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Gastkolumne auto-schweiz
from aFLEET 01/2022
Herausforderung 2022 angenommen
Unter dieser Rubrik äussert sich François Launaz, Präsident von autoschweiz, zu aktuellen Themen der Verkehrspolitik und zum Marktgeschehen.
Neues Jahr, neues Glück! In den aktuellen, sehr herausfordernden Zeiten gilt dieser Ausruf umso mehr. Nachdem wir das Ende des Jahres 2020 herbeigesehnt hatten, verbunden mit der Hoffnung, dass die Covid-19-Pandemie 2021 vielleicht schon zu Ende gehen würde, wurden wir leider eines Besseren belehrt. Auch für die Automobilbranche ist Durchhaltevermögen gefragt, denn die durch die Chipkrise eingeschränkte Lieferbarkeit von Neufahrzeugen könnte sich noch bis in die zweite Jahreshälfte 2022 ziehen. Mit vielen Branchenbeobachtern hofft auch auto-schweiz auf eine frühere Besserung, auch wenn dies leider nicht in unserer Macht steht. So oder wünsche ich uns allen, dass im Laufe des Jahres eine deutliche Aufhellung der Pandemiesituation ersichtlich wird.
Verschärfung der CO2-Vorschriften
Doch auch die politischen Rahmenbedingungen stehen 2022 erneut im Fokus. Nach der Ablehnung des CO2-Gesetzes an der Urne im Juni 2021 sollte man etwas mehr Vernunft und Realitätssinn in der Schweizer Klimapolitik erwarten dürfen. Statt aber auf neue und höhere Abgaben zu verzichten, wie es der Bundesrat nach der Abstimmungsniederlage angekündigt hatte, wurden die CO2-Vorschriften für Neuwagen auf dem Verordnungsweg kurzfristig verschärft. Die schrittweise Einführung des seit 2020 geltenden Zielwertes von 95 Gramm CO2 pro Kilometer für Personenwagen wurde abrupt abgekürzt, sodass 2022 sämtliche Neuimmatrikulationen angerechnet werden statt der ursprünglich vorgesehenen 95 %. Eine Reaktion der Importeure auf die neuen Regeln ist kaum möglich, zumal die eingeschränkte Liefersituation ihr Übriges dazu beiträgt.
Auch die von der EU übernommene und dort nach wie vor gültige Berücksichtigung der speziellen Situation von Kleinserien- und Nischenherstellern bei den Zielvorgaben wurde auf Wunsch des Parlaments per 2022 gestoppt. Nicht einmal zwei Jahre sind zwischen der Einreichung eines entsprechenden Parlamentsvorstosses und der Umsetzung vergangen – wohl ein inoffizieller Rekord. Der
François Launaz, Präsident auto-schweiz, Vereinigung Schweizer Automobil-Importeure.
Schuss, der auf Sportwagen zielt, wird nach hinten losgehen und in der Schweiz beliebte Marken wie Subaru und Suzuki treffen. Sowieso werden beide CO2-Massnahmen dem Klima nicht helfen, sondern lediglich die möglichen Sanktionen für Importeure und damit die Kosten an vielen Ecken und Enden kurzfristig erhöhen, zulasten von Privat- und Flottenkunden sowie KMU. Zu einer weiteren Steigerung der Rekordmarktanteile an Steckerfahrzeugen, die 2021 bereits die 20 %-Marke übertrafen, werden sie jedenfalls nicht beitragen. Eher führt die Chipkrise zu einer Bevorzugung der entsprechenden EModelle bei Produktion und Auslieferung, was in puncto CO2-Zielerreichung als Glück im Unglück bezeichnet werden darf.
Klimaneutral bis 2050
An den langfristigen Zielvorgaben zur CO2Absenkung ändert sich für den Fahrzeugsektor auch mit der neuen Gesetzesvorlage nichts. Der Absenkpfad für Personenwagen und leichte Nutzfahrzeuge ist vorgezeichnet, mit Zwischenzielen ab 2025 (minus 15 % zu 2021) und 2030. Die EU diskutiert momentan noch über die Zielvorgabe von 0 Gramm CO2 pro Kilometer ab 2035, die die Schweiz sicher übernehmen würde. Ob und wie dann Benzin- und Dieselmotoren, die mit klimaneutral hergestellten synthetischen Treibstoffen unterwegs sein könnten, in diesem Regime Platz finden, wird die Zeit zeigen. Doch der Pfad der Automobilindustrie steht so oder so auf Elektrifizierung, mit der Batterie oder einer Brennstoffzelle als Energiequelle.
In dieses Bild wird auch die Diskussion um die «Gletscherinitiative» und den direkten Gegenentwurf des Bundesrats passen. Das Ziel der grundsätzlichen Klimaneutralität ab 2050 steht dabei im Zentrum, der Gegenvorschlag verzichtet allerdings auf das strikte Verbot von fossilen Brenn- und Treibstoffen. Angesichts der zeitlichen Distanz von 28 Jahren scheint dieser Verzicht sinnvoll zu sein. Sollte der Bedarf an herkömmlichem Benzin oder Diesel bis dahin abgeebbt sein, braucht es sicher kein Verbot. Synthetisch hergestellte Energieträger könnten bis dahin eine sinnvolle und klimaneutrale Alternative sein – für die Einsatzzwecke, wo sie dann gefordert und sinnvoll sind.