Steuerpolitik in Krisenzeiten

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Steuerpolitik in Krisenzeiten

November 2022

Die aktuelle Krisenzeit führt zu einer außergewöhnlichen Belastung der deutschen Unternehmen. Daher kommt es jetzt darauf an, die steuerlichen Rahmenbedingungen auf nationaler und europäischer Ebene zu verbessern. Der BDI schlägt fünf Ziele für eine „Steuerpolitik in Krisenzeiten“ vor:

1. Liquidität der Unternehmen stärken

Gerade in der Krise muss die Liquidität der Unternehmen gestärkt werden und hierzu sind kurzfristig weitere Maßnahmen notwendig. So sollte die Verlustverrechnung weiter verbessert und eine steuerfreie Rücklage (z. B. Inflationsrücklage oder Energierücklage) geschaffen werden.

2. Investitionsanreize setzen

Zur Sicherung von Investitionen und Beschäftigung am Standort Deutschland brauchen die Unternehmen zielgenaue Investitionsanreize. Für Investitionen in den Klimaschutz und in die Digitalisierung muss die Investitionsprämie eingeführt, die degressive AfA verlängert und die Forschungszulage nachgebessert werden.

3. Nachhaltiges Steuerrecht schaffen

Gerade in einer Krisenzeit müssen die Unternehmen auch bei der Umsetzung der Klimaziele durch gezielte Maßnahmen für ein nachhaltiges Steuerrecht unterstützt werden. Die Stromsteuer in Deutschland muss an das europäische Mindestniveau angepasst und es müssen Anreize für die Nutzung klimafreundlicher Mobilität und die energetische Gebäudesanierungen gesetzt werden.

4. Unternehmensteuern modernisieren und vereinfachen

Für einen zukunftsfähigen Wirtschaftsstandort ist eine Modernisierung und Vereinfachung der Unternehmensteuern unverzichtbar. Dies gilt besonders für die bevorstehende globale Mindeststeuer für Unternehmensgewinne, aber auch für die Besteuerung von Personenunternehmen

5. Compliance Pflichten reduzieren und Steuerverfahren digitalisieren

Der steuerliche Compliance Aufwand der Unternehmen muss reduziert werden, damit dieser in Zeiten knapper Ressourcen noch bewältigt werden kann. Dazumuss die Betriebsprüfungweiter beschleunigt und insbesondere eine stärkere Digitalisierung des Steuerverfahrens vorangetrieben werden.

POSITION | STEUERPOLITIK |
KRISENBEWÄLTIGUNG
BDI Vorschläge zur Resilienz des Industriestandortes Deutschland

Inhaltsverzeichnis

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1. Liquidität der Unternehmen stärken......................................................................................3 2. Investitionsanreize setzen 3 3. Nachhaltiges Steuerrecht schaffen .......................................................................................5 4. Unternehmensteuern modernisieren und vereinfachen 6 5. Compliance Pflichten reduzieren und Steuerverfahren digitalisieren 8 Impressum....................................................................................................................................12

1. Liquidität der Unternehmen stärken

Gerade in der Krise muss die Liquidität der Unternehmen gestärkt werden und hierzu sind kurzfristig weitere Maßnahmen notwendig. Seit der Corona Pandemie verzeichnen viele Unternehmen Verluste und befinden sich angesichts der Folgen des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine sowie der hohen Inflation auch weiterhin in einer Krisensituation.

Verlustverrechnung verbessern

Unternehmen, die seit dem Beginn der Corona Pandemie Verluste verzeichnen, müssen durch eine weitere Verbesserung der Verlustverrechnung unterstützt werden. Hierfür muss der Gesetzgeber den Verlustrücktrag verbessern, indem er den rücktragsfähigen Zeitraum auf mindestens fünf Jahre ausweitet und das Verlustrücktragsvolumen auf mehr als zehn Millionen Euro erhöht.

