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Esperienza Accademia Neve: Schneewalzer
Schneewalzer mit Kampfstieren
Bis auf den SUV Urus ist kein Lambo-Modell ein typisches Winterauto. Ein Winterfahrtraining mit den Supersportwagen macht also nicht wirklich Sinn – dafür umso mehr Spass. Zumal man in Livigno (I) an der «Esperienza Accademia Neve» Lamborghinis coolstes Geschoss fahren konnte: den Huracán STO.
KURZ VOR 9 Uhr morgens. Es ist schon hell, doch die Sonne versteckt sich immer noch hinter den Bergen. Das in einem italienischen Hochtal ungefähr zwischen dem Engadin und Südtirol gelegene Livigno erwacht aus einer eiskalten Nacht. Erste Wintersportler machen sich auf ins Skigebiet mit seinen 115 Kilometern Pisten. Sie staunen nicht schlecht, als sich ein Lamborghini Urus nach dem anderen durchs Dorf schlängelt. Der Super-SUV-Konvoi ist auf dem Weg zum Fahrtrainingsgelände. Am Steuer die Instruktoren, alles Lamborghini Werksrennfahrer, im geräumigen Fond die Teilnehmenden der «Esperienza Accademia Neve», so nennt Lamborghini sein Winterfahrtraining.
Exklusiver Fahrspass
Ein klassisches Fahrtraining ist die exklusive Veranstaltung aber nicht. Esperienza bedeutet auf Deutsch Erfahrung, also ist es eher eine Winterfahrerfahrung.
Diffizil: Es braucht nicht viel, und das Heck des STO bricht aus
Zuerst Vollgas, dann dosiert: Der 2,5 Tonnen schwere Urus ist nicht einfach zu beherrschen
Die italienische Sportwagenschmiede, die fast alle ihre Modelle nach berühmten spanischen Kampfstier-Zuchten oder einzelnen Kampfstieren benennt, führt die Events in Livigno seit 2012 durch. Nach einer CoronaZwangspause (2020, 2021) sind in diesem Jahr rund 100 Lamborghini-Besitzer, potenzielle Kunden und andere gut betuchte Enthusiasten dabei. Sie kommen direkt auf Einladung vom Lamborghini-Werk, über ihre Händler oder bezahlen den dreitägigen Event, der neben dem fahrerischen Teil aus zwei Übernachtungen in einem 5-Sterne-Hotel sowie zwei Gourmet-Nachtessen und den weiteren Verpflegungen besteht, aus der eigenen Tasche. Kostenpunkt: knapp 10'000 Euro, ohne Anreise. Insgesamt sechs solcher Dreitages-Events mit je 16 Teilnehmenden fanden 2022 statt, an einem waren verschiedene Medien eingeladen, unter anderem AUTO BILD Schweiz als einziger Schweizer Vertreter.
Rassiger Eistanz: Der Huracán EVO (Evolution, neuste Generation) mit Allradantrieb und V10-. Sauger eignet sich perfekt für Powerdrifts
Weltpremiere auf Eis
Die Sonne steht mittlerweile über den Gipfeln und strahlt die bereitstehenden Lambos grell an. Damit die Teilnehmenden nicht in die kalten Autos sitzen müssen, werden die Motoren schon mal gestartet und die Heizung aufgedreht. Insgesamt vier brandneue Huracán STO (5,2 Liter, V10, 640 PS, ab 339'000 Franken), welche das erste Mal überhaupt von Privatpersonen gefahren werden konnten, fünf Huracán EVO (5,2 Liter, V10, 640 PS, ab 251'000 Franken) und drei Urus (4 Liter, V8, Bi-Turbo, 650 PS, ab 161'000 Franken) stehen der Gruppe zur Verfügung – alle mit Spike-Winterreifen ausgerüstet. Nach dem Theorieteil im schicken Holzhäuschen und einigen Runden auf dem Beifahrersitz, um den Eis-Circuit kennenzulernen, darf man selber hinters Lenkrad sitzen.
Allrad bringt's
Ziel ist es nicht, möglichst schnell zu sein, wie auf der Rennstrecke. Es gilt, den gesamten Parcours im Drift zurückzulegen, quer von einer Kurve in die nächste, Lenken quasi mit dem Gaspedal. Am besten gelingt dies mit dem allradgetriebenen Huracán EVO. Der V10-Sauger
Sportlicher Pfadschlitten: Der Lambo Huracán STO pflügt durch den Schnee Exklusive Testfahrt: Mario Borri am Steuer des Lamborghini Huracán STO
Die Esperienza Academia Neve ist eher ein Wintererlebnis als ein Fahrtraining.
lässt sich auch im hohen Drehzahlbereich gut dosieren, dank Traktion an allen Rädern werden Powerdrifts mit etwas Übung und Talent zum Kinderspiel. Schon etwas schlechter zähmen lässt sich trotz gleichen Motors der heckgetriebene Huracán STO. Der verstellbare Heckspoiler und der speziell geformte Unterboden, welche auf der Rennstrecke für 420 kg Anpressdruck (bei Tempo 280) sorgen, sowie die Leichtbauweise nützen auf Eis nämlich nichts. Nur ein bisschen zu viel Gas, und der Super-Renner dreht sich. Noch schwieriger ist es mit dem zweieinhalb Tonnen schweren Urus. Einerseits muss man viel Gas geben, bis der Turbo-Schub des V8 einsetzt, dann aber dosieren um das Drehmoment hoch zu halten und die Kurven nicht zu schnell anzufahren. Denn rutscht der SUV erst einmal über die Vorderräder, ist es vorbei mit einem kontrollierten Drift.
Ziel erreicht
Nach rund sechs Stunden Fahrspass, die Sonne hat sich bereits wieder hinter die Berge verzogen, geht's mit dem Urus-Shuttle zurück zum Hotel und danach zum exklusiven Abendessen in einem Bergrestaurant. Nach den beiden erlebnis- und lehrreichen Tagen hat jeder Teilnehmende das Ziel mehr oder weniger erreicht. Zum Abschluss gibt es aber noch einen kleinen Wettbewerb. Wer in den Augen der Instruktoren die schönsten Drifts aufs Eis zaubert, hat einen Lamborghini Huracán STO gewonnen – im Massstab 1:24. Nur so viel sei gesagt: Der Sieger kommt aus der Schweiz. (mb)