Neuausrichtung der Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur (GRW)

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Stellungnahme

Öffentliche Konsultation des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) zur Neuausrichtung der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW)

Langtitel, Beispiel: (Arial, 20 Pt, fett) Referentenentwurf/ Regierungsentwurf Gesetz zur Modernisierung der Netzentgeltstruktur Bundesverband der Deutschen Industrie e.V.

Öffentliche Konsultation des Bundesministeriums für Wirtschaft und Stand: 12.04.2022

Klimaschutz (BMWK) zur


Inhaltsverzeichnis Einleitung ......................................................................................... 3 1. Förderung Investitionen in der gewerblichen Wirtschaft ...... 4 2. Förderung wirtschaftsnahe Infrastruktur.............................. 10 3. Regionale Daseinsvorsorge ................................................... 12 Über den BDI.................................................................................. 14 Impressum ..................................................................................... 14


Einleitung Mit der GRW steht ein starkes Instrument der regionalen Strukturförderung zur Verfügung, das sich im Rückblick hinsichtlich des Abbaus von regionalen Disparitäten bewährt hat. Mit Umstellung der Regionalförderung auf ein Gesamtdeutsches Fördersystem (GFS) ab 2020 wurde auf neue Entwicklungen in den Regionen reagiert, denn in zunehmendem Maße sind auch Regionen in Westdeutschland von Strukturschwäche betroffen und Regionen in Ostdeutschland stabilisieren sich und gewinnen an Wettbewerbsfähigkeit. Die GRW wird auch zukünftig notwendig sein und muss das entscheidende Instrument für die gewerbliche Wirtschaftsförderung bleiben. Neue Herausforderungen für Unternehmen aller Größen, Branchen und Regionen erwachsen aus der Transformation zu einer digitalen und klimaneutralen Wirtschaft. Dem soll die aktuelle Diskussion um die Neuausrichtung der GRW und die nun stattfindende Konsultation des BMWK Rechnung tragen. Dies begrüßen wir und möchten durch unsere Beteiligung an der Konsultation diesen Prozess unterstützen. Wir finden es sinnvoll und notwendig, die Strukturförderung noch zielgerichteter und zweckgebundener auf die Investitionen auszurichten, die diesen Transformationsprozess befördern. Bei allen Investitionen sollten Nachhaltigkeitsziele stärker berücksichtigt werden. Der individuelle CO2-Fußabdruck einer Investition beispielsweise könnte Teil der Bemessungsgrundlage sein. Durch die verstärkte Ausrichtung auf das Transformationsziel darf jedoch der originäre, strukturpolitische Ansatz der GRW nicht aus dem Blick verloren werden. Unverändert wichtig sind für viele Regionen die Berücksichtigung der bestehenden Strukturschwäche gerade im ländlichen Raum und die wettbewerbsverzerrende Lage von Regionen, die an Förderhöchstgebiete angrenzen und weiterhin einer höheren Förderung bedürfen. Mit Einrichtung des GFS wurde inhaltlich von der langjährigen Fokussierung auf das zentrale Förderziel der GRW, die Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen, bereits in Teilen abgerückt, da mittlerweile viele Regionen weniger vor dem Problem hoher Arbeitslosigkeit als vielmehr vor einem Arbeits- und Fachkräftemangel stehen. Es spricht nicht zuletzt wegen der ungünstigen demografischen Entwicklung vieles dafür, die Investitionsförderung deutlich stärker auf unternehmerische Innovationen und betriebliche Wertschöpfung auszurichten, um die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in den strukturschwachen Regionen zu stärken und die Produktivität und somit die erzielbaren Einkommen in den Förderregionen zu erhöhen.

Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. Mitgliedsverband BUSINESSEUROPE

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Die (strukturschwachen) Regionen in Deutschland sind mit sehr unterschiedlichen Problemlagen konfrontiert. Einige haben wirtschaftliche Schwierigkeiten, andere leiden unter starker Abwanderung, wieder andere tragen eine hohe Schuldenlast. Es kann somit keine einheitliche Antwort auf die Herausforderungen vor Ort geben. Grundsätzlich gilt es, Fördermöglichkeiten einfach und bürokratiearm zu gestalten. Gerade mittelständische Unternehmen haben meist sehr begrenzte Ressourcen. Angesichts des hohen Verwaltungsaufwands ausgeschriebener Projekte verlieren Förderprogramme an Attraktivität, was dazu führt, dass Vorhaben teilweise aufgegeben oder über Möglichkeiten jenseits der eigentlich vorgesehenen Unterstützung finanziert werden. Wir brauchen einheitliche Prüfverfahren und Regelwerke für alle Fördermittel. Antragsverfahren und Prüfverfahren sind auf ein zwingend notwendiges Maß zu begrenzen. Die Zahl der Prüfinstanzen ist zu verringern und deren Entscheide sollten sich gegenseitig anerkennen. Die Fristen der Aufbewahrung sind zu verkürzen und die Vorgänge komplett und medienbruchfrei zu digitalisieren. 1. Förderung Investitionen in der gewerblichen Wirtschaft

Eine übergeordnete Rolle bei der Transformation der Wirtschaft spielt die Frage nach dem Standort Deutschland. Für Unternehmen kann die traditionelle Standorttreue riskant werden, wenn z. B. mangelhafte oder gar fehlende Infrastrukturen – von Straße und Schiene bis zum digitalen Netz – sie im Standortwettbewerb benachteiligen. Gehen attraktive Arbeitsplätze und Steuereinnahmen in einer Region verloren, sind auch soziale Stabilität, gesellschaftlicher Zusammenhalt und politische Toleranz gefährdet.1 Es braucht einen verlässlichen Marktrahmen für die Transformation ganzer Industrien, damit richtige Weichen für den verstärkten Umstieg auf nachhaltige Technologien und resiliente Wertschöpfungsketten gestellt werden. Die Bewältigung großer Transformationsherausforderungen wird nur dann gelingen, wenn Wirtschaft und Wissenschaft, unterstützt von einer agilen Verwaltung, an einem Strang ziehen. Gerade Mittelstand und Familienunternehmen bringen – oft seit Generationen und immer wieder neu – wettbewerbsfähige Produkte und attraktive

siehe BDI-Broschüre „Ländliche Räume stärken“, Oktober 2021, https://bdi.eu/publikation/news/laendliche-raeume-staerken/ 1

