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Technology Entrepreneurship – gelebte Praxis bei Pankl Racing Systems A.G

Foto: Pankl Racing Systems A.G.

Bernd Kögler

Um unternehmerisch erfolgreich zu verbleiben, wird es auch zukünftig notwendig sein, einen qualitativen Mehrwert mit den von uns hergestellten Produkten oder bereitgestellten Dienstleistungen anzubieten, welcher die Zufriedenheit unseres Kunden erhöht. Wir müssen dafür die Bedürfnisse unserer Auftraggeber bestmöglich verstehen, und daraus abgeleitet die Fähigkeit entwickeln, Entwicklungsprozesse so zu beherrschen, dass innovative Produkte mit den dazugehörigen Prozessen kundenorientiert und fehlerfrei geschaffen werden.

Corporate Entrepreneurship beschreibt die Ausnutzung von Möglichkeiten sowie den kreativen und gestalterischen Prozess einer Organisation, mit dem Ziel, langfristigen unternehmerischen Erfolg sicherzustellen. Im Unterschied zur „normalen“ Entrepreneurship setzt die Disziplin der Technology Entrepreneurship einen speziellen Fokus auf Chancen, welche vom Erfolgsfaktor Technologie abhängig sind, oder eine technologisch bedingte Beschleunigung erfahren können, um einen entsprechenden Wettbewerbsvorteil zu erzielen. Somit beschreibt sie Aktivitäten, die eine Kombination neuer Ressourcen ermöglichen, welche sowohl die technische als auch die kommerzielle Welt auf eine profitable Weise miteinander vereint. Wir können dabei grundlegend zwischen zwei Arten der Technology Entrepreneurship unterscheiden, nämlich einerseits Unternehmen, die sich mit der Entwicklung neuer, einzigartiger Technologien beschäftigen und andererseits jene, die neue Technologien sehen und verstehen, wie sie diese als Anwender für einen Bedarf am Markt zu ihrem Vorteil adaptieren und erfolgreich nutzen können.

Für die Firma Pankl Racing Systems A.G. (www.pankl.com), einem steirischen Hochtechnologieunternehmen mit Sitz in Kapfenberg, gilt einerseits der Ansatz des maschinenbaulichen Technologieentwicklers, nämlich wenn es um innovative Produkte und deren Herstellungsprozesse geht – dazu gehört beispielsweise die Entwicklung von höchstbelasteten Rennsport-Motorkomponenten in ausgeprägter Leichtbauweise sowie der hochtechnologische Geschäftsbereich der Additiven Fertigung. Andererseits ist Pankl aber auch Nutzer von Möglichkeiten digitaler Systeme und deren modernen Industrieanwendungen (Industrie 4.0 bzw. IIoT). Dabei ist man eindeutig den praktischen Anwendern bestehender Technologie zuzuordnen. Die Kombination beider Aspekte kann als entscheidender Vorteil gesehen werden, wenn es um die systematische Betrachtung und Beurteilung verfügbarer Technologien hinsichtlich deren Anwendbarkeit in der Praxis geht.

Zudem kann, bedingt durch die stark ausgeprägte industrielle Vernetzung mit den Unternehmen der gesamten Pierer Industrie A.G., Pankl auf sehr viel Erfahrung und Wissen

innerhalb der Gruppe zugreifen und sich dies im Auffinden und Bewerten von potenziell geeigneter Technologie zunutze machen. Somit entsteht durch ein laufendes Screening der verfügbaren Methoden und Systeme ein kontinuierlicher Zulauf in den Ideen-Pool bei Pankl.

