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COMET-Zentren als Gründungsumfeld für Technologieunternehmen

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Stefanie Lindstaedt

COMET-Zentren als Gründungsumfeld für Technologieunternehmen

An COMET-Zentren entstehen viele Start-up-Ideen, die als Basis für erfolgreiche Hightech-Unternehmen dienen können. Ausgründungen können ein wichtiger strategischer Baustein des Technologietransfers für COMET-Zentren werden und Innovationen in den Markt bringen. Gründungswillige profitieren vom Zugang zu anwendungsorientierter Spitzenforschung und den Netzwerken der COMET-Zentren.

Start-ups sind wichtige Treiber der Digitalisierung und Indikatoren für einen modernen Wirtschaftsstandort. Wirtschaftswachstum lässt sich vor allem über Innovation realisieren und hier sind Start-ups gegenüber großen Industriebetrieben im Vorteil: Sie agieren sehr agil und müssen keine komplexen Unternehmensstrukturen überwinden.

Seit 2009 wurden in Österreich mehr als 2.600 Start-ups gegründet und es gibt rund 1.300 Start-upGründerinnen und 5.700 Start-upGründer. Mit etwa 29 Prozent sind IT und Softwareentwicklung für Start-ups die wichtigsten Branchen. Künstliche Intelligenz bleibt der bedeutendste Technologietrend, gefolgt von Big Data, erneuerbaren Energien und Automatisierung. Der Anteil der akademischen Start-ups, die im Rahmen einer Ausbildung entstanden sind, beträgt aktuell ca. 14 Prozent (Quelle: Austrian Start-up Monitor, 2020).

Die Wurzeln erfolgreicher Startups sind ebenso vielfältig wie die Anforderungen an das Umfeld, in dem sie aufgebaut werden. Am Anfang vieler Gründungen steht eine Idee oder eine Technologie, deren Kommerzialisierung zum Unternehmenszweck wird. Bei teamgetriebenen Start-ups sucht eine Gemeinschaft von Gründerpersönlichkeiten nach einer passenden Geschäftsidee. Eine Sonderform stellen Spin-offs (sog. Ableger) dar. In diesem Fall handelt es sich um die Ausgliederung einer Organisationseinheit aus bestehenden Strukturen. Spin-offs bieten die Möglichkeit, eine besonders vielversprechende neue Geschäftsidee oder Technologie durch Ausgründung erfolgreich zu kommerzialisieren. Sie haben oft einen höheren Reifegrad als Start-ups, weil Technologie und Geschäftsidee zum Zeitpunkt der Ausgründung bereits vorhanden sind und womöglich innerhalb der Stammorganisation bereits ein Stück entwickelt wurden.

COMET-Zentren als Spin-off Schmiede

COMET-Kompetenzzentren bieten ein besonders gutes Umfeld für Spin-offs. Sie betreiben anwendungsorientierte Spitzenforschung auf höchstem Niveau in Bereichen, die für die österreichische Wirtschaft strategisch wichtig sind, und erarbeiten Lösungen für die Schlüsselthemen der Zukunft wie Klimaschutz, Digitalisierung, Mobilität und Gesundheit. Viele COMETZentren blicken auf eine zwanzigjährige Erfolgsgeschichte zurück, in der sie intellektuelles Kapital und Schutzrechte aufgebaut haben. Sie verfügen über umfassende Unternehmens- und Forschungsnetzwerke und beschäftigen aufgrund ihres Leistungsauftrags oft Forschende mit praxisorientiertem Profil, die sich hervorragend als potenzielle Gründerinnen und Gründer eignen.

COMET-Kompetenzzentren werden vom Bundesministerium für

Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) und dem Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort (BMDW), den beteiligten Bundesländern sowie den beteiligten Unternehmen und Forschungsorganisationen finanziert. Das Programmmanagement erfolgt durch die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft FFG. Von Seiten der Politik und der Fördergeber gibt es die Erwartungshaltung an COMET-Zentren, Forschungsergebnisse optimal zu verwerten und die an den Zentren akkumulierten IPRs (Intellectual Property Rights) langfristig zu nutzen. Die anwendungsorientierten Forschungsergebnisse kommen den zentrumsnahen, an COMET-Projekten beteiligten Partnerunternehmen direkt zugute. In den Bereichen IT, Big Data und KI werden oft Plattform-Geschäftsmodelle realisiert, die interessierten Unternehmen neue Technologien als Dienstleistung zur Verfügung stellen, was insbesondere für kleinere Unternehmen von Interesse ist.

Auch die Aus- und Weiterbildung von Fachkräften ist eine wichtige Aufgabe von COMET-Zentren, um dem bestehenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Die Förderung von Spin-offs geht allerdings darüber hinaus, weil damit Unternehmertum gefördert und entwickelt wird, indem Forscherinnen und Forscher zur Gründung eines eigenen Unternehmens motiviert werden.

