Finalisierung von Basel 3

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POSITION | FINANZPOLITIK | BANKENREGULIERUNG

Finalisierung von Basel 3 Einige Anpassungen am Vorschlag noch notwendig

18. Mai 2022

Die letzten Züge der regulatorischen Antwort auf die Finanzmarktkrise Am 27. Oktober 2021 verabschiedete die Europäische Kommission ihren Vorschlag für ein weiteres Bankenpaket, dass die Anpassung verschiedener bankregulatorischer Dossiers nach sich zieht. Der Umsetzungsvorschlag wagt den Spagat aus regelkonformer Implementierung der noch ausstehenden Teile des Baseler Rahmenwerks (Finalisierung Basel 3) und der Stärkung des Finanzsystems bei gleichzeitiger Berücksichtigung europäischer Besonderheiten. Maßnahmen, die eine verstärkte Finanzstabilität zum Ziel haben, sind sicherlich positiv. Der Kommissionsvorschlag stellt insofern eine Verbesserung zum vorherigen Entwurf dar. Gleichzeitig halten wir Anpassungen an dem Paket für notwendig, um negative Finanzierungsauswirkungen besonders auf deutsche Industrieunternehmen zu vermeiden. Vorschlag mit vielen Unklarheiten und einigen Gefahren für die Unternehmensfinanzierung Unser Hauptkritikpunkt gilt der Umsetzung des sogenannten Output-Floors, der besonders auf risikoarme Geschäfte eine limitierende Wirkung mit negativen Begleiterscheinungen hat. Besonders betroffen sind hierbei Unternehmen des klassisch deutschen Mittelstands, die über die übliche KMU-Definition der EU hinausgehen und kein externes Rating vorweisen können. Ebenso betroffen sind Immobilienfinanzierungen mit geringem Risiko. Die von der Kommission vorgeschlagenen Übergangsvorschriften sind richtig, müssen jedoch einen dauerhaften Status erhalten. Die langen Übergangsfristen sind zwar politisch gut gemeint, in der Praxis jedoch nur halb so effektiv. Darüber hinaus sollten die für im In- und Ausland befindlichen Projekte wichtigen Erfüllungsgarantien keinem signifikanten Anstieg der Kreditkonversionsfaktoren ausgesetzt werden. Dies kann zu erheblichen Projektkostenanstiegen bspw. im Anlagenbau, in der Verkehrsinfrastruktur, im Marineschiffsbau und in der Bau- und Energiewirtschaft führen. Ebenso im Auge behalten werden sollten regulatorische Anforderungen an derivative Finanzinstrumente, die Industrieunternehmen für die Absicherung verschiedener Risiken nutzen. Gleiches gilt für die Finanzierung der Grunderwerbs-, Erschließungs- und Bauphase von Immobilien, die noch immer mit zu hohen Risikogewichten zu kämpfen hat. Der BDI begrüßt ausdrücklich die Beibehaltung der Unterstützungsfaktoren für KMUs und für gewisse Infrastrukturprojekte.


Finalisierung von Basel 3 | Einige Anpassungen am Vorschlag noch notwendig

Inhaltsverzeichnis Die letzten Züge der regulatorischen Antwort auf die Finanzmarktkrise ...................................... 1 Vorschlag mit vielen Unklarheiten und einigen Gefahren für die Unternehmensfinanzierung ............. 1 Allgemeine Einordnung ...................................................................................................................... 3 Gutgemeinte lange Übergangsfristen und deren Marktrealität und -verunsicherung ........................... 3 Auswirkungsstudien mit begrenzter Aussagekraft ................................................................................ 4 Implementierung mit noch mehr Berücksichtigung europäischer Besonderheiten ............................... 5 Output-Floor......................................................................................................................................... 5 Unternehmenskredite an Unternehmen ohne externes Rating ............................................................. 6 Immobilienfinanzierung mit geringem Risiko ......................................................................................... 7 Garantien und Bürgschaften .............................................................................................................. 7 Absicherungsgeschäfte ...................................................................................................................... 8 Immobilienfinanzierung ...................................................................................................................... 8 Impressum ......................................................................................................................................... 10

