Singen über eine sehr rege, lebendige und vielfältige Kulturszene. Mit unserem Kulturangebot decken wir ein breites Spektrum ab. Und unsere freien und städtischen Kulturträger genießen auch überregional einen hervorragenden Ruf. Somit können wir durchaus selbstbewusst sagen, dass wir als Kulturstadt zwischen Stuttgart und Zürich wahrgenommen werden.

ARTMAPP: Vor Kurzem wurde das Städtische Kunstmuseum für viel Geld erweitert. Braucht es viel Überzeugungskraft im Gemeinderat, um solche Projekte zu realisieren und ihnen eine Zukunft zu sichern? BH: Der Gemeinderat unserer Stadt hat sich immer offen und zugewandt gezeigt, wenn es um das städtische Kulturangebot geht, zu dem das Kunstmuseum gehört. Auch der angestoßene Prozess zur Erarbeitung der Kulturkonzeption „SINGEN KulturPur“, zeigt deutlich, dass dem Gemeinderat eine gesicherte Zukunft unserer Kultur am Herzen liegt.

BH: Es stimmt, Singen ist eine arbeitende Stadt und dies ist zugleich unser großes kulturelles Pfund. Zahlreiche Firmen mit Weltruf, mittelständische Unternehmen, Dienstleister und viele Handwerksbetriebe sind hier ansässig und bieten rund 27.000 sozialversicherungspflichtige Jobs. Darauf sind wir sehr stolz und dies macht es überhaupt möglich, dieses Kulturangebot zu stemmen. Damit meine ich nicht nur das Geld, welches wir investieren können, sondern insbesondere auch die vielen Menschen, die sich aktiv in das Kulturleben einbringen. Das vielfältige Kulturangebot prägt das Bild ­unserer Stadt, ich sage nur „Hohentwielfestival“ oder grenz­ überschreitende Museumsnächte, die jedes Jahr ein großes Publikum anziehen. Oder unser Kunstmuseum, unser ­a rchäologisches Hegau-Museum und die beiden privaten ­Museen Art & Cars, das Privattheater „Die Färbe“ oder das soziokulturelle Zentrum „Gems“. Die jährliche „Erzählzeit“ hat sich zum größten grenzüberschreitenden Literaturfestival entwickelt. Aber auch die vielen freien Kulturschaffenden tragen ihren großen Beitrag bei. Unsere Institutionen und Veranstaltungen sind weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt und sie genießen einen hervorragenden Ruf. Singen verfügt über ein offenes Klima gegenüber Kunst und Kultur und so ist es auch eine große Freude, dass beispielsweise die Galerie Vayhinger ihr Wirken vor ein paar Jahren nach Singen verlagert hat.

Oberbürgermeister Bernd Häusler, Foto: Hans Noll

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ARTMAPP: Viele denken beim Stichwort Singen am Hohentwiel womöglich eher an die Industrieund Arbeiterstadt, weniger an Kultur …


Gut zu wissen alles rund um die Singener Kultur

Einen Besuch wert Kunst & Kultur genieĂ&#x;en

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Erlebnispfade Singen erleben & erkunden


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Das einzig erhaltene, monumentale Wandbild von Otto Dix findet sich in Singen am Hohentwiel: Otto Dix, „Krieg und Frieden“, 1960, Keimsche Mineralfarben Technik A (nach Kurt Wehlte) auf Silikatputz, Rathaus Singen, Ratssaal, © VG Bild-Kunst, Bonn 2019

BH: Wir investieren jährlich 7,7 Millionen Euro in die Kultur. Das ist für eine Stadt unserer Größe kein Pappenstiel. Inwieweit der Etat noch ausbaufähig ist, kann ich an dieser Stelle nicht beantworten, denn darüber entscheidet der Gemeinderat in seinen Haushaltsberatungen. ARTMAPP: Sie hatten Vorgänger, die sich sehr für die Kultur in der Stadt engagiert haben. Ich denke an Theopont Diez, der das Ausstellungsleben in den 1950er-Jahren mit Künstlern wie Otto Dix gefördert hat, an Friedhelm Möhrle, der das Kunstmuseum auf den Weg gebracht und die Südwestdeutsche Kunststiftung gegründet hat. Unter Andreas Renner gab es die viel beachtete Kunstinitiative „Hier Da Und Dort“. Ist das Herausforderung oder Belastung? BH: Weder noch – es ist Verpflichtung. Genauso wie meine genannten Amtsvorgänger dafür gesorgt haben, dass Singen als Kulturstadt vorankommt, so habe auch ich mir auf die Fahnen geschrieben, das kulturelle Angebot unserer Stadt weiter voranzubringen. Dabei setzen wir darauf, dass wir dazu alle Akteure mit ins Boot nehmen. Wir haben mit allen Kulturträgern gemeinsam einen äußerst demokratischen Prozess gestartet, in dessen Abschluss nun eine Kulturkonzeption entwickelt wird, die uns Handlungsziele und Maßnahmen für die Zukunft unserer Kulturstadt aufzeigt.

ARTMAPP: Sie sind als OB im Vorstand der Kunststiftung, zu der auch das MAC Museum Art & Cars gehört. Neuerdings bestehen zwei MAC Museen. Wie beurteilen Sie diese Initiative der Eheleute Maier? BH: Die Maiers sind begeisterte und begeisternde Sammler. Mit den beiden Museen lassen sie uns Anteil daran nehmen, automobile Schätze und Kunst in einer ganz besonderen Atmosphäre zu genießen. Ich bin ihnen dafür sehr dankbar, denn mit den beiden Häusern haben sie für Singen ein solitäres Ensemble geschaffen, das eine große Strahlkraft weit über die Stadt hinaus entwickelt und eine wertvolle Ergänzung unseres Kulturangebotes ist . Diese Museen sind in der Bundesrepublik etwas ganz Besonderes und ich freue mich sehr, dass sie bei uns in Singen stehen. ARTMAPP: Was fehlt der Kulturstadt Singen aus Ihrer Sicht noch zu ihrem vollen „Kunst- und Kulturglück“? BH: Ich würde mir zur Ergänzung unseres archäologischen Hegau-Museums noch ein stadtgeschichtliches Museum wünschen, damit die vielen wichtigen Dinge aus der Vergangenheit Singens nicht in Vergessenheit geraten, sondern erlebbar bleiben. w w w . s i n g e n - k u l t u r p u r. d e

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ARTMAPP: Welche Summe des jährlichen Etats fließen überhaupt in die Kultur – und ist der Etat noch ausbaufähig?


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Otto Dix (1891–1969), „Hohent wiel“, 1944, Öl- und Tempera auf Leinwand auf Holz © VG Bild- Kunst, Bonn 2019


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„HT WL. Der Twiel im Blick“ im Kunstmuseum Singen

Eine starke Bildgeschichte Das Kunst museum der Stadt Singen am Hohent wiel nimmt

Singen feiert. Vor 50 Jahren (erst) ging der Hohentwiel, dessen Namen die badische Stadt im Zusatz führt, in deren Gemarkung über. Bis dahin war der Hausberg, den eine der größten ­Festungsruinen Deutschlands bekrönt, Teil der württembergischen Gemarkung des vormaligen Oberamtes Tuttlingen. In der Silvesternacht des Jahres 1968/69 hisste der damalige Oberbürgermeister der Stadt, Theopont Diez, auf der Aussichtsplattform des alten Kirchturms die Stadtfahne und sprach die Worte: „Ein alter Wunschtraum der Singener geht in Erfüllung. Mit dem Hissen dieser Fahne übernehmen wir den Hohentwiel in unsere Gemarkung in Ehrfrucht vor seiner Geschichte, in großer Dankbarkeit vor der Schönheit, die er uns immer wieder von unserer Heimat vermittelt …“ Darauf entzündete der Oberbrandmeister der Stadt 60 Feuerwerksraketen. Doch wegen des Sturms streiften einige von ihnen die Fahne und sengten sie an, notierte der Lokalreporter der Heimatzeitung „Südkurier“. In diesem Jahr nun feiert Singen am Hohentwiel diese „Landnahme“ nicht mit markigen Worten und krachendem Feuerwerk, sondern mit einer Ausstellung im Kunstmuseum, die sich sehen lassen kann – der Hausberg, dessen Festung 1801 auf Befehl Napoleons geschleift wurde, war übrigens in diesem Sommer nach einem Felssturz für die Öffentlichkeit gesperrt. Derweil hat das Team um Christoph Bauer, Leiter des Museums, 180 Kunstwerke aus den eigenen Beständen und dem Stadtarchiv zusammengetragen, dazu kommen Leihgaben aus öffentlichen und privaten Häusern. Der Fokus liegt auf Stichen, Veduten, Gemälden und Zeichnungen des 19. und 20. Jahrhunderts. Doch reicht der zeitliche Bogen der Ausstellung von 1643 – das Datum steht für eine Darstellung des Hohentwiels durch Matthäus Merian den Älteren – bis zur zeitgenössischen Kunst. Christoph Bauer weist im Gespräch zu Recht darauf hin, dass sich die Landschaftsmalerei im Bodenseeraum im 17. Jahr­hundert eher zögerlich entfaltet habe. Das erste Reiseziel damaliger Künstler, zumal im folgenden 18. Jahrhundert,

waren die Schweizer Alpen, unter anderem Folge von Albrecht von Hallers Epoche machendem Gedicht „Die Alpen“ (1729). Ein anderes Motiv war der Rheinfall bei Schaffhausen, den zu Beginn des 19. Jahrhunderts auch der Engländer ­William Turner spektakulär inszenierte. Dennoch geriet der knapp 700 Meter hohe, aus Phonolith oder Klingstein bestehende Singener Vulkanberg immer wieder und erstaunlich „anders“ in den Blick zahlreicher Künstler. Diese Tatsache führte Bauer zu der seine Ausstellung bestimmenden Idee, „die Geschichte der bildkünstlerischen Darstellungen des ­Hohentwiels ­u mfassender und erstmals als Teil der allge­ meinen sowie der Landschaftsmalerei im Hegau und am Bodensee“ zu dokumentieren. „HTWL. Der Twiel im Blick“ setzt ein mit Ansichten und Stichen der noch unzerstörten Festung. Im Laufe des Dreißigjährigen Kriegs wurde der Berg fünfmal erfolglos belagert. Der Verteidiger der Festung, Kommandant Konrad Widerholt, gilt heute noch als „schwäbischer Held“. Eine frühere Merian-Darstellung von 1641 zeigt Szenen einer solchen militärischen Belagerung. In der Romantik und im beginnenden Historismus, zweite Station der Ausstellung, traten verklärende Darstellungen des Berges mit einer imaginierten Gipfelburg in den Vordergrund. Auch die Einbettung des Hohentwiels inmitten der Hegauberge – der Schriftsteller Ludwig Finck sprach von „des Herrgotts Kegelspiel“ –, dessen Darstellung als steil aufragende Erhebung im Vordergrund oder als „point de vue“ weiter Bodenseelandschaften kamen hinzu. Der Blick vom Hohen­ twiel „zum See“ wurde immer beliebter. Mit dem Ausbau Singens zum Eisenbahnknotenpunkt wurde die Burgruine auch für Touristen leichter erreichbar. In der Folge erschienen Holz- und Stahlstiche, die die „reizvolle Hegaulandschaft“ bekannt machten. Sie wurden als Einzelblätter gedruckt oder in Mappenwerken und illustrierten Reisebüchern ediert. Die Anfänge des Kunstmarktes – diese Entwicklung dokumentiert die Ausstellung ebenfalls beiläufig.

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in einer Au sstellung den lokalen Hau sberg in den Blick.



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Die letzte Station der Schau ist der zeitgenössischen Kunst ­gewidmet. Zumindest die Avantgarde verweigerte sich bekanntlich der Landschaftskunst. Erst in den letzten Jahren, Mit Beginn der Moderne – um 1900 – tritt in der Kunst die „unter dem Eindruck einer neu einsetzenden Reflexion über bildlich-malerische wie tiefenräumlich sich entfaltende den Realitätsgehalt von Bildern, dem ‚Ende‘ der analogen ­D arstellung der Natur in den Hintergrund, was zugleich in ­Fotografie und des Disputs über Begriffe wie ‚Heimat‘ und den Darstellungen des Hohentwiels deutlich wird. Beispiele ‚Landschaft‘ in einer zunehmend globalisierten Welt“, so für diese Phase sind Werke des bedeutenden Freilichtmalers ­Bauer, kommt es zu Neuinterpretationen des Hegaus und des Gustav Schönleber, laut Bauer ein „besonderer Glücksfall“, dominanten Berges. Die Ausstellung schließt daher bewusst sowie Bilder von Maria Caspar-Filser. Unter dem Titel „Neue mit dem paradoxen Gemälde „ Hegau“ von Matthias Sachlichkeit“ bietet die Ausstellung alsdann viel Prominenz: ­Hol­länder und der Videoarbeit „Handlauf Hohentwiel“ des Georg Schrimpf, Franz Lenk, Adolf Dietrich, Paul Kälberer performativ arbeitenden, im Thurgau lebenden Schweizer ­sowie einen ganzen Werkblock an Zeichnungen und Gemäl- Künstlers Christoph Rütimann. den von Otto Dix. Diese, in der Tradition eines Hans Thomas Ergänzt wird dieser künstlerische Blick auf den „Hon­stehenden Gemälde der „reinen“ Bodenseemaler Heinrich tes“ durch historische, dokumentarische und künstlerische Lotter, Hans Dieter, Walter Waentig und Bernhard Schneider-­ Fotografien, Modelle, Panoramen sowie illustrierte Bücher. Blumberg, werden gegenübergestellt. Für expressionistisch Der im 19. Jahrhundert populäre Schriftsteller Victor von geprägte Kunst steht in der Ausstellung Heinrich Nauen. Scheffel publizierte 1855 den historischen Roman „Ekke Nach Kriegsende 1945 wird die Landschaftsmalerei hard“, der auf der Burg angesiedelt ist. Für eine Neuauflage im ­i nhaltlich neu entdeckt. Die Künstler der Region, darunter Jahre 2000 lieferte der Berliner Künstler Johannes Grützke zahlreiche Höri-Bewohner wie Karl Oßwald, Carl Roesch, Zeichnungen. Das Kunstmuseum besitzt die Originale, ein Jean Paul Schmitz, Rudolf Stuckert oder Rose Marie-­ Teil davon ist nun in der ambitionierten Ausstellung zu sehen, Schnorrenberg, ließen sich von der französischen Moderne die aus unterschiedlichen Perspektiven eine insgesamt starke inspirieren, die für eine neue Farbigkeit stand. Eine Werk- Bildgeschichte dieses Bergs erzählt. gruppe von Curth Georg Becker, der in den Nachkriegsjahren das kulturelle Leben in Singen mitgestaltete, rundet diesen SIEGMU N D KOPITZKI Ausstellungsteil ab. Bis 9. Februar 2020 „ H T W L . D e r Tw i e l i m B l i c k “ www. k unst museum-singen. de

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Eduard von Kallee (1818 –1888), „Hohent wiel“, um 1880, Holzstich, koloriert, auf Papier


106 Singen am Hohent wiel: Der kontinuierliche Weg zur Kunst - und Kulturstadt

Das Periphere und also Ungefähre

MAC 2 Museum Art & Cars, Singen, mit Blick auf Hohent wiel, Foto: Š Museum


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Harald F. Müller, Ent wurf „Diamond Grade“,

Als Christiane Lange, Direktorin der Staatsgalerie Stuttgart, sich 2015 in einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ darüber beklagte, dass Baden-Württemberg zu viele Museen unterhalte, wurde Christoph Bauer, Leiter des Kunstmuseums Singen, hellhörig. Die Stadt hatte gerade erst viel Geld in die Hand genommen und sein Haus ein Jahr zuvor nach einer Modernisierung und räumlichen Erweiterung wiedereröffnet. Mit 1.000 Quadratmetern gehört das Museum nun zu den großen kommunalen Häusern auf der deutschen Seite des Bodensees.

9 , 3 AU S S T E L L U N G E N P R O TAG

Allein seit 1990 gibt es bundesweit mehr als 700 Neu­ gründungen, rechnete Lange vor. Mit der Zunahme der Museen ist wenig überraschend die Zahl der Ausstellungen gewachsen. Pro Tag, so hatte Lange akribisch nachgerechnet, würden 9,3 eröffnet. Und sie beklagte dabei eine Erfahrung, die viele Museen und Galerien machen: Zur Eröffnung, meist eintrittsfrei, kommen alle, aber danach nicht mehr. Die Stuttgarter Direktorin sah in der Entwicklung eine Gefährdung der Museen und einen Konf likt darin, dass alle Häuser gleich­zeitig um Geld, Besucher und um noch mehr Aufmerksamkeit buhlen würden. Ihr Lösungsvorschlag: Eine neue Versuchs­a nordnung, gegebenenfalls müssten ­Museen geschlossen werden. Der Vorschlag war so neu nicht. Schon in den 1970er- und 1980er-Jahren wurde laut über die

Wege debattiert, die ö ­ ffentliche Gelder für Kunst und Kultur in Baden-Württemberg nehmen. Ein Anlass dafür war – ­I ronie des Schicksals – der Sterling-Bau, in dem (eben) die Staatsgalerie residiert. Christiane Lange sprach aus Sicht der Metropole. Sie hatte, selbst wenn sie es nicht so deutlich sagte, die ewige ­P rovinz im Blick. Singen vielleicht oder die Hegau-Gemeinden Engen, Randegg, Volkertshausen, vielleicht auch die Höri am Untersee – Orte, die allesamt auf ihre (bescheidene) Weise kulturelle Angebote machen. Möglicherweise aber ­erkannte Lange die Grenzen des Wachstums in ihrem eigenen Haus, zumal der Anschaffungsetat der Staatsgalerie, dieses ­F laggschiffs der Kunst, auf eine homöopathische ­Dosis ­geschrumpft wurde. Dass die Museen jenseits der Kunstmetropolen im Land über diesen Beitrag wenig „amused“ waren, liegt auf der Hand. Bauer war nicht der Einzige, der Widerspruch anmeldete. Dabei ging und geht es ihm wie anderen nicht um Pfründe, auch nicht um Lokalpatriotismus und nicht einmal um ­A rbeitsplätze, sondern um Strukturen, die mit dem Begriff Infrastruktur nur allzu schlecht beschrieben sind. Es geht um Lebensqualität. Seltsamerweise muss die „Provinz“ in der Konsequenz solcher Debatten immer wieder ihren Anspruch auf das begehrte „Lebensmittel Kultur“ begründen – und nicht die privilegierten Metropolen. Christiane Langes Position ist gar nicht so selten, nur wird sie selten derart offen dargelegt.

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Luftraumskulptur für das Kunstmuseum Singen, Montage: Martin Merschroth, 2017


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Christoph Bauer, Direktor Kunstmuseum Singen, Foto: Michel Bieler- Loop

Auch auf eine andere nachhaltige Weise gab und gibt es diese Verschränkung zwischen innen und außen, zwischen ­regional und überregional. Als Singen den Zuschlag für die Landesgartenschau 2000 erhielt, entwickelte der damalige Direktor des Frankfurter Museums für Moderne Kunst Jean-Christophe Ammann das Kunstprojekt „Hier Da Und Dort“. Knapp zwei Dutzend Interventionen rückten die Stadt in den Fokus des Feuilletons. Noch heute prägen einige Werke das Stadtbild. Dazu gehören etwa der Neonfries des New Y ­ orker Konzeptkünstlers Joseph Koshut am Rathaus, die „Männliche Figur“ von Stephan Balkenhol auf dem Wasserturm der Firma Maggi – ein in der Fußgängerzone aufgestelltes Fernrohr bietet die Möglichkeit, diesen „Muezzin“ aus Holz zu betrachten – oder „The Golden ­Apples“ von Ilya und Emilia Kabakov, eine melancholische Installation, die den Stadtraum zum Erzählraum macht. Zu den Künstlern von „Hier Da Und Dort“ zählte auch Harald F. Müller, der erst kürzlich im Gewerbegebiet ein ­Atelier eröffnet hat, das er als Ort eines umfassenden Austausches versteht. Müller schuf für das Ammann’sche Projekt seinerzeit den pinkfarbenen Schriftzug „SINGEN“ am Feuerwehrhaus. Ein Bekenntnis zur Stadt. Schon 1998 gestaltete er die Haltestelle des Singener Nebenbahnhofs mit einem Farbkonzept, das die Bedeutung des Industriegebiets unterstreicht. Angedacht ist ein drittes Werk: die Skulptur „Diamond ­Grade“, eine auf das Kunstmuseum verweisende Wegmarke. Zugleich ein ironischer Gruß in die Schweiz und Wegweiser in die Zukunft der Kulturstadt, die auch in der verlängerten Vergangenheit viel Sinn für Kultur hatte. Der ist eng ver­ bunden mit dem Namen Theopont Diez, dem ersten Oberbürgermeister der Stadt nach der „Stunde null“. Diez vergab Aufträge an Künstler, denen es materiell nicht gut ging. Sein größter Coup: das Wandbild „Krieg und Frieden“ (1960), gemalt von Otto Dix im Rathaussaal.

K U LT U R E L L E WA N D E R U N G S G E W I N N E

K U NST M USEU M SI NGE N

Die Hiesigen wissen es besser. Häuser wie das Kunstmuseum Singen stehen für zeitgenössische, experimentelle und avantgardistische Kunst. Ihre Protagonisten – etwa Markus Daum, Felix Droese, Friedemann Hahn, Harald F. Müller, Christa Näher oder Andrea Zaumseil, um nur einige Namen zu ­nennen – sind international unterwegs. Die genannten fünf stammen aus der Region oder leben und arbeiten hier. Zudem gab und gibt es immer wieder Impulse von außen. Die Künstler­landschaft im Hegau, am Bodensee insgesamt, hat immer vom „kulturellen Wanderungsgewinn“ profitiert, der sich schon an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert beobachten lässt. Das geschah nicht immer freiwillig. Otto Dix, der einige Spuren in der Hohentwiel-Stadt hinterlassen hat, floh vor den braunen Machthabern zunächst in den Hegau, später bezog er ein Haus auf der Höri; Erich Heckel folgte 194 4, nachdem sein Atelier in Berlin zerstört worden war. Hans Purrmann schlug sein Quartier bereits nach dem Ersten Weltkrieg in Langenargen auf; Julius Bissier flüchtete 1939 vor den Nazis nach Hagnau.

Christoph Bauer ist seit mehr als 20 Jahren Leiter des ­ unstmuseums Singen. Er erlebte in dieser Zeit drei Ober­ K bürgermeister, der amtierende vierte OB Bernd Häusler ermöglichte die Sanierung seines Hauses und zeigt sich auch sonst offen für das kulturelle Leben der Stadt. Bauer war ­einer der lokalen Stützen Ammanns, wie das seit einigen Jahren in Singen ansässige und umtriebige Galeristenpaar Helena und Werner Vayhinger. Der Museumsleiter hat ein wachsames Auge auf die dauerhaften Werke in der Stadt, die zur „ersten Garde der Gegenwartskunst“ („Tagesspiegel“, Berlin) gehören. Bei aller demonstrierten „Weltläufigkeit“ behält er aber mit seinen Ausstellungen zugleich die „Vierländerregion B ­ odensee“ im Blick (Deutschland, Schweiz, Österreich, Liechtenstein).


109 M AC M U S E U M A R T & C A R S , S I N G E N

Mäzenatentum hat nicht nur in den Metropolen, sondern ebenso in den Randgebieten Tradition. Und sie geht hier fast immer von der Bürgerschaft aus. Auch in Singen. Das Unternehmer- und Stifterpaar Gabriela und Hermann Maier gründete 2013 ihr erstes MAC Museum Art & Cars, in dem es Oldtimer und Kunst unter einem Dach versammelte, das viel Zuspruch fand, nicht zuletzt wegen der Architektur des Gebäudes, die Daniel Binder aus dem nahen Gottmadingen entwarf. Der Architekt nahm Anleihen bei den Vulkanbergen des Hegaues, vor allem bei den Rundungen des Hohentwiel. Auch im gegenüberliegenden Neubau MAC 2 kommt es zu einer Liaison von Kunst und automobilen Preziosen, ­allerdings auf dreimal so viel Ausstellungsfläche. Wiederum zeichnete Binder für den Neubau verantwortlich, der mehr Ecken, Kanten und vor allem mehr Höhe hat. Knapp 30 Meter ist das neue Haus hoch, das insgesamt 3.000 Quadratmeter Ausstellungsf läche bietet. Eine Sky-Lounge erlaubt einen ­weiten Blick auf den Hohentwiel und die Stadt. Die Höhe musste sein, „um die richtige Maßstäblichkeit zum ersten Haus und die richtige Präsenz zu erzielen“, wie der Architekt erklärt. Das MAC 2 – eine dynamische Skulptur – inszeniert nicht mehr nur Oldtimer, die den berechtigten Status von Kunstwerken haben, zeigt nicht nur Fotografie und spek­ takuläre Gemälde, es bietet auch Licht- und Videokunst. Und das ist neu. Dem Künstler Markus Brenner, in Konstanz lebend, gelingen überraschende Perspektiven. Mit „Frozen Cars und Moving Lights“ hat er eine raumgreifende und viel bestaunte Video­-Licht-Inszenierung im „Licht-Turm“ des Museums geschaffen. Ein ganzes Jahr arbeitete der Künstler an „Frozen

Cars und Moving Lights“. Der technische Aufwand für die Licht- und Videospiele war gewaltig. Mit unzähligen Prozessoren, Spezialcomputern und einigen Hundert Metern Kabel werden ein Dutzend Videoprojektoren laufend mit Bildmaterial gefüttert. „Es ist die Zugnummer“, sagt Hermann Maier. Und freut sich über die Akzeptanz, die auch sein zweites ­Museum in Stadt und Region erhalten hat. Demnächst soll ein Buch zum MAC 2 erscheinen. An dem „Geschwisterpaar“, wie Binder die beiden Häuser liebevoll nennt, führt übrigens ein Kunstweg vorbei. Ein „work in progress“: 600 Kilometer Bodesee-Kunstwege zwischen Donau und Bodensee, wobei entlang deren Verlaufs im öffentlichen Raum mehr als 200 Werke von über 100 Künstlern in fünf Landkreisen gezeigt werden. Gabriela und Hermann Maier steuerten dazu zwei Glasobjekte des Rottweiler Künstlers Tobias Kammerer bei. w w w . m u s e u m - a r t- c a r s . c o m

P R OV I N Z – D I E E I N Z I G E R E S S O U RC E

„Provinz“ ist eine Chance. Die Galerien und Museen nehmen sich hier viel Zeit, um Qualität zu liefern. Das Diktat der ­Moden, nicht zuletzt um zwanghaft immer wieder mehr und neue Besucher anzulocken – Lange sprach selbstkritisch von „Budenzauber“ –, entf ällt weitgehend. Der ehemalige ­Friedrichshafener Museumsleiter Lutz Tittel, dem die Zeppelin-Stadt ihre Dix-Sammlung zu verdanken hat, sah schon vor Jahren in der angeblichen Zurückgeliebenheit der Provinz „die einzige Ressource, die wir noch haben“.

Stifterehepaar Maier, Foto: © MAC Museum Art & Cars

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SIEGMU N D KOPITZKI


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Ein Denkraum der Möglichkeiten Harald F. Müller richtete sich im Gewerbegebiet von Singen sein Atelier ein – die Galerie Vayhinger hat sich derweil unter dem Hohentwiel etabliert. Hardmühl-Nord liegt am Rand von Singen, im Gewerbegebiet. Dass sich hier ein Künstler niederlässt, neben einer Karosseriewerkstatt, gegenüber einem Spielcasino und direkt an der Bahnlinie – das ist mutig. Oder es steckt ein Plan dahinter. Harald F. Müller hat einen Plan … Er hat sein Studio im Kloster Öhningen (Höri) zu­ gunsten der „stratozero.net“ betitelten Kunstwerkstatt aufgegeben. Auf Anhieb wird niemand in dem Gebäude, das 450 Quadratmeter Arbeitsfläche bietet, ein Atelier vermuten. Das „stratozero“ unterscheidet sich mit seinem Flachdach und der Silberhaut kaum von den anderen rein gewerblichen Gebäuden. Aber Müller wollte genau diese Industriearchi­ tektur. Die Hohentwiel-Stadt, die er im Rahmen des Kunstprojekts „Hier Da Und Dort“ mit der geometrischen Skulptur „SINGEN“ feierte, hat ihm das Grundstück angeboten. Rathaus und Rat fanden Gefallen an der Idee, dass sich in Hardmühl-Nord Kunst und Gewerbe die Hand reichen …

Das war der Plan. Aber nicht der ganze. Schon zur Grundsteinlegung hieß es, dass ein zukunftsweisendes Projekt entstehe, „ein weltweit geöffneter Denkraum der Möglichkeiten, ein Künstleratelier und Archiv als Ort des Dialogs“. Große Worte. Gelten sie noch? „Und ob“, sagt Müller, „die oberste Maxime der Halle ist nach wie vor die Offenheit“. Wer den Möglichkeitsort „stratozero“ betritt, der werde zum Verbündeten, ganz im Sinne von Ad Reinhardt: „Außer den Beteiligten gibt es kein Publikum.“ Die Kunst müsse raus aus dem Museum und rein ins Leben. Beuys’ Baumpflanzaktion der „7000 Eichen“ sei ein gutes altes Beispiel und ihm unvergessen.

stratozero.net, 2018, neue Halle von Harald F. Müller im Industriegebiet Singen, Foto: Guido Kaspar


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Werner und Helena Vayhinger, Foto: © Galerie Vayhinger

Helena und Werner Vayhinger befinden sich in einem Alter, in dem andere Menschen im Ruhestand sind. Sie nicht. Dass sie dennoch etwas kürzer treten, hat andere Gründe. Sie haben schon immer Künstler ausgestellt, hinter deren Werken sie standen. Jetzt halten sie es mit der Auswahl noch strenger. Zuletzt zeigten sie – in Kooperation mit dem Kunstmuseum Singen – eine viel beachtete Ausstellung mit Werken des Fotografen Florian Schwarz. Seine visuelle Entdeckungsreise über die wissenschaftliche Erforschung des Nachthimmels, verbunden mit Eindrücken aus dem Leben der Menschen in verschiedenen Regionen der Erde, ihren Umgebungen und ihrer Kultur, ist auch als Buch verfügbar (Kerber Verlag, Bielefeld, 48 Euro). Zu den Autoren des Künstlerbuchs gehört Arnold Stadler. Der Georg-Büchner-Preisträger, der im nahen oberschwäbischen Rast lebt, wird ab 1. Dezember bei Vayhingers Teile seiner Bildersammlung zeigen. Darunter sind Werke von Jakob Bräckle, Mark Tobey und Günther Uecker. Über Bräckle hat Stadler ein Buch verfasst. „Auf dem Weg nach Winterreute. Ein Ausflug in die Welt des Jakob Bräckle“ (2012) ist heute leider vergriffen. Noch vor der Stadler-Ausstellung ermög­lichen die Vayhingers den Besuchern ihrer Galerie eine „Wundersame Begegnung“ mit Malerei, Zeichnungen und ­I nstallationen von Barbara Armbruster, einer in Stuttgart ­lebenden Künstlerin (ab 2. November). Die Galerie Vayhinger hat sich in Singen Freunde ­g emacht. Harald F. Müller gehört dazu. Ebenso Singens ­O berbürgermeister, Bernd Häusler. Eigentlich die ganze kunstfreundliche Stadt. So soll es sein. SIEGMU N D KOPITZKI

s t ra t o z e ro . n e t g a l e r i e v a y h i n g e r. d e

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Müllers Atelier ist zu besonderen Anlässen geöffnet – und ständig zu besuchen unter www.stratozero.net. Dass das Konzept greift, zeigen die Diskussionen und Gespräche mit den Besuchern, darunter Studierende und Dozenten verschiedener Universitäten, Architekten, Wissenschaftler oder Philosophen, Künstler sowieso, mit denen Müller kooperiert, Kunstaffine, Journalisten und Galeristen. „Entwicklung entsteht durch Austausch und Teambildung“, glaubt Müller, das sei ein wichtiges Moment seiner künstlerischen Arbeit, die immer schon das Experiment und das fachübergreifende Denken umfasst habe. Sein stratozero.net „ist prozess- und nicht ergebnisorientiert“, sagt Müller. Sein Atelier sei keine Institution und es wird auch nicht gesponsert – das ermöglicht ihm ein schnelles und spontanes Handeln. Der Standort Singen, zwischen Zürich und Stuttgart gelegen, ist ganz bewusst gewählt. Zu beiden Städten hat Müller einen starken Bezug. Die geografische Lage ist aus seiner Sicht entscheidend für die Vernetzung „nach überallhin“. Gern gesehene Gäste dieses Modell- und Denkraums sind Helena und Werner Vayhinger. Das Paar hat vor geraumer Zeit seine lange gehegte Galerie in Möggingen (bei Radolfzell) aufgegeben und ist in Singen in ein altes Haus gezogen, das sie für ihre Zwecke renovieren ließen. Die Ausstellungsräume haben etwas von Wohnzimmer. Aber das ist Absicht. Die Künstler lieben die bürgerliche Atmosphäre in der Schaffhauser Straße. White Cube – das war einmal.


