BIER Ausgabe 17

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AUSGABE 17 — BIER FRÜHLING 2021 — €5,—

BIERMAGAZIN.AT — CRAFTBIERFEST.AT 9 120096 780097

— MAGAZIN FÜR GEMEINSAMEN BIERGENUSS —

DIE KRISE ALS KATALYSATOR FOODPAIRING BIERIDEEN ZUR JAUSE

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DIE STIMME DER BIERTRINKERiNNEN

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ALKOHOLFREIES BIER JENSEITS ALLER KLISCHEES

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ENTDECKE DEN GESCHMACK AUS DER SCHATZKAMMER DER TSCHECHISCHEN REPUBLIK

200 TAGE GER EIF T

C Z EC H I M P ER I AL L AG ER


EDITORIAL

BIER FRÜHLING 2021

LIEBE BIERFREUND­iNNEN D

arten es dort gibt. Manuel Fronhofer hat sich dem alkoholfreien Bier angenommen, das eine immer wichtigere und hoch nachgefragte Rolle auf dem Markt einnimmt und sich von seinen Klischees befreit. Und dann gibt es etwa noch eine Story zum Thema Foodpairing, diesmal mit Jause als Begleitung zum Bier. Oder auch einen kleinen Einblick in das Thema Mehrweg beim Bier, anlässlich von Otta­ kringers Umstieg auf die braune

NRW-Flasche. Zum Einstieg haben wir Persönlichkeiten aus Politik, Kultur, Gastronomie und Wissenschaft nach ihren Erinnerungen an ihr erstes Bier gefragt. Gemeinsam ist diesen Storys etwas, das wir in Zukunft noch mehr in den Mittelpunkt stellen wollen: BIER soll ein Magazin sein für alle, die gern gemeinsam Bier trinken. Bei Verkostungen, bei gemeinsamen Abendessen, aus Interesse an den neuesten Kreationen, mit Wissen und Sensorik auf der Suche nach Qualität oder einfach am Nachmittag auf einem Festival. Damit das gelingt, freuen wir uns über euren Input und eure Ideen. Kritik, InstagramFotos, Storyideen oder was auch immer euch dazu einfällt: martin@craftbierfest.at Wir, das sind übrigens aktuell Samantha Breitler, Christine von Reden, Niko Alm, Thomas Weber und ich, Martin Mühl. Wir freuen uns darauf, gemeinsam mit euch Bier zu genießen. Prost!

_BILD Martin Mühl

AUSGABE 17

er Wille zum Bier ist ungebrochen. Wir haben diesen inhaltlich ernst gemeinten Kalauer Mitte letzten Jahres im Zusammenhang mit unserer Crowdinvestment-Kampagne zum Craft Bier Fest bemüht. Und er stimmt nach wie vor. Nicht nur für uns, sondern auch für viele andere in der Branche. Manches davon, weiß unsere Coverstory von Romana Beer zu erzählen: Von BrauerInnen, die neue Schritte gewagt haben, BrauerInnen, die im Vertrieb etwa über eigene Webshops die Nähe zur Community gesucht haben, HändlerInnen, deren Onlineverkostungen zum Fixprogramm für viele geworden sind, und von Bierfans, die den Schritt zur/zum HomebrewerIn gewagt haben. Diesen widmen wir in diesem Heft dann gleich noch eine zweite Story von Sebastian Fasthuber. Und wir erzählen von noch mehr: Von den internationalen KonsumentInnenverbänden – wie der Bier IG in Österreich –, die seit Jahrzehnten um die Bierkultur bemüht sind. Jürgen Schmücking hat sich in die Berge Tirols aufgemacht, um zu sehen, welche Rolle Bier auf den Berg­ hütten einnimmt und welche Spiel-


BIER FRÜHLING 2021

INHALT _BILDER Jürgen Schmücking Fiala Peyer Supersud

20 ALMRAUSCH Wunderbare Biere, wanderbares Tirol

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MEIN ERSTES BIER Bekenntnisse, Erinnerungslücken und bierselige Blicke zurück

30 NEUE HEIMBRAUERiNNEN


INHALT

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30

EDITORIAL

BIERPAIRING Jausenboxe(l)n

04

30

KEVIN KOSTET Die Biere von Brauküche 35

INHALT

NEUE HEIMBRAUERiNNEN

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MEIN ERSTES BIER

DIE STIMME DER BIERTRINKERiNNEN

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BIERLAND Das Bierjahr 2020 in Zahlen

MEHR MEHRWEG?

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KRISE ALS KATALYSATOR

ALKOHOLFREIES BIER

20

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ALMRAUSCH Wunderbare Biere, wanderbares Tirol

NEUES BIER

50 BIERTERMINE

Braue jetzt Dein 38 eigenes Bier BIERSZENE CHICAGO

48 GASTHAUSBRAUEREIEN

- Helles Zwickl - Wiener Lager - Pale Ale

IMPRESSUM Produktion und Medieninhaberin:

www.mashcamp.shop

AUSGABE 17

Supersud GmbH, Wohllebengasse 16/6, 1040 Wien — Geschäftsführer: Martin Mühl — Chefredakteur: Martin Mühl — Gestaltung: Valence — Layout: Michael Mickl — Coverfoto: Hopfenspinnerei — AutorInnen: Thomas Bassen, Romana Beer, Samantha Breitler, Sebastian Fasthuber, Manuel Fronhofer, Jürgen Schmücking, Thomas Weber — Druck: Walstead NP Druck, 3100 St. Pölten — Kontakt: info@craftbierfest.at