Passende Rahmenbedingungen

Damit erfolgreiche Spin-offs aus COMET-Zentren entstehen, müssen bestimmte Rahmenbedingungen gegeben sein. Voraussetzung ist eine klare Gründungsstrategie des Zentrums, die alle Rahmenbedingungen und Erfordernisse des Gründungsprozesses definiert. Der erste Schritt beginnt damit, die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entsprechend zu informieren und zu motivieren. IdeenWettbewerbe, Gründungsprämien, Zeit- und Unterstützungskontingente und viele weitere Maßnahmen aus dem Bereich der Innovationsförderung sind gefragt.

Eine saubere Trennung von Aufgaben und Zuständigkeiten, eindeutige vertragliche Bedingungen, ein klar definierter Ablauf und eine transparente Vorgehensweise vermeiden Interessenskonflikte und erleichtern die Planung für Gründungswillige. Gründerinitiativen sollten auch mit weiteren strategischen Aspekten verbunden werden, etwa mit einer Internationalisierungsstrategie.

Um erfolgreich und selbstständig am Markt bestehen zu können, brauchen Spin-offs „freedom to operate“. Das heißt, sämtliche Kompetenzen und Schutzrechte müssen möglichst uneingeschränkt an das Spin-off übertragen werden. Für COMETZentren, die gründen wollen, ist eine durchdachte IPR-Strategie essentiell. Innovationen entstehen oft durch Akkumulation von Ergebnissen aus verschiedenen Forschungs- und Entwicklungsprojekten. Nachnutzungsrechte müssen daher früh gesichert werden, unabhängig davon, ob es um COMET-Multifirm-Projekte oder um EU-Projekte, die über unterschiedliche Förderschienen finanziert werden, geht. Es muss klar definiert werden, wem ein resultierender IPR gehört und in welchem Umfeld er von wem verwertet werden darf. Handelt es sich um Innovation auf traditionellen, patentierbaren Fortschritten, etwa im Bereich Maschinenbau oder Materialwissenschaft, muss frühzeitig zwischen berechtigten Interessen zur wissenschaftlichen Nutzung, etwa im Rahmen von Abschlussarbeiten, und Anmeldung von Schutzrechten in Patenten, abgewogen werden. Im Bereich der Software und Algorithmik sind Patentanmeldungen kaum möglich. Als Ausweg dienen Strategien wie Geheimhaltung oder OpenSource.

Wichtig ist außerdem, dass das Spin-off einerseits vom Mutterunternehmen oder einem Netzwerk von Gesellschaftern finanziell unterstützt wird. Andererseits muss jedoch die nötige Agilität gegeben sein, damit das Spin-off selbstständig agieren und eigene Geschäftsbereiche und Kernkompetenzen aufbauen kann.

Forscherinnen und Forscher sind zudem nicht zwingend die richtigen Gründerpersönlichkeiten. Gerade im forschungsnahen Umfeld besteht ein gewisser Hang zum „over-engineering“. Das bedeutet, Lösungen werden nie als gut genug für den Markt empfunden und daher ständig weiterentwickelt. Häufig liegt ein zu starker Fokus auf der technologischen Entwicklung und den spezifischen Merkmalen des Produktes. Die Forschungsperspektive muss früh durch eine wirtschaftliche, marktorientierte Sicht ergänzt werden, welche die technologische Entwicklung in Richtung der Kundenbedürfnisse formt und dem Streben nach Perfektion ein kaufmännisches Streben nach der Nutzung eines oft nur kurzfristigen Wettbewerbsvorsprunges gegenüberstellt. Werden die Erfordernisse des Marktes nicht ausreichend berücksichtigt, besteht die Gefahr, dass Features entwickelt werden, die keinen Mehrwert für den Kunden darstellen und für welche er nicht bereit ist, einen höheren Preis zu bezahlen.

Ausgründungen erleichtern

Für COMET-Zentren kann die Gründung von Spin-offs auch einen Nachteil bedeuten. Sie laufen Gefahr, zu viele wertvolle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Spin-offs zu verlieren („Brain-drain“) und erfolgreiche Forschungsfelder innerhalb des Zentrums nicht mehr weiterführen zu können, weil sie sonst in Konkurrenz zum Spin-off treten. Einen innovativen Weg, um diesen Effekt abzuschwächen und zeitgleich Spin-offs gründen zu können, beschreitet das Gründerprogramm „Take-Off“ des Know-Centers. Mithilfe von externen Gründerinnen und Gründern werden Technologieinnovationen aus dem Bereich der Künstlichen Intelligenz in Geschäftsideen übersetzt. Das Zentrum agiert als Katalysator und sorgt dafür, dass Forschungserkenntnisse erfolgreich in die Wirtschaft getragen werden. Die Ideen, die im Rahmen von Forschungs- und Industrieprojekten entstehen, werden in einem frühen Stadium an potentielle Gründerinnen und Gründer übergeben und gemeinsam zu marktfähigen Produkten entwickelt. Gründungswillige erhalten dadurch Zugang zu Produktideen, die bereits auf Marktinteresse gestoßen sind bzw. bei denen Kundenwünsche und -erfordernisse bereits identifiziert worden sind. In den meisten Fällen liegen Pilotprojekte vor, auf denen aufgebaut werden kann. Diese Vorgangsweise ist neu,