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Dienstleistungen auf den Markt. Damit das so bleibt, brauchen Unternehmen gezielt Raum für Ideen und deren Umsetzung. Hilfreich dafür ist, deren unternehmerische Kompetenz unkompliziert mit Start-ups und der Wissenschaft zusammenzubringen sowie einen möglichst effizienten und kostengünstigen Rechtsrahmen zu bieten. Das nächste Jahrzehnt entscheidet über Deutschlands Vorreiterrolle im Bereich Modernisierung und Investitionen. Hierfür braucht es ein ambitioniertes Programm und einen Investitionsturbo für kommunale und überregionale Infrastruktur, für Bildung, für Wohnungsbau, zur Förderung der Transformation der Wirtschaft nach den Vorgaben des Klimaschutzgesetzes sowie für die Stärkung der digitalen Wettbewerbsfähigkeit und Souveränität. Ehrgeizige Investitionsprogramme laufen allerdings ins Leere, wenn Planungs- und Genehmigungsverfahren zu kompliziert und langwierig sind. Innovationen drohen aufgrund bürokratischer Hürden ins Ausland ausgelagert zu werden, weil Unternehmen dort bessere Bedingungen für rentable Investitionen finden. Um umfassende Reformen bei Verwaltung und Steuern kommt Deutschland daher nicht herum. In einer Intensivierung von Forschung und Entwicklung liegt ein hohes Potenzial für die Stärkung der Leistungsfähigkeit der regionalen Wirtschaft. Die FuE-Intensität der Wirtschaft ist regional sehr unterschiedlich. Insbesondere Baden-Württemberg und Bayern, aber auch Hessen und Niedersachsen sind hier gut aufgestellt. Alle anderen Bundesländer, insbesondere Regionen in Ostdeutschland, liegen weit unter Bundesdurchschnitt. Damit Regionen nicht den Anschluss im Innovationsbereich verlieren, muss die Forschungsleistung in bislang noch innovationsschwachen Regionen deutlich gesteigert werden. Der Staat sollte die unternehmerische FuE und insbesondere technologieorientiere Neugründungen besonders fördern. Die Kooperation innovativer Startups mit etablierten Unternehmen (auch Nicht-KMU) bietet hier ein enormes Potenzial, um Innovationen voranzubringen. Und es gilt, die Investitionsförderung auch auf immaterielle Ressourcen (Weiterqualifikation, Software, Lizenzen/Nutzungsgebühren für Software etc.) zu erweitern und dabei Besonderheiten von Branchen und Produkten mit zu berücksichtigen. Forschungsförderprogramme sollten künftig besser auf die Anforderungen der Unternehmen und ihrer Partner aus der Wissenschaft zugeschnitten werden. Die Industrielle Gemeinschaftsforschung (IGF), das Zentrale Innovationsprogramm für den Mittelstand (ZIM) und INNO-KOM haben sich in der Forschungsförderung kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) bewährt. Diese zentralen Instrumente zur Erhöhung der Zahl innovativer

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Unternehmen, zur Ausbildung eines praxisnah qualifizierten Ingenieursnachwuchses und zur stärkeren Kooperation von kleinen sowie mittelständischen Firmen mit der Wissenschaft sollten zudem einen erheblichen Mittelaufwuchs erfahren und weiterentwickelt werden. Neuerdings ergeben sich jedoch Einschränkungen bzw. Ausschlüsse für forschende kleine und mittelständische Unternehmen, die keine oder nicht ausreichende Umsätze erwirtschaften, um die Forschungsaufwendungen zu decken. Hintergrund sind die Regelungen zu „Unternehmen in Schwierigkeiten“, die zukünftig so eingegrenzt werden müssen, dass diese nicht die Beantragung von Förderungen behindern. Der Förderausschluss sollte insgesamt auf seine beabsichtigte Wirkung hin überprüft werden. Gerade die letzten zwei Jahre haben gezeigt, dass die Gründe für unternehmerische Schwierigkeiten nicht immer im Unternehmen selbst liegen. Wichtig ist eine höhere Agilität in der Projektförderung – konkret eine schnellere Antragsbearbeitung, digitalisierte nutzerfreundliche Prozesse sowie die Fähigkeit, zügig passende Förderprogramme für neue Technologien zu etablieren, um den schnelleren Innovationszyklen in der Industrie gerecht zu werden. Zur Stärkung lokaler und regionaler Kooperationen zwischen Wirtschaft und Wissenschaft über Branchennetzwerke sowie Transfer- und Kompetenzzentren sollten Regionalförderung und Clusterwettbewerbe konsequent weiterentwickelt werden. In diesem Sinn kann künftig auch die durch die neue Bundesregierung geplante „Deutsche Agentur für Transfer und Innovation“ (DATI) eine wichtige Rolle in den Regionen spielen, indem sie regionale Ökosysteme aus Hochschulen, Ausgründungen und lokaler Wirtschaft anwendungsnah und industriegetrieben voranbringt. Diese Instrumente und Innovationsagenturen sollten in die Weiterentwicklung der GRW als wichtige Bausteine einer intra- und interregionalen Entwicklung eingebunden werden. Der Transfer von Erkenntnissen aus der Wissenschaft, die Kommunikation zwischen Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft sowie das Finanzierungsökosystem für Unternehmenswachstum in FuE müssen weiter verbessert und ausgebaut werden. Neue strategische Kooperationen zwischen den Akteuren des Innovationssystems und kreative Formate der Zusammenarbeit sind dabei der Schlüssel für die Zukunftsfähigkeit des Standorts. Der Staat sollte gezielt Freiräume schaffen und Öffnungsprozesse in Forschung und Innovation unterstützen. Hilfreich sind hierbei Reallabore, in denen Erkenntnisse aus der Forschung in die Anwendung gelangen und Anpassungen im Regulierungsrahmen erprobt und später implementiert werden können.