BIER FRÜHLING 2021

MEIN ERSTES BIER

_SAMMLUNG Thomas Weber

Bekenntnisse, Erinnerungslücken und bierselige Blicke zurück SEPP SCHELLHORN

54, Politiker (Neos) und Gastronom (u. a. Der Seehof, Goldegg)

RENÉE SCHRÖDER 68, Biochemikerin

I

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mog ka Bier. Es macht mich müde und ist mir zu bitter. Ich hab mal russisches Pivo probiert, das schmeckt wie verdorbene Suppe. Nur ein echtes Budweiser vom Fass, das trink ich. Aber mein Vater war begeisterter Biertrinker. Und da hab ich als Kind in Brasilien, wo ich aufgewachsen bin, immer von seinem Schaum genascht. Er hat Chopp Brahma getrunken, das weiß ich noch. Ich bin auch heute die Einzige in der Familie, die kein Bier trinkt. Mein Sohn braut sogar selbst zu Hause – irgendein Pale Ale. Und ich helfe ihm beim Pantschen. Selbst trinke ich lieber Cider oder was Süßeres.

_BILDER Der Seehof, Stefan Knittel, Irene Schaur, Fiala Payer, Felix Birkenseer

B

ist du deppert, ist das lang her! Als Kleinkind hab ich den Hansl gesoffen. Aufgewachsen als Wirtshauskind hilft man ja beim Bier­ zapfen. Es war zu Fronleichnam, ich erinnere mich noch genau. Nach der Prozession waren die ganzen Vereine zum Spielen und Saufen da. Ich war wahrscheinlich eh schon zehn und hab beim Zapfen das Überschüssige und den warm gewordenen Schaum getrunken – und dann furchtbar gespieben vor den Gästen. In meiner persönlichen Evolution bin ich ja eher beim gepflegten Weißwein gelandet. Das liegt – ich bin ganz ehrlich – daran, dass ich beim Biertrinken so oft aufs Häusl muss. Aber ein Pfiff oder ein kaltes Seidl oder ein Budweiser, da bin ich immer dabei. www.derseehof.at


MEIN ERSTES BIER

MARCUS WADSAK

50, Leiter der ORF-Wetterredaktion

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as allererste Bier hab ich ehrlich gesagt nicht als wahnsinnig prägend in Erinnerung. Aber ich weiß, dass ich wirklich gewartet habe, bis ich offiziell trinken darf, und dass ich es zu Schulzeiten in Wien im Kolar getrunken hab. Dort war damals das erste Seidel – als sogenannter »Anstich« – umsonst. Die haben dort Warsteiner ausgeschenkt, glaub’ ich. Später hat dort dann das Seidel 11 Schilling gekostet. Da sind wir mit Mädels hingegangen und nach zwei kleinen Bieren hatte man letztlich kein Geld ausgegeben. Ich bin Biertrinker geworden. Mein liebstes Bier und Ritual ist das feierliche Bockbier zu Weihnachten und zu Ostern. Vor allem der Bock zu Ostern ist – weil ich die Fastenzeit wirklich durchziehe – im wahrsten Sinn des Wortes umwerfend. Eine würdige Auferstehung.

KATHARINA WEISS

28, Sängerin bei Die Draufgänger und Kindergärtnerin

M

ein erstes Bier war sicher ein Puntigamer! Erst eins, dann zwei, dann drei, dann vier, dann stand ich rauschig vor der Tür. Auch wenn ich unter meinen Jungs als Radlertrinkerin verschrien bin: Bier trink ich alleweil gerne. Wir verkosten bei unseren Konzerten auch immer was es vor Ort an Bieren gibt, weil: »Looking for Freibier!« Und es stimmt wirklich: Das beste Bier von allen ist das Freibier!

Instagram: @katha_rina_weiss

DAVID SCHALKO

48, Regisseur, Autor und TV-Entwickler

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AUSGABE 17

ein erstes Bier, wenn man es so nennen kann, war ein geheimer Schluck aus dem Glas meines Vaters. Ich muss so elf gewesen sein. Da die Erwachsenen ein großes Geheimnis um dieses Gebräu machten – »es schmeckt dir nicht«, »das ist etwas für Erwachsene« –, umwehte die gelbliche Flüssigkeit bald ein Geheimnis ähnlich einem Zaubertrank. Was würde passieren, wenn ich es trinke? Würde ich mich verwandeln? Womöglich in einen Erwachsenen? Als mein Vater einmal den Zaubertrank unachtsam am Tisch stehen ließ, konnte ich der Versuchung nicht mehr widerstehen. Ich nahm einen Schluck. Und war überrascht. Es war gar nicht so bitter. Und mein kindlicher Gaumen fand Gefallen daran. Es hatte tatsächlich eine Verwandlung stattgefunden. Nämlich die zum Biertrinker. Auch wenn ich damals noch ein paar Jahre warten musste.


BIER FRÜHLING 2021

LEO HILLINGER

52, Winzer und Investor

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ein erstes Biererlebnis hatte ich während meiner Schulzeit in der Weinbau­ schule in Krems. Es war ein brütend heißer Tag und ich hatte so großen Durst – da habe ich mir einen halben Liter Bier bestellt und diesen mit nur zwei Schlucken ausgetrunken. Danach wurde mir so schwindelig … Insgesamt war es aber ein sehr lustiges Erlebnis und für mich war es der beste Durstlöscher!

