BAYERNS BESTES
Feiern in BAYERN! Historische Feste von Landshut bis Ansbach
AUSGABE 12
BAYERN LAND & LEUTE
Bayern Bio-Logisch?
Von Käse, Fleisch und Bayerns erster Bio-Königin
Offen für alle 3,80 €
Monacensia - das literarische Gedächtnis Münchens
89 Tage grün-bunte Erlebnisse Die Gartenschau Natur in Pfaffenhofen a. d. Ilm 2017 ist eröffnet Endlich öffnet sie ihre Pforten: Die kleine Landesgartenschau in Pfaffenhofen wartet darauf entdeckt zu werden. Unter dem Motto „Die Gartenschau zum Anfassen“ erwartet die Besucher drei Monate lang attraktive Angebote: von der Blumenschau bis zum Hopfenturm, vom Schmetterlingszelt bis zur naturnah ausgebauten Ilm. Umrahmt wird die Ausstellung von über 1.500 Veranstaltungen, Erlebnisse und Touren. Vier Ausstellungsbereiche Entlang der Ilm reihen sich durch den Innenstadtbereich vier Gartenschau-Areale wie Perlen an einer Schnur: der Festplatz mit seinen temporären Ausstellungsbereichen wie der Blumenschauhalle mit ihren neun wechselnden Ausstellungen, den neun unterschiedlichen Themengärten oder der Schmetterlingshalle mit einer Vielzahl an exotischen Faltern, der Sportund Freizeitpark mit seinen kreativen Kunstinstallationen und der auf einer Länge von 500 m naturnah ausgebauten Ilm, der auf einer ehemals versiegelten Fläche neu entstandene Bürgerpark mit seinem Staudenband, dem Froschkönig-Spielplatz und dem beeindruckenden, sechs Meter hohen Hopfenturm sowie die Ilminsel mit ihrem direktem Wasserzugang. Dimensionen Insgesamt wurden 75.000 Blumen, 6.750 Sträucher und 330 Bäume neu gepflanzt. Die Gesamtfläche des Gartenschau-Geländes beträgt rund 8,5 ha, der Rundweg weist eine Länge von ca. 2 km auf. Öffnungszeiten Die Gartenschau ist täglich von 9 bis 19 Uhr geöffnet, Kassen-
schluss ist um 18 Uhr. Eine Tageseintrittskarte für Erwachsene kostet 13 Euro, eine Dauereintrittskarte 65 Euro. Begleitende Kinder von 7 bis 17 Jahre haben freien Zugang. Transport Der Stadtbus fährt innerhalb Pfaffenhofens bis zum Ende der Gartenschau kostenlos. Öffentliche Parkplätze kosten während der Gartenschau 3 Euro am Tag. Von den Parkplätzen fahren kostenlose Shuttles zum Gartenschaugelände. Tickets auch online erhältlich Eine für alle: Nur 65 EUR kostet eine Dauerkarte für Erwachsene. In der Dauerkarte sind alle Ausstellungen und Veranstaltungen des gesamten Gartenschau-Zeitraums inklusive. Eine Tageseintrittskarte für Erwachsene kostet 13 Euro und beinhaltet alle Ausstellungen und Veranstaltungen des jeweiligen Besuchstages. Dieser ist frei wählbar. Kinder und Enkelkinder bis 17 Jahre begleiten ihre Eltern und Großeltern kostenlos auf die Gartenschau. Erhältlich sind alle Tickets auch online unter gartenschau-pfaffenhofen.de/ticketshop. Pfaffenhofen erleben Die Stadt an der Ilm bietet als Gastgeberin der Gartenschau im Innenstadtbereich zusätzliche Attraktionen an. Viele lassen sich auf dem am Gartenschau-Haupteingang beginnenden Kulturweg entdecken: Beispielsweise die Kunsthalle mit ihrer Dauerausstellung Ladder to Heaven, in deren Mittelpunkt zeitgenössische Originalgrafiken stehen, die historische Spitalkirche oder der mittelalterliche Hungerturm. Zusätzlich laden auf dem Hauptplatz ein Stadtstrand und eine Spielwiese zum Erholen und Klettern ein – und finden im Rahmen des Kultursommers viele weitere Veranstaltungen statt. Und ein Erlebnis für die ganze Familie ist sicher auch die kleine Bahn „Innenstadt-Express„ , die ihre Gäste am Gartenschau-Haupteingang erwartet. Mehr Informationen unter www.gartenschau-pfaffenhofen.de
EDITORIAL
BAYERN LAND & LEUTE Sie schneidern Kostüme nach historischem Vorbild, lassen sich die Bärte wachsen und verzichten auf Brille, Turnschuhe und Smartphone: Hunderte, wenn nicht Tausende Bayern begeben sich vor allem in den Sommermonaten auf eine Reise zurück in die Zeit. Mittelalter, Renaissance oder Barock heißen die „Reiseziele“ und sogar die Zeit der Kelten wird hier zu Lande wiederbelebt. In dieser Ausgabe von Bayerns Bestes stellen wir Ihnen einige der Festivitäten vor, für die sich ganze Städte ins Zeug legen. Von Ansbach über Neuburg bis nach Landshut. Und Sie werden erfahren, warum sich die Kelten gerade im Altmühltal so wohl fühl(t)en.
