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Mit dem Nanoroboter unterwegs in die Singularität

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Besetzung

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Wie sieht die Zukunft von Mensch und Maschine aus? Eine visionäre Schilderung des Futuristen und KI-Experten Ray Kurzweil über Nanoroboter, die unsere Gehirne bereisen, und ewiges Leben.

Am Anfang des 21. Jahrhunderts stehen wir an der Schwelle zu einer Epoche, in der das, was unser Menschsein ausmacht, bereichert und gleichzeitig enorm gefordert werden wird. Denn unsere Spezies ist dabei, die Ketten ihres genetischen Erbes zu sprengen und so in ungeahnte Sphären vorzudringen, was ihre geistigen Fähigkeiten, materiellen Grundlagen und ihre Lebenszeit angeht. Paradigmenwechsel finden schon heute jedes weitere Jahrzehnt zweimal so häufig statt wie zuvor, und so wird sich während des 21. Jahrhunderts ein Fortschritt ereignen, der so groß ist wie der in den vergangenen 20.000 Jahren. Entwicklungen in der Computertechnik, der Kommunikation, den Biotechnologien (beispielsweise bei der DNA-Sequenzierung), in der Hirnforschung (beispielsweise bei den Hirnscan-Methoden) sowie der Zugewinn des menschlichen Wissens allgemein schreiten noch um einiges schneller voran, sodass sich auch Geldwert, Leistungsfähigkeit und Bandbreite jährlich verdoppeln. Die molekulare Datenverarbeitung durch DNA-Computer wird die Hardware für eine menschenähnliche starke Künstliche Intelligenz noch vor 2030 liefern. Im Bereich der Softwareentwicklung wird man wichtige Erkenntnisse durch das Reverse Engineering, eine Art Nachbau des menschlichen Gehirns, gewinnen, das bereits in vollem Gange ist. Und auch wenn die daraus folgenden sozialen Veränderungen und philosophischen Implikationen tiefgreifend und die Gefahren erheblich sein werden, letztlich werden wir mit unseren Maschinen verschmelzen, unendlich leben und um ein Milliardenfaches intelligenter sein als heute – und zwar in den kommenden drei oder vier Jahrzehnten. Unser biologischer Neocortex wird sich mit dem synthetischen Neocortex in der Cloud verbinden. Dazu wird man Nanoroboter einsetzen, die durch Kapillargefäße ins Gehirn reisen und dort drahtlose Informationsübertragung zwischen den Modulen unseres Neocortex und der Cloud herstellen – genauso wie unsere Smartphones heute schon drahtlos mit der Cloud kommunizieren. Und wie das Smartphone wird dann auch unser Neocortex seine Leistung durch die Verbindung mit unzähligen Computern in der Cloud verstärken. Das ist das Szenario für die 2030er und 2040er Jahre. Unser Denken wird sich zu einem Hybriden aus biologischer und nichtbiologischer Hirnleistung in der Cloud entwickeln. Wir werden klüger, musikalischer, witziger etc. Unsere kognitiven Fähigkeiten werden sich mehr und mehr von ihren biologischen Grundlagen entfernen, je weiter wir sie in die Cloud hinein erweitern und je mächtiger die Cloud wird. Backups

von digitalen Prozessen sind etwas Selbstverständliches. Und genauso werden wir es auch schaffen, zumindest den Großteil unseres „mind files“ zu sichern. Datengesichert zu sein bietet zwar keine lebenslange Garantie für die gespeicherte Information – jeder, der einmal eine Datei gelöscht hat, weiß das –, zieht aber eine zusätzliche Schutzschicht ein. Statt von Unsterblichkeit spreche ich sowieso lieber von der unbegrenzten Ausdehnung unseres „mind files“. Das „mind file“ ist zudem keine bloß abstrakte Vorstellung: In unseren Hirnen sind Informationen gespeichert, die unsere Erinnerungen, Talente und Persönlichkeit ausmachen. Und diese Informationen sind noch nicht gesichert. Ihr Überleben hängt allein vom Überleben eines Hardwareteils ab. Wenn wir aber in der Lage sind, von unserem „mind file“ eine Sicherungskopie zu erstellen, so bietet uns das einen beachtlichen, wenn auch keinen absoluten Schutz. Ich werde also nicht eines Tages vor Ihnen stehen und sagen: „Ich habe es geschafft. Ich kann ewig leben.“ Denn nichts ist ewig.

Ray Kurzweil, Jahrgang 1948, ist überzeugter Futurist, wegweisender Erfinder und Bestsellerautor, der über KI, Transhumanismus und technische Singularität schreibt. Sein Unternehmen Kurzweil Music Systems produziert elektronische Musikinstrumente, die natürliche Klänge künstlich reproduzieren. Derzeit ist er Leiter der technischen Entwicklung bei Google, wo er gemeinsam mit seinem Team die Sprachverarbeitung durch Computer vorantreibt. 2005 erschien sein wegweisendes Buch The Singularity Is Near.

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