Der Hegau


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Ein Traum von einer Landschaft Das großformatige Gemälde „Hegau“, markantes Schlussbild der aktuellen Hohentwiel-Ausstellung im Kunstmuseum Singen, gehört seit 2016 zu dessen Sammlung. Eine Initiative, an der das Galeristenpaar Helena und Werner Vayhinger ­federführend beteiligt war, ließ den Ankauf möglich werden. Das Gemälde von Matthias Holländer (* 1954), der auf dem Bodanrück nahe des Bodensees lebt und für sein künst­ lerisches Werk unter anderem mit dem Kunstpreis der Stadt Konstanz (1994) ausgezeichnet wurde, zeigt einen ungewöhnlichen Landschaftsraum: den Hegau mit seinen Vulkankegeln, den Seerhein und die Alpen in verblüffender Genauigkeit sowie strahlender Brillanz. Und weil die Dar­ stellung so überzeugend realistisch, so fotografisch genau, so elektrisierend leuchtend ist, „glauben“ wir diesem Bild, mit dem der Künstler einen wahren Traum der (Landschafts-) Malerei feiert. Tatsächlich gibt es diesen Blick auf den Hegau nicht. Es ist (lediglich) eine wundervolle Fiktion, die mit ­Elementen der Landschaft arbeitet. Und doch mehr: ein repräsentatives Werk eines zeitgemäßen Realismus.

Matthias Holländer, „Hegau“, 2010, Öl/Acryl auf Leinwand, 190 x 300 cm, Sammlung Kunstmuseum Singen

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Hermann Hesse, Ot to Dix, Erich Heckel

Künstler der Höri „ F R E U N DL ICH E Ü BE R NA H M E “

Die Höri am Untersee wurde im 20. Jahrhundert für Schriftsteller und Künstler ein Fluchtpunkt – auch für Otto Dix und Erich Heckel. Die Freude war groß, als im Sommer 2013 nach einer aufwendigen Sanierung das ehemalige Atelier und Wohnhaus von Otto Dix in Hemmenhofen auf der Höri ­( Bodensee) für Besucher wieder eröffnet wurde, nun unter den Fittichen des Kunstmuseums Stuttgart. Das war neu. ­Davor wurde das Museum von einem Förderverein geführt, der das Haus gemeinsam mit der Gemeinde von den Dix-­ Erben gepachtet hatte.

Die Idee zu dieser „freundlichen Übernahme“ hatte Marion Ackermann, damals Leiterin des Kunstmuseums Stuttgart, heute Museumschefin in Dresden. In der örtlichen Kultur­ verwaltung fand sie ebenso Gehör wie in der Bodenseeregion. Zwischen 1936 und 1969, dem Jahr seines Todes, lebte und ­a rbeitete Otto Dix (1891 in Untermhaus/Gera geboren) in ­diesem Haus, das der Dresdner Architekt Arno Schleicher im Heimatstil der 1920er-/1930er-Jahre für die Familie ent­ worfen hatte. 1979 verließ Dix-Witwe Martha die Höri und


115 linke Seite: Otto Dix, „Randegg im Schnee mit Raben“, 1935, Öl und Tempera auf Hartfaserplatte, 80,2 x 70 cm, Kunstmuseum Stuttgart, © VG Bild- Kunst, Bonn 2019

miete sich bei Enkeltochter Bettina Dix-Pfefferkorn in Südfrankreich ein. Nach jahrelangem Leerstand drohte das Haus am Bodensee zu verfallen, bis es nach langen Debatten um die Finanzierung 1981 zu einer Museumslösung kam. Mit der Angliederung an das Kunstmuseum Stuttgart ist die Zukunft des denkmalgeschützten Hauses nun dauerhaft gesichert. Die Familie von Otto Dix hielt sich – nicht ganz freiwillig – schon drei Jahre in der Region auf, ehe das Heim am Untersee fertiggestellt wurde. Davor lebte sie in Randegg im Hegau im Schloss des Urologen Hans Koch, dem ersten Mann von Martha. Otto Dix wurde 1933 aus seinem Professorenamt in Dresden verjagt, der verfemte Künstler musste um sein ­L eben fürchten, daher war er mit den Seinen in den Süd­ westen des „Reichs“ geflüchtet, nahe der Grenze zur Schweiz, die ihm gegebenenfalls Asyl gewährt hätte. Dass sich der Großstadtmaler mit der idyllischen Landschaft schwertat, sie zum „Kotzen schön“ fand, vor ihr „wie eine Kuh“ stand, ist oft genug beschrieben worden. Aber er ist am See geblieben wie andere Künstler und Literaten, die sich vor und nach ihm für die Höri entschieden.

A M A N FA N G WA R H E R M A N N H E S S E

N AC H B A R N I N H E M M E N H O F E N

Heckel schuf am See den größten Teil seines Spätwerks, mit dem er an das zuvor Geschaffene anknüpfte. Gegenpole zur Höri fand er in den Bergen oder an den Küsten der Nord- und Ostsee. Im Vergleich zur früheren impulsiven, ja expressiven Vitalität wirken seine nach dem Zweiten Weltkrieg ent­ standenen Bilder insgesamt „abgeklärter, beruhigter und zurückhaltender“, wie der Radolfzeller Kunsthistoriker Andreas Gabelmann im Frühjahr 2019 im Kunstverein Singen referierte. Mit Renate Ebner arbeitet Gabelmann am Werk­ verzeichnis des Malers und Bildhauers. Heckel, der als

Otto Dix vor seinem Haus in Hemmenhofen, 1961, Foto: Hannes Kilian © Haus der Geschichte Baden-Württemberg, Sammlung Kilian

Person immer hinter seinem Werk blieb, in der Bodensee-Region kaum öffentlich auftrat – was zeitweise dem Professorenamt in Karlsruhe geschuldet war –, arbeitete nach wie vor nahe am Motiv. Er suchte noch die Konfronta­ tion mit der sichtbaren Wirklichkeit, als die Abstraktion zur herrschenden Kunstrichtung wurde. In der Ablehnung des Informel war er sich mit Dix einig, der mit Blick auf diese Stilrichtung von „großem Mist“ sprach. Wie Heckel musste allerdings auch er hinnehmen, dass sein Spätwerk zunächst wenig Beachtung fand. Ungeachtet dessen gilt für beide Künstler, die sich respektierten, aber keine Freunde waren – wie überhaupt die Höri nie zu einer Künstlerkolonie wurde –, dass sie das künstlerische ­P rofil der Bodenseelandschaft mitgeprägt haben. Vielleicht hatte Dix etwas die Nase vorn, da er in der benachbarten Industriestadt Singen am Hohentwiel nicht nur – wie Heckel, der in Radolfzell starb – an den Kunstausstellungen der 1950er- und 1960er-Jahre teilnahm, sondern sich auch mit Arbeiten wie dem monumentalen Wandgemälde „Krieg und Frieden“ (1960) im Rathaus der Stadt verewigte. SIEGMU N D KOPITZKI

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Lange vor Dix’ Ankunft war es der spätere Literaturnobelpreisträger Hermann Hesse, der 1904 im nahen Gaienhofen ein Bauernhaus anmietete und es zu seiner ersten „legitimen Werkstatt“ erklärte. Heute ist das Haus ein Museum. Später kamen andere Künstler und Intellektuelle aus Furcht vor Restriktionen der Nazis oder den Bombardements der Städte an den Untersee. Zu den prominentesten ­M i­g ranten gehörten – neben Dix – der entlassene Leiter der Düsseldorfer Kunstakademie Walter Kaesbach, Helmuth ­Macke, ein Cousin des „Blauen Reiter“-Malers August Macke, Max Ackermann und Erich Heckel, der 194 4 f luchtartig ­Berlin verließ, nachdem sein dortiges Atelier zerstört worden war. Kaesbach besorgte dem Maler der „Brücke“, dessen 50. Todestag sich 2020 jährt, eine provisorische Unterkunft, bevor Heckel 1955 sein eigenes Haus in direkter Nachbarschaft zu Dix beziehen konnte.


116 Erich Heckel zum 50. Todestag

„… immer voll von Bildern“

Erich Heckel, Holzschnitt nach einem Gemälde von Ernst Ludwig Kirchner, Umschlagseite des Kataloges „Künstlergruppe BRÜCKE“ zur Ausstellung in der Dresdener Galerie Arnold, September 1910 (Dube 177)

Als Erich Heckel nach Jahren der Verfolgung als „entarteter Künstler“ 1944 erleben musste, wie sein Berliner Atelier in Schutt und Asche versank, versuchte er, einen Rückzugsort, eine abgeschiedene, unauffällige Bleibe zu finden. In Hemmenhofen am Bodensee gab ihm ein Freund, von Beruf Architekt, Unterschlupf. Andere Künstler hatten denselben Schritt schon Jahre zuvor getan: Max Ackermann, Otto Dix. Auch sie zogen sich auf die Halbinsel Höri in Sichtnähe der Schweiz zurück, suchten die Abgeschiedenheit, die Unauffindbarkeit, das innere Exil. Heckel zeichnete viel. Gemälde aber fehlen für das Jahr 1944. Leer die Staffelei. Keine Leinwand, keine Farbe. Und auch im folgenden Jahr entstanden lediglich drei Arbeiten, darunter die Landschaft „Am Untersee.“ Ein Bekenntnis: Er, der Stadtmensch aus Dresden und

Berlin, der auch die Stille des Meeres von Nord- und Ostsee (Dangast, Osterholz) kannte, war angekommen. In der unmittelbaren Nachkriegszeit schlug er das Angebot, nach Berlin zurückzukehren und eine Professur an der Hochschule der Künste zu übernehmen, aus. Heckel und seine Frau Siddi verließen kaum noch ihre neue, ihre endgültige Heimat am Untersee. Lebhaften Anteil nahm er aber, als 1965 das Werkverzeichnis der Gemälde erarbeitet wurde. Ohne sein „hervorragendes Gedächtnis“ wäre das Vorhaben gescheitert. Der große Maler, der nie viel Aufhebens um seine Person gemacht hatte, reiste noch einmal und tat viel, um sein Werk zu erhalten, sein Verbleiben „in den Zeiten“ zu gewährleisten. Und irgendwie erlebte er noch, wie sich alles rundete. Am 27. Januar 1970 ging eine bemerkenswerte Biografie zu Ende, geprägt von strahlendem Glanz und tiefen Rissen: Erich Heckel starb, fast 87 Jahre alt. Zu Beginn seines langen Weges stand ein Bekenntnis. Was er zu sagen hatte, teilte er am 15. Januar 1909 der Kunsthistorikerin Rosa Schapire auf blauem Büttenpapier mit: „… ich kann nicht gut über mich und meine Arbeit schreiben – bin auch immer voll von Bildern, Holzschnitten, was noch zu machen wäre …“ Voll von Bildern, die ihm ein Leben lang den Stift, den Pinsel, den Geißfuß in die Hand zwangen. Und dann die andere Seite: Viele – sehr viele – seiner Werke gingen verloren. Dreimal traf sie ein hartes Schicksal: Als 1937 die Aktion „Entartete Kunst“ deutsche Museen plünderte auf der Suche nach Werken, die „nicht aus unserer Seele stammen“, wurden 729 Arbeiten beschlagnahmt, konfisziert, verhökert, verbrannt. Nicht genug: Im Januar 1944 traf ihn ein weiterer Schlag: „Am 30. I. ist meine Wohnung in der Emserstraße restlos zerstört worden mit allem darin.“ Schließlich: Über 200 Gemälde, darunter zentrale Frühwerke, die er 1942 in ein bombensicheres Depot im Salzbergwerk Neu-Staßfurt bei Magdeburg ausgelagert hatte, überlebten das Inferno – um dann nach Kriegsende durch Brandstiftung vernichtet zu werden. Unfassbar! Andernorts ausgelagerte Grafik konnte Heckels Malerfreund Max Kaus retten. Gleichwohl ist sicher: Nur wenige Maler verloren so viele Werke. Und doch: Als am 15. September 1967 das Brücke Museum in Berlin eröffnet wurde, wusste der erste Direktor des Hauses, Leopold Reidemeister, wem er zu danken hatte: Es „erweist sich immer wieder, wieviel das Museum Erich Heckel und Frau Siddi Heckel schuldet.“ Und auch – was weniger bekannt ist – das Kupferstichkabinett der Staatlichen Kunsthalle K arlsr uhe erhielt ein umfang reiches Konvolut druckgrafischer Raritäten, rückseitig mit einem rechteckigen


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blauen Stempel „Stiftung Erich Heckel“ versehen. Schon am 16. Juli 1966 hatte Heckel dem Direktor Jan Lauts zugesichert, „wichtige Drucke aus der Brücke-Zeit und bis 1944 dem Hause zu geben“. Das geschah dann 1967 zusammen mit der Stiftung an das Brücke Museum in Berlin. Beide Häuser erhielten zentrale Werkgruppen, beginnend mit frühesten Arbeiten aus dem Jahre 1903. Eine kluge Entscheidung: die Verteilung auf zwei große Institutionen. Heckel war damals 84 Jahre alt, ­h atte keine Kinder und musste nach bittersten Verlust­ erfahrungen für einen sicheren Ort sorgen. Gerade auch zu der Stadt und dem gewachsenen Kulturstandort Karlsruhe besaß Heckel eine tiefe Beziehung, geprägt von Dankbarkeit: Die hiesige Akademie der Bildenden Künste hatte ihn im Herbst 1949 – 66 Jahre alt und damit eigentlich jenseits der

Pensionsgrenze – auf die Professur für Malerei berufen. Fünfeinhalb Jahre – bis zum 31. März 1955 – setzte er ein Zeichen: Die neue, junge Generation sollte auf brechen und unterrichtet werden von einem Vertreter jener Schaffenden, die sich schon einmal „Arm- und Lebensfreiheit“ erkämpft hatten. Genau der richtige Impuls nach dem Zweiten Weltkrieg. ­H eckel blieb vielen Studierenden in Erinnerung als ein „Mandarin, ein Weiser und ein charismatischer Lehrer“. Vor allem aber war er ein großer Künstler und ein glaubwürdiger Zeuge. Das ist er bis heute geblieben. P R O F. D R . D R . G E R D P R E S L E R , („Mr. Sketchbook“) Kunsthistoriker, erarbeitete Werkverzeichnisse der Skizzenbücher von Ernst Ludwig Kirchner, Edvard Munch, Max Beckmann, Asger Jorn, Willi Baumeister, Ludwig Meidner, Walter Stöhrer und Karl Hofer.

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Der späte Erich Heckel in Hemmenhofen, Foto: Fritz Eschen, 1950er-Jahre


Schloss Randegg, Foto: Titus Koch

Zwei Blicke in den Hegau VO N SIEGMU N D KOPITZKI

Scheidung heiratete das Paar 1923. „Jim“ und „Mutzli“, so ihre Kosenamen, blieben ihr Leben lang zusammen. Der Kontakt zu Koch, mit dem Martha zwei Kinder hatte, riss aber nie ab, wie nicht zuletzt das Jahr 1933 belegt, in dem sie Asyl in Randegg erhielten.

„ E X P E R I M E N T E L L E “ AU F D E M L A N D E www. galer ie-t it u s-koch . de

Da ist zum Beispiel die Kunst-Biennale „Experimentelle“. Diese Ausstellung wurde im Jahre 1988 von Titus Koch und Axel Heil in der Hegau-Gemeinde Randegg gegründet. Der eine lebt als Galerist und Kunstsammler, der andere als Professor an der Kunstakademie in Karlsruhe. Unterstützt wurde das Duo von einem örtlichen Förderkreis für Kultur und Heimatgeschichte. Die Biennale ist kontinuierlich gewachsen. Das ­R aum­a ngebot hat sich vervielfacht, da einige nationale und internationale Ausstellungsorte dazugekommen sind – 2018 waren es Amstetten (Österreich), Thayngen (Schweiz), Bad Schussenried, Wald-Ruhestetten und Straßburg (Frankreich). Jeder Ort präsentiert eine eigene Ausstellung. Die „Experimentelle“ ist – Stand heute – die einzige in vier europäischen Staaten durchgeführte Ausstellungsreihe. Das Schloss Randegg ist der Ankerplatz der „Experimentelle“. Deshalb auch, weil Titus Koch, Mitbegründer und Organisator dieser menschen- und kunstfreundlichen Aktion, dort lebt. Wenn die „Experimentelle“ pausiert, zeigt er in der Galerie des Schlosses seine eigenen Künstler. Obwohl von Hause aus Ingenieur, hat dieser „Homo faber“ Spaß an der Kunst. Und das kommt nicht von ungefähr. Das Schloss wird seit den 1920er-Jahren von seiner ­F amilie bewohnt. Es diente Otto Dix 1933 nach seinem Berufsverbot als erster Zufluchtsort, bevor er 1936 sein eigenes Haus in Hemmenhofen auf der Halbinsel Höri bezog. Eines seiner beeindruckendsten Gemälde jener Zeit ist dem „Judenfriedhof von Randegg“ gewidmet. Das 1935 entstandene altmeisterliche Winterbild ist als Kommentar zu lesen – es herrschten eisige Zeiten. Der Großvater von Titus Koch, der Urologe und Kunsthändler Hans Koch, hatte 1918 in Düsseldorf das „Graphische Kabinett von Bergh & Co.“ eröffnet und Künstler wie Lyonel Feininger, Emil Nolde oder Erich Heckel ausgestellt, der im Zweiten Weltkrieg ebenfalls auf die Höri zog. Auch Otto Dix zählte zu den Künstlern der Galerie. Koch erteilte ihm sogar einen Porträtauftrag. Im Zuge der Arbeiten dazu lernten sich Dix und Kochs Ehefrau Martha kennen – und lieben. Nach der

E NGE NS GU T E S T U BE

Die Kleinstadt Engen, – im 11. Jahrhundert bereits urkundlich erwähnt –, dessen Prunkstück die Altstadt ist, leistet sich ein eigenes Kulturamt, das mit einem Kunsthistoriker besetzt ist. Seine Hauptarbeit widmet Amtsinhaber Velten Wagner dem Ausstellungsleben in der Stadt. Das Städtische Museum + Galerie im ehemaligen ­Dominikanerkloster St. Wolfgang ist unter seiner Regie nicht nur ein Geheimtipp für Freunde der zeitgenössischen Kunst und ihrer diversen aktuellen Positionen. Wagners mit ­bescheidenen finanziellen Mitteln gestaltete Ausstellungen zur Klassischen Moderne sind mitunter Besuchermagnete. 2017 konnte er mit „Im Herzen der Farbe“ mit Werken von Ida Kerkovius, Schülerin von Adolf Hölzel, selbst bei Besuchern aus Stuttgart und anderen Kunstzentren punkten. 29 zumeist private Leihgeber stellten die Bilder zur Verfügung – Ver­ trauensbeweise und Anerkennung zugleich für Wagners Ausstellungsarbeit. Im nächsten Jahr lautet der Titel der ­Sonderausstellung „Hölle & Paradies. Der deutsche Expres­ sionismus um 1918“. 100 Exponate von 30 Künstlern sind bereits zugesichert, darunter Bekanntes und Neuentdeckungen. Dix ist natürlich auch dabei (Eröffnung: 1. März 2020). In der „Stubengesellschaft 1599“ hat Wagner zudem kongeniale Partner. Der Kunstverein bespielt dreimal im Jahr die Galerie. Zuletzt wurden Werke der Konstanzer „Blau­m alerin“ Sabine Becker gezeigt. Im Museumsteil des Hauses werden derweil archäologische Fundstücke der ­Umgebung ausgestellt, darunter die „Venus von Engen“. Das Alter dieser Figurine wird auf 15.000 Jahre geschätzt. Die ­Dokumentation der Stadtgeschichte rundet das Angebot ab und unterstreicht den ganz eigenen Charakter des Museums als „Engens gute Stube“. www. engen. de


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Ein Spurensucher Dieter Fleischmann, 82, hat sich um die jüdische Geschichte in Randegg im Hegau verdient gemacht. Für dieses Engagement und die Aussöhnung zwischen Juden und Deutschen in seiner Heimatgemeinde erhielt der Seniorchef der Randegger Ottilien-Quelle 2009 das Bundesverdienstkreuz. Für ARTMAPP traf ihn Siegmund Kopitzki zum Interview.

Dieter Fleischmann: Mir liegt generell sehr viel an der Randegger Geschichte, nat ürlich auch an der jüdischen Vergangenheit, der man im Ort auf Schritt und Tritt begegnet. Niemand hier konnte oder wollte mir anfangs über die ehemaligen Bewohner der recht stattlichen Häuser berichten. So recherchierte ich vor gut 30 Jahren und konnte dabei einiges über deren Geschichte erfahren. Dann begann ich mit Führungen durch das jüdische Randegg, die den Besuch des Friedhofs beinhalteten. Und ich bin Gründungsmitglied des Jüdischen Museums Gailingen. Ich will vermitteln und verhindern, dass diese Geschichte in Vergessenheit gerät. ARTMAPP: Trotz der Auslöschung der jüdischen Gemeinde in Gailingen im Dritten Reich ist der Ort bis heute Bezugspunkt der in alle Welt verstreuten Nachfahren ehemaliger Gailinger Juden geblieben. Gilt das ebenso für Randegg?

Dieter Fleischmann, Foto: privat

DF: Auch zu uns kommen immer wieder ehemalige Randegger oder deren Nachkommen. Einige von ihnen schrieben mir, um den Stand meiner Recherchen zu erfahren oder um neue Erkenntnisse mitzuteilen. Andere standen plötzlich vor meiner Haustür. Antisemitische Äußerungen, wie wir sie heute leider immer wieder antreffen, sind mir übrigens in unserem Ort nicht bekannt. ARTMAPP: Eines der berühmtesten Bilder, das Otto Dix 1935 in Randegg gemalt hat, gilt dem jüdischen Friedhof. Hatten Sie einmal überlegt, das Gemälde, das in der Modernen Galerie des Saarlandmuseums in Saarbrücken hängt, „nach Hause“ zu holen? DF: Wir haben keine Absicht und keine Möglichkeit, dieses Bild auszuleihen oder zu erwerben. Es fehlt uns zudem an einem Gebäude, um es auszustellen. Ich denke, dass das Gemälde in Saarbrücken gut aufgehoben ist. Die Gemeinde Randegg hat auf dem Synagogenplatz ein Mahnmal errichtet. Das ist keine schlechte Lösung. Jüdisches Museum Gailingen am Hochrhein www. jm-gailingen. de

Otto Dix, „Judenfriedhof in Randegg im Winter mit Hohenstoffeln“, 1935, 60 x 80 cm, Öl, Saarlandmuseum – Moderne Galerie, Saarbrücken, Foto: Tom Gundelwein / Stiftung Saarländischer Kulturbesitz © VG Bild- Kunst, Bonn 2019

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ARTMAPP: Herr Fleischmann, Ihnen liegt die Geschichte der Juden in Randegg am Herzen. Sie publizieren, Sie halten Vorträge, Sie machen Führungen dazu. – Was treibt Sie an?



121 Sabine Becker

Vielfältiges Spiel im Gleichen

linke Seite: Sabine Becker, „Apsis“, 2019, Städtisches Museum Engen + Galerie

Sabine Becker, „Kunst - Raum - Akademie“, 2018, Kloster Weingarten

Fotos: René Schrei

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Die aus Lübeck stammende und in Konstanz lebende Sabine Becker hat ihr künstlerisches Konzept auf eine ganz spezielle Farbe ausgerichtet: Sie inszeniert das Pigment Kobaltblau. Weitere Nuancen, etwa Miloriblau oder andere Primärfarben, dienen als Bühne für die komplexen Wirkungen ihres Kobaltblaus. Der Begriff Blau weckt in uns zahlreiche geistesgeschichtliche Konnotationen, die ref lexartig auf kommen, wenn es um Sabine Beckers Bilder geht. Naturwahrnehmungen und Empfindungen, besonders sakrale, spielen dabei eine Rolle. Doch traditionelle Deutungsmuster aus der europäischen Kunst- und Geistesgeschichte zur Farbe Blau sind nicht übertragbar auf das Kobaltblau Sabine Beckers, denn sie beziehen sich auf eine Abstraktion von Blau. Man kann den Bildern Sabine Beckers so nicht gerecht werden, denn Blau ist nicht gleich Blau, und hier begegnet uns ein sehr spezielles Blau. Dieses sogenannte Kobaltblau wurde zwar schon in der Antike und danach wieder vom Spätmittelalter bis heute verwendet, doch handelt es sich dabei um eine sogenannte Smalte, das heißt um ein mit Kobaltoxid gefärbtes Glas, das transparent ist und vor allem zur Glasfärbung verwendet wurde. Das von Sabine Becker verwendete Kobaltblau ist ein Kobaltaluminat, das erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts mit der neuzeitlichen industriellen Farbherstellung erfunden wurde. Dieses Pigment ist durch den Anteil von Aluminiumoxid intransparent, also am ehesten mit dem Becker’schen Blau vergleichbar. Es fand zunächst in der Glas- und Por­ zellanproduktion Verwendung und hielt erst mit den Impressionisten Einzug in die Farbpalette der Malerei. Das


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Sabine Becker, o.T., 2018, Kobaltpigment/Acr yl auf Packpapier/HDF, 100 x 140 cm, Foto: René Schrei

Blau der Romantiker samt den damit verbundenen Empfindungen war also noch ein anderes und eher im Bereich Ultramarin zu sehen. Wiederum ist das in der neuzeitlichen Malerei verwendete Kobaltblau nicht dasselbe wie das Kobaltblau Sabine Beckers. Das Kobaltpigment, wenn es zum Malen in Öl gebunden wird, verliert seine matte Strahlkraft, wirkt dunkler und verliert seine Tiefe. Yves Klein sah sich mit diesem Problem konfrontiert. Selbst das Pigment seines „International Klein Blue“ genügte dem Anspruch des Künstlers nicht mehr, sobald es in Öl gebunden wurde. Denn es verliert dadurch seine Farbtiefe. Yves Klein wollte die Wirkung des reinen Pigments, das Ober­ flächen in der Wahrnehmung auflöst, und er fand mit dem Harz Rhodopas ein geeignetes Fixativ. Das Problem hatte auch Sabine Becker zu lösen, wenngleich mit einem anderen Blau und einer anderen künstlerischen Intention. Sie verwendet in geringem Maße Acryl für das Binden ihres Kobaltblaus. Um dabei eine möglichst hohe Dichte des Pigments zu er­ reichen, drückt sie das Farbpulver in die Grundierung. In zahlreichen Wiederholungen entstehen viele monochrome Schichten, die eine lebendige Oberf lächenstruktur aus ­k leinen, ineinander übergehenden abgeflachten Graten und Kratern ergeben. Das Ergebnis könnte man als ein mono­ chromes Palimpsest bezeichnen. Sabine Beckers aufwendiger Farbauftrag bewahrt die Strahlkraft des Pigments und beschert dem Betrachter ein ­ungewohntes Farberlebnis, das die wenigsten aus ihrem Alltag kennen. Das Sehen unseres Medienzeitalters ist geprägt von den Massenmedien, die uns als Druckerzeugnis oder ­Monitorbild vor Augen treten. Doch weder im CMYK-Farb­ raum des Drucks noch im RGB-Farbraum des Bildschirms lässt sich die Brillanz des Kobaltpigments darstellen. So kultiviert Sabine Becker ein sehr spezielles Kobaltblau, dessen Erscheinung sich von den gängigen Seherfahrungen absetzt.


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MARKUS DÖBELE

www. beckerblau . eu

Sabine Becker, o.T., 2018, Kobaltpigment/Acr yl auf HDF, 100 x 140 cm, Foto: René Schrei

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Die Monochromie in der Fläche tendiert dazu, die Ober­ flächen verschwimmen zu lassen. Diesem Phänomen setzt Sabine Becker ein organisch-krustiges Oberflächenrelief entgegen. Entsprechend ist ihr Gesamtwerk gekennzeichnet von seriellen Versuchsreihen, in denen sie materielle und immaterielle Wirkungen immer wieder aufs Neue austariert. Dabei nutzt sie das Kobaltblau für ein komplexes Spiel mit Licht und Raum. Es entwickelt bei starkem Licht von vorn eine Energie, die dem Betrachter entgegenstrahlt. Die Bildf läche wirkt dann als kompakte, expressiv-monochrome Fläche. Kommt das Licht von der Seite, durchweben die feinen Schatten der Oberf lächenstrukturen das Kobaltblau. Es sind „farbige Schatten“, in denen das Auge den Ausgleich zum Kobaltblau sucht, woraus ein irreales und geheimnisvolles Vibrieren der Bildfläche erwächst. Im schwachen Dämmerlicht erscheint die Fläche wieder kompakt, dieses Mal aber dunkler und das Auge des Betrachters in die Bildf läche hineinziehend. Im Raum überlagern sich diese Wirkungen in einem vielfältigen Spiel – am schönsten bei wechselnder natürlicher Beleuchtung. So inszeniert Sabine Becker mit ihrem Blau nicht nur Raum und Fläche, sondern in besonderer Weise auch Licht und Zeit. Mit der Beschränkung auf ein besonderes Blau fordert Sabine Becker uns heraus. Ihre Bilder zwingen uns, genau hinzuschauen – auf das farbige Material, aber auch auf die vielfältigen irrealen Wirkungen. Farbe kann ein Abenteuer sein, wenn man dafür sensibilisiert ist. Dies gilt dann nicht nur für das Blau des Himmels, sondern ebenso für das Rot des Mohns und das Gelb der Sonnenblume.


124 Zeppelin Museum Friedrichshafen

Technik & Kunst am See ARTMAPP: Die süddeutsche Kunst des Mittelalters, aber auch Kunst des Barocks und Rokokos sind in der Sammlung gut vertreten. Welche Meister sind hier vor allem zu nennen?

Direktorin Dr. Claudia ­E mmert, Foto: © Zeppelin Museum Friedrichshafen

Das 1996 eröffnete Zeppelin Museum Friedrichshafen, untergebracht im ehemaligen Hafenbahnhof, ist nicht nur ein atemberaubendes Technikmuseum, es beherbergt in denkmalgeschützter Architektur auch Kunst des Südwestens vom Mittelalter bis zur Klassischen Moderne sowie internationale Gegenwartskunst. Ein besonderer Schwerpunkt der Sammlung liegt auf Künstler, die sich während des Dritten Reichs am Bodensee in die „innere Emigration“ f lüchteten wie Otto Dix, Max Ackermann oder Erich Heckel. Auch verfügt das Museum über einen fotohistorischen Leckerbissen, nämlich den Nachlass des 1999 verstorbenen Fotografen Andreas Feininger. Die Sammlung des Zeppelin Museums ist immer ­w ieder Ausgangspunkt und Basis für inter- und transdis­ ziplinäre Wechselausstellungen zu Themen unserer Zeit. Marc Peschke sprach für ARTMAPP mit Direktorin Claudia ­Emmert und Kuratorin Ina Neddermeyer über die Sammlung und das Programm des Museums. ARTMAPP: Luftschifffahrt und Kunst – wie passt das eigentlich zusammen? Claudia Emmert: Es geht in unserem Museum eigentlich um Technik und Kunst, und die passen gut zusammen. In der Techniksammlung des Museums steht zwar der Zeppelin als Kernmarke im Mittelpunkt, aber wir zeigen auf, welche Innovationen zur Eroberung des Luftraums notwendig waren. Daraus lassen sich wiederum zahlreiche Themen für unsere Gegenwart ableiten, in der Technik und Kunst nicht mehr ­getrennt zu denken sind. Heute kommt uns dieser interdisziplinäre Charakter des Hauses zugute, den wir künftig wie schon in der aktuellen Ausstellung „Game of Drones. Von ­unbemannten Flugobjekten“ verdichten werden.

CE: Aus der spätgotischen „Ulmer Schule“ haben wir Werke von Jörg Stocker und Hans Multscher. Auch von der ­Memminger Strigel-Werkstatt besitzen wir eindrucksvolle Exponate. Aus dem Barock verfügen wir über umfangreiche Bestände von Johann Heinrich Schönfeld und Johann Heiß, beides Künstler, die sich in Augsburg niedergelassen hatten. Auch der in Ravensburg geborene Franz Joachim Beich ist mit vielen Arbeiten vertreten, hinzu kommen Werke unter anderem von Franz Anton Maulbertsch, der in Langenargen geboren wurde, dann nach Wien zog und dort sehr erfolgreich war. ARTMAPP: Ein besonderer Schwerpunkt der Sammlung liegt im Bereich der Moderne, vor allem mit Künstlern wie Erich Heckel, Max Ackermann und Otto Dix. Wie lebten diese als „entartet“ ­gebrandmarkten Künstler am Bodensee? CE: Das Leben der Künstler hier war sehr unterschiedlich. Max Ackermann behauptete von sich, er habe am Bodensee „vergnügliche Pinseleien für Halbdackel“ gemalt, Otto Dix hingegen fand es am Bodensee „zum Kotzen“ schön. Die Sehnsucht nach dem Leben in der Großstadt ließ ihn bis zu seinem Tod 1969 nicht los, obwohl er, anders als Ackermann oder auch Baumeister, hier wohnen blieb. ARTMAPP: Die Kunst von Otto Dix ist ein Höhepunkt Ihrer Bestände. Werke aus allen Phasen ­seines Schaffens sind hier zu sehen. Wie kamen seine Werke in die Sammlung? CE: Otto Dix war ein begnadeter Bildnismaler. Die Stadt Friedrichshafen kam also auf die Idee, Hugo Eckener und ­Ludwig Dürr, beides erfolgreiche Zöglinge Graf Zeppelins, porträtieren zu lassen. Zunächst gab man nur Zeichnungen in Auftrag. Die Herren selbst standen ihren Porträts verhalten gegenüber und so kaufte man lieber unverfängliche Landschaftsbilder. Die Stadt hat dann erst nach dem Tod von Dix intensiv damit begonnen, seine Kunst zu sammeln, vor allem in den 1980er-Jahren unter der Museumsleitung von Lutz Tittel.