Abbildung 1: Ablauf Gründungsinitiative Take-Off AIT Austrian Institute of Technology GmbH, Center for Innovation (2020): Austrian Startup Monitor 2020, https://austrianstartupmonitor.at/ Take-off: http://www.know-center.at/ take-off Technology readiness levels (TRL): https://ec.europa.eu/research/participants/data/ref/h2020/wp/2014_2015/ annexes/h2020-wp1415-annex-g-trl_ en.pdf COMET-Zentren: https://www.ffg.at/ comet

Autorin:

da üblicherweise Gründerinnen und Gründer eigene Ideen entwickeln und vom Company Builder lediglich finanziell oder im Hinblick auf die Weiterentwicklung ihres Geschäftsmodells unterstützt werden.

Interne Gründunginitiativen von COMET-Zentren wie Take-Off benötigen zusätzliche Ressourcen: Beginnend bei der Identifizierung geeigneter Technologien, über die Unterstützung bei der Verwendung dieser Technologie-Stacks, der relevanten Infrastruktur bis hin zu der Coaching-Umgebung. Zusätzliches Kapital ermöglicht dem Zentrum, Spin-offs umfassend zu unterstützen, damit Risikoprojekte nicht mit dem „normalen“ Budget finanziert werden müssen. Hier gilt es, Barrieren abzubauen und spezielle Fördermaßnahmen zu schaffen. Die Fraunhofer Gesellschaft (FhG) hat dafür einen interessanten Ansatz erarbeitet: Nach Gründung eines Spin-offs erhält die FhG eine zusätzliche Forschungsförderung, um ein neues Thema bei sich aufbauen zu können. Diese Forschungsförderung entspricht in etwa der Förderung eines COMET-Moduls, einem noch neuen Instrument zur Förderung von Grundlagenforschung an COMET-Zentren, die rund 0,75 Millionen Euro pro Jahr beträgt.

Bei allen Start-up Maßnahmen stellt sich die Frage, wer an dem potentiellen Erfolg eines Spin-offs beteiligt wird. Im Vordergrund sollten die Entrepreneure stehen, die das meiste Risiko tragen. Auch Schlüsselpersonen aus dem COMET-Zentrum, welche die Rolle von Innovatoren einnehmen, müssen beteiligt werden. Ist dies nicht der Fall, schwindet die Bereitschaft, Ideen an Gründerinnen und Gründer zu übergeben. Diese Schlüsselpersonen sind oft die Einzigen, die die Technologie bis ins letzte Detail kennen und ihren Nutzen kommunizieren können. Sie als Netzwerkpartner zu behalten, ist für die ersten Jahre eines Spin-offs essentiell.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass COMET-Zentren mit der richtigen Start-up-Strategie weit über ihren unmittelbaren angewandten Forschungsauftrag hinaus in Wirtschaft und Gesellschaft Wirkung entfalten. Ihre technologische Tiefe macht sie für intern wie extern getriebene Ausgründungen ebenso attraktiv wie ihr starkes wirtschaftliches Netzwerk und ihr kompetentes Personal. COMETZentren, die diese Alleinstellungsmerkmale geschickt verwerten, kommen damit ihrer Rolle als Innovationstreiber nach, der Forschungsergebnisse bestmöglich umsetzt und nutzt. Prof. Stefanie Lindstaedt ist seit 2011 Geschäftsführerin des Know-Centers, das im Rahmen des österreichischen COMET-Programms gefördert wird, und Direktorin des Instituts für Interaktive Systeme & Datenwissenschaften an der Technischen Universität Graz.

Ihre Mission ist, Data-driven Business in Europa voranzutreiben, mehr Informatikkompetenz in die Wirtschaft zu bringen und Talente zu fördern. Als ein führendes europäisches Forschungszentrum für datengetriebene Wirtschaft und künstliche Intelligenz, unterstützt das Know-Center europäische Unternehmen aller Größen und Sektoren dabei, Daten in Wert zu verwandeln. Zusammen mit ihrem Team entwickelt und verbessert Stefanie Lindstaedt AI-Technologien, um eine sichere und verantwortungsvolle Nutzung von Daten zu unterstützen, und das Vertrauen in diese neuen Technologien zu fördern.

Prof. Stefanie Lindstaedt

CEO Know-Center Gmbh und Direktorin des Instituts für Interaktive Systeme & Datenwissenschaften an der TU Graz

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