Der nun folgende Prozess zielt auf das Auffinden der für Pankl am besten geeignetsten Industrielösung ab. Die temporär im Pool geparkten Ideen bedürfen dafür einer initialen Einzelprüfung hinsichtlich marktseitiger Randbedingungen, denn wir sollten damit schlussendlich in der Lage sein, einen erkennbaren Mehrwert für unsere Kunden zu generieren und es muss in diesem Zusammenhang auch ein entsprechender business-case darstellbar sein. In diese Betrachtung fließt immer auch eine detaillierte Abschätzung der im Falle einer Realisierung zu erwartenden Aufwände und möglichen Risiken mit ein, sodass die Organisation auch in der Lage ist, die ausgewählten Projekte ordentlich zu „verdauen“. Dabei gilt es, sowohl monetäre Effekte und vorhandene Kapazitäten zu berücksichtigen, als auch das bereits vorhandene Wissen in der Organisation zu prüfen. Ebenso ist es bereits in diesem Stadium wichtig zu überlegen, welchen Einfluss die geplante Veränderung auf die gesamte Organisation haben kann. Dazu werden unter anderem Fragen gestellt wie: „Passt diese angestrebte Lösung zur Kultur bei der Firma Pankl?“, „Wird die Lösung in der Organisation akzeptiert und welche Effekte sind seitens der Belegschaft zu erwarten?“ Dies ist insofern von Bedeutung, als nur dann Erfolg erreicht werden kann, wenn alle involvierten Parteien (Stakeholder) sich mit der Veränderung identifizieren können/möchten. In der auf diese Weise durchgeführten Kosten / Nutzen-Analyse fällt ein Gutteil der gesammelten Ideen dem Screening zum Opfer, danach werden nur die am besten bewerteten Lösungsansätze mit den höchsten Potentialen weiterverfolgt.

Die gelebte Erfahrung bei Pankl zeigt, dass die finale Ausrollung neuer Technologien im großen Stil am effizientesten erfolgen kann, wenn zuvor ein umfangreicher Test in Form eines Pilotprojekts durchgeführt wurde – es wird den Technologen des Unternehmens quasi eine technisch entsprechend gut ausgestattete Spielwiese für jedes ausgewählte Projekt zur Verfügung gestellt (finanzielles Budget, verfügbare Arbeitszeit, Arbeitsraum). Entscheidend für das Gelingen solcher Pilotprojekte ist neben dem Schaffen von Rahmenbedingungen, ganz bewusst einen geeigneten Organisationsbereich für die Umsetzung auszuwählen, in dem Werte wie Eigenverantwortung, Flexibilität und Gestaltungswille ausgeprägt vorhanden sind und die Führungskraft Veränderungen immer als Chancen für die Weiterentwicklung sieht. Die freiwilligen Projektmitarbeiter zeichnen sich ihrerseits durch ein agiles Mindset aus, sie haben Interesse daran, Neues auszuprobieren, zu verändern, Herausforderungen zu bestehen, Risiken einzugehen, Verantwortung zu übernehmen und kontinuierlich besser zu werden.

Die Ziele solcher Piloten sind, die technische Umsetzbarkeit des Vorhabens bereits frühzeitig und möglichst praxisnah zu evaluieren, notwendige Schnittstellen zu beschreiben und das interne und externe Lastenheft für die Industrialisierung zu formulieren und abzusichern. Wichtig ist auch, bereits in diesem frühen Stadium, die erzielten Laborergebnisse kritisch zu betrachten und anschließend im Team eine entsprechende Risikoabschätzung des „magischen Dreiecks“ durchzuführen (Termin, Kosten, Qualität). Damit kann sichergestellt werden, dass ein möglichst hoher Reifegrad der angestrebten Technologielösung bereits frühzeitig vorliegt, während sich die bisher angefallenen Kosten noch in einem äußerst überschaubaren Rahmen bewegen. Nun ist es auch durchaus möglich, dass Projekte aufgrund der zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Informationen sprichwörtlich zu Grabe getragen werden, wenn aktuell keine Aussicht auf erfolgreiche Realisierung „in Serie“ besteht.