Impressum: espresso Publikations GmbH & Co KG Wagnerwirtsgasse 8 85049 Ingolstadt UStId: DE 814482148 Verantwortlich i.S.d.§ 6 Abs. 2 MDStV: Michael Stern Telefon: 0841/95154-0 Telefax: 0841/95154-120 info@espresso-mediengruppe.de info@bayernsbestes.de Geschäftsführung: Michael Stern Projektleitung: Melanie Arzenheimer Marketing: Karin Rasch, Natali Motter, Evelin Raffalt Redaktion: Hermann Käbisch, Melanie Arzenheimer Silke Federsel, Edgar Mayer, Lisa Braun, Claudia Hagn, Andreas Thamm, Anja Keilbach, Anita Haas, Sabine Kaczynski Layout: designerie WERBEAGENTUR, Kristin Leichtl, Daniela Kornprobst, Nadine Morell, Jonas Wagner Druck: druckpruskil Gaimersheim
Apropos Altmühltal. Bis heute ist der markanteste Einschnitt in dieser Region umstritten. Dass er dem Tourismus auf die Sprünge geholfen hat, steht außer Frage: Der Main-Donau Kanal feiert in diesem Jahr sein 25-jähriges Bestehen. Die Gemeinden am Kanal feiern mit. Typisch bayerisch, das sind aber nicht nur Landschaften und Traditionen. Das ist auch die bayerische Küche. Und hier geht der Trend weg vom „künstlich Eingemachten“ hin zum Bio-Produkt. Egal ob Käse, Fleisch, Gemüse oder Gebäck. Immer mehr Verbraucher achten ganz genau drauf, was drin steckt. Und in keinem Bundesland werden mehr BioProdukte hergestellt als in Bayern. Dass es jetzt sogar Bayerns erste Bio-Königin gibt, ist das nur (bio)logisch. Wir haben mit ihr gesprochen. Und weil Bayern jede Menge Kultur und Geschichte zu bieten hat, werfen wir auch einen Blick auf die Monacensia, Münchens literarisches Gedächtnis. Wir beleuchten die Leuchtenberger, sagen „öha“ zu Gerhard Polt und versuchen das Geheimnis der Freimaurer in Bayern zu ergründen. Viel Freude beim Lesen wünscht Ihnen
Melanie Arzenheimer
Bitte vormerken: Die nächste Ausgabe von Bayerns Bestes erscheint am 27. Juli 2017 Stephanie Müller, „Braut“ der Landshuter Hochzeit 2017 Foto: Verein „Die Förderer“ e.V. Landshut
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Volksmusik, Klassik und Jazz in den Bergen
Musikalischer Sommerbeginn im Chiemgau: Vom 24. Juni bis 9. Juli zaubert das Chiemgau Alm Festival ein abwechslungsreiches Programm auf die Naturbühnen der Chiemgauer Alpen. Elf Konzerte präsentieren die Organisatoren um Initiator Wolfgang Diem in der siebten Auflage des Festivals.
Fotos: Chiemgau Tourismus
Das Chiemgau Alm Festival vom 24. Juni bis 9. Juli
Das Festival startet am Samstag, 24. Juni mit einem Volksmusikabend im Forsthaus Adlgaß in Inzell. Vor der markanten Kulisse des Gamsknogels spielen die „Rotofenmusi“ und die „6 Egg Musi“ zünftig bayerisch auf. Am Sonntag, 25. Juni, ist das „Grassauer Blechbläser Ensemble“ auf der Winklmoosalm bei Reit im Winkl zu Gast und präsentieren schwungvolle Stücke von bairisch über klassich bis modern. Weiter geht es am Mittwoch, 28. Juni, beim Hoagascht auf dem Streichen. Zu hören sind die „Schlechinger Sänger“, die „Hirschberg Zithermusi“, der „Afelder Dreigsang“ aus der Wildschönau und die „Goldtropfmusi“ aus Bad Reichenhall. „Almerisch g’sunga und g’spuilt“ wird am Freitag, 30. Juni, auf der Schwarzachenalm bei Ruhpolding. Dort gibt es ein Wiedersehen mit dem „Laurenzi Dreig’sang“, der „Würfe Musi“ und dem „Wössner Erntedank-Ensemble“. Zum Almtanz laden die Musikkapelle Wössen, die Aktiven und die Jugendgruppe des Trachtenvereins „D`Achentaler Unterwössen“ am Samstag, 1. Juli, auf die Jochbergalm bei Unterwössen ein. Am Sonntag, 2. Juli, swingt der Hochfelln: Auf der Bründlingalm versprüht der „Boogie Express“ wonnige Sommerlaune und am Öderkaser gibt das „Tom Grubinger 4tett“ den Takt an. Am Spätnachmittag rollt amerikanischer Blues und Rock ‘n‘ Roll von „Tscheky & The Blues Kings“ über die Bergwiese der Wuhrsteinalm bei Schleching. Einen Gamssprung entfernt findet am Mittwoch, 5. Juli, das Traditionskonzert mit barocken und alpenländischen Klängen des „Grassauer Blechbläser Quintetts“ an der Schlechinger Streichenkirche statt. Am letzten Festivalwochenende rocken am Freitag, 7. Juli, die beiden Chiemgauer Bands „Genicide“ und „Status Seeker“ beim Almrock Open Air am Foxbau in Grassau (ehemaliges Bergbad). Weltmusik erklingt am Samstag, 8. Juli, auf der Hindenburghütte in Reit im Winkl. Das Ensemble „Absolute Folk“ trifft auf die „Grassauer Alphornbläser“. Zu hören sind Stücke aus Amerika, dem Balkan und Bayern. Auf der Hochplatte endet die musikalische Reise durch den Chiemgau am Sonntag, 9. Juli, mit der „Bergmessmusi Grassau“, dem renommierten „Red Socks Brass Quintett“ und dem „Familiengesang Walchschmied“, der „Oimmusi Karl Kamml“ sowie Alphorn- und Weisenbläsern. Durch das Programm auf der Grassauer Rachlalm führt Klaus Zeisberger. Der Besuch der Konzerte kostet zwischen fünf und zwölf Euro. Tickets oder Festmarken sind vorab in den Tourist Infos der beteiligten Orte oder an der Abendkasse erhältlich. Der Besuch der meisten Veranstaltungen lässt sich gut mit einer leichten Wanderung verbinden. Teilweise sind die Konzertorte auch mit Seilbahn oder Auto erreichbar. www.chiemsee-chiemgau.info/alm-festival