125 ARTMAPP: Ebenfalls aktuell ist Ihre Schau „Eigentum verpflichtet. Eine Kunstsammlung auf dem Prüfstand“, in der Sie akribische Provenienz­ forschung betrieben haben …

Foto: © Zeppelin Museum Friedrichshafen

ARTMAPP: In der grafischen Sammlung ist unter anderem auch Willi Baumeister vertreten, dessen Werk Sie in einer großen Ausstellung zusammen mit Marta Hoepffner ab November präsentieren. Wie eng war der Stuttgarter mit dem Bodenseeraum verbunden? CE: Für Willi Baumeister war der Bodensee ein Zufluchtsort, nachdem sein Stuttgarter Atelier zerbombt worden war. Er hatte hier Freunde, bei denen er wohnen konnte, zum Beispiel im Haus von Max Ackermann. Baumeister blieb aber nur ­wenige Monate am See. Nach Kriegsende wurde er als Pro­ fessor an die Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart berufen und bewirkte, dass sich dort eine avantgardistische Kunstszene etablierte, die erst in den 1980er-Jahren nach Köln abgewandert ist. ARTMAPP: Nach der großen Schau „Game of ­D rones“ zeigen Sie ab 29. November die Schau „Wege in die Abstraktion. Marta Hoepffner und Willi Baumeister“. Was verbindet die ein ­wenig vergessene Fotografin mit dem welt­ bekannten Maler? Ina Neddermeyer: 1929 begann Marta Hoepffner ihr Studium an der Städelschen Kunstschule in Frankfurt und besuchte bis 1933 die Klasse von Willi Baumeister. Nachdem er aus dem Lehrdienst entlassen worden war und die Nazis Albert Windisch zu seinem Nachfolger ernannt hatten, trat sie aus Protest aus der Kunstschule aus. Während des Dritten Reichs versuchte jeder auf seine Weise zu überleben. Sie gründete ein Atelier für Fotografik in Frankfurt und übersiedelte nach dessen Zerstörung 194 4 nach Hof heim im Taunus. Erst 1946 nahm sie wieder Kontakt zu Baumeister auf, es entstand ein reger Austausch mit der Stuttgarter Szene, die beiden schrieben sich viel, sie fotografierte ihn, er verfasste ein Vorwort für ihren Bildband „Ausdruck und Gestaltung“. Nach 1949 versiegte der Kontakt wieder. Doch der fruchtbare Austausch ist in den Werken beider trotz aller Unterschiedlichkeit sichtbar. Beide verband der Weg in die Abstraktion, jeweils in unterschiedlichen Medien – Malerei und Fotografie – realisiert. Und genau das wollen wir in unserer Ausstellung zeigen.

ARTMAPP: Für die Zukunft haben Sie sich viel vorgenommen. Das Zeppelin Museum soll bis 2035 nochmals um 7.000 Quadratmeter Fläche erweitert werden. Ein eigenes Kunsthaus für die ­Kunstsammlung soll eröffnet werden. Wie konkret ist die Planung? CE: Die exakten Flächen im Neubau sind noch nicht festgelegt. Der Gemeinderat hat eine Projektgruppe beauftragt, die Eckpunkte des Museumsprojekts schrittweise zu konkretisieren. Das geschieht derzeit. Im kommenden Jahr wird ein städteplanerischer Wettbewerb klären, mit welchen Flächen wir überhaupt planen können. www. zeppelin-museum. de

Marta Hoepffner, „Gläser mit Rose“, 1956 © Estate Marta Hoepffner

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Ina Neddermeyer, Leiterin der Abteilung Kunst,

IN: … und uns kritisch mit der eigenen Museumsgeschichte und Kunstsammlung auseinandersetzen. Als eines der ersten widmet sich das Zeppelin Museum den Besonderheiten und Herausforderungen der Zeit nach 1945 für die Provenienz­ forschung – eben auch mit dieser Ausstellung. Während der zahlreichen Luftangriffe auf Friedrichshafen 1944 wurde das Vorgängermuseum mit seinem Gesamtbestand zerstört. ­Bereits 1946 begann man, erneut zu sammeln, und 1957 zeigte man die ersten 100 Werke in einem neuen Museumsbau. Wir haben diese Bestände untersucht und festgestellt, dass einige der im Nationalsozialismus erfolgreichen Händler nach 1945 an den Bodensee gezogen waren und dort weiterhin ungestört verkauften. Nun haben wir erstmals nicht nur die Geschichte der einzelnen Werke offengelegt, sondern auch das Händlernetzwerk dahinter aufgedeckt, was unserer Ausstellung international Bedeutung verliehen hat.


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Galerie Bernd Lutze – Friedrichshafen 40-jähriges Jubiläum Ausstellung Kachinam

Bernd Lutze mit Kachinam, Foto: Babette Caesar

Dem Friedrichshafener Sammler und Galeristen Bernd Lutze kommt es auf Ruhm und Reichtum nicht an. Weder auf den eigenen noch auf den der von ihm vertretenen Künstlerinnen und Künstler. Was nicht heißen soll, dass er nicht stolz ist und das bis heute, dass 2002 zwei seiner Bilder als Leihgaben nach New York zur großen Gerhard-Richter-Retrospektive ins Museum of Modern Art reisten. Oder 2011 drei Bilder von ­Georg Baselitz, Blinky Palermo und Gerhard Richter aus der Sammlung Dürckheim bei Sot heby’s in London zur

Versteigerung kamen, die vormals im Besitz der Friedrichshafener Galerie waren. Dass Lutze, abseits vom eventgeplagten Kunstgetriebe und nur von wenigen beachtet, derjenige Galerist ist, der Richter zehnmal gezeigt hat, was nur drei Galerien weltweit in New York, Tokio und München bisher schafften, auch darauf ist er stolz. 2018 feierte die Galerie Bernd Lutze ihr 40-jähriges Jubiläum (mit Katalog). 160 Ausstellungen gab es in den Jahren seit Eröffnung der Galerie für „Moderne Kunst – Primitive Kunst – Volkskunst – L’Art Brut“ 1978, damals noch in der Moltkestraße, mit Werken von Horst Antes, Werner Knaupp, Johannes Brus, Wolfgang Glöckler, Gerhard Richter und viele weitere im Wechsel mit Textilkunst aus Indien, Zentralasien oder Mexiko und Kultgegenständen aus Afrika. Ab 1985, nach dem Umzug in die Zeppelinstraße unweit des Bodenseeufers, konzentrierte Lutze sich auf Gegen­ wartskunst von Joseph Beuys, Sigmar Polke, Jochen Gerz, Hyun-Sook Song, Raimer Jochims, Uta Zaumseil, Gustav Kluge oder Felix Droese. Diesen an die Seite stellte er Künstlerinnen und Künstler aus dem Bodenseeraum, da­r unter Thom Barth, Burkhart Beyerle, Romane Holderried Kaesdorf, Peter Mell, Josef Felix Müller und Jürgen Schiertz. Bernd Lutze, ­gebürtig aus Halle (Saale) und aufgewachsen in Nürnberg, ist kein Freund von Selbstinszenierungen. So hat er, statt eine ­Jubiläumsfeier mit viel Tamtam auszurichten, es vorgezogen, der Stadt Friedrichshafen 40 Bürgerbäume zu stiften, die ­entlang der Keplerstraße gepflanzt wurden – einer vormals vierspurigen Durchgangsstraße mit hohen Häuserblöcken zu beiden Seiten, die jetzt ein freundlicheres Gesicht bekommen hat. Bernd Lutze geht es um Qualität und weniger ums ­Geschäft. Er versteht sich vor allem als Sammler und ­weniger als Galerist. Schließlich war das Sammeln von Kunst der Grund, mit dem Galeriewesen überhaupt anzufangen. ­N achhaltige Treue zu seinem Künstlerstamm wird ihm ­bescheinigt, kehrt dieser doch in regelmäßigen Abständen mit Ausstellungen in den drei Galerieräumen wieder. Dass er über den Beckenrand hinausschaut und dadurch die Galeriearbeit nach außen getragen hat, belegen seine langjährige Tätigkeit im Vorstand des Kunstvereins Friedrichshafen, Messebeteiligungen, Vorträge unter anderem in der Kunsthalle Würth in Schwäbisch Hall (2007) und verschiedene von ihm organisierte Ausstellungen. Zehn Jahre, von 1967 bis 1976, arbeitete Lutze als Privat­sekretär bei dem Maler, Bildhauer und Grafiker Horst Antes, der als Schüler von HAP Grieshaber zu einem der ­w ichtigsten Erneuerer der Figuration in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg wurde. 1967 erhielt dieser an der


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Hopi, Wakas Katsina, Holz, bemalt, div. Materialien, Höhe: 38 cm (mit Federn), Foto: Babette Caesar

fungiert. Von Beginn an stand für ihn fest, dass sein Thema eine klare Figürlichkeit und im weitesten künstlerischen ­Sinne Menschlichkeit ist, stark beeinflusst von Antes und den Kachinam. BABETTE CAESAR

9. November 2019 bis 11. Januar 2020 K a c h i n a m – K a c h i n a - F i g u r e n d e r H o p i - I n d i a n e r (A r i z o n a) E rö f f n u n g : F r e i t a g , 8 . N o v e m b e r 2 0 1 9 , 2 0 U h r, m i t d e m S a m m l e r Vo l k e r Vo l k e n s www. galer iebesuch. de Geplante Ausstellungen f ür 2020: R aimer Jochims, Burkhar t B eyerle, Thom Bar th

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Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe eine Professur für Malerei. In seiner Karlsruher Zeit bei Antes konnte Lutze privat Kunst­ankäufe tätigen, die die Basis der späteren Galerie bildeten. 1962 traten Antes’ erste „Kopffüßler“ auf; der Maler sah in der Folgezeit eine Verwandtschaft zwischen seiner Kunstfigur und den K ­ achina-Figuren der in Arizona lebenden Hopi-­Indianer und setzte sich in seiner Kunst mit der spirituellen Welt der P ­ ueblo-Indianer wie auch mit ihren Kulten und ­R iten aus­einander. Antes kaufte im Laufe der Jahre Hunderte solcher Figuren, reiste 1972 zusammen mit Lutze zu den Hopi nahe der Tafelberge des Grand Canyon. Über 700 Exemplare zählt die größte europäische Kachina-Privatsammlung, für die Antes teils auch Figuren aus dem Nachlass von Marcel Duchamp erwarb. Surrealisten wie André Breton und Max Ernst oder Karel Appel von der Künstlergruppe „CoBrA“ ­sammelten K ­ achinam, da die Kunst der Pueblo-Indianer in ihrem Denken einen zentralen Platz einnahm und für sie eine wichtige I­ nspirationsquelle darstellte. Als Erster entdeckt hatte sie a­ llerdings der deutsche Kunst- und Kulturhistoriker Aby Warburg bereits in den 1890er-Jahren. Bernd Lutze wiederum war es, dessen Galerie 2014 die erste Präsentation von ­Hopi-Kachina-Figuren in Deutschland zeigte. Am 8. November eröffnet er nun zum zweiten Mal eine Schau mit einer großen Auswahl von farbig bemalten, in der Zeit von ca. 1910 bis in die 1990er-Jahre gefertigten Kachinam aus einer privaten Karlsruher Sammlung sowie aus eigenen Beständen. Sie hängen an den Galeriewänden, so wie es auch bei den Hopi in ihren Pueblos Tradition ist. Viele der aus Pappelwurzelholz geschnitzten Figuren tragen einen üppigen Kopfschmuck aus Federn. Zu eigen ist ihnen ein blockartiger Körper mit eckig angewinkelten Armen. Unten ragt ein Paar nach vorn gerichteter Füße heraus, oben fällt ein vergleichsweise großer Kopf ins Gewicht. Generell gelten sie als Verkörperungen der ­G eister der Hopi im Sinne von Abbildern der die Menschen umgebenden Geister. Bei den auch heute noch stattfindenden religiösen Zeremonien werden sie von maskierten und so als Kachina verkleideten Tänzern dargestellt, um als rituelle ­Vermittler zwischen Göttern und Menschen für Regen, Fruchtbarkeit und Schutz vor Krankheiten zu bitten. Verschenkt werden Figuren bei den rituellen Tänzen zwischen Winter- und Sommersonnenwende an Kinder, und manchmal, so Lutze, machen sie ziemlich derbe Späße. Die aktuelle Ausstellung präsentiert diese Figuren als solche, ohne sie in ­einen direkten Kontext beispielsweise zu Antes’ Kopffüßlern zu ­r ücken. Das bleibt der Imagination überlassen und macht ­zugleich deutlich, dass die Galerie Bernd Lutze als Gesamtes


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130 Die Internationale Handwerksmesse in MĂźnchen

Viel Raum fĂźr Autorenschmuck


131

linke Seite: Robert Baines, „Perception no. 5“, 2015,

Chequita Nahar, Schmuckkünstlerin und Kuratorin der Sonderschau SCHMUCK im Rahmen der Internationalen Handwerksmesse (IHM) in München, Foto: © Galerie Marzee, Nijmegen, Niederlande

Nationalgalerie (Canberra) und dem Schmuckmuseum (Pforzheim). Einerseits greift er in seinem Schmuckschaffen historische Formen auf und überträgt diese ins Zeitgenössische, indem er die handwerklichen und technischen Fertigkeiten seiner Altvorderen mit einer kritischen Sicht auf die Themen unserer Zeit kombiniert. Andererseits hat er sich einen Namen gemacht mit der Erforschung antiker Goldschmiedetechniken, die er auf Basis der damals bekannten Technologien rekonstruiert. Insofern zeigt Robert Baines mit seinem vielgestaltigen Schaffen, dass Geschichte sehr lebendig sein kann, dass alte Techniken bis heute ihren Reiz haben können und dass daraus ein eigen­ständiges, sehr aktuelles Werk entstehen kann. Umrahmt werden die Sonderschauen von einem ­breiten Informationsangebot, das sowohl den Kontakt zu ausgewählten „Gestaltern im Handwerk“ ermöglicht als auch den Vergleich der verschiedenen Ausbildungsstätten auf d ­ iesem Gebiet. Hinzu kommt eine Reihe von wichtigen ­P reisen, die die Messe über den jeweils aktuellen Preis­ t räger weiter w irken lassen. Neben dem Bayerischen Staatspreis und dem renommierten Herbert-Hofmann-­ P reis für außergewöhn­l iches Schmuckdesign werden ebenso junge Kunsthandwerker für künstlerisch über­ ragende Leistungen ausgezeichnet.

Anhänger, galvanisiertes Silber, Lack, 5 x 5,1 x 2,5 cm (H x B x T), Foto: Anton Jadrijevic

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A R T M A P P   W I N T E R 2 019/ 2 0 — S C H M U C K U N D D E S I G N

Die „Handwerk & Design“ findet im Rahmen der Inter­ nationalen Handwerksmesse in München statt; die Halle B1 wird dabei wie in jedem Jahr zum Pilgerort für alle, die schöne ­D inge lieben. Ein besonderer Publikumsmagnet sind ihre Sonderschauen: die „Exempla“, die „Talente“, die ­Ergebnisse des internationalen Nachwuchswettbewerbs in Gestaltung und Technik präsentiert, sowie die Ausstellung „Wege zum Design – Ausbildung in Bayern“, innerhalb derer hiesige Hochschulen, Akademien und Fachschulen Exponate aus ­v ielen Material- und Lebensbereichen vorstellen. Wie ihr Name bereits suggeriert, rahmt die „Frame“ mit der Präsen­ tation internationaler Galerien, die sich auf künstlerische Objekte und Schmuck spezialisiert haben, die Sonderschauen. Gleichzeitig schlägt Letztgenannte den Bogen zu den „Talenten“, bei der sich junge Gestalter mit Prototypen, Trends und innovativen Ideen dem Messepublikum vorstellen, und zu „Meistern der Moderne“, international renommierten Künstlern, die in den unterschiedlichsten Materialien aktiv sind. Parallel zur IHM finden traditionell die „Münchner Schmucktage“ statt, die die Stadt zum Designerlebnisort in Sachen Schmuck machen. Pop-up-Galerie oder Museumsschau – die Bandbreite der Möglichkeiten, sich mit Schmuck zu konfrontieren, ist ebenso groß wie die von den Designern präsentierte Schmuckvielfalt. Kern der Schmuckwoche ist die IHM-Sonderschau „Schmuck“, die weltweit wichtigste Ausstellung für zeitgenössischen Schmuck. In diesem Jahr wird sie von Chequita Nahar kuratiert, einer international renommierten Schmuckkünstlerin, die aus Suriname ­stammend in den Niederlanden ausgebildet wurde und dort bis heute lebt und arbeitet. In ihrem eigenen kreativen Schaffen, das unter anderem von der ­surinamischen Kultur inspiriert ist, spielen Materialien wie Seile und Gummi ­neben Silber und Gold eine wichtige Rolle. Im Rahmen der „Schmuck“ wird 2020 Robert Baines, der als emeritierter Professor für Goldschmiedekunst am Royal Melbourne ­I nstitute of Technology vielfach ausgezeichnete Schmuckkünstler, der in Australien die Ehrenbezeichnung Living Treasure trägt, als „Klassiker der Moderne“ vorgestellt. ­Seine Werke befinden sich in so ­renommierten öffentlichen Sammlungen wie dem Victoria-­and-Albert-Museum (London), dem Museum der Schönen Künste (Houston), der Australischen


132 Das Atelier Zobel in Konstanz

Schmuck mit Botschaft

Peter Schmid, Chefdesigner und Inhaber Atelier Zobel, Foto: Alex Berg

„Rettet die Bienen“ war Anfang 2019 der Slogan, unter dem ­erfolgreich für Artenvielfalt und Naturschönheit in Bayern geworben wurde. Peter Schmid, ausgebildet am Berufskolleg für Design, Schmuck und Gerät in Schwäbisch Gmünd und seit 2005 Inhaber der Schmuckschmiede Atelier Zobel in Konstanz, in die er bereits 1995 eintrat, hat darauf schon seit Jahren eine Antwort. Gerade sein preisgekröntes Waben-­ Collier aus der „Nektar-Kollektion“ macht deutlich, dass es Schmid nicht nur um extravaganten, edlen Schmuck in ­hochwertigsten Materialien und perfekter Ausführung geht, sondern dass Schmuck eine Bedeutung transportiert. Das Collier aus Gold, Silber, Bernstein und Diamanten, das mit dem Design Award auf der Couture Show in Las Vegas 2017 ausgezeichnet wurde, war im Rahmen eines Projekts mit der Universität Konstanz und dem Max-Planck-Institut für Ornithologie für die Sommerausstellung des Ateliers entstanden. Es macht auf spielerische Art und Weise auf den wichtigen Beitrag der Bienen zum Kreislauf der Natur aufmerksam, gleichzeitig ist die Kollektion für Schmid Ansporn, gesellschaftliche Themen im Schmuck­design zu verarbeiten. Aber

auch schon davor holte er sich Anregungen in der Natur: Anhänger in Libellenform oder Schmetterlinge, die sowohl als Brosche wie als Anhänger funktionieren, Frostblumen, die zu Steinschnitten in­spirieren – hochwertigste Materialien, liebevolle Handarbeit und eine große Portion Kreativität gehören bei allen seinen oft großformatigen Kreationen dazu. Es sind expressive Schmuckstücke, bei denen ihn immer ­w ieder aufs Neue die Grenzen des handwerklich Machbaren interessieren, mit denen er immer wieder bei exklusiven Schmuckpräsentationen in Galerien und auf Messen rund um den Globus vertreten ist. Seine Schmuckstücke sind zudem begehrte Sammlerobjekte und haben ihren Weg auch in Museen gefunden. In Platin, Gold oder Silber gefasst, entwickeln sie ein Eigenleben, wobei typisch für seine Entwürfe neben einem oft archaischen Touch fließende, gern regenbogenartige Verläufe der Metalle sind. Dazu passend ist seine Galerie in der Konstanzer I­ nnenstadt ausgekleidet mit Eisenbahnschwellen aus Eiche; dort finden in regelmäßigen Abständen zudem Ausstellungen statt, bei denen bildende Künstler auf Schmuckdesign treffen, bei denen Schmid aber auch Kollegen aus dem Bereich der Schmuckkunst vorstellt. Peter Schmid lässt sich von den in der Natur vor­ kommenden Strukt uren, aber auch von Geometrien unterschiedlichster Ausprägung inspirieren, die die ideale Form transportieren. Dabei können dann aber auch gänzlich abstrakte Muster entstehen mit mal geometrischem, mal linearem oder völlig freiem Muster. Ob Brosche, Ring, Armreif, Ohrring oder Collier: Kräftige Farben, die auf die Kombination von Metallen und den Einsatz von Edelsteinen oder Perlen zurückzuführen sind, verbunden mit spannungsreichen Oberflächentexturen in mal verspielteren, mal streng linearen Formen, sind Markenzeichen seiner auff älligen Schmuckstücke. Ob eher archaisch oder klassisch-elegant: Die kräftige, ausdrucksstarke Formensprache spricht offensichtlich auch die Männerwelt an; so hat Peter Schmid Manschettenknöpfe, Ringe und Armreifen für den Mann im Portfolio, der sich traut, mit Schmuck aufzufallen. Peter Schmid liebt das Großformat, weil es „die ideale Projektionsf läche auch für verwegene Ideen ist“, wenngleich es „Mut, Zeit, Auseinandersetzung – im Gesamten ebenso wie im ­D etail“ erfordere. Seine Kollektionen rufen unterschied­ lichste Assoziationen hervor, sie verweisen auf die Schönheit und Vielfalt der Natur, so dass ihr Träger, ihre Trägerin zum Botschafter für einen achtsamen Umgang mit ihr wird. CHRIS GERBING

Peter Schmid | Atelier Zobel R o s g a r t e n s t ra ß e 4 , 7 8 4 6 2 K o n s t a n z www. atelierzobel. com


Foto: M. Schroth

A R T M A P P   W I N T E R 2 019/ 2 0 — S C H M U C K U N D D E S I G N

Peter Schmid, „Mikrokosmos“, Brosche,


134 Gold - und S ­ ilberschmied Rudolf Bot t

Der Mensch und seine Dinge D e r D e n k - We r k e r R u d o l f B o t t l e g t i n e i n e m a l t e n S c h u l h a u s m i t F e u e r, s c h w e r e m G e rä t u n d f e i n s t e n I n s t r u m e n t e n

A R T M A P P   W I N T E R 2 019/ 2 0 — S C H M U C K U N D D E S I G N

d a s We s e n d e r D i n g e f r e i – e i n B e s u c h .

Ein Amboss steht dicht hinter der Tür, die ins alte Schulhaus in Kirchbuch (Landkreis Eichstätt) führt. Der Gold- und ­Silberschmied Rudolf Bott legt hier mit Feuer, schwerem ­G erät und feinsten Instrumenten das Wesen der Dinge frei. Da hockt der Amboss also, wuchtig und stur, mitten im Flur, und wer in die Welt des berühmten Denk-Werkers eindringen will, muss sich seitlich vorbeischieben an dem breiten Block. Praktisch ist das nicht. „Aber hier ist das Licht ideal“, sagt Rudolf Bott. Punktum. Einen „Unerbittlichen“ hat Michael Buhrs, der Direktor des Museums Villa Stuck, den handwerkenden Künstler genannt. Der Kompromiss ist für Rudolf Bott keine Option. „Niemals!“, sagt er. 80 seiner strengen, schlichten Schalen, Leuchter und Dosen besetzten 2018 die ornamentüberwucherten Säle der Jugendstilvilla. Die Münchner Schau wurde ein Gesamtkunstwerk – bis hin zum 672 Seiten dicken Katalog. Fotografen waren für das Buch durch halb Europa zu Leihgebern gereist, um die Objekte dort abzulichten, wo sie zu Hause sind. „Fühlen Sie mal“, sagt Bott, und nimmt im alten Schulhaus den kalkweißen Zweipfünder von einem Sideboard. Der rückenfreie handgebundene Katalog klappt geschmeidig auf und legt seinen Inhalt offen. So sieht also rückhaltlose Hingabe aus. „Ich denke vom Kleinen ins Große und Ganze“, sagt der sanfte Radikale, der keine Ruhe gibt, bis er zum Wesen der Dinge vorgedrungen ist. Seine silberne Teekanne zum Beispiel: „So etwas braucht heute kein Mensch mehr“, hebt Rudolf Bott an. Und doch: Dieses vollendet proportionierte Kleinod verweist auf die Kostbarkeit einer Teepause. Es steht

Rudolf Bott in seiner Werkstatt, Foto: Erich Spahn, 2019


135 für Entschleunigung und die Wertigkeit von Gegenständen in einer Welt, die gierig nimmt und schnell wieder wegwirft. „Sonst wäre diese Kanne nur Protz, Dekadenz.“ Rudolf Bott, ein sehniger, hochgewachsener 63-Jähriger, hat die Musik in seinem Atelier laut aufgedreht . Arbeitstische, Geräte und Gefäße lassen kaum einen Qua­ dratmeter des früheren Klassenzimmers frei. Im Holzgitter

zwischen den originalen, leicht gebuckelten Fensterscheiben hängen 80 oder 100 feine Hämmerchen, viele selbst geschmie­det. Das verschwenderische Chaos, das Durcheinander aus Zeichnungen, Modellen und Papierformen, stimmt den Meister ein, genau wie die Musik. Gerade füllen extrem zerdehnte gläserne Klänge von Morton Feldman den Raum, oft stimulieren ihn auch Seufzgesänge der Performerin


Rudolf Bott, „Container“, drei Behälter aus Silber, hohl montiert, Foto: Erich Spahn, 2019

Meredith Monk. In dieser Fülle von Anregungen reduziert Rudolf Bott seine Formen, mehr und mehr, bis der Punkt erreicht ist, von dem Einstein sagt: „Man muss die Dinge so einfach wie möglich machen. Aber nicht einfacher.“ „Dinge sind dafür da, zu überlegen, was sie bedeuten“, sagt Rudolf Bott. Ein Besteck wirft also Fragen nach Esskultur und Existenz auf. Für einen Löffel, der aussieht wie ein aufgeklapptes Miniaturschädeldach, ließ er sich von der Form des menschlichen Kopfes leiten und studierte die Kalotte in 3-D-Animationen lange am Computer. Einen Bergkristall höhlte er zu einem Becher aus; ein massiver Sockel, der mehr als ein Drittel des Volumens ausmacht, blieb dabei stehen. Aus diesem Gefäß kann man nichts schlürfen oder hinunterkippen. Man muss den schweren Becher schon ganz bewusst an den Mund führen, sacht absetzen und begreift dabei buchstäblich, dass man ein Stück Berg in der Hand hält. Eine ganze Altarzone schließlich – St. Nikolaus in München-Neuried, entworfen von dem wunderbaren Architekten Andreas Meck – entwickelte Rudolf Bott aus einem

Kelch. „Der Kelch legitimiert den Raum. Er steht im Zentrum, alles andere kommt danach.“ Es gab heftige Debatten zwischen Bott und Meck, aber heute ist St. Nikolaus mit seinem schwebenden Altarraum als Baukunstwerk berühmt und der Goldschmied erhielt den Kunstpreis der Deutschen Gesellschaft für christliche Kunst. Damit steht er auf einer Stufe mit Gottfried Böhm und Fritz Koenig. „Früher hab ich einfach drauf los gemacht“, gesteht ­Rudolf Bott. Aber heute, wo er viel weiß und viel kann, sind auch der Anspruch und der Zweifel gewachsen. Das ist anstrengend, für ihn und die Menschen um ihn herum. Seine Arbeit hat das Schulhaus fast vollständig in Beschlag. Für ­Rudolf Bott und seine Frau bleiben im ersten Stock eine provisorische Küche und hinter schönen Holzschiebetüren ein Schlafkabinett. Der Rest gehört der Kunst. „Mir tut’s ja einerseits leid“, so Bott. Aber selbstverständlich würde er seiner Arbeit keinen Quadratmeter wegnehmen wollen. Für Kompromisse ist in Kirchbuch kein Platz.


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Rudolf Bott sagt in seinem weichen fränkischen Dialekt Sätze wie: „Im Handwerk steckt Humanismus.“ Oder: „Silber hat etwas Jungfräuliches. Wie eine verschneite Landschaft. Es erzählt immer vom Anfang.“ Oder: „Man kann auch mit den Händen denken.“ „THINKING WITH MY HANDS“, so hieß zuletzt auch eine Ausstellung in Waldkirchen (Landkreis Neumarkt). Michael Zink eröffnete mit dieser Schau seine neue Galerie, eine halbe Stunde Fahrt von Rudolf Botts Atelier entfernt. Nach bewegten und erfolgreichen Jahren in Regensburg, München, New York und Berlin kaufte Zink in dem Sieben-Häuser-Dorf, „in the middle of nowhere“, einen alten Pfarrhof, baute daneben nach Plänen von zwei Schweizer Architekten eine Galerie und gibt hier nun seit Frühjahr 2019 großer Kunst eine Bühne auf dem Land. Und die Kunst­ freunde dazu. Die eine oder andere Ausstellung ist noch vor der Eröffnung ausverkauft.

Rudolf Bott zeigte in Waldkirchen seine Gefäße aus massivem Silber, 14 und 18 Kilo schwer und mehrere Zehn­t ausend Euro teuer. Die dunkel schimmernden Schalen ruhen auf Abgüssen seiner nackten Füße. Normalerweise stecken die übrigens in australischen Arbeitsstiefeln, die außergewöhnlich aussehen: ohne Abnäher, ohne Schnürsenkel und ohne Reißverschluss. Diese Schuhe mit rundlichen Kappen sehen tatsächlich aus wie Gefäße für die Füße. Die Besuchszeit ist nach zwei Stunden um. Man ­h ätte noch lange reden können: Über Türklinken und wie sie einen Besucher empfangen sollen. Über kleine Risse im Kirch­bucher Asphalt, die Rudolf Bott abgegossen und zu Goldbroschen geformt hat. Über die Holzbank vor seiner Haustür, die parkende Autos abwehrt und Menschen zum ­Sitzen einlädt. Oder über diesen Amboss, an dem man sich beim Hinausgehen wieder seitlich vorbeischiebt. Wahrscheinlich muss er wirklich da hocken, mitten im Flur.

Rudolf Bott bei der Arbeit an einer „Fußschale“ aus Silber, Foto: Erich Spahn, 2019

A R T M A P P   W I N T E R 2 019/ 2 0 — S C H M U C K U N D D E S I G N

MARIANNE SPERB


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Short Cuts Schmuck, Design & Mode ZUSA M M EN G ES TEL LT VO N CH R IS G ER B I N G

K L E I N E S AC C E S S O I R E G A N Z G R O S S ! S P I E L Z E U G W E LT E N M U S E U M B A S E L

Mary Poppins und Hermione Granger machen es den Damen vor: kleine Handtasche, viel drin. Wer hat sich nicht schon mal ein solches Exemplar gewünscht, das tatsächlich Platz für den gesamten Hausstand bietet? Die Fantasie kennt keine Grenzen, und so ist, auch wenn ein solches Exemplar noch nicht auf den internationalen Messen gesichtet wurde oder in einschlägigen Geschäften vorgehalten wird, das Staunen in der neuen Sonderausstellung im Spielzeug Welten Museum Basel trotzdem vorprogrammiert. „Taschen – Ikonen & Wertanlagen“ erzählt die Geschichte eines zeitlosen Accessoires, das allerdings erst seit Ende des 19. Jahrhunderts, am Henkel getragen, allein Frauen zugeschrieben wird. Den großen Boom erlebte die Handtasche – zusammen mit Modeinszenierungen und Laufstegpräsentationen – im vergangenen Jahrhundert. Dass sie große Faszination ausübt, zeigt auch die Auseinandersetzung von Künstlern mit diesem nützlichen Gegenstand, der immer etwas über seine Trägerin aussagt. Rund 400 Taschen vom ausgehenden Mittelalter bis heute, in Buch-, Schmetterlings- oder Tornisterform, in den unterschiedlichsten Materialien, Formen und Größen zeigen ihre Wandlungs- und Anpassungsfähigkeit bis hin zum reinen Kunstobjekt. Bis 5 . Apr il 2020 www. swmb. museum

Handtasche aus Leder, 2008, Gabriela Hearst, New York / USA, Modell „Diana“, Cognac, Foto: © Spielzeug Welten Museum Basel

„ SPI T Z E N DE S A RT DÉCO“ G R A S S I M U S E U M F Ü R A N G E WA N D T E K U N S T, L E I P Z IG

Die in der Pfeilerhalle präsentierte Schau „Spitzen des Art Déco“ fokussiert auf den Austausch dreier Hamburger Privatsammlungen, die mit je unterschiedlichen Schwerpunkten die Porzellanherstellung um 1920 in den Fokus nehmen. Mokkagedecke, Sammeltassen, Vasen und Dosen zeigen die Bandbreite der Gestaltungsmöglichkeiten. Wichtige Merkmale des Art Déco – die stilisierte Darstellung f loraler, tierischer oder organisch-abstrakter Motive, ein an Plakat­ gestaltung erinnernder Ausdruck und der konsequente Verzicht auf Schattenwürfe – ziehen sich durch die verschiedenen ­Objekte, die durch ihre extravaganten Formen sowie ihre überraschenden Dekore bestechen. Bis 11. Ok tober 2020 w w w . g ra s s i m u s e u m . d e

Schale, Duxer Porzellanmanufaktur vorm. Eduard Eichler, Dux / Böhmen, um 1925, Weichporzellan, Aufglasurbemalung, Sammlung Prof. Dr. Peter W. Schatt, Hamburg, Foto: Esther Hoyer


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Diamantenring von Eugène de Beauharnais, Napoleonmuseum Thurgau, Foto: © Schmuckmuseum Pforzheim

S C H ÄT Z E AU S D E R Z E I T N A P O L E O N S “

FORU M K U NS T RO T T W E I L

S C H M U C K M U S E U M P F O R Z H E I M I M R E U C H L I N H AU S

Lo Sen-Hao bringt mit seinen Tenmoku-Keramiken einen Hauch fernöstliches Flair ins Forum Kunst Rottweil. Dabei handelt es sich um eine alte japanische Tradition der Keramikherstellung, die ursprünglich mit der Teezeremonie in Verbindung stand. Tenmoku, die „Augen des Himmels“, steht für eine bestimmte Art der Glasur aus Tonerde, Pflanzen und Eisenbestandteilen, bei der eine große Bandbreite an Effekten erzielt werden kann, die auch ein Zufallselement beinhalten. Der Farbreichtum der Oberfläche changiert, als hielte man das Universum in Händen. Lo Sen-Hao verschiebt in seinen keramischen Arbeiten den traditionellen Ansatz weit in Richtung zeitgenössische Interpretation, indem er mit der Größe seiner Vasen und Schalen an die Grenzen des technisch Machbaren geht.

