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Gestern Medienhaus, heute Technology-Hotspot

Foto: Styria Media Center: Marija Kanizaj

Margot Hohl

Die Intensität, mit der die technologische Entwicklung alias Digitalisierung den Medienmarkt revolutioniert, sorgt für ein neues Selbstverständnis in mehrfacher Hinsicht: das Medienhaus im Wandel am Beispiel der Styria Media Group.

Die Welt ist im Wandel. Mit ihr die Medienwelt. Rückblick in die 1990er: Etablierte Medien und ihre Redaktionen entschieden in einer Quasi-Monopolstellung, was morgen für Welt und Mensch wichtig ist. Internet, Social Media und die fortschreitende Digitalisierung aber formten seither ein neues, weltumspannendes, hochdynamisches Netzwerk aus Milliarden Sendern und Empfängern.

Durch die Konvergenz von Massenmedien, Social Media und Individualmedien müssen sich Medienhäuser in einem neuen Wettbewerbsfeld behaupten, in weltweiter, starker Konkurrenz den eigenen Qualitätsanspruch neu betonen. Corona hat dieses ungekannte Chaos verstärkt, und dieses Chaos bietet Chancen und Risken gleichermaßen: Generell ist die Nachfrage nach Information gestiegen, was etablierten Medien starke Zuwächse bescherte – zugleich ist aber auch das Vertrauen in Social Media gewachsen, deren Tore für Fake News und Verschwörungstheorien schier ungefiltert offenstehen.

Data-Revolution

Dazu kommt das veränderte Nutzungsverhalten, das jede:r an sich selbst nachvollziehen kann. Always on bedeutet nicht zuletzt für Medienhäuser, den Anspruch von Echtzeit-Informationen neu festzulegen. Dahinter liegt auch eine Revolution hinsichtlich Daten. Auch das hat immense Auswirkungen auf das Geschäftsmodell eines Medienkonzerns.

Denn Big Data hat in den vergangenen fünf Jahren Wege für den Journalismus eröffnet, die alternativlos sind. Beispiel: die Umwandlung von Redaktionen in neue Player rund um das Rennen um Engagement. Neue Formen des Journalismus lösen einander ab. Durch die Digitalisierung ist es möglich, Daten in ungeahntem Ausmaß zu sammeln und auszuwerten. Data ist – neben der Neudefinition des Journalismus an sich, neben dem Fokus auf Produkt und Werbung – das Kernstück der digitalen Transformation im Mediensektor.

Medien-Evolution

Technologie in der Styria Media Group – und damit verbunden Technology Entrepreneurship – gibt es, solange es die Styria gibt: 1869 mit dem Anspruch gegründet, Informationen auch für die „kleinen Leute“ mittels Buchverlag und Druckerei direkt zugänglich zu machen. Nach und nach kamen Tagesmedien hinzu, mit der Gründung der Kleinen Zeitung 1904 eines der bis heute erfolgreichsten Medien Österreichs. All diese starken Wurzeln kommen aus einer Zeit, in der Print in der Nachrichten- und Informationsbereitung dominierte. Es gab schlicht nichts anderes. Dies änderte sich spätestens ab Mitte der 1990er, und als eines der ersten Medienhäuser des Landes ging die Kleine Zeitung 1995 online, damals noch im Internet for free. Informationen wurden also nach wie vor zugänglich gemacht und bestimmten immer noch den Content – allerdings haben sich

die Möglichkeiten hinsichtlich Ausspielung und Plattformen seither stark weiterentwickelt. Auch hinsichtlich Geschäftsmodell: Das digitale Abo für die Kleine Zeitung folgte 2016 (als erstes in Österreich), wenige Monate später jenes der „Presse“. Technology Entrepreneurship verlangt Mut. Die journalistische Arbeit auf digitaler Ebene nicht länger gratis zur Verfügung zu stellen, war ein großer Schritt. Für damalige österreichische Verhältnisse außergewöhnlich, aber unternehmerisch und strategisch notwendig. Viele weitere Medien sind diesem Beispiel bis heute gefolgt.

Genau 101 Jahre nach der Gründung der Kleinen Zeitung verlagerte die Styria 2005 mit der Gründung des Marketplaces willhaben die Kleinanzeigen aus Printzeitungen ins Digitale. Auch hier ging es darum, die angebotenen Inhalte auf eine neue Plattform zu übertragen: die so genannten digitalen Marktplätze, dich sich wiederum ständig weiterentwickeln. Und diese Marketplaces sind der Inbegriff des unmittelbaren Aufspürens von Bedürfnissen, weil die Menschen dort direkt ihre Suchanfragen einbringen. Kunden- und Nutzerfreundlichkeit müssen mit immer neuen technologischen Gadgets verbessert werden.