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Dies muss auch außerhalb des engen Korsetts der Beihilferegelungen ermöglicht werden. Reallabore und Experimentierräume haben großes Potenzial und sollten fortlaufend eingerichtet werden. Das bereits vom BMWK in der letzten Legislaturperiode eingerichtete Netzwerk Reallabore sollte als BestPractice-Plattform dienen und kontinuierlich weiterentwickelt werden. Technologieorientierte Gründungen sowie Technologieentwicklungen von industriestrategischer Bedeutung (u. a. die Batteriezellfertigung und medizinische Biotechnologie) sind ein wichtiger Erneuerungs- und Wachstumsmotor für Deutschland und zahlen gleichzeitig auf die Nachhaltigkeit ein. Es ist richtig, dass Bund und Länder ihre Förderung für die Vorgründungs- und Gründungsphase ausgebaut und die überfällige Reform des Körperschaftsteuergesetzes umgesetzt haben. Bislang ist es aber nicht ausreichend gelungen, den Markt für Wachstumskapital zu beleben. Der 10 Mrd. Euro Zukunftsfonds muss mutig vorangebracht werden, damit nicht immer mehr innovative Pioniere Deutschland den Rücken kehren. Das Programm sollte dabei auch stärker Innovationen in sogenannten Bestandsunternehmen vor allem im Verarbeitenden Gewerbe unterstützen. Der Fonds und die enthaltenen Maßnahmen müssen neben digitalen Themen auch die Bedürfnisse innovativer Unternehmen aller Branchen berücksichtigen, die bei langen Entwicklungszeiten einen hohen Kapitalbedarf haben. Eine zentrale Ressource unseres Wissenschafts- und Innovationssystems sind gut ausgebildete Fachkräfte. Mittlerweile sind in jedem Flächenland Regionen von Fachkräftemangel betroffen. In Ostdeutschland ist diese Entwicklung am weitesten fortgeschritten. Dabei geht es zunehmend nicht mehr nur um Hochqualifizierte, sondern auch um Fachkräfte mit beruflicher Qualifizierung und, vorwiegend in Ostdeutschland, auch um fehlende Kompetenzen im Managementbereich, beispielsweise in der Akquise. Instrumente zur Stärkung des regionalen Ausbildungs- und Arbeitsmarktes sind vermehrt in den Blick zu nehmen, um (hoch)qualifizierte Arbeitskräfte auszubilden, zu halten und zu gewinnen. Gerade auch MINT-Fachkräfte sind für erfolgreiche Innovationsaktivitäten Voraussetzung. Aus regionaler Sicht zeigt sich, dass gerade in Ostdeutschland in den kommenden Jahren durch das altersbedingte Ausscheiden der älteren MINT-Beschäftigten aus dem Erwerbsleben ein hoher demografischer Ersatzbedarf entsteht. Heute trägt gerade im MINT-Bereich die hohe Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland zur Beschäftigungsdynamik bei. Allerdings ist gerade der Anteil ausländischer Beschäftigung in den MINT-Berufen in Ostdeutschland sehr niedrig. Damit die Regionen mehr von Zuwanderung profitieren, müssen sie gezielt Fachkräfte aus

