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Jetzt kommen die Premium-Stromer aus China
from aF 03/2023
Die Zeiten als chinesische Autos eher belächelt wurden, sind vorbei. Die neuen Modelle aus Fernost beeindrucken und sind bereit für ihren Siegeszug in Europa. Das sind die aussichtsreichsten Kandidaten. Von
Isabelle Riederer
Aiways
Der chinesische Hersteller Aiways gehörte zu den ersten, die sich hierzulande auf die Suche nach neuen Kunden machten. Seit letztem Jahr ist das erste Modell der Chinesen bei uns erhältlich, der Aiways U5. Bereits 2019 feierte das rein elektrische SUV auf dem Genfer Salon seine Premiere und beeindruckte optisch und technisch. Das etwa 40 000 Franken teure Auto hat eine Leistung von 150 kW und eine Reichweite von über 400 km. 51 Aiways U5 sind im vergangenen Jahr in der Schweiz zugelassen worden. Noch in diesem Jahr will Aiways mit dem U6 ein weiteres SUV-Modell auf den Markt bringen, ebenfalls rein elektrisch.
Nio
Im Herbst letzten Jahres feierte Nio in Berlin seinen Eintritt in den europäischen Markt. Die Modelle der rein elektrischen Premiummarke aus Shanghai sollen demnächst auch in der Schweiz erhältlich sein, eine passende Gesellschaft namens Nio Switzerland GmbH wurde bereits gegründet. Im Vergleich zu anderen Elektroauto-Herstellern setzt Nio auf Akku-Wechsel, eigene Ladestationen und ein eigenes Ladenetz. Bei unserem deutschen Nachbarn kann man bereits drei Modelle bestellen, die Limousinen ET7 und ET5 sowie das SUV-Modell EL7. Die Auslieferungen beginnen im Herbst.
Wey
Ebenfalls aus der Great-Wall-Motor-Schmiede stammt die Automarke Wey, und während Ora als junge, hippe Elektromarke den europäischen Markt erobern will, setzt Wey auf Luxus und High-End-Technologien. Benannt ist Wey nach Jack Wey, dem Gründer und Präsidenten von Great Wall Motor. Das erste Modell ist der Wey Coffee 01 – ein Plug-in-Hybrid-SUV mit einer Reichweite von 150 km. In Deutschland wird der Teilzeit-Stromer ab 55 900 Euro bereits ausgeliefert. Auch in die Schweiz soll das vierrädrige, koffeinhaltige Heissgetränk noch in diesem Jahr rollen – ebenfalls mit der Emil-Frey-Gruppe.
Mg
Den Namen MG verbinden ältere Generationen vielleicht noch mit spassigen Roadstern und schicken Limousinen, doch die Zeiten sind vorbei. Seit Jahren gehört MG Motors zum chinesischen SAIC-Konzern und bringt seine E-Modelle – bislang fast unbemerkt – auch in Europa auf den Markt. Doch seit einiger Zeit fallen die Stromer aus Fernost auf – erst mit dem Crossover Marvel R, dann mit dem Elektrokombi MG5 und nun mit dem MG4 Electric mit einer Reichweite von bis zu 450 km. In Deutschland ist der kompakte Stromer bereits erhältlich, und auch bei uns dürfte der MG4 Electric bald erhältlich sein.
Byd
Die Automarke BYD ist zwar noch jung, doch dahinter steckt einer der grössten Batterie-Konzerne Chinas. Bereits 2003 hat sich das Unternehmen entschieden, in die Autoindustrie einzusteigen, sieben Jahre später produziert BYD schon eine halbe Million Autos. Heute gehört der Konzern zu den grössten Automobilproduzenten Chinas und bereitet der westlichen Konkurrenz Kopfschmerzen. Mit dem SUV Tang und der Premium-Limousine Han kann es BYD locker mit Tesla und Co. aufnehmen. Und das vermutlich auch noch zu sehr konkurrenzfähigen Preisen. In Norwegen ist der Tang bereits auf dem Markt, der Rest von Europa soll noch dieses Jahr folgen. BYD steht übrigens für «Build Your Dreams». Nebst dem Tang und dem Han soll auch noch ein Kompakt-SUV namens Atto 3 auf den Markt kommen. Wann BYD auch in der Schweiz erhältlich sein wird, ist noch unklar.