JÖRG LEICHTFRIED

53, stellvertretender Klubvorsitzender der SPÖ

DENISE AMANN

42, Fernsehköchin und Wirtin (Mizzitant, Frastanz)

I

8

ch war von klein auf in Kontakt mit Bier, weil meine Mutter Bier liebt, sonst aber gar keinen Alkohol trinkt. Das Bittere und Würzige hat mich sofort überzeugt. Ich war 15, als ich mein erstes – ganzes – Bier getrunken hab. Ursprünglich stamme ich aus Bludenz, deshalb weiß ich auch noch genau, welches Bier das damals war: Fohrenburger. Das wird dort gebraut und du wurdest dort früher geächtet, wenn du was anderes getrunken hast. Das wurde als Verrat empfunden. Vorarlberg ist ja kein Weinland und traditionell eine Biergegend. Früher war vieles einfallslos, aber mit der Experimentierfreude blüht jetzt die Bierkultur. Mein Hauptlieferant fürs Restaurant – die genossenschaftliche Brauerei Frastanzer direkt aus dem Ort – hat fast zur Gänze auf Bio umgestellt, pasteurisiert nicht alles und experimentiert. Ideal. www.mizzitant.at

_BILDER Leo Hillinger GmbH, SPÖ-Parlamentsklub, Angela Lamprecht

D

as erste Mal ein Bier in einem Lokal zu bestellen, ist immer ein bisschen aufregend. Als Oberstufenschüler im Gymnasium Bruck habe ich die Abende mit meinen Schulfreunden meistens im Gasthaus Schwarzer Adler im Zentrum der Stadt verbracht. Mein erstes Bier dort war ein Gösser Mischbier. Und beim Bier bin ich noch immer Lokalpatriot. Heute trinke ich am liebsten ein Gösser Spezial.


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CRAFT BEERS


BIER FRÜHLING 2021

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DAS BIERLAND 2020

_BILDER istock.com / Elena Mitrokhina istock.com / f28production

Das Schließen der Gastronomie hat 2020 sichtbare Spuren hinterlassen.

_QUELLEN Statistik Austria Bierland Österreich

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BIER FRÜHLING 2021

DIE KRISE ALS KATALYSATOR

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_TEXT Romana Beer

_BILDER Hopfenspinnerei Hofbräu Kaltenhausen Mash Camp GmbH Elias Jerusalem Steve Haider


DIE KRISE ALS KATALYSATOR

Dass die Gastronomie in den letzten Monaten geschlossen bleiben musste, hat die Brau­ereien hart getroffen. Nicht wenige haben die Zeit genützt, um sich neu aufzustellen.

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frauunternehmen; nur ein Jahr später gewann ihr Lavendel-Limetten-Ale namens Georg Ludwig einen Staatsmeistertitel. Umzugspläne habe es schon länger gegeben, denn aus den gemieteten Räumlichkeiten ist die Hopfenspinnerei mit ihren hand-

»Den Shop ohne neue Perspektive zu schließen, hätte mehr geschmerzt, mit dem Neubeginn in der alten Mühle gab es die Aussicht auf ein schöneres, größeres Projekt.« ↑ EVELYN BÄCK, HOPFENSPINNEREI

AUSGABE 17

ie Umbauarbeiten sind in vollem Gange: Eine Waldviertler Mühle aus dem 14. Jahrhundert soll zur neuen Heimat der Hopfenspinnerei werden. Anfang Mai dieses Jahres wurden die letzten Hopfenvorräte in den gemieteten Räumen im Schloss Walpersdorf bei Sankt Pölten aufgebraucht und der letzte Sud wurde eingebraut. Nun zieht die kleine Kreativbrauerei knappe 90 Kilometer Richtung Norden, nach Waidhofen an der Thaya. Bierbrauen und Wohnen, Braukurse, Workshops und ein Verkaufsraum – das alles soll hier in der alten Mühle samt Maschinenraum, Magazin und Garagen sowie in der ehemaligen Schwarzbäckerei Platz finden. Es ist ein großes Projekt, das sich Evelyn Bäck und ihr Partner Gwaël Gauthier vorgenommen haben. Und eines, das ohne die Corona-Pandemie gar nicht erst ins Rollen gekommen wäre. »Die Krise war ein Katalysator dafür«, sagt Bäck. 2017 gründete die ehemalige Journalistin und Hobbybrauerin die Hopfenspinnerei als Ein-

werklich hergestellten und mehrfach ausgezeichneten Bieren rasch herausgewachsen. Doch der richtige Zeitpunkt war noch nicht da. »Im ersten Lockdown hat sich abgezeichnet, dass vieles eine ganze Zeit stillstehen wird. Da haben wir uns gesagt: Genau jetzt ist die beste Chance, ein großes Projekt wie eine Sanierung und einen Umzug durchzuziehen.« Und noch im März letzten Jahres machten sich die beiden auf die Suche nach einer passenden Immobilie. Einfach war das vergangene Jahr nicht. »Vor dem ersten Lockdown waren unsere Lager bis oben hin voll – für das Frühjahr waren ja Veranstaltungen geplant«, erzählt Bäck. Ein