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Allgemeine Einordnung Der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht finalisierte im Dezember 2017 die letzten Arbeiten seiner bereits nach der Finanzkrise im Jahr 2008 begonnenen Basel 3-Reform. Zur Erlangung eines rechtlich verbindlichen Charakters sind die auf internationaler Ebene vereinbarten neuen Regelungen (Finalisierung Basel 3) durch die entsprechenden Jurisdiktionen in geltendes Recht umzuwandeln. Nach mehreren Verschiebungen veröffentlichte die Europäische Kommission am 27. Oktober 2021 für die Umwandlung der Anforderungen in europäisches Recht ihren Vorschlag in Form eines Bankenpakets. Jenes Paket beinhaltet neben Anforderungen an das Risikomanagement von Banken bzgl. der verstärkten Integration von Nachhaltigkeitsaspekten auch stärkere Durchsetzungsinstrumente für die Bankaufsichtsbehörden für eine effektivere Wahrnehmung ihrer Aufgaben. Hauptaugenmerk liegt jedoch auf der Finalisierung der Basel 3-Reform, die sich neben der Anpassung der Risikostandardansätze besonders mit der Berechnung der Risikopositionen mittels interner Modelle beschäftigt. Hauptziel ist, dass die Standardansätze mehr Risikosensitivität erhalten und mit Modellen berechneten Werte vergleichbarer werden. Um Modellergebnisse vergleichbarer zu machen, wird eine Obergrenze für die Nutzung interner Modelle eingeführt, der sogenannte Output-Floor. Gutgemeinte lange Übergangsfristen und deren Marktrealität und -verunsicherung In betreffendem Vorschlag hat die Kommission entschieden, bestimmte Bereiche mit einer besonders langen Übergangsfrist zu belegen. Diese Übergangsfristen erstrecken sich über den Zeitraum Anfang 2025 bis Ende 2032 und haben den Zweck, betroffenen Banken und, für den Fall von Unternehmen ohne externes Rating, Marktteilnehmern bzw. Behörden ausreichend Zeit für benötige Anpassungsschritte (Bilanzstrukturanpassungen, Aufnahme von zusätzlichem Kapital) und die Erarbeitung von Lösungsansätzen zu ermöglichen. Oft wurden diese Übergangsfristen mit Arbeitsaufträgen für die Europäische Bankaufsichtsbehörde (European Banking Authority, EBA) verknüpft, die sich über mögliche Fehlentwicklungen der Regeländerung im Markt und/oder konzeptionelle Aspekte in Form eines Berichts äußern soll. Die Kommission prüft anschließend, wie mit den von den Übergangsfristen betroffenen Themen zukünftig umzugehen ist. Der politische Wille, eine aufgrund europäischer Besonderheiten zu rechtfertigende Erleichterung bei den Kapitalanforderungen auch im Vorschlag aufzunehmen, ist zu erkennen, die angestrebte Wirkung dürfte jedoch nicht überall voll erreicht werden. Aus der Historie der Kapitaladäquanzrichtlinie wissen wir, dass sich Markterwartungen häufig nicht an Übergangsfristen orientieren, sondern diese antizipieren. Erhoffte Streckungseffekte treten daher nur bedingt ein, insbesondere bei Kreditlinien mit marktüblichen Laufzeiten, die im Umstellungszeitraum fällig werden. Zudem sei erwähnt, dass die Belegung von regulatorisch ungeklärten Sachverhalten, wie die des Umgangs mit Unternehmen ohne externes Rating, mit überdurchschnittlich langen Übergangsfristen zu einer erhöhten Unsicherheit im Markt führen, die sich ungünstig auf die Finanzierung betreffender Unternehmen erweisen kann. Hierbei wäre die zeitnahe Entwicklung von Lösungsansätzen ein von uns bevorzugter Umgang.