Bis heute sind die Marketplaces der Styria – neben willhaben dessen kroatisches Pendant Njuškalo, das slowenische Pendant bolha sowie die slowenische Jobbörse MojeDelo – jeweils Marktführer in ihren Ländern und echte digitale Businesses, die extern wie intern als Trendsetter fungieren. Dahinter steht ein aufgeschlossenes, interdisziplinäres Team und mit trikoder in Zagreb ein interner Technologieanbieter.

Technologie-Innovation

Für die Styria gilt es, die hohen technologischen Standards der Marketplaces in gewisser Weise auch auf ihre Media-Marken zu übertragen. Dies funktioniert aber nicht 1:1, sondern muss auf jeden Fall in kultureller Hinsicht gefördert und gefordert werden. Selbstverständlich unterscheiden sich diese Standards je nach Geschäftsmodell und Marke. Technologische Weiterentwicklung hat im Medienbereich viele Aspekte – nicht zuletzt notwendige Änderungen in der Organisationsstruktur, im Etablieren neuen Arbeitens (miteinander sowie mit neuen Tools), neuer Skills und Jobs. Interdisziplinäre Teams mit Data-Scientists und Software-Entwicklern, die bisher kaum im Medienbereich tätig waren, stellen das Leben in Redaktionen auf den Kopf, die nun nicht data-driven, sondern datainfused arbeiten. Was das bedeutet, muss täglich neu auf die Probe gestellt werden. Eine Revolution im Mindset, die nicht von heute auf morgen funktionieren kann und gerade deshalb umso notwendiger ist.

Redaktion, Lesermarkt, Werbemarkt eines Medienhauses beeinflussen einander stärker denn je, gerade im Sinne des Technology Entrepreneurship: Noch nie waren derart viele Daten vorhanden und auswertbar. Medien sind so ihren User:innen und Kund:innen heute nahe wie nie und können unmittelbar auf sie reagieren. Dazu gilt es aber, die neuen Technologien passend einzusetzen und zu verstehen. Etwa die „Presse“ arbeitet mit einer neuen Datenplattform alias Data Lake, auf der datengetriebene Marketingmaßnahmen umgesetzt werden. Dahinter steht die Anwendung modernster Algorithmen. Solche Data-Lakes revolutionieren die Kommunikation mit dem Publikum.

Dazu kommt für alle Medienmarken die Notwendigkeit von Content-Management- und Customer-Relationship-Systemen auf dem Stand der Technik und den Erfordernissen der jeweiligen Media-Marken entsprechend. Für die speziellen Voraussetzungen der Medienbranche gibt es keine etablierte Technologie. Für die Styria-Medien bedeutet das in der Praxis, Stateof-the-Art-Technologie – jedoch den finanziellen Möglichkeiten entsprechend – anzubieten und sich dabei gleichzeitig in einem harten Wettbewerb zu befinden. Nicht zuletzt hinsichtlich UserExperience im Vergleich zu den Global Playern. Für die interne Arbeit heißt dies: Neue Skills, neue Jobs, neues kulturelles Selbstverständnis prägen das gesamte Unternehmen. In 152 Jahren kommt der Erfolg nicht von selbst. Erst die ständige Neugier, die Lernbereitschaft und die Weiterentwicklung des Unternehmens – und damit aller Mitarbeiter:innen – gewährleisten nachhaltigen Erfolg.

Das muss Strategie eines Medienkonzerns sein. Jede Weiterentwicklung verlangt kleine, aber schnelle Schritte, braucht Mut und unternehmerische Verantwortung, erfordert Weitblick und Wendigkeit zugleich. Parallel dazu brauchen alle Sparten und Marken den Freiraum, einzigartig und wiedererkennbar zu bleiben und gerade deren spezifisches Publikum auch in Zukunft erreichen zu können. Ein langer Weg, den beharrlich zu finden und zu gehen sich lohnt. „Experience – Innovation – Success“, nennt man das in der Styria.

Autorin:

Dr. Margot Hohl ist seit 2018 Leiterin der Corporate Communications der Styria Media Group und Unternehmenssprecherin des international tätigen Medienkonzerns mit Hauptsitz in Graz.

Sie verantwortet damit u. a. die externe und interne Kommunikation der Styria Media Group, zu der u. a. die „Kleine Zeitung“, „Die Presse“ und „willhaben“ gehören. Margot Hohl hat an der Alpen-Adria-Universität in Klagenfurt in Germanistik/Deutsche Philologie promoviert und war seit 2002 in verschiedenen Bereichen der Medienbranche (Journalismus, PR, Verlagswesen) tätig.

Dr. Margot Hohl

Head of Corporate Communications und Unternehmenssprecherin der Styria Media Group

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