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RECHTSECKE

Verjährung für Handwerker Die Firma «Kleinholzer» wurde von einem Ehepaar mit allen Schreiner­arbeiten für den Innenausbau ihres im Bau befindlichen Chalets beauftragt. Einige Jahre später wurde das Chalet durch einen Brand zerstört. «Kleinholzer» wurde daraufhin beauftragt, die gleichen Arbeiten wie beim ersten Bau auszuführen. TEXT: Richard Calame, Rechtsanwalt

Diese Wiederaufbauarbeiten endeten 2008. Bis dahin erhielt «Kleinholzer» Anzahlungen in der Höhe von CHF 130'000.–. Die 2013 erstellte Schlussrechnung beläuft sich jedoch auf CHF 202'514.50. Die Differenz erklärt sich durch Komplikationen auf der Baustelle und Änderungen in der Bestellung. Trotzdem weigerte sich das Bauherren-Ehepaar, den Restbetrag an «Kleinholzer» zu zahlen. Ende 2015 versuchte das Unternehmen, den Betrag auf gerichtlichem Weg einzutreiben. Die Bauherrschaft widersetzte sich und machte geltend, dass die Forderung verjährt sei, unter Berufung auf Artikel 128 des Obligationenrechts (OR). Nach dieser Bestimmung verjähren unter anderem die Ansprüche von Handwerkern für ihre Arbeit nach fünf Jahren. Verjährung

Die Verjährung ist ein entscheidendes Rechtsinstitut unserer Rechtsordnung. Es ist eine gesetzliche Frist, nach deren Ablauf kein Rechtsanspruch mehr geltend gemacht werden kann. Mit anderen Worten: Der Schuldner einer Geldsumme kann nach einer gewissen Zeit die «Einrede der Verjährung» geltend machen, und damit die Zahlung seiner Schuld verweigern. Artikel 127 OR sieht grundsätzlich für alle Forderungen eine Verjährungsfrist von zehn Jahren vor, sofern das Bundesrecht im Einzelfall nichts anderes bestimmt. Nun verjähren aber gerade die Forderungen von Handwerkern für die Ausführung ihrer

Arbeit nach Artikel 128 OR innerhalb von fünf Jahren. Ein Handwerker muss also die Bezahlung seiner Arbeit innerhalb von fünf Jahren nach der Abnahme seines Werkes einfordern. Historisch geht man davon aus, dass es bei diesen relativ einfachen und oft mündlich geschlossenen Verträgen üblich ist, den Preis rasch einzufordern. Im Zweifelsfall gilt die allgemeine Verjährungsfrist von zehn Jahren. Handwerksarbeiten

Es geht also darum, die «Handwerksarbeit» zu definieren. Handwerksarbeit zeichnet sich gemäss Bundesgericht aus, einerseits durch das Vorherrschen der manuellen Tätigkeit, des Handwerks, der Technik, der Geschicklichkeit einerseits, andererseits dadurch, dass es sich nicht um eine Serienanfertigung oder vorherrschende intellektuelle oder wissenschaftliche Arbeit handelt und generell wenig organisatorische Ansprüche und Verwaltungsarbeiten bedingt sind. Das bedeutet, dass für die Arbeit von Handwerkern in der Regel keine speziellen Technologien, Planungsmassnahmen und Koordination mit anderen Handwerkern erforderlich sind. Bei Handwerksarbeiten sind Umfang und Leistung eher eingeschränkt, und nicht allumfassend. Die Rechtsprechung des Bundesgerichts hat sich verschiedentlich zum Begriff der «Handwerksarbeit» geäussert (z. B. BGE 123 III 120). So ist das Verlegen von Fliesen eine handwerkliche Tätigkeit, nicht aber beim Verlegen von Fliesen in hundert Badezimmern. Auch die Verlegung der kompletten Elektroinstallation einer Villa wurde als

handwerkliche Tätigkeit qualifiziert. Keine handwerkliche Tätigkeit liegt hingegen vor, wenn ein Aufzug eingebaut, ein Haus komplett errichtet oder eine Wohnung komplett neu ausgestattet werden soll. Schlussfolgerung

Im vorliegenden Fall (Urteil 4A_321/2020 vom 26.11.2020) hielt das Bundesgericht fest, dass die Innenausbauarbeiten sehr umfangreich gewesen waren. Auch erforderte dieser Wiederaufbau des Schreinereibereichs des Chalets eine Koordination mit anderen Handwerkern und es war eine grosse Anzahl von Arbeitern in Einsatz. Es handelt sich also nicht um eine Handwerksarbeit, und es gilt die Verjährungsfrist von zehn Jahren. «Kleinholzer» muss also bezahlt werden!

RICHARD CALAME, Rechtsanwalt

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