Zudem sollte der Gesetzgeber den Verlustvortrag ausweiten, indem er die sog. Mindestbesteuerung bei den Verlustvorträgen zumindest temporär aussetzt und schrittweise abbaut.

Inflations- oder Energierücklage einführen

Eine Möglichkeit, die Liquidität der Unternehmen zu erhöhen und damit ein Polster für die kommenden Herausforderungen zu verschaffen, ist die Schaffung einer steuerfreien Rücklage (z. B. Inflationsrücklage oder Energierücklage). Damit könnten die Unternehmen einen Teil ihrer Gewinne in diese Rücklage einstellen (thesaurieren), somit die Steuerlast in diesem Jahr senken und mehr liquide Mittel zur Verfügung haben. Die Rücklage wäre in den kommenden Jahren erfolgswirksam aufzulösen.

Rohstoffintensive Unternehmen sollten bei der Lagerhaltung von kritischen Rohstoffendurch eineRohstoffbevorratungsrücklage unterstützt werden. Die Lagerhaltung ist aufgrund stockender oder gerissener Lieferkettennotwendiger denn je,bindetjedoch sehr viele liquide Mittel. Eine entsprechende Rücklage, die ein Unternehmen ratierlich mit dem Verbrauch der gelagerten Rohstoffe auflöst, würde dieser Liquiditätslücke entgegenwirken.

2. Investitionsanreize setzen

Zur Sicherung von Investitionen und Beschäftigung am Standort Deutschland sind jetzt zielgenaue Investitionsanreize notwendig. Dies gilt insbesondere für anstehende Investitionen in den Klimaschutz und in die Digitalisierung, aber auch für FuE Aktivitäten, die für eine innovative Wirtschaft unverzichtbar sind.

Innovationsprämie einführen

Fast ein Jahr nach dem Beginn der neuen Legislaturperiode ist es überfällig, die im Koalitionsvertrag enthaltene Superabschreibung/Investitionsprämie für Klimaschutz und Digitalisierung einzuführen. Hierzu sollten die Unternehmen über ein einstufiges Prämienverfahren unbürokratisch eine Zulage beantragen können. Der Gesetzgeber muss die förderungsfähigen Wirtschaftsgüter nun klar definieren und abgrenzen und dabei ein möglichst unbürokratisches Verfahren aufsetzen

Eine Investitionsprämie stärkt notwendige Investitionen in den Klimaschutz und die Digitalisierung und die Resilienz der Unternehmen. Im Wege des einstufigen Verfahrens kann die Investitionsprämie direkt an die Unternehmen ausgezahlt werden und die Anschaffungskosten der förderungsfähigen Wirtschaftsgüter unmittelbar mindern. Damit der erwünschte Förderzweck in den

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kapitalintensiven Feldern Klimaschutz und Digitalisierung auch tatsächlich mit der entsprechenden Breitenwirkung erzielt werden kann, ist sicherzustellen, dass ausreichend Mittel zur Verfügung gestellt werden und die Zulage wie bei der Forschungszulage nicht auf einem zu niedrigen Niveau bleibt

Forschungszulage nachbessern und ausweiten

Zu einer effizienten steuerlichen Förderung von FuE Aktivitäten sollte der Fiskus die im Jahr 2020 eingeführte Forschungszulage nachbessern und ausweiten. Im internationalen Vergleich, insbesondere mit unseren Nachbarländern, ist Deutschland mit der derzeitigen Forschungszulage mit Blick auf die FuE Förderung nicht wettbewerbsfähig. Zudem ist das Antragsverfahren deutlich zu komplex und muss dringend vereinfacht werden.