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Auswirkungsstudien mit begrenzter Aussagekraft Die EBA1 und private Institute, wie Copenhagen Economics2, hatten in den vergangenen Jahren auf Basis des damaligen Regulierungsvorschlags der Kommission Auswirkungsstudien durchgeführt. Diese gingen noch von zusätzlichen Kapitalbedarfen von circa 33 bis 400 Milliarden Euro aus. Die große Differenz ergab sich unter anderem aus der Frage, inwieweit die von Banken über die harten Anforderungen („hartes Kernkapital“) hinausgehenden gehaltenen Kapitalpuffer berücksichtigt wurden. Um ein vollständiges Bild der möglichen zusätzlichen Kapitalbedarfe zu zeichnen, sind diese unserer Meinung nach zu berücksichtigen, da sie einen ebenso verpflichtenden Charakter besitzen und gleichermaßen mit „hartem Kernkapital“ zu erfüllen sind. Basierend auf ihrem aktuellen Vorschlag schätzt die Kommission den Mindesteigenkapitalbedarf der europäischen Banken nicht mehr so hoch ein. Im EU-weiten Durchschnitt soll sich dieser bis 2030 um 6,4 bis 8,4 Prozent erhöhen. Mittelfristig, also bis zum Jahr 2025, fällt der zusätzliche Kapitalbedarf mit 0,7 bis 2,7 Prozent geringer aus, was vor allem an den bis dahin noch greifenden Übergangsvorschriften liegen dürfte. Es wird geschätzt, dass dieser Anstieg bei circa zehn von insgesamt 99 europäischen Großbanken, die 75 Prozent der Vermögenswerte im EU-Bankenmarkt halten, zu einem zusätzlichen Kapitalbedarf von 27 Milliarden Euro führt. Dies klingt auf den ersten europäischen Blick nicht viel. Da sich die Effekte jedoch unter den Bankmärkten der Mitgliedsländer sehr ungleich verteilen und Deutschland neben skandinavischen Ländern eines der am stärksten betroffenen Länder ist, dürfte ein großer Anteil dieser 27 Milliarden auf große deutsche Bankhäuser entfallen, zusammen mit allen möglichen Effekten auf deren Kunden. Zugleich gilt es zu beachten, dass hierbei weder die von Banken aufgebauten und vom Markt erwarteten zusätzlichen Kapitalpuffer noch die vorgezogenen Markterwartungen enthalten sind. Der eigentliche Betrag dürfte demnach deutlich über 27 Milliarden liegen und die Verteilung der Effekte auf die Jahre sich ebenfalls anders gestalten. Die Deutsche Bundesbank schätzt den Mindestkapitalanforderungsanstieg für den deutschen Bankensektor bis 2032 auf circa zehn Prozent. Würde man sogenannte Ausreißer herausrechnen, wäre dieser sogar nur halb so groß. In absoluten Zahlen rechnet man mit einem zusätzlichen Mindestkapitalbedarf von 20 Milliarden Euro. Von einer Verschlechterung der Unternehmensfinanzierungskonditionen geht man nicht aus, da Banken über 165 Milliarden Euro mehr an Kapital vorhielten als aufsichtsrechtlich vorgeschrieben und die wesentlichen Effekte der Regelanpassungen letztlich nur wenige deutsche Banken beträfen.3 Dieser Einschätzung stehen wir mit größerer Skepsis gegenüber, sind doch, wie oben bereits erwähnt, über die aufsichtsrechtlich verlangten Vorschriften gehaltene Kapitalpuffer ein vom Markt fest eingepreister Bestandteil. Eine Erhöhung der Kapitalanforderungen dürfte demnach auch eine Erhöhung dieser Puffer mit sich bringen; zugleich sollte der 165 Milliarden-Topf an „freien Mitteln“ aufgrund jener Markterwartung in der Realität deutlich geringer ausfallen. Das Argument von nur wenig betroffenen Banken mag in absoluter Betrachtungsweise stimmen. Wirft man jedoch einen Blick auf die Finanzierungsvolumina, besonders im Bereich der Unternehmensfinanzierung, tragen nur wenige große deutsche Banken, die interne Modelle nutzen, einen Löwenanteil. Gemäß den Supervisory Banking Statistics der Europäischen Zentralbank (EZB) entfielen im Bereich der Unternehmensfinanzierung („Exposure to Corporates“) im dritten Quartal 2021 453 Milliarden Euro von insgesamt 582 Milliarden Euro auf mit Modellen errechnete Risikopositionen.4 Hierbei gilt es zu beachten, dass die EZB-Statistik nur die von ihr beaufsichtigten Banken abbildet, die jedoch gemessen am

