bahn manager #04/2018

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# 04 — 2018 16,50 Euro Österreich 16,50 € Schweiz 18,10 SFR BeNeLux 16,50 € www.bahn-manager.de

AUF DEM PRÜFSTAND

Schwerpunkt HR & Employer Branding // ÖBB neue Strategie // Länderspezial Großbritannien // Deutschland-Takt // SBB-Spitze im Gespräch // EU: Stärkere Fahrgastrechte // Effiziente Routenplanung // Bahngipfel in Potsdam // Galileo goes Bahn


InnoTrans 2018. Besuchen Sie uns in Halle 26.

SPITZKE ist Wegbereiter schienengebundener Mobilität. Mit unseren Kompetenzbereichen – Fahrweg, Technik, Ausrüstung/ Elektrotechnik, Ingenieurbau, Logistik und Fertigung – gestalten wir schon heute die Zukunft der Bahninfrastruktur. Vernetzt und konsequent entwickeln wir unsere Geschäftsfelder weiter, damit nachhaltige Mobilität dauerhaft verfügbar bleibt. www.spitzke.com


E D I TO R I A L

Liebe Leserinnen, liebe Leser, Digitalisierung, Big Data und Social-Media-Recruiting krempeln Personalabteilungen und die HR-Beratung um. Dies verspürt auch der Nischensektor Schiene. Neue Technologien entlasten Personalverantwortliche in Unternehmen – fordern aber gleichzeitig neue Kompetenzen und ein Umdenken. Das Bewerbermanagement und die gezielte Ansprache von Talenten scheinen heute so leicht wie nie zu sein. Ganz gewiss ist, die Bedeutung des Digital-Recruitings wird weiter zunehmen. Entscheidet bald eine App oder ein Video über die Job-Zusage? Vielleicht. Mit Hilfe von innovativen Technologien werden Unternehmen dabei unterstützt, Bewerber zu finden, zur richtigen Zeit anzusprechen und zu prüfen, ob dieser sich mit der Unternehmenskultur identifizieren kann. Unternehmen müssen ihre Arbeitgebermarke gestalten und optimal im Personalmarketing umsetzen. Leichter gesagt als getan. Der sogenannte „War of Talents“ hat begonnen – egal ob Großkonzerne oder kleine Unternehmen, egal ob Key Account Manager oder Lokführer – der Fachkräftemangel und damit verbundene Engpass ist da.

Eine anregende Heftlektüre wünscht

Dennis Peizert Herausgeber


I N H A LT

12 HR & Employer Branding

Inhalt

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Die Interview-Serie geht weiter. Warum die Branche gerade für Frauen spannend ist, verraten Martina Löbe und Anette Szymkowiak

HR & Employer Branding 12

Titelmotiv Musste man früher erst einmal den Computer hochfahren oder nach Feierabend noch im Büro bleiben, weil man auf eine wichtige Nachricht gewartet hat, so sind heute fast alle Information auch von unterwegs schnell mit dem Smartphone verfügbar. Aktuelle Studien zeigen: Jeder zweite berufstätige SmartphoneBesitzer erledigt während privater Treffen und in privater Zeit berufliche Dinge. Dabei verwischen die Grenzen zwischen privaten und beruflichen Belangen immer weiter. Eine Chance für die Personalsuche?

Editorial Top-Meldungen

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Schritt für Schritt hinter die Kulissen Die Branche ist spannend und zukunftsträchtig. Wer offen, lernbereit und mobil ist, der kann die Karriereleiter schnell hochklettern. Bahn-Manager geben Tipps ÖBB stellt Weichen für die Zukunft Als Teil eines geschlossenen strategischen Konzepts für ein starkes und modernes Unternehmen bildet die neue Personalstrategie bei den ÖBB einen wesentlichen Eckpfeiler Interview I Shahriar Fatemi, Inhaber von AVALION, über den Menschen im Mittelpunkt und Herausforderungen im Sektor Women in Mobility / Interview II

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Employer Branding bei VTG Wie bei jeder Arbeitgebermarke bildet auch bei der VTG die sogenannte Employer Value Proposition (EVP) das Kernstück. Heidi Palm leitet die Personalentwicklung und gibt Hintergrundwissen

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Interview III Michail Stahlhut sieht im Bahnpersonal den Schlüssel zum Erfolg. bahn manager hat auf der VDV-Jahrestagung mit ihm gesprochen

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Karriere in Teilzeit Dass Teilzeitführung funktioniert, zeigt Prof. Anja Karlshaus von der Cologne Business School


52 Transport & Logistik

92 Forschung & Entwicklung

Personenverkehr 42

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Deutschland-Takt Damals eine Idee – heute Leitfaden der Bahnpolitik. Hans Leister zum Schienenverkehr der Zukunft Interview IV bahn manager im Gespräch mit dem Leiter Personenverkehr der ÖBB Kurt Bauer

ganisatorische Trennung im Eisenbahnmarkt dar

FOTOS: PIXABAY, DLR

Bahn oder Straße... ...das ist kein Thema mehr. SBB Cargo zeigt sich offen gegenüber Partnern und will auf zukunftsträchtige Verkehre setzen

Politik & Recht 58

Entflechtung im Eisenbahnmarkt Vizepräsident der Bundesnetzagentur Dr. Wilhelm Eschweiler stellt die or-

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Bahnmarkt Europa 64

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Transport & Logistik 52

Werkstatt & Service

Länderspezial: Großbritannien Fehler in der Vergangenheit zeigen deutliche Schwierigkeiten im britischen Bahnmarkt Interview V bahn manager im Gespräch mit Prof. Jon Shaw über die Einmischung der britischen Regierung in den Wettbewerb im Bahnwesen

Focus on Energy 78

Optimierte Routenplanung Der umweltfreundliche Umgang mit Energie ist ein ständiges Thema. ESE Engineering zeigt auf, wie Energieoptimierte Planung funktioniert

Vossloh Locomotives Optimierung als Trumpf. Das betrifft vor allem die Organisierung in der Produktion und im Service-Bereich

Industrie & Infrastruktur 88

Bahngipfel Potsdam Die durchgehende Zweigleisigkeit der Bahnstrecke Berlin-Stettin mit Elektrifizierung ab 2025 war ein wichtiges Ergebnis

Forschung & Entwicklung 92

Galileo goes Bahn Hochgenauer Navigationsempfänger und automatisches Rangieren als Kern des Systems

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Impressum Vorschau Forum Deutscher Mittelstand


TO P - M E L D U N G E N

// NEWS // Wittke bald im Aufsichtsrat // NEWS // Zulassung für Coradia iLint // NEWS //

DEUTSCHE BAHN STAATSSEKRETÄR WITTKE GEHT IN DEN AUFSICHTSRAT Wirtschafts-Staatssekretär Oliver Wittke wird Mitglied im Aufsichtsrat der DB. Das Bundeskabinett stimmte der Entsendung Wittkes in das Kontrollgremium des bundeseigenen Konzerns zu. Der CDU-Politiker und frühere NRW-Verkehrsminister Wittke ist seit März parlamentarischer Staatssekretär im Wirtschaftsministerium. Wittke nimmt nach Angaben des Ministeriums im Bahn-Aufsichtsrat den Platz des früheren Wirtschafts-Staatssekretärs Uwe Beckmeyer ein, der das Amt bereits niedergelegt hat. Die Bundesregierung ist in dem Kontrollgremium mit je einem Vertreter des Wirtschaftsministeriums, des Verkehrsministeriums sowie des Finanzministeriums vertreten. Im Aufsichtsrat der Bahn soll es außerdem zu weiteren Wechseln kommen, die Politik soll künftig mit zwei Mitgliedern mehr in dem Gremium vertreten sein. Wie aus Parlamentskreisen verlautet war, soll der frühere Bundesminister Christian Schmidt (CSU) in den Aufsichtsrat einziehen, ebenso wie der CDU-Haushaltspolitiker Eckhardt Rehberg.

Die beiden Politiker sollen für die Unternehmer Michael Frenzel und Jürgen Großmann nachrücken.

EISENBAHNBUNDESAMT ERSTER WASSERSTOFFZUG ERHÄLT ZULASSUNG Das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) hat dem „Coradia iLint“ von Alstom die Zulassung für den Fahrgastbetrieb auf dem deutschen Schienennetz erteilt. EBA-Präsident Gerald Hörster überreichte dem Unternehmen die Inbetriebnahmegenehmigung in Berlin im Beisein von Enak Ferlemann, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur. Es handelt sich um den weltweit ersten Personenzug, der mit einer WasserstoffBrennstoffzelle angetrieben wird. Dadurch können die Fahrzeuge auch auf nichtelektrifizierten Strecken im Regionalverkehr emissionsfrei eingesetzt werden. Der Beauftragte der Bundesregierung für den Schienenverkehr, Enak Ferlemann: „Weltpremiere in Deutschland: Mit der Genehmigung durch das Eisenbahn-Bundesamt schicken wir den ersten Personenzug mit Brennstoffzellentechnologie aufs Gleis. Das

GEFERTEC

DB SETZT STANDARDS AUF 3D-DRUCK Inzwischen kommen bereits mehr als 4.500 Ersatzteile und andere Produkte bei der DB aus dem 3D-Drucker, vom Mantelhaken über die Kopfstütze bis zur Querdämpferkonsole – insgesamt etwa 100 verschiedene Teile. Damit hat die DB vor einiger Zeit begonnen, ihre Instandhaltung mit schneller verfügbaren Ersatzteilen zu revolutionieren. Erstmalig lässt ein Mobilitätsunternehmen nun seine Lieferanten für die Produktion im 3D-Druck zertifizieren, um schneller und größere Mengen drucken zu können. Damit setzt die DB branchenübergreifende Standards beim Einsatz der innovativen Technik. Bei der Herstellung dieser Teile arbeitet die DB mit verschiedenen Dienstleistern zusammen. Derzeit testet die DB für die Produktion ihrer Teile innovative 3D-Druckverfahren im Metalldruck. Auch im Fokus ist das weltweit einmalige 3DMPVerfahren – 3D-Druck mit Metalldraht und Lichtbogen – des jungen Berliner Unternehmens Gefertec.

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ist ein starkes Zeichen für die Mobilität der Zukunft. Wasserstoff ist eine echte emissionsarme und effiziente Alternative zum Diesel. Insbesondere auf Nebenstrecken, an denen Oberleitungen unwirtschaftlich oder noch nicht vorhanden sind, können diese Züge sauber und umweltfreundlich unterwegs sein. Deshalb unterstützen und fördern wir die Technologie, um sie weiter in die Fläche zu bringen.“ Der Präsident des Eisenbahn-Bundesamtes, Gerald Hörster: „Innovationen sind wichtig für den Verkehrsträger Schiene. Dem EBA ist es ein Anliegen, dass technische Neuerungen auch in die Praxis Eingang finden. Das Projekt hat gezeigt, dass das behördliche Zulassungsverfahren einer zügigen Realisierung innovativer Projekte nicht entgegensteht.“

ALPHA TRAINS NEUER NACHHALTIGKEITSMANAGER Seit dem 1. Juli 2018 ist Carsten Schnurpfeil Nachhaltigkeitsmanager bei Alpha Trains. Der führende Leasinggeber für Lokomotiven und Züge hat die Position neu geschaffen, um zukunftsrelevante Themen wie Qualität, Umwelt, Sicherheit und gesellschaftliche Verantwortung in den Fokus zu stellen. Schnurpfeil hat langjährige Erfahrung als Manager für die Bereiche Nachhaltigkeit und Qualitätsmanagement: Als Bereichsleiter war er bei Carglass für die Themen Qualität, Umwelt, Sicherheit, Prozesse und Compliance verantwortlich, bevor er das Qualitätsmanagement bei Tank & Rast leitete. Der studierte Wirtschaftsingenieur ist bereits seit 2016 bei Alpha Trains und hat zuvor für den Geschäftsbereich Personenzüge als „Quality, Process and Maintenance System Manager“ wichtige Sicherheits- und Qualitätsthemen verantwortet und u. a. die DIN EN ISO 9001:2015 Zertifizierung koordiniert.


Ersatzteile aus dem 3D-Drucker // NEWS // Mehr Verantwortung // NEWS // Zu wenig Geld

ALLIANZ PRO SCHIENE

GRAFIK: ALLIANZ PRO SCHIENE

DEUTSCHLAND IM LÄNDER-RANKING HINTEN Während viele europäische Länder ihre Schienennetze für das künftige Verkehrswachstum ausbauen, steckt Deutschland trotz Rekordinvestitionen immer noch zu wenig Geld in seine Eisenbahninfrastruktur. Im Vergleich zu ausgewählten europäischen Ländern erreicht die Bundesrepublik auch 2017 nur einen der hinteren Ränge im Europa-InvestRanking, während nach einer Aufstellung der Allianz pro Schiene und der Unternehmensberatung SCI Verkehr wichtige europäische Wirtschaftsnationen auf dreistellige Pro-Kopf-Summen bei ihren staatlichen Investitionen in die Schieneninfrastruktur kommen. „Die mageren Jahre hat unser Schienennetz zwar hinter sich, aber von einer echten Trendwende des Bundes lässt sich trotz der Rekordinvestitionen für 2017 immer noch nicht sprechen“, sagte der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, Dirk Flege in Berlin. „Obwohl die Politik parteiübergreifend eine dynamische und zukunftsweisende Bahnpolitik will, reichen die Aufwendungen nicht für eine Verkehrswende“, bilanzierte Flege. Während Deutschland 2014 nur 49 Euro pro Bürger ins Schienennetz gesteckt hatte, waren es 2015 schon 56 und 2016 bereits 64 Euro. Die Summe allerdings, die statt der aktuell 69 Euro in absoluten Zahlen nötig wäre, um den Erhalt zu sichern und auch beim Neu- und Ausbau nennenswert voranzukommen, bezifferte der Allianz pro Schiene-Geschäftsführer auf rund 80 Euro pro Kopf. „Für die Digitalisierung des Netzes, den Deutschland-Takt, für die im Koalitionsvertrag angepeilte Verdopplung der Fahrgastzahlen bis 2030 oder für eine systematische Güterverlagerungspolitik, die der Masterplan Schienengüterverkehr des Bundesverkehrsministeriums vorsieht: Wir brauchen es beim Netzausbau schon zwei Nummern größer“, sagte Flege.

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TO P - M E L D U N G E N

// NEWS // VPI mit Appell // NEWS // Go für Rangierbahnhof // NEWS // Neuer CEO bei Škoda

„Das frisch geschmiedete Zukunftsbündnis Schiene kann die Verkehrspolitik aufs richtige Gleis bringen, wenn alle Beteiligten tatkräftig dabei sind“, bewertet Vorsitzender Malte Lawrenz auf der Mitgliederversammlung des VPI das Ergebnis des ersten Treffens der Schienenverbände mit dem neuen Verkehrsminister Andreas Scheuer, das in Berlin stattgefunden hatte. In seiner Rede vor den 140 Delegierten hob Lawrenz hervor, dass auch die im Masterplan Schienengüterverkehr festgeschriebenen Ziele damit politischen Rückenwind erhalten könnten. Um den seit Jahren zwischen 17 und 18 Prozent stagnierenden Marktanteil zu erhöhen, müsse jetzt konsequent und schnell gehandelt werden. „Die Wagenhalter legen bei Innovation, Lärmschutz und Digitalisierung vor. Vom Bund erwarten wir, dass auch er zügig in den Umsetzungsmodus geht. Guter Wille allein reicht nicht für eine Verkehrswende“, mahnte Lawrenz. Die angekündigte Trassenpreissenkung sei ein erster wichtiger Schritt. In vielen anderen Feldern fehlten jedoch noch konkrete, finanziell abgesicherte Maßnahmen, so Lawrenz. Hierzu zählten durchfinanzierte nationale Forschungsund Förderprogramme ebenso wie der Ausbau des Netzes für 740 Meter-Züge oder die Förderung von einheitlichen Lösungen für die Branche zur Digitalisierung und Automatisierung. Die Delegierten der Mitgliederversammlung bestätigten Malte Lawrenz erneut im Amt. Er wird den VPI in den kommenden drei Jahren als hauptamtlicher Vorsitzender führen. Mit 16 Neueintritten wuchs der Verband 2017 auf die Rekordmarke von nunmehr 228 Mitgliedsunternehmen an. Als eine der zentralen Aufgaben fürs kommende Jahr bezeichnete Lawrenz die Überführung des erfolgreichen VPI-Instandhaltungssys-

tems in eine Servicegesellschaft, die 2019 ihre Arbeit aufnehmen soll. Am Abend der Mitgliederversammlung kamen die Delegierten und zahlreiche Gäste aus Politik, Verbänden und Branche zum beliebten „Get Together“ des VPI zusammen. 250 Gäste wurden auf der Rickmer Rickmers im Hamburger Hafen erwartet. Am folgenden Tag schloss sich die 19. Technische Informationsveranstaltung (TIV) an mit zahlreichen Fachbeiträgen zu den Themenfeldern Radsätze, Zerstörungsfreie Prüfung, Neuerungen VPILF und Neuregelungen auf EU-Ebene. Mit 230 angemeldeten Teilnehmern war auch die TIV erneut sehr gut besucht.

GÜTERVERKEHR MODERNSTER RANGIERBAHNHOF EUROPAS IN BETRIEB Nach viereinhalb Jahren Bauzeit wurde am 29. Juni in Halle einer der modernsten Rangierbahnhöfe Europas offiziell in Betrieb genommen. Nach Angaben der Deutschen Bahn wurden 180 Millionen Euro in eine sogenannte Zugbildungsanlage investiert. Die Anlage, die bis zu 2.400 Waggons täglich passieren können, verfügt über 36 Richtungsgleise. „36 Züge können also gleichzeitig zusammengestellt werden“, sagte Bahn-Sprecher Frank Kniestedt. Halle gehöre damit künftig auch zu den zehn größten Rangierbahnhöfen Deutschlands. Die Zusammenstellung erfolgt über Scanner vollautomatisch. Die Güterwaggons sollen künftig vor allem von den Seehäfen Hamburg, Bremerhaven und Rotterdam in die Saalestadt kommen, neu sortiert werden, und nach Osteuropa (Tschechien, Slowakei, Polen) gefahren werden. Bahn-Manager Eckart Fricke sieht den Güterbahnhof auch als Drehscheibe für Transporte nach China. Ein Umschlag von Fracht findet nicht statt.

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ŠKODA TRANSPORTATION DEUTSCHLAND GMBH

DANIEL SCHAMBACH STEIGT WEITER AUF Der bisherige Škoda-Vertriebsdirektor Daniel Schambach wurde zum Geschäftsführer der Škoda Transportation Deutschland GmbH ernannt. Škoda konnte in den letzten Jahren wichtige Erfolge in Deutschland für sich verbuchen. „Mit dem Auftrag der DB Regio für den neuen NIM-Express sowie den Zuschlägen zur Lieferung von Straßenbahnen nach Chemnitz und nun auch für den rnv hat sich Škoda Transportation am deutschen Markt nachhaltig etabliert. Es ist daher ein logischer nächster Schritt, auch unsere interne Struktur diesem Expansionskurs anzupassen. Daniel Schambach hat als bisheriger Vertriebsdirektor die letzten fünf Jahre gemeinsam mit mir maßgeblich an der Markterschließung gearbeitet, er bringt die notwendigen Erfahrungen und Kenntnisse mit und ist daher die ideale Ergänzung für die Geschäftsführung der Škoda-Tochtergesellschaft in Deutschland“, erklärt Zdeněk Majer, Vizepräsident der Škoda Transportation Gruppe die Gründe für die personelle Veränderung.

FOTO: ŠKODA TRANSPORTATION

VPI MASTERPLAN SGV ZÜGIG UND KONSEQUENT UMSETZEN


EVG gestaltet. Wir stehen für Tarifpolitik und Mitbestimmung. Wir gestalten im Interesse unserer Mitglieder.

EVG sichert ab. Wir stehen für umfassenden Schutz. EVG-Mitglieder genießen vielfältige Unterstützung, Rechtsschutz und Versicherungsschutz.

EVG ist vor Ort. Wir stehen für Mitgliedernähe. Wir betreuen euch unmittelbar in den Betrieben und Dienststellen. Und mit unserem dichten Netz von Geschäftsstellen und Ortsverbänden.

EVG handelt. Wir stehen für eine Politik, die den öffentlichen Verkehr fördert. Dafür nutzen wir unsere guten Kontakte in die Politik und zu Verbänden. So können wir eure Interessen wirksamer vertreten.

EVG bildet. Wir stehen für Information, Qualifikation und Hilfe. Die EVG bietet Seminare, Weiterbildungen und Ratgeber. Praxisnah und politisch.

Wir leben Gemeinschaft

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HUMAN RESOURCES & EMPLOYER BRANDING FOTO: PIXABAY

WIE KOMMEN EUROPAS BAHN-PLAYER AN IHR PERSONAL? WAS ERWARTEN INTERESSIERTE VON DER BRANCHE? WIE STELLEN SICH BAHN-ARBEITGEBER INS RECHTE LICHT?

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S C H W E R P U N KT

» SCHRITT FÜR SCHRITT HINTER DIE KULISSEN « DIE BAHN GILT VIELEN ALS ZU UNSEXY FÜR EINE KARRIERE – GERADE DESHALB SIND DIE JOBPERSPEKTIVEN SO ATTRAKTV. BLEIBT DIE FRAGE: WIE STARTET MAN DURCH ALS „BAHNER“?

Wechsel ist unproblematisch. Und auch ein Ortswechsel ist in der Regel kein Problem, da die Aufgaben bundesweit die gleichen sind. Wer eine gewisse Affinität zum Verkehrsträger Schiene mitbringt, hat bereits eine wesentliche Grundqualifikation erfüllt – der Fachkräftebedarf ist immens. Allein die Deutsche Bahn AG stellt als mit Abstand größter Arbeitgeber in der Branche – jedes Jahr rund 10.000 neue Mitarbeiter ein. Und auch die DB hat Probleme, genügend Nachwuchskräfte zu finden. Obwohl die Branche krisenfest und zukunftssicher ist, leidet sie bei Absolventen und Berufseinsteigern unter einem schlechten Image. Arbeiten bei der Bahn? Zu altmodisch, zu technisch, irgendwie zu „nerdig“.

Ein allgemeingültiges Patentrezept für eine steile Karriere gibt es – wie in jeder anderen Branche – natürlich auch für Bahnmanager nicht. Doch anders als andere Branchen bietet der Schienensektor Einsteigern und Aufsteigern aussichtsreiche Karriere-Chancen. Die Branche ist spannend und zukunftsträchtig. Wer offen, lernbereit und mobil ist, der kann die Karriereleiter schnell hochklettern – und dabei ist es nicht unbedingt wichtig, ob man einen Studienabschluss, eine abgeschlossene Ausbildung hat oder aus einer anderen Branche kommt. Es kommt auch nicht so sehr darauf an, bei welchem Arbeitgeber man anfängt. Ob bei der DB, bei einem großen oder kleinen Mittelständler, oder bei einem Baukonzern. Ein späterer

DAS » IMAGE AUFBRECHEN « „Es gibt immer weniger Bewerber für offene Positionen“, sagt Sarah Martin. Die Personal- und Unternehmensberaterin ist Geschäftsführerin der Linearis-Beratungsgesellschaft und fordert ein Umdenken auf vielen Ebenen. „Die Unternehmen müssen sich

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FOTO: MARKUSSPISKE

in anderen Branchen mit ähnlichen Berufsprofilen interessant machen – müssen das veraltete Image aufbrechen“, erklärt Martin. „Enorm wichtig ist auch die Nachwuchsförderung und die Rekrutierung direkt an den Universitäten – so wie es in anderen Branchen längst Standard ist.“ Um das Rezept für eine erfolgreiche Bahnkarriere zu erfahren, hat das bahn manager Magazin bei Leuten nachgefragt, die es wissen müssen: gestandenen CEOs und Fach- und Führungskräften aus der Branche. Alle haben drei Fragen beantwortet: ● Warum musste es die Bahn sein? ● Was ist heute – anders als früher – für eine Bahnkarriere erforderlich? ● Welchen Tipp haben Sie für Einsteiger? Das sind Ihre Tipps und Antworten: MAGALI EUVERTE Sie ist Chefin der deutschen SNCF-Tochter Keolis, die hierzulande vor allem mit der „Eurobahn“ unterwegs ist. Eisenbahn ist nicht nur Männersache ● Warum musste es die Bahn sein? Ich liebe es zum einen, hinter der Kulisse tätig zu sein und dennoch die Gelegenheit zu haben, einen tatsächlichen Unterschied sprich Verbesserungen, Service und Qualität für unsere Fahrgäste zu erzielen. Während einer meiner ersten Stationen in der Eisenbahnbranche war ich als Teamleiterin in Stellwerken für eine S-Bahn-Linie tätig. Jeder Tag war anders, abwechslungsreich und spannend. Gemeinsam mit den Kollegen konnten wir Verbesserungen bei den Pendlerzeiten erzielen. Der direkte Kontakt zu den Fahrgästen bereitete mir große Freude; weiterhin verhalf der direkte Input dazu, dass wir schnell reagieren und informieren konnten, um so den Kundenwünschen entsprechen zu können. Durch interne Fort- und Weiterbildungen und stetigen Weiterentwicklungen konnte ich schnell Führungsverantwortung übernehmen, mit dem zusätzlichen Spielraum konkrete Verbesserungen umzusetzen. Die Weiterbildungsperspekti-

ven waren für mich sehr attraktiv, in dieser Branche sind alle in Bewegung. ● Was ist heute – anders als früher – für eine Bahnkarriere erforderlich? Teamfähigkeit, eine Portion Neugier sowie Flexibilität sind heute als auch früher wichtige Eigenschaften, die Bewerber und Mitarbeiter nicht verlieren sollen. Fachkompetenz ist wichtiger Baustein, der erlernt wird. Darüber hinaus müssen wir uns jedoch stetig weiterentwickeln – ich denke, dass die persönliche Einstellung ein Erfolgsgeheimnis ist. Fragen wie, wie können wir die Zusammenarbeit und Leistung verbessern? Welchen Service und welche Leistung können wir zusätzlich anbieten? Unsere Fahrgäste dürfen von uns erwarten, dass wir uns stetig verbessern und innovativ sind. ● Ihr Tipp für Einsteiger: „Trau es dir zu!“ Vieles scheint anfangs kompliziert, manchmal vielleicht auch nicht verständlich. Wir benötigen den „Nachwuchs“ oder auch die Quereinsteiger, die hinterfragen, Ideengeber und vielleicht sogar Verbesserer sind. Wir laden ein, sich als aktiven Part von Keolis Deutschland zu sehen. Wir sind ein Team – und jeder einzelne ist hierfür wichtig. Gemeinsam entwickeln

wir Lösungen und verbessern uns. Wir möchten, dass unsere Mitarbeiter stolz sind, bei Keolis Deutschland zu arbeiten. Somit ist mein persönlicher Tipp „Sei mutig, probiere es aus und bewirb dich – spüre und erlebe, wie modern und teamorientiert wir gemeinsam für unsere Fahrgäste unterwegs sind.“ MIRKO PAHL Ist Vorstandsvorsitzender bei der TX Logistik AG. Im Jahr 1997 begann er bei der DB AG in Frankfurt im Bereich Fernverkehr, dort war er über 10 Jahre in verschiedenen Managementpositionen innerhalb der Produktion tätig. Seine Leidenschaft für den Güterverkehr entdeckte er 2007, als er den Geschäftsbereich des Einzelwagenverkehrs sowie später auch den Bereich Ganzzugverkehr von DB Schenker Rail übernahm. ● Warum musste es die Bahn sein? Die Bahn-Branche ist breites Thema mit vielen Entwicklungsmöglichkeiten für Menschen mit Leidenschaft für Nachhaltigkeit und Technik sowie Innovation. Das gilt für die Entwicklung im Personenverkehr in Zeiten sich verändernder Mobilität genauso wie für den Schienengüterverkehr mit seiner In-