BIER FRÜHLING 2021

— Die historischen Walzenstühle in der alten Mühle, in der bald gebraut wird. —

— Evelyn Bäck am Braukessel. —

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paar Tanks Bier sind sogar im Kanal gelandet. Bitter sei auch die Schließung des Shops in Sankt Pölten gewesen. Nur zwei Monate konnte der gerade erst bezogene Standort in der Fußgängerzone so genutzt werden, wie es geplant war – mit Ausschank und kleinen Veranstaltungen. »Als Lebensmittelgeschäft hätten wir zwar geöffnet bleiben können, aber im ersten, strengen Lockdown war fast niemand auf der Straße. Wir haben dann recht schnell beschlossen, das Projekt zu begraben, weil uns völlig klar war, dass sich das nicht rechnen konnte.« Und so wurden im August die Umzugskartons gepackt. »Den Shop ohne neue Perspektive zu schließen, hätte mehr geschmerzt«, sagt die Brauerin rückblickend. Aber mit dem Neubeginn in der alten Mühle habe es »die Aussicht auf ein schöneres, größeres Projekt« gegeben. Und den Kopf in den

Sand zu stecken, sei ohnehin nie eine Option gewesen.

»Wir können den Wind nicht ändern …« Auch in der ältesten Brauerei Salzburgs, dem Hofbräu Kaltenhausen in Hallein, wurde die Zeit des Stillstands genutzt. Das 1475 gegründete Hofbräu, das heute zur Brau Union gehört, liegt zwischen schroffen Felsen und der Salzach – mit seiner Spezialitäten-­ Manufaktur, in der Braumeister Martin Simion neue Bierkreationen entwickelt, und dem Bräustübl, in dem man diese gleich genießen kann. Letzteres hat seit vergangenem Jahr einen neuen Pächter. Es sei genau der richtige Zeitpunkt gewesen, erzählt Gerhard Litzlbauer: »Jede Krise bietet auch neue Chancen, und die CoronaKrise hat mir die Möglichkeit und die Zeit gegeben, dieses große Projekt Stück für Stück aufzubauen.« Ohne die Pandemie hätte er das Bräustübl wahrscheinlich nicht übernommen, so der gelernte Koch, Braumeister und Biersommelier. Freude über den monatelangen Gastronomie-Lock-


DIE KRISE ALS KATALYSATOR — Günther Hinterholzer von der Brau Union, Bräu­stüblWirt Gerhard Litzlbauer und Braumeister Martin Simion (v. l. n. r.). —

down herrschte natürlich nicht, aber man habe versucht, das Beste daraus zu machen. Ganz nach dem Motto »Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel neu setzen«, wie auf der Facebook-Seite des Bräustübl zu lesen ist. Die Umbau- und Renovierungsarbeiten seien noch größer ausgefallen als geplant – und das habe sich gelohnt:

↑ GERHARD LITZLBAUER, BRÄUSTÜBL KALTENHAUSEN

»Durch den Zeitpolster konnten wir unserer Kreativität freien Lauf lassen und ein stimmiges Konzept erarbeiten.« Die Neueröffnung fand mit 1. April zwar mitten im Lockdown statt, Take-away und Auslieferung würden aber bereits gut angenommen, so Litzlbauer: »Die Besucher sind neugierig und man spürt die Vorfreude.« Nicht nur im Bräustübl, auch in der Spezialitäten-Manufaktur wurde in den letzten Monaten einiges erneuert, erzählt Braumeister Simion. »Und wir starten mit einem neuen, spannenden Bier in den Sommer, das es auch im Bräustübl geben wird.« Eingebraut wurde das »ungewöhnliche Bier«, wie Simion es beschreibt, mit einem Rohstoff, der typisch für die Region ist: Salz. Die Eröffnungsparty werde jedenfalls nachgeholt, ist sich das Team in Kaltenhausen einig.

Hamsternde HobbybrauerInnen Die geschlossene Gastronomie und Absagen von Konzerten und anderen Großveranstaltungen wirkten sich auf den Bierabsatz besonders negativ aus. In der Krise büßten Österreichs Brauereien durchschnittlich ein Fünftel ihres Umsatzes ein, hieß es im März seitens des Brauereiverbandes. Insgesamt wurden 2020 in Österreich um rund 840.000 Hektoliter weniger Fass- und Tankbier verkauft als im Jahr zuvor. Das entspricht rund 170 Millionen Krügerln und bedeutet ein Minus von 46 Prozent. Das Geschäft verlagerte sich laut Brauereiverband stark in Richtung Lebensmittelhandel, wo der Bierabsatz stieg. In den eigenen vier Wänden wurde aber nicht nur Bier getrunken, sondern immer öfter auch selbst gebraut.

