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Rückblick
from FLOTTE 09/2021
Rückblick Was wäre wenn
Auch wenn die Optik sehr an den alten VW Bus erinnert, der Palten Diesel war in vielen Bereichen dem Millionenseller voraus. Der Transporter aus der Steiermark schaffte es dennoch nie auf die Straße.
text: Roland Scharf, Fotos: Palten, Archiv
Zur Vorgeschichte, wer oder was Palten überhaupt war: Die Palten Stahlindustrie Ges. m. b. H war eine Metallverarbeitungsfirma in der Steiermark, die sich im Zweiten Weltkrieg vor allem um Rüstungsbelange kümmerte. Nach dem Krieg suchte man nach einer Möglichkeit, den ziemlich leeren Großbetrieb irgendwie auszulasten. Und da dachte man natürlich an das Wirtschaftswunderkind schlechthin: das Auto. Ein Pkw wäre aber nicht das Richtige gewesen. Ein Land musste schließlich erst wieder auf die Beine kommen. Und da war nach dem Krieg natürlich ein Transporter das Maß der Dinge. Wie gut, dass das zuständige Ministerium in Wien derlei Projekte finanziell unterstützte. Als Partner für die Planung wählte man AVL List aus Graz und als Vorbild den gerade erst erschienenen VW Transporter oder schlicht Typ 2.
Fortschrittliche Konstruktion
Dass die ersten Prototypen dem Original aus Hannover ziemlich ähnlich sahen, darf man dennoch nicht als schlichtes Kopieren falsch verstehen. An der Grundform des Schuhkartons kann man einfach nichts verbessern, wenn es um ein Maximum an Platz geht. Als findiger Steirer dachte man aber schon ein paar Schritte voraus. Die Windschutzscheibe war nicht mehr zweigeteilt, VW setzte das erst 15 Jahre später um. Die Vorderachse war eine Doppelquerlenkerkonstruktion, wie sie bei VW erst 20 Jahre später zum Einsatz kommen sollte. Und im Heck ging man völlig eigene Wege und verbaute einen Diesel, Jahrzehnte vor der Konkurrenz. So toll das alles auch klingt, der V2Motor mit Luftkühlung von Warchalovski hatte gerade einmal einen Liter Hubraum und 27 PS, was für 75 km/h Höchstgeschwindigkeit gut war. In Anbetracht des Leergewichts von einer Tonne und 800 Kilogramm Zuladung ein respektabler Wert.
Alles nur geklaut?
Jedenfalls fertigte man fünf Prototypen und ging damit auf Werbetour. Ausgerechnet auf so einer Messe in Wien sahen 1954 just Leute von den Lohner Werken das Konstrukt und fühlten sich urplötzlich an einen Auftrag zurückerinnert, den sie AVL erteilten: Nämlich genau so einen Transporter zu bauen! Tatsächlich entstanden am Firmensitz in Wien Donaustadt eine Handvoll Prototypen, die dem Palten verblüffend ähnelten, sich aber betreffend der Haltbarkeit und Fahrleistung als unbrauchbar erwiesen haben. Lohner verwarf das Projekt. Dennoch fühlte man sich beim Anblick des Palten ein wenig verschaukelt und klagte entsprechend die Entwicklungskosten ein. Palten wollte mit dem Projekt jetzt nichts mehr zu tun haben. Und AVL, die bereits an Lohner und Palten verdient hatten, fädelten 1955 einen Deal mit dem spanischen Nutzfahrzeughersteller Fadisa ein, der Produktionswerkzeuge und Konstruktion übernahm und für den Heimmarkt 1956 2.000 Exemplare fertigte. •