2019 wird zweier Persönlichkeiten gedacht, die unser Denken, aber auch das Staatengebilde Europa nachhaltig veränderten: Alexander von Humboldt und Napoleon, beide vor 250 Jahren geboren, wirken bis heute nach. Anfang dieses Jahres zeigte das Schmuckmuseum Pforzheim deshalb eine Schau, die die Reisen Humboldts nachzeichnete, nun ziehen Schmuck und Mode aus der Ära Napoleons ins Museum ein. Waren Diamanten als Symbol für die Dekadenz des Adels infolge der Französischen Revolution zur Gänze verschwunden, zogen sie nun im Verbund mit einer neuen Mode wieder in die Schmuckschatullen ein. Dabei waren die Goldschmiede darum bemüht, sich dezidiert vom Rokoko abzusetzen, das mit Krinoline und Mieder für das vergangene Regime stand. ­Bequemlichkeit, die ein größeres Maß an Bewegungsfreiheit versprach, stand an vorderster Stelle – was auch den Juwelieren neue Möglichkeiten eröffnete. Große Edelsteine gerahmt von kleinen Diamanten wurden, nachdem Kaiserin Joséphine ein großes Faible dafür hatte, zum Markenzeichen napole­ onischen Schmucks. Daneben sind Kameen zu finden, in historisierender, sich an der Antike orientierender Weise ­verarbeitet, denn letztlich hatte Napoleon bei seiner Kaiserkrönung selbst die Marschrichtung vorgegeben: Seine Krone war ein goldener Lorbeerkranz, wie er einst von den römischen Kaisern der Antike getragen worden war. Klassizismus und Empirestil breiteten sich ausgehend von Paris im Windschatten der napoleonischen Eroberungskriege über Westeuropa bis nach Russland aus. Napoleon prägte damit, so die Lesart der Ausstellung, nicht nur das politische Europa, das er neu ordnete und dem er mit dem Code civil ein recht­ liches Instrumentarium verlieh, das bis heute Nachwirkungen zeitigt. Er prägte zugleich das Schmuck- und Modedesign ­s einer Zeit genauso wie Möbel, Malerei und Architektur, ­L iteratur und Musik. Dahinter stand die Idee eines neuen Geistesadels, der aus dem erstarkenden Bürgertum kommend nach einer Ästhetik der Vernunft verlangte. Dennoch, auch das zeigt die Schau, war der Empirestil repräsentativ.

Bis 5 . Januar 2020 w w w . f o r u m k u n s t ro t t w e i l . d e

Sen- Hao Lo, Schale aus Tenmoku- Keramik,

Bis 1. März 2020

Foto: © Forum Kunst Rott weil

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„ D I E W E LT N E U G E O R D N E T. F E R NÖS T L ICH E K E R A MIK


140 Schloss Schwerin: königliche Geschenke aus der Berliner M anufaktur für mecklenburgische Herzogsfamilien

Preußen-Prunk in Porzellan Wenn König Friedrich Wilhelm III. dem Schweriner Großherzog Paul Friedrich ein fürstliches Geschenk machen wollte, orderte er gern eine Prunkvase für den hochwohlgeborenen Schwiegersohn bei KPM. Die Königliche Porzellan-Manu­ faktur in Berlin gehörte damals neben Sèvres, Wien und Meißen zu den besten Adressen ihrer Art in Europa, und als Nach­fahre Friedrichs des Großen, der die Fabrik 1763 gekauft hatte, gebot seine Majestät wie alle preußischen Monarchen des 19. Jahrhunderts als erster über die kunstvollen Erzeugnisse der Edelmanufaktur. Seine Hochzeit mit der Strelitzer Prinzessin Luise hatte beste Beziehungen zwischen den Herrscher­häusern Preußens und Mecklenburgs begründet, und in der Folge wanderten daher Jahr für Jahr immer wieder viele und teure Porzellangeschenke von Berlin in die nörd­ lichen Residenzen – je nach Anlass ein paar schön verzierte Ostereier, prächtige Vasen, repräsentative Tafelaufsätze oder wunderbar bemalte und vergoldete Teller, Tassen und ­Terrinen. Etwa 140 dieser königlichen Geschenke können neuerdings im Schweriner Schloss bewundert werden. „Wir haben schon lange vorgehabt, eine solche ­Ausstellung zu machen“, erzählt Antje Marthe Fischer, Kuratorin für ­Kunsthandwerk bei den Staatlichen Schlössern, Gärten und Kunstsammlungen Mecklenburg-Vorpommern. Und weiter: „Das Schweriner Museum – einst herzoglich ­a ngelegt – ­verfügt in seiner mehr als 10.000 Objekte umfassenden kunsthandwerklichen Sammlung über einen großen Bestand von wirklich hochkarätigen KPM-Porzellanen.“ Für die Kunsthistorikerin war klar: „Die können nur direkt aus Preußen gekommen sein.“ Wie und wann einzelne Stücke des kostbaren Konvoluts in den Norden kamen, war bisher ­allerdings weitgehend unerforscht. Antje Marthe Fischer fuhr also nach Berlin und suchte in den KPM-Archiven nach ­A ntworten auf ihre Fragen. „Was haben die preußischen ­Könige ihren Verwandten in Mecklenburg geschenkt, und was waren die Anlässe? Neben eher privaten Gaben zu ­Weihnachten, Ostern und Geburtstagen wurden ja auch Staatsgeschenke übersandt – etwa zu Thronbesteigungen, Hochzeiten, Jubi­l äen. Solche Präsente hatten stets auch ­p olitische Bedeutung, zementierten Bündnisse, unter­ strichen Macht und Einfluss“, erklärt die Kuratorin: „Ich habe einige Geheimnisse lüften können.“


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Zwei Biskuitvasen mit Allegorien der vier Elemente, 1847–1849,

Und tatsächlich erzählen viele der Exponate Geschichten: das große Hochzeitsservice für Prinzessin Alexandrine von ­P reußen zum Beispiel. Die Königstochter wurde 1822 mit dem eingangs erwähnten Großherzog Paul Friedrich ver­ heiratet, und zur Hochzeit gab es von Papa ein königliches Speiseservice mit Prunkgefäßen, vergoldeten Terrinen mit Löwentatzen und Speisetellern für 50 Personen, dazu 50 ­b esonders bemalte Dessertservice. Die Teller für die ­P rinzessin zeigen Soldaten der preußischen Kavallerie, Weinkühler und Terrinen Ansichten der Berliner und ­Potsdamer Residenzschlösser sowie weiterer repräsentativer Bauten. „Dieses kostbare Geschenk war zugleich eine Machtdemon­stration“, erklärt Antje Marthe Fischer. „Denn wenn die Tochter des K ­ önigs fortan in Schwerin speiste, saß Preußen direkt mit am Tisch!“ Für die Kuratorin gehört dieses Service zu den be­ merkenswertesten Exponaten der neuen Dauerausstellung. Zu ihren persönlichen Favoriten zählen aber auch die Prunkvasen. „Die gehörten immer zu den Top Ten königlicher Geschenke“, weiß Fischer aus den Conto-Büchern bei KPM. Als herausragendes Beispiel erwähnt sie die „Persische Vase“ von Karl Friedrich Schinkel. Und nennt dann noch ein Tafelservice, das Friedrich Franz II. geschenkt bekam – jedes Jahr etwas zu Weihnachten, bis alles komplett war. „Die Dessertteller sind mit wunderbaren Vedutenmalereien versehen“, erzählt sie, „immer das Neueste vom Neuesten – Branden­ burger Tor, Schlossneubau, Museum et cetera. Preußens Gloria, originalgetreu auf Porzellanteller gemalt.“ Über die Berliner Bautätigkeit war man am Schweriner Hof auf diese Weise immer bestens im Bilde. Also frühes Analog-­Instagram auf feinstem Geschirr? „Das kann man so sehen“, lächelt die Kunsthistorikerin. Neben den königlichen Geschenken zeigt die neue Dauerausstellung in der Porzellangalerie des Schweriner Schlosses übrigens zum ersten Mal auch das einfachere Geschirr, das bei Herzogs an ganz normalen Tagen auf dem Tisch stand. Weiße, schlichtere Service, die das Hofmarschallamt selbst in großen Stückzahlen bei KPM und anderen namhaften Manufakturen orderte. Ein informativer, reich bebilderter Katalog fasst die neuen Forschungsergebnisse zu Prunk- und Alltagsporzellanen an den Mecklenburger Höfen zusammen. JAN-PETER SCHRÖDER

www. museum-schwer in. de

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Foto: G. Bröcker, © Staatliche Schlösser, Gärten und Kunstsammlungen M-V


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DIERK MAASS Fotografie

art KARSLRUHE | Brouwer Edition | Halle 1 | Stand T07 | 13. bis 16. Februar 2020 www.brouwer-edition.com | www.dierk-maass-ch.com


Helmut Newton, Ballets de Monte Carlo, Anne Derieux and Frédéric Olivieri, Monaco 1988

BODY PERFORMANCE VANESSA BEECROFT, YANG FUDONG, INEZ & VINOODH, JÜRGEN KLAUKE, ROBERT LONGO, ROBERT MAPPLETHORPE, HELMUT NEWTON, BARBARA PROBST, VIVIANE SASSEN, CINDY SHERMAN, BERND UHLIG UND ERWIN WURM HELMUT NEWTON FOUNDATION | MUSEUM FÜR FOTOGRAFIE | 30.11.2019 - 10.5.2020 JEBENSSTRASSE 2, 10623 BERLIN | DI, MI, FR, SA, SO 11-19, DO 11-20 UHR


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düs sel dorf

A R T M A P P   W I N T E R 2 019/ 2 0 — D Ü S S E L D O R F

Fettecke und Photoschule Düsseldorf ist ganz vorne mit dabei, wenn es um das Ranking der Städte mit der höchsten Lebensqualität geht. Das liegt ­sicherlich nicht zuletzt an der pulsierenden Kulturszene. In den 26 Museen und über 100 Galerien der Stadt gibt es neben den großen Klassikern vor allem relevante zeitgenössische Kunst zu sehen. Eine wichtige Inspirationsquelle und Motor für Düsseldorfs lebendige Art-Community ist die Kunst­ akademie im Herzen der Altstadt. Hier lehrten und studierten schon Joseph Beuys, Gerhard Richter, Jörg Immendorf oder Andreas Gursky, und die großen Museen wie das K20 und K21 der Kunstsammlung NRW, Kunstpalast, Kunsthalle oder das NRW-Forum sind nur ­einen Steinwurf entfernt. Aber auch viele wichtige Galerien und private Sammlungen wie z.B. die Julia Stoschek Collection in Oberkassel sind innerhalb von zehn Minuten erreichbar. Für die etwas weiter entfernten Spots lohnt sich die Fahrt mit der U-Bahn – auch die steht in Düsseldorf nämlich im Zeichen der Kunst. Auf der Strecke der Wehrhahnlinie ist jeder der sechs Bahn­ höfe von einem anderen Absolventen der Kunstakademie gestaltet worden. Ob zu Fuß oder mit der Bahn: In Düsseldorf gibt es viel Kunst zu erleben. Eine Attraktion ist definitiv „in orbit“ von Tomás Saraceno, eine in 25 Metern über der Piazza des K21 schwebende und begehbare Stahlkonstruktion. Weitere Highlights in 2020 finden Sie auf den folgenden Seiten.


Tomás Saraceno, „In Orbit“, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, K21 Ständehaus, Düsseldorf 2013, Foto: Studio Tomás Saraceno, 2013, © Kunstsammlung NRW


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Lindbergh, Picasso und sechs weitere Gründe, 2020 nach Düsseldorf zu kommen

P E T E R L I N D B E RG H : U N T O L D S T O R I E S

P I C A S S O 19 3 9 – 19 4 5

5 . 02 . bis 1. 06. 2020

15 . 02 . bis 1 4 . 06. 2020

im Kunstpalast

i m K 2 0 G ra b b e p l a t z | K u n s t s a m m l u n g N R W

Peter Lindbergh legte in seinen Bildern den Fokus auf die Persönlichkeit seiner Models. Damit revolutionierte er nicht nur die Modefotografie, sondern schuf gleichzeitig den Kult um die sogenannten Supermodels. „Untold Stories“ ist die erste und zugleich letzte von Peter Lindbergh selbst kuratierte Werkschau. Lindberghs Zusammenstellung von 140 Arbeiten aus den frühen 1980er-Jahren bis heute ermöglicht einen eingehenden Blick auf sein umfangreiches Œuvre.

Der Fokus der Ausstellung liegt nicht nur auf seiner Kunst, sondern vor allem auf dem Menschen Pablo Picasso, von dem mit Gemälden, Skulpturen, Zeichnungen und Zeitdokumenten aus den Jahren 1939 bis 1945 erzählt wird: seine Flucht von Paris nach Südfrankreich zu Beginn des Zweiten Weltkrieges und seine Rückkehr in die inzwischen von den Deutschen okkupierte französische Hauptstadt. Dort entstanden klassische Gemälde, darunter Hauptwerke wie „L’Aubade“, die Picassos Erfahrungen mit Tod und Zerstörung sowie die ständige Bedrohung durch Krieg und Besatzung widerspiegeln.

www. k unst palast. de

www. k un st sammlung. de

C A R S T E N N I C O L A I . PA R A L L A X S Y M M E T RY bis 19. 01. 2020 im K 2 1 Ständehaus | Kunstsammlung NRW

Der Künstler und Musiker Carsten Nicolai vereint in seinen Werken bildende Kunst, Musik und Naturwissenschaft. Er ­e rzeugt mit elektronischem Klang- und Lichtmaterial ­m inimalistische Installationen, Sound Performances und ­Visualisierungen. Im K21 präsentiert er im Untergeschoss ein offenes Set mit etwa 40 seiner multimedialen Arbeiten. Die Ausstellung endet mit einer musikalischen Live-Performance des Künstlers auf der Piazza des Museums. www. k un st sammlung. de

B I E K E D E P O O R T E R 2 0 1 5- 2 0 19 2 2 . 11. 2019 bis 16. 02 . 2020 im N RW-For um

Pablo Picasso, „Stilleben mit Stierschädel“, 1942, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, Foto: Walter Klein, Düsseldorf © Succession Picasso / VG Bild-Kunst, Bonn 2019

Das NRW-Forum präsentiert sich nicht nur als Ausstel­ lungshaus, sondern auch als Kulturzentrum mit den Schwerpunkten Fotografie, digitale Kultur und Pop. Bis Mitte Februar ist hier die in Belgien geborene Fotografin Bieke ­D epoorter mit einer Einzelausstellung zu sehen. Gezeigt ­werden fünf ihrer aktuellen, teils fortlaufenden Projekte, in denen sie sich mit gegenwärtigen gesellschaftlichen Themen auseinandersetzt und sowohl ihre Rolle als Fotografin als auch die Grenzen ihres Mediums hinterfragt. w w w . n r w -f o r u m . d e


Naomi Campbell, Karen Elson, Jayne Windsor, Shirley Mallmann, Missy Rayder, Shalom Harlow, Marie-Sophie Wilson, Kirsten Owen,

W I N T E R R U N D G A N G I N D E R K U N S TA K A D E M I E

DÜSSE L DOR F PHO TO+

Februar 2020

März 2020

Für gewöhnlich im Februar findet in der Kunstakademie der alljährliche Winterrundgang statt, eine mehrtätige Ausstellung, bei der Akademie-Studierende ihre Semester-Arbeiten zeigen. Zusätzlich stellen Akademie-Absolventinnen und Absolventen des Vorjahres ihre Werke im K21 Ständehaus aus. Dabei handelt es sich um eine jährlich fortgesetzte ­Aus­stellungsreihe basierend auf einer Kooperation der Kunstsammlung NRW und der Kunstakademie Düsseldorf.

Ganz im Zeichen der Fotografie und der neuen Medien steht die Stadt Düsseldorf im Frühjahr 2020. Mit Museumsund Galerieausstellungen, kuratierten Sonderprojekten, ­A ktionen im öffentlichen Raum und einer international ­ausgerichteten Tagung widmet sich düsseldorf photo+ ab dem 12. März 2020 den Zukunftsfragen der Fotografie. Beteiligte Häuser sind unter anderem der Kunstpalast, die Kunsthalle Düsseldorf, das NRW-Forum, das Stadtmuseum, die Wim Wenders-Stiftung, das IMAI, die Julia Stoschek Collection, das Weltkunstzimmer, der Neue Kunstraum und auch zahlreiche Galerien wie Conrads, Cosar, Konrad Fischer, Hans Mayer, Rupert Pfab und Van Horn.

w w w . k u n s t a k a d e m i e - d u e s s e l d o r f. d e

K U NST H A L L E DÜSSEL DOR F

Die Kunsthalle ist ein Haus für Wechselausstellungen experimenteller Kunst. Prägend für das Erscheinungsbild des brutalistischen Betonbaus am Grabbeplatz sind die fest ­installierten Kunstwerke im Außenraum, z.B. Joseph Beuys‘ Ofenrohr an der Fassade. Teil des Gebäudekomplexes ist der international gefeierte Club für elektronische Musik „Salon des Amateurs“. Nach einer einjährigen Renovierungsphase feierte der Salon unlängst seine Wiedereröffnung und präsentierte gleichzeitig sein neues Innendesign.

Der Name „Kunst im Tunnel“ ist Programm: Der Ausstellungsraum befindet sich direkt unter der Promenade in einem Raum zwischen den Röhren des Rheinufertunnels. Ein Schwerpunkt des Ausstellungsprogramms liegt auf junger, zeitgenössischer Kunst, auch von Absolventen der Düsseldorfer Kunstakademie, sowie auf der Förderung des Austauschs noch unbekannter internationaler Künstler.

w w w . k u n s t h a l l e - d u e s s e l d o r f. d e

w w w . k u n s t- i m - t u n n e l . d e

KIT – KU NST IM T U N NEL

A R T M A P P   W I N T E R 2 019/ 2 0 — D Ü S S E L D O R F

Esther Cañadas, Rachel Roberts, Stella Tennant & Natalia Semanova, Paris, 1997, © Peter Lindbergh (Courtesy Peter Lindbergh, Paris)


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Linda Conze, die neue Kuratorin am Kunstpalast

Fotostadt Düsseldorf

Lange genug hat Düsseldorf sich selbst als Fotostandort ­b ezeichnet, ohne selbst eine eigene Fotosammlung zu be­ sitzen. Ende 2018 war es dann soweit, die Stadt hat mit der Sammlung des Galeristenehepaares Kicken ein Konvolut großartiger Fotografien erworben, das im Kunstpalast nun ein neues Quartier gefunden hat. Insgesamt sind es 3.039 Arbeiten, davon kaufte die Stadt 1.823 Fotografien und bekam von der Witwe Annette Kicken noch einmal 1.216 geschenkt. Außerdem ist die Finanzierung einer Kuratorenstelle für fünf Jahre gesichert. Die hat seit April 2019 die Historikerin Linda Conze inne. Sie beantwortet im Gespräch ein paar Fragen zu ihrer neuen Aufgabe, das Interview für ARTMAPP führte Katja Behrens. ARTMAPP: Sehr geehrte Frau Conze, Sie sind die neue Kuratorin für Fotografie am Kunstpalast Düsseldorf. Mit der Sammlung Kicken haben das Museum und die Stadt im vergangenen Jahr einen großen Coup gelandet. Warum ist es so wichtig für den Kunststandort Düsseldorf, nun auch bei der Fotografie aufzuholen? Gibt es davon nicht längst genug? Linda Conze: Düsseldorfs zentrale Bedeutung für die ­zeit­genössische künstlerische Fotografie ist international anerkannt. Viele Düsseldorfer Museen, auch der Kunstpalast, haben in der Vergangenheit der sogenannten „Düsseldorfer Schule“ entsprechend wunderbare Ausstellungen gewidmet. Doch geriet dabei teilweise aus dem Blick, dass die „Düsseldorfer Schule“ nicht im luftleeren Raum entstanden ist. Das, was Bernd und Hilla Becher und ihre Schülerinnen und Schüler geleistet haben und was die Studierenden der Fotoklassen an der Düsseldorfer Kunstakademie bis heute erschaffen, hat eine Geschichte. Und diese wird nun dank des umfangreichen Konvoluts aus der Bestandssammlung Kicken erzählbar. ­Unsere neue Sammlung ermöglicht Einblicke in die Historie des Mediums Fotografie seit den Anfängen und öffnet sich zugleich in Richtung Gegenwart.

ARTMAPP: Welches sind Ihre ersten Aufgaben als Fotokuratorin? LC: Bewahren, erforschen und vermitteln. Ich bin damit ­betraut, den Werken die bestmögliche konservatorische Fürsorge zukommen zu lassen, das heißt, sie unter den richtigen Bedingungen zu lagern und tätig zu werden, wenn Restaurierungsbedarf besteht. Außerdem ist es ein Ziel, ­möglichst viel über die Fotografien herauszufinden, die jetzt Teil unserer Sammlung sind. Sie alle eröffnen interessante Fragen – sowohl zum Medium an sich, zu Fotografinnen und Fotografen und zu den Zeiten, in denen die Aufnahmen entstanden sind. Last but not least gilt es, die neuen Bestände zu zeigen – das ist der wohl schönste Teil des Kuratorinnen-­Daseins. Ab Februar 2020 werden wir die neue Sammlung erstmals in einer Ausstellung präsentieren und ich freue mich sehr darauf, dann endlich einen repräsentativen Ausschnitt aus den großartigen Werken mit der Öffentlichkeit teilen zu können. ARTMAPP: Warum hat man mit Ihnen eine ­H istorikerin für diese Aufgabe gewählt und keine Kunsthistorikerin? Sagt das etwas aus über Ihren Blick auf das Medium Fotografie? Über die geplante Ausrichtung der Fotoabteilung des Museums? Großfotografie in Düsseldorf ist fast immer das ikonische Einzelwerk, das auratische Kunstwerk. Hat die Historikerin da einen anderen Blick? Auf die Funktion etwa, eine Absicht, den Entstehungszusammenhang? LC: Fotografie hat schon immer in ganz unterschiedlichen Kontexten gleichzeitig gewirkt – und ihre Gestalt je nach Funktion gewechselt. In der Werbung sollte und soll sie zum Kauf anregen, in der Wissenschaft Erkenntnisse bringen, in der Propaganda politisch beeinflussen. Als Historikerin liegt mir das Interesse für diese Kontexte nahe, für die Versprechen und Enttäuschungen der Fotografie, die Künstlerinnen und Künstler bis heute dazu inspirieren, mit ihr zu arbeiten.


Linda Conze, Foto: Anne Orthen, 2019

LC: Das sind wichtige Fragestellungen. Um unsere Sammlung sinnvoll und konzentriert zu erweitern, muss man jedoch erst einmal ihre spezifische Zusammensetzung und Geschichte durchdringen. Es gilt, danach zu fragen, wie es zu der Schwerpunktsetzung der Sammlung kam – das umfasst auch ihren europäisch-US-amerikanischen Fokus. Ich bin froh darüber, dass wir uns in einem Zeitalter befinden, das den Kanon infrage stellt. Dem Kanon etwas Neues entgegenzusetzen, ist eine komplexe Aufgabe, der ich mich gerne stellen möchte.

ARTMAPP: Was verspricht sich ein Museum mit einer ständigen Sammlung alter wie neuer Kunst überhaupt von einer Erweiterung um die Fotografie? Was ist das größere Ziel? Und: Wie möchten Sie das erreichen? Was ist geplant? LC: Diese Erweiterung fußt auf der Grundüberzeugung, dass Fotografie unverzichtbarer Teil der Kunst ist. Ziel ist es, das Medium als festen Bestandteil in unserem Ausstellungs­ programm sowie in der Neupräsentation der Sammlung des Kunstpalastes zu etablieren – und Besucherinnen und Be­ suchern die vielen verschiedenen Gestalten der Fotografie nahezubringen. Von historischen Formen über Genres wie Modefotografie bis hin zu zeitgenössischen Positionen der künstlerischen Fotografie. Entsprechende Ausstellungen sind schon in der Planung, man darf gespannt sein. www. k unst palast. de

A R T M A P P   W I N T E R 2 019/ 2 0 — D Ü S S E L D O R F

ARTMAPP: Der Schwerpunkt des Konvoluts liegt auf Arbeiten von Fotografen aus Europa und den USA. Für die neu eingerichtete Fotoabteilung am Kunstpalast hat es bislang keine umfassende Erwerbungsstrategie gegeben. Ist also geplant, die übliche Perspektive zu verlassen, zu erweitern? So wie manche Museen mit ihren Sammlungen inzwischen vermehrt versuchen, die lange vorherrschende eurozentrische Sicht und Kunstgeschichte auszuweiten? Wie könnte das für die Fotografie aussehen? Was würde das bedeuten?


Kabinettausstellung 6.9.2019–19.1.2020

Rembrandt van Rijn

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LANDSCHAFT Jan van der Kooi

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Eva Jospin, Panorama (Detail), 2016, Foto: Rainer aus dem Kahmen, Darmstadt © VG Bild-Kunst, Bonn 2019

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Horst Janssen, Rembrandt, 04.09.1981, Aquarell und Feder auf Papier, 23,5 x 20 cm. Horst Janssen Museum Oldenburg © VG Bild-Kunst, Bonn 2019

Kosmos Janssen Horst Janssen und die Bildende Kunst

28. Sept. 2019 bis 26. Jan. 2020 Kunsthalle Emden

Info +49 (0) 49 21 97 50-50 kunsthalle@kunsthalle-emden.de www.kunsthalle-emden.de Hinter dem Rahmen 13, D-26721 Emden Öffnungszeiten Di bis Fr 10 bis 17 Uhr, Sa, So/Feiertage 11 bis 17 Uhr Jeder erste Di/Monat 10 bis 21 Uhr (Langer Kunstabend) Mo sowie am 23., 24., 25. und 31.12. geschlossen Zweiter Weihnachtstag und Neujahr geöffnet Die Kunsthalle wird gefördert durch

Förderer

KARLSRUHE

Kulturpartner

Kooperationspartner

T Z T JE KET TICHERN SIC

Klassische Moderne und Gegenwartskunst 13. – 16. Februar 2020 | Messe Karlsruhe

art-karls ruhe.de

e/ e.d h u rlsr vk -ka ket-v t r a tic


MUSEUM

Dick Ket | Zelfportret met baret | 1933 | Collection Museum Arnhem | Foto: Peter Cox

HAUS OPHERDICKE

JAHRES- UND VERKAUFSAUSSTELLUNG 20.Oktober 2019 bis 27.Januar 2020

Kunsthaus Kannen

Outsider Art und zeitgenössische Kunst Öffnungszeiten: Dienstag - Sonntag 13:00 - 17:00 Uhr Führungen: n.V. Montag - Freitag 9:00 - 17:00 Uhr Alexianerweg 9 • 48163 Münster

MUSEUM HAUS OPHERDICKE KREIS UNNA Dorfstraße 29 59439 Holzwickede Di – So 10.30 – 17.30 Uhr kreis-unna.de/haus-opherdicke

15 09 2019 – 16 02 2020

WUNDERSAM WIRKLICH MAGISCHER UND NEO-REALISMUS AUS DEN NIEDERLANDEN WERKE AUS DER SAMMLUNG DES MUSEUM ARNHEM UND VON LOUISE TE POELE


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zwanzig museen, elf bühnen, fünf festivals, eine karte ! AB

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E R HÄLTLI C H

2020

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Kooperationspartner:

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Auf Entdeckungstourn im Münsterland und in Ost west falen

Von Turner bis Turrell A R T M A P P   W I N T E R 2 019/ 2 0 — W E S T F A L E N

ZUSA M M EN G ES TEL LT VO N N I CO L E BÜS I N G & H EI KO K L A AS

Mitten im Herzen von Münster befindet sich das LWL-Muse- Ein Abstecher zur Draiflessen Collection im münsterländium für Kunst und Kultur, das vor fünf Jahren um einen schen Örtchen Mettingen lohnt sich sehr. Innerhalb der imposanten Erweiterungsbau des Berliner Architekten Volker Ausstellungstrilogie „Glaube, Liebe, Hoffnung“ ist in dem Staab ergänzt wurde. Ab dem 8. November ist hier die große von der Unternehmerfamilie Brenninkmeijer (C&A) gegrünHerbst-/Winterausstellung „Turner. Horror and Delight“ zu deten Privatmuseum noch bis zum 26. Januar als zweiter Teil sehen. Joseph Mallord William Turners (1775-1851) ausufern- eine Gruppenschau mit dem Titel „Liebe“ zu sehen. Zu den de Reisen in die Schweiz und ins Sehnsuchtsland Italien gezeigten Künstlern, die sich diesem zeitlosen Sujet nähern, stehen im Mittelpunkt dieser Schau. Die 80 Gemälde und gehören Marc Chagall, Michael Buthe, Maria Lassnig und Aquarelle der Ausstellung stammen zum Großteil aus den Be- Anna Oppermann. ständen der Londoner Tate Britain. Sie werden um 30 weitere Leihgaben aus europäischen Museen ergänzt.


155 linke Seite: Joseph Mallord William Turner (1775–1851), Peace – Burial at Sea, Exhibited 1842, © Tate: Accepted by the nation as part of the Turner Bequest 1856, Foto: © Tate, 2019

In der Ausstellung „William Turner. Horror and Delight“ vom 8. November 2019 bis 26. Januar 2020, LWL- Museum für Kunst und Kultur, Westfälisches Landesmuseum

Weiter nach Ostwestfalen: Im rund 80 Kilometer von ­Münster entfernten Bielefeld ist in der dortigen Kunsthalle ab dem 9. November die Ausstellung „L’homme qui marche. Verkörperung des Sperrigen“ zu sehen. Ausgehend von der ­t itelgebenden Skulptur des französischen Bildhauers Auguste Rodin untersucht die Schau die Entwicklung der Skulptur von der Klassischen Moderne bis heute. Mit dabei sind Künstler wie Wilhelm Lehmbruck, Pablo Picasso, Max Beckmann, Joseph Beuys, Bruce Nauman, Georg Baselitz, Pia Stadt­ bäumer oder Wiebke Siem.

Von Bielefeld aus ist es nur ein Katzensprung nach Herford zu dem vom Stararchitekten Frank O. Gehry errichteten Marta Herford – Museum für Kunst, Architektur, Design. Bis zum 9. Februar läuft hier die sehenswerte Gruppenausstellung „Im Licht der Nacht. Vom Leben im Halbdunkel“ mit internationalen Künstlern wie Berenice Abbott, Hiroshi Sugimoto, Philippe Parreno, Jeff Wall oder James Turrell. www. lwl. org w w w . d ra i f l e s s e n . c o m www. k unsthalle-bielefeld. de w w w . m a r t a - h e r f o rd . d e

Rätselhafte Bilder Niederländische Neorealisten zu Gast im westfälischen Holzwickede Rund 150 Kilometer liegen zwischen dem Museum Arnhem in den Niederlanden und dem charmanten Museum Haus Opherdicke im westfälischen Holzwickede im Kreis Unna. Dort zu Gast sind noch bis zum 16. Februar 2020 zehn niederländische Künstlerinnen und Künstler, die allesamt der Kunstrichtung des Magischen Realismus und des Neorealismus zugeordnet werden können. Alle gezeigten Gemälde und Grafiken sind Leihgaben aus der Sammlung des auf diese Kunstrichtung spezialisierten Museum Arnhem, welches zurzeit aufgrund von Umbaumaßnahmen geschlossen ist. Der größte Teil der Werke ist zum ersten Mal in Deutschland zu sehen. Ergänzt wird die sehenswerte Schau mit dem Titel „WUNDERSAM WIRKLICH“ um zeitgenössische Fotografien der in Arnhem lebenden niederländischen Künstlerin Louise te Poele (* 1984). Das Kuratorenduo Sally Müller und Arne Reimann untersucht in der Ausstellung, wie sich die neusachliche Malerei des Nachexpressionismus speziell in den Niederlanden als eigenständige Strömung entwickelt hat. In den ausgestellten Porträts und Stillleben sowie Stadtansichten und Landschaftsdarstellungen verschmilzt die Realität immer wieder mit rätselhaften Elementen. Dadurch wohnt den Bildern und

Louise te Poele, „Stien“, 2009, Fotografie auf Aluminium, 100 x 150 cm, Leihgabe der Künstlerin, bis 16. Februar 2020 zu sehen in der Ausstellung „WUNDERSAM WIRKLICH“, Haus Opherdicke, Kreis Unna


156 Papierarbeiten eine surreale Bedrohlichkeit, ja geradezu etwas „Magisches“ inne. Eine zentrale Figur des niederländischen Neorealismus ist der Maler Dick Ket (1902–1940), der damals in der Nähe des Museums Arnhem lebte und enge Beziehungen zu den Künstlern der Stadt und der Umgebung pflegte. Saskia Bak, die Direktorin des Museums Arnhem, möchte „dem niederländischen Realismus bei unseren östlichen Nachbarn eine größere Bekanntheit verschaffen“ und hofft auf weitere Stationen in Deutschland.