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European Banking Authority, Basel 3 Reforms: Auswirkungsstudie auf Basis von Bankstatistiken per 31. Dezember 2019 Copenhagen Economics, EU Implementation of the Final Basel 3 Framework, November 2019 3 Prof. Dr. Joachim Wuermeling, „Weckruf für alle Aufseher“, Interview mit der Börsen-Zeitung, 28. Dezember 2021 4 EZB, Supervisory Banking Statistics - Third quarter 2021 (europa.eu), Seite 59 2

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Bilanzvolumen aller deutschen Banken im zweiten Halbjahr 2021 circa 50 Prozent stellten.5 Dies dürfte als grobe Grundlage für die Behauptung ausreichen, dass ein signifikanter Teil der Unternehmensfinanzierung in Deutschland auf große Modellbanken entfällt, oben auch als Ausreißer bezeichnet. Unterstellt man weiterhin, dass vor allem Unternehmen des deutschen Mittelstands, die über die Definition von kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) der EU hinausgehen, bei Modellbanken ihre Finanzierung erhalten, dürften vor allem jene Unternehmen von den Regelanpassungen betroffen sein. Nun wäre aus gesamtwirtschaftlicher Sicht eine Umverteilung der Lasten auf andere deutsche Nicht-Modell-Banken durchaus möglich, dann müssten jedoch durchschnittlich höhere Risikogewichte angewandt werden, die in der Regel auch zu höheren Finanzierungskosten führen. Um dem prognostizierten zusätzlichen Kapitalbedarf Herr zu werden, ergeben sich für Banken grundsätzlich zwei Möglichkeiten: die Aufnahme von frischem Kapital und/oder die Reduzierung von Geschäft. Letzteres ermöglicht Banken, ihre Bilanzen von mit Kapital zu hinterlegenden Produkten zu erleichtern. Aufgrund des derzeitigen und vermutlich auch zukünftig eher herausfordernden Geschäftsumfeldes im Bankenbereich erscheint die Kapitalaufnahme am Markt als alleinige Lösung eher unwahrscheinlich. Zu vermuten und gleichermaßen zu befürchten wäre, dass Banken vor allem das Volumen ihrer Kreditportfolien reduzieren (siehe SAFE-Gutachten6), mit möglichen negativen Auswirkungen auf das Kreditangebot. Die zusätzliche Eindeckung mit verhältnismäßig teurem Eigenkapital erhöht die Kapitalkosten bei Kreditinstituten, mit sehr wahrscheinlichen Effekten auf Bankkunden in Form höherer Zinsen und/oder Gebühren. Wie eben dargestellt, ist die Interpretation der Auswirkungsstudien eine herausfordernde Angelegenheit. Es ist richtig, dass die wesentlichen Effekte auf nur wenige Bankschultern verteilt werden. Diese schultern jedoch einen großen Teil des sich im deutschen Bankenmarkt befindlichen Unternehmensfinanzierungsgeschäfts. Damit dürften die Änderungen indirekt auch einen großen Teil der deutschen Industrie betreffen. Im Vordergrund steht hier vor allem der deutsche Mittelstand, der über die europäische KMU-Definition hinausgeht. Daneben sind aber auch größere Industrieunternehmen betroffen. Implementierung mit noch mehr Berücksichtigung europäischer Besonderheiten Bei der Betrachtung von Maßnahmen zur Stabilisierung von Finanzmärkten sollten europäische Finanzierungseigenschaften und die Finanzierungsbedarfe der doppelten Transformation und der europäischen Souveränitätsbestrebungen im Blick behalten werden. Die EU ist und bleibt vermutlich auch stark bankfinanziert. Zwar stehen Bestrebungen wie eine gestärkte europäische Kapitalmarktunion auf der politischen Agenda, jedoch stellt aktuell die Kapitalmarktfinanzierung besonders im Bereich der deutschen Mittelstandsfinanzierung keine gute Alternative, sondern eher eine ergänze Finanzierungsmöglichkeit dar. Für die deutsche Industrie bleibt das Bankgeschäft daher von hoher Bedeutung. Eine erste gute und positiv hervorzuhebende Maßnahme ist die Beibehaltung der Unterstützungsfaktoren für KMUs und gewisse Infrastrukturprojekte. Deutlichen Anpassungsbedarf sehen wir jedoch in den nachfolgend genannten Themenbereichen.