Insgesamt sollte der Gesetzgeber den Fördersatz von gegenwärtig lediglich 25 Prozent auf ein international übliches Niveau von mindestens 30 Prozent erhöhen und die Bemessungsgrundlage mindestens verdoppeln (von 4 Mio. Euro auf 8 Mio. Euro). Zudem sollte der Gesetzgeber Personalund Sachkosten einbeziehen. Damit kann im Ergebnis der Forschungsaufwand eines Unternehmens insbesondere auch des Mittelstands statt bisher mit 1 Mio Euro effektiv mit mindestens 2 Mio. Euro unterstützt werden

Degressive AfA verlängern

Abschreibungsbetrag

25.000

20.000

15.000

Neben einer neuen Investitionsprämie sollte der Staat das etablierte Instrument der degressiven Abschreibung (AfA) über das Jahr 2022 hinaus verlängern. Dies ermöglicht eine unbürokratische Unterstützung der Wirtschaft in ihrem digitalen und ökologischen Transformationsprozess für langjährige, notwendige Investitionen. Für den Fiskus entstehen keine Steuerausfälle und kein zusätzlicher Finanzierungsbedarf, sondern nur ein Steuerstundungseffekt, der sich über den Zeitverlauf umkehrt. 0

Vergleich von linearer und degressiver Abschreibung in Euro, Annahme: Anschaffungkosten100.000 Euro, Nutzungsdauer 7 Jahre lieare Abschreibung degressive Afa Quelle: BDI/eigene Darstellung

10.000

5.000

30.000 1 2 3 4 5 6 7

Jahr der Nutzung

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3. Nachhaltiges Steuerrecht schaffen

Gerade in Krisenzeiten dürfen Aspekte der Nachhaltigkeit nicht ins Hintertreffen geraten. Nachhaltigkeitskriterien erlangen auch im Bereich des Steuerrechts eine zunehmende Bedeutung und sollten hierbei stärker berücksichtigt werden. Damit können übergeordnete Ziele wie „Environmental Social Governance (ESG)“ Kriterien im Wege der Steuerpolitik sinnvoll flankiert und unterstützt werden.

Stromsteuer an das europäische Mindestniveau anpassen Deutschland hat im europäischen Vergleich mit einer Stromsteuer von 15,37 Euro pro MWh für die gewerbliche Verwendung anstelle des europäischen Mindeststeuersatzes von 0,50 Euro pro MWh neben Frankreich den höchsten Steuertarif. Im übrigen Europa wurden die Stromsteuertarife für die Wirtschaft zur Förderung der CO2 neutralen strombasierten Transformation der Wirtschaft stark verringert. Eine Absenkung der Stromsteuer auf das europäische Mindestniveau ist daher dringend notwendig, um die Elektrifizierung der deutschen Wirtschaft zu beschleunigen

Industriestromvergleich (Stromsteuertarife für die betriebliche Verwendung) in Euro pro MWh

25,00

20,00

15,00

10,00

5,00

0,00

Frankreich Deutschland Zypern Griechenland Italien Euroraum Spanien Slowenien Malta Slowakei Tschechien Niederlande Bulgarien Lettland Polen Österreich Portugal Estland Irland Ungarn Finnland Schweden Rumänien Dänemark Litauen Kroatien Belgien Luxemburg

Quelle: TEDB Datenbank "Steuern in Europa"

Energieintensive Unternehmen langfristig durch den Spitzenausgleich entlasten

Ohne eine grundsätzliche Senkung der Stromsteuer ist die Fortführung der Ende 2020 ausgelaufenen Vereinbarung zur Energie und Stromsteuerentlastung des produzierenden Gewerbes (sog. Energiesteuer Spitzenausgleich) unverzichtbar, um eine Entlastung ab 2023 sicherzustellen. Der BDI fordert nicht nur eine einjährige, sondern eine zweijährige Verlängerung der bisherigen Vereinbarung zum Spitzenausgleich. Eine zweijährige Verlängerung ist notwendig, um fristgerecht eine langfristige

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Anschlussregelung zu erarbeiten. Nur so kann in Abstimmung mit der neuen europäischen Energiesteuerrichtlinie (ETD) eine rechtsichere Folgeregelung zur Sicherstellung wettbewerbsfähiger Energiesteuern für das produzierende Gewerbe erreicht werden.