S C H W E R P U N KT

ternationalisierung. ● Was ist heute – anders als früher – für eine Bahnkarriere erforderlich? In der Mobilitätsbranche braucht man heute Internationalität, Verständnis für technische und kommerzielle digitale Veränderungen, auf jeden Fall Kundenorientierung und jede Menge Durchhaltevermögen und Zielorientierung, Ergebnisse jeden Tag zu verbessern. ● Sein Tipp für Einsteiger: Mobilität und Logistik verändern sich derartig schnell und nachhaltig, dass man sich unbedingt einen Überblick verschaffen sollte, in welches Segment man einsteigen will und welche Möglichkeiten es gibt, sich später in verschiedene Richtungen weiterzuentwickeln. URSULA VOGT Sie ist Geschäftsführerin der e.g.o.o. Eisenbahngesellschaft Ostfriesland-Oldenburg mbH sowie Vorstandsmitglied beim Netzwerk Europäischer Eisenbahnen. ● Warum musste es die Bahn sein? Der Sprung in die Bahnwelt kam mehr durch einen Zufall. 2001 erhielt ich das Projekt „Reaktivierung der Bahnstrecke AbelitzAurich“ auf den Tisch. Seitdem läßt mich das Thema Bahn nicht mehr los. Gekommen und Geblieben, kann man hier sagen, weil es einfach Spaß macht. ● Was ist heute – anders als früher – für eine Bahnkarriere erforderlich? Die wichtigste Eigenschaft ist in meinen Augen die Flexibilität und Kreativität in einem unglaublich starren System. Heute sicherlich noch wichtiger als früher, denn im harten Wettbewerb zur Straße lässt sich kein System verkaufen, das pauschal nach „Schema F“ fährt, sondern man muss innovativ am Markt sein. Da sprechen wir nicht davon, Wagenladungen mit intermodalen Zügen zu kombinieren, sondern man muss im persönlichen Dialog mit dem Kunden sein, sich auch mal etwas trauen. ● Ihr Tipp für Einsteiger: Dranbleiben und sich nicht unterkriegen las-

sen. So träge und steif das System auch wirkt, es gibt erhebliches Potential, Marktanteile für die Branche zu gewinnen. Am Tagesende macht Bahnlogistik echt Spaß— wenn man sich darauf einlässt. DR. FRANK HOFFMANN Er ist Leiter Engineering Rolling Stock der Siemens-Division Mobility. ● Warum musste es die Bahn sein? Das hat sich zufällig ergeben. Während meines Studiums der Elektrotechnik kam ich in Kontakt mit dem Lehrstuhl Energietechnik und Leistungselektronik. Der Professor an diesem Lehrstuhl war einer der Urväter bei der Einführung von Drehstromtechnik in Bahnfahrzeuge. Nach erstem Zögern habe ich dann eine Anstellung als hilfswissenschaftlicher Mitarbeiter an diesem Lehrstuhl angenommen und konnte Schritt für Schritt hinter die Kulissen schauen. Während dieser Zeit habe ich gelernt, wie umfangreich und vielfältig die Arbeit mit Schienenfahrzeugen ist. Das Technologiespektrum ist extrem breit. Sämtliche Themen des Maschinenbauund Elektrotechnikstudiums werden benötigt. Damit wurde mein Interesse für diese Branche mehr und mehr geweckt! ● Was ist heute – anders als früher – für eine Bahnkarriere erforderlich? Heute wie früher benötigt man eine gute, fundierte Basisausbildung im Bereich der Ingenieurwissenschaft. Zusätzlich spielt heute das Thema Digitalisierung eine sehr wichtige Rolle. Die Funktionalität von Schienenfahrzeugen wird immer komplexer, vieles wird über Software abgebildet. Damit ist die Branche heute auch für Informatiker ein hochinteressantes Themenfeld. ● Sein Tipp für Einsteiger: Ich möchte jedem Technikbegeisterten die Empfehlung mitgeben, sich einfach mal die Zeit zu nehmen und – wie ich damals – hinter die Kulissen zu schauen. Sie werden begeistert sein! Neben den konventionellen Technologien sind auch für die Bahnbranche alle Innovationen im Bereich der Mobilität

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von großer Bedeutung. Zum Beispiel autonomes Fahren oder neue Antriebstechniken mit Batterie- und Wasserstofffahrzeugen. Diese Themen sind für uns genauso zukunftsrelevant wie für die Automobilbranche. LUDOLF KERKELING Der Bauingenieur ist seit 2014 Vorstand der Havelländische Eisenbahn AG und Vorstandsvorsitzender im Netzwerk Europäischer Eisenbahnen. ● Warum musste es die Bahn sein? Mein Kontakt zur Bahnwelt ist eher zufällig entstanden. Ich war dann aber sofort begeistert davon, wie hoch motivierte Menschen, die sich sehr mit ihrer Arbeit identifizieren, ein technisch und betrieblich sehr komplexes System managen. Gleichzeitig standen damals wie heute Veränderungen bevor, die für das System Schiene große Chancen bieten. Die Gestaltung dieser Veränderungen war und ist eine sehr herausfordernde Tätigkeit. ● Was ist heute – anders als früher – für eine Bahnkarriere erforderlich? Neben den Eigenschaften, die man in jeder Branche benötigt, um Karriere zu machen, möchte ich folgende Aspekte besonders hervorheben: Fachkenntnis ist in unserer Branche wichtig, weil bereits kleinere Eingriffe in das komplexe System Schiene erhebliche Auswirkungen haben können. Veränderungsbereitschaft ist unerlässlich, weil wir nach meiner Überzeugung als Bahn flexibler und qualitativ besser werden müssen. Und zuletzt ist es von hoher Bedeutung, die Menschen unserer Branche, die sich sehr mit ihrer Arbeit identifizieren, in die Veränderungsprozesse mit einzubeziehen. ● Sein Tipp für Einsteiger: Hinterfragen Sie alles, denn wir müssen uns verändern. Aber glauben Sie nicht an einfache Lösungen, die es in komplexen Systemen tendenziell nicht gibt.


51.100 Mitarbeiter

Die Zahl der Beschäftigten in der Bahnindustrie in Deutschland stieg 2017 um 1,2 Prozent. Insgesamt ist der Umsatz 2017 gesunken – aber es gibt mehr Aufträge.

PERSONAL IN ZAHLEN

DIE BAHNBRANCHE HAT EIN PROBLEM ECHTE BAHNER BRENNEN FÜR DAS, WAS SIE TAG FÜR TAG TUN. GERADE WEIL DIE ARBEIT IM SCHIENENSEKTOR KEIN JOB WIE JEDER ANDERE IST. DEN UNTERNEHMEN FEHLT ES AN NACHWUCHS – ÜBERALL.

der DB werden allein in den nächsten drei Jahren in den Ruhestand gehen.

Jahre

Lokführer

ist etwa das Durchschnittsalter der Lokführer. Und es nicht genügend Nachwuchs in Sicht.

sind für den Marktführer Deutsche Bahn und für Dutzende Wettbewerbsbahnen in Deutschland im Einsatz.

PIKTOGRAMME: MARCEL PEIZERT

Lokführer

50

28.000

1.200

2.200

Stellen

In dieser Höhe beziffert Gewerkschaftschef Weselsky die Zahl der unbesetzten Stellen. Ergebnis: Personal mit dem Eisenbahnführerschein suchen alle.

3.226 Euro Grundgehalt gibt es für den berufserfahrenen Lokführer plus Schichtzulagen. Die meisten Eisenbahngesellschaften zahlen Tarif.



HOCHSPANNUNG GARANTIERT! Setzen Sie uns unter Strom! Bewerben Sie sich für den Unternehmensbereich Ausrüstung/Elektrotechnik bei SPITZKE. Bringen Sie gemeinsam mit uns Europas Bahninfrastruktur voran – z. B. als Bauleiter (m/w/d), Projektleiter (m/w/d) oder Planungsingenieur (m/w/d) in den Fachbereichen Oberleitung, 50 Hz, Bahnstromanlagen sowie LST/TK. SPITZKE. Gestalten in vernetzten Dimensionen. www.spitzke.com/karriere • karriere@spitzke.com • Tel.: 033701 901-456 Referenznummer: 1018/153/75


«DIE NEUE PERSONALSTRATEGIE DER ÖBB»


FOTO: ÖBB/SABINE HAUSWIRTH

MIT DER NEUEN PERSONALSTRATEGIE STELLEN DIE ÖBB DIE WEICHEN RICHTUNG ZUKUNFT. ES WERDEN NICHT NUR RUND 10.000 NEUE MITARBEITERINNEN INS UNTERNEHMEN KOMMEN, AUCH DER TECHNISCHE FORTSCHRITT, INTERNATIONALISIERUNG & LIBERALISIERUNG SOWIE WETTBEWERB STELLEN DIE ÖBB VOR GROßE HERAUSFORDERUNGEN.

In den nächsten Jahren will Österreichs größter Mobilitätsdienstleister mit einem konzernweiten Generationenmanagement, einem authentischen und zielgerichteten Arbeitgeberauftritt und neuen Werten diese Herausforderungen meistern. Als Teil eines geschlossenen strategischen Konzepts für ein starkes und modernes Unternehmen bildet die neue Personalstrategie bei den ÖBB einen wesentlichen Eckpfeiler, dem Anspruch einen werthaltigen Beitrag zur Zukunft der ÖBB als führendes österreichisches Mobilitätsunternehmen gerecht zu werden. GENERATIONENWECHSEL AKTIV MANAGEN Möglicher Wissensverlust, steigende Informationsflut, zunehmende Fluktuation und geänderte Arbeitsbedingungen – das sind Herausforderungen, die es notwendig machen, dass sich die ÖBB insbesondere mit dem Erhalt und der Anpassung der Effizienz von Teams und Organisationen befassen. Hinzu kommt, dass die Generationen der nächsten Jahre mit anderen Erwartungshaltungen und Bedürfnissen an den Arbeitgeber in das Unternehmen kommen. Um die Arbeitsfähigkeit der MitarbeiterInnen zu erhalten und die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern, haben die ÖBB ein konzernweites Generationenmanagement eingerichtet, für dessen Umsetzung ein eigenes Kompetenzcenter eingerichtet wurde. Hier wird einmal im Quartal gemeinsam an ÖBBweiten Themenfeldern und Handlungsbedürfnissen gearbeitet. Darüber hinaus gibt es regelmäßige konzernübergreifende Austauschtermine und Arbeitsworkshops, um auf deren individuelle Anliegen einzugehen. Ziel des Generationenmanagements der ÖBB ist es, attraktive, lernfördernde und motivierende Arbeitswelten für alle Generationen und Lebensphasen zu gestalten. Die ÖBB nutzen den Generationenwandel zudem dafür, den Konzern an die neue, digitalisierte Arbeitswelt und die ver-

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schiedenen Bedürfnisse unterschiedlicher Mitarbeitergenerationen anzupassen. WAS IST EIN ATTRAKTIVER ARBEITGEBER? Mit der Einstellung von rund 10.000 neuen MitarbeiterInnen werden die ÖBB den Generationenwechsel in den nächsten vier Jahren erfolgreich meistern. Dabei stehen die ÖBB mit anderen Unternehmen in einem harten Wettbewerb um die besten Talente. Wir haben uns daher das Ziel gesetzt, Der attraktivste Arbeitgeber Österreichs zu sein. Waren es früher eine gute Bezahlung und eine sichere Anstellung, mit denen ein Unternehmen punkten konnte, so sind heute auch andere Werte entscheidend: familienfreundliche Arbeitszeiten, ein modernes und innovatives Umfeld und vor allem das Image und die Marke des Unternehmens. Das österreichische Institut für empirische Sozialforschung (IFES) rankt die ÖBB erstmals unter die Top 10 der attraktivsten Arbeitgeber Österreichs. Ein voller Erfolg – jedoch bei weitem nicht ausreichend für die Zukunft. Daher wird weiter daran gearbeitet, die Positionierung der ÖBB als attraktiven Arbeitgeber weiterzuentwickeln. TALENTE MANAGEMENT Die aktive Gestaltung der authentischen Marke ÖBB mit dem Ziel, der attraktivste Arbeitgeber Österreichs zu werden, ist nur eine der Maßnahmen im Rahmen des Employer Brandings der ÖBB. Als ebenso wichtig wird ein erfolgreiches Talente Management angesehen. Denn ein attraktiver Arbeitgeber muss heutzutage auch interessante Perspektiven für die persönliche Weiterentwicklung und die Karriereplanung bieten. Um MitarbeiterInnen bei ihrer Laufbahnplanung zu fördern und zu unterstützen, wird im Rahmen des Talente Managements eine Vielzahl an Maßnahmen und Instrumenten entwickelt. Im Fokus steht dabei das Zusammenspiel so-


S C H W E R P U N KT

wie die Koordination zentraler Führungsinstrumente wie dem Team Ziel Dialog (TZD), Management by Objectives (MbO) und Mitarbeitergesprächen (MaG). Umgesetzt werden diese gemeinsam mit den Konzerngesellschaften. Interne Lerninhalte werden zudem nach den neuesten Methoden aufbereitet und für alle MitarbeiterInnen verfügbar gemacht. VORBILDER UND GEMEINSAME WERTE Ein weiteres Ziel der Personalstrategie ist es, eine moderne Entwicklungslandschaft für MitarbeiterInnen und Führungskräfte zu etablieren. Denn insbesondere letztere sind als Vorbilder der Schlüssel für eine nachhaltige Kulturveränderung im Unternehmen und damit für eine erfolgreiche Zukunft. Die Erarbeitung moderner, klarer und in der Handhabung einfacher Führungsgrundsätze erfolgt im Rahmen der Kulturentwicklung der ÖBB.

Diese Führungsgrundsätze dienen als Handlungsrichtlinien sowie als Versprechen an die zukünftige Generation. Zusammen mit den neu definierten Unternehmenswerten prägen sie mittlerweile den Arbeitsalltag der MitarbeiterInnen. Drei zentrale Werte wurden im Rahmen des 2017 initiierten Projekts „Zukunft ÖBB“ definiert: ● „Wir vor ich“: Teamarbeit ist für ein Unternehmen wie die ÖBB wichtiger als für andere Unternehmen, um ihr Leistungsversprechen erfüllen zu können. ● „Überzeugende Leistungen für unsere Kundinnen und Kunden“: Die absolute Ausrichtung auf die KundInnen und ihre Wünsche ist heute wichtiger denn je, um im Wettbewerb erfolgreich zu sein. ● „Initiative ergreifen“ schließlich ist die Aufforderung an alle MitarbeiterInnen der ÖBB, sich ihrer Verantwortung bewusst zu sein, Handlungsspielraum zu nutzen und beizutragen, die gesetzten Ziele zu erreichen.

Diese Werte bilden die gemeinsame Basis für alle bestehenden und künftigen MitarbeiterInnen der ÖBB.

Dr. Veronika Zügel Leitung Strategisches Konzernpersonalmanagement, ÖBB-Holding AG Veronika Zügel hat mit 1. Jänner 2017 die Leitung des Bereichs Strategisches Konzernpersonalmanagement in der ÖBB-Holding AG übernommen. Damit verantwortet die promovierte Juristin die strategische Steuerung und Umsetzung der konzernweiten Personalagenden des Unternehmens. Veronika Zügel bringt mehr als 25 Jahre Führungserfahrung in Personalmanagement und Kommunikation bei großen internationalen Industriekonzernen mit.

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Birgit Bohle wird neue Personalvorständin und Arbeitsdirektorin der Deutschen Telekom. Sie tritt zum 1. Januar 2019 die Nachfolge von Christian P. Illek an, der neuer Finanzvorstand der Deutschen Telekom wird. Das hat der Aufsichtsrat der Deutschen Telekom in seiner Sitzung beschlossen. Birgit Bohle kann auf eine insgesamt über zehnjährige Karriere bei der Bahn zurückblicken. Unter anderem war sie dort im Vertrieb als Geschäftsführerin und Vorsitzende der Geschäftsführung tätig. Ihre berufliche Karriere hat sie 1992 bei BASF mit einer Ausbildung zur Industriekauffrau begonnen. Die Diplom Betriebswirtin studierte an der WHU Koblenz, in Nizza und Austin/Texas Wirtschaftswissenschaften. Sie arbeitete zunächst bei Bertelsmann und im Anschluss sieben Jahre

bei der Unternehmensberatung McKinsey. 2007 wechselte sie zur Bahn. Birgit Bohle, künftig Personalvorständin und Arbeitsdirektorin der Deutschen Telekom: „Die Telekommunikationsbranche ist das Rückgrat der Wirtschaft und steht weltweit im Umbruch. Die Telekom prägt diese Branche in einem besonderen Maß. Ich kann mir kaum eine spannendere Aufgabe vorstellen, als die Personalarbeit für dieses Unternehmen in dieser Zeit zu gestalten. Vor den Herausforderungen der Telekom habe ich hohen Respekt. Ich freue mich auf die Arbeit im Vorstands- und Führungsteam und mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und Arbeitnehmervertretungen.

BIRGIT BOHLE STEIGT UM NEUE PERSONALVORSTÄNDIN BEI DER DEUTSCHEN TELEKOM

Foto: Thorsten Fiedler

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Die VIAS betreibt das Flottenmanagement für die Fahrzeuge der Odenwaldbahn zwischen Eberbach, Groß-Umstadt Wiebelsbach, Darmstadt, Hanau und Frankfurt am Main sowie der Rheingaulinie Frankfurt am Main – Wiesbaden – Kaub – Koblenz – Neuwied. Zurzeit kommen

hierfür 26 Fahrzeuge der Baureihe „ITINO“ und 4 Fahrzeuge der Baureihe „LINT“ sowie 19 Fahrzeuge der Baureihe „FLIRT“ zum Einsatz. Wir suchen zur Verstärkung unsers Teams mit den Arbeitsorten Frankfurt-Griesheim und Michelstadt zum nächstmöglichen Zeitpunkt einen

Mitarbeiter Instandhaltungsplanung / Ersatzteilmanagement Fahrzeuge (m/w) Ihre Aufgaben: • Instandhaltungsplanung ECM-III (Sicherstellung der fristgerechten & wirtschaftlichen Instandhaltung der Fahrzeuge) • Einzelfahrzeugbezogene Planung und Überwachung der umfangreichen Instandhaltungsstufen (Revisionen) inklusive der Werkstatt- und Stillstandzeiten • Ersatzteilmanagement: Materialbedarfsermittlung, -identifikation, -anfragen, Bestellvorbereitung/-durchführung, Wareneingangs-/Qualitätsprüfung sowie Materialdokumentation/ -abrechnung • Kontrolle der Fahrzeuge auf Einhaltung des Sollzustandes und Abwicklung von Betriebsfreigaben • Dokumentation der Instandhaltung der Fahrzeuge / Führung Betriebsbücher • Mitarbeit bei Auswahl von Lieferanten, Lieferantenbewertung, Audits bei Lieferanten • Mitarbeit an der Weiterentwicklung von Instandhaltungsprogrammen sowie Erstellung und Fortschreibung des Regelwerkes für die Instandhaltung der Fahrzeuge • Mitarbeit bei der Entwicklung von Kennzahlen und Reporting • Mitarbeit in der Leistungsbereitschaft Technik

Unsere Vorstellung von Ihnen: • Fach-/Hochschulabschluss in (Wirtschafts-)Ingenieurtechnik (vorzugsweise im Bereich Maschinenbau / Fahrzeuginstandhaltung) oder staatlich geprüfter Techniker mit mehrjähriger Berufserfahrung vorzugsweise in der Instandhaltung von Schienenfahrzeugen • Kenntnisse der Instandhaltung von Schienenfahrzeugen sowie der branchenspezifischen Verfahren und Regeln (Sicherheits-/ Qualitätsmanagement) • Kenntnisse der Prozessorganisation und -optimierung • Ausgeprägte analytische Fähigkeiten, wirtschaftliches Denken und Handeln • Sicherheitsbewusste, selbstständige Arbeitsweise sowie soziale Kompetenz und Teamfähigkeit

Haben wir Ihr Interesse geweckt? Dann sollten wir uns kennenlernen. Bitte senden Sie Ihre vollständigen und aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen unter Angabe Ihrer Gehaltsvorstellung an folgende Adresse:

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» DER MENSCH IM MITTELPUNKT ALS DAS FUNDAMENT FÜR DAS TAGESGESCHÄFT «

SHAHRIAR FATEMI ist Inhaber von AVALION. Mehr als 10 Jahre Erfahrung im Top-Management von überwiegend internationalen Unternehmen der Bahn- und Busbranche.

bahn manager Magazin: Herr Fatemi, ist in Ihren Augen der Schienensektor eine aufstrebende Branche, und wenn ja, warum? Shahriar Fatemi: Der Schienensektor ist definitiv eine aufstrebende Branche für Bewerberinnen und Bewerbern. Erstens, weil sie langfristig und nachhaltig angelegt und zweitens, weil sie ein Wachstumsmarkt und zukunftsorientiert mit sehr viel Po-

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tenzial und Möglichkeiten ist. Wo sehen Sie in den kommenden Jahren besondere Herausforderungen im Sektor (Globalisierung, Digitalisierung, demografischer Wandel)? Den demografischen Wandel spüren wir doch schon bereits heute. In vielen Bereichen ist es für die Unternehmen sehr schwer geworden, geeignetes Personal zeitnah zu rekrutieren. Dies wird in naher und ferner Zukunft sich fortsetzen und steigern. Und genau hier müssen gute Personalberater richtig ansetzen und mit Qualität, Schnelligkeit, Zuverlässigkeit und vor allem Diskretion die Unternehmen bei der Suche, Auswahl und Platzierung unterstützen. Genau das ist der tägliche Anspruch und Ansporn von mir. Und es funktioniert auch sehr zufriedenstellend. Im Zusammenhang mit der Digitalisierung muss man auf der einen Seite aufpassen, dass man den Anschluss nicht

FOTO: AVALION GROUP

ZUR ZEIT BERÄT AVALION UNTER ANDEREM EINEN BAHNKONZERN IM PROJEKTMANAGEMENT BEI DER EINFÜHRUNG, UND VERBESSERUNG VON SYSTEMEN UND PROZESSEN. DANEBEN BESETZT AVALION DERZEIT VERSCHIEDENE POSITIONEN IM BAHN- UND BUSSEKTOR.


verliert und dabei bleibt. Auf der anderen Seite wird sie meiner Meinung nach niemals den persönlichen Kontakt sowie das individuelle Netzwerk gleichwertig ersetzen. Die Mischung macht es! Was muss man mitbringen, um in der Branche erfolgreich zu sein? Ehrgeiz, die Leidenschaft für die Eisenbahn sowie der persönliche Kontakt. Der Mensch muss immer im Mittelpunkt stehen. Ist man Teil der speziellen und hochkomplexen Branche, warten spannende Aufgaben und Herausforderungen auf einen. An welche Highlights aus Ihrem damaligen Berufsalltag im Schienensektor können Sie sich noch ganz genau erinnern? Für mich persönlich war die gesamte Zeit, als ich selber operativ tätig war, hoch spannend und kurzweilig. Die absoluten Highlights waren zum Einen die ersten Jahre bei der Veolia Verkehr im Controlling, als wir in der Abteilung Finanzen als Team das gesamte Konzernreporting und -controlling professionalisiert und weiterentwickelt haben. Ganz spannend war auch meine Tätigkeit bei der holländischen Staatsbahn, als wir im Rahmen eines sehr spannenden M&A Prozesses die AbellioGruppe in 2008 erfolgreich akquiriert haben. Danach war ich direkt nach der Übernahme von 2008 – 2011 als CFO (Geschäftsführer Finanzen) bei der Abellio tätig. In dieser Zeit ist es uns gemeinsam und als stark motiviertes Team gelungen, Abellio in den Gesamtkonzern zu integrieren und operativ sowie finanziell zu restrukturieren. Welches war Ihre wichtigste Erkenntnis aus der Zusammenarbeit mit Unternehmen im Schienensektor ? Die wichtigste Erkenntnis für mich war und ist, wie klein doch die Branche ist und wie gut die Zusammenarbeit mit meinen Auftraggebern funktioniert, sowohl was das Professionelle (Vertragsgestaltung, Profilerstellung, Abstimmung, Präsentationen, Interviews, Platzierung, Integration etc.) angeht, als auch auf der menschlichen Ebene. Klingt sehr nach Jeder-kennt-Jeden – Vorteil oder

Nachteil einer Branche? Ich persönlich sehe das als Vorteil. Es ist immer wieder schön, bekannte Gesichter auf Veranstaltungen oder per Telefon bzw. bei persönlichen Treffen zu sehen. Trotzdem muss man immer wieder – vor allem als Personalberater – zusehen, dass man sein Netzwerk gut pflegt und weiter ausbaut. Wie würden Sie den geeignetsten Führungscharakter- oder Stil beschreiben? Schwierige Frage, aber interessant. Meiner Meinung hängt dies auch vom jeweiligen Unternehmen mit seinen Visionen und Strategien ab. Eins ist aber für mich außer Frage: Eine gute Führungskraft muss immer die Interessen des Unternehmens langfristig und nachhaltig in den Vordergrund stellen und das Ganze sehen. Dabei darf sie niemals das Zwischenmenschliche und den Respekt, gerade in einer so personalintensiven Branche wie in der Eisenbahn, vernachlässigen, sondern muss diese wie ein zartes Pflänzchen pflegen. Die Rolle von Personaler wird in Zukunft... ...noch wichtiger. Ein guter Morgen beginnt für mich... ...wenn die Menschen, die man liebt, gesund sind, und natürlich nach dem ersten Kaffee. Die besten Ideen habe ich... Da gibt es keine spezielle Situation. Die Hauptsache für mich ist, dass ich sie zu der richtigen Zeit und am richtigen Ort habe. Weitere Informationen erhalten Sie unter www.avalion-group.com

Das Interview führte Dennis Peizert.


» STECKT EUCH NICHT IN SCHUBLADEN «

MARTINA LÖBE

EIN ANGEREGTES GESPRÄCH MIT ANETTE SZYMKOWIAK, BID PORTFOLIO LEAD BEI BOMBARDIER TRANSPORTATION, ÜBER DEN SCHIENENPERSONENNAHVERKEHR UND IHREN BERUFLICHEN WERDEGANG IN DER EISENBAHNBRANCHE. Martina Löbe (ML): Anette, wir kennen uns seit 2008. Da war ich gerade mit dem Vordiplom fertig und wurde Praktikantin bei dir in der Abteilung. Das war bei DB Regio in Frankfurt/Main. Für mich der Wegweiser in die Branche des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV). Wodurch wusstest du, dass du im SPNV dein Brot verdienen willst? Anette Szymkowiak (AS): Das war eher Zufall. Ich war bei der Deutschen Bahn bereits in der Holding beschäftigt, im Konzernmar-

keting, insbesondere zu den Themen Markenmanagement und Markenschutz. Über diese Tätigkeit habe ich zunehmend Kontakte zu DB Regio entwickelt und habe dadurch das Ausschreibungsgeschäft im Regionalverkehr kennengelernt. Mir ist dann klar geworden, dass der SPNV für mich zu einem der spannendsten Bereiche bei der Deutschen Bahn gehört, und dass ich in diesem Bereich arbeiten möchte. ML: Weshalb?

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FOTO: MICHAEL KOCZY

Bei der DB Netz AG im Regionalbereich Ost für die Strategie und Konzeption der Betriebszentrale S-Bahn Berlin tätig. Sie ist außerdem Co-Gründerin von Women in Mobility Berlin.


AS: Mein Wechsel zu DB Regio erfolgte im Frühjahr 2008, zu einem Zeitpunkt, als die ersten Ausschreibungen samt der zugehörigen Betriebsaufnahmen erfolgreich verlaufen, aber trotzdem noch viele Fragen offen waren. Die Aufgabenträger freuten sich über niedrigere Zugkilometerpreise gegenüber vorher und ein in vielerlei Hinsicht verbessertes Verkehrsangebot. Der Wettbewerb im Nahverkehr auf der Schiene hatte sich etabliert, es gab die ersten Wettbewerber zu DB Regio. In der Anfangsphase des Wettbewerbs wurden – verständlicherweise – zunächst die kleinen und peripheren Netze ausgeschrieben. Anfang der 2000er wurden dann sukzessive auch die bedeutenderen und nachfragestärkeren Linien in den Wettbewerb gegeben. Die Ausschreibungen wurden zunehmend komplexer, und die Aufgabenträger wurden ideenreicher, um den Wettbewerb weiter zu fördern. Im Ergebnis half das den Wettbewerbern der DB, sich zunehmend im Markt zu etablieren. Hinsichtlich der Quote gewonnener Ausschreibungen war dann das Jahr 2008 eines der herausforderndsten Jahre für DB Regio. Es war eine spannende Phase, geprägt von einer hohen Dynamik; in der Branche und damit auch innerhalb von DB Regio. Mit jeder Ausschreibung kam etwas Neues, meine KollegInnen waren gefordert und mussten trotz aller Anstrengungen immer wieder den Verlust von Verkehrsverträgen verdauen. Die Leistungen der KollegInnen als Ergebnis dieses Veränderungsdrucks waren enorm. Daneben hat mich das Thema Mobilität von Menschen schon immer gereizt: Die zunehmenden Reiseweiten, der drohende Verkehrskollaps, die notwendige Entlastung der Städte vom motorisierten Individualverkehr. ML: Ich habe den Eindruck, du hast gerade noch einen Gedanken. Möchtest du ihn mit mir teilen?