Output-Floor

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EZB (Banken unter EZB-Aufsicht), Supervisory Banking Statistics - Third quarter 2021 (europa.eu) Seite 18; Bundesbank (deutsches Gesamtvolumen), Bankenstatistiken, Seite 6 6 House of Finance, SAFE, Evaluierung gesamt- und finanzwirtschaftlicher Effekte der Reformen europäischer Finanzmarktregulierung im deutschen Finanzsektor seit der Finanzkrise, März 2019

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Der sogenannte Output-Floor in Höhe von 72,5 Prozent stellt eine regulatorische Limitierungsmaßnahme hinsichtlich der Nutzung von internen Modellen zur Risikoberechnung dar. Banken haben grundsätzlich die Möglichkeit, ihre Risiken mittels Standardansätzen (keine eigene Modellierung möglich) oder Modellen zu berechnen. Im Vergleich zu den Modellrechnungen, die deutlich komplexer sind, aber grundsätzlich das Potenzial aufweisen, genauer und näher am eigentlichen Risikowert zu sein, sind Standardansätze um ein Vielfaches einfacher anzuwenden, mit jedoch weitaus konservativeren Berechnungsvorgaben und demzufolge „teureren“ Ergebnissen (Banken müssen für entsprechende Positionen mehr Eigenkapital vorhalten). Ein Output-Floor von 72,5 Prozent besagt, dass das von Banken errechnete Modellergebnis für ihre Risikopositionen mindestens 72,5 Prozent der gleichen mittels des Standardansatzes errechneten Positionen betragen muss; der Vorteil der Nutzung eines internen Modells wird damit auf maximal 27,5 Prozent begrenzt. Ein wesentlicher Effekt der Limitierung der Modellnutzung ist, dass es besonders bei risikoärmeren Portfolien zu deutlichen Anstiegen in der Eigenkapitalhinterlegung führt, da die Kapitalanforderungen für die gleichen risikoärmeren Positionen im Standardansatz deutlich konservativer geschätzt werden. Dies führt auch zu negativen Auswirkungen auf das Produkt-Pricing, widergespiegelt in höheren Finanzierungskosten. Hierbei aus deutscher Sicht besonders hervorzuheben sind sogenannte „Unrated Corporates“ (unbeurteilte Unternehmen, Unternehmen ohne externes Rating) mit stabilen BusinessModellen und guter Performance und die Immobilienfinanzierung mit geringem Risiko. Unternehmenskredite an Unternehmen ohne externes Rating In der EU (bis zu 80 Prozent) und ebenso in Deutschland befinden sich sehr viele Unternehmen ohne externes Rating. Dies hat die verschiedensten Gründe. Ein wesentlicher dürfte jedoch sein, dass besonders Unternehmen des deutschen Mittelstands (kleine bis mittlere Größe mit mehr als 250 Mitarbeitern) sich zum einen selten adäquat durch die üblichen Ratingagenturen eingeschätzt wiederfinden, zum anderen dem hohen (finanziellen) Aufwand kein ausreichender Nutzen gegenüberstehen sehen. In die Zukunft blickend ist nicht davon auszugehen, dass sich diese Einstellung in den nächsten Jahren signifikant ändern wird. Unternehmen, die kein externes Rating vorweisen können, erhalten im Standardansatz eine Gewichtung von 100 Prozent. Die durchschnittliche Risikogewichtung im Modellansatz lag im dritten Quartal 2021 gemäß Supervisory Banking Statistics der EZB im Bereich der Unternehmensfinanzierung („Exposure to Corporates“) bei 41 Prozent.7 Wendet man nun auf die 100 Prozent den Output-Floor von 72,5 Prozent an, erreicht man noch immer eine signifikante Differenz zum durchschnittlichen Modellrechnungsergebnis. Die Kommission schlägt für den Übergangszeitraum bis 2032 eine Zwischenlösung vor, bei der Unternehmen ohne externes Rating, aber mit einer guten Bonität (Ausfallwahrscheinlichkeit von 0,5 Prozent, entspricht „Investment Grade“) ein Risikogewicht von 65 Prozent erhalten können. Zusammen mit dem angewandten Output-Floor kommt man den Werten der EZB-Statistik erfreulich nah. Diese Zwischenlösung ist zunächst einmal positiv, sie sollte aber keinesfalls zeitlich begrenzt werden. Hierbei kämen verschiedene Ansätze in Frage. Ein vielversprechender wäre ein privatwirtschaftlicher Pooling-Ansatz, bei dem weiterhin die wie bei der Zwischenlösung genutzten von Banken geschätzten Ausfallwahrscheinlichkeiten Anwendung finden könnten. Durch geeignete regulatorische Aufbau- und Ablaufmaßnahmen könnte das nötige Maß an prudentieller Vorsicht bei dieser dauerhaften Lösung