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dem Ausland ansprechen und für einen Zuzug gewinnen. Dafür müssen auch Visastellen und Ausländerbehörden personell und technisch auskömmlich ausgestattet sein. Zudem müssen moderne Bildungsmöglichkeiten – ob in Schule oder Berufsschule – flächendeckend und wohnortnah zur Verfügung stehen, um Abwanderung in Städte vorzubeugen und qualifizierte Fachkräfte in der Region zu binden. Orientieren sich Lehrangebote und Forschungsschwerpunkte auch an der lokalen Wirtschaftsstruktur, fördert das eine innovative und zukunftsorientierte Gestaltung der Region. Weitere Vorschläge zur Diskussion Um die GRW noch stärker auf die Transformation der Wirtschaftsstruktur auszurichten, wäre es förderlich, unternehmerische Investitionen, die transformationsrelevant sind, stärker zu berücksichtigen. Man könnte entweder eine bestimmte Quote der gesamten GRW-Mittel ausschließlich für Transformationsinvestitionen „reservieren“. Oder man setzt auf höhere Förderhöchstsätze für die einzelnen Kombinationen aus Fördergebiet/Unternehmensgröße immer dann, wenn es sich um Transformationsinvestitionen handelt (z. B. 20 % statt wie normalerweise 15 % bei einem großen Unternehmen in einem C-Fördergebiet (Fall A) oder 15 % nur für transformationsrelevante Investitionen und 10 % für nicht-transformationsrelevante Investitionen). Voraussetzung wäre, dass die EU-Leitlinien für Regionalbeihilfen diese höheren Förderhöchstsätze bzw. die Differenzierung der Förderhöchstsätze nach Transformationsrelevanz überhaupt zulassen. Zumindest sollte die Bundesregierung prüfen, welchen Spielraum diese EU-Leitlinien zulassen, um eine solche Bevorzugung von transformationsrelevanten Investitionen zu ermöglichen. Die Branchenausschlüsse bei der Förderung sollten überprüft werden. Zum Beispiel ginge es bei dem bislang ausgeschlossenen Baugewerbe nicht um Förderung von Baustellen, sondern um die Produktivitätserhöhung der gesamten Branche angesichts von akuten und durchgängigen Herausforderungen, wie dem eklatanten Fachkräftemangel, der Digitalisierung, der Rohstoffverknappung, der Energieverteuerung und der CO2-Minderung. Die Förderung muss auch weiterhin auf die gewerbliche Wirtschaft ausgerichtet bleiben, aber gerade vor dem Hintergrund der Transformation sollte genau geprüft werden, welche neuen Branchen innerhalb der gewerblichen Wirtschaft entstehen und inwiefern diese auch einbezogen werden könnten. Die Regelung des Kriteriums "überregionaler Absatz" sollte nicht abgeschafft, aber weiterentwickelt werden. Für einige Regionen und Branchen

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erscheint die bisherige 50-km-Regel zu grob. Hier sollte ein eher produktbasierter Ansatz gewählt werden und vor allem für kleine Unternehmen im ländlichen Raum das 50-km-Erfordernis verkleinert werden. Mit Blick auf die Resilienz regionaler Wirtschaftskreisläufe und deren Nachhaltigkeit sollte darüber nachgedacht werden, auch Wertschöpfungsketten und Lieferkreisläufe in engeren Bezügen unterhalb 50 km zu fördern. Der Ausschluss der Förderung von "gebrauchten Wirtschaftsgütern" und "beweglichen Wirtschaftsgütern" sollte überprüft und abgeschafft werden. Gerade für Unternehmen mit geringem Eigenkapital, wie sie heute vorrangig in Ostdeutschland noch typisch sind, stellen derartige Güter eine sinnvolle und betriebswirtschaftlich attraktive Alternative zu Neuanschaffungen dar. Für viele KMU in strukturschwachen Regionen sind Investitionen in Höhe von 50 Tausend oder 80 Tausend Euro kaum zu stemmen. Hier sollte – natürlich oberhalb von Bagatellgrenzen – über niedrigere Mindestinvestitionshöhen nachgedacht und somit Investitionshürden gesenkt werden. Politisch gewünschte Ziele und Effekte der GRW sollten nur mit einer Bonusregelung angereizt und nicht mit einer Malusregelung sanktioniert werden. Die Förderung des Umbaus und der Reaktivierung von Konversionsflächen, um Gewerbeflächen im Bedarfsfall vorhalten zu können, ist weiterhin notwendig. Der nachzuweisende konkrete Bedarf ergibt sich zumeist aus dem zu schaffenden Flächenangebot für standortfördernde Ansiedlungen. Die Größendefinitionen der KMU und die mögliche Beihilfe sollten regional flexibel den Erfordernissen angepasst werden. Gerade in Deutschland fallen viele mittelständisch strukturierte Unternehmen aus der KMU-Definition der EU heraus – weit mehr als im europäischen Durchschnitt. Die angedachte Kategorie „Mid Caps“ bietet einen guten Übergang zwischen KMU und Großunternehmen und könnte in der Förderung Anwendung finden. Unternehmen vor Ort benötigen eine bessere Beratung und Hilfe bei der Förderung. Hier könnte die regionale Wirtschaftsförderung mit einer proaktiven Ansprache die Unternehmen vor Ort besser informieren und unterstützen. Eine umfassende Digitalisierung auch der Beratungsleistungen wäre für viele Unternehmen von großem Vorteil.