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Foto: Wilfried Hösl
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Geheimbund? Besuch im Deutschen Freimaurermuseum in Bayreuth
Foto: Chantal Alexandra Pilsl
Foto: Yvonne Münzberg
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Von der Oper bis zum Jodelkurs unsere Veranstaltungstipps
08 BAYERN 1 BIS 3
40 WAHNSINNIGE AUS DER IDYLLE
Rettet den Tigerwald in Wallersdorf; Bayerns beste „TV-Waffe“ -die Rosenheim Cops; Die Riesengitarre im Deutschen Museum
Die Band Gankino Circus aus Dietenhofen
14 ÖHA
25 Jahre Main-Donau- Kanal
Gerhard Polt bedankt sich für den Fernsehpreis
16 HIMMELSSTÜRMERIN Eine Münchnerin könnte Deutschland im All vertreten
18 AUSNAHMEZUSTAND Hinter den Kulissen der Landshuter Hochzeit
26 NEULICH BEI OTTHEINRICH Renaissancespektakel Neuburger Schlossfest
34 REFORMATION UND ROKOKO Die Residenzstadt Ansbach in Mittelfranken
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Frau mit Prinzipien: Bayerns erste Bio-Königin
44 WASSERSTRASSENJUBILÄUM 52 EINBAUM UND DRUIDEN Leben wie die Kelten im Altmühltal
56 GESUND UND VERGNÜGLICH Bad Füssing ist mehr als ein Kurort
64 ÖKO-BOTSCHAFTERIN Interview mit Eva Gottschaller, Bayerns erster Bio-Königin
72 VOM FELD AUF DEN TELLER Landesbäuerin Anneliese Göller über mündige Verbraucher und die Wertschätzung der Landwirtschaft
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Foto: Christoph Huber
Wenn Landshut Hochzeit feiert... dann ist die ganze Stadt auf den Beinen.
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25 Jahre Main-Donau-Kanal werden gefeiert
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Foto: DTM_HochZwei
Foto: Fotolia/gerhard1302
Foto: Christine Voncon
Anarchie aus Franken: Gankino Circus
75 Jahre Renntradition auf dem Nürnberger Norisring
76 BIER, SPARGEL, KÄSE
108 EINBLICKE INS GEHEIME
Das WeltGenussErbe Bayern
Besuch im Deutschen Freimaurermuseum in Bayreuth.
88 LITERARISCHES GEDÄCHTNIS
112 NAPOLEONS ERBEN
Die Monacensia im Münchner Hildebrandhaus - nicht nur für Literaturkenner ein Besuch wert
Die Herzöge von Leuchtenberg haben in Bayern nicht nur baulich ihre Spuren hinterlassen
94 KLEINE KÜNSTLER GANZ GROSS
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Das Projekt „little ART“ im Münchner Künstlerhaus
Die Autorennen auf dem Nürnberger Norisring haben Tradition. Dieses Jahr wird das 75. Rennwochenende gefeiert.
Von Oper bis Crossover - die Opernfestspiele in München, Hoch zu Ross- die Kaltenberger Ritterspiele, Jodelkurs inklusive - das Dellnhauser Volksmusikfest in Au in der Hallertau, Konzertgenuss unter freiem Himmel beim Klassik Open Air in Nürnberg und der Volksmusiktag „mittendrin“ in Eichstätt
104 REVOLUTIONÄRER GEHEIMBUND?
122 NACH 200 JAHREN
Die erste Freimaurerloge wurde vor 300 Jahren in London eröffnet. Auch in Bayern sind die Freimaurer bis heute aktiv.
In Ingolstadt wurden verschollene Werke des Komponisten Gaetano Donizetti wiederbelebt
98 GROSSE SHOW UND VIEL PS
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Was für ein Augen-Blick: Tiger (so heißt der Tiger) lebt im Raubkatzenasyl in Wallersdorf bei Ansbach.
Rettet den Tigerwald! Gestatten: Tiger. Ausgesprochen wird er „Taiger„. Er ist zwar ein Sibirischer Tiger, aber auch ein Mittelfranke, denn seine Heimat ist das Raubkatzenasyl in Wallersdorf bei Ansbach. Tiger wurde in Österreich von einem Zirkus in die Obhut eines Tierschutzvereins gegeben, als das Zirkusunternehmen nicht mehr für die Haltungskosten aufkommen konnte. Doch auch der Tierschutzverein ging Pleite. Nun lebt er zusammen mit anderen Großkatzen und Exoten im Raubtierasyl, das allerdings ebenfalls in seiner Existenz bedroht ist. Das 6.000 qm Grundstück, auf dem das Asyl mit Hilfe von Unterstützern und hartem Einsatz vieler ehrenamtlicher Helfer Platz gefunden hat, soll verkauft werden. Mehr als eine halbe Million Euro soll es kosten – unerschwinglich für den Verein. In einer Spendenaktion soll das nötige Geld aufgetrieben werden, bisher sind es 175 000 Euro.