Bis 16. Februar 2020 W U N DER SA M W IR K L ICH. Magischer und Neo-R ealismus aus den Niederlanden We r k e a u s d e r S a m m l u n g d e s M u s e u m s A r n h e m und von L oui se te Poele H a u s O p h e rd i c k e , K r e i s U n n a w w w . k r e i s - u n n a . d e / h a u s - o p h e rd i c k e

Kunsthaus Kannen, Münster Die Kinder von Jean Dubuffet Das Kunsthaus Kannen in Münster zeigt Outsider Ar t von 50 Künstler n.

Der französische Künstler Jean Dubuffet (1901–1985) prägte in den 1950er-Jahren den Begriff „Art brut“ für eine von ­K indern, Nonkonformisten und psychisch Kranken beeinflusste antiintellektuelle Kunst. Neben seiner erfolgreichen Tätigkeit als Künstler und Kunstschriftsteller war Jean

­ ubuffet auch bekannt für seine Sammeltätigkeit. Seine ArtD brut-Sammlung mit Werken von Psychiatriepatienten und gesellschaftlichen Außenseitern wird heute im schweizerischen Lausanne verwahrt. Einzigartig in Deutschland ist das Kunsthaus Kannen der Alexianer Bruderschaft in Münster auf dem weitläufigen Gelände einer Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie. In dieser Begegnungsstätte mit Ausstellungssaal, Ateliers und Vortragsräumen werden aus dem Fundus einer mehr als 5.000 Werke umfassenden Sammlung von „Outsider Art“ und „Art brut“ regelmäßig Ausstellungen organisiert. Im Rahmen von Vorträgen und Workshops wird der Themenkomplex „Kunst und Psychiatrie“ zudem einem breiten Publikum vermittelt. Die Künstler arbeiten in den unterschiedlichsten Materialien und Medien wie Malerei, Aquarell, Keramik sowie Ob­ jektkunst. Der Name des Kunsthauses „Kannen“ lässt sich übrigens bis ins 12. Jahrhundert zurückverfolgen und leitet sich von einem ehemaligen Rittergut ab. Bis zum 27. Januar 2020 ist im Kunsthaus Kannen noch die 22. Jahres- und Verkaufsausstellung mit über 300 aktuellen Bildern und Objekten von 50 Künstlern der sogenannten „Outsider Art“ zu sehen. Unter dieser Kunstrichtung versteht man die Kunstproduktion geistig behinderter und psychisch kranker Menschen. Mittlerweile ist die „Outsider Art“ auch im internationalen Ausstellungsbetrieb angekommen. Bereits 1993 wurde in New York die Kunstmesse „Outsider Art Fair“ gegründet, die mittlerweile im Zweijahresrhythmus in New York und Paris veranstaltet wird. Im Frühjahr 2019 zeigte das Kunstforum Wien unter dem Titel „Flying High“ eine hochkarätig besetzte Ausstellung, die ausschließlich den Künstlerinnen der „Art brut“ gewidmet war. Das Kunsthaus Kannen befindet sich also in bester Gesellschaft. B i s 2 7. J a n u a r 2 0 2 0 2 2 . J a h r e s - u n d Ve r k a u f s a u s s t e l l u n g

Wilke Klees, Kreidezeichnung,

Kunsthaus Kannen – Museum f ür Outsider Ar t

in der Jahresausstellung bis 27. Januar 2020,

und zeitgenössische Kunst, Münster

Foto: © Kunsthaus Kannen

www. k unsthaus-kannen. de


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33. Deutsch-Niederländische Grafikbörse Kunst, ganz grenzenlos in Borken

D i e D e u t s c h - N i e d e r l ä n d i s c h e G ra f i k b ö r s e i n B o r k e n g i l t K u n s t i n t e r e s s i e r t e n i m We s t m ü n s t e r l a n d a l s P f l i c h t t e r m i n . Im nahe gelege ne n Vrede n hat sich je t z t da s ne ue Kult urzent r um „ k ult“ etablier t.

Einmal im Jahr wird die 40.000-Einwohner-­Stadt Borken im Westmünsterland zu einem Mekka der Gra­f ikszene. Seit 1988 findet hier jedes Jahr am ersten Märzwochenende die Deutsch-Niederländische Grafik­börse statt. Rund 2.500 Besucher kommen alljährlich bei freiem Eintritt in die Stadthalle Vennehof, um künstlerische Druckgrafik anzuschauen und zu erwerben. Das Spektrum der rund 70 Aussteller reicht von serieller Druckgrafik wie Holzschnitt, Radierung, Kupferstich, Lithografie, Linolschnitt und Siebdruck bis hin zu Künstlerbüchern in kleiner Auf lage, illustrierten Kinder­ büchern, Mixed-Media-Arbeiten sowie Fotografie. Für die 32. Ausgabe der Grafikbörse im vergangenen März hatten sich über 100 Aussteller beworben. Eine Fachjury vergibt jedes Mal die Plätze für die begehrten Stände. Veranstalter der Grafikbörse sind die Stadt und der Kreis Borken. 32 Teilnehmer kamen im letzten Frühjahr aus Deutschland, 27 Aussteller aus den benachbarten Niederlanden. Somit stellt diese länderübergreifende Veranstaltung auch ein Musterbeispiel für den deutsch-niederländischen Kulturaustausch dar. Teilnehmer der beliebten Verkaufsschau sind Gale­rien, Kunstvereine, Buchhandlungen, Künstlerinnen und Künstler sowie Fotografinnen und Fotografen. Seit 2007 sind

verstärkt auch Studierende der Grafik- und Fotografieklassen verschiedener Hochschulen, etwa der Ruhr-Universität ­B ochum, zu Gast auf der Grafikbörse. Neben dieser Nachwuchsförderung bietet die Stadt Borkum den angereisten Kunstinteressierten ein vielseitiges Begleitprogramm rund um die Grafikbörse mit Künstlergesprächen, Atelierbesuchen und einer offenen Druckwerkstatt. Auch im 30 Kilometer entfernten Vreden tut sich ­etwas in Sachen Kultur. Hier wurde im Sommer 2017 das ­i nnovative Kulturzentrum „kult“ eröffnet. In einem mo­ dernen Neubau-Ensemble mit Sichtbeton, dominanter Klinkerfassade und lichtdurchf luteten Räumen sind jetzt gleich mehrere regionale Kulturinstitutionen vom ehema­ ligen Kreismuseum bis zum Stadtarchiv untergebracht. Das „kult“ versteht sich ausdrücklich als „Knotenpunkt für ­Kultureinrichtungen und Initiativen beiderseits der Grenze“. 3 3 . D e u t s c h - N i e d e r l ä n d i s c h e G ra f i k b ö r s e S t a d t h a l l e Ve n n e h o f A m Ve n n e h o f 1 , 4 6 3 2 5 B o r k e n , D e u t s c h l a n d F r, 2 8 . F e b r u a r 2 0 2 0 : 1 6 – 2 0 U h r Sa, 29. Febr uar 2020: 11 – 17 Uhr So, 1. März 2020: 1 1 – 17 Uhr w w w . g ra f i k b o e r s e . e u w w w . k u l t- w e s t m u e n s t e r l a n d . d e

A R T M A P P   W I N T E R 2 019/ 2 0 — W E S T F A L E N

Druckvorführung, Foto: © Kreis Borken / Lisa Kannenbrock


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Galerie Hovestadt, Nottuln bei Münster „Ein guter Standort für Ästhetik, Schönheit und Kultur“

Mehr als ein Geheimt ipp: Se it acht Jahre n hat sich die fe ine Gale r ie Hovestadt im münsterländischen Not t uln etablier t.

Eine Galerie auf dem Lande, kann das funktionieren? ­ nbedingt, findet Gabriele Hovestadt. Die promovierte U Kunsthistorikerin ist Inhaberin der Galerie Hovestadt im 20.000 Einwohner großen Ort Nottuln etwas südlich von Münster im Kreis Coesfeld. „Unsere Stärke ist, dass das, was wir machen, hier keiner erwartet“, sagt Gabriele Hovestadt. Dem Vorurteil, dass sich zeitgenössische Kunst nur in den Großstädten abspielt, begegnet sie, indem sie ein ebenso ­konsequentes wie anspruchsvolles Programm mit Gegenwartskunst präsentiert. Im Jahr 2012 eröffnete die Galerie auf einer ehemaligen Hofanlage. Gabriele Hovestadt konnte den

Münsteraner Architekten Ludger Sunder-Plassmann für den Umbau gewinnen. „Er hatte einfach ein gutes Auge für den Raum an sich und das, was hier passiert“, erzählt die Galeristin. Die modernen, hellen Räume mit einer dezenten westfälischen Note in der Architektursprache bieten so manches Aha-Erlebnis für die Besucher der Galerie. Und die kommen nicht nur aus Münster und dem Münsterland. Das nördliche Ruhrgebiet ist rund eine halbe Stunde Fahrzeit entfernt. Zu Gabriele Hovestadt kommen auch schon mal Sammler aus den benachbarten Niederlanden, aus Hamburg, Berlin oder Karlsruhe. „Man sollte aber auch


Ochirbold Ayurzana, „Consciousness“, 2018, Eisen, insgesamt 10 Figuren, jeweils 250 x 100 x 80 cm

linke Seite: Gan- Erdene Tsend, Untitled, 2019, Öl auf Leinwand, 120 x 100 cm

„Consciousness“ jüngst in New York vom UNO-Haupt­ quartier für den dortigen Skulpturengarten angekauft wurde. Gabriele Hovestadt möchte auf jeden Fall an ihrem Stand­ort Nottuln festhalten. Derzeit arbeitet sie an einem Konzept für einen Onlinehandel, um so auch ein jüngeres ­P ublikum für Kunst zu begeistern. Zu den festen Bausteinen ihrer ­G alerie zählt auch ein dichtes Veranstaltungsprogramm mit Lesungen, Vorträgen und Musik. Und wer sich unsicher ist, wie er sein neu erworbenes Kunstwerk zu Hause in ­S zene setzen kann, den berät Gabriele Hovestadt auch, ­i ndem sie die Räumlichkeiten besucht und Ideen für das Leben mit Kunst entwickelt. In der Galerie Hovestadt kommen mehrere Faktoren zusammen, um Kunst ohne Schwellenängste zu erleben. Gabriele Hovestadt kann mit ihrem reichen Erfahrungsschatz als Mitarbeiterin im Auktionshaus, in verschiedenen Kunstmuseen und in der Kulturarbeit punkten. Als selbstständige Galeristin fühlt sie sich sehr wohl: „Ich liebe es, Menschen an moderne Kunst heranzuführen, den Blick zu öffnen und den magischen Augenblick zu erleben, wenn ein Klient sein persönliches Wunschkunstwerk findet und erwirbt.“ NICOLE BÜSIN G & HEIKO KL A AS

Bis 2 4 . Januar 2020 „ Hier und Jetzt“ Galer ie Hovestadt, Not t uln www. galer ie-hovestadt. de

Gabriele Hovestadt, Foto: © Galerie Hovestadt

A R T M A P P   W I N T E R 2 019/ 2 0 — W E S T F A L E N

nicht unterschätzen, dass wir hier im Münsterland ein stark etabliertes, anspruchsvolles und kauf kräftiges Publikum ­h aben“, betont Gabriele Hovestadt. Der dicht besiedelte Speckgürtel rund um Münster zeichnet sich nicht nur durch Vollbeschäftigung, sondern auch durch das großes Interesse der Bewohner an Theater, Konzerten, Vorträgen und Ausstellungen, besonders erwähnenswert die alle zehn Jahren stattfindenden skulptur projekte münster mit internationaler Ausrichtung, aus. Ein guter Standort also für die umtriebige Galeristin, die in ihrem Programm Künstler aus ganz Deutschland vertritt. „Ich biete Kunst auf hohem Niveau und ein Programm mit Qualität an“, sagt Gabriele Hovestadt. Ihre Künstler entdeckt sie auf Reisen, durch Recherchen im Internet, aber auch über Empfehlungen, die von befreundeten Künstlern oder Hochschulprofessoren kommen. Und inzwischen kommen auch Bewerbungen von interessierten Künstlerinnen und Künstlern, die an einer Ausstellung oder einer festen Zusammenarbeit interessiert sind. Seit einigen Jahren arbeitet sie mit dem 1979 geborenen Maler und Grafiker Gan-Erdene Tsend zusammen. Der aus der Mongolei stammende Künstler war Meisterschüler bei dem Düsseldorfer Maler Hermann-Josef Kuhna an der Kunstakademie Münster. Seine fremdartig wirkenden Landschaftsbilder, auf denen vereinzelt Personen, Tiere oder Gegenstände erscheinen, speisen sich aus Erinnerungen, die an seine Kindheit als Angehöriger eines Nomadenvolks in der Mongolei zurückreichen. Gan-Erdene Tsend ist auch einer von sieben zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern aus der Mongolei, die ab dem 17. November in der Ausstellung „Hier und Jetzt“ in der Galerie Hovestadt zu sehen sein werden. Die in den 1970er und 1980er Jahren geborenen Künstler arbeiten in den Medien Kalligrafie, Skulptur, Installation, Objektkunst, Malerei und Keramik. Einer der bekanntesten Teilnehmer ist der 1976 geborene Bildhauer Ochirbold Ayurzana, der gerade mit dem NordArt Preis 2019 ausgezeichnet wurde und dessen Arbeit



Hiroyuki Masuyama, „Ehrenbreitstein No.1“, 1841 / 2008, LED Lightbox, 24,9 x 34 x 4 cm, Courtesy: Galerie Rothamel

Hiroyuki Masuyamas Romantik 2.0 in der Städtischen Galerie Offenburg Caspar David Friedrichs Gemälde verdichten die großen ­ efühle, die in Zusammenhang stehen mit Einsamkeit, Tod, G dem Jenseits und der Hoffnung auf Erlösung. Sie sind dennoch so deutungsoffen, dass sie Kunsthistoriker, Philosophen, Theologen, Literaturwissenschaftler und Psychologen zu teils divergierenden Interpretationen animierten. Auch deshalb faszinieren Friedrichs Bildkonstrukte bis heute nicht nur ­Museumsbesucher, sondern auch Künstler. Der japanische Fotograf, Maler und Bildhauer Hiroyuki Masuyama gehört zu ihnen; er sucht dezidiert jene Orte auf, die sowohl Deutschlands größter romantischer Maler, Caspar David Friedrich, als auch William Turner – sein britisches Pendant – als Bild­ motive wählten, um sie erneut zu fotografieren und die zahlreichen fotografischen Details am Computer akribisch zu einer Collage zusammenzufügen. Auch die anschließende Präsentation seiner Werke ist absolut modern: Hinterleuch­ tete Kästen sind sein Markenzeichen; damit erhalten die Bilder eine zusätzliche Leuchtkraft. Zudem wählt er oft riesige Formate, um ihre Präsenz zu steigern. Dadurch erhalten die Werke der Romantiker neuerliche Aktualität, wirken, wie aus dem Leben gegriffen, weil sie durch Masuyamas Kompo­si­ tionstechnik einen zeitgenössischen Widerhall erfahren. Gleichzeitig ist es eine Zeitreise, auf die der Künstler den ­Betrachter mitnimmt. Zudem ermöglicht die Offenburger Ausstellung dem Betrachter eine ganz reale Reise, indem sie einen der insgesamt acht Räume jener Reise widmete, die Turner von London über das Rheintal und die Schweiz bis in die Lagunenstadt

Venedig führte. Auf über 30 kleinformatigen Leuchtkästen lässt Masuyama die Reise des englischen Landschaftsmalers von 1819 auf leben. Ist das Besondere an Turner, dass er ­Gegenständlichkeit entmaterialisierte, indem er Perspektivverschiebungen vornahm, und Realitäten durch Farbverläufe und die Verschränkung von Licht und Schatten verfremdete, zeigt sich deutlich, dass diese von ihm eingeführten ­Neuerungen (die bis 26. Januar in einer breit angelegten Turner-Schau im LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster besichtigt werden können) auch 200 Jahre danach noch faszinieren. Masuyama greift zudem die Arbeitsweise der Romantiker auf, die zwar Skizzen vor Ort machten, aber die Gemälde dann im Atelier (und nicht, wie die Impressionisten, Plein Air) entstehen ließen. Kunst hat zwar immer nur eine Gegenwart, aber weil Masuyama ikonische Werke herausgreift, die sich tief ins ­europäische Bildergedächtnis eingegraben haben, wirken sie auf den Betrachter vertraut – und doch weist er durch die ­zigtausend Fotografien, aus denen er sie neu zusammensetzt, auf das Einmalige, Individuelle von Ort und Zeit, auf die ­k leinen Nebensächlichkeiten, die in der Konzentration aufs Detail B ­ edeutung erhalten. Bis 16. Februar 2020 Städt ische Galer ie Of fenburg i m K u l t u r f o r u m , A r m a n d - G o e g g - S t r. 2 G e ö f f n e t : D i – F r 1 3 – 1 7 U h r, S a / S o / F e i e r t a g 1 1 – 1 7 U h r www. gale r ie - of fe nburg. de

A R T M A P P   W I N T E R 2 019/ 2 0 — A U S S T E L L U N G

VON CHRIS GERBING


p h o t o g ra p h y R e n é -T. K u s c h e a l u m n u s B a u h a u s - U n i v e r s i t ä t We i m a r

„löst aus …“ – kontaktabzüge.com Schönheit – ein Wort, das man gewöhnlich mit Äußerlichkeit, Anmut und Liebreiz in Verbindung bringt. Doch zeigt uns das Werk von René -T. Kusche, dass selbst das, was per se nicht schön ist oder als solches empfunden wird, durch die Kunst seine auratische Anmut zeigen kann. Ob Star, Bettler oder Bagger – alles wird unein­ geschränkt zum Sujet der Inspiration. Der Künstler selbst beschreibt seine Arbeit als „milieuless photography“. Er gibt dem Hässlichen und den Objekten, die wir als banal und ­g ewöhnlich betrachten oder gar nicht wahrnehmen, die ­Möglichkeit, deren innere versteckte Schönheit zur Sprache zu bringen. „Die Dinge begegnen mir, das Leben inszeniert sich selbst“, so beschreibt er den Hintergrund seiner Kunst.

Der Künstler hat eine ausgeprägte Empathie für die Welt und seine Virtuosität besteht darin, durch Feingespür und ­scharfen Blick die Realität in einem zeitlosen Augenblick zu kristallisieren und so die Poesie des Lebens in den Fokus zu ­r ücken. Er befindet sich auf Augenhöhe mit seinen Motiven und hat ein außergewöhnliches Gespür für Licht, Blickwinkel und Form, womit er ausgezeichnet spielen kann. Aufmerksam und voraussehend nutzt er das Medium Photographie und zeigt dem Betrachter durch seine unkonventionelle ­H erangehensweise und Motivfindung neue, unerwartete ­A spekte einer Situation. SERENA ZANABONI

„Ankunft Königspaar“, © René -T. Kusche, Weimar


Foto: David Pinzer

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IN S ACHSE N GROS SE KUNS T Z U F INDE N IS T K EINE GROS SE KUNS T. Sachsen ist das beliebteste Reiseziel für Kultureisen in Deutschland. Neben markanter Architektur und einer unvergleichlichen Musiklandschaft nimmt auch die Bildende Kunst eine herausragende Rolle ein. Der „Kunstverführer Sachsen – Geschichte, Museen, Wirkungsstätten“ gibt Einblicke in die sächsische Kunstgeschichte und die wichtigsten Museen und Galerien in Sachsen. Weitere Informationen finden Sie unter www.sachsen-tourismus.de oder bei der TMGS mbH, Bautzner Str. 45 - 47, 01099 Dresden, Tel. 0351 491700.


Katharina Hinsberg, Ich möchte eine Linie im Raum, Installation Kunsthalle Göppingen, 2019, Foto: Frank Kleinbach

KUNSTHALLE GÖPPINGEN

Katharina Hinsberg

Ich möchte eine Linie im Raum

22.09. – 24.11.2019

www.kunsthalle-goeppingen.de


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Das Wort Bauhaus gilt seit Jahrzehnten als Synonym für Moderne, als Schlüssel zu einem neuen Verständnis funktionaler Produkt- und Raumgestaltung. Es wandte sich radikal von der Formensprache des vorangegangenen Historismus ab, der in der Architektur, der bildenden Kunst und im Alltag das Leben der Menschen lange Zeit bestimmt hatte. Das Bauhaus ­verfolgte dagegen im Zuge der um 1900 einsetzenden Reformbewegungen neue ästhetische Vorstellungen, etwa die Verbindung von Form und Inhalt. Klarheit und Sachlichkeit traten an die Stelle von Opulenz und Dekor, Überzeugungen die unser Verständnis von Leben, Arbeiten, Lernen und Wohnen nachhaltig geprägt haben. Das im Sommer erschienene Reisebuch offeriert eine „Grand Tour der Moderne“ mit 110 Bauwerken aus der Zeit von 1900 bis heute, die mit umfangreichem Bildmaterial, Textbeiträgen, praktischen Hinweisen und Karten vorgestellt werden. Dabei geht es nicht allein um Projekte, die unmittelbar mit dem Bauhaus verknüpft sind, sondern bindet seine Leistungen in die Entwicklung der modernen Architektur Einordnung ihrer Ideen und ihres Wirkens ein. Das Reisebuch präsentiert auch die erstaunliche Vielfalt des Neuen Bauens der Zwischenkriegszeit, die von der handwerklich kultivierten Moderne eines Paul Bonatz über die dynamische Architektur Erich Mendelsohns bis zum organischen Bauen Hans Scharouns reicht. Dabei dokumentiert das Buch ebenso Parallelen, Konflikte und kontroverse Positionen, um der Komplexität der jeweiligen Epoche gerecht zu werden.

„Mit den für dieses Reisebuch zusammengestellten Bauten, unserer Grand Tour der Moderne, wird gleichsam ein Netz über das Land geworfen, mit vielen Knotenpunkten, nicht nur in den Großstädten und nicht nur an den Orten, an denen das Bauhaus unmittelbar angesiedelt war, sondern auch an der Peripherie und abseits der großen Straßen“, so die Herausgeber Wolfgang Holler, Annemarie Jaeggi und Claudia Perren der Bauhaus Kooperation Berlin Dessau Weimar. Der nun auf Deutsch und Englisch erschienene Band präsentiert 110 ausgewählte Orte –sowohl bekannte Gebäude als auch Geheimtipps – in ganz Deutschland. Ergänzend beleuchten Essays von Werner Durth und Wolfgang Pehnt die Wirkungsgeschichte des Bauhauses. g ra n d t o u rd e r m o d e r n e . d e / r e i s e b u c h

Bauhaus Kooperation Berlin Dessau Weimar Bauhaus 100 Orte der Moderne

Hatje Cantz 316 Seiten, 500 Abb. 13,50 x 26,50 cm Gebunden EUR 18,00 ISBN 978-3-7757-4613-7 Deutsch

A R T M A P P   W I N T E R 2 019/ 2 0 — B U C H T I P P S

Grand Tour der Moderne Das Bauhaus Reisebuch


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Herbert Stolz Kalender „Regensburg aus der Luft 2020“ — Es ist immer wieder ein spannendes Suchspiel: Welche Straße ist das? Wie heißt die Kirche hier unten links? Wem gehört wohl diese schnucklige Dachterrasse? Und von wo aus wurde die Aufnahme für „Regensburg aus der Luft“ gemacht? Um 12 ausgewählte Aufnahmen von oben zu schießen, mussten der Fotograf und seine ­P iloten immer wieder in die Luft gehen. In einer Höhe von rund 1.200 Metern waren sie mit ihrer ­k leinen Cessna unterwegs.

Mitteldeutscher Verlag 336 Seiten, 32 S. Tafelteil, s/w- u. Farbabb. 16,5 x 24 cm Gebunden EUR 28,00 ISBN 978-3-96311-174-7 Deutsch

Herbert Stolz 33 x 49 cm EUR 19,95 ISBN 978-3-9820307-2-2 Zu beziehen im Buchhandel oder direkt bei info@fotodesign-stolz.de www.herbertstolz.de

Karen Russo Haus Atlantis Hrsg. Künstlerhäuser Worpswede e. V. — Die israelische Künstlerin Karen Russo untersucht in ihren Filmprojekten „TET-Stadt“ und „Haus Atlantis“ die fließenden Übergänge zwischen Esoterik und Nationalsozialismus bei Bernhard Hoetger. Indem sie seine Architektur mit historischen Filmaufnahmen und Science-Fiction verbindet, macht sie die Faszination dieser Kunst sichtbar und bleibt gleich­ zeitig auf Distanz zu seinen Inhalten. Der Katalog erscheint aus Anlass von Russos Ausstellung „Myths of the Near ­Future“ im Art Museum of Tel Aviv (bis zum 20. April 2020). Künstlerhäuser Worpswede e. V. 128 Seiten 160 S/W- und Farb-Abb. 20 x 28,5 cm Hardcover EUR 24,00 ISBN 978-3-9821046-0-7 Deutsch/Englisch

Eberhard Schmid Wohin in dieser Welt? Der Maler Franz Radziwill. Biografie. — Franz Radziwill (1895–1983) gehört neben Otto Dix und George Grosz zu den führenden Exponenten der Stilrichtung „Neue Sachlichkeit“. Eberhard Schmidt hat die wechselvolle Lebensgeschichte des Malers Franz Radziwill vor dem Hintergrund eines katastrophengeschüttelten 20. Jahrhunderts aus den Quellen erarbeitet. Kompetent, gut lesbar, 32 Farbtafeln geben einen ­Ü berblick über seine Malerei und deren Entwicklung.


167 Mischa Kuball: res.o.nant Hrsg: Gregor H. Lersch, Léontine Meijer-van Mensch — Mischa Kuball präsentierte mit res·o·nant eine begehbare Licht- und Klanginstallation im neuen Untergeschoss des von ­L ibeskind ­e rbauten Jüdischen Museums Berlin. Auf insgesamt mehr als 350 Quadrat­m etern bespielte res·o·nant zwei der fünf den M ­ useumsbau vertikal durch­z iehenden Voids. In den 24 Meter hohen Räumen warfen r­ otierende Projek­ toren Lichtfelder in Form der Void-Grundrisse an Wände und Decken. Als wichtiges Element der Installation waren über mehrere im Raum verteilte L­ aut­s precher jeweils 60-sekündige Soundclips – s­ ogenannte Skits – zu hören, die von mehr als 150 Musiker*innen e­ igens für res·o·nant produziert wurden.

Otto Dix in Baden-Württemberg Hrsg: Förderverein Museum Haus Dix Hemmenhofen e.V. Einleitung: Nikolai B. Forstbauer Autoren: Anne Vieth, Antonella Meloni, Christoph Bauer, Ina Conzen, Ina Neddermeyer, Veronika Mertens, Wolfgang Kramer, Nikolai B. Forstbauer — In der Publikation „Otto Dix in Baden-Württemberg“ laden sieben Museen gemeinsam ein zu einer Reise durch ­B aden-Württemberg auf Otto Dix’ Spuren. Zu den beteiligten Institutionen gehören neben der ­Kunsthalle Mannheim das Kunstmuseum Albstadt, das ­Zeppelin Museum Friedrichshafen, das Museum Haus Dix in Hemmenhofen, das Kunstmuseum Singen, die Staats­ galerie Stuttgart und das Kunstmuseum Stuttgart.

Begleitpublikation zur gleichnamigen Ausstellung

ROBIN RHODE MEMORY IS THE WEAPON MIT DER KUNST DAS CHAOS DER WELT ­V ERRINGERN: ROBIN RHODE Hrsg. Uta Ruhkamp; Vorwort von Andreas Beitin; Texte von Uta Ruhkamp; Beiträge von Don Mattera, James Matthews, Robin R­ hode, Gladys Thomas; Gestaltung von Mario Lombardo — Dem südafrikanischen Künstler Robin Rhode gelingt es in seinem multimedialen Werk komplexe und nicht selten ­g esellschaftskritische Inhalte in reduzierte visuelle Zeichen zu verpacken. Die nun eröffnende Ausstellung im Kunst­ museum Wolfsburg und der begleitende Katalog Memory is the Weapon versammeln die vielfältigen Arbeiten zu ­e inem umfassenden Überblick.

Hatje Cantz 224 Seiten 167 Abb. 24 x 31 cm Gebunden EUR 42,00 ISBN 978-3-7757-4605-2 Englisch/Deutsch

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Edition Cantz 100 S. mit zahlreichen Abb. 11,8 x 18 cm Broschur EUR 9,80 ISBN 978-3-947563-41-8 Deutsch

Sternberg Press 224 Seiten, 45 Farb-Abb. 17 x 24 cm Softcover EUR 24,00 ISBN 978-3-956794-96-4 Deutsch / Englisch



Eliska Bartek Farbexplosionen in den Bergen

Diario di Maggia. Eliska Bartek Mit einer Einführung von Andreas Schwab Photo Edition Berlin 128 Seiten 24,2 x 34,5 cm Hardcover ISBN 978-3-947451-03-6 Deutsch / italienisch / englisch Ab 23. November 2019 im Buchhandel

B A R T E K S ΠU V R E VO N M A L E R E I B I S F O T O G R A F I E

Sie arbeitet mit Kontrasten – angelegt zwischen Natur- wie Landschaftsbeobachtung und innerer Gestimmtheit. Ihre Medien sind Malerei und Fotografie, die sie an die Grenzen treibt. Da kann es vorkommen, dass sie Ölgemälde traktiert wie einen Holzschnitt: Am Ende stehen raue, wuchtige ­B erner Berglandschaften (2009) auf der Leinwand. Wobei ihre Fotografie sich in Malerei mit Licht verwandelt. In den 1,60 Meter großen Magnolienaufnahmen sind die weißen Blütenblätter zur Leinwand geworden: Von leistungsstarken Theaterlampen angestrahlt hat die Künstlerin sie mithilfe von Farbfiltern überbelichtet, daher rührt ihre brillante Leuchtkraft . „Wenn ich alle Farben mische, entsteht Schwarz“, sagt sie. Schwarzweiß ist ihre Serie der „geheimen Foto­ grafien“, für die sie alte Techniken wie Fotogramme und das Cliché verre in Zeiten des digitalen Bildersturms neu belebt. Mit Cremes, Nudeln und Mehl zaubert sie verblüffende­ Licht- und Schatteninszenierungen, die das Unbewusste streifen, Erinnerungen wachrufen oder surreale Welten ­beschwören. Ganz im Abstrakten bewegen sich die durch Langzeit­belichtung aufgenommen dynamischen Stadttopo­ grafien in Schwarzweiß – entstanden bei Landung und Abflug in Abu Dhabi. „Eliska Barteks Bilder sind von einer betö­ renden ­Sprache, die sich in einen Raum hinein öffnet, der von weit mehr zu zeugen versteht als von der Kunstfertigkeit“, so schreibt Eugen Blume, der ehemalige Leiter des Hamburger Bahnhofs – Museum für Gegenwart in Berlin in einem Katalogtext. „Er ist von einer beinahe erschreckenden Realität, deren Zauber uns anzieht wie ein fernes Zauberland.“

linke Seite: Eliska Bartek, 22 Settembre 2017

GA B R I E L A WA L D E

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Farbattacke in Knallorange, Violett und Türkis: Eliska Bartek schöpft mit ihrer Farbpalette aus dem Vollen, ganz wie es ihrem impulsiven Temperament entspricht. Sie taucht die Tessiner Landschaft mit ihren tanzenden Blättern, Bächen und Bergen in komplementäre Farbkombinationen, die in ­ihrer expressiven Strahlkraft an die Davoser Bergpanoramen eines Ernst Ludwig Kirchner erinnern. Frühling, Sommer, Herbst, Winter – die Jahreszeiten bestimmen den Farbwechsel in der Natur. „Ich fühle die Welt. Die Bilder kommen aus meinem Inneren“, so beschreibt die Künstlerin ihren subjektiven Ansatz. Für die Malerin und Fotografin Eliska Bartek – sie pendelt zwischen Berlin-Kreuzberg und dem Tessin – sind die Impressionen ihrer Wanderungen ein visuelles Tagebuch. 50 dieser stimmungsvollen Blätter mit Aquarellen aus den letzten zwei Jahren hat sie nun in einem Band versammelt, der am 22. November 2019 in der photo.edition.berlin erscheint. Es ist ein besonderer Ort, an dem diese Werke ent­ standen sind. Bartek, die zu den bedeutenden Schweizer Künstlerinnen ihrer Generation gehört, arbeitet in der Fab­ brica Rosa, dem ehemaligen Atelier des großen verstorbenen Ausstellungsmachers und Sammlers Harald Szeemann im Schweizer Maggia. Szeemann hat von dort international agiert, und ebenso funktioniert es für die Wahlberlinerin. Wie für viele Künstler war für Szeemann die medi­ terrane Kulturlandschaft Inspirations- und Sehnsuchtsort zugleich. Das Licht, die besonderen Düfte, Berge, Palmen – ­a lles wirkt hier unmittelbar auf die Sinne ein, vermittelt andere Sphären. Nach 25 Jahren im Berliner Großstadt­ dschungel hat die quirlige, gut vernetzte Künstlerin dort nun ihre Oase des Rückzugs und neue Gefühlssensationen ­gefunden. Stillstand ist ohnehin nicht ihre Sache. Ein guter Kontrapunkt, findet Bartek, die weltweit ausgestellt hat. In der Schweizer Abgeschiedenheit gibt es Raum und Zeit für das Meditative, die emotionale Vergegenwärtigung, kurzum: für die reife, intensive Arbeit. Dabei folgt Eliska Bartek einem Ritual: morgens gegen 10 Uhr begleitet sie der Nachbarshund Maila stundenlang auf den einsamen Wegen durch die Natur. Nachmittags, wenn sie zurück ist, geht es an die künstlerische Umsetzung. Bartek, die 1972 aus der damaligen Tschechoslowakei nach Westdeutschland f lüchtete, studierte in der Schweiz, in den 1990er-Jahren zog sie die Auf bruchsstimmung in die Kunststadt Berlin. Ihr Œuvre ist breit aufgestellt, sie ­e rfindet sich immer wieder neu in ihren malerischen ­Möglichkeiten, wie es in zahlreichen Publikationen durch erfahrene Aus­s tellungsmacher und Museumsdirektoren wie Markus Brüderlein, Christoph Tannert und Eugen ­Blume gewürdigt wurde.