Ora
Die Elektroautomarke Ora gehört zum chinesischen Hersteller Great Wall Motor, ein Unternehmen, das nicht nur Chinas erster Automobilhersteller ist, sondern auch als Hoffnungsträger gilt. Nach Europa kommt Great Wall Motor mit Ora dank der Emil-Frey-Gruppe, die sowohl für den Import, den Verkauf, die Logistik als auch das Aftersales-Geschäft der Stromer zuständig sein wird. Das erste Ora-Modell ist der Funky Cat. Die VWBeetle-Reminiszenz wird mit zwei unterschiedlich grossen Batterien mit bis zu 420 Kilometer Reichweite erhältlich sein. Ora verspricht ein digitales Bedienumfeld von der Face ID bis zur umfangreichen Sprachsteuerung. In Deutschland sollen die ersten Funky Cats noch in diesem Jahr ausgeliefert werden, für die Schweiz gibt es noch keine Angaben.
Wenige Details bewirken viel
Mit dem ID.3 startete VW in die Elektroära der Neuzeit. Nun erhält der Stromer ein Update und zugleich ein Upgrade. Optisch mit markanterer Front, im Interieur mit nachhaltigeren, edleren Materialien und ausserdem mit einer Vielzahl an neuen Funktionen fährt der ID.3 im Herbst bei uns vor. Die Details. Text: Jürg A. Stettler
Seit etwas über zwei Jahren ist der VW ID.3 nun auf dem Markt. Knapp 5000 Stück des ersten Elektromodells auf dem sogenannten MEB-Baukasten von VW kurven auch schon über Schweizer Strassen. Höchste Zeit also, um im mit immer mehr neuen Elektromodellen aufwartenden Segment Akzente zu setzen und allfällige Kinderkrankheiten auszumerzen. Daher startet im April der Vorverkauf und im Herbst die Auflieferung des überarbeiteten ID.3. Am auffälligsten sind sicherlich die optischen Anpassungen an der Front, denn hier fällt die schwarze Abdeckung im oberen Motorhaubenbereich weg. Jetzt ist die ganze Abdeckung in Wagenfarbe gehalten. Zusammen mit dem neuen Stossfängerdesign samt markanteren «Air Curtains», welche für bessere Aerodynamik sowie Kühlung der Bremsen sorgen, verleiht dies dem 4,26 Meter langen Elektropendant zum Golf einen dynamischeren Auftritt. Mehr Eleganz bringt die in Silber gehaltene Dachrahmenleiste, die nicht mehr Option, sondern Serie ist, für die Silhouette. Fast unangetastet blieb das Heck. Hier profitiert der ID.3 von einer neuen Lichtgrafik: Nun leuchtet auch der Reflektorteil der Heckleuchten mit. Auch im Interieur haben die VWLeute auf die Kundenwünsche Rücksicht genommen. Hier gehört der rasch mit Fingerabdrücken übersäte Klavierlack mehrheitlich der Vergangenheit an, insgesamt wirken Interieur und Cockpit nun hochwertiger. Das Armaturenbrett sieht nicht nur edler aus, sondern fühlt sich auch nobler an. Und das zentrale Display ist nun serienmässig statt optional 12 Zoll gross. Die Touchleiste ist auch nach dem Upgrade zwar noch nicht beleuchtet, aber dies sei angedacht und solle Mitte 2024 kommen.
Unverändert blieben Antrieb und Fahrwerk des VW ID.3. Der Vier- oder Fünfplätzer fährt weiterhin mit einem 204 PS/150 kW starken Elektroantrieb und zwei Batteriekapazitäten (58 respektive 77 kWh) zur Wahl vor. Das verschafft ihm eine WLTP-Reichweite von 426 oder 546 Kilometern. Zu schätzen weiss man auf dem Weg zur nächsten Ladestation vor allem einige der neuen Features. Wie den Travel Assist mit Schwarmdaten, der sich auch auf die Infos von anderen Fahrzeugen stützt und daher nun genauer ist. Wie das Head-upDisplay mit Augmented Reality oder auch den cleveren «Park Assist Plus», bei dem sich der ID.3 einen Parkvorgang merkt und sich beim nächsten Mal wie von Zauberhand gelenkt selbst in diese Garage zirkelt. Diese Details erhöhen alle den Komfort an Bord, und dank vier «Functions on Demand» (Navigation, Geschwindigkeits- sowie Abstandsregelung, 2-Zonen-Klimaautomatik und 30 statt 10 Farben fürs Ambientelicht) kann man sich bei Bedarf sogar auch einmal für ein Jahr oder auch nur einen Monat noch zusätzliche Funktionen gönnen.