Anreize für die Nutzung klimafreundlicher Mobilität setzen

Die steuerlichen Rahmenbedingungen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen verbessert werden, um die Nutzung von emissionsarmen Verkehrsmitteln und Sharing Angeboten (Kombination aus öffentlichem Nah und Fernverkehr, Bikesharing, Carsharing etc.) zu unterstützen. Hierzu sollten steuerliche Erleichterungen für Mobilitätsbudgets für Beschäftigte in Form von praxisgerechten Lohnsteuer Pauschalierungen eingeführt werden. Bisher entstehthoher bürokratischer Aufwandder Arbeitgeber, da diese bei der Lohnabrechnung unterschiedliche private Nutzungsanteile berücksichtigen müssen.

Förderung von energetischen Sanierungen verstärken

Bislang werden energetische Gebäudesanierungen nur bei privat genutztem Wohnraum steuerlich unterstützt. Inder aktuellen Energiekrise bestehtjedoch auch im gewerblichenBereichdringenderBedarf für weitere steuerliche Anreize für die energetische Gebäudesanierung und den Neubau.

Hierzu sollte die lineare Abschreibung auch bei gewerblichen Gebäuden von 2 auf 3 Prozent angehoben werden, Sonderabschreibungen für den Neubau energieeffizienter Gebäude geschaffen und ein Sofortabzug für Aufwendungen für energetische Modernisierungsmaßnahmen ermöglicht werden. Zusätzlich sollten bei der Grundsteuer und der Grunderwerbsteuer Green Discounts für die energetische Gebäudesanierung eingeführt werden.

Steuerfragen zukünftiger Energieträger zeitnah klären

Zu den zukünftigen Energieträgern LNG, Ammoniak und Wasserstoff bestehen offene Fragestellungen, die für die Praxis geklärt werden müssen, um notwendige Entwicklungen zum Import und zu innergemeinschaftlichenLieferungen von LNG und Ammoniak und die Produktion wie den Einsatz von Wasserstoff zu unterstützen. Richtige energiesteuerliche Weichenstellungen sind zur notwendigen Ausweitung der Wasserstoffproduktion als alternativer Heiz- und Kraftstoff zum Gas erforderlich. Gleiches gilt für die Weiterentwicklung der E Mobilität.

4. Unternehmensteuern modernisieren und vereinfachen

Angesichts der krisenbedingten Herausforderungen, der notwendigen Transformation der Wirtschaft und der instabilen internationalen Rahmenbedingungen ist eine Modernisierung der Unternehmensteuern notwendig, insbesondere eine Vereinfachung der bevorstehenden Mindeststeuer für Unternehmensgewinne. Zudem sind wesentliche Nachbesserungen bei der Besteuerung von Personenunternehmen und bei der Grunderwerbsteuer geboten. Seit langem überfällig ist im Übrigen eine Modernisierung der Gewerbesteuer sowie Anpassungen des Unternehmensteuerrechts, um wirtschaftlich notwendige Umstrukturierungsmaßnahmen zu unterstützen.

Mindeststeuer für Unternehmensgewinne vereinfachen

Durch die Einführung der globalen Mindeststeuer entsteht den betroffenen deutschen Unternehmen ein zusätzlicher Bürokratieaufwand von insgesamt rund 100 Mio. Euro jährlich Außerdem belaufen

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sich die Einmalkosten für die Erstanwendung auf rund 320 Mio. Euro 1 Daher muss bei einer Umsetzung der globalen Mindeststeuer in Deutschland der enorme Zusatzaufwand für die deutschen Unternehmen so weit wie möglich begrenzt werden. So sollten nur Fälle von echter Relevanz erfasst werden. Technische Mängel müssen beseitigt und eine praxistaugliche, nationale Umsetzung in Deutschland sichergestellt werden. Hierzu zählen insbesondere wirksame Safe Harbour Vorschriften zur Reduzierung des Anwendungsbereichs und des Bürokratieaufwands sowie Übergangsregelungen, die eine Vereinfachung der komplexen Neuregelungen ermöglichen. Ebenso ist mitder Einführung der global vereinbarten Mindeststeuer eine gleichzeitige Absenkung der Niedrigsteuergrenze bei der Hinzurechnungsbesteuerung auf 15 Prozent, die politisch bereits mit dem ATAD Umsetzungsgesetz angekündigt wurde, folgerichtig und überfällig.