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Stefan Faas Reflexionen des Menschlichen E r s t v o r w e n i g e n Wo c h e n i s t u n t e r d e m T i t e l D I E S E E L E D E S S TA H L S e i n B u c h e r s c h i e n e n , das erst mals einen umfassenden Überblick über das Schaf fen des Stahlbildhauers Stefan Faas erlaubt.

Zwei Werkgruppen bilden die Arbeitsschwerpunkte des in Keltern bei Pforzheim lebenden Künstlers. Unter dem Oberbegriff „Anthropocor“ entwickelt er dabei einerseits Plastiken aus Corten-Stahl, deren offenporige, in Erdtönen nachkorrodierten Außenhäute einen durch und durch naturhaften Charakter annehmen. Auf der anderen Seite erscheinen die unter dem Titel „Anthropomir“ subsummierten Arbeiten mit ihren glatten, hochglänzend polierten Oberflächen ins völlige Gegenteil verkehrt. So sehr das ursprüngliche Ausgangsmaterial Stahl auch „hart, widerständig, steif und stur“ sein mag, wie es der Künstler selber formuliert, wirken die hoch aufragenden Figurenstelen doch vielmehr ­organisch gewachsen, die lichtdurchschimmerten Körper immateriell, kaum fassbar zu sein. Auf diese Weise emanzipiert Stefan Faas den Werkstoff Stahl als künstlerisches Ausdrucksmittel aus einer statisch funktionalen Gebundenheit, wie wir sie exemplarisch mit Architektur und zeitgenössischem Städtebau zu verbinden pflegen. Zwischen pflanzlicher und menschlicher Natur hin und her schwankend, ragen die Plastiken von Stefan Faas vielmehr in den sie umgebenden Raum auf, als wären sie mit leichter Hand in die Luft hinein gezeichnet worden. Mal recken sie in statuarischer Strenge die blockhaft ausgebildeten

Köpfe in den Himmel, mal drehen sie ihre Glieder geschmeidig aus der Körpermitte heraus, als wollten sie unvermittelt einen wild-ekstatischen Tanz aufführen. Haltung, Kraft, Spannung – sie gilt es im Ganzen zu bewahren, wo doch die einzelnen Hüllen in technisch a­ ufwendigen Arbeitsprozessen aus Stahlplatten zusammengeschweißt, verschliffen und nachbearbeitet worden sind. Wenden sich die in jedem Fall anthropomorph angelegten ­Figuren einander zu, entsteht ein mehr oder weniger stiller Dialog zwischen ihnen. Einem ­regelrechten Gruppenporträt gleichen hingegen jene Figuren­ ensembles wie „Anthropocor ‚Oui à la famille‘“ (2016), deren Köpfe – g­ ewissermaßen auf u ­ nterschiedlicher Augenhöhe – in eine gemeinsame Richtung deuten und damit dem Betrachter zugewandt erscheinen. Die Kommunikation mit dem Gegenüber – der Umgebung mit Mensch und Natur – verstärkt sich noch zusätzlich in den ­r ef lektierenden Oberf lächen der ­„ Anthropomir“ genannten Werke. Wie in einem kostbar ­f unkelnden Schmuckstück ­s piegelt sich auch hier in den ­Figuren je nach Standort des ­Betrachters der gesehene Außenraum in facettenreich ge­b rochenen Bildern wider und ermöglicht so individuell wechselnde Wahrnehmungen. Das sinnlich ­e motionale ­M oment der Anschauung und des ­A ngeschautwerdens intensiviert sich schließlich in der ­Auseinandersetzung mit der Gruppe der Köpfe („Testa“) aus Spiegelstahl, die auf Sockeln präsentiert und für den Innenraum bestimmt sind. Ohne dass im eigentlichen Sinne Physiognomisches gezeigt würde, erkennen wir uns dennoch im Widerschein ihrer reduzierten Formen. CLEMENS OT TNAD

DIE SEELE DES STAHLS STEFAN FAAS

Stefan Faas – Die Seele des Stahls Hrsg: raumkontakt / Regina M. Fischer 215 S. / 139 Abb. / 21,5 x 30,4 cm Hardcover / EUR 48,00 ISBN 978-3-00-062959-4 / Deutsch, Englisch

Anthropomir Kephalos III, 2019,

Anthropocor „Oui à la famille“, 2016,

Spiegelstahl, 155 cm

Cortenstahl, 500 cm


„Anthropomir Testa XX-VI“, 2018, Spiegelstahl, 50 cm

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TANJA NIEDERFELD fein ! TTR Technologiepark Tübingen-Reutlingen 24.10.2019 – 24.01.2020

TTR Technologiepark Tübingen-Reutlingen Gerhard-Kindler-Straße 13 72770 Reutlingen T +49 (0) 7121 909 79 90 Öffnungszeiten Mo–Fr 9–16 Uhr Sa, So, feiertags geschlossen


173 For tsetzung:

Kremer’s Farbenwelt 3 „Die starken Farben“

DPP (DiketoPyrroloPyrrol) Anfang der 1980er-Jahre wurde eine neue Gruppe von roten Pigmenten aus Bernsteinsäure synthetisiert. Die sehr lichtechten roten Pigmente werden DiketoPyrroloPyrrol oder DPP genannt.

A RT M A PP-Au sgabe Sommer 2019, Seite 2 11

Isoindole Seit den 1960er-Jahren wurde diese neue Klasse von ­P igmenten entwickelt. Hauptsächlich gelbe, aber ebenso orange und rote Pigmente können in dieser auch als ­A zomethine bezeichneten Pigmentgruppe realisiert werden, welche gute bis sehr gute Lichtechtheiten aufweisen. PY 109, PY 110, PY 139, PY 213, PO 61

Orange DPP (#23178) – Rot DPP (#23180) – Rubin DPP (#23182)

M E TA L L P I G M E N T E U N D M E TA L L I S C H G L Ä N Z E N D E P I G M E N T E

In den Metallen können sich die Elektronen frei bewegen, dies führt zu hohem Glanz, der als Metallglanz bezeichnet wird. Blattgold, Silber, Kupfer und poliertes Zinn sind hierfür Beispiele. Während Blattgold ziemlich echt ist, müssen die Oberflächen der unedleren Metalle gegen Korrosion geschützt werden. Isoindolgelb (#23340) – Isoindolgelb (#23660) – Isoindol gelb-orange (#23670) – Isoindol gelb-orange (#24000) – Isoindolorange (#23800)

A N T H R AC H I N O N - P I G M E N T E

Poliertes Zinnpulver (#54500) – Kupferpulver (#54850) – Goldpigment

In der Natur treten ganz glatte Flächen nur bei sehr perfekten Kristallen auf, zum Beispiel bei Perlmutt. Besonders häufig sind dünne glatte Schichten von Glimmern. Werden diese glatten dünnen Plättchen mit Metalloxiden beschichtet, können sehr starkfarbige metallähnliche Pigmente erzeugt werden, die Perlglanzpigmente.

Pyramidengelb (#23370) – Pyranthrorange (#23570) –

IRIODIN® 103 RUTIL STERLING Silber (#50000) –

Alizarin-Krapplack (#23610) – Anthrachinon (#23100)

IRIODIN® 300 GOLDPERL, Colibri Gold (#50100) – IRIODIN® 500 BRONZE (#50300) – IRIODIN® 504 Rot (#50400)

A R T M A P P   W I N T E R 2 019/ 2 0

Rot: Alizarin-Krapplack PR 83 Krapplack ist wohl das älteste organische Metallkomplexpigment, ursprünglich aus den Wurzeln der Krapppf lanze mit Alaun hergestellt. Seit 1871 wird der im Krapp färbende Bestandteil Alizarin synthetisch hergestellt und das damit erzeugte rote Pigment Alizarin-Krapplack genannt. Dieses Pigment ist weniger lichtecht als die besten modernen synthetischen Rotpigmente. Gelb: Das Pyramidengelb PY 108 ist sehr beständig. Blau: Indanthrenblau PB 60 war lange das lichtechteste organische blaue Pigment.


174 Kremer’s Farbenwelt 4

Die Mischungen We n n m a n s i c h d i e We l t d e r F a r b e n a l s R a u m v o r s t e l l t , u n g e f ä h r a l s e i n e K u g e l , dann hat es auf de r Obe r f läche e ine Viel zahl von inte n sive n re ine n Farbe n . D e r g a n z e I n n e n ra u m i s t m i t d e n F a r b e n d a z w i s c h e n a u s g e f ü l l t .

Die Mischung aus einem Weißen Pigment und einem Schwarzen Pigment ergibt sozusagen die Drehachse des Farbraumes.

Der Äquator ist der Ort der höchstintensiven reinen ­ungemischten Farbigkeit, man könnte den Äquator auch als Ort des reinen Farbkreises betrachten.

In der Natur treten u.a. folgende graue Mineralien ungefähr auf dieser Achse auf:

Mischt man auf dem Farbkreis weit entfernt liegende ­ arbtöne, dann wird die Reihe der Mischfarben weniger F farbintensiv, als die beiden Ausgangsfarben. Man könnte sagen, bei der Mischung nähern sich die gemischten Farbtöne der Grauachse an. Dieser Verlust an Brillanz liegt an der ­Eigenschaft aller Pigmente, weniger Licht zu reflektieren als auf dieses Pigment leuchtet.

Kreide von Sarti, grau (#58190) – Burgunder Grau (#11362) – Grauspieß ­

Häufig benötigt man daher für intensive Farbtöne sehr viele verschiedene brillante Pigmente.

glanz, Antimonit (#10940) - Obsidian schwarz (#11674) - Onyx schwarz (#11670) - Turmalin schwarz glänzend (#12045)

Mischungen aus drei, fünf oder sieben Pigmenten erlauben nur einen eingeschränkten relativ trüben Farbraum. In der Natur treten die meisten Farben als Mischungen auf. Reine Farben sind außerordentlich selten, nur wenige ­K ristalle und einige Färbungen bei Tieren und Pflanzen haben diese besondere Reinheit. Die Verwendung reiner brillanter Pigmente in der Malerei ist möglich, aber häufig mischen Künstler verschiedene Pigmente, um den ­gewünschten Farbton zu erreichen.

Rhodonite schwarz (#11324) - Nero Bernino (#11282) - Holzkohlemehl (#47800) - Basalt schwarz, feines Pulver (#47324) - Mangangrau (#47510) Manganschwarz (#47501)

Die Farbwahrnehmung des menschlichen Auges ist im ­Bereich der gemischten Farbigkeiten außerordentlich ­empfindlich. Wir Menschen sind in der Lage kleinste ­Farbnuancen wahrzunehmen. Die Gesichtsfarbe unseres Gegenübers, die Färbung der Apfelschale, die Farbe einer Scheibe Wurst – wir verbinden mit kleinsten ­Farbunterschieden eine Vielzahl von Konnotationen.


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Z U D E N FA R B I G E N M I S C H U N G E N G E H Ö R E N A L L E N AT Ü R L I C H E N E R D E N

Die gelben Erden sind hauptsächlich durch wasserhaltiges Eisenoxid (FeOOH) in ihrer Farbe bestimmt, aber je nach Kristallstruktur und Herkunftsort können die gelben Erden ganz verschiedene Färbungen annehmen.

Die grünen Erden sind ein Sonderfall bei den Eisenverbindungen. Eigentlich sind Eisen-II-Verbindungen nicht sehr stabil, aber durch die Stabilisierung in entsprechenden ­Komplexen mit Silikaten können für die Verwendung als Pigment ausreichend stabile Verbindungen entstehen. Alle Grünen Erden werden durch Erhitzen braun.

Goldocker italienisch (#40220) - Französischer Ocker JTCLES (#40010) - Französischer Ocker JALS (#40060) - Terra di Siena natur, italienisch (#40400) – Jarosit (#11520) – Persischgelb (#17020)

Cyprische Grüne Erde (#17400) - Russische Grüne Erde fein (#11111) – Böhmische Grüne Erde (#40810) – Grüne Erde aus Verona (#40821) – Epidot extra grünlich (#11151) – Grüner Opalit (#11230)

Die rötlichen und roten Erden werden durch das wasserfreie Eisenoxid (Fe2O3) in ihrer Farbe bestimmt. Durch die Mischung von Schwarz mit gelbem Ocker kann man auch grüne Färbungen erreichen.

Thulit, rosa-hautfarben (#11312) – Opalrot (#11302) – Venetianischrot (#40510) - Terra di Siena, dunkel gebrannt (#40430) - Roter Bolus (#40503)

Goldocker italienisch (#40220) mit Eisenoxidschwarz 306, blaustichig (#48420), jeweils pur und vier Mischungen

Umbra natur (#40610) - Umbra natur, grünlich dunkel (#40612) - Man­ ganbraun, intensiv (#40623) - Umbra gebrannt, rötlich (#40700) - Umbra gebrannt, bräunlich (#40710) - Umbra gebrannt, schwarzbraun (#40720)

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Durch Mischungen von Eisen- und Manganoxiden entstehen Färbungen im braunen Farbbereich.


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Intensivgelb (#43880) mit Miloriblau LUX (#45202)

In der täglichen Mischpraxis sind Mischungen mit Weiss oder Schwarz besonders häufig. Je nach verwendetem Pigment können mehr transparente oder deckende Mischungen erzeugt werden. Die Mischungen von transparenten Pigmenten mit deckendem Weiss, früher mit Bleiweiss, heute mit Titanweiss, nennt man Gouache Farben.

Dioxazinviolett (#23451) mit Titanweiß (#46200)

Ultramarinblau, extra dunkel (#45000), Venetianischrot (#40510) und Chi­

Scharlach Rot DPP EK, PR 255 (#23179) mit Kobaltblau mittel (#45710)

nacridon Pink transparent (#23401) mit lasierendem Kremer weiß (#46360), jeweils pur und vier Mischungen

M I S C H U N G E N VO N 2 P I G M E N T E N Cadmiumorange Nr. 0 hellst (#21080) mit Kobaltblau türkis, hell (#45750)

M I S C H U N G E N VO N 3 P I G M E N T E N Chromoxidhydratgrün (#44250) mit Manganviolett (#45350)

Phthaloblau, grünlich-blau, PB 16 (#23080) mit Gelb grünstichig, PY 129

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(#23330)

Kobaltblau türkis, hell (#45750), Kobalt violett, hell (#45820), Nickeltitan­ gelb (#43200)

k r e m e r- p i g m e n t e . c o m


BEGE Galerien Armin Göhringer Leichte Schwere 8. November bis 11. Januar 2020

Armin Göhringer Stehende Arbeit: O.T. Holz geschwärzt, Eisen, 2019, 200 x 65 x 8 cm Wandarbeit: O.T. Holz geschwärzt, Bütten, 2018, 118 x 60 x 3 cm

schwarzweiß – weißschwarz 22. Januar bis 22. Februar 2020 art KARLSRUHE Sonderpräsentation: Thomas Röthel, Armin Göhringer, Todd Williamson Halle 3 F05 / F06 12. bis 16. Februar 2020 James Francis Gill The Return 6. März bis 25. April 2020 Thomas Baumgärtel Bananensprayer 8. Mai bis 4. Juli 2020 Internationaler Museumstag 17. Mai 2020 Dan Pyle – Frank Teufel Zeichnung – Skulptur 26. September bis 7. November 2020 Thomas Röthel Neue Arbeiten 27. November 2020 bis 16. Januar 2021 in Vorbereitung für 2021 Fabian Gattermann BEGE Galerien Ulm 89073 Ulm Tel +49 (0) 179 . 483 41 88 www.bege-galerien.de

Galerie am Saumarkt Fischergasse 34 , 89073 Ulm Tel +49 (0) 731 . 934 074 11 und +49 (0) 731 . 6 33 49 Mo und Di nach Vereinbarung, Mi bis Fr 10 – 13 und 14 – 18 Uhr, Sa 10 – 13 Uhr


CHRISTINE STREULI 29.2.–12.7.2020 SARAH OPPENHEIMER 29.2.–12.7.2020 JOHANNES ITTEN UND THUN 8.8.–22.11.2020 OPENING 7.8., 6.30 PM


*Aargauer Kunsthaus Aargauerplatz CH–5001 Aarau Di – So 10 –17 Uhr Do 10 – 20 Uhr www.aargauerkunsthaus.ch

John Stezaker, Mask (Film Portrait Collage) CLXXIII, 2014 © the artist, courtesy the artist and The Approach, London Foto: FXP Photography, London, 2014

1. 9. 2019 – 5. 1. 2020 MASKE In der Kunst der Gegenwart 16.11. 2019 – 5.1. 2020 Auswahl 19 Aargauer Künstler/-innen


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Baldung Grien, Rodin/Nauman, Henri M atisse

„Die wahre Kunst pfeift auf die Kunst.“ AUGUSTE RODIN

Es ist ein Kunstherbst der Superlat ive im Südwesten – d a s S a a r l a n d m u s e u m z e i g t e t w a 1 3 0 We r k e v o n B r u c e N a u m a n u n d A u g u s t e R o d i n , d i e K u n s t h a l l e M a n n h e i m b i e t e t i n „ I n s p i ra t i o n M a t i s s e“ e i n S t a ra u f g e b o t d e r d e u t s c h e n u n d f ra n z ö s i s c h e n K u n s t d e s f r ü h e n 2 0 . J a h r h u n d e r t s und die Staatliche Kunsthalle Karlsr uhe widmet dem R enaissancek ünstler H a n s B a l d u n g G r i e n e i n e g ro ß e R e t ro s p e k t i v e .

Im Mittelpunkt dieser Ausstellungen steht der Mensch: zum einen als formales Phänomen, das es zu erfassen und im Raum zu verorten gilt, zum anderen seine seelischen Untiefen, die sich in eigenwilliger Motivwahl ebenso wie in übersteigerter oder fragmentarischer Körperlichkeit spiegeln. Das Abbild der menschlichen Figur wird zum bildhaften Ausdruck der conditio humana. „heilig | unheilig“ ist die Retrospektive von Hans Baldung G ­ rien (1484/85–1545) in der Staatlichen Kunsthalle Karls­ruhe überschrieben und damit ist die Ambivalenz seines künstlerischen Werkes auf den Punkt gebracht. Als einen der „eigenwilligsten Künstler des 16. Jahrhunderts“ kündigt die Kunsthalle Baldung, der seit seinem Eintritt in die Nürnberger Werkstatt Albrecht Dürers im Jahr 1503 den Beinamen Grien trug, an und lädt in dieser „Großen Landesausstellung ­Baden-Württemberg“ zur Neuentdeckung eines Werkes ein, das von spätgotischen Anfängen über Einf lüsse der Hochrenaissance bis hin zu einem individuellen Manierismus führt. Ein häufiges Stilmittel Baldungs ist der Blick aus dem Bild, der auch für heutige Betrachter durchaus verstörend sein kann, etwa wenn Adam, Eva fest umfassend, aufreizend ­lockend aus dem Bild schaut. Seit 1509 lebte Baldung in Straßburg, dort entstand auch das 1523 signierte Tafelbild zweier


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Hans Baldung Grien, „Der Tod und die Frau“, um 1520,

Hexen vor gelb-rot glühendem Hintergrund. Ein Unikum in der Kunst des 16. Jahrhunderts, wenngleich Hexen ein beliebtes Thema in Zeichnung und Druckgrafik der Zeit waren. Vermutlich ist dieses ebenso erotische wie beziehungsreiche Rätselbild im Auftrag eines gebildeten Kunstliebhabers entstanden. Von Baldung sind zahlreiche Hexendarstellungen bekannt, die die ganze Bandbreite von Faszination des Übersinnlichen, Erotik und drastischer Körperlichkeit zeigen. Die Retrospektive verortet Baldung anhand von über 200 Werken im Kontext seiner Zeitgenossen wie Albrecht Dürer oder der Künstlerfamilie Cranach. Baldungs Hochaltar im Freiburger Münster ist übrigens noch heute in situ zu sehen. Dort sowie im Augustinermuseum in Freiburg und im Musée de l’Œuvre Notre-Dame in Straßburg sind begleitende Ausstellungen zu Baldung und seiner Zeit zu sehen.

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Kunstmuseum Basel


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Das Saarlandmuseum in Saarbrücken zeigt ausgehend von den eigenen Rodin-Beständen und ergänzt durch zahlreiche Leihgaben aus dem Musée Rodin in Paris einen aufschlussreichen Dialog mit Werken Bruce Naumans. Unterstützt wird diese aufwendige Schau von der Kulturstiftung der Länder und der Kulturstiftung des Bundes. Auguste Rodin (1840–1917) holte die Skulptur vom Sockel und stellte sie auf die Ebene der Betrachter. Wie kein Bildhauer vor ihm zeigte er im Fragment und der Deformation das Menschsein an sich. Bruce Nauman (* 1941) experimentiert mit den unterschiedlichsten Medien, stellt die Grenzen der Gattungen und der Kunst infrage, oszilliert zwischen Konzeptkunst, Perfomance und Body-Art, provoziert mit ­S exualität und Gewalt. Beide Künstler haben in ihrer Zeit

radikal innovative Ansätze gefunden und den Blick auf die Kunst wesentlich verändert. Es geht den Kuratoren dabei ­explizit nicht um das didaktische Aufzeigen von Einflüssen, sondern vielmehr um ähnliche künstlerische Haltungen. ­Denen ist anhand von Skulpturen, Grafiken, Zeichnungen, Installationen, Neon- und Videoarbeiten sowie Fotografien nachzuspüren, um dabei den Blick auf beide Künstler um neue Facetten zu erweitern. Gängige Schönheitsvorstel­ lungen interessieren Nauman ebenso wenig wie sie Rodin interessierten. Beide suchen vielmehr nach dem Kern, dem Wesenhaften in der menschlichen Gestalt. Es ist ein Suchen, das notwendig unvollendbar bleibt, ein Prozess, in dem das Fragment dem Eigentlichen am nächsten kommt.

Bruce Nauman, „Ten Heads Circle / In and Out“, 1990, Kunstmuseum Wolfsburg © VG Bild-Kunst, Bonn 2019 / Foto: Kunstmuseum Wolfsburg


Auguste Rodin, Ohne Titel [Sitzender weiblicher Akt mit angezogenem rechten Bein], undatiert, Saarlandmuseum – Moderne Galerie, Saarbrücken

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In der Kunsthalle Mannheim bietet sich derweil eine der raren Gelegenheiten, die Entwicklung des französischen Künstlers Henri Matisse (1869–1954) anhand von Gemälden, Plastiken, grafischen Arbeiten sowie Keramiken nachzuvollziehen. Auch er ein Künstler, der mit Traditionen gebrochen hat und im Ringen um neue Ausdrucksformen die Kunst seiner Zeit entscheidend prägte. Gleich am Eingang fällt der Blick auf ein geradezu programmatisches Bild aus dem Jahr 1903. Zwar herrscht hier noch die dunkle Tonigkeit des Frühwerks vor, doch der Blick aus dem Fenster auf blühende Bäume, rote Mauern und blauen Himmel in hellen, leuchtenden ­F arben zeigt an, wohin die Reise gehen wird. Kurz darauf setzte ­Matisse die Farbe frei: Sie glüht und vibriert auf seinen Bildflächen, er verdichtete sie zu ornamentalen Farbfeldern und ließ sie in feinen Abstufungen und Kontrasten brillieren. Auch motivisch weist „Das Atelier unter dem Dach“ in die Zukunft, denn Fenster blieben – neben der Figur im Raum und Stillleben – ein Hauptmotiv für Matisse. Sein Weg zur Verdichtung und Reduktion lässt sich besonders anhand der plastischen Werke nachvollziehen. Die menschliche Figur wird hier bisweilen zur arabesken Form, wenngleich er die Grenze zur Abstraktion nie überschritt. Ein Höhepunkt der Ausstellung sind die vier überlebensgroßen Rückenakte in Bronze, die Matisse über zwei Jahrzehnte beschäftigten – von der eher naturalistischen Darstellung zum fast gänzlich abstrakten „Rückenakt IV“ aus dem Jahr 1930. „Inspiration Matisse“ spannt den Bogen in drei Exkursen über Matisse hinaus und verortet ihn im historischen Kontext. Neben den Blicken auf die französischen Künstlerfreunde aus dem Umfeld des Fauvismus sowie die Künstler des deutschen Expressionismus stellt der dritte Exkurs deutsche Schülerinnen und Schüler der Académie Matisse in Paris (1908–1910) vor. Damit dokumentiert die Ausstellung auch den künstlerischen Austausch zwischen Deutschland und Frankreich zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Werke von ­Matisse waren bereits 1906/07 in einer Ausstellung neuerer

französischer Kunst in mehreren deutschen Städten zu sehen und wie schon in Paris war die Resonanz auf die Malerei der „Fauves“, der „Wilden“, zwiegespalten. Zur Einzelausstellung von Matisse bei Paul Cassirer in Berlin reisten 1909 Max ­Pechstein und Ernst Ludwig Kirchner eigens aus Dresden an – beglückt ob des Gefühls, hier einem Geistesverwandten zu begegnen, und doch schockiert von der Kompromisslosigkeit dieser Werke. „Matisse z. T. recht wüst“ notierte Pechstein auf einer Postkarte der beiden an Erich Heckel in Dresden. Auch bei dieser Zusammenstellung geht es weniger um Verweise auf Einf lüsse oder Abhängigkeiten als vielmehr um Geistesverwandtschaften. „Wüst“, das gilt gewissermaßen auch für Baldung, ­R odin und Nauman. Sie alle sind Künstler, die Grenzen ­gesprengt haben, die Impulsgeber für Neues waren und die Kunst ihrer Zeit gegen den Strich gebürstet haben. Und damit können sie noch heute eine Inspiration sein zum Denken ­abseits der Norm. KIM BEHM

30. November 2019 bis 8. März 2020 Hans Baldung Gr ien: heilig | unheilig Staatliche Kunsthalle Karlsr uhe www. k unsthalle-karlsr uhe. de Bis 26. Januar 2020 Rodin / Nauman Moder ne Galer ie des Saarlandmuseums, Saarbr ücken www. k ult urbesit z . de Bis 19. Januar 2020 I n s p i ra t i o n M a t i s s e Kunsthalle Mannheim www. k uma. ar t


Edward Steichen, „Matisse bei der Arbeit an La Serpentine“, 1909, Digitale Reproduktion nach der 1913 veröffentlichten Photogravüre im Besitz des Musée d‘Orsay, Paris © VG Bild-Kunst, Bonn 2019

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Cartoonmuseum Basel präsentiert—presents

Tom Tirabosco

Wonderland 23.11.2019 — 8.3.2020

www.cartoonmuseum.ch

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15.10.19 16:04

Ernst Ludwig Kirchner, «Sängerin», Skizzenbuch 6, Fol. 1, 1909

24.11.19 – 19.04.20

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Die Skizzenbücher Kirchners. Vom Bleistiftstrich zum Hologramm

Kirchner Museum Davos

Ernst Ludwig Kirchner Platz Promenade 82 CH–7270 Davos Di–So, 11–18 Uhr www.kirchnermuseum.ch

24.09.19 13:20


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40 Jahre Wilhelm-Hack-Museum „Darf ich Dir meine Sammlung zeigen?“

Gastkünstlerin: Sarah Morris, „1972 (rings)“, 2007, Haushaltslack auf Leinwand, 214 x 214 cm, Foto: © Städtische Galerie im Lenbachhaus

Das Wilhelm-Hack-Museum in Ludwigshafen am Rhein ­f eiert 40-jähriges Bestehen. Nun zeigt man in einer Jubi­ läumsausstellung mit dem koketten Titel „Darf ich Dir meine Sammlung zeigen?“ nicht nur ausgewählte Exponate der ­eigenen hochkarätigen – und mit etwa 10.000 Werken nicht gerade kleinen – Sammlung, sondern hat sich noch dazu „Geburtstagsgäste“ eingeladen. Sie kommen aus deutschen und internationalen Häusern und Sammlungen, mit denen das Wilhelm-Hack-Museum in den letzten Jahrzehnten in engem Austausch stand. Den kürzesten Weg hatte Umberto Boccionis „Urformen der Bewegung im Raum“ aus Mannheim über den Rhein, die weiteste Anreise Lyonel Feiningers „Die Dame in Mauve“ aus Madrid. In zwölf chronologischen Kapiteln wird die Ent­ w ick lung der Abst ra kt ion im 20. Ja hrhundert vom Expressionismus über Konstruktivismus, De Stijl, Bauhaus, abstrakten Expressionismus und Informel, ZERO, Nouveau Réalisme, Pop-Art und Op-Art bis zur Gegenwart aufge­ fächert. Die Liste der Künstlernamen liest sich wie ein Who’s who, darunter Kandinsky, Malewitsch, Schwitters, Rothko, Warhol, Fontana, Richter, Förg und Trockel – um nur einige zu nennen. Und da das Museum kein Mausoleum sein sollte, wie Stifter Wilhelm Hack explizit forderte, haben zeitgenössische Künstler ortsspezifische Arbeiten in diese historische ­P räsentation „eingeschleust“: Martin Creed hat quasi programmatisch 188 Farbfelder auf die zentrale Wand des Hauses gesetzt, Dan Perjovschi hat ironisch-witzige Kommentare zur Kunstwelt auf die Wände gezeichnet und geschrieben, Leni Hoffmanns Interventionen aus Plastilin nehmen Bezug auf die Architektur.

Ein eigener Ausstellungsteil ist der Historie des Museums gewidmet. Hier wird die Baugeschichte ebenso dokumentiert wie die Ausstellungs- und Sammlungsgeschichte, eine Leseecke lädt zum Blättern in Ausstellungskatalogen ein. Das alles ist gar nicht didaktisch, sondern ein lustvoller Spaziergang durch die Kunstgeschichte. Eine präzise und großzügige Hängung gibt den Werken Raum, die Nachbarschaften und Bezüge sind wohldurchdacht und kommen möglicherweise deshalb so beiläufig daher. Und wenn etwa August Mackes „Mädchen mit Fischglas“ von 191 4 neben ­Robert Delaunays „Formes circulaires, soleil no. 1“ aus dem Jahr 1913 hängt, dann sind die großen künstlerischen Themen dieser Zeit ohne Worte erklärt. Wie schade, dass diese Ausstellung nur bis zum 26. Januar 2020 zu sehen ist. Immerhin, nachschauen kann man im pünktlich zum Jubiläum fertiggestellten neuen Sammlungskatalog, der das Konzept der Ausstellung aufgreift. KIM BEHM

Bis 26. Januar 2020 Dar f ich Dir meine Sammlung zeigen? 4 0 Jahre – Me i ste r we rke zu Ga st W ilhelm-Hack-Mu se um , Ludwigshafe n am R he in www. wilhelmhack. museum

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und Kunstbau München, Sammlung KiCo!


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10 0 Jahre Badisches Landesmuseum in Karlsruhe

Objekte zum Anfassen Vo r 1 0 0 J a h r e n w u rd e d a s B a d i s c h e s L a n d e s m u s e u m g e g r ü n d e t , s e i t 1 9 2 1 be f inde t es sich im Karl sr uhe r Schloss. Se ine B estände, unte r ande re m ­h e r v o r g e g a n g e n a u s d e n M a r k g rä f l i c h e n S a m m l u n g e n , r e i c h e n v o n d e r U r- u n d F r ü h g e s c h i c h t e b i s i n d i e G e g e n w a r t . Z u m B l i c k z u r ü c k k o m m t a b e r, v o r a l l e m m i t d e r n e u e n D a u e ra u s s t e l l u n g , d e r B l i c k n a c h v o r n d a z u . Z u k ü n f t i g s o l l a u s d e m B e t ra c h t e r d e r N u t z e r d e r A r t e f a k t e w e rd e n .