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2. Förderung wirtschaftsnahe Infrastruktur

Digitale Transformation Eine gut ausgebaute und leistungsfähige Infrastruktur ist Voraussetzung für eine erfolgreiche Positionierung und Entwicklung von Regionen. Sie hat Vorleistungscharakter für die betriebliche Produktion und beeinflusst die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens. Deshalb ist die Infrastruktur oft ausschlaggebend für die Standortentscheidung bei der Neuansiedlung, aber auch bei Überlegungen für eine Verlagerung eines Unternehmens. Dies umfasst alle Teilbereiche von Infrastruktur, (öffentliche) Verkehrsinfrastruktur genauso wie digitale Infrastruktur. Insbesondere hinsichtlich der Breitbandversorgung sind die Regionen noch sehr unterschiedlich aufgestellt. Während in den west- und süddeutschen Regionen die Versorgung mit Breitbandinternet größtenteils gesichert ist, sind viele, vor allem ländliche Regionen in Ostdeutschland, deutlich unterversorgt mit digitaler Infrastruktur. Dabei hängt die Attraktivität einer Region entscheidend von starkem Internet ab. Immer mehr Menschen machen ihre Arbeits-, Wohn- und Bleibeperspektiven von ausreichend leistungsfähiger digitaler Infrastruktur abhängig. Gebiete mit langsamen Verbindungen sind auch unattraktiv für Neuansiedlungen von Unternehmen, vor allem solche der Hoch- und Spitzentechnologie. Eine leistungsfähige und zeitgemäße digitale Infrastruktur ist Grundvoraussetzung für Wettbewerbsfähigkeit – sei es für digitale Interaktion mit Kunden, Zulieferern und Partnern in aller Welt oder Industrie 4.0 mit stetigem Datenaustausch. Der Ausbau der digitalen Infrastruktur geht insgesamt noch zu langsam voran und muss deutlich vorangetrieben werden. Keinesfalls schließt geringe Bevölkerungsdichte eine leistungsfähige Versorgung mit schnellem Internet aus. Wer aus guten Gründen eine dynamische Digitalisierung voranbringen will, sollte auf Geschwindigkeit setzen, alternative und innovative Verlegemethoden nutzen und unnötige Bürokratie in Planungs- und Genehmigungsverfahren vermeiden. Auch innovative, digitale Gesundheitslösungen mit nachgewiesenem Zusatznutzen – etwa telemedizinische Angebote – können zu einer modernen Patientenversorgung beitragen. Es gilt, die Digitalisierung im Gesundheitssystem weiter voranzutreiben, um eine bessere und individualisierte Versorgung auch in ländlichen Regionen zu ermöglichen.

