Programmheft 4. Abo-Konzert Saison 2023/24

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07.04.24

Sonntag, 19 Uhr

Stadtcasino Basel

4. Abo-Konzert

GESTALTUNG: CHRISTOPHE CAFFIER ONCLAME.COM . FOTO: WILLAV-FR / CREATIVE COMMONS IN KOOPERATION MIT

Eine Ausstellung zum 100. Geburtstag des Komponisten

György Ligeti

M USIKMUSEUM hmb.ch
30.11.2023 bis 07.04.2024

Ligeti in Afrika

4. Abo-Konzert

Sonntag, 7. April 2024, 19 Uhr

Stadtcasino Basel

→ György Ligeti

Konzert für Klavier und Orchester (1985-88)

→ Hannah Kendall

The Spark Catchers für Orchester (2017) CH

PAUSE

→ Lukas Ligeti

Suite for Burkina Electric and Orchestra (2016) CH

(Dauer: 24')

(Dauer: 10')

(Dauer: 60')

Chloé Dufresne, Dirigentin

Joonas Ahonen, Klavier

Burkina Electric: Vicky Lamour, Tanz; Zoko Zoko, Tanz; Maï Lingani, Gesang; Wende K. Blass, Gitarre; Lukas Ligeti, Schlagzeug, Elektronik

In Kooperation mit der Paul Sacher Stiftung im Rahmen der Ausstellung «Ligeti-Labyrinth» und mit dem Festival Culturescapes

Konzerteinführung um 18.15 Uhr | Einzelkartenpreise: CHF 76.– / 54.– / 34.–

CH Schweizer Erstaufführung

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Ligeti in Afrika

Im Kulturleben steht gegenwärtig Afrika besonders im Fokus. Es geht dabei um viele Aspekte: die Aufarbeitung von Kolonialismus und postkolonialen Strukturen, um Ausbeutung und Beutekunst, die Reflexion ursprünglicher Kunsttraditionen sowie echte Gleichberechtigung, Selbstbestimmtheit und Partizipation. In diesem Kontext hatte Titus Engel, Principal Conductor der Basel Sinfonietta, im Januar in Genf die Uraufführung der Oper Justice von Hèctor Parra in der Regie von Milo Rau geleitet. Auch der heutige Abend rückt Afrika in unterschiedlichen Aspekten ins Zentrum, wobei Werke von György Ligeti und seines Sohnes Lukas Ligeti den Schwerpunkt bilden.

Das Eigene im Entlegenen

Da ist das Klavierkonzert von György Ligeti: Zwischen 1985 und 1988 entstanden, repräsentiert das fünfsätzige Werk beispielhaft eine Schaffensphase ab 1978, die Ulrich Dibelius als «Aufbruch in andere Klangräume» bezeichnet. Ein zentrales Merkmal ist die Übernahme entlegener Volksmusik-Modelle, wobei ab 1982 zentralafrikanische Traditionen eine herausragende Rolle spielen. Im Klavierkonzert äussert sich der afrikanische Volkston durch den Einsatz besonderer Instrumentalfarben.

So stammt die Lotosflöte ursprünglich, neben Asien und Ozeanien, aus Afrika. Sie ermöglicht Glissando-Spielweisen, also stufenlose Wechsel der Tonhöhen. Dagegen lassen sich Gefässflöten wie die Okarina seit prähistorischer Zeit in vielen Weltregionen nachweisen, auch in Afrika. Im Klavierkonzert verweisen zudem Mikrotonalität sowie komplexe Polyrhythmik, Polyphonie und Polymetrik auf afrikanische Kontexte. Im Finalsatz bildet die Ganztonskala einen Afrika-Bezug: neben Penta- und Diatonik (also Fünfton-Musik und siebenstufige Tonskala). Letztere kommen bereits im Kopfsatz zum Einsatz.

Dagegen bilden der zweite und vierte Satz semantisch eine kontrastierende Einheit: lamentohaft das «Lento e deserto», ein unerbittlicher Schrecken das «Allegro risoluto». Der Musikwissenschaftler Constantin Floros hört im Gestus eine Verbindung zur Kantate Ein Überlebender aus Warschau von Arnold Schönberg. In dieser Lesart bilden der zweite und vierte Satz eine Art Requiem auf die Opfer der leidvollen Geschichte und Gegenwart eines schwer geprüften Kontinents.

