INTERNATIONAL
AKTION BÜRGER*INNENASYL Solidarität praktisch leben!
Seit einiger Zeit gibt es in Deutschland mehrere Initiativen, die Bürger*innenasyle organisieren. In einem Akt zivilen Ungehorsams werden Geflüchtete in privaten Haushalten aufgenommen und beherbergt, um sie vor der drohenden Abschiebung zu schützen. Ein Bürger*innenasyl kann die Überstellungsfrist bei Dublin-Abschiebungen überbrücken und/oder den Betroffenen Zeit verschaffen, um einen legalen Aufenthaltstitel zu bekommen. Das hat zweierlei Ziele: Zum einen die Solidarisierung mit Geflüchteten angesichts zunehmender Hetze und repressiver Abschiebepraktiken. Zum anderen soll mit dem Bürger*innenasyl Öffentlichkeit für die Situation von Menschen ohne Papiere geschaffen werden. Bürger*innenasyle verstehen sich damit als Teil antirassistischer Praxisarbeit, die ich im folgenden Artikel näher vorstellen möchte.
In der Stadt, in der ich seit einigen Jahren lebe, wurde Ende 2018 ein Freund während eines Spaziergangs am Hauptbahnhof bei einer ‚verdachtsunabhängigen Personenkontrolle‘ von der Polizei aufgegriffen. Er lebte zu diesem Zeitpunkt bereits seit knapp einem Jahr in dieser deutschen Stadt, lernte Deutsch, hatte einen großen Freund*innenkreis und eine Zusage für ein FSJ in einer Pflegeeinrichtung für das kommende Jahr. Sie nahmen ihn mit auf die Wache und verlangten nach seinen Personendaten und Meldeadresse. Nach einiger Zeit gab er nach. Er war „illegal“ in Deutschland und die Beamt*innen fanden sein Profil in einer europäischen Datenbank für Asylsuchende – vor knapp zwei Jahren war er über Italien in die EU eingereist. Ohne die Möglichkeit, irgendjemanden zu kontaktieren oder auch nur sein persönliches Hab und Gut zusammenzupacken, wurde er kurz danach mit zwei Be-
amten in einen Zug nach Mailand (Italien) gesetzt. Am dortigen Hauptbahnhof gaben ihm die zwei Begleitpersonen 50€ in die Hand und ließen ihn allein zurück, ohne Gepäck, ein Bett für die Nacht, irgendwelche Sprachkenntnisse oder die Adresse einer (staatlichen) Unterstützungseinrichtung. Sein Handyakku war auch leer und er hatte keine Möglichkeit, irgendwem in Deutschland von seiner Situation zu berichten. Er schlug sich nach Süd italien durch, da er dort bei seiner Erstankunft mit einem Boot aus Libyen für ein paar Tage lebte, in der Hoffnung, nun erneut irgendeine ihm bekannte Person anzutreffen. Nur mit Glück schaffte er es schließlich, über eine frühere italienische Unterstützerin Kontakt zu deutschen Unterstützer*innen aufzubauen, die bis dato keinerlei Ahnung hatten, wo er sich befinden könnte. Diese Geschichte kennen wir nur, weil er sie uns berichten konnte. International
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