AUSGABE 17

— Direkt unter den markanten Barm­steinen liegt das Hofbräu Kaltenhausen. —

»Durch den Zeit­polster konnten wir unserer Kreativität freien Lauf lassen und ein stimmiges Konzept erarbeiten.«


BIER FRÜHLING 2021

Heimbrauen habe durch Lockdowns und Homeoffice einen Boom erlebt, »ähnlich wie das Brotbacken«, sagt Alexander Beinhauer, der zusammen mit Johannes Grohs, neben der Brauerei Next Level Brewing und dem Beer Store Vienna mit Mash Camp auch einen Webshop für Homebrew-Equipment betreibt. »Die Leute haben mehr Zeit zu Hause verbracht, und viele haben statt in Urlaub in Hobbys investiert.«

Hobbys wie eben Bierbrauen: »Homeoffice und Homebrewing lassen sich gut kombinieren. Im ersten Lockdown wurden unglaubliche Mengen an Zutaten zum Bierbrauen gehamstert. Was im Supermarkt das Klopapier war, waren bei uns die 25-Kilogramm-Malzsäcke«, erzählt Beinhauer. Im Webshop seien die Zugriffszahlen von einem Tag auf den anderen stark gestiegen. Das Lager

»Home­office und Homebrewing lassen sich gut kombinieren.« ↑A LEXANDER BEINHAUER, MASH CAMP

— Alexander Beinhauer und Johannes Grohs mit ihren Bierbrausets für zu Hause. —

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wurde seither vergrößert, ebenso das Sortiment von Mash Camp. Gleichzeitig mit den steigenden Verkaufszahlen im Heimbrau-Webshop habe es aber einen starken Rückgang bei den KundInnen im Beer Store gegeben. »Viele haben einfach nicht angenommen, dass wir im Lockdown geöffnet haben«, so Beinhauer. Und auch der Vertrieb der eigenen Biere von Next Level Brewing sei wegen der geschlossenen Gastronomie schwierig gewesen. »Durch den starken Fokus auf Mash Camp und den Ausbau des Webshops für Heimbraubedarf konnten wir die Verluste aber glücklicherweise wettmachen.«

»Die Zahlen sind in die Höhe geschossen« Dass sich von einem Tag auf den anderen alles ins Netz verlagerte, merkte auch Josef Habich, Geschäftsführer des Wimitzbräu, einer der wenigen Brauereien in Österreich, die zu 100 Prozent biologisch brauen. Sogar Gerste und Hopfen werden hier selbst angebaut. Und das Brauwasser entspringt aus einer nur ein paar Hundert Meter von der Mikrobrauerei entfernten Quelle. Denn nicht nur unbehandelt, auch unabhängig soll das Bier sein – das ist Habich wichtig. Eine »glückliche Fügung« sei es gewesen, dass die 2011 gegründete Kärntner Biobrauerei nur drei Monate vor dem ersten Lockdown einen Webshop eingerichtet hat. »Plötzlich war der Schwerpunkt auf dieser Vertriebsschiene. Die Zahlen sind so schnell in die Höhe geschossen, dass wir gar nicht darauf vorbereitet waren. So stark wie in den ersten zwei Wochen war der Ansturm aber nie wieder«, erzählt Habich. Die Stimmung sei damals, im Frühling vergangenen Jahres, eine ganz andere gewesen: »In den Medien und auf allen möglichen Plattformen war die Parole: ›Wir schaffen das!‹ Die Leute sind zu Hause geblieben und haben bewusst online, aber in der Region eingekauft.«


DIE KRISE ALS KATALYSATOR

Mittlerweile haben sich die Verkaufszahlen im Onlinebereich stabilisiert und steigen stetig, so Habich. Zu 95 Prozent seien die KundInnen im Webshop zudem neue Kund­ Innen. »Wir stellen ein Naturprodukt her – bio und ohne Stabilisierung. Unser Bier ist somit ständig frisch am Start, und außerhalb Kärntens konnte man es bisher gar nicht erwerben.« Mithilfe des Webshops werden Märzen, IPA und Bockbier aus dem abgelegenen Wimitztal nun in ganz Österreich – von Vorarlberg bis Wien – verkauft.

Bierverkostung im eigenen Wohnzimmer

— Seit zehn Jahren braut Josef Habich mit seinem Team im Kärntner Wimitztal naturbelassenes Bier. —

»Die Zahlen sind so schnell in die Höhe geschossen, dass wir gar nicht darauf vorbereitet waren. So stark wie in den ersten zwei Wochen war der Ansturm aber nie wieder.« ↑ JOSEF HABICH, WIMITZBRÄU

AUSGABE 17

Vieles ist in den Monaten der Pandemie ins Netz gewandert: Schulunterricht und Besprechungen mit ArbeitskollegInnen genauso wie Freizeitaktivitäten – von der Yogastunde über Sprachkurse bis zum abendlichen Plaudern bei einem Bier mit FreundInnen. Und auch Onlineverkostungen boomen bei österreichischen Bierfans. Pionier und wohl auch Rekordhalter ist der Craft-Bier-Händler Beerlovers, der in seinem Flagship-Store in Wien und im Onlineshop an die 1.500 Biere aus über hundert österreichischen und internationalen Brauereien anbietet. Schon seit über einem Jahr verkostet Beerlovers-Chef und Biersommelier Markus Betz jede Woche Biere bekannter Brauereien und fachsimpelt mit per Videokonferenz zugeschalteten Gästen darüber. Den Anfang machte im ersten Lockdown die international erfolgreiche Brauerei Brew Dog aus Schottland. Mittels Facebook-Livestream kann jeder bequem im eigenen Wohnzimmer zusehen, die zuvor bestellten Biere verkosten und über die Kommentarfunktion mitdiskutieren. Zwischen 80 und 130 Gäste schauen laut Beerlovers jede Woche zu. Anfangs seien die Onlineverkostungen »nur« ein guter Ersatz für


BIER FRÜHLING 2021

»Am Anfang waren die Online­­ verkostungen ›nur‹ ein guter Ersatz für ausgefallene Präsentationen und Events während der ersten Wochen der Pandemie, mittlerweile sind sie für uns ein wichtiges Marketingtool.« ↑ MARKUS BETZ, BEERLOVERS

ausgefallene Präsentationen und Events gewesen, mittlerweile seien sie aber ein wichtiges Marketingtool, sagt Betz. Und während zu den Beerlovers-Veranstaltungen vor der Pandemie großteils WienerInnen kamen, beteiligten sich an den Onlineverkostungen »interessierte Bierfans vom Bodensee bis zum Neusiedler See«. Das Format soll in Zukunft auf alle Fälle weitergeführt werden, aber wahrscheinlich nicht mehr wöchentlich.