Infos und Online-Spenden unter: www.raubkatzenasyl.de
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Polizist Michi Mohr (Max Müller, l.) und die Kommissare Korbinian Hofer (Joseph Hannesschläger, M.) und Sven Hansen (Igor Jeftic, r.) suchen in der Folge „Tödliche Laster“ am verlassenen LKW nach verwertbaren Spuren. Foto: ZDF/Bavaria, Fernsehprod./Christian A. Rieger
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„Es gabad a Leich“ Sie zählen zu den erfolgreichsten „Botschaftern“ Bayerns: Die Rosenheim Cops. Bis zu fünf Millionen Menschen schauen jede Woche zu, wenn mal wieder ein kniffeliger Mordfall gelöst wird. Die ZDF Serie geht bereits in die 17. Staffel, die Dreharbeiten dazu laufen gerade. Vor der Kamera stehen in durchgehenden Rollen Joseph Hannesschläger, Dieter Fischer, Igor Jefti, , Katharina Abt, Marisa Burger, Max Müller, Karin Thaler, Alexander Duda und andere. Für einige Folgen stößt zudem Patrick Kalupa als neuer Kommissar Christian Bach zum Rosenheimer ErmittlungsTeam. Außerdem wurde gerade in München, Rosenheim und St. Johann im Pongau/Österreich ein 90-minütiges Winterspecial der Rosenheim Cops abgedreht, das zur besten Hauptsendezeit ausgestrahlt werden soll. Wann steht noch nicht fest, aber eines ist ist sicher. Frau Stockl wird auch diesmal zum Telefon greifen und verkünden: „Es gabad a Leich!“
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Zupf mi oder zupf di! Im Deutschen Museum in München werden ganz andere Saiten aufgezogen. Und das für die kleinen Besucher. Die können nämlich in eine riesige Gitarre hinein krabbeln, um die Schwingungen der Musik am eigenen Körper zu spüren. Und fällt Ihnen noch was auf? Genau. Diese Gitarre hat nur fünf Saiten, weil sie historischen Instrumenten nachempfunden ist und die Besucher auf die Abteilung „Musikautomaten und Elektronische Instrumente“ des Deutschen Museums aufmerksam machen will. Mehr: www.deutsches-museum.de
Nein, hier hat kein Riese sein Instrument vergessen. Diese Gitarre ist ein begehbares Museummstück im Deutschen Museum in München. Foto: Deutsches Museum
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Foto: Brauer Photos/Dominik Beckmann
Gerhard Polt mit Frau Christine und Sohn bei der Verleihung des Bayerischen Fernsehpreises 2017.
BAYER DES MONATS
Die Kunst des Öha Gerhard Polt bedankte sich auf seine Weise für den Bayerischen Fernsehpreis Von Melanie Arzenheimer Könnten nicht alle Dankesreden bei diversen Preisverleihungen so sein wie die von Gerhard Polt bei der Verleihung des Bayerischen Fernsehpreises? Manch ein Bussi-Bussi-Beweihräucherungsevent würde auf einmal wieder aus einem nächtlichen Nischenprogramm in die Hauptsendezeit wandern. So wie man immer ein Taschenmesser oder ein Taschentuch dabei haben sollte, hat Gerhard Polt eben immer eine Dankesrede dabei. Das gab er auf der Bühne des Münchner Prinzregententheaters zu, griff in die Jackentasche und kramte ein Blatt Papier hervor, dem anzusehen war, dass es nicht gerade erst aus dem Drucker kam. Hat der große Satiriker und Sprachkünstler wirklich immer eine Dankesrede dabei? Fast konnte man es glauben. „Mit großem Erstaunen, jedoch vergleichsweise geringer Besorgnis, aber auch geziemender Erwartungslosigkeit habe ich versucht, auf die heute auf mich hereinstürzende Situation mit einem Öha zu reagieren“, erklärte Gerhard Polt, dem Ilse Aigner den Ehrenpreis des Ministerpräsidenten überreichte. Öha. So klinge es im Übrigen auch, wenn er über ein Kind stolpere. Dasselbe gelte auch bei Radfahrern. „Nur aufrichtige, ehrliche Unwissenheit und ein unschuldiges Vor-sich-hin-Staunen lässt diesem Öha seine völlige Unvermutetheit.“ So intensiv hat vermutlich noch kein Preisträger die Reaktion auf einen Preis analysiert. Das war mehr als nur ein Öha wert. In dem epochalen Werk „Der große Polt – ein Konversationslexikon“ findet dieser kurze, typisch bayerische Ausruf des Erstaunens natürlich auch einen Platz. Hier ist zu lesen: Öha [ø ’ha ] körperliches, schwerfälliges Erstaunen. Das bayerische »Öha« ist ein Erkennen auf niedrigen Touren; ein Wahrnehmen ohne Blitz, ein dem Dämmern ähnlicher Vorgang; erfordert im Gegensatz zum »Aha« und Heureka ein großes Maß an Geduld und Gelassenheit. Wenn einer »Aha« sagt, heißt das, jetzt weiß er das auch, während jemand, der sagt: »Öha«, damit kundgibt, dass er vorher überhaupt keine Ahnung gehabt hat, und das entspricht wahrscheinlich viel mehr der Wahrhaftigkeit.
Buchtipp: Der große POLT Ein Konversationslexikon von Gerhard Polt Herausgegeben von Claudia Pichler Verlag KEIN & ABER, Preis: 12 Euro 15
Drei Wochen zurück ins Jahr
1475 Von Claudia Hagn Auf dem Holztisch in der Schneiderei des Landshuter Zeughauses wartet die Nervennahrung für diesen Mittwochabend: Schokolade, Gummibärchen, eine Flasche Wein und Wasser. Um den Holztisch herum sitzen Frauen und Männer mit Nadel und Faden in der Hand – um sie herum hängen bunte Kostüme aus Goldbrokat, Leinen, manche edler, manche nicht ganz so edel. Bei einigen ist der Saum gerissen, andere brauchen einen neuen Kragen. Daneben liegen Hüte mit Pelzbesatz, dunkle glänzende Samtwamse und braune Lederriemen, um Kupferbecher am Gürtel zu transportieren. Es ist ein unbezahlbarer Kostümschatz, den die rund 30 Kammerfrauen und Kammerherren um sich scharen. Im Zeughaus des Landshuter Vereins „Die Förderer“ wird jeden Mittwochabend genau für diesen Schatz gearbeitet; nur in den Ferien macht die Schneiderei Pause. Es ist zwar nur alle vier Jahre Landshuter Hochzeit – doch nach der Hochzeit ist vor der Hochzeit im Fundus. Antonie Schad, die Leiterin des Kostümfundus, hat mit ihrem Mann Karl in den vergangenen Jahrzehnten (fast) jedes Bild in jeder Kirche in Mitteleuropa fotografiert. Diese Aufzeichnungen, in großen Ordnern gesammelt, bilden die Grundlage für die aufwändigen Kostüme. Einfach irgendeinen Schnitt zeichnen und daraus dann ein mittelalterliches Kostüm basteln: Das ist ein Unding bei den Förderern und ihrer Landshuter Hochzeit.