Austausch und Teilhabe

Was György Ligeti wortlos als Assoziation in den Raum stellt, wird in der Suite für Burkina Electric und Orchester von Lukas Ligeti angesprochen. Die Texte stammen überwiegend von der Singer-Songwriterin Maï Lingani aus Burkina-Faso, bis 1960 eine französische Kolonie, sowie von

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dem Gitarristen Wende K. Blass und Ligeti selber. Darin geht es um den Klimawandel, die kritische Dominanz von Kapital oder um eine Würdigung von Abdel Kader Haïdara. Als 2012 radikale Islamisten in die Weltkulturerbe-Stadt Timbuktu in Mali einmarschierten, rettete der Bibliothekar uralte Handschriften vor der Vernichtung und riskierte sein Leben.

Sonst aber verdeutlicht die Suite, warum Ligeti zu den Pionieren eines interkulturellen, interaktiven Komponierens zählt. Er vereint zeitgenössische Moderne, Elektroakustik, Jazz- und Pop-Musik, multikünstlerische Ansätze sowie aussereuropäische Musik- und Kunsttraditionen: das alles sowohl improvisiert als auch notiert. Dabei setzt Ligeti auch auf gleichberechtigte Teilhabe lokaler Kräfte, so etwa in der Gruppe «Beta Foly». Aus ihr ging das Ensemble «Burkina Electric» aus Burkina Faso hervor. In der Suite kommt ein Sinfonieorchester hinzu: ein «Anti-Concerto-Grosso», wie es Ligeti formuliert.

Auch im 2017 uraufgeführten The Spark Catchers von Hannah Kendall ist Afrika präsent, allerdings indirekt. So ist das Orchesterwerk vom gleichnamigen Gedicht von Lemn Sissay inspiriert. In Grossbritannien geboren und von Pflegeeltern aufgezogen, stammten die leiblichen Eltern des 56-Jährigen ursprünglich aus Äthiopien. Dagegen entstammt die Britin Kendall einer Familie aus dem südamerikanischen Guyana, bis 1966 eine britische Kolonie. Im Schaffen der 40-Jährigen äussert sich oft ein sozialkritisches Engagement, so in The Spark Catchers.

Soziales Engagement

Mit den «Funkenfängern» ist der sogenannte «Aufstand der Streichholzmädchen» im Sommer 1888 in einer Londoner Zündholzfirma gemeint. Von der Frauenrechtlerin Annie Besant unterstützt, streikten die Mitarbeiterinnen und setzten bessere Arbeitsbedingungen durch: eine Bewegung von europaweiter Sprengkraft. Auch in diesem Werk arbeitet Kendall mit unvermittelten Kontrastierungen in Ausdruck und Dynamik. Gleichzeitig überwindet sie Grenzen zwischen Genres, Stilen und Musikkulturen, womit sie – wie Ligeti – für interkulturellen Austausch plädiert.

Marco Frei

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Lukas Ligeti

über «Suite» für

Burkina Electric und Orchester

Burkina Electric ist ein Ensemble aus Burkina Faso, in dem meine Bandkollegen und ich Elemente westafrikanischer Musiktraditionen mit Elektronik und Ansätzen aus Experimental- und Popmusik kombinieren. 2016 erhielt ich vom MDR-Symphonieorchester Leipzig und seinem damaligen Chefdirigenten Kristjan Järvi den Auftrag, ein Werk zu komponieren, das Burkina Electric und das Orchester gemeinsam spielen: ein Stück afrikanischer Popmusik und zeitgenössischer Orchestermusik zugleich. Die erste Version bestand aus 4 Sätzen mit einer Dauer von knapp 45 Minuten; die Vervollständigung der Suite durch einen 5. Satz (2021) wurde vom Brüsseler Festival Ars Musica in Auftrag gegeben und bei ebendiesem von Burkina Electric und dem Brussels Philharmonic unter Ilan Volkov uraufgeführt.

In vieler Hinsicht könnten Burkina Electric und ein Symphonieorchester nicht verschiedener sein: Ein Orchester benutzt Partituren und Stimmen und tritt mit einem Dirigenten auf; Burkina Electric tut all dies nicht – hier wird die Musik durch gemeinsames Komponieren und durch Auswendiglernen verinnerlicht. Die Band setzt routinemässig Elektronik, Verstärkung, Improvisation und Tanz ein; ein Orchester normalerweise nicht. Die Zusammenführung der beiden Ensembles ist eine Herausforderung:

wie lassen sich so unterschiedliche Herangehensweisen an Lernen, Zuhören und Zusammenspielen koordinieren und in Einklang bringen? Jeder der fünf Sätze schlägt andere Lösungen vor und zeigt damit letztendlich, dass unsere gemeinsame Menschlichkeit kulturelle Unterschiede überbrücken kann.