35

30

25

20

15

10

5

Mehrheit der Industriestaaten liegt über der Mindeststeuergrenze von 15 % (Effektive durchschnittliche Unternehmensteuerbelastung in %) 0

Frankreich Japan Malta Australien Deutschland Brasilien Korea Südafrika Portugal Indien Kanada Niederlande Spanien VR China USA Israel Italien Schweden Belgien Schweiz Slowakei Island Tschechien Türkei Vereinigtes Königreich Singapur Polen Rumänien Litauen Irland Zypern Ungarn Andorra Bulgarien

Quelle: Eigene Darstellung, Datenbasis: OECD, Corporate Effective Tax Rates, 2021.

Optionsmodell und Thesaurierungsbegünstigung (§ 34a EStG) nachbessern

Mit der Einführung des sog. Optionsmodells im Jahr 2021 erfolgte der Einstieg in eine rechtsformneutrale Besteuerung von Unternehmen, indem Personengesellschaften sich nun grundsätzlich auf Antrag wie Kapitalgesellschaften besteuern lassen können. Allerdings ist das Optionsmodell unzureichend ausgestaltet und bedarf wesentlicher Nachbesserungen. Hierbei muss insbesondere die Behandlung des Sondervermögens vereinfacht werden, der komplette Wegfall der Ergänzungsbilanzen vermieden, auf den Untergang von Verlustvorträgen verzichtet und die Organgesellschaftsfähigkeit einer optierenden Gesellschaft ermöglicht werden.

1 Vgl. ZEW, Die Kosten der globalen Mindeststeuer in Deutschland, ZEW policy brief Nr. 7, November 2022.

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Zur StärkungderEigenkapitalausstattungderPersonenunternehmen sollte auch die Thesaurierungsbegünstigung (§ 34a EStG) nachgebessert werden und deren Zusammenspiel mit dem Optionsmodell erleichtert werden. Damit können Gewinne, die in das Unternehmen reinvestiert werden, begünstigt besteuert werden. Eine praxistaugliche Ausgestaltung der Thesaurierungsbegünstigung ist überfällig und es muss eine gesetzliche Nachbesserung dieser Vorschrift erfolgen.

Dies gilt vor allem für die Absenkung der Thesaurierungsbelastung, um die Investitionen in das Unternehmen durch einbehaltene Gewinne effizient anzureizen und auch mittelständische Unternehmen von der Thesaurierungsbegünstigung profitieren zu lassen. Darüber hinaus müssen eine Anpassung der gesetzlich bedingten Verwendungsreihenfolge, eine Beseitigung von Umstrukturierungshemmnissen und verfahrensrechtliche Erleichterung erfolgen, um diese Möglichkeit auch für KMU attraktiv auszugestalten.

Grunderwerbsteuer reformieren und Hürden für Umstrukturierungen beseitigen

Die Grunderwerbsteuer ist eine der größten Hürden für Umstrukturierungen und konzerninterne Umstrukturierungen sollten vollständig von der Konzernklausel (§ 6a GrEStG) umfasst werden. Insbesondere Anteilsverkäufe, Formwechsel und Verkäufe von Grundstücken zwischen Tochtergesellschaften sind nicht begünstigt und damit sind wirtschaftlich notwendige Umstrukturierungsmaßnahmen grunderwerbsteuerpflichtig. Eine Nachbesserung der Konzernklausel ist dringend geboten.