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Es ist wieder Landshuter Hochzeit: Vom 30. Juni bis 23. Juli herrscht Ausnahmezustand in Landshut
Weit über 2000 Mitwirkende ziehen an vier Sonntagnachmittagen im Juni und Juli in originalgetreuen Kostümen aus dem Mittelalter durch die Landshuter Alt- und Neustadt. Der Hochzeitszug gilt als einer der Höhepunkte der Landshuter Hochzeit, die alle vier Jahre stattfindet. Foto: Christine Vinçon
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KULTUR
Und so ist das Zeughaus nahe der Isar mit all seinen alten und neuen Kostümen so etwas wie das Herzstück des größten Historienfests Europas: Dort lagern die gesammelten alten und neuen Kostüme der rund 2400 Mitwirkenden sowie Fahrnisse, Zaumzeug und alle mittelalterlichen Accessoires, die nach 2013 in diesem Jahr wieder zum Einsatz kommen. Bereits jetzt sieht man in Landshut etliche Männer mit den für das Mittelalter obligatorischen halblangen Haaren – im Juli schlüpfen diese Männer dann in ihre Strumpfhosen und Wamse und werden zu Pferdeführern, Fürsten, Landsknechten und Fahnenschwingern. Für viele teilnehmende Frauen braucht es jedoch keinen „Haarerlass“: Denn alle Damen ab 24 Jahren müssen sowieso historisch korrekt unter die Haube. Nur die jungen Mädchen dürfen ihre Haare offen zeigen.
Organisiert wird die Landshuter Hochzeit vom Verein „Die Förderer“, deren Mitglieder sich 1903 zum ersten Mal dachten: Diese geschichtlich wichtige Hochzeit von Herzog Georg von BayernLandshut und Prinzessin Hedwig aus Polen, die in großem Stil 1475 über die Bühne ging, wäre doch eine prima Sache, ein paar Besucher aus München wegzulocken. Gesagt, getan: Seitdem hat sich die „Laho“, wie die Hochzeit von vielen Landshutern genannt wird, zu einem riesigen Spektakel mit einem mittlerweile über vier Millionen Euro hohen Budget entwickelt. Rund 70 000 Einwohner hat die Stadt an der Isar, weit mehr als 100 000 Besucher kommen alle vier Jahre an den Veranstaltungswochenenden zu den Reiter- und Ritterspielen, der Fechtschule, den Fest-
KULTUR
lichen Spielen im nächtlichen Lager – und nicht zuletzt zum Hochzeitszug an jedem Sonntagnachmittag, bei dem alle 2400 Mitwirkenden im Kostüm durch die Straßenzüge der Landshuter Alt- und Neustadt ziehen. Um ein Kostüm zu bekommen, müssen sich Bewerber übrigens einem langwierigen Casting stellen – es gibt in jedem Landshuter Hochzeitsjahr weit mehr Anwärter als Kostüme. Nicht selten fielen bereits Abgelehnte nach der Absage in eine mittelschwere Depression, weil sie nicht für vier Wochenenden als Edeldame, Marketenderin oder Fürstin ins Lagerleben einziehen durften.
Bei den „festlichen Spielen im nächtlichen Lager“ sind auch die Gaukler mit dabei - ihre menschliche Pyramide kann schon mal bis zu fünf Stockwerke hoch werden. Bei der Landshuter Hochzeit machen auch ganze Familien mit; die jüngsten bekommen in der Kindergruppe ab fünf Jahren ein Kostüm. Fotos: Christine Vinçon
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KULTUR
Bis das moderne Mittelalter ab dem 30. Juni 2017 wieder beginnt, läuft in den Jahren zwischen den Hochzeiten eine große ehrenamtliche Vorbereitungsmaschinerie. Denn was an den vier Fest-Wochenenden im Juli so leicht und einfach aussieht, ist harte Arbeit. Nicht nur im Zeughaus, sondern auch zum Beispiel bei Rittern, Fahnenschwingern, der Fechtschule, Musikern, Falknern, der Hofküche, den Mitwirkenden der Tanz- und Festspiele, Moriskentänzern und bei den Gauklern. Diese Gruppe, die nur aus Männern besteht, trainiert schon Monate vorher an den Sprüngen und Figuren, die sie während der Laho in der ganzen Stadt zeigen. Barfuß hüpfen sie dann über das Kopfsteinpflaster, wirbeln in der Luft beim so genannten „Fuchsprellen“ und landen mitunter ohne Schuhe im Pferdemist. Trainer Stephan Rauhmeier hat seine Männer bei den Trainingsstunden im Griff: Die Gaukler sind allesamt Turner der Turngemeinde Landshut, einem der größten Sportvereine der Stadt. Freitagabend stehen sie deswegen jede Woche in der Turnhalle, um zum Beispiel „die Pyramide“ zu üben. Das ist der Höhepunkt jedes Gauklerauftritts, und zwar zu Recht: Bei der Pyramide stapeln sich die Gaukler in mehreren Ebenen nach Größe auf. Unten stehen die Größten als Stütze, auf ihren Schultern folgen die leichteren, bis schließlich der mutigste und kleinste Gaukler ganz nach oben an die Spitze klettert. Bei der Landshuter Hochzeit 2013 klappte zum ersten Mal die fünfstöckige Pyramide; ein Ereignis, von dem die Gaukler heute noch mit leicht glänzenden Augen und ein bisschen ehrfürchtig berichten. Bei den Gauklern liegen übrigens Erfolg und Tragik manchmal ganz nah beieinander:
So brach sich Korbinian Schweiger, eine der damaligen leichtgewichtigen Nachwuchshoffnungen und Anwärter auf den Platz ganz oben auf der Pyramide, ein paar Tage vor der Laho 2013 beide Arme – und musste anschließend mit Doppelgips verfolgen, wie seine Kollegen ohne ihn zur menschlichen Pyramide wurden. Mitmachen durfte Korbinian aber trotzdem: Die Schienen um die Arme waren damals historisch korrekt in dickes Leinen eingepackt; was Kostüme und ihre Originalität angeht, sind „Die Förderer“ nämlich recht, sagen wir mal, penibel.