Köchergarnitur siebenbürgisch, Detail, datiert 1627,

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Foto: Goldschmidt, © Badisches Landesmuseum



190 ARTMAPP: Herr Köhne, wie stehen Sie zum ­Thema „Recht auf Kultur“? Welche Rolle spielt dabei die Provenienzforschung und wie spielt diese in Ihrer neuen Ausstellung zur Archäologie in Baden hinein? Eckart Köhne ist seit 2014 sowohl Direktor des Badischen Landesmuseums in Karlsruhe als auch Präsident des Deutschen Museumsbundes. In dieser Doppelfunktion setzt er sich explizit für die aktive Partizipation an kulturellem Erbe ein; das Landesmuseum ist im 100. Jahr seines Bestehens ­e uropaweit eines der umtriebigsten Häuser im Bereich ­Kulturgüterschutz. Im vergangenen Jahr machte es mit der Rückgabe von Objekten aus Museumsbesitz von sich reden – sie führten dazu, dass für die „Mykene“-Ausstellung im Sommer 2019 rund 100 noch nie gezeigte Objekte nach ­K arlsruhe ausgeliehen wurden. Auch bei der Landesaus­ stellung „Kaiser und Sultan. Nachbarn in Europas Mitte“ (bis 19. April 2020) wartet das Museum mit Highlights auf: Zwei der bedeutendsten Turcica-Sammlungen – jener in Karlsruhe und die in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden befind­l iche – können erstmals zusammen präsentiert werden. Die „Karlsruher Türkenbeute“ ist Grundstock der Sammlungen der badischen Markgrafen und führt damit im Jubiläumsjahr sowohl die fürstliche Sammlungstätigkeit, wie die Einbettung der badischen Geschichte in europä­ ische Geschicke vor Augen. Mit „Archäologie in Baden“, dem zweiten großen M ­ useumsprojekt im Jubiläumsjahr, läutet das Museum eine neue Epoche ein, in der der Betrachter zum Nutzer der haus­e igenen Sammlungen wird. Für ARTMAPP sprach Chris Gerbing mit Eckart Köhne.

Eckart Köhne: Jeder Mensch hat das Recht, am kulturellen ­Leben teilzuhaben. Unter dem „Recht auf Kultur“ verstehe ich zum einen das Thema „Inklusion und Diversität“, das heißt, auf alle Mitglieder der Gesellschaft zuzugehen, ihre Bedürfnisse und Interesse zu berücksichtigen und die Komplexität der Lebensweisen und Identitäten anzuerkennen. Es geht zum anderen aber auch um eine Öffnung der Sammlungen an sich. In der neuen Sammlungsausstellung „Archäologie in Baden“ geht es darum, den sich verändernden Ansprüchen der Gesellschaft gerecht zu werden. So verfolgen wir das Ziel, dass Besucher künftig zu Nutzern werden und unsere Sammlungen in ungewohnter Weise erfahren können: Seit Juli ist es deshalb erstmalig möglich, sich von sogenannten Explai­ nerinnen und Explainern Objekte auf Wunsch vorlegen zu lassen – und unter bestimmten Voraussetzungen sogar an­ fassen zu dürfen. Objekte, die vorher nur hinter Vitrinenglas zu sehen waren, die Wissenschaftler und Forscher nur nach Rücksprache und mit Aufwand für das Museum im Depot ­betrachten konnten, sind nun für die Besucher wie in einer ­Bibliothek oder einem Archiv recherchier- und bestellbar. ­Damit ergibt sich ein direkter und völlig neuer Zugang zu den Objekten – für jeden, der an seinem kulturellen Erbe interessiert ist. Die Sammlung des Museums gehört den Bürgerinnen und Bürgern, demnach ist es folgerichtig, sie für alle zugänglich zu machen. Mit einer 3-D-Digitalisierungsstation können

Prof. Dr. Eckart Köhne, Direktor des Badischen Landesmuseums, Foto: ARTIS – Uli Deck © Badisches Landesmuseum


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Vaphio-Becher aus Schachtgrab III in Mykene, 16.–15. Jh. v. Chr.,

die Objekte nach dem Vorlegen gescannt werden. D ­ amit t­ ragen die Besucher zur Aufarbeitung der Sammlung und zur Bewahrung ihres eigenen kulturellen Erbes für die Gesellschaft im Sinne des Citizen Scienceship bei. „Archäologie in Baden“ setzt dieses neue Museumskonzept erstmals um. Nach und nach sollen auch die anderen Abteilungen diesem Prinzip folgen. ARTMAPP: Wie bewerten Sie den Standort ­K arlsruhe und welche überregionale Strahlkraft geht vom Landesmuseum aus? EK: Das Badische Landesmuseum hat sich bereits in der Vergangenheit mit großen Sonderausstellungen zu bedeutenden kulturhistorischen Themen einen Namen gemacht. Die Präsentationen zeichneten sich seit jeher durch einen großen

Erlebnischarakter sowie durch hohe wissenschaftliche Sorgfalt aus. Bei „Kaiser und Sultan“ haben wir beispielsweise einen international besetzten wissenschaftlichen Beirat, dem Vertreter unter anderem aus Polen, Kroatien, Österreich und Ungarn angehören. In den letzten Jahren arbeiteten wir zudem im Rahmen intensiver Kooperationen zusammen mit den Kulturministerien der Herkunftsländer. Damit leistete das Museum einen wichtigen Beitrag zum Kulturgutschutz. Mit der Sammlungsausstellung „Archäologie in Baden“ gehen wir wieder einen Schritt weiter. Ich denke schon, dass wir mit dem neuen Museumskonzept eine Vorreiterrolle einnehmen: Ein 3.000 Jahre altes Schwert in der Hand zu halten und die Gebrauchsspuren zu erkennen, macht die eigene Herkunft und Vergangenheit greif bar. Für uns ist das der Weg, neue ­G enerationen zu erreichen, die von einem Museum mehr Teilhabe und neue Formen der Vermittlung erwarten.

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Foto: © Badisches Landesmuseum


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Gauri Gill, Untitled, from Acts of Appearance, 2015-ongoing, Pigmentdruck auf Archivpapier, 40,6 x 61 cm, Courtesy Gauri Gill © Gauri Gill


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Irritierender Spiegel F a s z i n i e r e n d e s S p i e l m i t d e r M a g i e d e s Z e i g e n s u n d Ve r b e r g e n s : die Ausstellung „ M A SK E . In der Kunst der Gegenwar t“

Ein klassisches Brustbild, eine junge Frau im Dreiviertelprofil vor neutralem Hintergrund. Sie trägt einen hellen Pulli. Ihr Gesicht aber, also das Zentrum des Bildes und der Aufmerksamkeit, ist dick mit schwarzer Schminke bedeckt. Die Züge der Dargestellten sind darunter kaum mehr erkennbar. Irritierender noch als diese dicke Schminke ist der Titel der Arbeit: „Painting“ heißt das Bild und es ist deutlich erkennbar eine Fotografie. Es ist eine Arbeit der Schwedin Cecilia Edefalk, eine Künstlerin, die normalerweise mit figurativer Malerei arbeitet. In „Painting“ setzte Edefalk den Gedanken vom Gesicht als Maske um: Man glaubt im Alltag gern, im Gesicht des anderen dessen Persönlichkeit erkennen zu können, andererseits macht man immer wieder die Erfahrung, dass sich das tiefere Wesen eines Menschen nicht unbedingt an dessen Nasenspitze ablesen lässt. „Wir alle spielen Theater“, befand der kanadische Soziologe Erving Goffman Ende der 1950er-Jahre. Wir sind im Umgang mit anderen nicht einfach nur die, die wir sind, sondern können – je nach Situation – ganz unterschiedliche Masken aufsetzen: hier ein verbindliches Lächeln, dort eine Miene der Entschlossenheit. Nicht immer kommt das, was sich auf dem Gesicht abspielt, aus tiefster Seele. Andererseits gelingt die Kontrolle der eigenen Mimik zuweilen nicht so, wie man es gern hätte. Früh schon in seiner Entwicklungs­ geschichte hat der Mensch begonnen, stoffliche Masken zu entwickeln. Masken, hinter denen man sich verbergen kann, mit denen man aber auch bestimmte Dinge zu zeigen vermag.

In der Ausstellung „MASKE. In der Kunst der Gegenwart“ im Aargauer Kunsthaus werfen internationale Künstlerinnen und Künstler einen Blick hinter Masken unterschiedlicher Art. Der Schweizer Ugo Rondinone hat eine Reihe bunter Fastnachtsmasken für Kinder abgegossen. In einer Reihe hängend wirken die schwarzen Polyurethanmasken feierlich und ernst, als seien sie mit einem Ritual verbunden. Auch Christoph Heftis Teppiche, in denen sich Formen und Motive von Masken aus unterschiedlichen Weltteilen und Kulturen verbinden, strahlen etwas sehr Archaisches und Imposantes aus. Masken wirken geheimnisvoll und erzeugen eine Aura von Bedeutsamkeit. In vielen Kulturen dienten sie ursprünglich dazu, ihren Trägern Zugang zu metaphysischen Welten zu ermöglichen. Etwas Magisches haftet Masken bis heute an, auch wenn sie in einem moderneren Verständnis eher Vehikel sind, die es ermöglichen, in andere Geschlechter, andere Zustände, andere Persönlichkeitskonzepte zu schlüpfen. Besonders faszinierend gestaltet dies die französische Künstlerin Hélène Delprat, die eine Rauminstallation mit einer ganzen Sammlung unterschiedlicher Masken sowie mit Filmprojektionen und Schattenspielen eingerichtet hat. „THE DON’T SHOW SHOW“ heißt ihre Installation, die einer Bühne gleicht, auf der ­Besucherinnen und Besucher der Ausstellung Betrachter und Mitspieler in einer großen Inszenierung sind, und die auf ­F ilme von Federico Fellini oder Romane wie Mary Shelleys „Frankenstein“ anspielt. ALICE HENKES

Bis 5 . Januar 2020 M A SK E . In der Kunst der Gegenwar t www. aargauerk unsthau s. ch

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im Aargauer Kunsthau s


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Gillian Wearing Raffinierte Rollenspiele

G i l l i a n We a r i n g s c h l ü p f t f ü r i h r e i n s z e n i e r t e n F o t o g ra f i e n i n d i e M a s k e n v o n Ve r w a n d t e n u n d Vo r b i l d e r n .

Das Titelbild der ARTMAPP zeigt eine junge Frau, frisiert und gekleidet im Stil der 1950er-Jahre. Auf den ersten Blick ist an dieser Aufnahme nichts Besonderes. Ein frisches junges ­G esicht, eine faltenfrei gebügelte Bluse. Und doch wirkt sie ­etwas befremdlich, beinahe künstlich. Ist es der knisternde Glanz der Haare? Der Mund mit den lächelnden Lippen, die leicht geöffnet sind und doch verschlossen wirken? Der Titel dieser Fotografie von Gillian Wearing löst manches Rätsel und gibt dafür neue auf: „Self Portrait as My Mother Jean Gregory“ heißt das Bild, entstanden ist es 2003. Die Künstlerin war, als die Fotografie aufgenommen wurde, 40 Jahre alt. Ihre Mutter dürfte, als die Vorlage für das Bild entstand, kaum älter als 20 Jahre gewesen sein. Möglich macht diese Verwandlung

eine Trompe-l’Œil-Maske, die in einem aufwendigen Prozess angefertigt wurde. Bleibt die Frage: Warum schlüpft eine erfolgreiche Künstlerin in die Maske ihrer jugendlichen Mutter? Und was sieht sie, wenn sie aus deren Augenhöhlen schaut? Gillian Wearing beschäftigt sich in Filmen, Foto­ grafien, Videos und Installationen mit Fragen nach Identität und Image, Rollenbildern und Selbstinszenierung, Fiktion und Realität. 1963 in Birmingham geboren, studierte sie ­u nter anderem am renommierten Goldsmith College in ­L ondon. Heute lebt und arbeitet sie in London. Ihre Arbeiten wurde ­bereits mehrfach ausgezeichnet. 1997 erhielt sie den Turner Prize.


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Gillian Wearing, „Me as Madame and Monsieur Duchamp“, 2018, bromide prints in articulated frame, 94 x 61 cm (each) © Gillian Wearing, courtesy Maureen Paley, London, Regen Projects, Los Angeles and

In der Ausstellung „MASKE“ im Aargauer Kunsthaus sind fotografische Arbeiten von Gillian Wearing zu sehen, für die die Künstlerin in die Rollen anderer Menschen schlüpfte: in die ihrer Mutter oder auch in die künstlerischer Vorbilder. ­Wearing setzte auf der Bildebene um, was viele Menschen als Gedankenspiel kennen oder beim Lesen eines Romans ­erleben. Damit führt ein Ausloten von Identität(en) fort, das in der Kunstgeschichte immer wieder thematisiert wurde, von Rembrandts „Selbstporträt als Apostel Paulus“ bis zu den Fotoserien Cindy Shermans. Wearing erschafft Fiktionen, die stets als solche zu erkennen sind. In „Me as Mapplethorpe“ reinszeniert sie das berühmte Selbstporträt des US-amerikanischen Fotografen, auf dem er mit einem Stock mit Totenschädelknauf posiert. In den Augenhöhlen der Mapplethorpe-Maske sind Wearings Augen samt Lidern sichtbar. Die doppelten Augenlider

irritieren und signalisieren sofort, dass hinter dem Masken­ gesicht ein anderes Antlitz steckt. Besonders raffiniert ist das Spiel mit echten Vorbildern und falschen Abbildern in „Me as Cahun Holding a Mask of My Face“. Gillian Wearing stellte hierfür ein Foto von Claude Cahun nach. Auch die zum Kreis der Surrealisten zählende Künstlerin und Autorin schlüpfte für ihre inszenierten Fotos in diverse Rollen, zum Beispiel in die eines geschminkten Gewichthebers. Gillian Wearing gab dieser an sich schon märchenhaften Figur ein weiteres, wahrhaft surreales Element in die Hand: eine Maske ihres eigenen Gesichtes, das so neben ihrem maskierten Ich schwebt. ALICE HENKES

www. mauree npale y. com

A R T M A P P   W I N T E R 2 019/ 2 0 — A U S S T E L L U N G

Tanya Bonakdar Gallery, New York/ Los Angeles



197

Dietrich Klinge und Har t wig Ebersbach in der Kunsthalle Schweinfur t

Schwerkraft – Fliehkraft

MARC PESCHKE

Bis 8. März 2020 Kunsthalle Schweinf ur t www. k unsthalle-schweinf ur t. de Sparkassengaler ie R oßmark t 5– 9 , 974 2 1 Schweinf ur t Evangeli sche Kirche St . Johanni s, Schwe inf ur t w w w . s c h w e i n f u r t- s t j o h a n n i s . d e Galer ie & Edit ion B ode GmbH, Nür nberg www. bode-galer ie. de

Die Ausstellung „Schwerkraft – Fliehkraft. Dietrich Klinge und Hart wig Ebersbach“ in der Kunsthalle Schweinfurt, Foto: Martin Frischauf, Stuttgart, © VG Bild- Kunst, Bonn 2019 (für Hart wig Ebersbach)

A R T M A P P   W I N T E R 2 019/ 2 0 — A U S S T E L L U N G

Anlässlich des 30-jährigen Jubiläums des Mauerfalls zeigt die Kunsthalle Schweinfurt nun eine Ausstellung mit zwei Künstlern aus der ehemaligen DDR: Dietrich Klinge und Hartwig Ebersbach. Gerade diese beiden zusammenzubringen, ergibt in mehrfacher Hinsicht Sinn – und dabei sind ihre ostdeutschen Wurzeln vielleicht sogar nebensächlich. Beide Künstler arbeiten an einem expressiv-kraft­ vollen Menschenbild. Der 195 4 in Thüringen geborene Bildhauer Dietrich Klinge erschafft große Figuren aus Bronze. Den Arbeiten wohnt dabei eine außergewöhnliche Offenheit inne, wie Willi Stöhr, der ehemalige Leiter der „evangelischen stadtakademie“ Nürnberg schreibt: „Seine Bronzen nehmen Menschen auf unmittelbare Weise hinein in einen größeren säkular-religiösen Zusammenhang. Sie sind Deutungs­ angebote, die frei lassen und Freiheit gewähren.“ „Schwerkraft – Fliehkraft“ ist die Schweinfurter Ausstellung betitelt. Und wenn man nun Klinges Werk mit dem Begriff der „Schwerkraft“ assoziieren mag, so ist es die „Fliehkraft“, die Hartwig Ebersbachs Arbeiten dominiert. Der in Zwickau geborene, in Leipzig lebende Künstler, der bei Bernhard Heisig studierte, hat zeit seines Künstlerlebens politische Themen bearbeitet. Seine expressive, auch an Asger Jorn geschulte Malerei wurde vor allem durch die „Kaspar“-Serien bekannt. „Kaspar“ ist eine Stellvertreterfigur – ein Schlüsselmotiv im Werk des Künstlers, das aktuell auch Einf lüsse fernöstlicher Kalligrafie verarbeitet.

Demgegenüber noch einmal Klinge: Seine visuellen Metamorphosen zwischen Holz und Bronze entscheiden sich nicht zwischen „sakral“ oder „profan“: Sie rücken den Menschen, den Körper im 21. Jahrhundert erneut ins Zentrum der ­Betrachtung. Aus dem großen Erbe der Geschichte der Bildhauerei gestaltet Klinge sein Werk, seine Figuren und Köpfe. Kraftvoll und vital ist diese Kunst, die nun in der Kunsthalle in Schweinfurt zu sehen ist. Das Miteinander der beiden Positionen unter dem ­Titel „Schwerkraft – Fliehkraft. Dietrich Klinge und Hartwig Ebersbach“, der Dialog zwischen Maler und Bildhauer, ­f indet seinen Ort in der großen Halle der Kunsthalle, einst der ­B ereich eines Schwimmbeckens. Malerei und Bild­h auerei, Leinwand und Bronze begegnen sich hier in einzig­artig spannungsreicher Weise. Die Strahlkraft der Präsentation wird noch gesteigert durch weitere Satelliten-Ausstellungs­orte: Sparkassengalerie und evangelische Kirche St. Johannis in Schweinfurt sowie die Galerie & E ­ dition Bode in Nürnberg.


Volker März | Impression Atelier Berlin | 2019

18. Oktober – 30. November 2019 VOLKER MÄRZ „DIE HAUT AB“ – Skulpturen | Malerei 6. Dezember 2019 – 25. Januar 2020 STILLLEBEN II - Skulpturen | Keramik | Malerei | Zeichnungen u.a. mit MARION EICHMANN – PERSIS EISENBEIS – GRITTA GÖTZE – MATTHIAS GARFF – ELLEN MÄDER-GUTZ – HEIKE JESCHONNEK – KARSTEN KUSCH – MICHAEL RAMSAUER – LOTHAR SERUSET 20. September – 07. November 2019 SONJA EDLE VON HOEßLE + HERBERT MEHLER - Skulpturen Marburger Kunstverein, Eröffnung: 20. September 2019 www.marburger-kunstverein.de

Februar 2020 . 6 1 – r a ru b e 13. F MEN G A L ERIE TA M au f der E 2020 art K A RL SRUH

17. November 2019 – 5. Januar 2020 - Kunstverein Münsterland MARION EICHMANN - Installation | Papierschnitte Gewinnerin Kunstpreis Kunstverein Münsterland, Preisverleihung und Ausstellung, www.kunstverein-muensterland.de 15. Dezember 2019 – 23. Februar 2020 SABINE OSTERMANN - Linolschnitte KUNSTSTATION KLEINSASSEN An der Milseburg 2, 36145 Hofbieber www.kunststation-kleinsassen.de D-10969 Berlin • Hedemannstr. 14

Tel: +49 (0)30 225 027 910

Mobil: +49 (0)175 20 69 42

info @ galerie-tammen.de

www.galerie-tammen.de


Ausstellungsprogramm Herbst / Winter 2019 / 2020 „also wird gemalt“ Der Bauhäusler Fritz Kuhr 14.9 bis 24.11.2019 Fritz Kuhr, Herbst oder im Gespensterblätterwald, 1960

Auf Papier Grafik und Zeichnungen aus den Sammlungen 7.9 bis 24.11.2019 Hanns Schimansky, Frau K. geht vorbei, 1978

Hans Brass Retrospektive 30.11.19 bis März 2020 Hans Brass: Der Leuchtturm, 1947

Sammlungspräsentation Die Gründergeneration der Künstlerkolonie sowie die Zeit der Klassischen Moderne Ganzjährig Paul Müller-Kaempff, Netzboot in den Dünen, um 1895

Geöffnet Dienstag bis Sonntag, 10 bis 17 Uhr

kunstmuseum-ahrenshoop.de


200

Amrei on Tour A m r e i H e y n e i s t K u n s t b e ra t e r i n ( S t u t t g a r t / M ü n c h e n) und ber ichtet sehr persönlich vom Suchen und Finden der Kunst.

Was steht bei Ihnen so an Ungelesenem im

sein. Schockverliebt im Kunstmuseum Stuttgart!

Bücherregal? Es lohnt ein wacher Blick.

Nach dem Künstlergespräch mit den

Bei mir finden sich früh Bestseller. Marie

Kuratorinnen Ulrike Groos und Carolin

Kondo? Beide Bände. Ungelesen. Quintessenz:

Wurzbacher sowieso. Understatement par

nur Glücksbringer behalten. Gelesen anderswo.

excellence. Als isländischer Künstler mit

Ab zu Oxfam. Benjamin von Stuckrad-Barres

Background sei das eben so. Man macht ein

„Panikherz“ (Regalfund) brach mir tagelang

bisschen von allem: Performance, Theater,

selbiges – gerade erst beim Hören des vom

Musik … und wiederhole das. So, dass

Autor gelesenen Wahnsinnswerks. Ja, ja!

„Visitors“, eine Neun-Kanal-Videoinstallation über 64 Minuten von 2012, vom „Guardian“

„Scheize – Liebe – Sehnsucht“! Ragnar

das beste Kunstwerk des 21. Jahrhunderts

Kjartansson bringt die Dinge auf den Punkt und

genannt wurde. Ein Ausnahmekünstler, der

erzählt von dieser Tragödie, ein Mensch zu

schmerzhaft-schön romantisiert, vergleicht und Fotos: © Amrei Heyne

deutet – schonungslos, direkt wie lange niemand mehr. Ein Künstler, der gibt! Ragnar, þakka-þér! Hat es der Sommer gut mit Ihnen gemeint? Wieder neugierig auf Kunst und Leben in Stadt und Land? Im „Garten der irdischen Freuden“ im Gropius Bau in Berlin (bis 1. Dezember 2019) nehmen uns über 20 Künstler wie Maria Thereza Alves, John Cage, Tacita Dean, Yayoi Kusama, Louise Lawler, Renato Leotta, Jumana Manna, Pipilotti Rist, Maaike Schoorel, Taro Shinoda, Zheng Bo mit an ihre grünen Daumen und zeigen Mittelfinger. Lungiswa Gquntas Rasen­ installation „Lawn I“ aus zerbrochenen Coca-Cola-Glasflaschen klagt an im Rundgang um den „Garten der Lüste“ – Werk in der Nachfolge Boschs! Eine bunt-frohe „Food for the Eyes“-Fotoausstellung bei C/O Berlin erinnerte an Sahne­ sünden, Tortenschlachten und brachte ebenso ein Wiedersehen der Wurstserie von Peter Fischli und David Weiss sowie Bilder von Stars wie Nan Goldin, Rinko Kawauchi, Martin Parr, Irving Penn, Stephen Shore, Wolfgang Tillmans. Vorarlberg ist eine Reise wert. Erst Atelier­ besuch bei Peter Wehinger hoch droben überm See: neue fantastische Zeichnungen sehen und wählen. Dann Radtour an den Bodensee in die Thomas Schütte @ Kunsthaus Bregenz, © VG Bild-Kunst, Bonn 2019


201 Kulturweltstadt Bregenz. Für Verdis „Rigoletto“ in der Regie von Philipp Stölzl gibts erst wieder zu den Festspielen im Juli 2020 Karten. Der Oldenburger Thomas Schütte bespielte das Kunsthaus, den Vorplatz und die Fußgänger­ zone. Die großartigen männlichen Bronze­ skulpturen dürfen stehen, die Damen nicht, und wie ernst meint er Architektur? Brennpunkt Stuttgart-Leonhardsplatz: Rotlichtviertel, Drogenszene, Jazzclub, Philharmonie, Kirche, Schule, Parkhaus, Automeile, Konsumtempel, Obdachlose im U-Bahn-Tunnel und Hipster-Bars – ein „Kunstkraftwerk“ („Stuttgarter Nachrichten“) an dem die Welten aufeinanderprallen, war meine Ausstellung „Realitäten“ im Kunstbezirk: Einladung zur Reflexion und Zustandsbeschreibung der Zeit, in der wir leben, mit den Künstlern Alvar Beyer, Kiddy Citny, Ivonne Dippmann, Carsten Fock, Marcel Hiller, Keti Tom Sachs @ Schauwerk Sindelfingen

Kapanadze, Alwin Lay, Felix Müller, Werner Pawlok, Sibylle Schwarz, Peter Wehinger, Janka Zöller in Malerei, Video, Fotografie, Installation, Zeichnung, Skulptur. D a n k e an alle Mitwirkenden und Besucher! In „Timeline“ bis April 2020 im Schauwerk Sindelfingen kann man Tom Sachs erleben und sich durch den amerikanischen Way of Life arbeiten! In Burghausen bei Altötting sah ich nach dem Besuch der Gnadenkapelle und der Schwarzen Madonna im Haus der Fotografie mit „Zeitlang“ Lungiswa Gqunta ‚Lawn I‘ @ Gropius Bau Berlin

eine der liebevollsten Ausstellungen im unbekannten Bayern. In Bild und Text von Sebastian Beck und Hans Kratzer. Überhaupt lohnt es, sich auf dem Land umzusehen. Die Heiligkreuzkapelle in Kirchenfenstern von August Weckbecker, einem weitgereisten Schweizer Maler, wurde neu geweiht und strahlt samt Gruft in hellem Glanz. Genießen Sie Ihre Zeit und bleiben einfach mal zu Hause! Kerzen an und Netflix aus! Vielleicht rufen Sie sogar einfach mal jemanden an? Oder schreiben einen Brief? Hören Sie Musik! Und wo ist eigentlich die nächste Ragnar-­ Kjartansson-Ausstellung …?

Realitäten @ Kunstbezirk Stuttgart

Machen Sie doch, was Sie wollen!

Ragnar Kjartansson @ Kunstmuseum Stuttgart, rechts im Vordergrund: A. Calder-Plastik © VG Bild-Kunst, Bonn 2019

amrei_on_tour@artmapp.net

A R T M A P P   W I N T E R 2 019/ 2 0 — A M R E I O N T O U R

Egglkofen am Schloss Montgelas mit


202

Ahrenshoop

Basel

Berlin

Hans Brass Retrospektive 30.11.2019 – März 2020 Kunstmuseum Ahrenshoop

Tom Tirabosco. Wonderland 23.11.2019 – 8.3.2020 Cartoonmuseum Basel

original bauhaus Bis 27.1.2020 Berlinische Galerie

Tom Tirabosco gehört zu einer Generation von ­W estschweizer Comicautoren der Nouvelle BD, die seit einigen Jahren mit außergewöhnlichen und ­e igenwilligen Arbeiten auf sich aufmerksam machen. Tirabosco hat unter anderem den Prix œcuménique beim 36. Festival in Angoulême und 2013 zum ­z weiten Mal den Prix Rodolphe Töpffer der Stadt Genf erhalten. Die Ausstellung im Cartoonmuseum Basel ist die erste Retrospektive des international ­b eachteten Künstlers im deutschen Sprachraum. ☞ Cartoonmuseum Basel Di–So 11–17 Uhr St. Alban-Vorstadt 28, CH-4052 Basel T +41 (0) 61 2263360 cartoonmuseum.ch

Anlässlich des 100. Gründungsjubiläums des B­ auhauses zeigt die Ausstellung des Bauhaus-Archiv / Museum für Gestaltung in der Berlinischen Galerie berühmte, bekannte und vergessene Bauhaus-­ Originale und erzählt die Geschichte hinter den ­O bjekten: Wie wurde die Sitzende im Stahlrohrsessel zur berühmtesten Unbekannten des Bauhauses? Hat das Haus am Horn einen heimlichen Zwilling? Wieso blieb das Tee-Extraktkännchen, als Prototyp für die Industrie geschaffen, immer Unikat? Die Ausstellung beleuchtet, wie Unikat und Serie, Remake und Original in der Geschichte des Bauhauses unzertrennlich verbunden sind. Zu sehen sind rund 1.000 Objekte aus den Beständen des Bauhaus-Archivs, besondere Leihgaben aus ­internationalen Sammlungen sowie zeitgenössische künstlerische Positionen, die das Bauhaus-Erbe neu betrachten. ☞ Berlinische Galerie Mi–Mo 10–18 Uhr, Geschlossen 24./31.12. Alte Jakobstraße 124–128, 10969 Berlin T +49 (0) 30 78902-600 berlinischegalerie.de

Hans Brass (* 9.7.1885 in Wesel; † 30.5.1959 in Berlin) war ein deutscher expressionistischer Maler und Graphiker. Der Kunsthistoriker und George Grosz-Experte Ralph Jentsch ordnet den heute fast vergessenen Brass in die große Bewegung der deutschen Avantgarde der 1920er-Jahre ein. Ein unmittelbares Anknüpfen an diese Tradition – er trat nach Machtantritt der Nationalsozialisten aus der Reichskulturkammer aus und erteilte sich damit de facto selbst Berufsverbot – gelang auch Hans Brass wie vielen seiner Kolleginnen und Kollegen der „verschollenen Genration“ nach dem Kriege nicht mehr. Im Osten als „Formalist“ misstrauisch beäugt, galt er den nur das Abstrakte gelten lassenden Kunstrichtern im Westen als kunstunwerter „Realist“. Zwischen diesen Stühlen sitzend gelang Hans Brass jedoch ein Alterswerk von bezaubernder Schönheit. ☞ Kunstmuseum Ahrenshoop Di–So 11–18 Uhr, Do 11–20 Uhr Weg zum Hohen Ufer 36, 18347 Ahrenshoop T +49 (0) 38220 6679-0 kunstmuseum-ahrenshoop.de

© Tom Tirabosco, 2019

Hans Brass, „Der Leuchtturm“, 1947, Öl auf Sperrholz, 64 x 47 cm, Privatbesitz

Ausstellungsansicht „original bauhaus“, Installation von Renate Buser, Foto: Catrin Schmitt


Bremen

Dettelbach

„Zur Unzeit gegeigt …“ Otto Nebel – Maler und Dichter Bis 19.1.2020 Städtische Galerie Bietigheim-Bissingen

Ikonen. Was wir Menschen anbeten Bis 1.3.2020 Kunsthalle Bremen

Spätlese 17.11. – 15.12.2019 Galerie Dr. Markus Doebele

Die Sonderausstellung „Ikonen. Was wir Menschen anbeten“ realisiert ein radikales Konzept: Erstmals wird die gesamte Kunsthalle Bremen mit ihren rund 4.500 Quadratmeter Fläche mit einer einzigen Ausstellung bespielt. In jedem der 60 Räume wird jeweils nur ein bedeutendes Werk oder eine zusammenhängende Werkgruppe präsentiert – von der russischen Ikone bis Jeff Koons. Ursprünglich eine Bezeichnung für ein religiöses Andachtsbild, wird der Begriff Ikone heute inflationär in unterschiedlichen Zusammen­ hängen verwendet. Die Ausstellung geht anhand von einzigartigen ­K unstwerken aus neun Jahrhunderten der Frage nach, wie sich auch gegenwärtig noch mit dem Begriff der Ikone – kultische Verehrung und die Idee des ­Ü bersinnlichen verbinden. Durch die einmalige Inszenierung besteht die Möglichkeit die spirituelle Kraft von Kunst in konzentrierten Begegnungen unmittelbar zu erfahren. In der Ausstellung wird das Museum selbst zum Ort der intensiven Begegnungen durch Entschleunigung, Kontemplation und Reflexion. ☞ Kunsthalle Bremen Mi–So 10–18 Uhr, Di 10–21 Uhr 25.12./1.1. 12–18 Uhr, 26.12. 10–18 Uhr 31.12. 10–15 Uhr geschlossen 24.12. Am Wall 207, 28195 Bremen T +49 (0) 421 32908-0 kunsthalle-bremen.de