AS: Vielleicht liegt mein Werdegang auch in der Eisenbahntechnik und der noch kindlichen Freude daran begründet (lacht). Wie so viele in meiner Generation hatte auch ich einen Eisenbahner in der Familie. ML: Jetzt bist du bei Bombardier Transportation als Bid Portfolio Lead tätig. Was ist deine Aufgabe? AS: Ich bin zentrale Ansprechpartnerin für alle internen und externen Angebotsprozesse bezüglich der Fahrzeugkomponenten für die Produktfamilie Main Line Single Deck. Man könnte auch sagen, ich sitze an den Schnittstellen. Auch in einer Treiberrolle und in enger Zusammenarbeit mit dem Chief Engineer angelegt. ML: Du hast ursprünglich Rechtswissenschaften studiert. Dein Werdegang erscheint auf den ersten Blick nicht typisch für eine Juristin. Wie würdest du deine berufliche Laufbahn beschreiben? AS: Auf den ersten Blick vielleicht eher ungewöhnlich. Andererseits, als Juristin hast du so viele Möglichkeiten. Bei der Deutschen Bahn habe ich viele Juristen kennengelernt, die nicht in den klassischen Juristenrollen arbeiten. Insofern ist es auf den zweiten Blick auch wieder nicht ungewöhnlich. ML: Ich habe selbst Erfahrungen beim Schienenfahrzeughersteller und Eisenbahnverkehrsunternehmen sammeln können. In deinem Fall sind Deutsche Bahn und Bombardier beides Großkonzerne. Wo liegen für dich die größten Unterschiede? AS: Nun, ich denke der Unterschied liegt insbesondere in den unterschiedlichen Betätigungsfeldern der Unternehmen. Aus hoher Flughöhe betrachtet erbringt die DB Regio Verkehrsdienstleistung, also im Wesentlichen eine immaterielle Leistung. Die Kernaufgabe von Bombardier ist – ganz allgemein gesprochen – die Entwicklung und Produktion von Zügen, ergänzt durch das Instandhaltungsgeschäft. Somit ist Bombar-

dier deutlich stärker ingenieurgeprägt. Das merkt man im täglichen Arbeiten, z. B. bei der Sprache und den Herangehensweisen. ML: Als wir 2008 zusammengearbeitet haben, hast du mir wichtige Impulse auf meinen beruflichen Weg mitgegeben. Was empfiehlst du BerufseinsteigerInnen und jungen Menschen heute? AS: Vernetzt euch! Für Männer erscheint mir das schon selbstverständlich zu sein. Bei Frauen ist das häufig noch nicht stark genug ausgeprägt. Deshalb finde ich Euer Engagement als Netzwerk „Women in Mobility“ klasse. Bleibt euch selbst treu! Auch wenn das bedeutet, dass man erst einmal Widerstände überwinden muss und vielleicht auch mal aneckt. Seid authentisch! Bedeutet: Steckt euch nicht in Schubladen, um einem bestimmten Bild zu entsprechen, welches Andere definiert haben. Insbesondere an Frauen gerichtet möchte ich sagen: Geht euern Weg! Seid dabei nicht frustriert, wenn es ein paar Anläufe braucht, die gläserne Decke zu durchbrechen. Und nicht zu vergessen: Sucht euch einen Ausgleich zu euren beruflichen Aufgaben. Je herausfordernder der Job ist, umso wichtiger ist der Ausgleich außerhalb davon. Ich selbst gehe einerseits gerne in die Oper, und andererseits bin ich gerne in der Natur unterwegs. ML: Du sprichst die Bedeutung des Lebens außerhalb der Arbeit an. Den Faden weitergesponnen, was sollte aus deiner Sicht mehr getan werden? AS: Ich würde mir wünschen, dass Arbeitgeber die Bedeutung der Familie noch höher bewerten, in deren eigenem Interesse, mit Blick auf den Erfolg. Und zwar ganz konkret dahingehend, dass bspw. auch Männern mehr Wertschätzung und Unterstützung entgegengebracht wird, die sich um ihre Familie kümmern wollen oder auch müssen.


Symbol der Verbundenheit: das kupferfarbene Armband der WiM. Anette Szymkowiak und Martina Löbe, zwei Frauen der Bahnbranche, tragen es am Handgelenk. Das Foto entstand während ihres Treffens in Berlin auf dem Schwedter Steg über den Bahnanlagen des Berliner Nordkreuzes.

ML: An wen gibst Du das Bändchen der Women in Mobility weiter? AS: An Johanna Drach, eine ehemalige Kollegin, die als Projektleiterin bei DB Regio in Frankfurt im Bereich Vergabemanagement tätig ist.

Women in Mobility Die Women in Mobility engagieren sich für eine bessere Sichtbarkeit von Frauen der Mobilitätsbranche und bieten allen Frauen eine Plattform zum Netzwerken, für gemeinsame Projekte, Kooperationen und Austausch – ganz gleich, ob Studentin oder Führungskraft.

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ML: Weshalb Johanna Drach? AS: Johanna ist eine junge, sehr gute, engagierte und dem Neuen gegenüber aufgeschlossene Kollegin, die ich in ähnlicher Weise wie Dich in ihrer Entwicklung begleiten konnte. Eine passende Gelegenheit für ein Wiedersehen mit ihr.

www.womeninmobility.de

#empowerment

ML: Ich danke dir herzlich für das Gespräch.

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FOTO: MARTINA LÖBE

Dazu gehört grundsätzlich deutlich mehr Flexibilität und Mut, z. B. Teilzeitlösungen anzubieten, egal für welches Geschlecht. Das gilt aus meiner Sicht insbesondere auch für „KollegInnen in Führungspositionen“.


Christina Bruckmann (52) wurde zum 15. Juni 2018 zur weiteren Geschäftsführerin der zur Captrain Deutschland-Gruppe gehörenden Gesellschaften Captrain Deutschland CargoWest GmbH und Captrain Denmark ApS bestellt. Sie wird künftig gemeinsam mit Henrik Würdemann (48) die Geschäfte der beiden Gesellschaften leiten. Christina Bruckmann ist seit dem 1. Juni 2012 Bereichsleiterin Finanzen in der Holding Captrain Deutschland GmbH. Diese Funktion wird sie bis zur Regelung ihrer Nachfolge uneingeschränkt fortführen. Ihre Karriere begann die diplomierte Betriebswirtin nach dem Studium 1991 bei der Wirt-

schaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft Peat Marwick Treuhand GmbH in Düsseldorf. Die Klöckner-Werke AG in Duisburg sowie Tätigkeiten als selbständige Unternehmensberaterin und Dozentin bildeten weitere Stationen ihres Berufslebens. Bevor Bruckmann zur Captrain Deutschland-Gruppe wechselte war sie seit 2006 bei dem Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen KPMG-Berlin tätig.

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„BEWEGEN, DAMIT SICH WAS BEWEGT“ – DIE EMPLOYER-BRANDING-KAMPAGNE DER VTG. DER „WAR FOR TALENTS“ WIRD IMMER HEFTIGER AUSGEFOCHTEN.

So wie viele andere Unternehmen muss die VTG Ideen entwickeln, um auch in Zukunft geeignete Arbeitnehmer für sich zu gewinnen und bestehende Mitarbeiter ans Unternehmen zu binden. Wie die Mehrheit der Unternehmen, die sich im Business-to-Business-Bereich bewegen und deswegen der breiten Öffentlichkeit nicht bekannt sind, steht die VTG dabei vor einer zusätzlichen Herausforderung. Denn auch wenn das Unternehmen in der Branche einen Namen hat: Fachkräften außerhalb des Schienentransportwesens muss sich die VTG nicht nur als attraktiver Arbeitgeber präsentieren, sondern in einem ersten Schritt überhaupt ins Relevant Set aufgenommen werden. Gezieltes Employer Branding ist also gefragt. Die VTG hat daher eine Kampagne erarbeitet, die zeigt, wie abwechslungsreich die Arbeit im Unternehmen ist und welche Möglichkeiten zur persönlichen Weiterentwicklung die Mitarbeiter haben. Den mehrere Monate dauernden Prozess begleitet hat Promerit, eine der führenden Employer-Branding-Agenturen in Deutschland. EMPLOYER VALUE PROPOSITION LEGT DIE RICHTUNG FEST Wie bei jeder Arbeitgebermarke bildet auch bei der VTG die sogenannte Employer Value Proposition (EVP) das Kernstück. Die EVP beantwortet in drei bis fünf Dimensionen die Frage, was das Unternehmen als Arbeitgeber ausmacht. Sie enthält auf den Punkt gebracht die zentralen Arbeitgebereigenschaften, die vorhanden und für die (potenziellen) Mitarbeiter des Unternehmens relevant sind. Als weiteres Kriterium sollte sich eine EVP vom Arbeitsmarkt differenzieren – also keine Allgemeinplätze enthalten, die jedes andere Unternehmen auch bietet (zum Beispiel „gute Weiterbildungsmöglichkeiten und eine leistungsgerechte Vergütung“). Die EVP bildet die strategische Grundlage für die Arbeitgeberkommunikation wie Personalmarketingmedien, Karrierewebsites oder Broschüren. Damit ist sichergestellt, dass die Kommunikation die Interessen der Zielgruppen trifft und gleichzeitig ein realistisches Bild vom Arbeitgeber vermittelt. Zudem ist so die Kommunikation konsistent, da in allen Kanälen dieselben Kernbotschaften genutzt werden. Um die EVP der VTG zu ermitteln, hat das Team Aussagen von Mitarbeitern aus diversen Projekten ausgewertet und überprüft, welche Arbeitgebereigenschaften sich daraus ableiten lassen. Die so ermittelten Attribute wurden abgeglichen mit Zielgruppenwünschen, die aus einer externen Befragung hervorgegangen waren. Eine wei-

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FOTO: VTG AG

tere Zuspitzung erfolgte durch den Abgleich mit einer Wettbewerbsanalyse. Am Ende des Prozesses standen drei Hauptdimensionen, die jeweils durch Beweise und konkrete Beispiele unterfüttert sind und so den Kern der VTG beschreiben. „Hanseatisch geprägt“ spielt auf die Beständigkeit und Verlässlichkeit des Unternehmens an und integriert dabei Attribute wie Weltoffenheit und Werteorientierung, die charakteristisch für den Arbeitgeber VTG sind. „Logistik macht Sinn“ erklärt zum einen die Aufgaben bei der VTG und spielt mit der Faszination für Logistik und Schiene sowie der damit verbundenen Wichtigkeit des Themas für den Alltag. „Das Beste aus Mittelstand und Konzern“ zielt auf die Rahmenbedingungen ab: VTG als Arbeitgeber hat einige Charakteristika, die mittelstandstypisch sind (dazu zählen der Gestaltungsraum und die Sichtbarkeit der Mitarbeiter) und andere, die sonst eher in größeren Unternehmen zu finden sind (wie die Internationalität) – und bietet somit das Beste aus beiden Welten. Der Markenkern führt die drei Elemente schließlich zusammen und verbindet den Geschäftszweck mit der dynamischen Entwicklung des Arbeitgebers und der Rolle als Vorreiter in der Schienenbranche: „VTG: Bewegen, damit sich was bewegt“. STARKE MOTIVE ILLUSTRIEREN DAS UNTERNEHMEN Um die EVP des Unternehmens erlebbar zu machen, hat das Projektteam der VTG in Zusammenarbeit mit der Kreativagentur weigertpirouzwolf eine Kampagne ausgearbeitet, die Mitte 2017 an den Start gegangen ist und seitdem die Grundlage für das Personalmarketing der VTG bildet. Im Zentrum der Kampagne stehen Motive, die die VTG auf unterschiedlichen Kanälen als Arbeitgeber präsentieren. Dabei kamen keine Models zum Einsatz, sondern VTG-Mitarbeiter aus unterschiedlichen Bereichen des Unternehmens. Durch die Überblendung eines Mitarbeiterporträts mit Bildern aus dem alltäglichen Business der Geschäftsbereiche entstand eine Kombination von sachlicher und emotionaler Ebene. Der Gedanke „Bewegen, damit sich was bewegt“ begleitet alle Anzeigen und zieht sich als roter Faden durch die Kampagne. Auch hier erweckt eine Doppeldeutigkeit das Interesse das Betrachters, jedoch keinesfalls als reiner Selbstzweck: Bewegung ist schließlich das Geschäft der VTG. Diese Motive werden in unterschiedlichsten Kommunikationsmitteln eingesetzt: auf Roll-Ups, Stellwänden

und Werbemitteln bei Jobmessen und Stellenbörsen, als Blickfang auf Stellenanzeigen und auf den Karriereseiten der VTG-Website sowie als großformatige Bilder in den Besprechungsräumen und Fluren des VTG-Centers in Hamburg. Um die Kampagne auch intern zu verankern, wurde sie nicht nur im Intranet und in der Mitarbeiterzeitung vorgestellt, sondern auch direkt auf die Schreibtische der Kollegen gebracht: Jeder VTG-Mitarbeiter fand zum Start der Kampagne eine Broschüre mit den wichtigsten Hintergründen sowie eine Tafel Schokolade mit einem der Motive an seinem Arbeitsplatz. FAZIT: IN DER PRAXIS BEWÄHRT Inzwischen arbeitet die VTG seit rund einem Jahr mit den Motiven – und das mit großem Erfolg. Die Resonanz ist intern wie extern ausnahmslos positiv, und die Rückmeldungen aus Bewerbungsgesprächen oder Begegnungen auf Jobmessen zeigen, dass die Kampagne wirkt. Auch die VTG-Mitarbeiter schätzen den Ansatz. Aufgrund des positiven Feedbacks und auf expliziten Wunsch der Belegschaft wurden vor Kurzem sogar zwei zusätzliche Motive ergänzt, um noch mehr Berufsbilder der VTG abzubilden. So entwickelt sich auch die Kampagne immer weiter – ganz im Sinne des Gedankens „Bewegen, damit sich was bewegt“.

HEIDI PALM Head of Human Resources Development bei der VTG AG.


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„DAS BAHNPERSONAL IST DER SCHLÜSSEL ZUM ERFOLG!“ MICHAIL STAHLHUT

stärker um das Personal kümmern. Stellen Sie sich vor: Im Güterverkehr haben wir in Deutschland zirka 6000 Lokführer. Wenn Sie die Fluktuation in den nächsten Jahren sehen – wir haben eine Alterspyramide, die liegt irgendwo Mitte 50 – dann werden wir in den nächsten 13 Jahren an die 3000 Menschen verlieren durch Altersfluktuation. Wenn wir uns jetzt noch vornehmen, dass wir im Model Split heute im Güterverkehrssektor in Deutschland noch wachsen wollen, dann haben wir einen Bedarf an mindestens 5000 Menschen in den nächsten 13 bis 15 Jahren. Das sind 400 Menschen pro Jahr. Die DB, wenn sie 1000 Menschen ausbildet für Stellwerke, für Lokführer, für Wagenmeister, dann ist das auch nur ein Bruchteil. Das heißt, wir müssen uns um Menschen kümmern. Selbst wenn wir an Automatisierung denken, sind Menschen, sind Fahrpersonal notwendig in der Zukunft.

bahn manager Magazin: Es scheint für Europas Verkehrsunternehmen durchaus eine schwierige Aufgabe zu sein, Personal zu finden? Michail Stahlhut: Am Ende ist das Personal der Schlüssel zum Erfolg. Sie haben Maschinen in einer Größenordnung von vier bis fünf Millionen Euro vor jedem Zug. Da bewegen Menschen ein Gerät, das einen richtig hohen Bilanzwert hat. Deshalb macht es keinen Sinn, unausgebildete, schlecht ausgebildete, schlecht motivierte Kollegen an Bord zu haben. Wir kümmern uns bei SBB Cargo international um den Einsatz dieser Menschen. Und ich glaube, auch der Sektor – deshalb auch hier die Debatte bei der VDV-Jahrestagung – muss sich viel, viel

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FOTO: VORNAME SBB CARGO INTERNATIONAL

Seit 2010 CEO der SBB Cargo International AG. Davor nahm er nach einem Engagement als Offizier der Bundeswehr Führungsaufgaben im Güterverkehr der DB sowie bei den Bahnunternehmen Eichholz, OHE und Arriva wahr.

IM GESPRÄCH MIT BAHN MANAGER BRICHT DER CEO DER SBB CARGO INTERNATIONAL MICHAIL STAHLHUT EINE LANZE FÜR BAHNPERSONAL UND BAHNEN, MODERNE ANGEBOTE DER AUTOMATISIERUNG UND FAHRERASSISTENZ.


Wir brauchen Menschen – intelligentes, gutes Personal. Automaten müssen ja auch gesteuert werden. Also auf der einen Seite vielleicht ein paar Leute weniger, doch woanders müssen andere Ausbildungsziele dazu kommen. Ich glaube sogar, dass die Automatisierung keine Schande ist, man muss über sie sprechen, aber sie bietet auch eine Chance. Denn ich frage mich, wo kommen all die Menschen her, die wir benötigen. Als Bahn-Manager stehen wir dafür, dass wir die Eisenbahnen nach vorne bringen. Eisenbahn ist die Lösung der Zukunft, ist die Lösung für diesen vernetzten Kontinent. Altgewachsene Industrien müssen miteinander vernetzt werden mit Schienen-Pipelines. Wir machen das mit Personal, mit Intelligenz, und dafür brauchen wir international denkende Menschen und handelnde Menschen. Das heißt, auch ein Lokführer darf ruhig mal Englisch sprechen. Man muss sicherlich nicht die Liebeserklärung auf Englisch erstellen, aber man muss verstehen, wenn man in Formaten, in Befehlen spricht, was der Fahrdienstleiter einem in Holland oder in der Schweiz und in Italien sagt. Und Englisch darf dabei keine Hürde sein. Der Lokführer wird auch in der Zukunft wesentlich sein für den Systemerhalt unserer Branche. Wir gehen immer davon aus, die Schweiz ist ein besonders sich wohlig und auch in Wohlstand entwickelndes Land, in dem eigentlich Vollbeschäftigung herrscht. Da dürfte es für eine SBB zumindest im Inland auch nicht so einfach sein, Personale zu finden? Seit 8 Jahren bin ich in der Schweiz. Es ist für mich ein Phänomen – jeder lebt mit der Eisenbahn. Es ist „unsere“ SBB in der Schweiz. Und man findet auch sehr gerne und sehr gut Menschen, die für die Eisenbahn arbeiten wollen. Ganz anders in Deutschland oder in anderen Ländern, wo

man über das Bashing über die Jahre versucht hat, die Eisenbahn in die Ecke zu stellen. Dabei können wir Eisenbahner uns nach vorne stellen und können auch zeigen mit stolzgeschwellter Brust, was wir geschaffen haben. Wir werden in der Zukunft Staulagen reduzieren. Wir werden helfen, die Erderwärmung zu reduzieren, wir werden deshalb weniger CO2 verbrauchen. Die LKW-Branche schläft nicht, aber Sie finden dafür in der Schweiz Menschen, die sagen, da hab ich Bock drauf, das möchte ich machen. Und ich möchte da mithelfen. In Deutschland müssen wir diesen „Bock“, also diese Lust, diese Laune, auch erzeugen. Und in anderen Ländern wie in Holland, denke ich, ist das irgendwann ein Selbstläufer. Lassen Sie uns mehr Bock auf Eisenbahn machen! Ich glaube, das wird viele Leute auch dann überzeugen, das Richtige zu tun. Es gibt einzelne EVU im Schienengüterverkehr, die sich an Fahrerassistenzsysteme wagen, aber auch ganz klar sagen, dass der Lokführer das annehmen muss. Wurde bei der SBB Cargo International auch darüber gesprochen, gibt es aktuelle Projekte, Überlegungen, so was einzuführen? Es gibt in der Schweiz Versuche für automatisiertes Fahren im Personenverkehr, es gibt Teststrecken dazu. Ich glaube, wir waren die ersten in Europa, die das im Personenverkehr getestet haben. Wir werden das weiterführen. Natürlich sind Fahrerassistenzsysteme super wichtig, ich denke noch mal an CO2 und Erderwärmung. Wenn wir weniger Energie verbrauchen bei intelligenterem Einsatz von Fahrzeugen, helfen wir, und wir nutzen das. Es ist natürlich, das muss man fairerweise sagen, auch eine Herausforderung bei einer Infrastruktur, bei der man permanent steht und fährt als Güterverkehr – ich selber fahre regelmäßig mit und begleite Lokführer bei ihrem Dienst. Das Schlimmste, was ich erlebt habe, war eine Fahrt zwischen Mannheim und Ba-

sel, wo wir durch eine Minute Verspätung in Rastatt vor dem Unterbruch hinter einen Personenzug geklemmt wurden. Wir haben bestimmt 10 bis 12 Halte gehabt auf freier Strecke und hatten darüber hochgerechnet in Kilowattstunden und Geld 200 Euro mehr an Energieverbrauch. Wir messen regelmäßig den Energieverbrauch. Die Lokführer haben Highscore-Rankings untereinander, und da sind Fahrerassistenzsysteme eine echte Hilfe. Also einerseits Energieeffizienz, andererseits haben wir das große Thema Verschleiß. Ist auch hier Kostenersparnis tatsächlich messbar am Ende, gibt es da erste Erfahrungswerte? Im Vergleich zur Energie können wir das noch nicht sagen. Energie ist ziemlich schnell messbar. Das können Sie just in time haben. Wenn die Schicht fertig ist, wissen wir, was wir an Energie verbraucht haben. Beim Verschleiß ist das sicherlich abhängig auch von Messpunkten. Messpunkte heißt, wann setzen Sie Instandsetzungsintervalle, und wann können Sie eben diesen Verschleiß messen. Aber es ist anschaulich klar – wenn Sie weniger bremsen, wenn Sie weniger Energie eintragen, haben Sie auch weniger Verschleiß. Rollen vor Bremsen! Rollen vor Stehen. Dafür ist der Güterverkehr an sich ganz gut geeignet. Stahl auf Stahl, Rollen ist super energieeffizient, wenig bremsen ist richtig klasse. Sowas macht Bock auf Bahn.

Das Interview führten Dennis Peizert und Hermann Schmidtendorf.


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RECRUITING UND PERSONALENTWICKLUNG – FACHKRÄFTEMANGEL IN DER NISCHENBRANCHE GLEISBAU „FACHKRÄFTE GESUCHT WIE NIE!“ – DIESEN PLAKATIVEN TITEL TRÄGT DER ARBEITSMARKTREPORT 2018 DES DIHK (DEUTSCHER INDUSTRIE- UND HANDELSKAMMERTAG). Eine Befragung von 24.000 Unternehmen kam zu dem Ergebnis, dass beinahe jedes zweite Unternehmen zukünftig mit Problemen bei der Einstellung geeigneter Fachkräfte rechnet (vgl. Abb. 1). Dies könnte mittelfristig zu einer Überlastung der vorhandenen Mitarbeiter führen oder das Unternehmenswachstum hemmen. Fachkräftemangel geht aus der Studie als das „Top-Risiko in der deutschen Wirtschaft“ hervor (vgl. Abb. 2). Davon ist auch die Gleisbaubranche in hohem Maße betroffen. 2018 sollen in Deutschland 8,1 Milliarden Euro in die Er-

Abb. 1: Stellenbesetzung, Quelle: Deutscher Industrie- und Handelskammertag e. V. (DIHK): DIHK-Arbeitsmarktreport 2018

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FOTOS: PMC RAIL INTERNATIONAL ACADEMY GMBH

neuerung und Instandhaltung von Gleisen, Brücken und Weichen sowie in den Neuund Ausbau von Bahnstrecken investiert werden.[2] Diese Rekordsumme fordert die Verfügbarkeit von ausreichend qualifiziertem Personal. Im Gleisbau als Nischenbranche, die bei ihren Mitarbeitern auf spezifisches Fachwissen angewiesen ist, fällt es zunehmend schwer, Personalbedarfe zu decken. Wie kann mit der Problematik rund um das Recruiting geeigneter Fachkräfte im Gleisbau umgegangen werden? Neben Social-Media-Kanälen wie Xing und LinkedIn erhalten auch Stellenportale im Internet immer größere Bedeutung bei der Bewerberauswahl. Stepstone, Monster.de und andere sind den meisten Unternehmen sowie Arbeitsuchenden ein Begriff. Auf diesen Portalen veröffentlichte Stellenanzeigen erreichen zwar eine breite Masse potenzieller Bewerber, zu hinterfragen ist allerdings, ob diese den Anforderungen der Nischenbranche Gleisbau gerecht werden. Hier könnten sich gleisbauspezifische Webseiten als effektivere Alternative herausstellen. Existierende Portale wie z. B. Schienenjobs.de oder ZukunftsbrancheBahn.de zeigen verfügbare Stellen in Bahnberufen auf und sprechen die relevanten Zielgruppen direkt an. Gleisbauunternehmen sind dort als Arbeitgeber jedoch weniger vertreten als Verkehrsunternehmen und -verbände. Es ist denkbar, dass Stellenportale auf explizit den Gleisbau betreffenden Webseiten, wie z. B. dem Online-Lexikon Gleisbau-Welt.de, mehr Gleisbauunternehmen ansprechen könnten. Die Betreiber der Gleisbau-Welt planen ab Herbst 2018, ein entsprechendes Stellenportal auf der Webseite zu implementieren. Wenn sich hier Gleisbauer und Interessierte über Gleisbauthemen informieren, können sie in Zukunft an der gleichen Stelle unmittelbar über passende Jobmöglichkeiten informiert werden. Damit werden Stellenanzeigen genau dem passenden Adressatenkreis zugänglich ge-

Abb. 2: Geschäftsrisiken, Quelle: Handelsblatt.com: Bahn investiert so viel wie noch nie in Schienennetz und Bahnhöfe, 15.02.2018

macht. Ab Herbst 2018 steht GleisbauWelt.de in einer englischen Version unter Trackopedia.info zur Verfügung, wodurch auch länderübergreifende Stellenangebote eingebunden werden könnten. Zielgruppengerechtes Recruiting ist ein Schritt in die richtige Richtung, den Personalbedarf in Gleisbauunternehmen langfristig zu decken. Recruiting allein wird jedoch den Fachkräftemangel in der Gleisbaubranche nicht lösen, denn in der Regel gilt: Den perfekten Bewerber gibt es nicht. Wo Recruiting an seine Grenzen stößt, kommt die Personalentwicklung ins Spiel. Gleisbauunternehmen müssen bereit sein, in die

Aus- und Weiterbildung ihrer Mitarbeiter zu investieren. Nur so kann das Potenzial des vorhandenen Humankapitals optimal ausgeschöpft werden. Darüber hinaus gewährleistet konsequente Aus- und Weiterbildung die regelmäßige Anpassung der Mitarbeiterqualifikationen an sich ändernde Jobanforderungen aufgrund neuer Technologien und zunehmender Digitalisierung. Anstatt optimal geeignete Fachkräfte nur zu rekrutieren, können auf diese Weise eigene Fachkräfte herangezogen werden.

ANTONIO INTINI

VIVIANA TROVATO

Geschäftsführer bei der PMC Rail International Academy GmbH

Zuständig im Bereich HR und Controlling bei der PMC Rail International Academy GmbH.


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DIE HOLAKRATIE IST EIN VON DER AMERIKANISCHEN FIRMA HOLACRACYONE ENTWICKELTES UND VORANGETRIEBENES »ORGANISATORISCHES BETRIEBSSYSTEM«.

Es handelt sich um einen Weg, die Strukturen und die Entscheidungsfindungen eines Unternehmens an eine sich schnell verändernde Welt mit vielen Unsicherheiten anzupassen, um damit effektiver agieren und reagieren zu können. Holakratie leitet sich vom Begriff „Holon“ ab, das eine in sich abgeschlossene und handlungsfähige Einheit beschreibt. Diese ist wiederum Teil einer ähnlichen, größeren Einheit die mit der kleineren kommuniziert, ganz ähnlich wie Zellen im menschlichen Körper. Aus diesem Grund wird das Organigramm von holakratischen Unternehmen auch in Form von ineinander verschachtelten Kreisen dargestellt.

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GRAFIKEN: FLORIAN RUSTLER

HÖHEN UND HÜRDEN DER HOLAKRATIE


Ihren Ursprung hat die Holakratie in der ursprünglich aus den Niederlanden stammenden Organisationsform der Soziokratie, dessen grundlegende Funktionsprinzipien sie übernommen hat. Das System basiert auf einer Reihe von Kernelementen: DEFINIERTE ROLLEN Arbeit wird in Form klar definierter Rollen organisiert. Eine Rolle beschreibt dabei eine Ansammlung ähnlicher Tätigkeiten, wie zum Beispiel die Inhalte einer Website zu pflegen und zu aktualisieren. Zu jeder Rolle gibt es explizit festgehaltene Verantwortlichkeiten, die festlegen, was andere Rollen von dieser Rolle erwarten können und worum sie diese Rolle bitten können. Eine Ansammlung ähnlicher Rollen bildet einen Kreis (ähnlich den klassischen Abteilungen). Diese Kreise sind selbstverwaltet, d.h. sie entscheiden eigenständig über Veränderungen ihrer Struktur und Zusammensetzung. TRENNUNG VON ROLLE UND PERSON Für viele Menschen anfangs sehr ungewohnt ist das Prinzip der Trennung von Rolle und Person. Im Gegensatz zu einem klassisch hierarchisch organisierten Unternehmen mit einer festen Zuordnung von einer Person zu einer Position wird in der Holakratie die Person von der Rolle getrennt. Eine Person hat in der Regel mehrere Rollen inne, die sich auf unterschiedlichen Hierarchieebenen befinden können. SPEZIELLE MEETINGFORMATE Holacracy kennt zwei zentrale Besprechungsformate. Zum einen das Governance Meeting, in dem sämtliche Änderungen an der Struktur und den Rahmenbedingungen von Rollen und Kreisen vorgenommen werden. Alle operativen Themen, die einen Kreis betreffen und von den Rollen nicht bilateral geklärt werden, können zum anderen im Rahmen eines Tactical Meetings verarbeitet werden. In diesem Besprechungsformat geht es darum, mit hoher Geschwindigkeit über operative Themen zu informieren, Informationen einzuholen und nächste Schritte festzulegen. DOPPELTE VERLINKUNG Ein weiteres Element ist das Prinzip der doppelten Verlinkung. Vereinfacht ausgedrückt heißt das, dass bei Entscheidun-

gen immer die Betroffenen mitentscheiden. In einem Governance Meeting eines Kreises mit Unterkreisen sitzt damit einerseits der Leadlink eines Unterkreises (der eine gewisse Führungsfunktion innehat) als auch ein gewählter Rep Link (ein Repräsentant der Mitglieder eines Kreises). Alle sind in den Governance Meetings voll entscheidungsund stimmberechtigt. In die alte Welt übertragen heißt dies in etwa, dass in einem Abteilungsleitermeeting immer auch aus jeder Abteilung noch einmal ein Vertreter der Abteilungsmitarbeiter sitzt, der voll stimm- und entscheidungsberechtigt ist.