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EZB, Supervisory Banking Statistics - Third quarter 2021 (europa.eu), Seite 59.

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adressiert werden. Darüber hinaus sollte es vermieden werden, Lösungen erst am Ende der Übergangsfrist zu suchen. Unternehmenskredite haben häufig eine Laufzeit von fünf bis sieben Jahren. Darlehen, die eine Laufzeit aufweisen, die über 2032 hinausreichen, werden von unklaren Finanzierungskonditionen geprägt sein. Schlussendlich soll an dieser Stelle nochmals daraufhin gewiesen werden, dass es sich hierbei vor allem um eine deutsche Herausforderung handelt, die hauptsächlich den deutschen Mittelstand im Fokus trägt. Ein entsprechendes Agieren der deutschen Politik ist daher von großer Bedeutung. Immobilienfinanzierung mit geringem Risiko Durch Grundpfandrechte auf Wohnimmobilien besicherte Finanzierungen haben in der EU einen besonderen Stellenwert. Hierbei spielen Banken eine große Finanzierungsrolle. Im Vergleich zu den Vereinigten Staaten von Amerika ist die Rolle der europäischen Banken im Bereich der Wohnimmobilienfinanzierung mit niedrigem Risiko noch deutlich größer; während amerikanische Banken oft nur Wohnimmobilienfinanzierungen in ihren Büchern halten, die von höherem Risiko geprägt sind, werden jene mit niedrigem Risiko häufig an staatlich geförderte Hypothekenunternehmen wie Fannie Mae oder Freddie Mac ausgelagert. Ein weiterer wichtiger Unterschied ist, dass in der EU im Bereich der Immobilienfinanzierung der Kreditnehmer sowohl persönlich als auch mit seiner Immobilie haftet, was zu deutlich geringeren Verlusten der Immobilienfinanzierer führt. In den Vereinigten Staaten sind hingegen eher Non-Recourse Loans üblich, bei denen der Kreditgeber bei finanziellen Schwierigkeiten des Kreditnehmers nur auf die Immobilie abstellen kann. Die Anpassung des Baseler Rahmenwerks im Bereich der Wohnimmobilienfinanzierung ist aus unserer Sicht eher mit den amerikanischen Finanzierungsmarktgepflogenheiten zu rechtfertigen und nicht aus dem Blickwinkel der EU. Dies scheint auch die Kommission erkannt zu haben und hat auf Wohnimmobilien mit geringem Risiko eine geringere als bei Basel vorgesehene Risikogewichtung vorgesehen. Diese ist als Wahlrecht für die Mitgliedstaaten ausgestaltet, gilt nur für Modellbanken und ist zeitlich begrenzt. Diese Übergangsregelung sollte zu einer dauerhaften Regelung werden, um den europäischen Besonderheiten mehr Rechnung zu tragen. Zudem sollte es hierbei im Sinne einer EU-weiten einheitlichen Anwendung keine Wahlrechte geben und es sollte geprüft werden, inwieweit diese Regelung auch für Banken mit dem Standardansatz genutzt werden könnte.