«Gom Zanga» ist eine Einladung zum Singen, Tanzen, Mitmachen; «Mdolé» ist ein Liebeslied. In «Ligdi» sprechen wir über die Auswirkungen –manchmal positiv, aber überwiegend negativ –, die Geld auf den Charakter der Menschen haben kann. «Haïdara» ist eine Hommage an Abdel Kader Haïdara, einen Bibliothekar, der alte Manuskripte rettete, als militante Islamisten seine Heimatstadt Timbuktu eroberten, und «Ère Nature» ist eine Warnung vor dem Missbrauch des Planeten Erde durch die Menschheit, die aber gleichzeitig eine Ungewissheit ausdrückt, ob z.B. die Klimakrise tatsächlich die Gefahr darstellt, vor der wir warnen: wir wissen es nicht mit Sicherheit. Die Sätze, in denen nur unsere Sängerin Maï Lingani auftritt, verzichten auf Elektronik, die Orchestrierung verweist jedoch auf die Klänge von Synthesizern. In anderen Sätzen tritt die gesamte Band auf und vermischt sich, kontrastiert und prallt auf das Orchester in einem Kaleidoskop aus Farben und Gegenüberstellungen.

Lukas Ligeti

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Joonas Ahonen

Der Pianist pflegt ein breites Profil, vom späten 18. Jahrhundert auf dem Hammerflügel bis zu zeitgenössischer Musik, was auch seine umfangreiche Diskographie zeigt. Als Mitglied des Klangforums Wien arbeitete er zwölf Jahre mit führenden Komponisten wie Tristan Murail oder Beat Furrer zusammen. Mit der Basel Sinfonietta hat er das Klavierkonzert von Unsuk Chin uraufgeführt. Er hat überdies Klavierkonzerte von Bernhard Gander oder Philipp Maintz uraufgeführt. Mit seiner Duo-Partnerin, der Geigerin Patricia Kopatchinskaja, realisierte er bereits zahlreiche Projekte, darunter eine vielgelobte CD-Werkschau von George Antheil.

Burkina Electric

Das Ensemble verbindet Rhythmen und Klänge traditioneller westafrikanischer Musik mit elektronischen Grooves des 21. Jahrhunderts. Es ist die erste experimentelle elektronische PopMusikgruppe aus Burkina Faso mit Sitz in Ouagadougou. Dabei werden auch uralte Rhythmen gepflegt, die selbst in Afrika kaum noch bekannt sind: darunter Rhythmen aus der Sahelzone sowie Ouaraba und Ouenega des MossiVolkes. Die Band wurde 2004 von der preisgekrönten Sängerin Maï Lingani, dem erstklassigen Gitarristen Wende K. Blass, dem Elektroakustiker Pyrolator (einem Gründungsmitglied von D.A.F. und Der Plan), den Tänzern Vicky und Zoko Zoko sowie von dem in den USA lebenden Schlagzeuger, Elektroakustiker, Komponisten Lukas Ligeti begründet. Ligeti wurde ab 1988 von John Zorn, David Moss, George Crumb und Erich Urbanner in Improvisation und Komposition ausgebildet.

Chloé Dufresne

Mit ihrer klaren Technik, überlegten Führung und breiten Farbpalette hat sie sich einen Namen als Dirigentin gemacht. Nur drei Jahre nach ihrem Abschluss an der Sibelius-Akademie in Helsinki kann sie auf renommierte Preise und Engagements zurückblicken. Als umfassend ausgebildete Musikerin, die auch Bratsche, Gesang und Chorleitung studierte, ist sie breit aufgestellt. Neben dem sinfonischen Kernrepertoire widmet sie sich auch neuer Musik und dem Musiktheater. Massgeblich ausgebildet u.a. von Alain Altinoglu, Paavo Järvi, David Zinman, Thomas Adès oder Susanna Mälkki, assistierte sie Sakari Oramo, Gustavo Dudamel und Esa-Pekka Salonen.