HÖHEN – KLARHEIT UND DYNAMIK Es gibt einige Vorteile, die durch ein solches System von verteilter Autorität und dezentraler Entscheidungsfindung entstehen: Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass einer der größten Vorteile die große Klarheit über Verantwortlichkeiten, Zuständigkeiten und Rahmenbedingungen ist. Rollen, Vereinbarungen und Regeln werden immer anhand von real beobachtbaren Gegebenheiten erstellt und angepasst und nicht preskriptiv festgelegt. Damit sind die offizielle Struktur des Unternehmens und die reale Struktur des Unternehmens fast deckungsgleich. Durch die meist monatlich stattfindenden Governance Meetings, die jeder Kreis für sich abhält, kann die Struktur eines Kreises oder der gesamten Organisation in vielen kleinen evolutionären Schritten angepasst werden. Dadurch ist die Organisation hoch dynamisch und kann sich schneller und effektiver an sich verändernde Rahmenbedingungen anpassen. Die in größeren Unternehmen ständig stattfindenden Reorganisationen sind damit hinfällig – das System verändert sich kontinuierlich selbst. Zentral ist jedoch, dass es die Betroffenen höchstpersönlich sind, die die Veränderung einleiten und nicht „von oben“ verändert werden. In Governance Meetings werden Entscheidungen per Konsent getroffen: Eine Entscheidung wird deshalb getroffen, weil es keine Gründe gibt, die dagegensprechen. Wenn jemand einen begründeten Einwand hat, warum ein Vorschlag dem Kreis oder der Organisation schaden würde, dann wird dieser Einwand integriert. Der Vorschlag wird dann so angepasst, dass der Einwand nicht mehr auftritt. Dabei hat die Holakratie ein sehr gutes Vorgehen entwickelt, um Einwände auf ihre Validität zu prüfen. Da-


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Da es sich bei der Holakratie um ein System von verteilter Autorität und dezentraler Entscheidungsfindung handelt, werden Probleme meist dort gelöst, wo sie auftreten. In den meisten Fällen ermöglicht das System einem Kreis oder einer Person, Veränderungen vorzunehmen, ohne vorher die Hierarchie rauf und runter zu eskalieren. Dadurch werden einzelne Mitarbeiter gestärkt, und die Organisation ist handlungsfähiger. HÜRDEN – VIELE ANSPRÜCHE AN MITARBEITER Die Holakratie kümmert sich explizit nur um die operativen und strukturellen Bereiche der Organisation. Alle persönlichen und zwischenmenschlichen Aspekte werden nicht betrachtet. Aus der Erfahrung unserer eigenen Geschichte mit Holacracy und dem Austausch mit anderen Firmen weiß ich, dass bei einer Umstellung auf ein System von verteilter Autorität und dezentraler Entscheidungsfindung schnell zwischenmenschliche Spannungen auftreten können. Diese werden durch die sehr rigiden und sich teilweise mechanisch anfühlenden Besprechungsformate der Holakratie noch verstärkt. Daher müssen Unternehmen unbedingt die Kompetenzen der Mitarbeiter in Hinblick auf Feedback und Konfliktumgang stärken. Viele holakratische Unternehmen schulen ihre Mitarbeiter daher in gewaltfreier Kommunikation, um diesen ein Instrument an die Hand zu geben, mit zwischenmenschlichen Spannungen umzugehen.

Disziplin und große Klarheit, welche Tätigkeiten welchen Beitrag zum Zweck einer Rolle und des ganzen Unternehmens beitragen. Außerdem müssen Menschen Entscheidungen treffen wollen. Damit dies funktioniert, braucht es darüber hinaus maximale Transparenz: Nur wenn Menschen Zugang zu Daten und Zahlen haben, können sie gute Entscheidungen treffen. DIE ZUKUNFT: HYBRIDFORMEN Die Holakratie geht von einem one-size-fits-all Ansatz aus: Holakratie ganz oder gar nicht. Die Praxis zeigt, dass viele Unternehmen hier mehr Flexibilität benötigen. So hat mein eigenes Unternehmen das System der Holakratie mit anderen Elementen angereichert und verändert. Davor haben wir allerdings zwei Jahre lang Erfahrungen mit den holakratischen Spielregeln gesammelt. In Zukunft werden Unternehmen auch nicht entweder klassisch hierarchisch oder selbstorganisiert sein. Der Weg liegt für die meisten bestehenden Organisationen in einer Mischform mit klassischen Elementen und flexiblen selbstorganisierten Einheiten. Einerseits deshalb, weil das der gangbarste Weg ist und zum anderen, weil es auch in Zukunft – wenn auch immer weniger – Situationen geben wird, für welche die Hierarchie die effizienteste Form der Organisation ist.

Die Besprechungsformate in der Holakratie sind rigide und streng. Das kann eine große Befreiung sein, weil viele unproduktive Nebenschauplätze sofort beendet werden und Besprechungen deutlich produktiver werden können. Für viele Menschen ist diese (nicht) nur anfangs äußerst gewöhnungsbedürftig und fühlt sich unnatürlich an, wie Bürokratie 2.0.

FLORIAN RUSTLER Gründer der creaffective GmbH, einem Beratungsunternehmen für Innovation und agile Organisation. Mit der Einführung von Holakratie hat er sich 2016 als Geschäftsführer selbst abgeschafft. In seinem aktuellen Buch „Innovationskultur der Zukunft“ analysiert er selbstorganisierte Unternehmen und deren Innovationspraktiken.

Holakratie stellt außerdem hohe Ansprüche an die Fertigkeit aller Mitarbeiter, sich selbst organisieren, priorisieren und Entscheidungen treffen zu können. Dies erfordert viel

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FOTO: FLORIAN RUSTLER

durch gewinnt das Argument an Gewicht, es geht nicht um Politik oder persönliche Eitelkeiten. Konsent-Entscheidungen sind in Gruppen immer möglich, ganz im Gegensatz zur oft mühsamen und unproduktiven Suche nach Konsens. Alleine dieses Prinzip kann zu einer dramatischen Verbesserung von Besprechungen führen.


FOTO: RHOMBERG SERSA

Thomas Bachhofner ist neuer operativer Geschäftsführer der Rhomberg Sersa Rail Group (RSRG). Ab August 2018 verstärkt der 48-Jährige als CEO die Führungsspitze des schweizerisch-österreichischen Bahntechnikunternehmens. Bachhofner kommt von der Andritz AG, bei der er in den vergangenen Jahren als Senior Vice President in führenden Managementfunktionen tätig war. Zuletzt verantwortete Bachhofner, der insgesamt rund 20 Jahre bei der Andritz AG arbeitete, das strategische Geschäftsfeld „Andritz Separation“ mit 450 Millionen Euro Umsatz und führte 1800 Mitarbeiter. In dieser Funktion war der Maschinenbauingenieur für massgeschneiderte Maschinenbaulösungen für die Filtertechnik im Bergbau, in der Umwelttechnik, der chemischen Industrie und der Lebensmittelbranche zuständig. Bei der RSRG wird sein Hauptaugenmerk darauf liegen, durch Synergien innerhalb der Gruppe das wettbewerbsfähige Komplettangebot des Bahntechnik-Anbieters in den Heimmärkten Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie in den Kernmärkten Australien, Kanada und Großbritannien zu stärken. „Die Personalentscheidung ist für uns der

konsequente nächste Schritt in unserer Entwicklung hin zum führenden Technologieunternehmen in der Bahninfrastruktur“, erklärt Eigentümer und bisheriger CEO der Gruppe, Hubert Rhomberg. „Mit seiner langjährigen Erfahrung und seiner ausgewiesenen Managementkompetenz bringt er genau die richtigen Werkzeuge mit, um unser Unternehmen in der nächsten Entwicklungsphase zu begleiten.“ Konrad Schnyder, ebenfalls Eigentümer und Präsident des Owner Boards der Rhomberg Sersa Rail Group, ergänzt: „Als Familienunternehmen sind uns Solidität und eine langfristige Perspektive sehr wichtig. Mit Thomas Bachhofner haben wir den richtigen Mann, um als Gruppe künftig noch besser sämtliche Leistungen für Bahninfrastrukturen aus einer Hand anbieten zu können.“ Die beiden Eigentümer wollen sich zukünftig auf den strategischen Ausbau ihrer Unternehmensgruppe konzentrieren. Thomas Bachhofner gibt das Lob zurück: „Ich bedanke mich bei den beiden Eigentümerfamilien Schnyder und Rhomberg für das Vertrauen, freue mich auf die Herausforderung, die kommenden Aufgaben, und werde dieses Vertrauen mit guten Ergebnissen zurückzahlen.“

RHOMBERG SERSA RAIL THOMAS BACHHOFNER WIRD NEUER CEO

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„KARRIERE IN TEILZEIT ODER TEILZEIT ALS KARRIEREKILLER“

EIN ZEITGEMÄßES PERSONALMANAGEMENT ERFORDERT DIE AUSEINANDERSETZUNG MIT FLEXIBLEN UND ZEITREDUZIERTEN ARBEITSZEITMODELLEN. DABEI GEHT ES NICHT NUR UM DAS ZULASSEN VON INDIVIDUELLEN TEILZEITFÜHRUNGSMODELLEN – VIELMEHR UM DIE SCHAFFUNG VON RAHMENBEDINGUNGEN, IN DENEN TEILZEITFÜHRUNGSKRÄFTE AUCH WEITERE KARRIERESCHRITTE MACHEN KÖNNEN.

TEILZEITFÜHRUNG HEUTE Der Wunsch nach verantwortungsvollen Aufgaben, Führungspositionen und weiteren Karriereoptionen, die auch mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von weniger als 40 Stunden zu realisieren sind, hat in den letzten Jahren ungemein an Popularität gewonnen und damit das Thema Teilzeitführung. Es ist zwar kein wirklich neues Phänomen – doch wird es derzeit sehr stark sowohl durch aktuelle Debatten um Frauenförderung und Vereinbarkeit – als auch durch Wertewandeldiskussionen im Zusammenhang mit der Generation Y sowie der vielfach geäußerten Angst vor einem Fachkräftemangel revitalisiert. Zudem lässt sich in dem Zusammenhang ein immer stärker werdender Druck auf Entscheidungsträger aus der Wirtschaft durch veränderte politische und rechtliche Grundlagen, wie bspw. das TzBfG (explizit seit 2001 auch für Führungskräfte), das Inkrafttreten des Gesetzes für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen von 2015 oder aber das sogenannte ‚Brückenteilzeitgesetz‘ von 2018 feststellen. DIE BANDBREITE IST SEHR HETEROGEN Viele Unternehmen experimentieren aus den genannten Gründen schon seit einiger Zeit mit verschiedensten Teilzeitführungsformaten. Im gehobenen Management wird vor allem das vollzeitnahe Teilzeitführungsmodell mit einer vertraglich vereinbarten Arbeitszeit von etwa 75 Prozent – 90 Prozent praktiziert. Im Rahmen sogenannter Vertretermodelle, in denen die Teilzeitführungskraft häufig durch ein Nachwuchsführungstalent ersetzt wird, kann die mögliche Stundenreduktion sogar leicht höher ausfallen. Darüber hinaus finden sich im Führungskräftekontext

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Abb. 1: Einflussfaktoren auf die Vereinbarkeit von Beruf, Karriere und Privatleben bei Teilzeitführungskräften.

GRAFIK: ANJA KARLSHAUS

auch verschiedenste ‚Job-Sharing‘ oder ‚Job-Splitting‘Varianten, bei denen sich mindestens zwei Führungskräfte die Führungsverantwortung teilen. Für all diese Modelle gilt, dass die vereinbarte Wochenarbeitszeit entweder gleichmäßig über alle Wochentage verteilt oder aber geblockt werden kann bis hin zu längeren Auszeiten am Stück wie dem Sabbatical. Besonders populär und innovativ sind gegenwärtig auch sogenannte Flexi-Modelle, bei denen eine Führungskraft in 90 Prozent oder 95 Prozent angestellt wird und sich so weitere 10 oder mehr bezahlte Urlaubstage anspart. Wie man sieht, ist der Begriff Teilzeitführung im Grunde genommen gar nicht so eindeutig. Oft wird ‚Teilzeit‘ in Abgrenzung von der Norm ‚Vollzeit‘ definiert und bedeutet somit ein anteilig geringeres vertragliches Stundenvolumen, von welchem i.d.R. bei unter 35 Stunden gesprochen wird. WUNSCH UND WIRKLICHKEIT GEHEN WEIT AUSEINANDER Gemäß aktueller Statistiken auf der Basis der europäischen Arbeitskräfteerhebung befinden sich 9 Prozent aller deutschen Führungskräfte, vor allem auf den unteren Führungsebenen, in einem zeitreduzierten Beschäftigungsverhältnis. Dabei ist der mit 83 Prozent weitaus überwiegende Anteil der Teilzeitführungskräfte weiblich. Auch wenn man insofern von der Gruppe der Teilzeitführungskräfte zwar nicht unbedingt als ‚Exot‘ – aber immerhin als Minderheit – sprechen muss, lässt ein Blick auf die von Führungskräften tatsächlich gewünschte Arbeitszeit das Po-

tential des Teilzeitführungsinstruments erkennen. So zeigen die Daten des DIW-Führungskräfte-Monitors, dass Frauen in Führungspositionen im Schnitt eine wöchentliche Arbeitszeit inkl. Überstunden von 34 Stunden als Ideal einschätzen, ihre männlichen Kollegen hingegen 38 Stunden – auch wenn hier zukünftig sicherlich ein tiefgreifender Wertewandel zu erwarten ist, da Männer der jüngeren Generationen ihrer Familie und anderen privaten Belangen mehr Platz einräumen. TEILZEIT ALS KARRIEREKILLER Gründe für die große Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit, wenn es um die Ausübung von Teilzeitführungspositionen geht, sind vielfältig. Bislang sind in Deutschland immer noch viele Unternehmen durch eine sehr starke Präsenzkultur gekennzeichnet, die mit einer entsprechenden Führungskultur einhergeht. Das sind keine optimalen Rahmenbedingungen für Teilzeitführungskräfte, denen in diesem Kontext teilweise mangelndes Engagement, Karrierewillen oder Leistungsbereitschaft unterstellt wird. Neben den genannten kulturellen und Akzeptanzproblemen scheuen sich einige Unternehmen auch aufgrund organisationsstruktureller Argumente, proaktiv Teilzeitführungspositionen anzubieten. Zeitreduzierte oder Job-Sharing-Stellen können manchmal in den bestehenden Personalsystemen nicht abgebildet werden, es gibt Schwierigkeiten bei der Berechnung von Benefits (z.B. die Handhabung von Firmenwagen) – als auch die große


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Teilzeitführung: Rahmenbedingungen und Gestaltungsmöglichkeiten in Organisationen von Anja Karlshaus und Boris Kaehler (Herausgeber). Das Werk stellt die Vorteile und Möglichkeiten der Teilzeitführung für Unternehmen dar. Praxisnah und durch Fallbeispiele erläutert werden Rahmenbedingungen und Gestaltungsmöglichkeiten von Teilzeitführung beschrieben, typische Probleme identifiziert und praktische Empfehlungen für Personaler und Führungskräfte herausgearbeitet. www.teilzeitfuehrung.info

Sorge vor Neid oder Unzufriedenheit bei Kollegen und Mitarbeitern, da diese ggf. bei einer schlechten Organisation der Teilzeitführungsposition zusätzliche Arbeit übernehmen müssten. Aus Sicht der Unternehmensleitung stellt sich so möglicherweise die Frage, warum man sich für eine Teilzeitkraft und ggf. komplexere Abstimmungsprozesse entscheiden sollte, wenn die Position stattdessen durch eine Vollzeitkraft mit uneingeschränkter zeitlicher Verfügbarkeit besetzen kann. Auf der anderen Seite spricht aus Sicht der Teilzeitführungskraft sicherlich die Sorge um möglicherweise geringere Aufstiegschancen, schlechtere Boni, weniger Qualifizierungsmöglichkeiten sowie die ggf. schwierigere Integration in formelle und informelle Unternehmensnetzwerke.

und Generation Y Mitgliedern auf dem Arbeitsmarkt und ein teilweise spürbarer Fachkräftemangel erfordern eine stärkere Berücksichtigung neuer Zeitbedürfnisse. Gesellschaftliche Denkmuster verändern sich – in den Köpfen und in der Unternehmensrealität. Diskussionen rund um Themen wie Work-Life-Balance und Gleichberechtigung werden breiter denn je geführt und sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Beispiele aktueller Studien zeigen, dass Teilzeitführungskräften durchaus weitere Karriereoptionen offen stehen und selbstverständlicher werden, sobald in einem Unternehmen eine kritische Masse erreicht wird – idealerweise beiderlei Geschlechts und auf sämtlichen Managementebenen. Je höher der Anteil der Teilzeitführungskräfte, desto geringer Stigmatisierungseffekte und Benachteiligungen im Vergleich zu Vollzeitkräften. In der komplexer werdenden Arbeitswelt werden nicht nur zunehmend individualisierte Modelle gängiger – auch scheint die Steuerung von Führungskräfte über den Faktor ‚Zeit‘ weniger sinnvoll als über den Faktor ‚Leistung‘. Insofern ist davon auszugehen, dass Teilzeitführungsmodelle zukünftig stark an Akzeptanz gewinnen und sich weiter verbreiten werden. Die Frage wird zukünftig nicht lauten „Ist Teilzeitführung ein Karrierekiller?“ – sondern „Warum sollte Karriere in Teilzeitführung denn eigentlich nicht funktionieren?“.

PROF. ANJA KARLSHAUS Seit 2008 Professorin für Personalmanagement an der Cologne Business School (CBS) und leitet dort den Fachbereich Personal und Unternehmensführung. Neben Lehre und Forschung war sie von 1999 – 2016 in Großkonzernen wie der Dresdner Bank, Allianz Group bzw. der Commerzbank im strategischen Personalbereich beschäftigt. FOTO: CBS KÖLN

KARRIERE IN TEILZEIT KANN GELINGEN Dabei ist das ‚Mindestarbeitszeitvolumen‘ für eine Beförderung und die Teilbarkeit von Führungsstellen zweifellos eine Frage des Führungsverständnisses und der Unternehmenskultur. Denn grundsätzlich gilt: „Jede Stelle ist immer Ergebnis und Bestandteil von Arbeitsteilung und daher ihrerseits auch stets weiter teilbar.“ (Andreas Hoff). Durch die zunehmende Digitalisierung ergeben sich neue Möglichkeiten der Kommunikation und im Notfall auch der Erreichbarkeit. Die stärkere Präsenz von Frauen

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KARIKATUR: THOMAS PLAßMANN

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PERSONENVERKEHR

FOTO: PIXABAY

DEUTSCHLAND SOLL KOMPLETT VERTAKTET WERDEN, DOCH DAS ERFORDERT AUCH VERBESSERUNGEN DER INFRASTRUKTUR. IN ÖSTERREICH WAR DIE ÜBERNAHME DES GRENZÜBERSCHREITENDEN NACHTZUGVERKEHRS EIN GLÜCKSFALL.

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PERSONENVERKEHR

DEUTSCHLAND-TAKT: DER SCHIENENVERKEHR DER ZUKUNFT VOR 10 JAHREN HAT SICH DIE „INITIATIVE DEUTSCHLAND-TAKT“ ALS LOSER ZUSAMMENSCHLUSS VON FACHLEUTEN GEGRÜNDET. ZIEL WAR, FÜR EIN INTEGRIERTES GESAMTSYSTEM DES ÖFFENTLICHEN VERKEHRS (ÖV) IN DEUTSCHLAND ZU WERBEN, MIT DEM HERZSTÜCK EINES INTEGRALEN TAKTFAHRPLANS FÜR DEN SCHIENENVERKEHR. Was damals in der Mehdorn-Zeit eine „spinnerte Idee“ war, ist jetzt Leitfaden der Bahnpolitik: Die von der Regierungskoalition aus Klima-Gründen angepeilte Verdoppelung des Schienenverkehrs bis 2030 erfordert ein attraktives Gesamtsystem und stringentes Vorgehen, um mit systematischen Fahrplänen und gezielten Investitionen ausreichend Kapazität auf der Schiene bereitzustellen – eben das Prinzip „Deutschland-Takt“. Richtig in Fahrt kam die Idee aber erst, als auf Bundesebene Politiker wie Enak Ferlemann (Staatssekretär und Beauftragter der Bundesregierung für den Schienenverkehr) die Chance erkannten. Ferlemann beansprucht

für den Bund die Rolle als „Dirigent“ des DeutschlandTaktes. Der neue Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer gab seinen Einstand mit der Aussage, mit dem „Zukunftsbündnis Schienenverkehr“ einen „Wow-Effekt“ für den Bahnverkehr erreichen zu wollen. Die Branche zweifelt zwar noch an der Ernsthaftigkeit, aber: Auf einen solchen Verkehrsminister hatte Deutschland doch lange gewartet, oder? Noch hinter verschlossenen Türen tüftelt die Schweizer Firma SMA am Fahrplan der Zukunft, dem Fahrplan 2030 plus. Die Anforderungen der Bundesländer und des Güterverkehrs werden aufgenommen und mit den Vorstellungen des Bundes und der DB Fernverkehr zu Anforderungen für ein attraktives Gesamtsystem verschmolzen, was natürlich nur möglich ist, indem zusätzliche Infrastruktur-Investitionen für den Deutschland-Takt kürzere Fahrzeiten, bessere Anschlüsse und mehr Kapazität (auch im Güterverkehr!) bringen. Deutliche Mehrleistungen im Fernverkehr und zusätzliche Investitionen sollen ein stabiles Grundgerüst darstellen, auf dem dann auch viele Verbesserungen im Nahverkehr möglich werden. Der Fahrplan 2030 plus wird im Herbst vorgestellt. Zwar wird der Fahrplan 2030 plus auch Empfehlungen für Neubauabschnitte zur Beschleunigung und Entflechtung enthalten, aber vor allem viele kleine Verbesse-

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FOTOS: HANS LEISTER / LOBOSTUDIOHAMBURG, MOFAIR

13. Berliner Bahngespräche: Bahnverbände fordern Umsetzung des Deutschland-Takts in dieser Legislaturperiode. Die Podiumsdiskutanten: Enak Ferlemann, Winfried Hermann, Ronald Pofalla, Hans Leister und Michail Stahlhut.

rungen, sogar neue Bahnhofsunterführungen an wichtigen Knotenbahnhöfen für schnelles Umsteigen. Eisenbahn ist eben ein Gesamtsystem, dessen Optimierung nicht nur über Verbesserung der Sub-Systeme erreicht wird. Dieses Vorgehen beim Fahrplan 2030 plus ist nur möglich, wenn die Frage vertagt wird, wer genau welches Zusatz-Angebot bezahlt und welche Investition schultert: Bund, Länder oder DB. Diese Frage ist erst später zu klären. Bereits jetzt zeichnet sich aber ab, dass zu einem attraktiven Gesamtsystem mehr gehören wird als ein ZielFahrplan. Trassenzugang, Trassenpreissystem und Tariflandschaft müssen so umgebaut werden, dass sie dem Ziel dienen, ein attraktives Gesamtsystem zu schaffen. Es kann nicht funktionieren, Einzeltrasse für Einzeltrasse zu vergeben, wie es das gerade erst geschaffene Eisenbahn-Regulierungsgesetz vorsieht. Das Taktsystem muss gesichert, die Fahrplanvergabe im Güterverkehr auf Systemtrassen umgestellt werden. Tarif und Vertrieb sind auf ein einheitliches „System öffentlicher Verkehr“ auszurichten, wobei dem Wettbewerb trotzdem noch Raum zu lassen ist. 2030 ist noch weit. Deshalb hat das Bundesverkehrsministerium bereits das Ziel ausgegeben, bereits vorher zu bestimmten Meilensteinen einzelne Elemente des künftigen Ziel-Fahrplans umzusetzen, etwa zu den Jahren 2022 und 2025. Hinter vorgehaltener Hand ist aber auch zu hören, dass der Ziel-Fahrplan vielleicht nicht 2030, sondern je nach Baufortschritt der Zusatz-Investitionen möglicherweise erst zwei oder drei Jahre später erreicht wird. Zur Erinnerung: Der Fahrplan „Bahn 2000“ in der

Schweiz, aufgestellt 1982, war auch erst 2004 erreicht – und zeigt sich heute aufgrund der enormen Attraktivitätsund Nachfragesteigerung als nicht ausreichend. Dieses Problem wünsche ich dem deutschen Schienenverkehr für das Jahr 2030!

HANS LEISTER Inhaber der „Zukunftswerkstatt Schienenverkehr“, Berater bei Innoverse GmbH, Mitbegründer der Initiative Deutschland-Takt, im Vorstand des Interessenverbandes mofair e.V., Mitglied im Netzbeirat der DB Netz AG und Autor von Fachbeiträgen.


» DAS DIGITALE BRAUCHT MANCHMAL EINE KLEINE ANALOGE ERGÄNZUNG! « MIT DEM EHRENVORSITZENDEN DES FAHRGASTVERBANDS PRO BAHN SPRACH BAHN MANAGER ÜBER DIGITALE ANGEBOTE DER DB, TICKETTARIFE UND NÖTIGE VEREINFACHUNGEN BEI INFRASTRUKTURPLANUNGEN.

KARL-PETER NAUMANN Der Diplomchemiker war bis 2012 Bundesvorsitzender von Pro Bahn und ist auch stellvertretender Vorsitzender der Allianz pro Schiene.

Seit längerem wird über die Beschleunigung von Planungsverfahren gesprochen… Es ist für uns völlig unverständlich, dass ich bei einer Straße, die Kopfsteinpflaster hatte, Asphalt drauflegen kann, dadurch die Qualität und die Kapazität verbessern kann. Und das ohne jedwede Planfeststellung. Wenn ich aber bei einer vorhandenen Schiene elektrifiziere, wenn ich Fahrdrahtmasten aufstellen will, dann brauche ich plötzlich eine Planfeststellung. Obwohl das Ganze leiser wird, muss ich plötzlich Lärmschutz machen. Hier brauchen wir deutliche Vereinfachungen im Planungsrecht, damit kleine Maßnahmen schneller verwirklicht werden können.

Das Interview führte Hermann Schmidtendorf

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FOTO: PRO BAHN

Im Fernverkehr der DB ist jetzt ein neuer Supersparpreis eingeführt worden. Ist das auch eine Reaktion auf Flixtrain? Sicher. Das ist ja ein ganz vernünftiges Marktverhalten zu sagen, wir müssen uns anpassen an die Wünsche der Kunden. Das erleben wir ja überall dort, wo mehr Anbieter in einen Markt kommen, dass die Preise zumindest für einen Teil des Angebotes günstiger werden. Wir haben inzwischen eher das Problem, dass die Züge zu voll sind. Aber das muss man eben sehr deutlich steuern durch Sparpreise und Super-Sparpreise, damit man eben doch weitestgehend Überfüllung vermeidet.

bahn manager Magazin: Auf allen möglichen Foren, zuletzt bei der CEBIT, stellt sich die DB als digitaler Vorreiter dar. Könnte es sein, dass unter den vielen großartigen Visionen die Alltagsangebote leiden, die etwas mit Digitaltechnik oder Internet zu tun haben? Karl-Peter Naumann: Das gesamte Informationssystem steht ja bei der DB in Arbeit. Wir sprechen mit den Verantwortlichen, die im Frankfurter Haus der Reiseinformation sitzen, sehr häufig und diskutieren Fragen und Wünsche. Häufig wird vergessen, dass wir neben der Digitalisierung auch eine kleine analoge Ergänzung brauchen. Ich bekomme aus meiner elektronischen Auskunft eine wunderbare Busverbindung, die mich in Lübeck umsteigen lässt von der Haltestelle Königstraße zur Haltestelle Wahmstraße. Ich finde dann auch noch einen Weg – 150 Meter, drei Minuten Fußweg, alles in Ordnung. Nur das Problem, wenn ich aussteige: Wo ist die andere Haltestelle? Da brauche ich einfach einen mechanischen Pfeil, der irgendwo angebracht ist, damit ich es finde. Denn die Nutzung des Smartphone, die vielleicht der Schreibtischtäter dort machen würde, funktioniert häufig in der Praxis nicht. Es soll vorkommen, dass es regnet. Ich habe in einer Hand den Schirm, vielleicht habe ich in der zweiten Hand noch eine Tasche, und dann brauchte ich noch die dritte Hand für das Smartphone.