Höchststrafe für Handynutzung Es gibt einige Dinge, die für Kostümierte bei Höchststrafe – und das kann sogar bis zum Rauswurf gehen – verboten sind. Dazu gehören sichtbare Tattoos und Piercings, Handybenutzung, Rauchen im Kostüm, moderner Schmuck sowie Brillen jeglicher Art. Manch einer mit der Sehschärfe eines Maulwurfs muss während der Hochzeit in den sauren Apfel beißen und sich extra für die drei Wochen Kontaktlinsen anpassen lassen. Manche haben damit extreme Probleme, doch es gibt Hilfe: Optiker Christoph Maier hat daher sogar den Service eingerichtet, vor den
Bei der Hofküche kommen manchmal ganze Schweine auf den Grill. Es wird gekocht wie im Mittelalter üblich - Tomaten und Kartoffeln sind tabu; sie waren im Jahr 1475 in Europa noch unbekannt. Foto: Christine Vinçon
KULTUR
Ohne Buchskranz geht bei der „Laho“ gar nichts: Er gilt als zeichen der Liebe und der Freundschaft unter Mitwirkenden und Besuchern. Foto: Claudia Hagn
Festwochenenden am Freitagmittag Linsen bei Mitwirkenden einzusetzen – und sie am Sonntag wieder zu entfernen. Auch hat er am Zehr- und Lagerplatz auf der Ringelstecherwiese hinter den Kulissen ein kleines Plätzchen eingerichtet, wo Kontaktlinsen in allen Stärken und Varianten liegen, zusammen mit einer Notfallausrüstung für Augenprobleme. Wenn ein Pferd nämlich mit dem Schweif einem Mitwirkenden ins Auge wischt, kann das böse ausgehen.
Besucher können an den Wochenenden am Zehr- und Lagerplatz, dessen Konstruktion auf und neben der Ringelstecherwiese in jedem Laho-Jahr bereits im März beginnt, selbst ein bisschen Mittelalter-Luft schnuppern. Im „größten Biergarten Landshuts“ während der drei Wochen Hochzeit können sich Besucher am Freitag, Samstag und Sonntag mit der nötigen Grundlage fürs Feiern eindecken. Kinder dürfen mittelalterliche Spiele ausprobieren, die Armbrustschützen zeigen ihre Kunst, Feuerspucker erhellen das nächtliche Lager, Gaukler zeigen ihre Kunststücke und Musiker spielen mittelalterliche Hits wie das Trinklied „Tourdion“. Hinter einem niedrigen Zaun spielt sich das Leben á la 1475 ab: Dorthin haben nur die Kostümierten Zutritt. Besucher können jedoch mit ein bisschen Abstand beobachten, wie wohl zu Zeiten Herzog Georgs gelebt, geliebt, gegessen und gestritten wurde. Die Hofküche reicht manchmal kleine Kostproben über den Zaun – und aus Kupferbechern gibt es manchmal den ein oder anderen Schluck Bier zu probieren. Kartoffel- und Tomatensalat zur Bratwurst sind im Übrigen verpönt im Lagerleben; entdeckte Christopher Columbus doch erst 1492 Amerika – Kartoffel und Tomate waren 1475 noch völlig unbekannt in Europa. Erlaubt sind Tomaten, Kartoffeln und weiteres anno dazumal unentdeckte Gemüse dennoch bei der Landshuter Hochzeit – und zwar auf den mittlerweile obligatorischen Tribünenfesten in der Altstadt. Die Tribünen werden kurz vor dem Fest aufgestellt; und alsbald von den Bürgern und Besuchern auch unter der Woche belagert. Mit Picknickkörben bewaffnet feiern die Landshuter dann drei Wochen lang jeden Tag bis weit in die Nacht ihre ganz eigene Landshuter Hochzeit. Dabei sitzen Kostümierte neben zivil Gekleideten, Musikgruppen ziehen durch die Altstadt und es gibt allgemein ein großes „Hallooo“ – sowieso ein Ruf, dem sich keiner während der Landshuter Hochzeit erwehren kann. „Hallooo“ schallt es überall in der Stadt, kleine und große Buchskränzchen werden als Zeichen von Freundschaft und Liebe verteilt und manchmal wird noch von vielen übermütig ein „Himmel Landshut – Tausend Landshut“ hinterher jubiliert. Das ist zwar alles historisch nicht verbürgt, ist für die Stimmung bei der Hochzeit aber unerlässlich. Somit lässt sich für einen Besuch während der drei Wochen Landshuter Hochzeit ab dem 30. Juni – manch einer nennt das Fest übrigens auch ein wenig süffisant „Strumpfhosenfasching deluxe“ – nur eines sagen: mitfeiern oder Landshut meiden. Denn dem Mittelalter kommt man in dieser Zeit des kompletten Ausnahmezustandes einfach nicht aus.
