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AUTO&SIE Tomiko Takeuchi
from A&W 1+2/2021
Isabelle Riederer,
ir@awverlag.ch
Gute & schlechte Beifahrer
Ich hoffe ja, Sie sind gut ins neue Jahr gestartet. Seit das Virus uns in seinem Würgegriff hat – und vermutlich wird das auch noch ein bisschen so bleiben –, nutzen viele Menschen wieder lieber ein privates Auto als den öffentlichen Verkehr.
Da ist man so schön allein, muss keine
Maske tragen und kann tun und lassen, was man will. Zuhause geht das ja nicht mehr.
Homeschooling und Home Office haben die eigenen vier Wände als Rückzugsort für viele zunichte gemacht. Also ab ins Auto.
Neulich bin also wieder mal so durch die Gegend gefahren und dachte über das neue Jahr nach. Was kommt auf uns zu?
Wird es besser? Oder gar noch schlimmer?
Werde ich endlich ein guter Beifahrer?
Ich bin ja der Typ «Besserwisser». Dieser
Beifahrer-Typ hat Benzin im Blut, heisst es.
Stimmt! Seine Ratschläge kommen meist ungefragt, zum Beispiel «Schalten wäre jetzt eine gute Idee», «Hier ist übrigens 60» oder «Oh, Tunnel! Licht einschalten!».
Verkehrspsychologen halten nicht viel von solchen nett gemeinten Ermahnungen, dabei meine ich es doch nur gut. Leider gehe ich damit aber allen auf die Nerven.
Dann gibt es da noch den «Entertainer», den «Schläfer», die «Quasselstrippe», den
«Angsthasen» und den «Navigator». Der
«Entertainer» sieht seine Aufgabe darin, den Fahrer vor Müdigkeit zu schützen und das vor allem mit Musik. Der «Schläfer» schliesst nach nur drei Minuten die Augen und lässt sich vom monotonen Motorengeräusch in das Land der Träume singen.
Die «Quasselstrippe» redet dem Fahrer die Ohren blutig und der «Angsthase» hat
Panik, kaum ist der Motor gestartet. Der
«Navigator» macht mit Strassenkarten und Handy dem Auto-Navi Konkurrenz und weiss sowieso viel besser, wo es langgeht.
Und welcher Typ sind Sie? Tomiko Takeuchi ist die Frau hinter Mazdas erstem vollelektrischen Modell, dem MX-30.
DIE TREIBENDE KRAFT
Tomiko Takeuchi ist die Entwicklerin des ersten rein elektrischen Modells von Mazda – des MX-30 – und eine der besten Testfahrerinnen des Unternehmens. Die Geschichte einer faszinierenden Frau. Bilder: Mazda
Als Tomiko Takeuchi 2015 zur ersten weiblichen ProgrammManagerin von Mazda ernannt wurde, konnte sie nicht glauben, dass sie nach so vielen Jahren ihren Traumberuf erreicht hatte. Mit der Beförderung kam allerdings eine enorme Belastung auf sie zu. Sie musste die Verantwortung für die gesamte Entwicklung eines neuen Modells übernehmen, von der Planung und Gestaltung über das Marketing, die Logistik und den Verkauf bis hin zum Kundendienst. Auch die Erarbeitung eines profitablen Geschäftsplans war ihre Aufgabe.
Takeuchi erinnert sich: «Mein Vorgesetzter informierte mich über die Beförderung, als ich gerade auf Geschäftsreise in Kagoshima war. Ich weiss noch, dass ich es im ShinkansenHochgeschwindigkeitszug zurück zum Mazda Hauptsitz in Hiroshima nicht geschafft habe, ein Nickerchen zu machen. Mein Herz schlug wie wild. Ich fand die neue Verantwortung ungemein aufregend, aber sie machte mir auch etwas Angst.» Schliesslich würde sie in Kürze mit der Entwicklung eines für Mazda so bedeutenden Modells betraut werden. Aber ihr Chef war sicher, dass sie die Richtige für den Job war. Er meinte, die Wahl sei auch deshalb auf sie gefallen, weil sie Druck aushalten könne, «so gross er auch sein mag». Beharrlichkeit und Entschlossenheit waren zwei ihrer Tugenden, die ihr in den darauffolgenden Jahren oft zugutekommen sollten. So begann ihre Karriere als ProgrammManagerin für den Mazda MX30, das erste rein elektrische Serienmodell aus dem Hause Mazda. Doch es war nicht das erste Mal, dass sie bei Mazda von sich reden machte.
Erste weibliche Testfahrerin in der Geschichte von Mazda Als Takeuchi 1997 frisch von der Universität kam und beim Unternehmen einstieg, wurde man schnell auf sie aufmerksam. Schon nach zwei Jahren ernannte man sie zur ersten weiblichen Testfahrerin von Mazda. Rückblickend meint sie, diese Laufbahn sei für sie vorbestimmt gewesen: «Meine Eltern hatten zwar keinerlei Interesse an Autos. Doch ich war seit meiner Kindheit immer begeistert von Flug und Fahrzeugen. Ich schlug eindeutig aus der Art!»