Garantien und Bürgschaften Mit der Finalisierung von Basel 3 sollen sich auch signifikante Änderungen im Bereich der Garantien und Bürgschaften ergeben, zum großen Unverständnis vieler deutscher, aber auch europäischer Unternehmen. Konkret handelt es sich um die Anhebung der Kreditkonversionsfaktoren (Credit Conversion Factor, CCF) von 20 Prozent auf 50 Prozent für Vertragserfüllungsgarantien, Bietungsgarantien, Gewährleistungen, mit bestimmten Transaktionen zusammenhängende Standby-Akkreditive sowie ähnliche transaktionsbezogene Eventualposten. CCFs sind Faktoren, die außerbilanzielle Positionen in bilanzielle Äquivalente umrechnen, da außerbilanzielle Positionen nur unter gewissen Umständen zu einer bilanziellen Verpflichtung werden können. In dem eben genannten Produktfällen handelt es sich um eine CCF-Anhebung von 150 Prozent, was bedeutet, dass Banken für diese Positionen einen 150-prozentig höheren Wert an Eigenkapital zurückhalten müssen. Das es hierbei nicht zu einem Weitereichen der gestiegen Kapitalkosten an die Unternehmenskunden kommt, dürfte aufgrund der signifikanten Steigerung fast auszuschließen sein.

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Hinter den betreffenden Garantiearten bzw. Bürgschaften verbergen sich Instrumente, die regelmäßig und in großen Volumina besonders von Industrieunternehmen genutzt werden. Auftraggeber verlangen diese, oft schon als Zulassungsvoraussetzung für Bieterverfahren („Tender“), als Sicherheit von Auftragnehmern bei Projekten verschiedenster Art für alle Projektphasen. Sie kommen zum Einsatz bei inländischen aber vor allem auch bei ausländischen Geschäftsvorhaben bspw. im Anlagenbau (Wasserstoffanlagen, Chemieanlagen, Zementanlagen, etc.), in der Verkehrsinfrastruktur (z.B. Bahnprojekte), im Marine-Schiffsbau (U-Boote, Fregatten, etc.) und in der Bau- und Energiewirtschaft. Leider ist nicht ersichtlich, worauf der deutliche CCF-Anstieg zurückzuführen ist. In der Regel handelt es sich bei Gewährleistungsgarantien um Bankprodukte mit geringem Risiko. Im ICC Trade Register Report 2021 wurde für diese Instrumentengruppe eine Ausfallquote von 0,24 Prozent festgestellt. Aufgrund der hohen Bedeutung für das Geschäft von deutschen und europäischen Industrieunternehmen, der ebenso hohen hiermit verbunden Beträge und des geringen Risikos sollten die CCFs dieser Sicherheit stellenden Finanzinstrumente auf 20 Prozent belassen werden.