Gehen wir exemplarisch von einer positiven Projektentscheidung zum Meilenstein der abgeschlossenen Erprobung aus, so wird im Folgenden an der Skalierung auf Basis des Versuchs gearbeitet. Zu diesem Zeitpunkt hängt die erfolgreiche Umsetzung nicht nur von der Art der technologischen Lösung ab, sondern auch davon, ob diese in der gesamten Organisation akzeptiert und von ihr mitgetragen wird. Wir befinden uns nun am Start eines Veränderungsprozesses, von dem wir wissen, dass er nur durch entsprechendes und begleitendes Change-Management erfolgreich bewältigt werden kann. Ein professionell organisiertes Veränderungs-wesen ist stets auf den Menschen fokussiert und zielt darauf ab, Neuordnungen umfassend, reibungslos und dauerhaft umzusetzen (Kotter, 1996). Das mag jetzt komplizierter klingen, als es eigentlich ist. Ich werde im Anwendungsbeispiel im Folgenden auf die Thematik zurückkommen.

Nach der (hoffentlich) erfolgreichen Projektumsetzung ist schlussendlich die Verarbeitung und Reflexion der geleisteten Arbeit von großer Wichtigkeit. Was haben wir aus unserem Tun gelernt, was würden wir in gleicher Form wieder machen, welchen Schwierigkeiten sollten wir zukünftig mehr Beachtung schenken – ein klassischer „Lessons Learned“ Ansatz, der uns bestens bekannt ist. Ebenso essenziell sind die interne Vermarktung sowie die Prüfung der Anwendbarkeit dieser realisierten Technologie auf andere Unternehmensbereiche, also die Frage der Skalierbarkeit.

Es geht dabei nicht immer um bahnbrechende Neuausrichtungen, die quasi alle bisherigen Geschäftsprozesse in Frage und auf den Kopf stellen, in den meisten Fällen kommen wir mit unseren Projekten wieder zurück auf den klassischen Prozess der kontinuierlichen Verbesserung (KVP / Kaizen) in kleinen Schritten. Lassen Sie mich dazu ein explizites Projekt beschreiben, um das bisher geschriebene noch transparenter zu machen.

Einsatz von intelligenten Bildverarbeitungssystemen

Das erklärte Projektziel war in diesem Fall die Integration einer Kamera sowie der bildverarbeiteten Software zum Auslesen von kundenspezifischen Daten in eine bestehende Beschriftungsanlage. Auf dieser lasern wir bauteilspezifische Informationen in Klarschrift auf ein Fertigteil, die wir zukünftig mittels der Kamera auf Richtigkeit (Orientierung und Inhalt) sowie auf Lesbarkeit der Beschriftung überprüfen lassen möchten. Auslöser des Projekts war, dass die Mitarbeiter der visuellen Kontrolle einer Permanentbelastung ausgesetzt waren und eine 100%ige Fehlerfreiheit aufgrund der Vielfalt an unterschiedlichen Komponenten und Informationen nicht ausreichend sichergestellt werden konnte.

Das Pilotprojekt wurde gemeinsam mit einigen ausgewählten Kameraherstellern in der folgenden Weise realisiert (siehe Abb. Phase 1): Wir unterteilen das Projekt bei Pankl zunächst in mehrere Phasen: in der Projektvorbereitung geht es, wie bereits zuvor beschrieben, um die Abklärung der technischen Möglichkeiten und den Abgleich dieser mit unserer technologischen Erwartungshaltung. In unserem konkreten Fall