Vorfreude auf den Neubeginn Auch die Culturbrauer, ein Zusammenschluss von acht österreichischen Privatbrauereien, haben im vergangenen Herbst begonnen, Onlineverkostungen zu veranstalten. »Nachdem klar war, dass die Gastronomie im Winter geschlossen bleibt, wollten wir auf diesem Weg mit unserer Community in Kontakt sein«, erzählt Josef Rieberer, Geschäftsführer der Brauerei Murau. Fünf Verkostungen

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— Acht österreichische Privatbrauereien bilden seit 2008 zusammen die Culturbrauer. —


DIE KRISE ALS KATALYSATOR

gab es bisher – »eine fantastische und kostengünstige Möglichkeit«, Bierfans in Österreich, Deutschland und der Schweiz zu erreichen. Begeistert und überrascht ist Rieberer vom großen Bierwissen der Teilnehmenden: »Man sollte die Kompetenz der österreichischen BiertrinkerInnen nicht unterschätzen. Da gibt es ganz viele, die sich mit großer Leidenschaft für Bier interessieren und die große Biervielfalt, die

es in Österreich gibt, schätzen.« Für den Herbst und den Winter kann sich Rieberer weitere Onlineverkostungen der Culturbrauer vorstellen, aber über den Sommer wolle man erst einmal »die geöffnete Gastronomie genießen«. Im Sommer, spätestens im Herbst, soll dann auch der Braubetrieb der Hopfenspinnerei in der historischen Mühle im Waldviertel starten. Das

Risiko, das sie eingegangen ist, bereut Evelyn Bäck trotz einiger schlafloser Nächte nicht: »Wenn man jedes Risiko von sich fernhält, limitiert man sich.« Und jetzt, da das große Projekt in die Schlussphase geht, überwiege die Vorfreude. Biertrinken habe viel mit Geselligkeit zu tun, so Bäck, »und die BrauerInnen haben genauso wie die KundInnen lange gewartet, dass es endlich wieder losgehen kann«.

»Man sollte die Kompetenz der österreichischen BiertrinkerInnen nicht unterschätzen. Da gibt es ganz viele, die sich mit großer Leidenschaft für Bier interessieren und die große Biervielfalt, die es in Österreich gibt, schätzen.« ↑ JOSEF RIEBERER, BRAUEREI MURAU AUSGABE 17


BIER FRÜHLING 2021

ALMRAUSCH – WUNDERBARE BIERE, WANDERBARES TIROL

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_TEXT und BILD Jürgen Schmücking


ALMRAUSCH – WUNDERBARE BIERE, WANDERBARES TIROL

Auf ein Bier – oder mehr – in die Tiroler Alpen. Jürgen Schmücking, ein Wahl­ tiroler, ist in die Berge gegangen, weil er wissen wollte, wo Wanderlust und Biergenuss eine Einheit bilden. Die Suche nach den besten Bieren auf den schönsten Almen.

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enau jetzt – also im Frühsommer – passiert es. Die Kühe verlassen ihre Winterställe und werden zum Sömmern auf die Alm getrieben. Bewirtschaftete Almen, Berggasthöfe und Schutzhütten werden wieder auf Vordermann gebracht und bereiten sich auf Wandernde und BikerInnen vor. Und das bedeutet, dass nicht nur die Rinder, sondern auch ein stattlicher Biervorrat auf den Berg gekarrt wird.

Pfad, der an Latschenkiefern und Almrosen vorbei durch die atemberaubende Kulisse des Arlbergs führt. Weiter unten, im Lechtal, wird das Flussbett breiter und formt eine einzigartige Landschaft. Es ist ein spektakuläres Spiel mit Farben, Licht und Formen, die der Lech, der letzte Wildfluss der Nordalpen, bietet. Das Gehen verspricht also Abwechslung, innere Einkehr, sportlichen

Anspruch und natürlich allerhand Köstlichkeiten. Die Lechwegprodukte, kulinarische Botschafter des Weges, sind besondere Lebensmittel, die sorgfältig, handwerklich und aus Zutaten der Region hergestellt werden. Und es sind Produkte, die in jedem Rucksack Platz finden. Die Vielfalt reicht von krummen Kaminwurzen und Lech­taler Käse bis hin zum sensationellen Durstlöscher, dem Lechweg-Bier, und zum hochgeistigen Kramat, dem rustikalen Gin mit dem historischen Namen. Es ist eine Reise wie auf dem Jakobsweg. Nur besser. Landschaftlich wie kulinarisch. Jetzt aber zur ersten Alm. Der Marsch zur Vilser Alm ist eine nicht allzu anstrengende Wanderung in der Naturparkregion Reutte. Entspanntes Wandererlebnis und sensationelle Aussicht sind dabei garantiert. Die Strecke kann auch mit Kindern gut gemeistert werden. Zumal sie – die Kinder – dann auf der Vilser Alm mit einem großen Spielplatz belohnt werden. Das kulinarische Angebot