Die Galerie Dr. Markus Doebele ist in Mainfranken beheimatet, wo Wein eine große Rolle spielt. Deshalb darf eine Ausstellung auch einmal mit einem Begriff aus der Welt des Winzers überschrieben werden. Spätlese weist auf eine besondere Qualität und auf einen langen Reifeprozess. In den späten Monaten des Jahres zeigt die Galerie eine Auswahl an kleinen und feinen Arbeiten von Künstlern aus ihrem Programm. Zu sehen sind in den Innenräumen Werke von Max Ackermann, Clemens Hutter, Paolo Iacchetti, Gerd Kanz, Wolfgang Leber, Andrea Lein, Ulrike Michaelis, Angelika Summa, ­R obert Weissenbacher, Ernst Wolf und anderen. Beim Gang durch den herbstlichen Skulpturengarten trifft man auf Werke von Clemens Hutter, Bernhard ­M üller-Feyen, Gunther Stilling, Angelika Summa und Frank Teufel. Die Ausstellung lädt ein, zu verweilen und Kunst mit Muse zu begegnen, bevor die Sinne vom vorweihnachtlichen Aktionismus belegt werden. ☞ Galerie Dr. Markus Doebele Mi–Fr 14–19 Uhr und nach Absprache Am Hoch 1, 97337 Dettelbach T +49 (0) 9324 903485 galerie-markus-doebele.de

Der deutsch-schweizerische Maler, Grafiker und ­D ichter Otto Nebel (1892–1973) schuf im engen Austausch mit zahlreichen großen Künstlerpersönlichkeiten der Klassischen Moderne wie Paul Klee, ­W assily Kandinsky und Marianne Werefkin sein einzigartiges Gesamtwerk. Otto Nebel hatte zunächst eine Ausbildung im Baugewerbe und als Schauspieler gemacht, bevor er als Mitglied der Sturm-Bewegung um Herwarth Walden als Wortkünstler hervortrat und sowohl Texte als auch erste Linolschnitte für deren Publikation lieferte. Wie viele Vertreter der Avant­ garden des frühen 20. Jahrhunderts experimentierte auch er mit Sprache, bildender Kunst und sogar mit musikalischen Gestaltungsformen. Diese erste ­d eutsche Einzelausstellung seit über 20 Jahren mit mehr als 100 Gemälden, Aquarellen, Zeichnungen und Druckgrafiken aus der Otto Nebel-Stiftung Bern sowie aufschlussreiches audio-visuelles Material ­v eranschaulichen, dass bei Otto Nebel das malerische vom lyrischen Werk nicht zu trennen ist und er als intermedial arbeitender Künstler neu entdecken ­w erden kann. ☞ Städtische Galerie Bietigheim-Bissingen Di/Mi/Fr 14–18 Uhr, Do 14–20 Uhr Sa/So 11–18 Uhr 26.12./1.1./6.1. jeweils 11–18 Uhr geschlossen 24.12./25.12./31.12. Hauptstraße 60–64, 74321 Bietigheim-Bissingen T +49 (0) 7142 74-483, -819 galerie.bietigheim-bissingen.de

Ulrike Michaelis, „Eimer und Hände“, 1997, Eitempera auf Japanpapier, 100 × 68,7 cm © VG Bild-Kunst, Bonn 2019

Greta Thunberg vor dem Schwedischen Parlament, 2018, Foto: Anders Hellberg Otto Nebel, „Kathedrale“, 1941, Otto Nebel-Stiftung, Bern, Foto: Myriam Weber

A R T M A P P   W I N T E R 2 019/ 2 0

Bietigheim- Bissingen

TERMINE FÜR ENTDECKER

203


40 JAHRE GALERIE LUTZE 160 AUSSTELLUNGEN 1979 1980 1981 1982 1986

1987

1997 1999 2000 2002 2003 2016

GALERIE BERND LUTZE Zeppelinstraße 7 88045 Friedrichshafen Tel. 0 75 41/22 71 3 Fax 0 75 41/95 40 80 www.galeriebesuch.de Mittwoch bis Freitag 14–19 Uhr Samstag 10–13 Uhr und nach Vereinbarung

9. November 2019 - 18. Januar 2020

KACHINAM

Kachina-Figuren der Hopi-Indiander (Arizona) Eröffnung: 8. November 2019 · 20 Uhr

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1993 1995

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1991 1992

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1988 1990

Werner Knaupp Wolfgang Glöckler ATALANTA LORRAINE Friedemann Hahn Gerhard Richter Horst Antes Johannes Brus Burkhart Beyerle Claus Peter Wittig Eugen Schlindwein Leiko Ikemura Romane Holderried Kaesdorf Thom Barth Jürgen Bordanowicz Michael Spilke Josef Felix Müller Peter Mell Joseph Beuys Gustav Kluge Astrid Klein Clemens Weiss Raimer Jochims Felix Droese Hyun-Sook Song Julius Kaesdorf Roy Lichtenstein Jochen Gerz Imi Knoebel Sigmar Polke Jürgen Schiertz DSCHIGGETAI Anna & Bernhard Blume Uta Zaumseil Georg Baselitz Nina Schiertz NI

ab 1978

9 =0* ,


Heilbronn

Jena

Am Anfang war das Land Bis 1.3.2020 KUNSTWERK – Sammlung Klein The Magic of Black and White Sonderausstellung ARTKELCH 19.1 – 1.3.2020 KUNSTWERK – Sammlung Klein, Ebene 3

Hans Purrmann. Kolorist der Moderne Bis 9.2.2020 Kunsthalle Vogelmann

Josef Nowinka (1919–2014) Malerei 7.12.2019 – 29.3.2020 Kunstsammlung Jena

Die Sammlung Klein präsentiert zeitgenössische ­ erke australischer Ureinwohner, die auf unterschiedW lichen bildnerischen Traditionen beruhen. Aus ­A rnhemland im Nordosten des Kontinents stammen Rinden und Objekte aus Holz, die mit Erdpigmenten bemalt wurden. In den zentralen Wüstengebieten werden Gemälde dagegen mit Acrylfarbe auf Leinwand hergestellt. Bei allen Unterschieden sind die vorgestellten Arbeiten miteinander verbunden durch ihren Ursprung in der spirituellen Vorstellungswelt der Aborigines, in Riten und Zeremonien, welche die Kraft der Schöpferahnen aus der „Traumzeit“ vergegen­ wärtigen und damit stets erneuern. Ab 19. Januar 2020 ist auf Ebene 3 im KUNSTWERK eine Sonderausstellung der Galerie ARTKELCH zu ­s ehen. Unter dem Titel „The Magic of Black and ­W hite“ geht sie der Frage nach, welche Traditionen, Mythologien und Anschauungen hinter der ­V erwendung von Schwarz und Weiß stehen. ☞ KUNSTWERK – Sammlung Klein Mi–Fr/So 11–17 Uhr Siemensstraße 40, 71735 Eberdingen-Nussdorf T +49 (0) 7042 3769566 sammlung-klein.de

„Bring mir die Farben!“ soll Hans Purrmann kurz vor seinem Tod gesagt haben und zeigt damit seine ­lebenslange Leidenschaft für Kunst und Farben. Zu Lebzeiten anerkannt und geschätzt, erlebt sein Werk in den letzten Jahren eine Renaissance. Mit dem Ziel Muster und Ordnungen aus der Natur zu verdichten und in eine kompositionelle Balance zu überführen, ist er einer der ersten postmodernen Künstler, die inhaltliche Fragen ausklammern und dem Betrachter „reine Malerei“ präsentieren. Purrmann war eng mit Henri Matisse befreundet und mit Max Liebermann sowie Hermann Hesse gut ­b ekannt. Von Bundespräsident Theodor Heuss wurde ihm 1955 der Orden „Pour le Mérite für Wissenschaft und Künste“ verliehen. Außerdem noch ein weiterer Bezug zu Heilbronn: Hans Purrmann lebte von 1914–16 in Beilstein auf dem Anwesen der Familie seiner Frau. Die Ausstellung ist in Kooperation mit dem Kunstforeningen GL STRAND, Kopenhagen, ­e ntstanden und wird von Annette Vogel und den ­S tädtischen Museen Heilbronn kuratiert. ☞ Städtische Museen Heilbronn Kunsthalle Vogelmann Di/Mi/Fr–So/Feiertag 11–17 Uhr, Do 11–19 Uhr Allee 28, 74072 Heilbronn T +49 (0) 7131 564420 museen.heilbronn.de

Josef Nowinka ist 1919 in Großhauland/Schlesien geboren und lebt ab 1925 in Berlin, wo er 2014 hochbetagt stirbt. Eine erste Ausstellung seiner Werke findet 1973 in einer Privatwohnung statt. Mit 64 Jahren folgt die erste öffentliche Einzelschau in der Kleinen Galerie Pankow des Kreiskulturhauses Erich Weinert. Darüber hinaus finden nur wenige Präsentationen seiner Arbeiten statt. Die Leichtigkeit, mit der manche Gemälde Nowinkas daherkommen, lassen durchaus Anleihen an naive Malerei erkennen, jedoch grenzt sich das Werk mit seinen Stilzitaten und dem Hang zur Narration entschieden von der Art Brut ab. Dominiert wird sein Schaffen von der Weiblichkeit, die, mal kokett, mal ernüchtert, gern leicht oder unbekleidet die Leinwand bevölkert. Nicht selten reflektiert der Maler seine Zeit mittels subtiler Anspielungen, was seine Bilder für die öffentliche Präsentation in der DDR untragbar machen. So gilt es heute das Werk des eigenwilligen Künstlers Nowinka wiederzuentdecken. ☞ Kunstsammlung Jena Di/Mi/Fr 10–17 Uhr, Do 15–22 Uhr, Sa/So 11–18 Uhr Markt 7, 07743 Jena T +49 (0) 3641 498261 kunstsammlung-jena.de

Hans Purrmann, Rückenakt vor Spiegel, 1919,

Nonggirnga Marawili, „Yurr’yun“, Erdpigmente auf Rinde, 210 x 82 cm, © Nonggirnga Marawili, VG Bild-Kunst, Bonn 2019, Foto: blitz + pixel, Eberdingen

Foto: Hans Purrmann Archiv, München

Josef Nowinka, „Das Licht“, 1990, Öl auf Hart faserplatte

© VG Bild-Kunst, Bonn 2019

© Nachlass Nowinka

A R T M A P P   W I N T E R 2 019/ 2 0

Eb erdingen- Nussdor f

TERMINE FÜR ENTDECKER

205


Darf ich Dir meine Sammlung zeigen?

Max Beckmann Lyonel Feininger El Lissitzky August Macke Franz Marc Piet Mondrian Jackson Pollock Gerhard Richter Karl Schmidt-Rottluff Andy Warhol u. a.

40 Jahre – Meisterwerke zu Gast 9 1 0 2 / 14/09/2020 www.wilhelmhack.museum

Abbildung Willem van Honthorst (?), Elizabeth Stuart als Witwe mit ihren Kindern, um 1636, KMH (Detail)

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Univers fantastique

6. Oktober 2019 bis 16. Februar 2020

Museum im Schafstall in Neuenstadt a. K.

13.10.2019 – 26.1.2020 flumoto.de

Mittwoch und Sonntag 10.00–17.00 Uhr | Eintritt: € 5,- / ermäßigt € 3,- | www.museum-im-schafstall.de

Dienstag bis Sonntag 10.00 – 18.00 Uhr Hauptstraße 97, 69117 Heidelberg Telefon 06221 58-34020 www.museum.heidelberg.de


Karlsruhe

Kornwestheim

Leipzig

art KARLSRUHE 13. – 16.2.2020 Messe Karlsruhe

Luzia Simons – Naturgeschichten Bis 12.1.2020 Farbenrausch. Die Natur im Werk des Spätimpressionisten Manfred Henninger Bis 15.3.2020 herman de vries – parts of a whole 1.2. – 3.5.2020 Museum im Kleihues-Bau, Kornwestheim

HISTORY IN FASHION 1.500 Jahre Stickerei in Mode 21.11.2019 – 29.3.2020 GRASSI Museum für Angewandte Kunst, Leipzig

Zuhause im Sammlerland Baden-Württemberg, eingebettet in einer dichten Kulturlandschaft mit großen privaten Sammlungen wie Grässlin (St. Georgen), Schaufler (Sindelfingen), Hoppe-Ritter (Waldenbuch), dem Museum Würth (u. a. Schwäbisch Hall) und der Stiftung Frieder Burda (Baden-Baden), etablierte sich die Messe seit 2004 zu einer festen Größe im internationalen Messegeschehen. Die 17. Ausgabe der art KARLSRUHE (13. – 16. Februar 2020) wird erneut Kunst aus einer Spanne von 120 Jahren in den Karlsruher Messehallen vereinen. Jährlich ermöglichen über 200 nationale sowie internationale Galerien mit ihrem ausgestellten Programm einen Dialog der Klassischen Moderne und Gegenwartskunst. Markenzeichen wie die rund 20 in die Hallen integrierten Skulpturenplätze sowie zahlreiche One-Artist-Shows, die den Fokus auf das künstlerische Schaffen Einzelner legen, runden die Messe ab. Zum begleitenden Programm der Messe gehören u. a. Sonderausstellungen, Preisverleihungen, das ARTIMA art meeting sowie Events in der ­K arlsruher Kulturlandschaft. Weitere Informationen: art-karlsruhe.de ☞ Messe Karlsruhe Do–So 11–19 Uhr Messeallee 1, 76287 Rheinstetten art-karlsruhe.de

Im postmodernen Ausstellungshaus des Kleihues-Baus in Kornwestheim treten drei farbenprächtige Ausstellungen in einen spannenden Dialog. Die brasilianische Pionierin des Scannogramms Luzia Simons (*1953) hingegen orientiert sich in ihren monumentalen floralen Stillleben an dem Goldenen Zeitalter der niederländischen Malerei und thematisiert durch die Darstellung fernländischer Pflanzenmotive zugleich den kulturhistorischen Transfer. Die Ausstellung „Farbenrausch. Die Natur im Werk des Spätimpressionisten Manfred Henninger“ beleuchtet das umfangreiche Farbspektrum seines malerischen Schaffens. In der Ausstellung „parts of a whole“ von herman de vries wird die künstlerische Erforschung der Flora durch mythologisch anmutende Objets trouvés, ­b otanisch wertvolle Pflanzen sowie die einzigartige Farbgebung von Erdproben aus der ganzen Welt vermittelt. ☞ Museum im Kleihues-Bau Fr–So 11–18 Uhr Stuttgarter Straße 93, 70806 Kornwestheim museen-kornwestheim.de

Die Ausstellung bietet einen Streifzug durch 1.500 Jahre Modegeschichte – mit Schwerpunkt auf Stickerei. Diese jahrhundertealte Technik der individuellen und detailverliebten Verzierung erfüllte schon immer das Bedürfnis, Individualität und Bedeutung in Kleidung einzuschreiben. Als Kontrast zu Fast Fashion und Massenproduktion erlebt Stickerei gerade ein Comeback. Vor diesem Hintergrund zeigt die Aus­ stellung, an ausgewählten Beispielen der eigenen Sammlung, die über die Jahrhunderte immer wiederkehrende Bedeutung von Stickerei in der Mode. ­A ngefangen mit faszinierenden Arbeiten aus koptischer Zeit und Mittelalter, über reiche Stickereien des Barock, Arbeiten des 19. Jahrhunderts bis zu zeit­ genössischen Beispielen der Haute Couture. Daneben zeigt die Schau auch innovative Werke von Textilkünstler/-innen und jungen Talenten der Burg ­G iebichenstein Kunsthochschule Halle, bei denen ­t raditionelle Verfahren ebenso wie digitale Techniken der Textilveredelung faszinierend und innovativ ­e ingesetzt werden. ☞ GRASSI Museum für Angewandte Kunst Di–So/Feiertag 10–18 Uhr Johannisplatz 5–11, 04103 Leipzig grassimak.de

TERMINE FÜR ENTDECKER

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Impressionen von der Preview der art K ARLSRUHE 2019,

Coryn Fashion Leipzig: Stiefel „Flora’s Present”, Italien, Deutschland 2017, Stickerei in Seide auf textiler Oberfläche, Foto: Karola Bauer Luzia Simons, „Stockage 179“, 2019, Lightjet Print auf Diasec, 142 x 100 cm © VG Bild-Kunst, Bonn 2019

A R T M A P P   W I N T E R 2 019/ 2 0

Foto: Messe Karlsruhe, Jürgen Rösner


13. Oktober 2019 bis 19. April 2020

Max Pechstein Tänzerin in einer Bar, Detail, 1923/31 Privatbesitz © 2019 Pechstein – Hamburg/Tökendorf

Museum Ritter Waldenbuch

Seitenlicht VI, 2017 (Detail) © VG Bild-Kunst Bonn, 2019

Museum Ritter museum-ritter.de

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Mannheim

Oberhausen

Pas sau

John Bock. AuraAroma Ω-Beule Bis Oktober 2020 Kunsthalle Mannheim

DER STRUWWELPETER Zappel-Philipp, Paulinchen und Hanns Guck-in-die-Luft. Faszination und Kinderschreck. Von Hoffmann bis Böhmermann Bis 12.1.2020 LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen

Simon Lehner How far is a lightyear? Bis 31.1.2020 Soiz Galerie

John Bock zählt zu den wichtigsten zeitgenössischen Performance- und Videokünstlern. 2013 begeisterte er in der Mannheimer Ausstellung „Nur Skulptur!“ mit seiner eindrücklichen Installation „Voll die Beule“ und einer Performance, die nicht nur drei Schau­ spieler, sondern auch Skulpturen aus der Sammlung der Kunsthalle integrierte. Die skulpturale „Summenmutation“ dieser Performance wird nun gemeinsam mit der Rekonstruktion der ersten großen Arbeit ­„ LiquiditätsAuraAromaPortfolio“, mit welcher John Bock 1998 auf der Berlin Biennale der internationale Durchbruch gelang, in die Sammlung aufgenommen. Wesentliche Elemente dieser als Filmkulisse und ­B ühne gestalteten Installation hat der Künstler ­a ufbewahrt und als eigenständiges Werk behandelt. Jetzt werden sie als Teil eines Re-Enactments neu aufbereitet und in einer für die Kunsthalle Mannheim ortsspezifisch eingerichteten Raum-im-Raum ­I nstallation gezeigt. ☞ Kunsthalle Mannheim Di/Do–So/Feiertag 10–18 Uhr, Mi 10–20 Uhr Erster Mi im Monat 10–22 Uhr Friedrichsplatz 4, 68165 Mannheim T +49 (0) 621 293 kuma.art

„Sieh einmal hier steht er, Pfui! der Struwwelpeter!“ Viele Kinder sind mit diesem Satz, der die Erzählung vom Struwwelpeter einleitet, groß geworden. 1844 erfindet Heinrich Hoffmann die Geschichte vom Jungen, der sich weder die Haare kämmen noch seine Nägel schneiden lässt, und erdenkt zahlreiche weitere Charaktere in diesem Stil. Daumenlutscher Konrad, der Suppenkaspar oder Paulinchen: Seine Geschichten und Zeichnungen über die ungehorsamen Kinder ­f inden sich seit 175 Jahren nicht nur in deutschen Bücherschränken. Mehr als 450 Exponate veranschaulichen die Historie und Entwicklung des weltberühmten Bilderbuchs: Struwwelpetriaden in Form von historischen Büchern, Druckgrafiken, Illustrationen und Gemälden, aber auch als Theaterstück, Rock-Song und audiovisueller Adaption. Was Darth Vader oder Mark Twain damit zu tun haben, können die Besucher in der ­L UDWIGGALERIE herausfinden! ☞ LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen Di–So 11–18 Uhr Konrad-Adenauer-Allee 46, 46049 Oberhausen T +49 (0) 208 4124928 ludwiggalerie.de

„Wie weit ist ein Lichtjahr?“ – wollte der Wiener ­F otograf Simon Lehner (*1996) als Neunjähriger von seinem Vater wissen, als sich beide 2005 zum ersten Mal trafen. „How far is a lightyear?“ heißt auch das mehrfach preisgekrönte Fotoprojekt, das jetzt in der Soiz Galerie zu sehen ist. Es setzt sich symbolhaft mit Vaterschaft auseinander, mit Übergriffen, Liebe und damit, wie man über die Familie zur eigenen Identität findet. Der Betrachter der Bilder sieht die Welt aus dem Blickwinkel eines Jungen, der zwischen die Fronten einer gescheiterten Liebe geraten ist: In seinem Inneren muss er ständig zwei widerstreitende Pole ausbalancieren. Die Ausstellung zeigt neben klassischer Fotografie auch Ansichten von computergenerierten 3D-Modellen, die wiederum aus älteren Fotos erzeugt wurden. Es fasziniert, wie Simon ­L ehner damit die Grenzen des Mediums auslotet. Der 23-Jährige gilt als Shooting-Star der inter­ nationalen Fotoszene, „How far is a lightyear“ war zuletzt in Paris und New York zu sehen. ☞ Soiz Galerie Mi–Fr 15–19 Uhr, Sa 11–15 Uhr Schustergasse 19, 94032 Passau T +49 (0) 851 21051990 soiz.de

TERMINE FÜR ENTDECKER

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John Bock, „LiquiditätsAuraAromaPort folio“,

Aus der Serie „How far is a light year“, Collage Struwwelpeter, © Heinrich Hof fmann; © Manfred Bofinger; © Luise Bofinger; © David Füleki; © Anke Kuhl; © Karsten Teich; © Hans Witte; © Karin Jung

3D Rendering/Scan aus Archivmaterial, © Simon Lehner

A R T M A P P   W I N T E R 2 019/ 2 0

Installation mit Video, 1998, Foto: Knut Klaßen


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Regensburg

Regensburg

Regensburg

OFFENE ATELIERS 1.3.2020 Künstlerhaus Andreasstadel

„hängen, stellen, legen“. Claudia Busching, Ute Essig, Ursula Sax und Pomona Zipser 23.11. – 22.12.2019 „Bild-Findung/Bild-Erfindung“. Gisela Griem, Johanna Obermüller und Wolfram Schmidt 11.1. – 9.2.2020 „Komische Kunst“. Teil 3 der Ausstellungsreihe „Karikaturen“ Ab 21.2.2020 Kunst- und Gewerbeverein Regensburg e.V.

Zwischen Freiheit und Moderne. Die Bildhauerin Renée Sintenis Bis 12.1.2020 Kunstforum Ostdeutsche Galerie Regensburg

Jährlich im Frühjahr öffnen alle Künstler im Künstlerhaus Andreasstadel in Regensburg ihre Ateliertüren. 1634 als Lagergebäude für Salz errichtet, beherbergt das Gebäude seit 2004 Künstlerateliers direkt am Donauufer. Auf vier Stockwerken entstanden Atelierräume, die von der Oswald Zitzelsberger Kunst- und Kulturstiftung mietfrei zur Verfügung gestellt werden. Im Haus finden die Besucher neben dem Restaurant „Akademiesalon“ auch die zwei Säle des Programm­ kinos. In der Stadelgalerie finden wechselnde Einzelund Gruppenausstellungen mit dem Schwerpunkt auf hauseigene Künstler statt. Offene Ateliers mit: Vince Pollack, Barbara Sophie Höcherl, Kristina Brasseler, Christina Kirchinger, ­B arbara Muhr, Katharina Ganslmeier, Markus ­G enzwürker, Jasmin Lehmer, Luzie Gerb, Lisa ­L angbein, Tanja Riebel, Tania Bose, Johanna Brunner, Heidrun Seiboth, Lena Schabus, Christiane Settele und Atelier Kunst inklusiv. ☞ Künstlerhaus Andreasstadel So 1.3.2020 13–19 Uhr Andreasstraße 28, 93059 Regensburg T +49 (0) 941 8905810 kuenstlerhaus-andreasstadel.de

Als einer der ältesten Kunstvereine Deutschlands – gegründet 1838 – versteht sich der Kunst- und ­G ewerbeverein Regensburg heute als Stätte der ­V ermittlung aktueller Entwicklungen der bildenden und angewandten Kunst in ihren vielfältigen ­A usprägungen. Das Ausstellungsprogramm (ca. 6 bis 8 Ausstellungen pro Jahr) zeigt dahingehend ein ­k lares Profil und setzt neue, kreative Akzente. Die großzügigen Ausstellungsräume befinden sich im vereinseigenen Gebäude an der Ludwigstraße, ­inmitten der Regensburger Altstadt. In den 4 Räumen werden Einzel- und Gruppenausstellungen mit ­n ationalen und internationalen Künstlern gezeigt. Zudem werden regelmäßig Formate wie die Jahresschau, die einen Querschnitt regionalen Kunst­ schaffens hervorhebt, oder der Kunstpreis für ­M enschen mit Behinderung gezeigt. ☞ Kunst- und Gewerbeverein Regensburg e.V. Di–So 12–18 Uhr Ludwigstr. 6, 93047 Regensburg T +49 (0) 941 58160 kunst-und-gewerbeverein.de

Renée Sintenis (Glatz, Schlesien 1888–1965 Berlin) ist eine der ersten Frauen, die sich professionell der Bildhauerei widmen konnte. Die hochgewachsene Frau im Herrenanzug mit Bubikopf verkörperte ­z ugleich die „Neue Frau“ der 1920er-Jahre. Berlin verwandelte das Mädchen aus der brandenburgischen Provinz in eine mondäne Großstadtkünstlerin und einen gefragten Medienstar. Ihr Galerist Alfred Flechtheim machte Sintenis mit Sammlern in Paris, London und New York bekannt und vermarktete ­insbesondere ihre bronzenen Tierfiguren lukrativ. Der Stadt, der Sintenis zeit ihres Lebens verbunden blieb, widmete sie ihr bekanntestes Werk – den ­„ Berliner Bären“. In den 1950er-Jahren avancierte das Tier zur Symbolfigur der Stadt. Seit 1960 wird eine kleinere Version bei der Berlinale als Trophäe vergeben. Knapp die Hälfte der rund 100 Exponate der ­A us­s tellung sind kleinformatige Tierplastiken – ­d arunter der „Berliner Bär“. Zu sehen sind des ­W eiteren ihre Mädchenakte, Porträtbüsten, Sportler sowie grafische Arbeiten. ☞ Kunstforum Ostdeutsche Galerie Regensburg Di/Mi/Fr–So 10–17 Uhr, Do 10–20 Uhr Dr.-Johann-Maier-Straße 5, 93049 Regensburg T + 49 (0) 941 29714-0 kunstforum.net

Blick in die Ausstellung „Zwischen Freiheit und Moderne. Die Bildhauerin Renée Sintenis“ im Kunst forum Ostdeutsche Galerie Renée Sintenis, Selbstbildnis, 1944, Bronze, Ausstellungsansicht Stadelgalerie,

Kunst forum Ostdeutsche Galerie Regensburg,

Foto: Künstlerhaus Andreasstadel

Leihgabe der Bundesrepublik Deutschland, © VG Bild-Kunst, Bonn 2019, Foto: © studio zink fotografen

Außenansicht Kunst- und Gewerbeverein Regensburg e. V., Foto: Wolfram Schmidt


War t h

REMBRANDT. Ausgewählte Meistergrafiken aus der Schweriner Sammlung Bis 5.1.2020 Staatliches Museum Schwerin

L‘univers de Germaine. Muda Mathis, Sus Zwick, Hipp Mathis Bis 8.3.2020 Kunstmuseum Thurgau, Kartause Ittingen

Die Staatlichen Schlösser, Gärten und Kunst­ sammlungen Mecklenburg-Vorpommern widmen dem berühmtesten Künstler des Goldenen Zeitalters ­R embrandt van Rijn (1606–1669) aus Anlass seines 350. Todesjahres eine Ausstellung. 70 Werke aus der wertvollen, 168 Radierungen umfassenden ­S chweriner Sammlung bieten Einblicke in Rembrandts Schaffensjahre von 1630 bis 1659. Neben Selbstporträts, Landschaften, alltäglichen Genre- und religiösen Szenen werden auch die ­s ogenannten Nachtbilder vorgestellt. In diesen ­s piegelt sich in besonderer Weise die grafische ­M eisterschaft Rembrandts wider. Die für Rembrandt typischen Hell-Dunkel-Inszenierungen finden in ­d iesem Medium der Schwarz-Weiß-Kunst mit fein differenzierten Nuancen eine virtuose Umsetzung. Seine Bildentwürfe weisen eine hohe technische ­E xperimentierfreudigkeit auf. ☞ Staatliche Schlösser, Gärten und Kunstsammlungen Mecklenburg-Vorpommern Staatliches Museum Schwerin Di–So 11–17 Uhr Alter Garten 3, 19055 Schwerin T +49 (0)385 58847222 museum-schwerin.de

„L’univers de Germaine“ ist ein dreiteiliges Video­ projekt von Muda Mathis, Sus Zwick und Hipp Mathis. Im Fokus steht die 82-jährige weit gereiste Baslerin Germaine Winterberg, eine außergewöhnliche Frau. Sie erzählt ihre Erinnerungen direkt in die Kamera und berichtet in einzelnen Episoden über ihr Leben als Nonkonformistin und selbsternannte Forscherin, Mutter und Ehefrau, Lehrerin für außereuropäische Textilkunde, Boutiquebetreiberin und über sich als neugierige Menschenfreundin. Das Videoprojekt ­v erschränkt historisches Material und mündliche Überlieferung, performatives Agieren und musikalische Komposition zu einer vielschichtigen Sicht auf eine schillernde Persönlichkeit. Neben den Lebenserinnerungen als Episoden, entsteht ein filmisches Porträt und eine große Projektion, die sich mit dem Thema Trance auseinandersetzt und Germaine Winterberg als Tänzerin in Szene setzt. Die vollständige Erzählung ihrer Biografie ist als Hörbuchedition im Museums­ shop (auch online) erhältlich. ☞ Kunstmuseum Thurgau Kartause Ittingen Oktober–April Mo–Fr 14–17 Uhr, Sa/So 11–17 Uhr CH-8532 Warth kunstmuseum.ch

Rembrandt van Rijn, „Selbstbildnis mit Säbel“, 1634, © Staatliche Schlösser, Gärten und Kunstsammlungen Mecklenburg-Vorpommern, Foto: D. Klose

Germaine Winterberg (mit Kopfschmuck), Maghreb, Tunesien 1974, Archiv Sigi und Germaine Winterberg, Foto: Sigi Winterberg

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Der Rahmen vollendet das Bild. } Mehr als 35 Jahre Erfahrung in der Herstellung von Bilderrahmen und der professionellen Einrahmung bleibender Werte. } Umfassendes Programm an Fertigrahmen, Rahmenleisten, Spezialrahmen, Passepartouts und Bilderglas. } In über 40 boesner-Häusern und im Online-Shop auf www.boesner.com

www.boesner.com

ART DIRECTION

IMPRESSUM

Bethmann Design GmbH & Co. KG ARTMAPP MAGAZIN

AUTOREN DIESER AUSGABE

22. Ausgabe – 8. Jahrgang – November 2019

Kim Behm, Katja Behrens,

Verlag ARTMAPP GmbH

Nicole Büsing & Heiko Klaas, Babette Caesar,

DRUCK

Pfizerstraße 11, 70184 Stuttgart

Dr. Markus Döbele, Prof. Dr. Chris Gerbing,

NEEF + STUMME premium printing

HRB 760200 Amtsgericht Stuttgart

Bettina Götz, Alice Henkes, Amrei Heyne,

Schillerstraße 2, 29378 Wittingen

USt.-IdNr. DE284814593

Siegmund Kopitzki, Dr. Georg Kremer, Peter Lang,

Geschäftsführung: Silvia Brouwer, Reiner Brouwer

Clemens Ottnad M. A., Marc Peschke,

VERTRIEB

Prof. Dr. Dr. Gerd Presler, Jan-Peter Schröder,

IPS Distribution GmbH

Marianne Sperb

Am Sandtorkai 74, 20145 Hamburg

TEXTREVISION

ABO

Katrin Günther, Berlin, katrin_guenther@gmx.net

abo@artmapp.net

KUNST – Buch, Text, Netz

25 EUR (D) / 43 EUR (EU und Schweiz)

VERTRIEBSLEITUNG

bethmann-design.de

T +49 (0) 711 161 224 15

HERAUSGEBER Reiner Brouwer, r.brouwer@artmapp.net M +49 (0) 171 170 69 23

Einzelheftversand 11 EUR / 16 EUR (EU und Schweiz) MITARBEITER DIESER AUSGABE

Weitere Informationen unter artmapp.net

Mark Brouwer, Nina Czayka, Ute Lauterjung ANZEIGENLEITUNG

Am 19. März erscheint die nächste Ausgabe

Martina Krechtler, m.krechtler@artmapp.net

DATENBANKVERWALTUNG DER APP

T +49 (0) 621 87 55 79 65

Michael Lauterjung, app@artmapp.net

REDAKTION

DESIGNKONZEPT

artmapp.net, mobil.artmapp.net,

Bettina Götz, b.goetz@artmapp.net

Design – Chris Steurer, csteurer.com

facebook.com/ARTMAPP,

ARTMAPP Frühjahr 2020.

ISSN 2195-1594

instagram.com/artmapp_on_tour

Der ARTMAPP- Gesamtauflage liegt ein Beikleber „Museen & Ausstellungen“ der Düsseldorf Tourismus GmbH auf Seite 145 bei. Sollte eine dieser Beilagen nicht vorhanden sein oder Sie weitere Exemplare wünschen, senden Sie uns bitte eine E- Mail: mail@artmapp.net.

A R T M A P P   W I N T E R 2 019/ 2 0 — I M P R E S S U M

Silvia Brouwer, s.brouwer@artmapp.net



BRIXY

ART KARLSRUHE ONE-ARTIST-SHOW GALERIE TAMMEN H3/J31

Blick in die Ausstellung BRIXY PASSION – 15 Jahre Kunst im Alten Pumpwerk in Mannheim-Neckarau. Installation: Sundown – You better take care.

www.brixy.de Weitere Arbeiten bei

H4/L02

H3/J31



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