Absicherungsgeschäfte Derivative Finanzinstrumente gehören für viele Unternehmen zum nötigen Tagesgeschäft. Sie werden genutzt für die Absicherung von gewissen Risikoarten, wie dem Währungs-, Zins- oder Rohstoffpreisrisiko. Derartige Absicherungsgeschäfte verfolgen demnach keinen spekulativen Ansatz, sondern erhöhen unter anderem die Planbarkeit. Das sogenannte Credit Valuation Adjustment-Risiko (CVA) adressiert jenes Risiko, das von einer Änderung der Kreditbewertung (nicht des Ausfalls) des Kontrahenten ausgeht. Von der Berechnung der sogenannten CVA-Charge sind Nicht-Finanzunternehmen bislang ausgenommen. Die Ausnahme wurde europäischen Unternehmen gestattet, da sie aufgrund der Dollar-Dominanz in internationalen Märkten in besonderem Maße von Währungsabsicherungsgeschäften betroffen sind. Erfreulich ist, dass die Kommission vorschlägt, an dieser Ausnahme festzuhalten. Dieser Ansatz sollte auch von den Kolegislatoren übernommen werden. Ein weiterer Aspekt, der zu deutlichen Kostensteigerungen und damit einhergehenden Effizienzverlusten führen würde, bezieht sich auf die verpflichtende Messung von Gegenparteiausfallrisiken im Derivategeschäft mittels des Standardansatzes (Standardised Approach Counterparty Credit Risk, SACRR). Die Kommission hat auch diesen Sachverhalt adressiert und von der Anwendung des vielkritisierten, da nicht von der individuellen Kundenbonität abhängigen Alpha-Faktors für vom Output-Floor betroffene Banken abgesehen. Hierbei handelt es sich jedoch nur um eine zeitlich begrenzte Maßnahme. Da es keine überzeugende Argumentation für die Einführung solch eines verteuernden regulatorischen Zuschlags gibt, sollte die Übergangsregelung als permanente Regelung übernommen werden.

Immobilienfinanzierung In Ergänzung zu den bereits genannten Herausforderrungen der Wohnimmobilienfinanzierung mit geringem Risiko in Verbindung mit der Anwendung des Output-Floors sollte auch ein Augenmerk auf die Finanzierung der Grunderwerbs-, Erschließungs- und Bauphase von Wohn- oder Gewerbeimmobilien (Financing land acquisition, development or construction, ADC) geworfen werden. Hier galt bislang ein Risikogewicht von 150 Prozent. Die Kommission schlägt nun vor, für Wohnimmobilienprojekte die Gewichtung unter bestimmten Bedingungen auf 100 Prozent zu reduzieren (nationales Wahlrecht).

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Dies ist positiv. Jedoch stellen aus unserer Sicht die 100 Prozent einen immer noch zu hohen Prozentsatz dar, der bei Modellbanken zu einem immer noch zu hohen Kapitalaufschlag führt. Zudem gilt dieser nur für Wohnimmobilien. Es sollte daher eine weitere Differenzierung bei Gewerbeimmobilien vorgenommen werden, sodass auch bestimmte risikoarme ADC-Finanzierungen im Gewerbebereich unter die nationale Ausnahmeregelung fallen können. Sollte keine weitere Anpassung mehr vorgenommen werden, sind bei der Gewerbeimmobilienfinanzierung negative Effekte zu befürchten bzw. könnte dies letztendlich zu einer Abwanderung von Geschäft in den unregulierten Bereich führen. Darüber hinaus sollte die Politik den hierbei entstehenden Zielkonflikt zwischen Finanzmarktstabilität auf der einen und notwendiger Bautätigkeit bzw. die Bereitstellung von erschwinglichem Wohnraum auf der andere Seite im Blick behalten und mittels adäquater Maßnahmen lösen.

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Impressum Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI) Breite Straße 29 10178 Berlin T: +49 30 2028-0 www.bdi.eu Lobbyregisternummer: R000534 Autoren Dr. Klaus Deutsch Abteilungsleiter Research, Industrie- und Wirtschaftspolitik T: +49 30 2028 1591 k.deutsch@bdi.eu Sven Schönborn Senior Representative Research, Industrie- und Wirtschaftspolitik T: +32 2 7921011 s.schoenborn@bdi.eu

BDI Dokumentennummer: D 1577

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