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Landshuter Hochzeit: Das Wichtigste auf einen Blick · Die Landshuter Hochzeit wird 2017 vom 30. Juni bis 23. Juni gefeiert. Die großen Veranstaltungen wie die Reiter- und Ritterspiele und die Festlichen Spiele finden am Wochenende statt, jedoch gibt es auch Programmpunkte wie Musikabende unter der Woche. Während der vier Hochzeitswochenenden herrscht in der gesamten Stadt das Mittelalter, für Landshut bedeutet die Laho Ausnahmezustand. · Die meisten Veranstaltungen der Landshuter Hochzeit sind bereits ausverkauft. Wer Glück hat, kann noch bei Tauschbörsen im Internet (zum Beispiel auf Facebook) und bei der Tauschbörse der Stadt Landshut im Rathaus Karten ergattern. Keine Eintrittskarten benötigen Besucher jedoch für den großen Hochzeitszug. Bei ihm ziehen jeden Sonntag um 14 Uhr nahezu alle 2400 Kostümierten durch die Stadt. Ein frühes Reservieren von Stehplätzen lohnt sich; erfahrungsgemäß ist beim Hochzeitszug jedes Mal viel los. · Das Tragen von selbst geschneiderten Mittelalterund Renaissancekostümen wird nicht gern gesehen. Der Zutritt zum Zehr- und Lagerplatz wird Kostümierten, die keine von den „Förderern„ ausgegeben Kostüme tragen, verwehrt. · Das Mittelaltertreiben ebenfalls genießen können Besucher beim Treffpunkt Altstadt jeden Samstagnachmittag. Einzelne Mitwirkende und Gruppen mit Musik und Tanz beleben dann die Altstadt. Auch beliebt bei freiem Eintritt ist der „Treffpunkt Trausnitz„ auf der Burg hoch über Landshut. Am Sonntagvormittag ist die Burg Kulisse für ein buntes Spektakel mit Zauberern und Feuerspuckern, Musikern, Jongleuren, Komödianten, Gauklern und Fahnenschwingern. · Das Lagerleben der Landshuter Hochzeit auf der Ringelstecherwiese ist am Freitag- Samstag- und Sonntagabend geöffnet. · Bei den Tribünenfesten der Landshuter Hochzeit treffen sich Landshuter und Besucher in der Altstadt mit Picknickkörben auch unter der Woche, um gemeinsam auf den Tribünen zu feiern. Für diese Feste sind ebenfalls keine Eintrittskarten nötig, man kommt einfach und reserviert sich einen noch freien Platz auf der Tribüne. · Park and Ride-Plätze sind während der Landshuter Hochzeit ausgeschrieben. Es wird empfohlen, vor allem am Wochenende außerhalb der Stadt zu parken. Infos: www.landshuter-hochzeit.de 24
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GESELLSCHAFT
Empört über die
Wegwerfgesellschaft Eva Gottschaller ist Bayerns erste Bio-Königin von Lisa Braun Der Wein? Klar, der hat seine Weinkönigin. Und die Milch, der Spargel und die Kartoffel – sie alle werden mit der Unterstützung von königlichen Hoheiten vermarktet. Nun ist noch eine Hoheit dazugekommen: Erstmals gibt es in Bayern eine Bio-Königin. Eva Gottschaller wurde in Rotthalmünster bei Passau geboren. Dort wuchs sie auf einem Öko-Bauernhof auf und arbeitete später in der Bio-Bäckerei des Vaters. Seitdem gehört das Thema Bio zu ihren Leidenschaften. Das machte sie zur perfekten Kandidatin für die erste bayerische Bio-Königin, die im Juli 2016 von den Bio-Verbänden (Biokreis, Bioland, Naturland und Demeter) gekürt wurde. Nun möchte die 28-jährige Königin ihre Botschaft zum Umgang mit den Tieren und der Umwelt weitergeben und erzählt, warum sie nicht bei H&M einkaufen kann...
Eva Gottschaller wurde zur ersten bayerischen Bio-Königin gewählt und vertritt nun leidenschaftlich die bayerische Bio-Branche. Foto: Chantal Alexandra Pilsl
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Du bist die erste bayerische Bio-Königin. Wie kam‘s dazu? Der Biokreis meinte, dass es schön sei, ein Gesicht für die Biobranche zu haben und hat mich dann gefragt, weil ich von einem Biohof komme und dort aufgewachsen bin. Ich wollte das gerne ausprobieren und wurde dann beim Königinnen-Verband angemeldet. Da ich den Biogedanken auch leben und weitergeben will, hoff‘ ich, dass ich damit mehr Aufmerksamkeit darauf lenken kann. Sonst arbeitest du als freischaffende Schauspielerin in München. Wie kombinierst du das? Seit ich klein bin und auch während des Studiums hab‘ ich in der Bio-Bäckerei bei mir zuhause mitgearbeitet. Nach meinem Studium bin ich nach München und hab‘ im „Milchhäusl“ angefangen, einem Bioimbiss im englischen Garten. Also bin ich auch in der Bioszene geblieben, was ich sehr gut finde. So kann ich meine beiden Leidenschaften kombinieren – Bio und Schauspielerei. Kam der Biogedanke durch den Einfluss der Eltern? Natürlich haben meine Eltern darauf geachtet und ich bin mit dem Bio-Gedanken groß geworden, aber es war meine Entscheidung, Wert darauf zu legen, was genau ich esse. Auch in meinem Freundeskreis setzen sich viele kritisch mit den Themen Ernährung, Tierhaltung und Landwirtschaft auseinander. Wieso ist das Thema Bio deine Leidenschaft? Mich empört es einfach, wie zurzeit mit der Welt und unseren Tieren umgegangen wird. Wir behandeln die Tiere, als wären sie Produkte und keine Lebewesen. Wir werfen alles wahllos weg, weil wir es im Überfluss haben. Das kann so nicht weitergehen. Für mich persönlich ist die einzige Lösung - auf Generationen hin gesehen - der ökologische Landbau, um die ganzen Menschen auch zu ernähren. 2050 soll die Bevölkerung bei zehn Milliarden sein und ich glaube, nur die ökologische Landwirtschaft kann den Welthunger stillen, nicht die Massentierhaltung oder die Ausbeutung der Welt.