Der Angriffsplan war minutiös ausgefeilt. Flixmobility wollte ab Dezember dieses Jahres auf der Schiene richtig Gas geben. Schon heute pendeln Flixtrain-Züge zwischen Hamburg und Köln und sowie Stuttgart und Berlin. Auf zwei weiteren Linien von Köln beziehungsweise München nach Berlin sollten weitere Züge in grüner Lackierung den ICE der DB Konkurrenz machen. Dafür hat das Unternehmen bei DB Netz, konkrete Routen und Abfahrtszeiten beantragt. Doch das Ansinnen könnte scheitern. Denn die von DB Netz angebotenen Fahrtzeiten und Halte in einzelnen Städten würden Flixtrain laut eigenen Angaben gegenüber dem ICE der Deutschen Bahn benachteiligen. Die Muttergesellschaft Flixmobility legt nun Einspruch gegen

das Angebot von DB Netz ein. „Es scheint, als würde die Bahn Flixtrain als Wettbewerber nicht willkommen heißen“, sagte Flixmobility-Gründer und -Chef André Schwämmlein. Die von der DB Netz vorgeschlagenen Trassen jedenfalls seien für das Unternehmen „sehr schwer wirtschaftlich zu betreiben“, so Schwämmlein. „Wir beanstanden dies nun bei der DB Netz und gehen von einer Prüfung durch die Bundesnetzagentur aus.“ Damit ist klar: Zwischen der DB und Flixmobility ist ein offener Konflikt ausgebrochen, der bald auch die Politik beschäftigen könnte. Das Start-up aus München ist der erste ernsthafte Konkurrent des Staatskonzerns im Fernverkehr auf der Schiene. Viele hoffen auf mehr Wettbewerb.

FLIXTRAIN LEGT BESCHWERDE EIN DB WEIST VORWÜRFE ZURÜCK

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PERSONENVERKEHR

„DER GESAMTEINDRUCK DES UNTERNEHMENS MUSS STIMMEN!“

KURT BAUER

MIT DEM LEITER DES PERSONENFERNVERKEHRS DER ÖBB SPRACH BAHN MANAGER ÜBER REKRUTIERUNG UND MOTIVIERUNG VON MITARBEITERN.

Er hält betriebswirtschaftliche und technische Hochschulabschlüsse aus Innsbruck, Birmingham und London und war bis 2015 bei DB-Fernverkehr tätig.

bahn manager Magazin: Wie überzeugen Sie potenzielle Mitarbeiter von Ihren Stellenangeboten? Kurt Bauer: Wir arbeiten stark an unserem Arbeitgeberimage, weil wir als ÖBB doch eine unheimliche Vielfalt an Jobmöglichkeiten bieten. Ich denke, wir bieten auch einen schönen sozialen Rahmen. Das Wichtigste für viele junge Menschen ist jedoch: Wir bieten auch viele sinnvolle Tätigkeiten. Die Bahn ist natürlich ein sehr umweltfreundliches Verkehrsmittel. Mobilität als solches ist eine Daseinsvorsorge, und in diesem Sinne finden wir Leute, die diese Dienstleistung unterstützen wollen, weiterbringen wollen. In der Tat müssen aber auch wir um gute Mitarbeiter kämpfen. Das gilt aber wohl für alle Industrien.

glaube, das ist sogar ein Hemmschuh für die wirtschaftliche Entwicklung. Das Thema Techniker, technische Mitarbeiter für die Instandhaltung, ist eine Herausforderung. Und dann ist es schon auch so: Dienstleistungsbereite Menschen zu finden, die mit Herz und Seele zum Beispiel Zugbegleiter sind, ist auch nicht ganz einfach. Es geht aber hin bis zu Managementpositionen.

In welchen Tätigkeitsfeldern ist die Rekrutierung am Schwierigsten? Eigentlich betrifft es fast alle Wertschöpfungstiefen. Genz schwierig ist natürlich IT. Darunter leidet die gesamte Industrie, ich

Tirol macht eine Ausnahme? Ja, Tirol ist halt etwas weiter weg vom mit-

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FOTO: ÖBB

Können Sie Bewohner von Nachbarländern gewinnen und in Ihre Familie eingliedern? Ja. Für uns ist die EU da natürlich ein Segen. Wir können im Grundsatz ja im gesamten mitteleuropäischen Raum nach Arbeitskräften suchen. Die werden dann bei uns zu den normalen Kollektivvertragskonditionen angestellt. Das stimmt schon – wir haben viele Kollegen aus den Nachbarländern, die gerne bei uns arbeiten.


tel- oder osteuropäischen Raum. Es ist in der Tat so, dass es noch geografisch unterschiedliche Problemregionen gibt. Da ist Tirol besonders hervorzuheben. Hier technische Mitarbeiter zu finden, ist eine ganz, ganz große Herausforderung. Sie haben ja den Vorteil, eigene Akademien für Eisenbahnausbildung vorzuhalten. Wächst Ihnen damit ständig neues Personal nach? Mit unserem eigenen Ausbildungsprogramm haben wir natürlich einen Vorteil. Aber die jungen Leute heute sind mobiler. Es gibt kein Leben mehr bei einem Unternehmen. Dementsprechend sehen wir natürlich schon: Sobald die Arbeitskonditionen woanders besser sind, sind die jungen Leute heute weitaus schneller wechselbereit, als das früher der Fall war. Wie sieht es heutzutage mit dem Führungsstil aus? Das ist sogar in unserem Wertekanon verankert: Initiative zeigen, Initiative für den Kunden zeigen. Ich glaube, dass die Managementstrukturen bei uns alles andere als verkrustet oder veraltet sind. Dementsprechend haben wir auch viele junge Mitarbeiter, die überrascht sind, wie sehr sie sich auch ausleben können in ihrer täglichen Arbeit. Eine gewisse Grenze gibt es natürlich bei der Freilebigkeit überall, wo es ans Thema Sicherheit geht. Da muss man natürlich ganz klare Prozesse einfordern und einhalten. Aber bei den Managementtätigkeiten und kreativen Prozessen denke ich, wir sind absolut State of the Art und bieten den Freiraum, den junge Menschen heute suchen. Wenn wir das nicht täten, hätten wir auch ehrlich gesagt keine jungen Mitarbeiter mehr. Ein großes Potential, das es zu heben gilt, sind junge Frauen? Wir haben natürlich auch junge Mitarbeiterinnen im Fokus. Da spielen natürlich die

Arbeitsbedingungen eine große Rolle – die Möglichkeit, in der Zukunft mal eine Familie zu haben, vielleicht Halbzeit zu arbeiten, dass auf diese sozialen Notwendigkeiten Rücksicht genommen wird. Und das zeichnet uns schon auch aus. Wir haben sehr faire Arbeitsbedingungen für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ich denke, wir öffnen uns auch immer stärker für das Thema Inklusion und Diversity. Wir haben eine Diversity-Beauftragte. Wir starten Initiativen, um die komplette Palette an Menschen, die es da draußen einfach gibt, im Unternehmen auch wirklich abbilden zu können, damit sich jeder zu Haus fühlt bei der ÖBB. Wie ist das Marketing, um Ihre Botschaft herüberzubringen, Sie sind ein junges, frisches Unternehmen? Das Arbeitgeberimage und das Image des Unternehmens lassen sich nicht trennen. Wenn ich ein schlechtes Image habe, kann ich mich noch so sehr bemühen, mich beim Arbeitnehmer zu vermarkten – er wird mich nicht wollen. Dann merkt man schon, das wir als ÖBB in Österreich eine sehr guten Ruf haben müssen, denn wir finden ja Bewerber. Das Gesamtpaket, der Gesamteindruck eines Unternehmens muss stimmen. Bei der Einführung der Nightjet-Nachtzüge Ende 2016 prägte der ÖBB-Vorstandsvorsitzende Andreas Matthä das schöne Motto „nicht stressig, sondern lässig“. Er erklärte das Prinzip des entspannten Nachtreisens mit charmant-gemütlicher Überzeugungskraft. Die Übernahme dieser Nachtzüge von der Deutschen Bahn war aber sicher am Anfang auch ein Risiko? Der Herr Matthä redet nicht nur so, er ist auch ein treuer Nachtzug-Kunde. Gerade erst fuhr er mit dem Nightjet nach Venedig. Die Authentizität von Führungskräften ist sehr wichtig, und beim Herrn Matthä kommt das ganz klar heraus. Er fordert nicht nur Qualität, sondern nutzt auch seine Produkte. Ja es war für uns ein gewisses Risiko, wir

haben uns aber den Markt sehr genau angeschaut. Wir haben ja auch diejenigen Strecken übernommen, die aus unserer Analyse heraus das meiste Potential gezeigt haben. Das erste Betriebsjahr ist vorbei, und wir sind zufrieden mit dem Geschäft. Es ist ein stabiles Segment im Kanon des Angebots des Personenverkehrs. Wir werden das Angebot weiter kontinuierlich ausbauen. Es wird zum Fahrplanwechsel wieder eine Verbindung von Wien nach Berlin geben. Wir sind gerade jetzt dabei, neue Nachtzüge zu beschaffen für den Italien-Verkehr. Wir sind weiter davon überzeugt, dass wir dieses Geschäftsfeld nachhaltig weiter entwickeln können. Sie haben deutliche Unterschiede in den Abteilkategorien eingeführt: hier die spartanische Version für den Rucksack-Touristen, dort wunderbare Himmelbett-Wandmalereien. Haben Sie dazu spezielle Künstler oder Designer-Gruppen herangezogen? Wir haben natürlich mit Experten zusammengearbeitet, aber das meiste kommt wirklich aus unserem Team heraus. Das ist nicht zu unterschätzen: Die Bahnen haben nicht oft Möglichkeiten, wirklich komplett etwas Neues zu machen. Mit diesem Nachtzug haben wir es wirklich geschafft, in die gesamte Organisation so einen Drive hineinzubekommen. So eine Begeisterung: Wir werden groß, wir spielen in Europa mit, auch wenn es am Ende ja nur ein Nischenprodukt ist. Aber dieser Drive, gefördert vom Top-Management, hat dem Unternehmen unglaublich gut getan. Und es war natürlich auch imagebildend, das muss man auch sagen – in Deutschland, in Europa, in der Verkehrspolitik.

Das Interview führte Hermann Schmidtendorf



TRANSPORT & LOGISTIK

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ANGESICHTS DER ZAHLENMÄßIGEN ÜBERMACHT DES GÜTERVERKEHRS AUF DER STRAßE BRINGT ES WENIG, SCHIENE UND STRAßE ALS REINE KONKURRENTEN ZU SEHEN. DOCH WIE KANN EINE SOLCHE KOOPERATION AUSSEHEN? WELCHE ROLLE SPIELEN DABEI EIGENE GLEISANSCHLÜSSE DER UNTERNEHMEN?

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«BAHN ODER STRAßE, DAS IST KEIN THEMA MEHR»


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SBB CARGO ÖFFNET SICH FÜR PARTNER UND WILL MIT IHNEN AUF ZUKUNFTSTRÄCHTIGE VERKEHRE SETZEN. DER UNTERNEHMER HANS-JÖRG BERTSCHI ÄUßERT SICH IM GESPRÄCH MIT DER SBB-SPITZE – ANDREAS MEYER UND NICOLAS PERRIN – ÜBER DEN WANDEL DER BAHN IN EINER DIGITALEN UND AUTOMATISIERTEN ÄRA.

Die Bertschi AG expandiert, schrieb im vergangenen Jahr 20 Prozent mehr Umsatz – und trotzdem sehen Sie sich unter dem Druck eines Markts im Umbruch. Woraus besteht dieser? Hans-Jörg Bertschi: In der Branche herrscht viel Dynamik – die Wirtschaft globalisiert sich und lagert Logistikleistungen aus, der Digitalisierungsschub zwingt uns mitzuhalten. Wo sehen Sie SBB Cargo heute in diesem Wandel, mit dem die SBB kommende Veränderungen ankündigt? Bertschi: Unter den europäischen Bahnen steht SBB Cargo in manchem vorn. So forciert das Unternehmen das automatische Kuppeln und arbeitet an transparenten Warenflüssen – eine große Aufgabe für alle von uns, Kunden inbegriffen. Beim autonomen Fahren ist der Schienengüterverkehr erstaunlicherweise weniger weit als die Straße, obwohl es hier einfacher wäre. Andreas Meyer, Sie haben im März 2018 kommuniziert, dass SBB Cargo schlanker werden und sich ganzheitlich wandeln müsse. Schrauben Sie nun am Fundament von SBB Cargo? Andreas Meyer: Wir müssen uns in Zukunft noch mehr auf die Stärken der Bahn konzentrieren. Sehen Sie: SBB Cargo International konnte das Ergebnis 2017 trotz des siebenwöchigen Streckenunterbruchs in Rastatt (Deutschland) verbessern. Der System-Wagenladungsverkehr von SBB Cargo zwischen Schweizer Wirtschaftsräumen war bei den beladenen Wagen leicht rückläufig, der Transport von kleinteiligen und unregelmäßigen Mengen im Einzel-Wagenladungsverkehr stark rückläufig. Dieser Rückgang hat sich entgegen den gemeinsamen Entwicklungsplänen mit den Kunden beschleunigt – auch weil der Trend hin zu kleineren Sendungsgrößen und größerer Flexibilität zugenommen hat und dies noch weiter tun wird. Wir sind stark bei Verkehren über längere

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Strecken mit grosser Gütermenge. Darauf werden wir uns konzentrieren. Die Stärken der Bahn sind und bleiben das Fundament von SBB Cargo. Für Feinverteilung ist die Bahn nicht gemacht und zu teuer. Dafür sind umweltfreundliche Lastwagen geeigneter und flexibler. Bertschi: Zum ersten Mal seit fünfzehn Jahren ist 2017 die Zahl der Lastwagen im Transit durch die Schweiz auf weniger als eine Million zurückgegangen. So etwas gelingt bis heute einzig der Schweiz. Und SBB Cargo International hat wesentlich zu diesem Wandel beigetragen. In den sieben Jahren ihres Bestehens hat sie auf der NordSüd-Achse 15 Prozent Marktanteil auf der Schiene gewonnen. Innerhalb der Schweiz sehe ich das gleiche Potenzial. Man muss aber auch hinzufügen: Bahn oder Straße – diese Differenzierung ist in der Logistik eigentlich kein grosses Thema mehr. Wir müssen beide Komponenten auf den langen und kurzen Strecken miteinander verbinden, das ist die optimale Lösung. Hier eine europäische Hauptachse, dort ein flächendeckendes Netz: Das sind doch zwei verschiedene Dinge. Nicolas Perrin: Ja, aber trotzdem ist die Rezeptur eine ähnliche. Bei SBB Cargo International haben wir uns auf Wachstumsmärkte fokussiert; kleine Verkehre mit grossem Aufwand stießen wir ab. Das erforderte Härte, machte uns aber besser. Im Binnenverkehr verzettelten wir uns weiterhin, wagten keinen ähnlichen Schritt. Nun haben wir aus dem internationalen Geschäft gelernt und müssen dasselbe für den Schweizer Markt anwenden. Meyer: Als entscheidend für den Erfolg von SBB Cargo International sehe ich die strikte Konzentration auf ebendiese Stärken der Bahn – und dass wir mit Hupac einen starken Bedarfsträger mit an Bord geholt haben. Solche Partner sorgen dafür, dass dort Investitionen erfolgen, wo die Kunden sie auch nutzen. Und für den gemeinsamen Erfolg


T R A N S P O RT & L O G I S T I K

Jetzt öffnen Sie sich für Partner auch im Schweizer Geschäft. Doch wird eine Firma überhaupt Partner finden, die 2017 im Schweizer Geschäft rund 30 Millionen Franken Verlust gemacht hat? Bertschi: Eine berechtigte Frage. Es braucht nun ganz klar erste glaubhafte Schritte von SBB Cargo auf dieser Reise, bevor Partner gesucht werden können. Meyer: Ein erster Schritt ist eine Wertberichtigung mit Sanierungsrückstellungen im Umfang von knapp 189 Millionen Franken, die der SBB-Konzern durchgeführt hat. Zuversicht gibt auch zu spüren: Unsere Kunden haben ein großes Interesse daran, dass das Gütergeschäft stabil in schwarzen Zahlen steht. Sicherheit ist ihnen wichtig.

Glaubwürdige Schritte sind gefordert. Anders gesagt: SBB Cargo hat im März die Tatsachen auf den Tisch gelegt. Jetzt muss das Unternehmen halten, was es verspricht. Perrin: Das ist richtig. Wir haben bereits erste Maßnahmen ergriffen, müssen und wollen uns weiterentwickeln. Dafür haben wir einen stabilen Plan: Kurzfristig verschlanken wir Strukturen, trennen uns von unrentablen Leistungen, verbessern Prozesse. Die Folgeprogramme weisen in die Zukunft: automatisieren, marktgerechte Angebote weiterentwickeln, mit KMU-ähnlichen Strukturen einfacher, günstiger, schneller und marktnäher werden. Dies wollen wir mit Partnern weitertreiben – eine spannende Sache. Und was ist mit Kunden, die Verlust bringen und nicht mehr ins Konzept passen? SBB Cargo überprüft momentan bei rund hundert Bedienpunkten, ob eine tägliche Bedienung weiterhin notwendig ist. Perrin: Bei SBB Cargo führen rund 90 Prozent der Transporte über nur die Hälfte aller

Bedienpunkte. Im zweiten Quartal 2018 werden wir mit den betroffenen Kunden deshalb aktiv Lösungen suchen. Dabei wird es keine Überraschungen geben. Im Vordergrund steht, gemeinsam mit Kunden alternative Lösungen zu finden. Aber wir müssen ja auch ehrlich mit uns sein: Für die Feinverteilung sehr kleiner Mengen ist der Lastwagen nun einmal flexibler und effizienter. Bertschi: Dies ist ja das Tagesgeschäft von uns allen als Logistiker. In neun von zehn Fällen finden sich Lösungen, in einem verlieren wir den Verkehr. Der Systemwechsel zum neuen Wagenladungskonzept «WLV 2017» ist noch relativ frisch, und schon kündigen Sie den nächsten Schritt an. Wie verträgt sich das mit der Verlässlichkeit, welche die Kunden erwarten? Perrin: Das Netz der Bedienpunkte kann nie statisch sein. Es ist für einen Markt gemacht, und der verändert sich. Die Einführung von WLV 2017 war schwierig. Doch das System hat die Basis für eine Weiterentwicklung gelegt: Wachsende Märkte gewährleisten mehrmalige tägliche Verbindungen, mehr Kapazität und mehr Tempo, ein Buchungssystem bringt Transparenz in die Transporte. Meyer: Wer sein System nicht stetig optimiert, der verliert. In Wirtschaft und Logistik wird die Dynamik nämlich künftig immer schneller zunehmen. Der Bundesrat postuliert, dass SBB Cargo mehr unternehmerische Freiheit brauche. Wie sehen Sie das? Meyer: Diesen Weg gehen wir schon länger. SBB Cargo International funktioniert sehr unternehmerisch und hat weitgehende Freiheiten. Bei der Öffnung von SBB Cargo Schweiz wollten wir punkto Kooperationen in der Vergangenheit sogar weiter gehen als der Bundesrat. Perrin: Wir stehen unter dem Druck eines positiven Ergebnisses. Erfolg ist wichtig für unsere Partner und motiviert uns alle als Mi-

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passen sie auch ihre eigenen Logistikketten an. Perrin: Spannend ist, dass bei diesem Schritt nicht nur Hupac allein profitierte. Die Partnerschaft hat uns gegenüber allen Kunden besser und erfolgreicher gemacht.


tarbeitende. Noch wird bei SBB Cargo International die vollständig unternehmerische Ausrichtung viel besser akzeptiert, weil andere Aktionäre dabei sind und ihre Existenz nicht selbstverständlich erscheint. Auch im Schweizer Geschäft wird sie aber beflügelnd wirken und die Leistung verbessern. Partner für SBB Cargo sind auch als Kapitalgeber gefragt, denn unter anderem erfordern Digitalisierung und Automation grosse Investitionen. Welchen Mehrwert haben die potenziellen Partner von diesem Einstieg? Meyer: Sicher die Gewissheit, dass ihre Einlage in die Weiterentwicklung des CargoGeschäfts investiert wird. Sie versickert nicht im Konzern. Wie bei SBB Cargo International wird die Kooperation zudem für Bahnleistungen sorgen, die sich konsequent auf die Kundenbedürfnisse ausrichten. Bertschi: Auch meine Firma, die Bertschi AG, bindet mit Joint Ventures Kunden in den Werkverkehr ein. So stehen wir mit Investitionen nicht plötzlich im Regen. Auf solcher Partnerbasis lässt sich auch im Schienenbinnenverkehr ein erfolgreiches Geschäft aufbauen, da bin ich zuversichtlich. Die Knappheit an Lastwagenfahrern, die Logistikanforderungen der Industrie oder das Nachtfahrverbot der Straße unterstützen dabei. Perrin: Unausgesprochen sind Vertrauen und Commitment schon heute wichtig. Mit Partnerschaften lässt sich dies noch verstärken. So können wir das Geschäft sicherer weiterentwickeln. Jene, die sich nicht beteiligen: Werden sie Kunden zweiter Klasse? Perrin: Nein. Sie werden von verbesserten Leistungen und einem zukunftsgerichteten Geschäftsmodell mitprofitieren. Dies hat sich schon bei SBB Cargo International erwiesen. Auch im Wagenladungsverkehr funktioniert das Modell nur, wenn wir diskriminierungsfrei arbeiten und andere Kunden nicht benachteiligen.

Bertschi: SBB Cargo International hat es tatsächlich gezeigt: Auch für Konkurrenten von beispielsweise Hupac ist das Produkt besser geworden. Die Kunden werden nicht diskriminiert. Schwierig würde es dann, wenn sich Trittbrettfahrer beteiligten und nichts zum Erfolg des Unternehmens beitragen wollten. Herr Bertschi, Sie sind mit Ihrer Gruppe eher global unterwegs als national. Dennoch die Frage: Ist eine Beteiligung an SBB Cargo für Sie ein Thema? Bertschi: Ganz unbedeutend ist unser Schweizer Geschäft nicht, und ich sehe auch im Inland gute Chancen für SBB Cargo. Ich bin also durchaus offen.

Hans-Jörg Bertschi Mitte im Bild, führt das auf kombinierten Verkehr spezialisierte Logistikunternehmen Bertschi AG mit Sitz in Dürrenäsch AG. Ab August 2018 konzentriert sich der promovierte Ökonom als Verwaltungsratspräsident auf die strategische Führung der in Familienbesitz stehenden Gruppe, die weltweit 2800 Mitarbeitende zählt. Bertschi ist zudem Verwaltungsratspräsident der Hupac AG und gehört dem Verwaltungsrat der SBB Cargo International an.

Andreas Meyer Rechts im Bild, ist CEO der SBB AG und Verwaltungsratspräsident der heutigen 100-Prozent-Tochter SBB Cargo. Der Jurist mit MBA Insead leitet die SBB AG seit 2007 und war vorher in Führungspositionen bei ABB, der Deutschen Babcock und der Deutschen Bahn tätig.

Nicolas Perrin Links im Bild, leitet SBB Cargo seit 2007 und präsidiert den Verwaltungsrat von SBB Cargo International, an der die SBB AG mit 75 und die Hupac AG mit 25 Prozent beteiligt ist. Der Bauingenieur ETH arbeitet seit 1987 bei der SBB.


T R A N S P O RT & L O G I S T I K

DER SCHIENENGÜTERVERKEHR IST IN DEN LETZTEN 20 JAHREN ERHEBLICH GEWACHSEN. ZWAR KONNTE ER DER STRAßE KEINE MARKTANTEILE ABNEHMEN, ABER DIE VERKEHRSLEISTUNG AUF DER SCHIENE HAT SICH SEIT DER LIBERALISIERUNG BEINAHE VERDOPPELT.

Bei aller Freude über die Zuwächse ist aber zu berücksichtigen, dass der kombinierte Verkehr der alleinige Wachstumsmotor ist und der klassische Wagenladungsverkehr im Stillstand verharrt. Die Auftragslage im Ganzzugverkehr ist weitestgehend stabil. Große Mengensteigerungen sind in diesem Segment aber nicht zu erwarten. Die Transportgrößen werden tendenziell kleiner, weswegen auch die Schiene intelligente Bündelungskonzepte benötigt. Während die Bündelung im kombinierten Verkehr gelingt, entwickelt sich der Einzelwagenverkehr schon seit längerer Zeit zum Sorgenkind. Wegen fehlender Wirtschaftlichkeit wird das Angebot immer weiter reduziert und das Netzwerk verkleinert. Davon sind auch Gleisanschlüsse und multimodale Logistikknoten betroffen. Vor diesem Hintergrund ist es eigentlich eine logische Konsequenz, dass die Zahl der Gleisanschlüsse in Deutschland in den letzten Jahrzehnten erheblich zurückgegangen ist. Zahlreiche Verbände sehen diese Entwicklung mit großer Sorge und sind der Meinung, dass insbesondere der Wagenladungsverkehr ein ausreichendes Netz von Gleisanschlüssen und multimodalen Logistikknoten benötigt. Ansonsten wird er kaum einen signifikanten Beitrag zur Verkehrsverlagerung und damit zur Erreichung der umwelt- und verkehrspolitischen Ziele leisten können. Und dabei haben doch gerade Gleisanschlüsse erhebliche

verkehrspolitische und logistische Vorteile, denn über diese können die Standorte von Industrie, Handel und Logistik umweltfreundlich mit der Schiene bedient werden. Und in einen Güterwagen können höhere Volumen und Gewichte geladen werden als in ein Straßenfahrzeug. Ein weiterer Vorteil ist, dass Güterwagen unbegleitet unterwegs sind und an der Ladestelle bedarfsgerecht eingesetzt werden können. Bei all diesen Vorteilen liegt die Frage nahe, warum sich immer mehr Unternehmen nicht für den eigenen Gleisanschluss entscheiden oder ihren Gleisanschluss nur eingeschränkt nutzen. Liegen die Gründe dafür wirklich alleine im rückläufigen Einzelwagenverkehr oder können auch andere Faktoren eine Rolle spielen, wie z. B. staatliche Rahmenbedingungen oder fehlende Logistikkonzepte, die auf Gleisanschlüssen basieren? In diesem Zusammenhang macht aber Hoffnung, dass verschiedene Unternehmen neue Verkehrskonzepte und technische Innovationen anbieten, die Gleisanschlüsse und multimodale Logistikknoten mit einbinden. Interessant ist auch, dass wieder verstärkt in multimodale Logistikknoten investiert wird. Diesen Zukunftsfragen möchten verschiedene Verbände aus Industrie, Handel und Logistik nun konkret nachgehen, indem sie ihre Mitglieder befragen und den verbändeübergreifenden Dialog mit Verladern, Speditionen und Eisenbahnen suchen. Startschuss dieses Dialoges ist die 1. BME/VDV-Gleisanschluss-Konferenz am 16./17. Oktober 2018 in Berlin. In dieser Konferenz stehen die Rahmenbedingungen und Zukunftsaussichten von Gleisanschlüssen (Industrie, Handel und Logistik) und multimodalen Logistikknoten, insbesondere aus Sicht der Betreiber dieser wichtigen Zugangsstellen zur Schiene, im Vordergrund. Die in der Konferenz gewonnenen Erkenntnisse sollen auch in eine Gleisanschluss-Charta einfließen, die im Januar 2019 der Politik überreicht werden soll. Bei Interesse an der Konferenz und/oder der Charta wenden Sie sich bitte an lennarz@vdv.de.

GEORG LENNARZ Fachbereichsleiter beim Verband Deutscher Verkehrsunternehmen. FOTO: VDV

WELCHE ZUKUNFTSCHANCEN HABEN GLEISANSCHLÜSSE UND MULTIMODALE LOGISTIKKNOTEN?