Wilde Landschaften, kulinarische Abenteuer

— Der Lechweg ist eine Wanderroute von der Quelle zur Mündung des Lech. —

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Beginnen wir mit einem einfachen, aber spektakulären Weg. Der Lechweg ist eine Wanderung von der Quelle zur Mündung, von der Natur zur Kultur und vom Ursprung in die Gegenwart. Der Weg führt durch wilde Landschaften und kulinarische Abenteuer. Hoch über Lech (eigentlich noch in Vorarlberg) geht es los. Der Lech – hier heißt er noch Formarinbach – formt sich zu einem kleinen Bach, der Weg führt zu Beginn durch das Quellgebiet. An einigen Stellen fließt kristallklares Wasser aus der steinigen Erde, und auch der Lechweg selbst ist noch ein schmaler


BIER FRÜHLING 2021

auf der Vilser Alm kann sich ebenfalls sehen lassen. Die klarerweise selbstgemachten Speckknödel sind top, ebenso der Kaiserschmarren. Marenden, also Brotzeiten, gibt es in großer Vielfalt und als Bier wird das Lechweg-Bier der Privatbrauerei Vils ausgeschenkt. Alleine dafür lohnt der Weg.

Lamm und Biobier Greit bei Pfunds im Dreiländereck. Der Berghof dort ist eigentlich keine Alm. Auch keine Schutzhütte. Trotzdem gehört er hierher. Aus mehreren Gründen. Zum einen sind da die herrlichen Wanderungen rund um Pfunds. Der Radurschlklammsteig zum Beispiel. Oder die Runde zum Pfundser Tschey. Alles herrlich naturbelassene Wanderwege, auf denen man erstaunlich wenigen Wandernden begegnet. Zum anderen der Berghof selbst. Ein hochgradig sympathischer Hof samt Landwirtschaft, Gasthof und neuerdings auch eigener Brauerei. Toni Thöni, der Chef am Herd, hat sein Handwerk bei den besten Köchen des Landes gelernt. Erkennen kann man das unter anderem an seinen Lammgerichten. Die geschmorte Keule – ein Traum. Oder das Lammsugo. Das gab es während der Zeit des Lockdowns – neben anderen Köstlichkeiten vom Berghof – im Glas. Seit dem Spätsommer 2020 wird am Berghof auch gebraut. Elisa, die Tochter des Hauses, und Roman, ihr Schweizer Mann, haben die Brauerei gegründet. Seither werden zwei Biobiere gebraut. Ein naturtrübes, feinherbes und ausgesprochen frisch-fruchtiges Zwickl sowie ein hefetrübes Weizenbier. Absolut köstlich, beide, und eine uneingeschränkte Empfehlung zur besagten Lammkeule. Einziger Wermutstropfen dabei: Das Restaurant am Berghof hat

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Als Bier wird das Lechweg-Bier der Privatbrauerei Vils ausgeschenkt. Alleine dafür lohnt der Weg. nur an zwei Tagen geöffnet. Donnerstag und Sonntag. Und an Feiertagen. Also gut planen!

Knackige Würze Schwaz, Vomp, Kellerjoch. Die nächste Station liegt bereits im Tiroler Unterland. Nein, das hat nichts mit der Seehöhe zu tun. Oberland ist alles westlich von Innsbruck, Unterland alles östlich davon. Das Kellerjoch samt Kellerjochhütte ist der Hausberg von Schwaz. Vom Kellerjoch aus blickt man hinunter auf die Silberstadt, andererseits sieht man Berg und Hütte von (fast) jedem Punkt im Tal. Schauen wir also erst nach oben, aufs Kellerjoch.

Claudia Schranz und Christian Lorenz sind neu am Start. Im Lockdown wurde die Hütte unter der Federführung von Holzbauzampano Toni Unterlechner auf Vordermann gebracht. Im Frühjahr 2020 starteten die beiden in ihre erste Saison am Kellerjoch. Was sie seither dort auf die Beine stellen, kann sich sehen lassen. Und was kulinarisch geboten wird, geht weit über das hinaus, was für (derart exponierte) Hütten üblich ist: Speck- oder Kaspressknödel mit Schlamperkraut, ein Nepalesisch-Tiroler Linsen- und Gemüsetopf, Kasmuas oder – für ambitionierte Frühaufsteiger – das Silberzehner Aufweckerl. Als Bier geht hier – nomen est omen