Der Stromer erhielt innen und aussen nicht nur ein gelungenes Upgrade, sondern auch ein wichtiges Update. Der VW fährt nämlich mit der neusten Software-Version 3.5.0 vor. Er überspringt damit gleich mehrere UpdateStufen und merzt so die Kinderkrankheiten aus. Zudem wurden die Sprachbedienung und die Routenplanung verbessert. Eine dynamische Routenplanung gibt nun Hinweise auf belegte Ladesäulen, und man kann – echt praktisch – jetzt festlegen, mit welchem Akkustand man am Ziel eintreffen will. In der Schweiz startet der Vorverkauf im April. Die Preise werden mit dem Vorverkaufsstart kommuniziert.
Grosse Tasche fürs kleine Portemonnaie?
Mit dem Aiways U5 zieht erstmals ein Fahrzeug der 2017 gegründeten Marke Aiways in unserer Redaktion ein. Dabei sorgt das chinesische E-SUV für einige Überraschungen. Text: Rafael Künzle
Die erste Überraschung: Obwohl die Serienversion bereits am Auto-Salon Genf 2019 präsentiert wurde, sieht unser Aiways-U5-Testwagen auch 2023 taufrisch aus. Nicht nur angesichts der Länge von 4,68 Meter werden beim Betrachten der Silhouette dezente Erinnerungen an den Volvo XC 60 wach, was man durchaus als Kompliment verstehen darf.
Gross, aber leicht und flott
Die Firmensitze von Volvos Mutterkonzern Geely und Aiways liegen übrigens quasi ums Eck. Die 150 Kilometer von Shanghai nach Hangzhou, Hauptstadt der Provinz Zhejiang, meistert der Aiways U5 mit seiner 63-kWhBatterie problemlos, auf dem Rückweg könnte es knapp werden. Obwohl ein WLTPWert von 400 Kilometern ausgewiesen wird, ist zumindest im helvetischen Winter eine Reichweite von 250 Kilometern realistisch. Vorwärts gehts erstaunlich flott: Mit seinem 150 kW/310 Nm leistenden E-Motor beschleunigt das frontgetriebene SUV in 7,8 Sekunden von 0 auf 100 km/h, denn trotz seiner Grösse wiegt der Wagen (inklusive Fahrer) nur 1845 Kilogramm. Auch das komfortable Fahrwerk überzeugt. Die leichtgängige und synthetische Lenkung mag den Vorlieben im Reich der Mitte entsprechen, wir vermissten die Rückmeldung der Strasse. Die maximale Ladeleistung ist mit 90 kW im Vergleich zu den Mitbewerbern bescheiden, reicht aber aus, um den Akku in 35 Minuten von 20 % auf 80 % zu laden.
Ledertasche ersetzt das Handschuhfach
Im Innenraum staunen wir gleich mehrfach: ob der schicken Aufmachung mit wahlweise schwarzem oder cremeweissem Ledergestühl, einem dreiteiligen Cockpitbildschirm, dem opulenten Platzangebot in der zweiten Reihe oder der Leder-Tasche zu Füssen des Beifahrers. Sie ersetzt das Handschuhfach, welches bei der Entwicklung mutmasslich vergessen wurde. Auf ein Head-up-System und ein Navi wurde aus Kostengründen bewusst verzichtet, stattdessen muss via Kabel über Android Auto oder Google Carplay per Smartphone navigiert werden.
Ansonsten sind zahlreiche Annehmlichkeiten wie LED-Scheinwerfer, Panoramadach, Regen- und Lichtsensor, automatisches Fernlicht, Parkassistenten, Rundumkameras, Sitzheizung, Verkehrszeichenerkennung, Notbremsfunktionen, Abstandstempomat und vieles mehr serienmässig an Bord.
Voll ausgestattet für die Schweiz
In der Schweiz ist der Aiways U5 ohnehin nur in der höheren Ausstattungslinie «Prime» erhältlich, während das Fahrzeug in anderen Ländern auch in der Basisausstattung «Xcite» erhältlich ist. Entsprechend ist bis auf das Bicolor-Dach (+900 Franken) beim Kauf eines Aiways U5 in der Schweiz alles inklusive und die veranschlagten 45 490 Franken sind angebracht, jedoch kein Schnäppchen.