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GRAFIK: ÖBB

Ab sofort stellt die ÖBB-Infrastruktur AG ihre Bahnstromversorgung auf 100 Prozent grünen Strom um. Schon bisher waren die ÖBB mit 92 Prozent erneuerbarer Energie im Bahnstrommix einer der umweltfreundlichsten Eisenbahn-Infrastrukturbetreiber in Europa. Ab sofort stammt der Strom, der unsere Züge, unsere Fahrgäste und Güter bewegt, zur Gänze aus erneuerbaren Energieträgern. „Während die verkehrsbedingten Treibhausgasemissionen in Österreich seit 1990 um fast 60 Prozent gestiegen sind, verbessern die ÖBB kontinuierlich ihre CO2-Bilanz für Bahnstrom. Die Bahn leistet einen wichtigen Beitrag für mehr sauberen Verkehr und trägt maßgeblich dazu bei, das Klima zu schützen“, betont Andreas Reichhardt, Generalsekretär des Bundesministeri-

ums für Verkehr, Innovation und Technologie. Als größtes Klimaschutzunternehmen Österreichs verstehen sich die ÖBB als Teil der Lösung im Kampf gegen den Klimawandel. „Unser Bahnstrom kommt zur Gänze aus Wasserkraft, Sonne und Wind – das ist die Zukunft und unser Beitrag: 100 Prozent grüner Strom! Wir sind stolz darauf, dass wir damit unsere Stellung als führendes Klimaschutzunternehmen des Landes weiter ausbauen“, sagt der Vorstandsvorsitzende ÖBB-Holding AG, Andreas Matthä. Rund 3,5 Millionen Tonnen Kohlendioxid ersparen die ÖBB und ihre KundInnen jedes Jahr der Umwelt. Eine Menge, die einen Wald in der Größe Vorarlbergs benötigen würde, um wieder aufgenommen zu werden.

ÖBB STELLT PÜNKTLICH UM 100 PROZENT GRÜNER BAHNSTROM

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POLITIK & RECHT FOTO: ARUNE3 PIXABAY

IN DER EU WERDEN NEUE FAHRGASTRECHTE VORBEREITET SOWIE EINE WEITERE ENTFLECHTUNG DES BAHNMARKTES – DIE BUNDESNETZAGENTUR HAT DAZU EIGENE ÜBERLEGUNGEN.

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POLITIK & RECHT

ORGANISATORISCHE TRENNUNG UND ENTFLECHTUNG IM EISENBAHNMARKT UNÜBERSEHBAR IST DAS BESTREBEN DER EU-VERKEHRSKOMMISSARE, DAS DEUTSCHE MODELL EINES EISENBAHNMARKTES MIT HOLDING-MODELLEN BEI MEHREREN EISENBAHNUNTERNEHMEN IN FRAGE ZU STELLEN.

ströme nachvollziehbar sind. Genau diese Aufgabe wies das Eisenbahnregulierungsgesetz der Bundesnetzagentur erstmalig 2016 zu und stattet die Agentur mit weitreichenden Handlungsoptionen und -befugnissen aus. Sowohl im Bereich der Eisenbahnen des Bundes als auch im Bereich der nicht-bundeseigenen Eisenbahnen ist es Aufgabe der Bundesnetzagentur, das Einhalten der Entflechtungsvorschriften zu überwachen. Die Unternehmen müssen ihr auf Verlangen Auskunft insbesondere durch die Vorlage von Buchführungsdaten geben. Das Eisenbahnregulierungsgesetz, Teil des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs im Eisenbahnbereich, setzt die derzeit gültigen europäischen Regeln um. Die Umsetzung des Vierten Eisenbahnpakets wird noch einmal neue Entflechtungsregeln bringen, um die im europäischen Gesetzgebungsverfahren gerungen wurde. Sie werden die großen europäischen Bahnen, die ehemaligen Staatsbahnen, betreffen. Tatsächlich ist die Eisenbahnwelt aber weit bunter:

Deutschland hat einen Weg gewählt, der Holding-Modelle, auch das der Deutschen Bahn, weiter ermöglicht. Innerhalb dieser Struktur gibt es allerdings strenge Regeln, welche die einzelnen Geschäftsbereiche, also Netz, Betrieb und Service, voneinander abgrenzen. Die Feststellungen des Europäischen Gerichtshofes vom 28. Juni 2017 (Rs. C-482/14) zur mangelnden Transparenz in der Rechnungsführung nimmt die Bundesnetzagentur sehr ernst. Ein Festhalten an einem integrierten Konzern bedingt, dass innerhalb des integrierten Konzerns Finanz-

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FOTO: BUNDESNETZAGENTUR

In Deutschland gibt es rund 150 Betreiber von Schienenwegen. Das Spektrum reicht von der DB Netz AG mit 36.000 Trassenkilometern bis zur Scharmützel-See-Bahn in Brandenburg mit weniger als zwei Kilometern Strecke. Wie schon bei der Entgeltgenehmigung engen Ausnahme- und Befreiungsmöglichkeiten im Eisenbahnregulierungsgesetz daher richtigerweise den Kreis der regulierten Unternehmen auch bei der Entflechtung ein – der Ansatz einer asymmetrischen Regulierung, die eine Konzentration auf wettbewerbsrelevante Sachverhalte erlaubt. Die Entflechtungsregeln, das sind insbesondere die Regeln über die Trennung von Netz und Betrieb sowie die Aspekte von unternehmensinternen Finanzströmen. Dabei beschäftigt die Bundesnetzagentur die Frage nach dem richtigen Maß an Entflechtung zur Stärkung des Verkehrsträgers Eisenbahn. Auch für die Eisenbahnunternehmen stellt sich die Frage: Wie soll die Entflechtung in der Praxis funktionieren? Das Ziel hat der europäische Gesetzgeber bereits in der Richtlinie 2012/34/EU benannt: „Um die künftige Entwicklung und eine wirtschaftliche Nutzung des Eisenbahnsystems zu gewährleisten, sollte eine Trennung zwischen der Erbringung der Verkehrsdienste und dem Betrieb der Eisenbahninfrastruktur vorgenommen werden.“ Die Entflechtung eines jeden Unternehmens muss so ausgestaltet sein, dass sie dem Eisenbahnmarkt nützt und dem Unternehmen nicht schadet. Eine Entflechtung, die eines der gesetzlichen Ziele des Allgemeinen Eisenbahngesetzes und des Eisenbahnregulierungsgesetzes in Frage stellt, zum Beispiel das der Sicherheit des Eisenbahnverkehrs, wäre schädlich. Die wichtigsten Ansprechpartner für die Bundesnetzagentur bleiben die Akteure im Eisenbahnmarkt. Um die Auswirkungen der Entflechtungsvorgaben auf die Eisenbahnunternehmen in Erfahrung zu bringen, hat die Bundesnetzagentur die Marktbeteiligten Mitte

Juni 2018 zu einem Marktdialog eingeladen. Der Austausch mit den Eisenbahnen auch außerhalb von konkreten Verwaltungsverfahren ist entscheidend, weil die Bundesnetzagentur ihr Regulierungshandeln so möglichst exakt auf die Bedürfnisse des Marktes einstellen kann – auch, damit die Unternehmen nicht unnötig mit Bürokratie belastet werden und dennoch der Zugang zur Infrastruktur frei und fair bleibt oder wird. Den Marktdialog wird die Bundesnetzagentur fortan regelmäßig durchführen. Dass es dazu nicht zwingend einer eigentumsrechtlichen Trennung von Netz und Betrieb bedarf, sehen wir sowohl am Beispiel der Deutschen Bahn als auch am Beispiel eines nordrhein-westfälischen Unternehmens, der R. A. T. H. GmbH mit Sitz in Düren. In keinem anderen Land Europas sind auch annähernd so viele Eisenbahnverkehrsunternehmen aktiv wie in Deutschland. In Großbritannien sind es 36, in Deutschland aktuell 340. Der Marktanteil der Wettbewerber im Schienengüterverkehr liegt bei 46 Prozent. Es zeigt, dass der Zugang zur Infrastruktur auch in einer Holdingstruktur funktionieren kann. Im europäischen Kontext finden die Ideen und Modelle aus Deutschland weitere Nachahmer. Zuletzt wurde in Frankreich um eine Bahnreform nach deutschem Vorbild gerungen – und am 14. Juni 2018 der Gesetzentwurf für einen neuen Eisenbahnpakt mit großer Mehrheit vom Senat verabschiedet. Da sechs von neun Güterverkehrskorridoren durch Deutschland führen, sind die Entflechtungsvorgaben stets auch im europäischen Kontext zu betrachten. Wer in Deutschland als Verkehrsunternehmen einem marktbeherrschenden Unternehmen angehört, kann – wenn er im Ausland Verkehrsleistungen erbringt – dort ein kleiner Zugangsberechtigter sein und umgekehrt. Es reicht also nicht, sich eine perfekte Regelung für den deutschen Markt auszudenken. Die Entflechtungsregeln müssen eu-

ropaweit die richtige Balance zwischen behördlicher Kontrolle und unternehmerischer Freiheit finden, die einen für alle Beteiligten einen fairen Zugang zum Netz und dadurch einen attraktiven Schienenverkehr ermöglicht. Schritte in diese Richtung macht auch das Vierte Eisenbahnpaket. Es enthält sowohl detailliertere Regeln zur Entflechtung als auch eine weitergehende Marktöffnung. Angesichts der Stärke des Systems Eisenbahn im Bereich langlaufender Verkehre wird die Öffnung der Schienenverkehrsmärkte in ganz Europa die Eisenbahn gegenüber der Straße stärken. In Deutschland haben wir bereits die Erfahrung gemacht, dass der Wettbewerb zum Beispiel im Schienenpersonennahverkehr bessere Leistung bei sinkenden Kosten bringt. Entflechtung trägt zur Neutralität des Netzbetreibers bei der Vergabe von Trassen und bei der Entgeltfestsetzung bei. Sie trägt dazu bei, dass sich der Wettbewerb zum Nutzen von Unternehmen und Kunden entfalten kann.

DR. WILHELM ESCHWEILER Seit dem 01. Mai 2014 einer von zwei Vizepräsidenten der Bundesnetzagentur in Bonn. Er ist zuständig für den Bereich Telekommunikation und Bahn. Davor war er seit 2007 Leiter des Referats „Europäische IKT-Politik“ im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Von 2002 bis 2006 war er dort Leiter des Referats „Internationale Telekommunikations- und Postpolitik.


POLITIK & RECHT

STÄRKERE FAHRGASTRECHTE IN DER EU – ABER ERST AB 2021 FAHRGASTRECHTE SIND EINE DER GROßEN ERRUNGENSCHAFTEN DER EUROPÄISCHEN UNION. SIE SCHÜTZEN DEN REISENDEN MIT FAHRPREISENTSCHÄDIGUNGEN UND HILFELEISTUNGEN VOR MANGELHAFTER LEISTUNGSERBRINGUNG DER VERKEHRSTRÄGER.

Des Weiteren setzt die Verordnung einen Mindeststandard von Hilfeleistungen für Menschen mit eingeschränkter Mobilität, regelt Informationsstandards für die Kunden und gibt Empfehlungen für die Fahrradmitnahme. Ähnliche EU-Rechtsakte existieren auch für alle weiteren Verkehrsträger. NOVELLIERUNGSVORSCHLAG WIRD DISKUTIERT Im September 2017 hatte die Europäische Kommission einen Novellierungsvorschlag veröffentlicht, der nun sowohl im Europäischen Parlament wie auch im Ministerrat diskutiert wird. Grund dafür war zum einen die mangelhafte Umsetzung der existierenden Verordnung in einzelnen Mitgliedsstaaten, zweitens der Wegfall der Klausel der „Force Majeure“, der Höheren Gewalt, durch ein Urteil von 2013 des Europäischen

So sieht die heute geltende EU-Verordnung über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr (EG 1371/2007) vor, dass bei Verspätungen im Eisenbahnverkehr ab einer Stunde dem Fahrgast eine Fahrpreisentschädigung in Höhe von 25 Prozent gezahlt werden muss, bei Verspätungen von über zwei Stunden sogar 50 Prozent.

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Gerichtshofs in Luxemburg. Zum Dritten sollen die Rechte Reisender mit Mobilitätseinschränkungen gestärkt werden.

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KRITIK AN DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION Hier wird das Europäische Parlament versuchen, gegenüber den EU-Mitgliedstaaten durchzusetzen, dass an Bahnhöfen von über 10.000 Passagieren eine Anmeldepflicht für eine Einstiegshilfe komplett abzuschaffen ist und diese an kleineren Bahnhöfen von heute 48 Stunden auf 12 Stunden herabgesetzt wird. In diesem Punkt muss man die Europäische Kommission kritisieren – bei der Vorlage der ersten Novellierungsvorschläge hielt sie es nicht für nötig, die Voranmeldungsfrist von 48 Stunden für die Bereitstellung einer Einstiegshilfe zu verändern. Viertens sind klassische juristische Verbesserungen der Formulierungen vorgesehen, damit der Text besser lesbar wird. Das wohl für den Kunden sichtbarste Zeichen von Eisenbahnpassagierrechten sind die Fahrpreisentschädigungen im Falle von Verspätungen. Hier formiert sich aktuell im Europäischen Parlament eine Mehrheit für höhere Kompensationszahlungen, wie sie beispielsweise in Frankreich im Hochgeschwindigkeitsverkehr üblich sind. Bereits ab 60 Minuten soll, so ein Vorschlag, eine Fahrpreisrückerstattung in Höhe von 50 Prozent des Ticketpreises gezahlt werden, ab 90 Minuten 75 Prozent und ab 120 Minuten 100 Prozent. 2018 IST DAS JAHR DER MULTIMEDIALITÄT Dazu gehört auch die Mitnahme von Fahrrädern in Nah- und Fernzügen. Leider ist in Deutschland gerade im Fernverkehr dies nur sehr eingeschränkt möglich. Das Europäische Parlament fordert daher, dass eine Mindestzahl von Fahrradstellplätzen in allen Zügen der Europäischen Union mittelfristig vorhanden ist. Der Widerstand bei den Ei-

senbahnen ist hier besonders groß – würde man doch entsprechend weniger Sitzplätze anbieten können. Bei den Beratungen im Europäischen Parlament arbeitet als Berichterstatter der Vize-Präsident des EU-Parlamentes und ehemaliger Verkehrsminister Polens Boguslaw Liberadzki federführend an einer Position des EU-Parlaments. Eine erste Abstimmung im Verkehrsausschuss wurde wegen großer Differenzen zwischen den größten Parlamentsfraktionen S&D (Sozialisten, Sozialdemokraten) und EVP (Christdemokraten, Konservative) auf den 9. Oktober 2018 verschoben. Entgegen vorheriger Prognosen scheint aber doch die „Höhere Gewalt“ als Ausschlussgrund für Ersatzleistungen an Bahnkunden bei mangelhafter Transportleistung gestrichen zu bleiben. Die Befürworter seiner Wiedereinführung argumentieren, dass nur so eine Gleichheit aller Verkehrsträger gewährleistet sei. DEUTLICHE MEHRHEIT Derzeit scheint eine Mehrheit im Europarlament für das Recht auf Fahrradmitnahme zu sein: S&D, Grüne, GUE (Linke, Kommunisten, Linkssozialisten) und Teile der EVP und ALDE (Liberale, Zentristen) sind dafür. Der Verhandlungsführer der EVP ist derzeit innerhalb seiner Fraktion isoliert – ein Grund der Verschiebung der Abstimmung – deswegen ist es schwer absehbar, wie genau die Abstimmung am 9. Oktober 2018 laufen wird. Bis Ende 2018, spätestens aber März 2019 soll die endgültige Position des EU-Parlamentes stehen. Dann gilt es zu schauen, welche Position der Ministerrat – also die Vertretung der EU-Mitgliedsstaaten – einnehmen wird. Erfahrungsgemäß entscheidet dieser jedoch wesentlich konservativer, wird sich beispielsweise gegen eine Erhöhung der Kompensationszahlungen oder eine verpflichtende Fahrradmitnahme aussprechen. Hier ist zu berücksichtigen, dass nicht

alle Mitgliedsstaaten ein ähnliches hohes Niveau im Bahn-Infrastrukturbereich haben. Manchen werden also die geforderten Verbesserungen besonders schwer fallen. Als neutraler Beobachter scheint mir, hier muss man ein gewisses Verständnis haben. LÄNGERE VERHANDLUNGSZEIT Das Bahnwesen ist komplex, Forderungen sollten also realistisch bleiben. Dies wird zur Folge haben, dass die folgenden Verhandlungen sehr zäh sein werden und sich gegebenenfalls bis 2020 hinziehen, aber auf keinen Fall vor der Konstituierung des neuen Europaparlaments im Herbst 2019 beginnen werden. Ein mühsamer Prozess – doch wenn alles gut geht, werden im Jahr 2021 diese neuen Regelungen in den dann 27 Mitgliedsstaaten der EU gelten und hoffentlich die Fahrkundenrechte auf Europas Bahnen deutlich stärken sowie die Qualität des Schienenverkehrs anheben.

DR. ALEXANDER VOGT Berater für Verkehrspolitik im EU-Parlament sowie Büroleiter des Vizepräsidenten Boguslaw Liberadzki.



BAHNMARKT EUROPA FOTO: 3MAN_EU PIXABAY

UM 16.50 UHR FUHR IN AGATHA CHRSTIES BERÜHMTEN KRIMINALROMAN DER DAMPFZUG VOM LONDONER BAHNHOF PADDINGTON AB. LÄNGST ÜBERNAHMEN IHRE ROLLE DIE DIESEL- UND ELEKTROTRAKTION. DOCH FEHLER DER VERGANGENHEIT PLAGEN GROßBRITANNIENS BAHNWESEN BIS HEUTE.

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M A R K T R E P O RT : G R O ß B R I TA N N I E N

DIE BAHNEN SIND PRIVAT – DOCH DER STAAT MISCHT MIT 2001 KAM DER FILM „THE NAVIGATORS“ VON KEN LOACH IN DIE KINOS. DARIN ERÖFFNET EINES MORGENS EIN MANAGER DER VERBLÜFFTEN BAHNBELEGSCHAFT: „WIR SIND EINE NEUE FIRMA, EAST MIDLANDS INFRASTRUKTUR, ALL RIGHT? BRITISH RAIL GIBT’S NICHT MEHR!“ Der Film ist bis heute ein überzeugendes Zeitdokument der Aufsplittung der ehemaligen britischen Staatsbahn British Rail (BR, bis 1965 British Railways) in über hundert Einzelunternehmen. Jedes von ihnen, auch in der Infrastruktur, solle Gewinne maximieren. Das ging zu Lasten der Sicherheit und führte in Southall, Ladbroke Grove und Hatfield zwischen 1997 und 2000 zu schweren Zugunfällen mit insgesamt 41 Toten und über 720 Verletzten. Die Privatisierung der Staatsbahn war ein Wahlversprechen der Conservative Party, die 1992 die Unterhauswahlen gewonnen hatte. Die BRFührung favorisierte die Umwandlung der BR als Ganzes zur Aktiengesellschaft. Premierminister John Mayor wollte vier private Regionalgesellschaften ausgründen. Doch er war ein schwacher Regierungschef – auf Druck des staatlichen Schatzamtes wurde der ehemalige Monopolist größtmöglich aufgeteilt, um die Staatseinnahmen zu maximieren. TRADITIONEN STATT NEUAUSRICHTUNG 1825 eröffnete die Eisenbahn zwischen Stockton und Darlington den Verkehr – die erste Bahnstrecke mit Personenverkehr weltweit. Ab 1923 gab es vier große Player, die „Big Four“: die Great Western Railway GWR (von London über Südwest-/ Westengland nach Südwales), die London and North Eastern Railway LNER (von London über

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GRAFIK/FOTOS: BRITISH RAIL, C2C, NETWORK RAIL

den östlichen und nördlichen Landesteil bis Schottland), die London, Midland and Scottish Railway LMS (von London über die Midlands und den Nordwesten nach Schottland) sowie die Southern Railway SR (Verkehr im Süden und Südosten Londons). Die GWR spurte erst 1892 von Breitspur (2140 mm!) auf die heute auch kontinental-europäische Normalspur von 1435 mm um. Darüber hinaus behielten die vier Regionalgesellschaften manche Eigenheiten – leider auch bei der Nationalisierung zur Staatsbahn British Railways 1948. Der kriegsbedingte Wiederaufbau wurde nicht genutzt, um gemeinsame technische Parameter einzuführen. DIE WICHTIGSTEN FEHLER ● Weiterhin erfordert das gegenüber dem Festland deutlich kleinere Lichtraumprofil den Einsatz niedrigerer und schmaler Personenwagen mit weniger Laderaum und Reisekomfort. 1951 wurde lediglich ein statisches Profil W5 als kleinster gemeinsamer Nenner der bestehenden schmalen Profile definiert. Damit können auf der britischen Insel nur speziell für sie gebaute Lokomotiven und Wagen eingesetzt werden, was die Kosten gegenüber Zügen von der „europäischen Stange“ um bis zu 50 Prozent erhöht (so die Schätzung der HS2-Bahngesellschaft in Bezug auf neue Züge für Hochgeschwindigkeit). Erst 2007 wurden mit der Fright Route Utilisation Strategy (Strategie zur Nutzung von Güterverkehrsstrecken) Schlüsseltrassen definiert, welche mit Profil W 10 den Transport von Standard-Containern ermöglichen sollen. ● Es fehlte eine Vision betreffend des Traktionswechsels. Weitgehend wurde weiter auf Dampfloks gesetzt, auch zur Unterstützung des Kohleabsatzes im heimischen Bergbau. Die Verdieselung geschah dann hektisch und mit teils ungenügend getesteten, untauglichen Dieselloktypen. Ohne Beachtung des Strukturwandels zu Gunsten der Straße wurde die Güterverkehrs-Infrastruktur übermäßig ausgebaut. Zwischen 1963 und 1973 wurde ein Drittel der Bahnstrecken gemäß den Plänen des Ingenieurs Richard Beeching stillgelegt. Das reduzierte

deutlich die Anzahl des benötigten Rollmaterials und sedierte den Modernisierungsdruck. Zwischen 1958 und 1974 wurde die ehemalige LMS-Strecke West Coast Main Line mit Oberleitungen von 25 kV Wechselspannung/50 Hz elektrifiziert. Doch den ehemaligen Südbahn-Strecken wurde der dort bis 1939 eingerichtete Bahnstrom von 750 V Gleichspannung mit Speisung aus einer dritten Schiene belassen. Erst ab 2014 lieferte Bombardier neue Züge der Baureihe 387 mit Ausrüstung für beide Stromsysteme, so dass diese auf verschiedenen Linien laufen können. PRIVATISIERUNG MIT GEBURTSFEHLERN Die nächsten Fehler wurden bei der Privatisierung der BR ab 1994 begangen. Der Güterverkehr wurde komplett verkauft und führt seitdem ein ungehindertes Eigenleben. Der Personenverkehr wurde in sogenannte Franchise-Vertragsregionen aufgeteilt, deren Reichweite mehrfach geändert wurde. Der Gewinner eines Franchise, also eines ausgeschriebenen Strecken-Teilnetzes, wird für zumeist 10 Jahre Betreiber des dortigen Personenverkehrs. Er muss dem Staat dafür zahlen. Eine strikte Einteilung in Regional- und Fernverkehr gibt es nicht, sie spiegelt sich jedoch in der unterschiedlichen Höhe der staatlichen Finanzzuschüsse wider. Nach Ablauf des Ausschreibungszeitraums werden Personal und Eigentumsverhältnisse auf den nachfolgenden Konzessionär übertragen. Das staatliche Rollmaterial wurde verschiedenen Privatfirmen verkauft, in der Regel Leasinggesellschaften. Wieder stand Ideologie vor gesun-

Zwischen Tradition und Moderne: Britische Bahnen bei Chalkwell. London Paddington Station


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dem Menschenverstand – denn wegen der weiter unterschiedlichen technischen Betriebsparameter auf den Teilnetzen müssen die Ausschreibungsgewinner zumeist ihr Rollmaterial doch bei konkret einer der derzeit drei Leasingfirmen mieten. Wettbewerb – weitgehend Fehlanzeige. Der verbleibende Teil der BR wurde in diverse regionale Infrastruktur- und Unterhaltsgesellschaften für das Rollmaterial gesplittet. Nach dem Desaster um die private Infrastruktur-Dachorganisation Railtrack übernahm 2002 die staatliche, nicht gewinnorientierte Network Rail Bahnanlagen und Infrastruktur. Doch ein wesentlicher Geburtsfehler wurde erst in den letzten Jahren teilweise rückgängig gemacht: die bei der Privatisierung erfolgte Entlassung der firmeneigenen Ingenieure. Für Infrastruktur-Projekte mussten mühselig und teuer externe Firmen gefunden werden. Inzwischen wurde die Zahl extern vergebener Aufträge reduziert, der privatisierte Telecom-Dienstleister wieder ins eigene Haus gebracht. Für 2013 bis 2019 sind massive Investitionen in Trassenausbau und Modernisierung in Höhe von 37,5 Milliarden Pfund (etwa 42,2 Milliarden Euro) eingeplant. KOMPLIZIERTE STAATSKONTROLLE Die Staatsaufsicht ist auf mehrere Organe verteilt: ● Die Gesamtverantwortung liegt beim Verkehrsminister, dem Secretary of State for Transport ● Ausschreibungen organisiert das Department of Transport, das Verkehrsministerium ● Die staatliche Infrastrukturbehörde Network Rail wird angeleitet und beaufsichtigt durch das Amt für Bahnregulierung, das Office of Rail and Road (ORR). Dieses ist neben dem Transportministerium zweite Regulierungs- und Sicherheitsbehörde der Bahnen. ● Fahrpläne erstellen gemeinschaftlich ORR (Trassenfestlegung) und Network Rail (Planproduktion und Veröffentlichung). ● Das Bahnwesen in Nordirland von 303 Kilometern Länge blieb integriert und wird durch den Nordirland-Minister für Regionalentwicklung beaufsichtigt. Network Rail gehören u.a. über 2500, in 6 Kategorien unterteilte Bahnhöfe, deren Betrieb zumeist durch die Ausschreibungsgewinner des jeweiligen

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örtlichen Bahnbetriebs erfolgt. 20 wichtige Bahnhöfe und drei internationale Stationen werden direkt betrieben. 2015/16 verwaltete Network Rail nach Ministeriums-Angaben 15.811 Streckenkilometer, davon waren 34 Prozent elektrifiziert. Positiv: Am 19. Juli 2018 beschlossen die britischen, französischen und belgischen Partner die gemeinsame Einführung des ERTMS-Zugsicherungssystems für die Eurotunnel-Strecken London-ParisBrüssel. Lobenswert ist auch die Strategie, auf den für Güterverkehr wesentlichen britischen Trassen ETCS Level 2 zu installieren. Ende 2017 kontraktierte Network Rail Siemens Rail Automation für den ETCS-Einbau auf zunächst 750 Güterloks privater EVUs. Das derzeitige britische Zugüberwachungssystem AWS/TPWS ist nicht „fail safe“ – bei Stromausfall versagt es. Den Mega-Gau staatlicher Interventionsmanie erlebte das britische Bahnsystem im Mai 2018 bei der Einführung der neuen Fahrpläne für die Thameslink-Verkehre im zentralen Londoner Raum. Eine Großbaustelle, bei der das Ministerium mehrfach seine Meinung änderte – etwa, an welchen Stationen Züge zu splitten seien. In der Folge war zu wenig Zeit für die korrekte Schulung der Personale in Bedienung der neuen Züge und Streckenkenntnis, der Fahrplan musste mit heißer Nadel gestrickt werden. Ziel ist der Einsatz von 400 zusätzlichen Zügen gegenüber früher mit Platz für 50.000 Reisende. Doch erst mal gab es massenhaft Zugausfälle und Verspätungen – womöglich bis 2020? Doch für den Verkehrsminister sind die Schuldigen – natürlich die Anderen!

