PLUS 02 vom 01/02/2022

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POLITIK Brief aus Rom

Geschätzte Leser,

Spaß beiseite! von Robert Adami

Gehaltserhöhung

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Heute ist der Tag, an dem ich beschlossen habe, den Chef um eine Gehaltserhöhung zu bitten. Heute muss es klappen, denn Fräulein Meier hat letzte Woche auch eine Gehaltserhöhung kommen… gut, Fräulein Meiers Miniröcke sind etwas kürzer als meine zerrissenen Jeans, aber was soll’s… ich nehme jetzt all meinen Mut zusammen, klopfe beim Chef, trete ein, sehe sein leidendes Gesicht… dann schaffe ich es nur noch irgendwie „Gehaltserhöhung“ zu nuscheln, und schon legt der Boss los: Die schlechte Konjunktur, die steigenden Strukturkosten, die enorme Steuerlast, der Betrieb stünde eh kurz vor dem Ruin, und außerdem habe er ja noch nicht mal die Scheidungskosten für seine 4 Ehefrauen abgetragen, die Tochter will in London angewandte Para-Ökologie studieren, der Sohn ein Schauspielstudium in Hollywood, und was der neue E-Mercedes schon wieder kostet, und wie traurig und schwierig das alles sei und dass sich die Firma unter diesen Voraussetzungen leiderleiderleiderleider, ach die Brieftasche würde einem fast zerspringen… keine Gehaltserhöhung leisten kann, aber schön dass wir darüber geredet haben. Tja, am Ende hatte ich zwar wieder keine Gehaltserhöhung, dafür aber 50 € auf das Spendenkonto für notleidende Unternehmer eingezahlt… Aber Spaß beiseite… eine Gehaltserhöhung könnten momentan wahrscheinlich sehr viele Angestellte brauchen. Der Alltag wird merklich teurer, die Folgen der Lockdowns der letzten Jahre fallen der globalen Wirtschaft nun auf die Füße. Bis auf die wenigen Großkonzerne, die sich weltweit an der Corona-Krise auf geradezu obszöne Art und Weise bereichert haben, gehört der Rest der Welt, egal ob kleine Unternehmen oder Arbeiter, zu den Verlierern. Was wir „Otto Normalverbraucher“ dagegen tun können? Nicht viel, zumindest nicht unmittelbar. Aber es wäre sicher gut, wenn sich wieder eine größere Anzahl von Menschen aktiv für Wirtschaft und Politik interessieren würde. Denn das Beste, was den Superreichen und ihren Lobbys passieren kann, ist eine Bevölkerung, die aus Mangel an Kenntnissen über die gesellschaftlichen Zusammenhänge alles über sich ergehen lässt.

eine Runde für die Wahl des Staatspräsidenten ist geschlagen, statt weißen Rauchs als Signal für einen erfolgreichen Wahlgang gab es weiße Stimmzettel und noch ist kein Land in Sicht. Nachdem Berlusconi mit seinem Rückzug die Bühne frei gegeben hat, laufen die Gespräche zwischen den Parteiführern auf Hochtouren. Salvini will Königsmacher sein, was natürlich Unmut auslöst bei seinen Partnern im Mitte-Rechts-Lager, Letta vom Partito Democratico möchte nicht außen vor stehen und Conte von der Fünf-Sterne-Bewegung, ein General ohne Heer, das ihm blindlings folgen würde, hastet von Aussprache zu Gedankenaustausch. Draghi steht nach wie vor zur Diskussion und endlich beteiligt er sich auch selbst an den Vorzimmergesprächen, aber auch andere Namen tauchen immer wieder auf. Die Unfähigkeit der Politik, ein Einvernehmen herzustellen, könnte auch den Verbleib von Draghi als Ministerpräsident in Frage stellen. Wird er als möglicher Staatspräsident verbrannt, könnte auch seine Bereitschaft, eine Koalitionsregierung zwischen Parteien zu führen, die sich für das letzte Jahr dieser Legislatur im Dauerwahlkampf üben, schwinden. Das Chaos steht also hinter der Tür, aber wie immer wird es einen Ausweg geben aus dieser vermeintlichen Sackgasse. Heute und morgen ist noch eine Zweidrittelmehrheit für die Wahl des Präsidenten erforderlich, und die wird es wohl kaum geben. Ab Donnerstag reicht die

