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Das ist dabei zu beachten
Dach, Sonne, Strom, Auto: Das Rezept klingt einfach
Ein Elektroauto mit dem selbst erzeugten Strom aufzuladen, klingt verlockend. Der Mobilitätsclub ÖAMTC klärt über die verschiedenen Möglichkeiten auf. Regel Nummer 1: Fragen der Technik und Kompatibilität sollten vor einer Anschaffung geklärt sein
Text: Mag. Severin Karl, Fotos: ÖAMTC/Hangen, Pexels/Kindel Media
Egal, wie lang man derzeit den Markt beobachtet und die Kaufentscheidungen der Nachbarn unter die Lupe nimmt, eines ist fix: Elektroautos werden immer mehr und früher oder später ist für jeden das passende Angebot dabei. Langsam stellt man sich also die Frage: Wenn ich mir so ein Batterievehikel zulege, wo lade ich es dann? Im Folgenden gehen wir konkret auf Hausbesitzer ein, womit sich die Frage wandelt: Kann ich mein Elektroauto mit Strom vom eigenen Dach laden und was macht da Sinn?
die Sonne liefert ökostrom frei haus „Grundsätzlich gibt es verschiedene Möglichkeiten“, erklärt ÖAMTC E-Mobilitätsexperte Markus Kaiser. „Basis ist immer eine Wallbox, die – vereinfacht dargestellt – den Strom aus dem Haus holt und an das Fahrzeug abgibt.“ In dieser Grundannahme kommt die Energie dafür meist aus dem öffentlichen Stromnetz und wird über den Zähler mit dem Stromanbieter abgerechnet. Insofern ist diese Lösung unkompliziert, man muss außer der Wallbox keine weiteren Geräte anschaffen – und Platz dafür herschenken –, auf keine zusätzlichen Steuerungen achten und in der Regel funktioniert das ohne Probleme. Es ist halt mit entsprechenden Stromkosten verbunden. Um ein Elektroauto klimaneutral zu bewegen, muss man zudem darauf achten, dass man einen Vertrag mit einem Ökostrom-Anbieter abschließt. Hier kommt der Strom vom eigenen Dach ins Spiel, denn damit schlägt man zwei Fliegen mit einer Klappe: Photovoltaik-Anlagen (PV) liefern nicht nur 100 Prozent Ökostrom, beim Laden verursacht dieser auch keine Kosten. „Im ersten Moment klingt das nach einer perfekten Lösung“, so Kaiser. „Ganz so einfach ist es aber leider nicht, denn es gilt, einerseits die Kosten für die Installation einer solchen Anlage zu berücksichtigen, andererseits sind – bestenfalls vorab – Fragen der Technik und Kompatibilität zu klären.“ Was man wissen muss: Ein Ladevorgang kann in der Regel erst ab mindestens sechs Ampere starten, um rein mit
Wer die ladeleistung reduziert, lädt zwar länger, hält den anteil der Netzenergie aber auch niedriger; manche Wallboxen optimieren das automatisch
dem Strom der Sonne zu laden, ist ein Überschuss der PV-Anlage von 1,4 kW nötig. Die sogenannten „Ladefenster“ in unseren Breiten sind wetterbedingt also entsprechend begrenzt. Außerdem sollte das Elektroauto daher möglichst untertags geladen werden, muss also an der Wallbox stehen – für Homeoffice-Werker durchaus vorstellbar. Natürlich spielt auch die Ausrichtung der Solarelemente eine große Rolle. Hier entbrennen am Stammtisch gerne heiße Diskussionen, wie viel Süden und wie viel Westen bei der Wahl des richtigen Winkels dabei sein darf.
Stromspeicher mit Verlusten beim laden und entladen Auch Strom vom Dach kann mehr oder weniger ins Geld gehen. Die vergleichsweise günstigste Lösung ist wohl das PV-Überschussladen mit Ergänzung durch Strom des gewählten Netzanbieters. „Diese Variante eignet sich bei kleinen PV-Anlagen mit geringer Leistung. Wichtig ist hier vor allem, den Anteil an Netzenergie so gering wie möglich zu halten“, sagt Kaiser. „Dazu sollte man die Ladeleistung im Auto oder in der Wallbox entsprechend der jeweiligen Erzeugung der eigenen PV-Anlage reduzieren, was die Ladedauer natürlich erhöht. Manche Wallboxen optimieren die Ladeleistung übrigens automatisch.“ Will man die Strategie wählen, nur mit Überschussstrom zu laden, muss man mit Schlechtwetter-Stopps zurechtkommen. Oder man investiert in ein automatisches Energiemanagementsystem. Dieses „erkennt, wie viel Strom aus der PV-Anlage kommt und lädt diesen mittels intelligenter Wallbox ins Auto“, erläutert der ÖAMTC Experte. Auch hier können einem die Wolken wiederum einen Strich durch die Rechnung machen. Mit einem Speicher, der den Solarstrom für die Nacht oder Schlechtwetterphasen speichert, wird man unabhängig. „Man darf dabei aber nicht außer Acht lassen, dass sich die Kosten für einen entsprechend großen Speicher im Bereich von mehreren tausend Euro bewegen“, sagt Kaiser. Außerdem sei das Laden/Entladen in diesem Fall nicht verlustfrei. •
Im ersten Moment klingt das nach einer perfekten Lösung. Ganz so einfach ist es aber leider nicht.“ Markus kaiser
schöne entwicklung
Der Photovoltaik werden heute große Ausbaupotenziale zugeschrieben, egal ob Elektroauto oder nicht: Jeder kann sich am eigenen Dach den eigenen Strom erzeugen. Dynamik kommt durch die Entwicklung der Kosten von PV-Anlagen hinzu: In den letzten 15 Jahren sollen diese um 65 bis 75 Prozent gefallen sein. Gerade für Firmen macht eine Umstellung Sinn, sind doch die Preise für PV-Großanlagen am deutlichsten gesunken. Zudem fallen die fixen Installationskosten hier weniger ins Gewicht. Wer sich schon vor langer Zeit Gedanken über eine PV-Anlage gemacht hat, muss eventuell umdenken. Denn waren früher vor allem die Module hohe Kostenfaktoren, ist es mittlerweile eher der Zustand der Hauselektrik. Auch auf die Statik des Daches ist nicht zu vergessen. Als ob die Sache nicht schon unübersichtlich genug wäre, gibt es auch noch verschiedene Arten von Solarzellen. Monokristalline Solarzellen eignen sich mit ihrem hohen Wirkungsgrad von über 20 Prozent besonders gut für kleine Dachflächen, die damit effizient genutzt werden. Allerdings sind sie in der Herstellung teurer und auch energieintensiver. Nächster Typ sind die polykristallinen Solarzellen mit ihren Unreinheiten und dem dadurch niedrigeren Wirkungsgrad. Durch den günstigeren Preis sind sie am öftesten anzutreffen. Mit ihrer günstigen Produktion stechen die Dünnschichtzellen hervor, die allerdings über den geringsten Wirkungsgrad (unter zehn, teilweise auch nur fünf Prozent) verfügen. Entsprechend viel Dachfläche muss dafür eingeplant werden.