Hermann Schmidtendorf Redaktion bahn manager


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VIEL VERKEHR, WENIG MARGE

FOTO: HPGRUESEN, PIXABAY

OFFIZIELL IST ALLES GLÄNZEND. „JEDEN TAG WERDEN IM VEREINIGTEN KÖNIGREICH ÜBER 4,6 MILLIONEN BAHNFAHRTEN UNTERNOMMEN“, SCHREIBT DER STAATLICHE BAHNREGULATOR NETWORK RAIL IN EINER SELBSTDARSTELLUNG. DIE TENDENZ SEI WEITER STABIL STEIGEND. Laut Aufsichtsbehörde ORR stiegen zwischen 2004 und 2014 die gefahrenen Passagier-Kilometer um 48,8 Prozent. Allerdings werden nur 9 Prozent der Güter per Bahn befördert. Kohletransporte fielen in drei Jahren um 82 Prozent, unter anderem wegen der Schließung von Kohlekraftwerken aus Umweltschutzgründen. Im Zeitraum 2015/16 legten Britanniens Bahnen 17,8 Milliarden Nettotonnenkilometer zurück, ein Rückgang von 20 Prozent zum Vorjahreszeitraum. Führendes GVU ist DB Cargo UK. Danach folgen Direct Rail Services, Freightliner und GB Railfreight sowie die kleinen Unternehmen Colas Rail, Devon & Cornwall Railways sowie Mendip Rail. Dachverband der Ausschreibungskonzessionäre im Personenverkehr und der Güterbahnen sowie einzelner weiterer Organisationen ist die Rail Delivery Group (Bahn-Lieferantengruppe), firmierend als National Rail (NR). Diese leistet gute Arbeit bei der Erstellung integrierter Fahrkartentarife und anderen firmenübergreifenden Aktionen. Derzeit teilen sich 13 Firmen, eingeschlossen das Transportministerium, die Franchises, vertreten durch ihnen gehörende 25 EVU (teils als joint ventures). Zusätzlich gibt es einzelne nicht subventionierte Open Access-Anbieter, Bahnfirmen für Charterverkehr und 130 Museumsbahnen mit 450 Bahnhöfen und 550 Kilometern Bahnstrecke. Wesentliche EVU im Personenverkehr betreiben die Firmen Arriva UK Trains (Deutsche Bahn), Abellio (NS), c2c (Trenitalia), Keolis

(SNCF), die schottisch-internationale FirstGroup, Stagegroup, Virgin Rail Group sowie Investorengruppen aus Japan und China. Belastend für Personenverkehrsbetreiber ist die komplizierte, über derzeitiges EU-Niveau weit hinausgehende (!!) Regelung zu Kompensationszahlungen bei Verspätungen. Das staatlich sanktionierte „Delay Repay“-System sieht vor, dass schon bei 15-bis 29-minütiger Verspätung ein Viertel des Fahrkartenpreises erstattet werden muss. Wenn mehrere Bahnen und die Infrastruktur in Kettenreaktion für Verspätungen haftbar sind, müssen diese sich jeweils, staatlich überwacht, Regressrechnungen ausstellen. Ein stetiges Wachstum des Personenverkehrs bei relativ großer Kundenzufriedenheit – all das erreichten die EVU und die immer besser agierende Network Rail im Kampf gegen erhebliche Widrigkeiten. Die Ankündigung der Behörden, die Öffnung der Wagentüren könne der Lok-

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Ein Eurostar der ersten Genenration des französischen Herstellers Alstom. Man beachte die Kürze der einzelnen Glieder des Triebzuges.


führer übernehmen, um Zeit zu sparen, führte sofort zum Streik der Bahner – sie sahen die komplette Streichung der Zugbegleiter voraus. Desgleichen die Ankündigung von 12-Wagen-Garnituren auf dem Thameslink ohne Zugbegleiter zum Schließen der Türen – Streik, das sei doch unsicher. Hunderte von Zügen fielen mit dem neuen Thameslink-Fahrplan wegen zu später Entscheidungen des Transportministeriums aus – wieder trafen die Verluste direkt die EVUs. Die Margen fielen auf 2,9 Prozent, mehrere EVUs sind in ernsten Finanzproblemen. Erstmals sanken in diesem Jahr die Fahrgastzahlen, die Kundenzufriedenheit fiel seit 2011 kontinuierlich, warnte jüngst ein Bericht des parlamentarischen Transportkomitees – und das bei hohen Staatssubventionen. Die Kosten des britischen Bahnwesens seien „um 40 Prozent höher“ als in

vergleichbaren kontinentaleuropäischen Ländern. Kein Wunder, dass Gewerkschaften und die oppositionelle Labour Party eine erneute Verstaatlichung der Personenbahnen fordern – und laut The Week und the Independant vom 11. Juni 2018 jetzt auch 64 Prozent aller Briten. Kaum ein Beleg gegen Privatisierungen schlechthin – wohl aber eine Rote Karte gegen schlechte Politik.

Hermann Schmidtendorf Redaktion bahn manager

On Web. On App.


M A R K T R E P O RT : G R O ß B R I TA N N I E N

„DIE SCHULD LIEGT BEI DER REGIERUNG!“

DIE BRITISCHE REGIERUNG PREIST DEN WETTBEWERB IM BAHNWESEN AN, MISCHT SICH ABER STÄNDIG IN UNTERNEHMERISCHE ENTSCHEIDUNGEN AN. DURCH SCHWANKENDE PLANVORGABEN DER REGIERUNG IST DAS BRITISCHE BAHNWESEN DEUTLICH ÜBERTEUERT.

PROF. DR. JON SHAW

bahn manager Magazin: Was sind nach Ihrer Einschätzung die wesentlichen Charakterzüge des heutigen Bahnsystems in Großbritannien? Jon Shaw: Das britische Eisenbahnsystem wurde sehr kompliziert gemacht. Früher gab es nur British Rail, eine Firma. Sie besaß alle Gleise und alle Züge. Sie entschied, welche Dienste sie ausführen wollte. Aber dann,

in den neunziger Jahren, wurde beschlossen, die Eisenbahn zu privatisieren. Aber sie taten es auf eine Art und Weise, die den Wettbewerb fördern sollte: den Wettbewerb zwischen Bahnbetreibern, zwischen den Bahnmaterialgesellschaften – also denjenigen, die die Züge vermieten -, den Wettbewerb zwischen Infrastruktur- und Wartungsunternehmen und den Wettbewerb

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FOTO: HERMANN SCHMIDTENDORF

Lehrt und forscht an der University of Plymouth. Seit den 90er Jahren verschiedene Veröffentlichungen zur Privatisierung des britischen Bahnwesens, zu integriertem Ticket-Angeboten und anderen Bereichen von Transport und Mobilität.


zwischen den Eisenbahnbauunternehmen. Das bedeutete, dass sie British Rail in etwa hundert verschiedene Unternehmen aufteilten, von denen jedes sein eigenes Ding machte. Und das bedeutet jetzt, dass es hundert verschiedene Profitcenter gibt, alle möglichen Verträge zwischen jeder einzelnen Firma, und so ein Betrieb ist teuer. Es ist eine komplizierte Struktur. Wenn zum Beispiel mein Zug zu spät kommt – ich betreibe einen Zug, mein Zug ist verspätet – dann muss ich die Zugbetreiber anderer Züge bezahlen, die sich durch mich verspäten, muss ich an Network Rail bezahlen, die Firma, die die Strecke verwaltet, weil ich die Infrastruktur schlecht nutze. Doch wenn jemand meinen Zug verspäte, müssen sie mich bezahlen, weil ich den Kunden bezahlen muss, wenn sie durch mich zu spät kommen. Sie müssen dann auch den anderen Eisenbahngesellschaften zahlen.

jektkosten. Und dann sagt der Minister: Oh, das ist zu teuer. Wir werden das abbrechen, wir hören damit auf. Und dann wird das Projekt auf halbem Wege gestoppt.

ist notwendig, einen guten Plan zu haben und einen guten Geschäftssinn zu haben, wenn Sie ein privatisiertes Eisenbahnsystem haben wollen. Und da liegt das Problem. Sie schaffen es also nicht, sich an den eigenen Plan zu

» FÜR EINE AUSGEPRÄGTE INFRASTRUKTUR BENÖTIGT MAN BESONDERE KENNTNISSE. «

Das ist äußerst verwirrend. Wer blickt da noch durch? Es gibt Armeen von Anwälten, also Armeen von Verwaltern, die all diese äußerst schwierigen Dinge ausarbeiten. Dann entscheidet die Regierung, der Network Rail gehört, dass sie mehr Menschen auf die Schiene bringen will. Also will sie in die Eisenbahn investieren. Aber es ist inzwischen sehr teuer geworden, in die Eisenbahn zu investieren. Der Grund dafür ist, dass wir, weil wir lange gar nicht investiert haben, Planungs- und Herstellungskapazitäten verloren haben, die Fähigkeiten zur Projektleitung und andere Kenntnisse, die Sie benötigen, um neue Infrastrukturen zu bauen. Also es wird entschieden, dass sie investieren wollen, und dann versuchen sie natürlich, zu viel auf einmal zu machen. Wir haben nicht die Fähigkeit, all diese Dinge gleichzeitig zu tun, und so steigen die Pro-

Also kaufen sie neue Züge für zu elektrifizierende Linien, doch plötzlich werden diese Linien nicht elektrifiziert! Und dann werden Dieselmotoren in fabrikneue Elektrozüge eingebaut. Könnten Sie die Elektrozüge nicht verkaufen und stattdessen neue Dieselzüge anschaffen? Nur theoretisch. Wir haben ja diese Unternehmen, welche Eigentümer der Züge sind und diese den EVUs vermieten, leasen. In letzter Zeit wurden in Großbritannien so viele neue Züge gekauft, was ja großartig ist! Aber durch die politischen Wendemanöver gibt es jetzt zu viele Züge bestimmter Typen. Wir haben zu viele Elektrozüge und nicht genug elektrische Bahnstrecken. Und wir haben nicht genug Dieselzüge für zu viele Trassen, welche diese Züge benötigen. Es ist alles sehr seltsam. Also fehlt es an ordentlicher Planung? Ich denke, der große Fehler, den wir in Großbritannien machen, ist Schuld der Regierung. Die Regierung möchte als Förderer des Wettbewerbs gesehen werden, aber sie mag immer auch die Kontrolle. Bis zu einem gewissen Grad ist das in Ordnung, denn sie zahlt fünf, sechs Milliarden Pfund pro Jahr an Subventionen. Aber Politiker sind weder Planer noch Geschäftsleute. Doch das scheint mir notwendig – es

halten, und sie können die Unternehmer der Bahnbranche auch nicht einfach ihre Arbeit machen lassen. Das ist das Problem. Die EVUs stoßen vieles an, sie bauen, investieren in einen besseren Service für die Fahrgäste. Aber die Regierung hält sich nicht lange genug an einen Plan, damit die EVUs ihn auch realisieren können. Und dann beklagt sich die Regierung immer, dass die Dinge zu viel kosten. Das liegt aber gerade daran, dass wir keinen langfristigen Plan haben. Und wenn es eng wird, liebt es der Transportminister zu verwirren.

Das Interview führte Hermann Schmidtendforf.


Diese Akquisition macht Powerlines zu einem Top-Player in der UK-Bahnelektrifizierung. Powerlines arbeitet nun in enger Kooperation mit Network Rail an der erfolgreichen Fortsetzung und Abwicklung der beiden Bahnelektrifizierungsprojekte Midland Mainline und Shotts Line.

„RIGHT ON TRACK“ IN GROßBRITANNIEN DIE POWERLINES GROUP ÜBERNAHM MIT APRIL 2018 ÜBER IHRE UK-TOCHTER SPL POWERLINES UK DIE 50 PROZENT ANTEILE VON DEM INSOLVENTEN BRITISCHEN BAUKONZERN CARILLION PLC. AM EHEMALS GEMEINSAMEN JOINT VENTURE CPL UND HÄLT NUNMEHR 100 PROZENT.

Die Powerlines Group mit dem Headquarter in Wolkersdorf im Weinviertel, Österreich, hat sich seit dem Management Buy Out aus Siemens Österreich 2003 und der Übernahme des Fahrleitungsgeschäfts von Siemens Deutschland in 2006 zu einem führenden europäischen Anbieter in der Bahnelektrifizierung entwickelt. Die Unternehmensgruppe ist in den Geschäftsbereichen RAIL, ENERGY und PRODUCTS tätig und beschäftigt aktuell rund 1100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Mittel- und Nordeuropa. Die Kernmärkte der Unternehmensgruppe sind dabei der Heimmarkt Österreich, Deutschland und UK, darüber hinaus ist Powerlines in den Benelux-Staaten, in Skandinavien, der Tschechischen Republik, Slowakei und Polen tätig. Im Geschäftsbereich PRODUCTS, aber auch im Consulting und Engineering agiert Powerlines projektbezogen weltweit.

ALLE ZEICHEN AUF WACHSTUM Bereits 2009 gelang der österreichischen Powerlines Group mit der Akquisition der Border Rail Ltd. der Markteintritt in Großbritannien. 2018 – neun Jahre später – konnte Powerlines durch die CPL Akquisition ihre Marktanteile am britischen Bahn-Elektrifizierungsmarkt deutlich ausbauen. Das 50/50 Joint Venture CPL (Carillion Powerlines) wurde 2013 vor dem Hintergrund der geplanten Investitionen in das britische Bahnnetz gegründet. Im Vordergrund stand zunächst die Ausbildung von Elektrifizierungsspezialisten für den britischen Markt. Ende 2016 beauftragte Network Rail CPL mit der Elektrifizierung einer Teilstrecke der Shotts Line (Holytown to Mid Calder Junction), und 2017 erhielt CPL den Auftrag zur Elektrifizierung der Midland Mainline (London to Corby). Die beiden Großaufträge haben ein gemeinsames Projektvolumen von £ 320,5 Millionen oder 366,6 Millionen Euro. Am 15. Januar 2018 meldete der Carillion Aufsichtsrat Insolvenz an. Zu diesem Zeitpunkt hatte Carillion rund 43.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, davon rund

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19.000 in Großbritannien und rund 220 in der Joint Venture Gesellschaft CPL. Nach der Insolvenzeröffnung reagierte Powerlines rasch und konsequent. Gerhard Ehringer, CEO der Powerlines Group: „In dieser Phase waren für uns als Unternehmen zwei Dinge ganz klar, zum einen war es uns wichtig, die Arbeitsplätze aller unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter langfristig abzusichern. Zum anderen stand für uns die störungsfreie Weiterführung der beiden Großprojekte Midland Mainline und Shotts für Network Rail im Vordergrund. Wir sind in all unseren Märkten ein verlässlicher Partner für unsere Kunden – Sicherheit, Qualität und ein hervorragendes Projektmanagement sind dafür unerlässlich. Mit diesem Commitment konnten wir Network Rail von unserer Leistungsfähigkeit überzeugen.“ Mit 31. März 2018 hat Powerlines alle Anteile an CPL erworben und rund 220 ehemalige Carillion Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die SPL Powerlines UK übernommen. Diese Akquisition macht SPL Powerlines UK mit einem jährlichen Umsatz von rund 100 Millionen Pfund zu einem der Marktführer in der UK Bahnelektrifizierung. Die beiden Großprojekte Midland Mainline und Shotts wurden während der Übergangsphase nahtlos weitergeführt, damit liegen beide Projekte im Zeit- und Budgetplan.

FOTO: PETRA SPIOLA

SELF-DELIVERY-ANSATZ Gerhard Ehringer weiter: „Wir verfolgen in UK nun eine ganz klare Strategie. Mit unserem „focus on delivery“ verfolgen wir das Ziel, unsere Projekte stets im Zeit- und Budgetplan abzuwickeln, während wir gleichzeitig höchste Qualität und die Sicherheit auf unseren Baustellen garantieren. In der Abwicklung und im Projektmanagement wollen wir neue Marktstandards setzen, und so werden wir uns zu einem neuen, starken und zuverlässigen Partner für unsere UK Kunden weiterentwickeln. Dabei spielt auch unser self-delivery-Ansatz eine entscheidende Rolle. Damit ist gemeint, dass wir die Projekte mit unseren eigenen, hervorragend ausgebildeten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern umsetzen und nur beschränkt auf externe Ressourcen zugreifen. Langjährige und erfahrene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind aus unserer Sicht der Garant für die Einhaltung unseres Best in Class Ansatzes in Sicherheit, Qualität und Projektmanagement.“

Der Bahn-Elektrifizierungsmarkt in UK entwickelt sich in den nächsten Jahren sehr positiv. Powerlines wird das Projekt Shotts in Schottland im Herbst 2018 fertigstellen und damit den vorgegebenen Zeit- und Budgetplan einhalten. Auch das Projekt Midland Mainline liegt im Plan und wird bis 2020 abgeschlossen sein. In den nächsten drei Jahren werden in Großbritannien Bahnelektrifizierungsprojekte mit einem Gesamtvolumen von 1,5 Milliarden Pfund ausgeschrieben. Gerhard Ehringer: „Wir werden Network Rail mit hervorragender Projektabwicklung der aktuellen Projekte davon überzeugen, dass wir auch in Zukunft ein verlässlicher Partner für sie sein werden. Wir werden unsere Strategie für den UK Markt konsequent weiterverfolgen, und ich bin davon überzeugt, dass wir damit sehr erfolgreich sein werden.“

MAG. GERHARD EHRINGER CEO der Powerlines Group GmbH.


Die Midland Mainline ist erst auf Teilstrecken elektrifiziert. Powerlines wird die Elektrifizierung zwischen London und Corby bis 2020 umsetzen.

Auf der Shotts Line gehen die Elektrifizierungsarbeiten gut voran. Bis Ende 2018 wird Powerlines den Streckenabschnitt zwischen Holytown und Mid Calder Junction elektrifiziert haben.


FOTO: POWERLINES GROUP

Powerlines Monteure bei der Oberleitungsmontage bei Mid Calder Junction, Shotts Line.



FOCUS ON ENERGY

FOTO: PIXABAY

ANWENDUNG VON MATHEMATISCHEN METHODEN ZUR VERBESSERUNG DER ENERGIEEFFIZIENZ VON LOKOMOTIVEN IM GÃœTERVERKEHR.

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F O C U S O N E N E RG Y

ENERGIEOPTIMIERTE ROUTENPLANUNG DER UMWELTFREUNDLICHE UMGANG MIT ENERGIE IST HEUTZUTAGE EIN ALLGEGENWÄRTIGES THEMA. Firmen streben aus ökonomischen, ökologischen und aus Gründen der Kundenbindung danach, in Ressourcenplanung, Produktion, Logistik und vielen weiteren Feldern Energie einzusparen. Es ist physikalisch erklärbar, dass Züge auf unterschiedlichen Strecken verschieden viel Energie aufnehmen. Die Berücksichtigung der Energieeffizienz von Routen in die Disposition des Schienengüterverkehrs ist daher naheliegend, jedoch nicht leicht kalkulierbar. Viele, zum Teil konträre Parameter spielen in den Energiebedarf einer Lokomotive mit ein: physikalische Parameter wie Masse oder Länge des Zuges, aber auch Umfeldparameter wie Steigung der Strecke, Windwiderstand, Schienenbeschaffenheit und Betrieb auf der Strecke.

Die Vielzahl und zum Teil Unvorhersehbarkeit der Einflussfaktoren machen es schwierig, die verschiedenen Routen nach Energieeffizienz zu klassifizieren. Ein aktuell beliebter Ansatz ist die Nutzung von Machine Learning Algorithmen für komplexe Aufgaben. Jene Algorithmen lernen aus Beispielen und können diese nach Beendigung der Lernphase verallgemeinern. Gesetzmäßigkeiten und Muster werden in den Lerndaten erkannt und können im Folgenden auf unbekannte Daten angewandt werden. Für eine erfolgreiche Auswertung ist jedoch eine große Datenbasis nötig. Vor wenigen Jahren hat ein deutscher Bahnbetreiber begonnen, den Zustand seiner Lokomotiven mithilfe von Sendeeinrichtungen aus der Ferne zu überwachen. Mithilfe der daraus resultierenden Datenbasis ist es erstmals möglich, hochfrequentierte und detaillierte Informationen über den Zustand der Lokomotiven und deren Umfeldeigenschaften abzurufen und auszuwerten. Anhand dieser Datenbasis wurde ein Clusteralgorithmus angelernt, der die Tras-


Routenplanung ohne Algorithmus.

GRAFIK: ESE

sen des deutschen Streckennetzes abhängig von den Zugeigenschaften nach Energieeffizienz klassifiziert. Der Algorithmus kann schnell auf Änderungen der Parameter, wie zum Beispiel Streckensperrungen und Wetteränderungen, reagieren und so die jeweils energieeffizientesten Trassen für die angefragten Strecken ausgeben. Für Disponenten wird es dadurch möglich, den Energieaspekt in ihre Planung mit einzubeziehen. Da auch der Betrieb auf den Trassen

Viele Optionen zur Planung von Fahrten im deutschen Streckennetz. Aber welche Option spart am meisten Energie?

Routenplanung nach Clusteralgorithmus: Es entsteht ein hoher Betrieb auf der mittleren Strecke, da diese die energieeffizienteste für alle Züge ist. Wegen der Wartezeiten entsteht nun wieder ein höherer Energiebedarf.

Durch einen zusätzlichen Optimierungsalgorithmus wurde der Gesamtenergiebedarf aller Züge optimiert. Auf der mittleren Strecke gibt es nun keine Wartezeiten mehr.

eine Einflussgröße für den Energiebedarf der Züge ist, reicht es nicht aus, diesen für jeden Zug einzeln zu berechnen. Dies wird durch Methoden der Kombinatorischen Optimierung möglich. Das Zusammenspiel zwischen Clusteralgorithmus zur Kategorisierung energieeffizienter Trassen und einem Optimierungsalgorithmus, der die zeitliche und örtliche Abhängigkeit des Energiebedarfs von Zügen betrachtet, ermöglicht es, einen energieoptimalen Fahrplan im Stre-

ckennetz zu berechnen. Das zugehörige Programm berechnet nach der Eingabe der Start- und Zielpunkte sowie Zeiten der geplanten Fahrten automatisiert die zugehörigen energieeffizientesten Routen. In einem nächsten Schritt sollen weitere Entscheidungskriterien wie Zugführerverfügbarkeiten in das Programm integriert werden. Durch Machine Learning und Optimierungsalgorithmen können Bahnbetreiber monetär profitieren, die Kundenbindung und Mitarbeiterzufriedenheit steigern und den Arbeitsalltag der Disponenten durch schnell verfügbare Entscheidungshilfen erleichtern. Der in diesem Artikel beschriebene Algorithmus ist nur ein Beispiel für eine Vielzahl an Anwendungsfällen im Schienengüterverkehr.

Janina Kropf Data Analyst bei der ESE Engineering und Software-Entwicklung GmbH Dr. Ulrich Bock Director Rail & Industry Consulting bei der ESE Engineering und Software-Entwicklung GmbH



WERKSTATT & SERVICE FOTO: PIXABAY

OPTIMIERUNG IST TRUMPF! DAS BETRIFFT SOWOHL DIE ORGANISIERUNG DER PRODUKTION NEUER LOKOMOTIVEN ALS AUCH DIE REINIGUNGSPROZESSE IM BAHNBETRIEB.

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W E R K S TAT T & S E RV I C E

AUF EINER BOOTSFAHRT ENTLANG DER KIELER FÖRDE IN RICHTUNG STADTANLEGEKAI LIEGT RECHTS DER STADTTEIL FRIEDRICHSORT. DIREKT AM UFER ZEIGEN SICH DIE ALTEN FABRIKHALLEN VON MAK, DER „MASCHINENBAU KIEL“. Anfang 2018 wechselte der Lokhersteller, inzwischen unter dem Namen Vossloh Locomotives GmbH, in eine völlig neu gebaute Fabrik im Kieler Stadtteil Suchsdorf. Der Neubau mit einer Produktionsfläche von 18.000 Quadratmetern war zwangsläufig. Am alten Platz war die Produktion über ein großes Gelände verstreut. Die Transportwege zwischen 12 Hallen summieren sich beim Bau einer Lokomotive auf bis zu 13 Kilometer. Was zeichnet eine komplett neue Fabrik aus? Der gesamte Prozess von der Konstruktion bis zur Abfahrt der kompletten Lokomotive ist jetzt in einem einzigen Gebäude konzentriert. Die Wege für Personal und Bauteile sind daher so kurz wie möglich, führen nacheinander aus einer Halle zur nächsten entsprechend den Bauetappen für das fertige Produkt. An einer Schaugrafik erklärt Produktionsleiter Oliver Meier dem bahn manager den kompakten Aufbau der Fabrikationsstätte: „Alle lackierten Komponenten kommen in die Hauptmontage. In der Hauptmontage haben wir drei Takte. Der erste Takt heißt, der Lokrahmen wird aufgebaut in einer Höhe, dass die Kollegen oben und unten gleichzeitig arbeiten können. Dann werden alle Komponenten aufgebracht. Der zweite Schritt ist die „Hochzeit“ mit den Drehgestellen. Hier parallel werden die Drehgestelle hergestellt, die kommen dann hier auf die Grube…“ Wir machen uns auf den Rundgang. Mit sichtlichem Stolz erklärt uns der Produktionsleiter: „Die Fahrzeughäuser haben alle eine relativ einfache Schraubverbindung, und über Steckersysteme werden die Kabinen nur noch mit der Verkabelung auf dem Lokrahmen verbunden. In den good old days war das so, dass die Leitungen alle an einem einzigen Platz verlegt wurden, dann stand die Lok manchmal ein halbes Jahr in einer Halle. Heute ist vieles einfacher, weil wir im Vorfeld montieren.“ Produktionsoptimierung beginnt also bei der modularen Konstruktion. In der Vormontage werden Kompo-

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FOTO: HFS

VOSSLOH LOCOMOTIVES: LOKOMOTIVBAU DER KURZEN WEGE


nenten wie Führerhäuser komplett ausgerüstet und sofort auf Funktion geprüft. Damit ist ausgeschlossen, dass beispielsweise Fehler in der Verkabelung erst in einem späteren Montagezeitpunkt erkannt und umständlich beseitigt werden müssen. Doch der Kern der Verbesserung ist die bis ins letzte durchdachte Funktionalität des Hallenaufbaus. Fünf nebeneinander angegliederte Teilschiffe sind durch ein längs angebautes Querverbindungsschiff verbunden. Es gibt keine Außentransporte für Komponenten mehr. Auch die Belegschaft arbeitet stets im Trocknen. Der Wareneingang führt sofort zum Lager – keine unnötigen Wege mehr. Prototypen müssen häufiger die Halle verlassen und zurückkommen als Loks der Standardproduktion. Daher werden Prototypen auf einem getrennten Gleis mit getrenntem Ausgangstor errichtet. Weitere Highlights der neuen Halle: ● Die Sektionen eines Lokrahmens müssen ausgerichtet und geschweißt sowie dabei gedreht werden. Dazu gibt es im Hallenhauptschiff vier Dreh-Wende-Positionen. Die hinteren Türme sind fest, die vorderen mobil verschiebbar. Hier wird der Lokrahmen eingespannt und kann beliebig in der Höhe verfahren und bewegt werden. Die vielen hundert Anschweißteile, die auf einem Lokrahmen sichtbar sind, müssen nicht mehr per Hand ausgemessen werden. Vielmehr geben Laserprojektoren die Punkte exakt vor. ● Eine neue zweiteilige Freistrahlanlage arbeitet mit einem integrierten Strahlmittelrückfördersystem. Das gewährleistet eine optimierte Filterleistung bei deutlich reduziertem Lärmpegel. ● Ein neuer Schweißroboter gewährleistet kontinuierliche Arbeitsausführung. Das Einrichten und Rüsten erfolgt in einer freien Kammer, während in zwei weiteren Kammern geschweißt werden kann. Die neue Hochgeschwindigkeitsimpulsanlage leistet dabei absolute Präzisionsarbeit in der Lichtbogenschweißtechnik. Darüber hinaus vermeidet die gleichmäßige Wärmeeinbringung, dass nachträglich Richtarbeiten nötig werden. Auch eine Laserschneidanlage ist vorgesehen. ● Gut beleuchtete fest installierte Arbeitsbühnen verringern den Montageaufwand und erlauben bei deutlich geringerem Montageaufwand das risikofreie Arbeiten gleichzeitig unter und auf dem Lokrahmen. Die Arbeitsausführung ist sicher und spart zugleich Wege und Zeit. Die Krananlagen sind optimal auf die Lokferti-

gung abgestimmt. ● Eine energiesparende Lackieranlage ermöglicht dank verbesserter Beleuchtung und verschiebbarer Lackierkörbe sicheres Arbeiten in der Höhe. Die Zu- und Abluftsysteme sind mit optimaler Filtertechnik ausgerüstet. ● Das Ziel einer emissionsfreien Fabrikation wird erreicht durch Einsatz neuer emissionsfreier Gabelstapler, eines akkubetriebenen Schienentraktors zum Herausziehen der Lokomotiven aus der Halle nach draußen, eine sehr effektiv wirkende Abgas-und Schweißgas-Absauganlage. An den Wänden montierte Gelenkarme und Abgasschläuche kombinieren Sicherheit und Effizienz. ● Ein neues Messgleis mit moderner Gleiswaage prüft schnell und zuverlässig Radaufstandskräfte, Radsatzlasten und Lastverteilung. Während die Lokachsen auf den vorgegebenen Messstellen stehen, werden sofort auf einem Bildschirm die entsprechenden Werte angezeigt. Das bisher so aufwendige Ausrichten der Messelemente entfällt. Gleich vor dem Hallentor findet sich im Gleis eine Drehscheibe. Die frisch gebaute Lok hält mit einem der Drehgestelle auf der Scheibe, und die Bewegungsfähigkeit der Drehgestelle kann sofort geprüft werden. ● Die Betriebsstoffe werden zentral gelagert. Leitungen führen bis zu den Stellen in den Hallenschiffen, an denen ihre Entnahme gebraucht wird. Die Lagerhaltung für kleinere Teile innerhalb der Fabrikationshallen wird durch vollautomatische Hochregallager mit optimaler Raumausnutzung und ständiger Verfügbarkeit verbessert. 10 beziehungsweise 7,5 Meter hohe sogenannte Tablarlifter mit jeweils 60 Lagerebenen schaffen platzsparende Lagerkapazitäten bei stark reduziertem Arbeitsaufwand und minimierter Fehlerquote. Überflüssiges Zwischenlagern von Gütern in der Produktionshalle wird vermieden. Auch die Büroarbeit wurde durch Großraumbüros „Tür an Tür“ sowie neueste Bürotechnik optimiert. Insgesamt rechnet die Kieler Werksleitung mit Energieeinsparungen bis 70 Prozent. Zur Energieeffizienz trägt auch der Anschluss an das öffentliche Fernwärmenetz bei. Ein supermodernes Werk – und ein starkes Signal Richtung Zukunft.