Basel Sinfonietta

Die Basel Sinfonietta ist ein auf zeitgenössische Musik spezialisiertes Orchester mit sinfonischer Besetzung – und insofern ein in der klassischen Musikszene einzigartiger Klangkörper. Getragen vom Anspruch, Musik am Puls der Zeit zur Aufführung zu bringen, überwindet die Basel Sinfonietta seit ihrer Gründung im Jahr 1980 klassische Konzertkonventionen und zeigt sich in ihren Programmen erkundungsfreudig gegenüber anderen Genres und Kulturen. Die Basel Sinfonietta arbeitet mit den führenden Komponist:innen der Gegenwart zusammen. Das Orchester hat zahlreiche Werke in Auftrag gegeben und konnte seit seiner Gründung mehr als 220 Uraufführungen und nationale Erstaufführungen präsentieren.

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Hinweise

Ausstellung «Ligeti-Labyrinth»

im Musikmuseum, in Kooperation mit der Paul Sacher Stiftung

30. November 2023 – 07. April 2024

Am 7. April wird die Ausstellung anlässlich des 4. Abo-Konzerts der Basel Sinfonietta bis 18.00 Uhr geöffnet sein – Eintritt frei

Vortrag «Eine neuartige Musik durch experimentelle interkulturelle Zusammenarbeit» von Lukas Ligeti

in der Musik-Akademie Basel, Leonhardsstrasse 6, Vortragssaal 6–301

4. April 2024, 19.00 Uhr – Eintritt frei

Ein Vortrag über konzeptuelle und kreative Ideen und Entwicklungen mittels derer Lukas Ligeti seit über 30 Jahren musikalisches Neuland erschliesst als Brücken zwischen Kulturen, Technologien sowie zwischen Ethnomusikologie und Komposition. Eine Veranstaltung im Rahmen der Ausstellung «Ligeti-Labyrinth» in Verbindung mit der Schweizerischen Musikforschenden Gesellschaft, Ortsgruppe Basel und der Basel Sinfonietta.

Mehr Infos unter: www.hmb.ch

Klangfüchse Nr. 3

Zeitgenössische Musik für Kleinkinder im Alter von 0 bis 3 Jahren

Mit Lisa Hofer, Cello und Christian Schweizer, Horn «Klangfüchse» ist eine einzigartige, für ganz junge Ohren konzipierte Konzertreihe mit Musikerinnen und Musikern der auf zeitgenössische Musik spezialisierten Basel

Sinfonietta. Die Programme sind altersgerecht gestaltet und wechseln zwischen reinen «Klangbädern» und spielerischen, nonverbalen

Dialogen mit den Kindern und deren erwachsenen Begleitpersonen.

Ermöglicht durch die GGG Basel und die Basler Kantonalbank

Freitag 28. Juni 2024, 14.00 Uhr

Samstag 29. Juni 2024, 10.00, 11.30, 14.00 Uhr

Im H95 Raum für Kultur, Basel

Mehr Infos und Tickets auf www.baselsinfonietta.com

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VORSCHAU

26.04.24

Freitag, 19 Uhr

Reithalle, Kaserne Basel

5. Abo-Konzert

GESTALTUNG: CHRISTOPHE CAFFIER ONCLAME.COM . FOTO: BASSI61 / CREATIVE COMMONS IN KOOPERATION MIT

SUBVENTIONSGEBER, GEMEINDEN

KULTUR-POOL DER PLATTFORM LEIMENTAL

Biel-Benken, Binningen, Bottmingen, Burg, Ettingen, Oberwil, Schönenbuch, Therwil

HAUPTGÖNNER, STIFTUNGEN

PRODUKTSPONSOREN, MEDIENPARTNER, WEITERE PARTNER

KONTAKT

Basel Sinfonietta

Schützenmattstrasse 43, 4051 Basel

+41 (0)61 315 10 30 info@baselsinfonietta.ch

Abo-Service & Ticketing Sarina Leuenberger sarina.leuenberger@baselsinfonietta.ch

Pressekontakt Ophelias Culture PR, Bene Klauser baselsinfonietta@ophelias-pr.com

IMPRESSUM

Konzeption und Redaktion: Ophelias Culture PR

Texte: Dr. Marco Frei, Lukas Ligeti

Gestaltung: www.onclame.com

Cartoon: Magi Wechsler

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DRUCKEREI KROPF & HERZ GMBH
11 50 1 9 74–2024

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