Darüber hinaus ist die bestehende Börsenklausel (§ 1 Abs. 2c GrEStG) nicht ausreichend, die im Zuge der Share Deals Reform eingeführt wurde, um den Aktienhandel von an der Börse gehandelte Unternehmen von der Grunderwerbsteuerpflicht auszunehmen. Daher muss auch die Börsenklausel nachgebessert werden, um mittelständische Unternehmen sowie weitere übliche Wertpapiertransaktionen ebenfalls von der Grunderwerbsteuerpflicht bei Aktienübertragungen auszunehmen.

Gewerbesteuer modernisieren

Die Gewerbesteuer dient den Gemeinden als wichtige Einnahmequelle und kann dank der Hebesatzbefugnis von diesen auch zur Standortpolitik genutzt werden. Sie ist jedoch nicht krisenfest, wie sich in der Finanz und Corona Krise durch einbrechende Gewerbesteuereinnahmen gezeigt hatte. Ein Ersatz der Gewerbesteuer und der gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen und Kürzungen muss als langfristiges Ziel auf der Tagesordnung bleiben.

Kurzfristig muss zumindest die Digitalisierung von Gewerbesteuerbescheiden sowie die Entbürokratisierung des Erhebungs und Zerlegungsprozesses vorangetrieben werden. Dazu sollte eine Gewerbesteuer-Clearingstelle geschaffen werden, die die Festsetzung und Zahlungsabwicklung der Gewerbesteuer übernimmt und anschließend die entsprechenden Zerlegungsanteile an die Gemeinden weiterleitet.

5. Compliance-Pflichten reduzieren und Steuerverfahren digitalisieren

In den letzten zehn Jahren wurden zahlreiche neue Compliance Pflichten für die Unternehmen geschaffen, die u. a. auch aus internationalen oder europäischen Vorgaben resultieren, wie zum Beispiel das CbC Reporting oder die Mitteilungspflicht von grenzüberschreitenden Steuergestaltungen. Dies sichert eine hohe Transparenz der Unternehmen, führt aber auch gerade angesichts anderer umfangreicher krisenbedingter Herausforderungen zu einer enormen administrativen Belastungder Unternehmen und der Finanzverwaltung.

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Compliance-Pflichten evaluieren und abbauen

Bestehende steuerliche Compliance Pflichten sollten daher evaluiert und mit dem Ziel eines Bürokratieabbaus vereinheitlicht und abgebaut werden. So sollten z. B. die Kennzeichen der Mitteilungspflicht von grenzüberschreitenden Steuergestaltungen auf europäischer Ebene auf ihre Sinnhaftigkeit überprüft werden, insbesondere um die Mitteilung von nicht missbräuchlichen Sachverhalten zu vermeiden.

Zudem sollten in der aktuellen Krisenzeit keine neuen Verpflichtungen, wie eine Mitteilungspflicht von nationalen Steuergestaltungen, eingeführt werden. Die Finanzverwaltung hat bereits einen umfassenden Einblick in die deutschen Unternehmen, so dass eine weitere nationale Mitteilungspflicht nicht erforderlich ist: u. a. elektronische Steuererklärung, E Bilanz, Mitwirkungspflichten im Rahmen von Betriebsprüfungen, weitreichende Datenzugriffsbefugnisse bei der Betriebsprüfung und Verrechnungspreisdokumentationen.

Übersicht zu steuerlichen Compliance Pflichten der Unternehmen aus EU Vorgaben

Seit 2011: Hohe Anzahl neuer bürokratischer Hürden im Steuerrecht 2011 Elektronische Übermittlung der Unternehmensbilanz 2014 Austausch von Finanzkonteninformationen in Steuersachen 2015/16 Bericht über länderbezogene Ertragsteuern (CbCR) 2016 Maßnahmen zur Bekämpfung von Steuervermeidung (ATAD I) 2016 Maßnahmen gegen Gewinnkürzung und verlagerung (MLI) 2017 Hybride Gestaltungen mit Drittländern (ATAD II) 2018 Anzeigepflicht von grenzüberschreitenden Steuergestaltungen (DAC 6) 2021 Offenlegung von Ertragsteuerinformationen (pCbCR) geplant Identifikation von Briefkastenfirmen (ATAD III) geplant Mindeststeuer für Unternehmensgewinne geplant Anzeigepflicht von nationalen Steuergestaltungen