Hermann Schmidtendorf Redaktion bahn manager


QUICK & EASY-SYSTEM ÜBERZEUGT UND UNTERSTÜTZT DIE DB BEI DER ZUGWAGENREINIGUNG KOMMEN MEHRERE NACHHALTIGE REINIGUNGSMITTEL DES MAINZER REINIGUNGSHERSTELLERS TANA-CHEMIE ZUM EINSATZ. Schnell, sauber und sicher: Die Innenreinigung von Zügen ist eine Herausforderung. Damit sich Fahrgäste auf ihrer Reise wohl fühlen, ist absolute Hygiene eine Grundvoraussetzung. Unter gewissem Zeitdruck müssen die Reinigungskräfte dabei sehr flexibel arbeiten, denn die Züge sind hoch frequentiert und eigentlich ständig in Betrieb. IC-, ICE-Züge sowie S-Bahn- Züge werden in den DB-

Werkstätten oder im laufenden Betrieb an Wendebahnhöfen gereinigt. Diese Werkstätten sind auf elf Standorte in ganz Deutschland verteilt. Eine Lösung für eine manuelle Reinigung ist der Einsatz mit dem neuen und mobilen Dosiersystem- Quick & Easy von green care PROFESSIONAL des Mainzer Herstellers für professionelle Reinigungsmittel, tana-Chemie GmbH. Denn die hochkonzentrierten Quick & EasyProdukte punkten durch ihre nachhaltige Formulierung, leichte Verpackung und ergonomische Handhabung. Mit Quick & Easy bietet tana-Chemie, auf dem deutschen Markt insgesamt sechs hochleistungsfähige green care PROFESSIONAL Reinigungskonzentrate, die im ZweiKartuschen-System mobil mit Wasser verdünnt, sicher

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FOTOS: WERNER & MERTZ PROFESSIONAL/ TANA-CHEMIE

dosiert und schnell und einfach per Schaumsprüh-Kopf zur Anwendung gebracht werden. Das hat auch die Deutsche Bahn überzeugt: Seit kurzem sind mehrere Quick & Easy Produkte (TANET interior Quick & Easy, SANET daily Quick & Easy und TANEX Performa Quick & Easy) sowie SANET perfect, TANET SR 15 und GLASS cleaner von green care Professional offiziell gelistet und nach dem Deutsche Bahn Standard (DBS) qualifiziert für die Reinigung im Innenbereich von Schienenfahrzeugen der DB AG. DER LANGE WEG ZUR QUALIFIZIERUNG Bevor die Produkte in der Liste des DBS aufgenommen werden, finden zahlreiche Kontrollen und Tests statt. Bis zu einem Jahr kann das aufwändige Verfahren in Anspruch nehmen. Im Fall von tana- Chemie stellte HansJürgen Cramer, Key-Account-Manager bei tana-Chemie, die Produkte der Deutschen Bahn AG vor. Im Techniklabor der Deutschen Bahn (Kirchmöser/Brandenburg an der Havel) wurden die Reinigungsmittel daraufhin auf ihre Materialverträglichkeit überprüft. Es folgte ein Praxistest, der das Quick & Easy-Sortiment in den DB-Werken in Köln und Berlin auf seine wirtschaftliche Einsetzbarkeit und das Reinigungsergebnis überprüfte. Auch diese Testphase lief erfolgreich. Der Erprobungsbericht attestiert „Quick & Easy“ besonders dann gute Eignung, wenn ein großer Materialtransport aus Zeitmangel oder wegen fehlender Infrastruktur nur schwer umzusetzen ist.“ Das Reinigungsmittelkonzentrat wird bei diesem mobilen Dosiersystem automatisch mit Wasser gemischt; alles, was benötigt wird, passt an einen praktischen Gürtel. Aktuell sind die Produkte durch den Großhandelslieferanten IGEFA in den internen Bestellkatalog der Deutschen Bahn, Click2Shop, aufgenommen worden. tana-Chemie Produkte können nun direkt von Anwendern der von regionalen DB-Zuginnenreinigungsabteilungen beauftragten Dienstleister angefordert und genutzt werden. EINFACHES DOSIEREN AN ORT UND STELLE So funktioniert das Quick & Easy-System: Ein leicht zu bedienendes „Plug-and-Play“-System ermöglicht die Reinigung jeder Fläche schnell und einfach im ‚Schaumsprüh-Verfahren‘. Installation, Wartung und zusätzliche Schulung sind nicht nötig. Durch das „Schlüssel-SchlossSystem“ wird jeglicher Flüssigkeitsaustritt verhindert. Der

Freie Fahrt für die Listung bei der DB. Das Quick & Easy System ist der ideale Problemlöser für die Herausforderungen bei der Innenreinigung von Zügen.

unbeabsichtigte Kontakt mit dem Konzentrat wird somit sicher ausgeschlossen. Die Wasser-Kartusche ist überall nachfüllbar. Das spart unnötige Wege zu zentralen Dosieranlagen. Die Produkte wurden, wie alle Produkte der Marke green care PROFESSIONAL, für eine effektive Kreislaufwirtschaft entwickelt. Von Verpackung bis Inhalt ist alles auf das Motto „Die richtigen Dinge richtig tun“ ausgerichtet. Alle green care Quick & Easy-Produkte sind mit dem EU-Ecolabel ausgezeichnet sowie Cradle to Cradle Gold™ zertifiziert. Das Institut „EPEA Internationale Umweltforschung“, das die Cradle to Cradle™ Zertifizierung vornimmt, beurteilt Produkte hinsichtlich ihrer Materialgesundheit, Wiederverwertbarkeit, der Nutzung erneuerbarer Energien, des Kohlenstoffmanagements, des verantwortungsvollen Umgangs mit Wasser und der sozialen Fairness. Die green care QUICK & EASY Produkte erreichten in allen Kategorien die Gold-Zertifizierung, in der Kategorie Material-Gesundheit erzielten sie sogar Platin. „Mit dem Quick & Easy System von green care PROFESSIONAL verfügt das Reinigungspersonal der Deutschen Bahn über eine immer sichere und hygienische Reinigungslösung, niedrige Anwendungskosten und eine gesteigerte Produktivität“, davon ist Werner Schulze, Geschäftsführer der tana-Chemie GmbH, überzeugt.



INDUSTRIE & INFRA STRUKTUR

GRAFIK: BMVI

ZU RECHT MONIEREN EUROPÄISCHE EXPERTEN, DASS DIE VERBESSERUNG DER BAHN-INFRASTRUKTUR ZUMEIST AN DER LÄNDERGRENZE ENDET. DAS BEDEUTET AUCH FÜR DEN DEUTSCH-POLNISCHEN BAHNVERKEHR: NACHBESSERUNG IST ERFORDERLICH!

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BAHNGIPFEL MIT WUNSCHLISTE

DIE DURCHGEHENDE ZWEIGLEISIGKEIT DER BAHNSTRECKE BERLIN-STETTIN MIT ELEKTRIFIZIERUNG AB 2025 WAR WICHTIGSTES ERGEBNIS DES 3. DEUTSCHPOLNISCHEN BAHNGIPFELS IM JUNI 2018 IN POTSDAM.

Seit 2015 diskutieren auf nachbarschaftlichen Bahngipfeln Politiker und Bahnfachleute die Verbesserung des grenzüberschreitenden Bahnverkehrs. Manche Probleme liegen nur an einem der beiden Länder. Die Zweigleisigkeit der Strecke Szczecin-Berlin stockte wegen der negativen Haltung des deutschen Verkehrsministeriums. Auf dem jüngsten Bahngipfel kam der Durchbruch – aber nur, weil die Länder Berlin und Brandenburg die zusätzlich nötigen 100 Millionen Euro selber tragen wollen. Weitere Themen auf der deutsch-polnischen Wunschliste: ● Polen wünscht seit langem, die polnische elektrische Oberleitung von 3000 Volt Gleichstrom über die 800 Meter lange Gleisstrecke von der Grenze zum Bahnhof Görlitz an einen dortigen Bahnsteig zu verlängern. Dann könnten polnische Elektrotriebfahrzeuge die Passagiere in Görlitz ein- und aussteigen lassen und problemlos zurückfahren. DB Netz bringt bislang vor, ein polnischer Fahrdraht könne auf dem Görlitzer Bahnhof problematischen Einfluss auf die Frequenz der deut-

schen Wechselstrom-Bahnoberleitung haben. Der Staatssekretär im polnischen Infrastrukturministerium Andrzej Bittel gegenüber bahn manager: „Bis Ende Juli soll ein Fachtreffen stattfinden, und wir sollten uns klar sagen: Ist das möglich, was kostet das – oder warum ist das nicht möglich? Unserer Meinung nach ist das möglich, und das wird dann schon ein Element einer konkreten Diskussion über Ingenieurs-Fragen.“ Diese Meinung vertritt auch der Bahnexperte der Berliner Senatsverwaltung Dr. Jürgen Murach. Auf einer OstbahnKonferenz in Seelow verwies er 2016 auf den deutschholländischen Grenzbahnhof Bad Bentheim. Dort können holländische Lokomotiven unter ihrem eigenen Fahrdraht einfahren. „Die Bahnstromversorgung Hollands hat die gleiche Spannung wie in Polen, doch am deutschen Grenzbahnhof mit den Niederlanden funktioniert das Nebeneinander beider Systeme ohne Probleme. Warum also nicht auch auf dem Grenzbahnhof Görlitz? Das EBA und die Deutsche Bahn sollten eine ähnliche Lösung wie in Bad Bentheim auch an der polnisch-deutschen Grenze ermöglichen.“ ● Polen wünscht auch eine beschleunigte Elektrifizierung der deutschen Bahnzuführung nach Görlitz. Staatssekretär Andrzej Bittel zu bahn manager: „Die auf Arbeitstreffen genannten Daten – 2029 oder jetzt 2025 – das ist doch eine sehr weit entfernt liegende Zeit. Wir hoffen deshalb, dass es eine genügend große Entschlossenheit gibt, die wir gerne unterstützen werden.“ ● DB Netz hat gemäß deutsch-polnischer Absprache die


FOTO: HFS

Grenz-Eisenbahnbrücke an der Ostbahn zwischen Kietz-Küstrin und Kostrzyn zu erneuern. Kurz vor dem Bahngipfel forderte Polen, die Brücke müsse eine Höhe von 7 Metern erhalten. Das rief unter deutschen Gipfelteilnehmern und manchen deutschen Medien Unverständnis hervor. Gegenüber bahn manager beruhigte Staatssekretär Bittel, es seien vor allem einige zusätzliche Dokumente gewünscht – „das sind Sachen für Juristen“. Für die anderen Fragen wie Höhe der Brücke und Abstimmungen mit dem polnischen Denkmalschutz werde kurzfristig ein polnischer Koordinator bestellt, der die Themen mit der deutschen Seite klären soll. Zur neuen geforderten Höhe der Eisenbahn-Grenzbrücke recherchierte bahn manager, dass es sich keinesfalls um polnische Sprunghaftigkeit handelt. Vielmehr hat sich Polen mit Beitritt zum „Europäischen Übereinkommen über die Hauptbinnenwasserstraßen von internationaler Bedeutung“ (AGN) verpflichtet, die durch Polen verlaufenden Abschnitte der internationalen Wasserstraßen E-30, E-40 und E-70 zumindest zur Klasse 4 auszubauen. Dies betrifft auch die Oder und somit die Ostbahn-Eisenbahnbrücken bei Küstrin-Kostrzyn. Diesem Abkommen ist übrigens auch Deutschland beigetreten. Laut AGN in der Version vom 28. November 2010 sind Abweichungen „nur für schon bestehende Wasserstraßen und als Ausnahmen“ zulässig. Die deutschen Bahnplaner sollten also Polen bei dem Bemühen unterstützen, eine europäische Ausnahmezusage zum Thema Brückenhöhe zu erlangen. ● „Kulturzug“ Berlin- Breslau (Wrocław) -Berlin: Dieses Erfolgsprodukt des 1. Bahngipfels soll auch 2019 fortgesetzt werden. Jetzt wurde außerdem zum Winterfahrplan 2018/19 wieder ein regulärer Nachtzug Berlin-

Breslau-Krakau angekündigt. Allerdings erweckten Vertreter von DB und PKP den falschen Eindruck, diese begrüßenswerte Neuerung sei ihr eigenes Verdienst. Dabei handelt es sich – siehe bahn manager-Interview mit dem ÖBB-Fernverkehrsleiter Kurt Bauer in diesem Heft! – um ein Produkt auf Initiative der Österreichischen Staatsbahnen als Verbindung Wien-Berlin. Der Erfolg hat also drei Mütter oder Väter… Der Kurswagen nach Krakau wird sogar bis nach Przemyśl fahren, freute sich Deutschland-Koordinatorin Renata Szczęch: „Dann hätten wir unsere östliche SchengenGrenze bis nach Berlin angebunden.“ ● Die Bahnverbindung Berlin-Warschau wird nach Beendigung aktueller Bauarbeiten ab 2019 auch mit neuem, modernem polnischem Rollmaterial bedient werden, welches, so Deutschland-Koordinatorin und polnische Vize-Innenministerin Renata Szczęch, „die Reisezeit deutlich verkürzen wird“. Die Fahrtzeit könnte unter 5 Stunden fallen. ● Polen-Koordinator und Ministerpräsident Brandenburgs Dietmar Woidke: „Besonders wichtig ist mir auch der Ausbau und die Elektrifizierung der Ostbahn. Die positive Entwicklung in Ostbrandenburg und Lubuskie wollen wir mit einer attraktiven Schienenverbindung Berlin-Müncheberg-Seelow-Küstrin-Gorzów weiter verstärken.“ Diese Bahnstrecke ist bislang im Bundesverkehrswegeplan nicht als wesentliches Projekt aufgeführt.

Hermann Schmidtendorf Redaktion bahn manager



FORSCHUNG & ENTWICKLUNG FOTO: PIXABAY

AUTOMATISIERTE TRANSPORTPROZESSE BEDÜRFEN HÖCHSTEFFEKTIVER SYSTEME DER POSITIONSBESTIMMUNG. IM GÜTERVERKEHR SOLL JETZT EUROPAS SATELLITENNETZ GALILEO FÜR PRÄZISION SORGEN.

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FORSCHUNG & ENTWICKLUNG

» GALILEO GOES BAHN «

Projektingenieur Dr. René Zweigel präsentiert die Vision einer autonomen Bahnwelt

Derzeit ist das Fahren in Blockabschnitten gängiges Verfahren auf Europas Bahnen. Auch beim europäischen Sicherungssystem ETCS sind bestimmte Abstände einzuhalten. Hintergrund ist unter anderem, dass heute bekannte Systeme nur die Position des Triebfahrzeugs melden, nicht aber diejenige des letzten Wagens. Zwar gibt es die Zählung der vorbeirollenden Achsen, doch findet dieses nur an bestimmten Punkten im Netz statt. Unter der Leitung des Instituts für Regelungstechnik der RWTH Aachen wurde jetzt ein Verfahren zur automatisierten Zugvollständigkeitsprüfung erarbeitet. Über eine permanente und

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automatisierte Abstandsermittlung zwischen einem Satellitennavigationsempfänger auf dem Triebwagen und einem auf dem letzten Wagen des Zugverbands wird die Zugvollständigkeit überprüft. In dieser Anwendung kann zwischen Wagenverlust, Kommunikationsausfall und Verlust der Positionsangabe unterschieden werden. Ermöglicht wird eine höhere Zugdichte im Allgemeinen und damit auch eine höhere Wirtschaftlichkeit des Bahnsystems. HOCHGENAUER NAVIGATIONSEMPFÄNGER Kern des Systems ist ein zuverlässiger und hochgenauer Satellitennavigationsempfänger mit integrierter Anbindung an eine zentrale Serviceplattform und optimierten Kommunikationswegen für Bahnanwendungen. Ziel ist unter anderem das autonome Fahren im Bahnbereich unter hohen Sicherheitsstandards durch sichere Prozessabläufe. Mit automatisiertem Rangieren kann beispielsweise ein 24/7-Betrieb erreicht mit weniger Personen im Gleis als jetzt, was die Wirtschaftlichkeit von

FOTO: IRT/RWTH

UNTER DEM MOTTO „GALILEO ONLINE: GO!“ ARBEITET DAS EUROPÄISCHE GLOBALE SATELLITENNAVIGATIONSSYSTEM JETZT AUCH FÜR EISENBAHNEN. DIE POSITIONSGENAUIGKEIT LIEGT IM ZENTIMETERBEREICH.


kleineren Rangierbahnhöfen sichergestellt. Dafür sind flächendeckende und exakte Lokalisierungsinformationen notwendig. „Besonderes Alleinstellungsmerkmal bei der Empfängerentwicklung ist die nahtlose Ankopplung der Empfängersoftware und -hardware an eine Dateninfrastruktur, eine sogenannte zentrale Serviceplattform“, erklärt Projekt-Koordinator Dr. René Zweigel von der RWTH Aachen. „Diese ermöglicht eine zentralisierte Auswertung der von den Empfängern übertragenen Daten und stellt diese in Form unterschiedlichster Informationsdienste bereit.“ Ein Beispiel für einen solchen Dienst ist die Detektion von schadhaften Stellen im Gleis, was eine bedarfsgerechte und planbare Wartung ermöglicht. Diese Schadstellendetektion kann das entwickelte GO!-System ebenfalls übernehmen. Berücksichtigt werden anwendungsspezifische Probleme, wie zum Beispiel Abschattungseffekte der Satellitensignale unter bahntypischen Empfangsbedingungen.

hochgenaue Positionsbestimmung, die direkt für Automatisierungsfunktionen genutzt werden kann. In mehreren praktischen Anwendungen wurden die entsprechenden Ansätze validiert und bewertet. Zum Beispiel konnte dadurch das automatisierte Rangieren umgesetzt werden, bei dem eine Zugmaschine selbstständig einen Rangierprozess mit mehreren Wagen und Weichenfahrten ausführt. Auftraggeber von Galileo ist die Europäische Union. Ende 2017 befanden sich 22 der vorgesehenen 30 Satelliten in ihrem Orbit. Als Teil des TEN-Verkehrsprojektes bestand von vornhe-

» GALILEO ONLINE: GO!« IST EIN GEMEINSCHAFTSPROJEKT «

AUTOMATISCHES RANGIEREN Eine branchenöffentliche Präsentation fand im Juni 2018 im Rail & Logistic Center Wustermark, Elstal, statt. In Vorträgen und Live-Demonstrationen zeigte dort das Projektkonsortium, wie ein Güterzug durch automatisches Rangieren zusammengestellt wird, wie die Zugvollständigkeit funktioniert und welche Möglichkeiten der Datenanalyse bestehen. Ziel des Projekts war ein verbesserter Satellitennavigationsempfänger, der speziell für die Anforderungen im Bahnbereich entwickelt wurde. So konnte zum Beispiel durch die Nutzung mehrerer Satellitensysteme (GPS und Galileo) die Verfügbarkeit einer Positionsinformation erhöht werden. Neu an der Entwicklung des Instituts für Regelungstechnik ist vor allem, wie es heißt, die „enge Sensorfusion“. Hierbei wurden hochfrequente Beschleunigungsdaten und Drehraten mit den niederfrequenten Signalen des GPS- und Galileo-Systems fusioniert. Ergebnis war eine robuste und

rein die Erwartung, das System solle neue Anwendungen im Mobilitätsbereich ermöglichen. Neben den EU-Mitgliedsstaaten sind unter anderem auch China und Indien, die Schweiz und Israel an dem Projekt beteiligt. Weitere Partner sind die Vodafone GmbH, das Fraunhofer-Institut für integrierte Schaltungen IIS, die SCISYS Deutschland GmbH, die IMST GmbH und die InnoZ GmbH. Das Projekt wurde vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert. Projektauftraggeber war das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR in Bonn. Unter dem Titel „GALILEOnautic“ entwickelte eine Forschergruppe der RWTH Aachen inzwischen auch Technologien zum autonomen Navigieren und optimierten Manövrieren von kooperierenden Schiffen in Häfen.

Hermann Schmidtendorf Redaktion bahn manager


IMPRESSUM

Urheberrechte Nachdruck, Reproduktion oder sonstige Vervielfältigungen – auch auszugsweise und mithilfe elektronischer Datenträger – nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Verlags. Namentlich gekennzeichnete Artikel geben nicht die Meinung der Redaktion wieder. Alle Verwertungsrechte stehen dem Verleger zu. Das Copyright 2018 für alle Beiträge liegt beim Verlag. Haftung Für unverlangt eingeschickte Manuskripte und Abbildungen wird keine Gewähr übernommen. Eine Haftung für die Richtigkeit der Veröffentlichungen kann trotz sorgfältiger Prüfung durch die Redaktion nicht übernommen werden, sofern nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt wurde. Bezugsgebühren Das Jahresabonnement für das bahn manager Magazin liegt bei 99,00€ inkl. Porto (DE, AUT, CH und BeNeLux) zzgl. MwSt. und beinhaltet die jeweiligen Ausgaben gedruckt, digital und als ePaper. Das Abonnement kann innerhalb von 14 Tagen nach der Bestellung mit einer schriftlichen Mitteilung per Post oder per Mail an den Verlag widerrufen werden. Eine Kündigung des Abonnementvertrages ist monatlich möglich. Die ausdrückliche Nichterwähnung von Warenzeichen bedeutet nicht, dass ein Produkt ohne rechtlichen Schutz ist. Des Weiteren soll der Wegfall von entweder männlichen oder weiblichen Formen von personenbezogenen Hauptwörtern keinesfalls eine Benachteiligung implizieren. Autoren und Korrespondenten Magali Euverte, Mirko Pahl, Ursula Vogt, Dr. Frank Hoffmann, Ludolf Kerkeling, Dr. Veronika Zügel, Heidi Palm, Antonio Intini, Viviana Trovato, Florian Rüstler, Prof. Anja Karlshaus, Hans Leister, Georg Lennarz, Dr. Wilhelm Eschweiler, Dr. Alexander Vogt, Gerhard Ehringer Janina Kropf, Dr. Ulrich Bock, Dennis Peizert, Hermann Schmidtendorf Interviewpartner Shahriar Fatemi, Martina Löbe, Anette Szymkowiak, Michail Stahlhut, Karl-Peter Naumann, Kurt Bauer, Hans-Jörg Beretschi, Andreas Meyer, Nicolas Perrin, Prof. Jon Shaw

Verlag Hanse-Medien Verlag GmbH Munstermannskamp 1 21335 Lüneburg Telefon 04131 78 98 144 www. hanse-verlag. de Registergericht und Registernummer Amtsgericht Lüneburg HRB 206117 Steuernummer 33/206/02227 Geschäftsführer / Herausgeber Dennis Peizert Hauptstadtrepräsentanz Hermann Schmidtendorf Bruchsaler Straße 3 10715 Berlin E-Mail Schmidtendorf@bahn-manager.de Redaktion Dennis Peizert (V.i.S.d.P.) Telefon 04131 78 98 145 E-Mail redaktion@bahn-manager. de Internet www. bahn-manager. de Anzeigen und Aboverwaltung Dennis Peizert (verantwortlich) Iwona Sieja Telefon 04131 78 98 144 E-Mail vertrieb@bahn-manager. de Grafik/Design MPDesigns Druck druckhaus köthen GmbH & Co. KG, Köthen (Anhalt) Erscheinungsweise 6 x jährlich ISSN 2367–1998

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VORSCHAU

FOTO: MESSE BERLIN

INNOTRANS 2018 DIE NÄCHSTE AUSGABE DES BAHN MANAGERS ERSCHEINT AM 15. SEPTEMBER. 97

Die InnoTrans ist die internationale Leitmesse für Verkehrstechnik, die alle zwei Jahre in Berlin stattfindet. Aufgeteilt in fünf Messesegmente, belegt die InnoTrans alle 41 Hallen des Berliner Messegeländes.


F O R U M D E U T S C H E R M I T T E L S TA N D

DIE ZUKUNFT DES MITTELSTAND IST DIGITAL statt. Das Leitthema der Veranstaltung ist Die Zukunft des Mittelstands ist digital. Klaus Helmrich, Mitglied des Vorstands der Siemens AG, und die IPM AG erwarten Entscheider und Vertreter aus dem gehobenen Management von KMUs. Miteinander werden in Vorträgen, Keynotes, Masterclasses und Workshops vier Kerninhalte diskutiert und kritisch beleuchtet: a) Wettbewerbsfähigkeit und Globalisierung, b) Wandel und Changemanagement, c) Kompetenz & Qualifizierung und d) Cloud-based Services & Data Ownership.

Simon Thasler IPM AG Institut für Produktionsmanagement Schiffgraben 42 30175 Hannover s.t@ipm.ag www.ipm.ag

DIE DIGITALISIERUNG IST IN ALLER MUNDE. SIE IST UNABDINGLICH FÜR DEN ZUKÜNFTIGEN ERFOLG DES DEUTSCHEN MITTELSTANDS. MIT IHR EINHER ENTSTEHEN NEUE CHANCEN, UM ENTLANG DER WERTSCHÖPFUNGSKETTE EFFIZIENTER UND LUKRATIVER ZU HANDELN. Doch mit den Chancen entstehen auch neue Herausforderungen und Risiken. Welche Anforderungen werden im Zuge der Digitalisierung an die Mitarbeiter gestellt? Wie sicher sind meine Daten und wem gehören diese, wenn ich meine IT-Infrastruktur outsource? Was muss der Mittelstand tun, um in Zukunft seine Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten? Und wie kann der Mittelstand dem Wettbewerb aus Asien entgegentreten? Am 12. und 13. September 2018 findet im Internationalen Congresscenter in Stuttgart (ICS) die Konferenz Forum Deutscher Mittelstand 2018

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Weitere Geschäftsführer und Vorstände werden als Experten und Teilnehmer erwartet. Während der Pausen haben die Teilnehmer die Möglichkeit sich auf der begleitenden Ausstellung über neue Innovationen und Lösungen zu informieren und sich mit anderen hochkarätigen Teilnehmern auszutauschen und zu vernetzen. Die Ausstellung ist ebenfalls ein zentraler Punkt des abendlichen gemeinsamen Ausklangs des ersten Veranstaltungstages. Ziel: Branchenübergreifend die Bedeutung der Digitalisierung sowie deren Chancen und Risiken zu begreifen und den deutschen Mittelstand auf dem Weg der digitalen Transformation zu unterstützen und mit Industriepartnern und Vordenkern zu vernetzen.

FOTO: IPM AG

Ansprechpartner:

Redebeiträge unter anderem von: ● Klaus Helmrich, Mitglied des Vorstands, Siemens AG ● Ralf W. Dieter, Vorstandsvorsitzender, Dürr AG ● Dr. Hans J. Langer, CEO und Chairman, EOS Group ● Christian Thönes, Vorstandsvorsitzender, DMG MORI AG ● Dr. Stefan Spindler, Mitglied des Vorstands, Schaeffler AG ● Oliver Zipse, Mitglied des Vorstands, BMW AG


Die

BBL LOGISTIK GRUPPE

besteht aus modernen Eisenbahnverkehrsunternehmen im bahn-affinen Bereich, die streng nach der Maxime „Zuverlässigkeit schafft Vertrauen“ seit vielen Jahren auf solidem Erfolgskurs sind. Die BBL Logistik Gruppe verfügt über einen motivierten Mitarbeiterstamm aus erfahrenen und kompetenten Fachleuten, die für den Kunden vor Ort hochwertige und zuverlässige Leistungen erbringen.

Logistische Planung und Versorgung von Bahnbaustellen, Transporte von Gleisbaustoffen, -Geräten sowie Maschinen und Wagen, Vermietung von Lokomotiven und Bahnwagen nebst Betriebspersonalen, Vermietung von Gleisanlagen und Lagerflächen

Revision, Wartung und Reparatur von Lokomotiven, Bahnwagen (gem. ECM und VPI – inkl. G4.0 und BR3) sowie ZweiWege- und Nebenfahrzeugen

Bauüberwachung, Planungsleistungen, Prozessmanagement gem. DIN ISO, ECM, VPI und SIBE sowie Einstellen von Zwei-Wege-Fahrzeugen in das eigene EVU. Hauptsitz: Entenfangweg 7-9, 30419 Hannover, Tel. 0511 / 763 745 00 Niederlassung West: Wittener Straße 2, 44789 Bochum, Tel. 0234 / 588 729 20 Niederlassung Süd: Eversbuschstraße 40b, 80999 München, Tel. 089 / 81 89 31 52 Werkstattstandort: Geschwister-Scholl-Straße 7, 39464 Oebisfelde, Tel. 039002 / 984230

www.bbl-logistik.de www.bbl-technik.de www.bbl-consulting.de



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