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Dekarbonisierung Die Dekarbonisierung führt insbesondere in den energieintensiven Branchen und der Mobilitätsindustrie zu einem erheblichen Anpassungsdruck in einzelnen Unternehmen, aber auch ganzen Regionen. Die Transformation, z. B. vom Verbrenner- zum Elektroantrieb, wird einen Wandel in den Zuliefererund Wertschöpfungsketten der Automobilindustrie nach sich ziehen, der große, in der Region strukturbestimmende Zulieferer einem rapiden Strukturwandel aussetzt. Hierbei wird es auch Regionen mit hoher Produktivität und Einkommen treffen, die bisher als resilient galten. Eine zeitgemäße Regionalpolitik muss auch die aktuellen Herausforderungen der klimaneutralen Transformation in starken, aber gefährdeten Industrieregionen erkennen und hier ansetzen. Ähnlich wie bei der Diskussion um die Taxonomie muss bei Fördermitteln darauf geachtet werden, dass sie nicht nur bereits vollständig „grüne“ Investitionen unterstützen, sondern auch Investitionen in die Gestaltung des Übergangs zur Klimaneutralität („braun nach grün“). Zur Umsetzung der beschlossenen Klimaziele in Deutschland und Europa wird ein umfassender Umbau weiter Teile der Wirtschaft erforderlich sein. Damit Deutschland 2045 Klimaneutralität erreichen kann, müssen sehr rasch zahlreiche Maßnahmen in den Sektoren Industrie, Energie, Verkehr und Gebäude ergriffen werden. Über die kommenden neun Jahre muss Deutschland einen Investitionsturbo einlegen und Investitionen von insgesamt 860 Mrd. Euro vornehmen.2,3 Wegen der knappen Zeit bis 2030 ist es zentral, die Planungs- und Genehmigungsverfahren für Industrieanlagen und Infrastruktur sehr stark zu beschleunigen sowie Gerichtsverfahren zu Infrastrukturprojekten erheblich zu verkürzen, bspw. durch Einführung von Stichtagsregelungen und Verzicht auf Raumordnungsverfahren. Es braucht einen massiven Infrastrukturausbau über die bestehenden Planungen hinaus, allein für Strom-, Wasserstoff-, Fernwärme- und CO2-Netze, Lade- und Wasserstofftankinfrastruktur, Schienen- und Verkehrswege in Höhe von 145 Mrd. Euro. Voraussetzung für die Transformation ist die verlässliche Verfügbarkeit großer Mengen erneuerbar erzeugten Stroms. Dies bedingt einen schnellen und

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Klimapfade 2.0 – Ein Wirtschaftsprogramm für Klima und Zukunft (bdi.eu)

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Klimapfade 2.0 – Handlungsempfehlungen zur Studie (bdi.eu)

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kosteneffizienten Ausbau der erneuerbaren Energien sowie ihre Integration ins Energiesystem. Der aktuelle Ausbau verläuft schleppend und muss auf Zielkurs gebracht werden. Ländliche Regionen können davon profitieren, denn erneuerbare Energien sind vornehmlich dezentrale Erzeugungstechnologien und Anlagen zu ihrer Nutzung werden verstärkt in ländlichen Regionen gebaut. Diese Dezentralität der erneuerbaren Energien führt zu einer Verschiebung der Stromproduktion hin zu ländlichen Regionen. Direkt an der Quelle der erneuerbaren Energien sollten Forschungs- und Produktionsstätten für nachhaltige Flugkraftstoffe (SAF/PtL) etabliert werden, um sowohl die Erprobung neuer Herstellungswege mit entsprechender Kraftstoffzulassung als auch die Produktion von SAF/PtL voranzutreiben. Dazu braucht es Investitionen in Reallabore (F&E) und Förderung von Anlagenbau zur Erzeugung von SAF/ PtL. 3. Regionale Daseinsvorsorge