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Wer muss etwas ändern? Verbraucher oder Produzenten? Man braucht wirklich nicht jeden Tag Fleisch. Man muss sich bewusst machen, wo das Fleisch herkommt, das das auch mal ein Lebewesen war. Und man kann natürlich keine guten Bedingungen für die Tiere erwarten, wenn man eine Wurst für 88 Cent kauft. Man sollte einfach auf artgerechte Haltung achten und weniger Fleisch konsumieren. Weil Tiere Lebewesen sind. Wie wir alle. Also liegt‘s am Verbraucher? Natürlich muss das auch vom Verbraucher kommen, denn der bestimmt den Markt. Aber es muss auch auf der politischen Ebene ausgetragen werden. Wie bei Helmut Brunner, der bis 2020 den ökologischen Landbau in Bayern verdoppeln will. Ich hoffe, dass das mehr Anklang in der Politik findet. Es gibt so viel Bauernhofsterben – die Bauern müssen unterstützt werden. Wir brauchen unsere Bauern. Kannst du dann von dir behaupten, dass du dein Leben lang noch nie billiges Discounter-Fleisch gegessen hast? (lacht) Also ich habe angefangen, mich richtig damit zu beschäftigen, als ich mich mit 14 Jahren das erste Mal nur vegetarisch ernährt habe. Jetzt kaufe ich nur Bio-Fleisch und Milchprodukte, weil ich weiß, dass die Tiere artgerecht gehalten wurden. Hast du ein spezielles Bio-Lieblingsrezept? Das nicht, aber was mir wichtig ist, wenn ich einkaufe, ist die Unterstützung der Regionalität, der Biobauernhöfe in der Region. Dafür gibt es ja jetzt auch das bayerische Bio-Siegel, damit sieht man das auf einen Blick. Und ich kaufe auch saisonale Produkte, nicht die Tomaten aus Ägypten. Auf deinen offiziellen Bildern als Bio-Königin sieht man dich in einer speziellen Tracht... Ja, der Grundgedanke war, dass die Biokönigin nachhaltig tragen soll, also hab‘ ich zu meiner Inthronisierung eine Bio-Lederhose aus bio-zertifiziertem Leder bekommen. Denn Bio betrifft ja nicht nur die Lebensmittel, sondern
Zu ihrer Inthronisierung bekam die Bio-Königin eine Lederhose aus biozertifiziertem Leder Foto: Chantal Alexandra Pilsl
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auch die Kleidung. Viele Kleider werden unter schlechten Umwelt- und Sozialstandards produziert. Mein Dirndl hat mir eine Schneiderin aus Passau gemacht, eine nachhaltige Biomode „made by refugees“. Das ist auch ein super Konzept, das ich gerne unterstütze. Und sonst achtest du bei deiner Kleidung auch darauf? Ja, ich trage meistens Second Hand. Wenn ich zu H&M reingeh‘ muss ich erstmal alles checken und denk‘ mir dann, „nein ich kann das nicht kaufen“... das ist echt ein bisschen problematisch (lacht). Meine WG in München ist auch beim Kleiderkreisel dabei, womit wir dann auch Klamotten tauschen können. Wie viel Zeit nimmt das Bio-Königinnen-Dasein in Anspruch? Also im Sommer war ich sehr sehr viel unterwegs. Mal fünf Tage auf der Grünen Woche, drei Tage auf der Biofach, dann kamen Podiumsdiskussionen im Landtag... auch bei frauenpolitischen Themen kommen sie auf mich zu. Ob Königinnen nur repräsentativ sind, oder auch etwas zu sagen haben. Meine Botschaft als Königin ist mir deswegen sehr wichtig. Und die Selbstbestimmtheit der Frauen. Es ist einfach schön, dass ich das Ganze selbst gestalten kann, meine Reden selbst schreibe und mir selbst aussuche, was ich anziehe.
VORSCHAU
VORSCHAU Band 13 erscheint am 27.07.2017
THEMEN DER NÄCHSTEN AUSGABE Die PRACHT der TRACHT Dirndl und Lederhosen - diese Kleidungsstücke verbindet man mit Bayern. Aber sind das immer auch Trachten? Was ein Kleidungsstück überhaupt zur Tracht macht und wie vielfältig die Trachtenlandschaft in Bayern ist, erfahren Sie in der nächsten Ausgabe von Bayerns Bestes. .Foto: Florian Schott
Mehr als nur FUGGERSTADT Die Fugger sind wohl die berühmtesten Botschafter Augsburgs. Und natürlich die Puppenkiste. Aber die Stadt hat noch viel mehr zu bieten Ein frisch renoviertes Kongresszentrum zum Beispiel, das gerade ein echtes Rekordjahr erlebt hat. . Foto: NLiesz
JFK und die Bayern Lange bevor er Präsident der Vereinigten Saaten wurde, lebte John F. Kennedy zeitweise in Bayern. In seinen Tagebuchnotizen finden sich Geschichten über den Besuch von Garmisch-Partenkirchen und dem Deutschen Museum. Und er fand für Hitler durchaus bewundernde Worte. Foto: WikiCVommons/McNamara family private collection
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