absolute Mehrheit und bis dahin, oder spätestens bis Freitag, sollten die Weichen gestellt sein. Wenn Sie diese Zeilen lesen, gibt es daher vermutlich einen Staatspräsidenten (oder eine Staatspräsidentin) und es dürfte Gewissheit herrschen, welche Regierung dieses letzte Jahr bestreiten wird, da vorgezogene Neuwahlen wohl kaum zur Diskussion stehen sollten. Für mich ist es mitten in diesem Entscheidungsprozess zwar spannend, aber immer wieder auch ernüchternd, da Sachentscheidungen fast nur als Nebenprodukt politischer Ränkespiele getroffen werden. Aber das wird sich wohl kaum ändern, es ist manchmal schon schwierig, sich selbst nicht in dieser unbeaufsichtigten Sandkiste zu verlieren. Angespannte Grüße aus der Wahlkabine, am 25. Jänner 2022

Manfred Schullian Kammerabgeordneter

Brief aus dem Landtag

Diskussion über Impfpflicht: Spaltung der Gesellschaft. Im Süd-Tiroler Landtag wurde unlängst über die Impfpflicht und die daraus resultierende Spaltung der Gesellschaft diskutiert. Auch wenn der Landtag nicht über die Impfpflicht entscheiden kann, war es wichtig, dieses Thema im Landtag zu diskutieren, denn durch die Corona-Maßnahmen ist es zu einer Spaltung der Gesellschaft gekommen, die unserem Land nicht guttut. Als demokratisch gewählter Volksvertreter muss man sich die Frage stellen, wie weit die Politik eigentlich gehen darf. Darf man Menschen, die eine andere Meinung vertreten, einfach ausgrenzen, diskriminieren und sogar wirtschaftlich ruinieren? Es geht hier nicht um Unannehmlichkeiten oder darum, in einem Gasthaus keinen Kaffee mehr trinken zu dürfen, sondern darum, nicht mehr arbeiten zu dürfen. Menschen die Arbeit zu verbieten bedeutet, sie finanziell zu ruinieren. Wovon sollen diese Menschen zukünftig leben, ihre Miete bezahlen, ihren Kindern ein würdiges Leben bieten? Ist uns das alles einfach egal? Diese Menschen sind nicht irgendwelche Fremden, das sind unsere Nachbarn, Freunde und Familienangehörige. Das sind Menschen, die bis gestern noch wertvolle Mitglieder unserer Gesellschaft waren, die auf den Balkonen beklatscht wurden, weil sie in der ersten Corona-Phase teilweise ohne Schutz-

ausrüstung in den Krankenhäusern ihren Dienst für uns alle geleistet haben. Als Dank dafür werden sie nun aber verachtet, ausgegrenzt und ruiniert. So etwas darf man nicht tun, zu so einer Gesellschaft dürfen wir nicht werden! Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat erst vor kurzem die Ausgrenzung und Diskriminierung von Nichtgeimpften in Italien scharf kritisiert. Das sollte uns zum Nachdenken anregen. Es gibt viele gute Gründe, die für eine Impfung sprechen, es gibt aber auch genauso berechtigte Gründe, weshalb sich jemand persönlich dagegen entscheidet. Das gilt es zu respektieren, niemand ist deswegen ein besserer oder schlechterer Süd-Tiroler. Ich glaube an ein SüdTirol, das zusammenhält und gemeinsam den Weg aus der Corona-Krise findet.

L.-Abg. Sven Knoll, Süd-Tiroler Freiheit.


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