Das Thema der regionalen Daseinsvorsorge erfordert einen ganzheitlichen Blick auf die Region, um Themen wie Work-Life-Balance, Kultur und Naturschutz sowie sichere Arbeitsplätze in effizienten Unternehmen gemeinsam zu denken. Neben attraktiven und gut bezahlten Jobs gehören Angebote an bezahlbarem Wohnraum, Kinderbetreuung sowie Kultur und Sport zu den Erfolgsfaktoren eines Standortes bzw. einer Region. Eine funktionierende Verkehrsinfrastruktur zahlt ebenfalls auf die öffentliche Daseinsvorsorge ein. Das betrifft nicht nur eine effiziente Straßenanbindung, sondern auch den ÖPNV sowie den Zugang zum Netz der Deutschen Bahn. Zur Standortattraktivität gehört auch ein entsprechendes Angebot an touristischer Infrastruktur sowie Bildungseinrichtungen, von der Kita bis hin zu Hochschulen und Universitäten. Gerade Unternehmen in ländlichen Regionen spielen häufig eine entscheidende Rolle in der Daseinsvorsorge und sollten daher gestärkt werden. Sie tragen durch Unterstützung von regionalen Sportvereinen sowie Kunst- und Kulturveranstaltungen zum gesellschaftlichen Leben vor Ort und insgesamt zu gleichwertigeren Lebensverhältnissen in Deutschland bei. Immer öfter handeln Unternehmensstiftungen dort, wo die öffentliche Hand auf unterschiedlichen Ebenen an Grenzen stößt – etwa bei Kultur, Bildung, Integration, Denkmalschutz, Gesundheit, Sport, Umwelt oder Völkerverständigung.

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Kritisch bewerten wir aber die Aufnahme eines eigenen Fördertatbestandes „regionale Daseinsvorsorge“ in die GRW, der nur schwer fassbar und eingrenzbar ist. Dies könnte schnell zu einer Überreizung des Fördersystems insgesamt führen. Bei Förderungen im Sinne der GRW sollte immer der direkte Bezug zu wertschöpfungssteigernden und innovationstreibenden Wirkungen hergestellt werden können. Auch die Förderung der Infrastruktur muss sich auf wirtschaftsnahe Infrastruktur beschränken. Hier muss die digitale Infrastruktur den klaren Vorrang erhalten. Die Verbreiterung der wirtschaftlichen Basis sollte das übergreifende Ziel über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg darstellen. Wichtig ist auch, dass die klare Grenzziehung zwischen der Aufgabenzuständigkeit der Öffentlichen Hand für die Daseinsvorsorge und den Förderzielen der GRW erhalten und nachvollziehbar bleibt. Hier besteht durch einen eigenen Fördertatbestand die Gefahr einer Aufweichung.

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Über den BDI Der BDI transportiert die Interessen der deutschen Industrie an die politisch Verantwortlichen. Damit unterstützt er die Unternehmen im globalen Wettbewerb. Er verfügt über ein weit verzweigtes Netzwerk in Deutschland und Europa, auf allen wichtigen Märkten und in internationalen Organisationen. Der BDI sorgt für die politische Flankierung internationaler Markterschließung. Und er bietet Informationen und wirtschaftspolitische Beratung für alle industrierelevanten Themen. Der BDI ist die Spitzenorganisation der deutschen Industrie und der industrienahen Dienstleister. Er spricht für 40 Branchenverbände und mehr als 100.000 Unternehmen mit rund acht Mio. Beschäftigten. Die Mitgliedschaft ist freiwillig. 15 Landesvertretungen vertreten die Interessen der Wirtschaft auf regionaler Ebene. Impressum Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI) Breite Straße 29, 10178 Berlin www.bdi.eu T: +49 30 2028-0 Lobbyregisternummer: R000534

Ansprechpartner Solveigh Jäger Referentin Research, Industrie- und Wirtschaftspolitik Telefon: +49 30 2028-1533 s.jaeger@bdi.eu Vanessa Wannicke Referentin Mittelstand und Familienunternehmen Telefon: +49 30 2028-1434 v.wannicke@bdi.eu

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