arbeiten wir dazu mit externen Lieferanten zusammen und wollen eine bereits am Markt existierende und erprobte Technologie einsetzen und für unseren Anwendungsfall adaptieren. Die technischen Durchsprachen und grundlegenden Versuche werden bewusst mit mehreren Anbietern durchgeführt, um deren technologischen Stärken und Schwächen zu erkennen. Das daraus entstandene Lastenheft wird zur Bearbeitung und Angebotserstellung an alle potenziellen Systemlieferanten verteilt. Letztendlich entscheiden über die Projektvergabe nicht nur Termin und Preis sondern auch der technologische Gesamteindruck, den die Partner bei uns hinterlassen. Die der Vorbereitungsphase folgende Projektrealisierungsphase sieht nicht nur Zeit für die Implementierung des bestellten Systems vor, sondern lässt ganz bewusst auch eine Optimierungsphase des bereits getesteten Systems zu. Dies resultiert aus unserer Erfahrung, da sich bei komplexen Digitalisierungsprojekten oft erst während der Inbetriebnahme Probleme offenbaren, die auch bei akribischer Erstellung des Lastenhefts nicht berücksichtigt werden konnten. Bei Kamerasystemen kann dies beispielsweise der sich verändernde Kontrast aufgrund der Tages- oder Jahreszeit sein. Somit besteht bei neuen Lösungsansätzen und innovativen Themen auch nicht die Erwartungshaltung, dass wir eine „plug and play“ Lösung angeliefert bekommen, sondern eine verlängerte Inbetriebnahme Phase im Projekt zur Verfügung steht.

Die letzte Phase im Projekt bildet der strukturierte Projektabschluss. Durch das Führen der Projektdaten mittels einer unterstützenden Softwarelösung erfolgt auch dieser Abschnitt in dafür vorgefertigten Vorlagen. Einerseits wird daraus ein standardisierter Projektabschlussbe-

richt generiert, abgeschlossene Projekte werden zudem im Steuerkreis besprochen und hinsichtlich der Verwertbarkeit der Ergebnisse in anderen Bereichen auf den Prüfstand gestellt. So kann es sein, dass ein anderer Unternehmensbereich den Mehrwert der erarbeiteten Lösung erkennt und einen eigenen Anwendungsfall daraus generiert (wir bewegen uns dann gegebenenfalls auch aus der Rolle des Anwenders bestehender Systeme in die des Entwicklers eigener Technologien).

Zusammenfassend und abschließend kann man sagen, dass sich das

Umfeld, in dem Unternehmen heutzutage agieren, viel häufiger und umfassender verändern wird, als wir es in der Vergangenheit gewohnt waren. Hinzu kommt die Tatsache, dass die sogenannten „Digital Natives“ – also die Generation von Menschen, die in der digitalen Welt aufgewachsen sind, – neue Erwartungen an ihre Unternehmen und an ihre Vorgesetzten haben, dass sie daher oftmals einen anderen Führungsstil brauchen als die sogenannten „Digital Immigrants“, oder „Industry Natives“. Daher wird ein entscheidender Faktor für die Sicherstellung des langfristigen unternehmerischen Erfolgs in der Agilität der Organisation liegen, sich den veränderten Rahmenbedingungen anzupassen sowie deren Möglichkeiten und die sich daraus bietenden Chancen rechtzeitig zu erkennen und entsprechend flexibel darauf zu reagieren. Kotter, J. P. (1996). Leading Change. Harvard Business School Press.

Autor:

Dipl. -Ing. Bernd Kögler, MBA

Buchautor:

„Lessons Lear-

ned…?! – Leadership in Familie und Beruf“, 2021

„Die digitale Transformation des

Qualitätsmanagements: Potenzial nutzen, Strategie entwickeln, Qualität optimieren“, Erscheinungstermin Anfang 2022

Geb. 1972 in Wien, studierte Bernd Kögler Maschinenbau an der TUWien, danach war er Entwicklungsingenieur bei der Robert Bosch A.G. in Hallein. Seit 2005 ist er bei Pankl Racing Systems A.G. angestellt. Aktuelle Funktion als Werksleiter der Getriebefertigung und technischer Leiter der Pleuel Serienfertigung. Von 2015 bis 2017 berufsbegleitend MBA Automotive Industry an der TU Wien und STU Bratislava.

Dipl. -Ing. Bernd Kögler, MBA

Werksleiter Pankl High Performance Systems

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