«Es war eigentlich ganz natürlich für mich, dass ich bei Mazda gelandet bin: Zum einen entdeckte ich meine Liebe zum Autofahren schon als Studentin, als ich mir mein erstes
Auto anschaffte, und zum anderen bin ich nun Serienmodell zu entwickeln.» Dieses Knowhow einmal ein Kind aus Hiroshima. 1999 habe ich erwies sich gerade bei der Entwicklung des als Testfahrerin bei Mazda angefangen und war Mazda MX30 als unschätzbar. Bei mehr als 1000 die nächsten zehn Jahre mit der Bewertung von Projektbeteiligten aus aller Welt ist es unerlässlich, Serienmodellen und Prototypen betraut.» dass ein ProgrammManager seine Vorstellungen
Mit harter Arbeit und Talent machte Takeuchi, klar kommuniziert, damit das Team fokussiert die selbst im Laufe der Jahre einen Mazda Carol bleibt. Dank ihrer Erfahrung als Testfahrerin war und einen Mazda MX5 der ersten Generation Takeuchi wie geschaffen, die Entwicklung des besass, auf sich aufmerksam. Mazda hat ein ersten EModells von Mazda zu leiten. eigenes Bewertungssystem für Testfahrer, das mit Berufseinsteigern beginnt und Ein Novum mit beim Meisterfahrer endet. 2004 Herausforderungen erhielt Takeuchi eine der drei Son «Autos sind nicht Allerdings ging das Projekt MX30 derlizenzen der Spitzenkategorie, mehr nur dazu da, alles andere als reibungslos über die ALizenz – als erste Frau bei jemanden von A die Bühne. «Es war ungewöhnlich Mazda überhaupt. «Bis heute bin nach B zu bringen. problematisch», meint Takeuchi. ich die einzige weibliche Testfah Die Menschen «Als unser erstes serienmässiges rerin mit dieser Sonderlizenz», so müssen die Zeit, EAuto war es ein absolutes Takeuchi. Als die beiden Modelle, die sie im Auto Novum. Wir fingen sozusagen auf die sie wesentlichen Einfluss verbringen, ganz von vorn an. Im Verlauf der hatte, nennt sie den Mazda MX5 geniessen.» Entwicklung wurden Design und und den Mazda2. Spezifikationen so oft verändert, dass wir immer wieder zurück ans Karrierehilfe dank Erfahrung Zeichenbrett mussten. Deshalb Trotz ihrer steilen Karriere bei Mazda gibt sie kann ich dem Team gar nicht genug danken. Ich freimütig einen Schwachpunkt zu: «Ich habe schon war mir bewusst, dass wir – ganz gleich wie forthinter dem Steuer etlicher Testfahrzeuge gesessen schrittlich die Autoproduktion heute ist – Projekte und bin in vielen Ländern herumgefahren. Aber wie den Mazda MX30 nur dank des kollektiven jedes Mal schaffe ich es, mich zu verfahren! Mir Willens und der harten Arbeit aller Beteiligten fehlt wohl einfach die Orientierung. Einmal habe realisieren können.» ich mich sogar in einem Hotel verlaufen!» Doch selbst wenn sich alle mächtig ins Zeug
Die mangelnde Orientierung auf der Strasse legen, braucht es jemanden an der Spitze, der das beeinträchtigte zum Glück nicht ihre Zielstrebigkeit Team inspiriert – und genau damit ist Takeuchis Fühbei Mazda, wo sich ihre zehnjährige Erfahrung rungsstil beschrieben. «Ich habe in den Sitzungen als Testfahrerin als unschätzbare Karrierehilfe immer das Team zu Wort kommen lassen – eine erwies. «Dank dieser Lehrjahre konnte ich mir bewusste Entscheidung, um jedem genau zuhören das Wissen für die Bewertung von Autos bis ins zu können und anschliessend den besten Weg für kleinste Detail aneignen. Aufgrund meiner Berichte uns alle zu finden. Schliesslich bin ich kein Experte konnten die Ingenieure die von mir getesteten für jeden Teilaspekt eines Fahrzeugs. Ich persönlich Fahrzeuge feinabstimmen, um daraus ein fertiges finde es nicht richtig, wenn jemand versucht, etwas im Alleingang durchzuziehen.»
Die Japanerin ist einzige Testfahrerin mit einer Sonderlizenz. Mehr Frauen in der Automobilbranche Wenn der Mazda MX30 dieses Jahr in den europäischen Showrooms eintrifft, hat Takeuchi eine wichtige Etappe hinter sich gebracht. Damit ist ihre Arbeit aber längst nicht getan. Dass sie die erste weibliche ProgrammManagerin in der Geschichte des Unternehmens ist, spielt für sie keine grosse Rolle. Ihrer Ansicht nach sollten viel mehr Frauen leitende Positionen in der Automobilbranche einnehmen. «Wir müssen Autos entwickeln, die schon Kindern und jungen Erwachsenen Spass machen und in denen sie sich wohlfühlen, Autos, die sie immer wieder geniessen möchten», erklärt sie. «Und ich glaube, dass Frauen in dieser Hinsicht genauso viel Kompetenz und Gespür haben wie Männer. Autos sind nicht mehr nur dazu da, jemanden von A nach B zu bringen. Die Menschen müssen die Zeit, die sie im Auto verbringen, geniessen. Wenn uns das gelingt, steigt auch die Zahl derjenigen, die gern fahren», sagt eine Frau, die selbst durch die Freude am Fahren zu ihrer Bestimmung gefunden hat. (pd/ir)
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