Ukraine-Krieg dämpft Investitionsbereitschaft | Konjunkturelle Unsicherheit gefährdet Erholung 2022 01/04/2022
Wachstumseinbußen auf minus 1,3 Prozentpunkte verbunden mit einem Preisschub von zwei Prozentpunkten. Aufgrund der hohen Unsicherheit über den Kriegsverlauf und die Auswirkungen auf die Weltmärkte sehen wir derzeit von Prognosen im Kontext mehrerer Szenarien ab. Insbesondere eine Störung bei den Gaseinfuhren aus Russland könnte komplexe Kaskadeneffekte für Produktionsstörungen in zahlreichen Branchen auslösen, die nicht gut mit einem makroökonomischen Modell erfasst werden können (siehe z.B. Bachmann et al. 2022 und DIW 2022 und zur Einschätzung IMK 2022). Eine negative Auswirkung auf die gesamtwirtschaftliche Leistung in Höhe von einem halben Prozentpunkt bis zu drei Prozentpunkte unterschätzt unseres Erachtens die volle Wirkung von Produktionsstörungen beim Ausfall von Zwischengütern erheblich. Umfragen des Instituts der Deutschen Wirtschaft zeigen zudem auf, dass neben den höheren Energiebezugspreisen vor allem der Bezug von Gas und fehlende Vorleistungen einen sehr hohen Anteil von Unternehmen in fast allen Branchen der Industrie und der industrienahen Dienstleistungen betreffen (IW 2022). Erste Analysen eine möglichen Energierohstofflieferstopps deuten zudem darauf hin, welche komplexen Folgen dies haben würde und welche möglichen Reaktionen der Wirtschaft und der öffentlichen Hand in der EU zur Verfügung stünden (Bruegel 2022). Das ifo-Institut (ifo 2022) hat die Wachstumsprognose für das laufende Jahr auf 3,1 Prozent nach unten revidiert und unterstellt dabei, dass die Rohstoffpreise ihren Höhepunkt bereits überschritten haben und in den kommenden Monaten allmählich sinken. In einem alternativen Szenario haben die Münchener Forscher unterstellt, dass der Energiepreisanstieg erst in der Jahresmitte 2022 seinen Hochpunkt erreicht. Dies hätte ein geringeres BIP-Wachstum (plus 2,2 Prozent) und einen Preisanstieg um 6,1 Prozent zur Folge. Der Sachverständigenrat hat in seinem Frühjahrsgutachten (SVR 2022) die Prognose für das Wachstum der realen Wirtschaftsleistung in Deutschland dieses Jahr auf 1,8 Prozent heruntergenommen (3,6 Prozent 2023); für den Euroraum sieht der Rat immer noch 2,9 Prozent Wachstum in beiden Jahren vor. Der Rat traut der Weltwirtschaft in diesem Jahr noch ein Wachstum von 3,3 Prozent zu (3,1 Prozent 2023), was mit einer Expansion des Welthandels in Höhe von 1,8 Prozent einherginge (3,1 Prozent 2023). Fahren auf Sicht Es ist noch etwas zu früh, um die Effekte des Krieges verlässlich quantifizieren zu können. Klar ist auf jeden Fall, dass die Schwächung des weltwirtschaftlichen Wachstums und der Erholung im Euroraum bereits unvermeidbar ist. Auch der Außenhandel und die Investitionstätigkeit werden Einbußen erleiden. Ob und in welchem Umfang sich die Unsicherheit auch auf die Kaufentscheidungen der Privaten Haushalte auswirken wird, ist angesichts mangelnder historischer Erfahrungen offen. Zudem ist unklar, in welchem Ausmaß Unternehmen Investitionen aufschieben oder stornieren werden. Auch die Reaktion der Finanzpolitik ist noch in vollem Schwung. Die Koalition hat mit den Entlastungspaketen I und II bereits einen Mix an Maßnahmen beschlossen, der die Belastungen vor allem für Bürger mit niedrigem oder mittlerem Einkommen senken soll. In der Summe sind knapp 30 Milliarden Euro an Mehrausgaben und Entlastungen vorgesehen. Zudem sind erhebliche Mehrausgaben für die Verteidigung geplant; das noch dieses Jahr zu realisierende Volumen ist jedoch offen. Weitere Maßnahmen zur Unterstützung von besonders betroffenen Unternehmen sind bereits angekündigt worden, z.B. ein
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