Quelle: BDI/eigene Darstellung

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Steuerliche Betriebsprüfung weiter beschleunigen

SteuerlicheBetriebsprüfungendauern in Deutschland immer noch zu lange und eine Beschleunigung der Betriebsprüfung mit dem Ziel eines Bürokratieabbaus ist ein wichtiger Standortfaktor für die Unternehmen in Deutschland. Mit den gesetzlichen Neuregelungen des „DAC7 Umsetzungsgesetzes“ werden erste wichtige Schritte zur Beschleunigung und Digitalisierung der steuerlichen Betriebsprüfung unternommen (z. B. Teilabschlussbescheid, digitale Kommunikation, Beschleunigung durch Begrenzung der Ablaufhemmung).

Weitere große Schritte zur Beschleunigung von Betriebsprüfungen sind notwendig, zum Beispiel: Antragsrecht für zeitnahe BP in § 4a BpO einführen, Festsetzungsfrist verkürzen, Ablaufhemmung weiter begrenzen, Kooperation verstärken, Digitalisierung vorantreiben, innerbetriebliche Kontrollsysteme dauerhaft und rechtssicher in die Prüfungen einbeziehen. Andere Länder in Europa zeigen, dass eine kooperative und zeitnahe Betriebsprüfung durch effiziente Verfahren wie eine „Begleitende Kontrolle“ in Österreich oder ein „Horizontal monitoring“ in den Niederlanden möglich ist.

Dauer der steuerlichen Betriebsprüfung Anteil in %

mehr als 10 Jahre

zwischen 5 und 10 Jahren

zwischen 3 und 5 Jahren

Diagrammtitel

zwischen 1 und 3 Jahren

bis zu einem Jahr

3 % 13 % 40 % 37 % 7 %

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45

Quelle: BDI Unternehmensumfrage, Juni 2019

Besteuerungsverfahren vollständig digitalisieren

Die Digitalisierung des Besteuerungsverfahrens muss weiter vorangetrieben werden. Für alle Steuerarten muss ein rein digitales, maschinenlesbares Verfahren geschaffen werden, so dass auf Papierbelege und bescheide verzichtet werden kann.

Digitale Einbahnstraßen müssen beseitigt werden. Dazu gehören der maschinenlesbare, digitale Steuerbescheid und die elektronische Rückübermittlung von E-Bilanz-Datensätzen von der Finanzverwaltung an die Steuerpflichtigen (z. B. nach einer Betriebsprüfung). Der digitale

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Datenaustausch zwischen Steuerpflichtigen und Finanzverwaltung muss weiter ausgebaut und standardisiert werden (z. B.mittels einheitlicher Schnittstellenund cloudbasierter Datenaustauschräumen).

Auch das Quellensteuerverfahren muss umfassend digitalisiert werden und unter stärkerer Mitwirkung der inländischen Unternehmen erfolgen. Nachweispflichten müssen reduziert werden und doppelte Antragsprozesse bei gleichen Vertragspartnern durch smarte digitale Schnittstellen und dem Datenaustausch auch innerhalb des Bundeszentralamts für Steuern vermieden werden.

Elektronisches Meldesystem für Rechnungen nach EU-Standard einführen

Zur Missbrauchsbekämpfung bei der Umsatzsteuer plant die Politik die Einführung eines elektronischen Meldesystems für Rechnungen. Die Einführung eines elektronischen Meldesystems darf nur in engerAbstimmungmiteinereuropäischen Lösung kommen, um doppelte Meldesystemeund pflichten zu vermeiden. Das Meldesystem sollte auf einem europäischen Rechnungsstandard aufbauen. Die Meldepflichten sollten sich auf mehrwertsteuerliche Pflichtbestandteile beschränken, um den Schutz sensibler Daten zu gewährleisten. Neben der Missbrauchsbekämpfung müssen Rechtsicherheit und Effizienzgewinne für die Unternehmen mit einem Meldesystems erreicht werden. Die Beibehaltung bestehender Rechnungssysteme und standards wie auch die besondere Unterstützung für kleine und mittlere Unternehmen sind hierfür notwendig.

