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Portugal im ungewohnten Überschwang
Das sei leider so oder zum Glück, je nach Betrachtungsweise. Mittlerweile leben rund 80 000 Spanierinnen und Spanier in der Schweiz, die meisten davon sind gänzlich integriert. «Die meisten meiner Landsleute benötigen heute keine Unterstützung mehr im klassischen Sinn», bemerkt Miguel. Dennoch, der Verein veranstaltet nach wie vor Deutschkurse oder Kurse in Informatik (Excel, Word, Internetnutzung usw.) und in Zusammenarbeit mit der Pro Senectute Luzern gar GymnastikLektionen für ältere Semester. Dafür wird er nach wie vor vom spanischen Staat finanziell unterstützt.
Gesellschaftlicher Schmelzpunkt
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Maria Garcia, 1956 in der Hafenstadt Vigo an der Nordwestküste Spaniens geboren, ist als Wirtin im «Centro» für das leibliche Wohl ihrer Gäste zuständig. Die energiegeladene Galizierin ist seit mehreren Jahren die gute Seele in der Küche sowie hinter und vor der Theke. Die gelernte Schuhverkäuferin verliess 1981 mit ihrem Mann das heimische Galizien, wie sie sagt, «aus reiner Reiselust oder Fernweh heraus, nicht etwa aus wirtschaftlicher Not». Ihr Mann hatte eine gute Anstellung in Vigo, sie ebenfalls. Das junge Ehepaar machte bald Karriere im Gastrobereich in Engelberg und Luzern und fühlte sich rasch pudelwohl in der damals für sie noch fremden Schweiz. Diesen Entschluss hat sie bis heute nie bereut, die Schweiz, vorab Luzern, ist ihr ans Herz gewachsen. Und ein grosses Herz, ja, das hat die Mari, wie sie am liebsten genannt wird. Sie habe im Laufe der langen Jahre als Wirtin im «Centro» manchen Bauch einsamer Gastarbeiter, die ohne Familie in der Schweiz arbeiteten, mit iberischen Köstlichkeiten gefüllt. Die Küche ist ihre Leidenschaft, geprägt von einer Grossmutter, die in Galizien lange Jahre ein kleines Gasthaus führte und als hervorragende Köchin galt, und einer Mutter, die als Fischverkäuferin unterwegs war. Ihr Lokal ist ausser Montag täglich geöffnet, jeweils ab 17 Uhr, am Samstag und Sonntag bereits ab Mittag. Die Klientel hat sich im Laufe der Jahre stark gewandelt: Waren es früher vorab spanische Gastarbeiterfamilien, die den Weg ins Lokal fanden, so sind es heute immer mehr Einheimische und andere Ausländer, die den Verlockungen der Tapas nicht widerstehen können und das Lokal in einen gesellschaftlichen, bisweilen lauten Schmelzpunkt der Kulturen verwandelt. Wenn man die kleine Küche hinter der Theke betrachtet, so bleibt es ein Rätsel, wie Mari eine derartige Fülle und Vielfalt dieser kleinen spanischen Häppchen hervorzaubern kann. Das tut sie aber, immer wieder. Das ist pure Freude.
«Ich verliess 1981 mit meinem Mann Galizien aus reiner Reiselust oder Fernweh heraus, nicht etwa aus wirtschaftlicher Not.»
Maria Garcia Wirtin Centro
Ein portugiesisches «Centro»
Nach dem Übergang von der Diktatur in die Demokratie mit dem Militärputsch von 1974 und einhergehenden Demontage des langjährigen Diktators Antonio de Oliveira Salazar im Rahmen der «Nelkenrevolution» wanderten viele Portugiesinnen und Portugiesen aus. Heute leben in der Schweiz über 260 000 Menschen mit portugiesischem Hintergrund. Waren die Italiener und Spanier hauptsächlich im Bau tätig, haben sich die Emigrantinnen und Emigranten aus Portugal vorwiegend in der Gastrobranche etabliert. Vorab das Wallis gilt als bevorzugte Region der Lusitaner, die dort unzählige Restaurants und Hotels als tüchtige Mitarbeitende seit den 1980erJahren mitprägen.
Im Gegensatz zu den Spaniern und Italienern gelten die Portugiesen eher als zurückhaltende, in sich gekehrte Menschen, vielleicht seelenverwandt mit den Nordwestspaniern aus Galizien, die auch eine ähnliche Sprache sprechen. Trifft man aber auf Damantino «Tino» Martins (47), schlägt einem südländischer Überschwang entgegen. Seit 2015 ist er der Präsident der «Associação cultural e recreativa de Obernau» – will heissen: Kultur und Freizeitverein Obernau. Die Bezeichnung ist Programm: Beim jungen Centro português, wie Tino seinen Verein der Einfachheit halber nennt, geht es bunt zu und her. «Wir verstehen uns als aktiven Verein, der vieles anbietet, von Lesungen portugiesischer Autorinnen oder Autoren, über Tanzkurse wie etwa Zumba bis hin zur Organisation von Fussballturnieren.» Im Centro wird auch rege Darts gespielt. Es verfügt sogar über ein eigenes Team, das in der Liga A erfolgreich mitmischt. So kommt ein Potpourri von Aktivitäten zusammen, die von den über 200 Vereinsmitgliedern rege genutzt werden.
Ein reichhaltiges Programm
Damantino stammt aus Porto, der malerischen Küstenstadt im Norden Portugals, die ebenso kolossale Weine wie schmackhafte Gerichte hervorzaubert. Dort arbeitete er einige Jahre als Kellner im Service, ehe er 2009 mit seiner Frau Paola Cristina in die Schweiz und nach Luzern zog. Heute arbeitet er als kaufmännischer Angestellter beim Hammer Autocenter in Emmenbrücke. Wie das so üblich ist bei Emigranten, frequentierte er die gängigen Ausländertreffs für portugiesische Gastarbeiter. Gerne erinnert er sich an das legendäre Lokal
Damantino «Tino» Martins ist seit 2015 der Präsident der «Associação cultural e recreativa de Obernau».
«Vasco da Gama» im Tribschenquartier, das lange Jahre als Lichtgestalt der Ausländertreffs galt. Bald spürte er das Bedürfnis, sein eigenes Ding zu machen. Mit der Hilfe von Freunden mietete er an der Rengglochstrasse 29 in Obernau bei der Garage Bolzern ein grosses Lokal und leistete ein Jahr lang Fronarbeit bis zur Eröffnung im Jahr 2016. Das Resultat lässt sich sehen: eine solide Bar, ein Fumoir mit DartsAnlage, ein grosser Saal für Festivitäten aller Art. Die Küche ist genuin portugiesisch. Hier kommt definitiv Portugal auf den Teller. Weine aus dem Alentejo und aus dem DouroTal fehlen ebenso wenig wie Vinho Verde oder die Biermarken Superbock und Sagres. Das Lokal ist jeweils am Freitag (ab 18 Uhr) sowie am Samstag und Sonntag ganztags von 10 bis 24 Uhr geöffnet. Die Gerichte von Koch Antonio munden vorzüglich, wodurch das Lokal rege zum Essen besucht wird und eine Reservation zu empfehlen ist. Die Preise sind – wie so üblich bei solchen Zentren – sehr human. Und, wie Damantino betont: «Bei uns sind alle Nationalitäten willkommen!» Na dann, Bemvindos demnächst in der «Associação cultural e recreativa de Obernau».
Damantino «Tino» Martins Präsident des portugiesischen «Centro»