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Bugatti T35: Mit Andy Wallace auf Rallye

Mit Andy Wallace im Bugatti T35 über die Alpen

In seiner langen Karriere als Motorsportler und Testfahrer hat Andy Wallace einiges erlebt. 1988 gewann er die 24 Stunden von Le Mans, in einem Bugatti Chiron durchbrach er 2019 als erster Mensch die magische Marke von 300 mph (umgerechnet 483 km/h) in einem Serienauto. Mit ihm durfte ich an der diesjährigen Passione Engadina in einem Vorkriegs-Bugatti T35 bei Regen auf eine unvergessliche Rallye.

GESCHWINDIGKEIT HAT IM

Leben von Andy Wallace und in der Geschichte von Bugatti schon immer eine grosse Rolle gespielt. In den Achtzigerjahren gewann der Brite unter anderem die 24 Stunden von Le Mans. 1994 stellte Wallace einen Geschwindigkeitsweltrekord mit einem Serienwagen auf. Er fuhr mit einem McLaren F1 auf der VW-Teststrecke in Norddeutschland 386 km/h. Ein Vierteljahrhundert später – genauer gesagt im August 2019 – legte er an gleicher Stelle nochmals nach. In einem Bugatti Chiron Super Sport 300+ knackte er als erster Mensch die Marke von 300 mph, am Ende zeigte das Messgerät unglaubliche 490,484 km/h an.

Aus einer anderen Welt waren in den 20er-Jahren des letzten Jahrhunderts auch die Fahrleistungen des Bugatti T 35. Von Null auf 100 km/h ging es in 6,5 Sekunden, der Topspeed betrug 215 km/h. Kein Wunder, fuhr der nur 45 Mal gebaute Vorkriegsrenner über 2000 (!) Siege bei Rennen ein. Andy und das Auto bildeten an der diesjährigen Passione Engadina also die ideale Kombination, um auf der bereits zum 11. Mal durchgeführten Gleichmässigkeits-Rallye trotz Dauerregens bis zum Stelviopass und zurück nach St. Moritz an diese Erfolge anzuknüpfen.

Am Auto und am Fahrer sollte es also nicht scheitern. Eher schon an meiner Aufgabe als Copilot, Andy mittels Roadbook über

Es galt, zahlreiche Sonderprüfungen zu absolvieren

Trotz Regen genoss Andy Wallace die Fahrt sichtlich

Die Rallye führte uns mehr als 200 Kilometer über zahlreiche Pässe

BILD: MARKUS BARTHOLET

Trotz Nässe gaben die Teilnehmer in ihren offenen VorkriegsAutos alles

Gemeinsam mit Andy Wallace ging es in einem Vorkriegs-Bugatti auf Rallye

die richtige Strecke und vor allem durch zahlreiche Sonderprüfungen zu dirigieren. Zwar habe ich «das über 100 Seiten dicke Buch» am Vorabend der Rallye im Hotelzimmer noch gründlich studiert. Aber im offenen Vorkriegsrenner bei Regen und in voller Fahrt, standesgemäss gekleidet in Rennoverall, Lederhaube und Cabriobrille, komme ich trotzdem kaum mit den Anweisungen nach.

Denn Andy denkt trotz Regen nicht daran, das fast 100-jährige Auto aus dem Bugatti-Museum zu schonen. Er gibt stattdessen alles, um einen Bugatti T51, der kurz vor uns gestartet ist, einzuholen und einen weiteren Vorkriegs-Bugatti in Schach zu halten, der von seinem Besitzer rasant die zahlreichen Kurven den Stelviopass hinauf gejagt wird. Sogar die Touristen, die in ihren modernen Autos die zahllosen Kehren den Pass hochfahren, überholen wir einen nach dem anderen.

Auch der Regen wird langsam schwächer, in Tunnels und um die Steinmauern aus den Spitzkehren des Stelvio heraus dreht Andy den Achtzylinder immer wieder hoch, der Bugatti «fliegt» förmlich dem Gipfel entgegen. Weil der Regen für relativ kühle Bedingungen sorgt, bleibt auch die Temperatur unseres Bugattis immer im grünen Bereich. Keine Selbstverständlichkeit, wie wir später erfahren – denn die Rallye forderte von den Teilnehmern ihren Tribut und einige Ausfälle.

Einzig der knappe Grip der Reifen respektive die teilweise sehr rutschigen Strassen fordern auch Andy volle Konzentration ab. So sind wir auch erleichtert, dass der Asphalt nach dem Mittag endlich abtrocknet. St. Moritz als Zielort rückt nach über 200 Kilometern und fast sechs Stunden immer näher. Am Ende erreichen wir tatsächlich als Schnellste das Ziel. Der Wermutstropfen: Wären da nur nicht die Sonderprüfungen gewesen, die uns so viele Strafsekunden eingebracht haben. So bekommen wir am Ende keinen offiziellen Siegerpokal, die Erinnerung an eine unvergessliche Fahrt aber kann uns keiner nehmen. (ml)

Die Rallye belohnte uns mit eindrucksvoller Landschaft und sogar einem Regenbogen

BILD: JANNIK KUSCHMIERZ

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