Mobiles Arbeiten im Ausland erleichtern

Die moderne Arbeitswelt erfordert neue steuerliche Rahmenbedingungen: Unternehmen und Beschäftigte benötigen Rechtssicherheit und unbürokratische Lösungen für grenzüberschreitendes mobiles Arbeiten. Von zentraler Bedeutung ist die Festlegung nachvollziehbarer Kriterien für die Frage, ob durch grenzüberschreitendes mobiles Arbeiten Betriebsstätten begründet werden. Deutsche Regelungen sind dazu allein nicht ausreichend, stattdessen ist ein international abgestimmtes Vorgehen innerhalb der Europäischen Union, idealerweise zwischen den OECD Mitgliedstaaten erforderlich.

Um die Flexibilität der Unternehmen zu erhalten und den Bürokratieaufwand zu begrenzen, sollten im Ergebnis keine ungewollten Betriebsstätten oder Lohnsteuerverpflichtungen des Arbeitgebers in anderen Staaten entstehen, solange eine bestimmte Anzahl an mobilen Arbeitstagen im Ausland nicht überschritten wird.

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Ausblick: Langfristige Perspektive in der Steuerpolitik

Mit Blick auf die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft muss perspektivisch die Senkung der Steuerbelastung der Unternehmen auf ein international übliches Niveau im Blickfeld bleiben. Die letzte Reform der Unternehmensteuern liegt rund 15 Jahre zurück und inzwischen liegt Deutschland im internationalen Vergleich bei der Höhe der Unternehmensteuern im Spitzenfeld.

Zur regelmäßigen Entlastung der einkommensteuerpflichtigen Bürgerinnen und Bürger sowie der Mitunternehmer von Personenunternehmen sollte der Einkommensteuertarif automatisch an die Inflation angepasst werden („Tarif auf Rädern“), um Beschäftigte und Personengesellschaften vor Steuererhöhungen durch die kalte Progression zu schützen. Davon profitieren insbesondere der Mittelstand und die Breite der gesamten Wirtschaft.

Steuererhöhungen oder neue Belastungen wie zum Beispiel ein Energie Soli sind in Krisenzeiten und angesichts nach wie vor steigender Steuereinnahmen kontraproduktiv und gefährden die notwendige Stärkung und Erholung der Wirtschaft. Sie würden nicht nur Gutverdienende belasten, sondern auch die Personengesellschaften gerade im Mittelstand.

Impressum

Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI) Breite Straße 29, 10178 Berlin www.bdi.eu T: +49 30 2028 0

Lobbyregisternummer: R000534 Redaktion

Dr. Monika Wünnemann Benjamin Koller Abteilungsleiterin Steuern und Finanzpolitik Stellv. Abteilungsleiter Steuern und Finanzpolitik T: +49 30 2028 1507 T: +49 30 2028 1584 m.wuennemann@bdi.eu b.koller@bdi.eu

Dr. Nadja Fochmann

David Gajda

Referent Steuern und Finanzpolitik T: +49 30 2028 1458 T: +49 30 2028 1413 n.fochmann@bdi.eu d.gajda@bdi.eu

Referentin Steuern und Finanzpolitik

Philipp Gmoser

Referent Steuern und Finanzpolitik

Annette Selter

Referentin Steuern und Finanzpolitik

T: +32 2 792 1012 +49 30 2028 1430 p.gmoser@bdi.eu a.selter@bdi.eu

BDI Dokumentennummer: D 1688

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