— Mein Schwager, der Brauer (links). Mein Schwager, der Koch (rechts). —


ALMRAUSCH – WUNDERBARE BIERE, WANDERBARES TIROL

– das lokale Kellerjoch ins Rennen. Ein naturtrübes und obergäriges Weizenbier. Es ist frisch, hefig. Aufgrund des Weizenanteils wartet das Kellerjoch mit einem überdurchschnittlich hohen Trinkspaßfaktor auf. Cascade und andere Aromahopfensorten sorgen für knackige Würze. Gebraut wird das Bier von der sympathischen kleinen Brauerei Freundsberg 66, von der auch das tiefdunkle Schwazer Schwarze und der untergärige Fiechter Spitz kommt. Die Wanderungen aufs Kellerjoch zahlen sich aus. Vor allem des Panoramas wegen. Karwendel, Nordkette, die Tuxer Alpen auf der einen Seite, das Inntal bis weit über den Patscherkofel hinaus auf der anderen. Wer es locker angehen will, fährt mit dem Sessellift aufs Kellerjoch und marschiert noch eine halbe Stunde (leicht) zur Hütte. Oder man wählt die Herausforderung und steigt von der Mittelstation, also von Grafenast, auf. Aber auch Craft-Bier-Klassiker sind ein Thema am Berg. Da gibt es zum Beispiel die Stöfflhütte am Wilden Kaiser. Es ist kompliziert. Um das Ganze zu

klären: Das Weidegebiet heißt Walleralm. Das ist so etwas wie das Grätzel am Berg. Die Hütte ist die Stöfflhütte. In Schwoich ist »Stöffl« kein unbekannter Begriff. Das Stöfflbräu heißt jetzt Bierol-Taproom – und braut immer noch außergewöhnlich gute Biere. Craft-Biere. Die urige Stöfflhütte (oben, auf der Walleralm) wurde vor mehr als 350 Jahren gebaut. Heute wie damals werden die Stallungen während der Sommermonate bewirtschaftet. Nach alten Rezepten werden hier Käse und Buttermilch hergestellt. Wer es mit der Milch nicht so hat, fragt einfach nach dem Mountain Pale Ale, einem Tiroler IPA mit stattlichen 7,2 Vol.-% Alkohol. Nicht gerade der leichtfüßige Durstlöscher. Aber zum Speckbrot das Bier der Wahl. Andere Craft-Biere findet man in den Tuxer Alpen, und sie heißen auch so. Tux 1280 heißt die Brauerei. Die Zahl steht einerseits für die Seehöhe, womit die Tuxer die höchstgelegene Craft-Bier-Brauerei des Landes betreiben, und andererseits für das Jahr 1280, in dem Tux-Lanersbach erstmals

urkundlich erwähnt wurde. Das Tux 1280 Black heißt auch Mountain Porter. Verschieden geröstete Malze, die Zugabe von Kakaobohnen und Vanille während der Reife machen das Black zu einem malzigen Gaumenschmeichler, der nicht nur perfekt zu Barbecue oder ofenfrischen Schweinsripperln passt, sondern aufgrund des milden Schokotouchs auch zu den Klassikern der alpinen Desserts. Also zu Kaiserschmarrn oder zum traditionellen Melchermuas. Ausprobieren kann man das zum Beispiel auf der Höllensteinhütte in Tux. Eine Remmidemmi-Wander- und Rodelhütte, allerdings mit einer Küche in der Leute werken, die ihr Handwerk verstehen.

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Das Bier ist frisch, hefig. Aufgrund des Weizen­ anteils wartet das Kellerjoch mit einem überdurchschnittlich hohen Trinkspaßfaktor auf. Cascade und andere Aromahopfensorten sorgen für knackige Würze.


BIER FRÜHLING 2021

Und weil die Getränkekultur auf der Angerer Alm einen besonders hohen Stellenwert hat, gibt es auch immer wieder recht ausgefallene Bierspezialitäten. Das Chambier zum Beispiel, ein feingliedriges und elegantes Bier, bei dem Champagnerhefen zum Einsatz kommen. Tiroler Klassiker Letzte Station: das Kitzbüheler Horn. Genauer gesagt, die Angerer Alm. Die Alm ist nur über die Harschbichl-Seilbahn von St. Johann aus erreichbar. Hausgäste können im Sommer auch eine Straße benutzen. Ein paar Kilometer vor der Alm befindet sich ein Schranken der – nach kurzem Anruf – per Funk geöffnet wird. Für die weitere Fahrt empfiehlt sich allerdings ein Auto mit einer gewissen Bodenfreiheit. Mit ihrer weit zurückreichenden Geschichte ist die Angerer Alm eine Institution am Kitzbüheler Horn. Damals, vor über 200 Jahren, war die Angerer Alm der höchst gelegene Bauernhof in St. Johann. Mittlerweile hat sich die Alm natürlich weiterentwickelt. Tagsüber werden Wandernde mit traditioneller bodenständiger Küche auf ho-

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hem Niveau bedient. Die Kasspatzln kommen fast leicht, aber unglaublich aromatisch auf den Tisch. Und erst der Kaiserschmarrn! Regional eigentlich ja eher der Wiener Küche zuzuordnen, hat sich der Kaiserschmarrn längst einen Fixplatz auf den Karten der Tiroler Wirtshäuser erkämpft. Hier auf der Angerer Alm wird einer

serviert, der seinesgleichen sucht. Locker und flaumig, nicht zu süß, begleitet von schmackhaftem Röster aus Tiroler Zwetschken. Bei der klassischen Brettljause werden Speck und Rohmilchkäse aus der Produktion naher Sennereien serviert, ebenso auf der Karte findet man die Tiroler Klassiker: Gröstl, Kas­press-Speckknödel und den sauer marinierten Graukas. Jedes einzelne Gericht in makelloser Qualität. Und das Bier? Kommt klarerweise aus der Region. Aus St. Johann, um genau zu sein, also der nächsten größeren Ortschaft. Die Familienbrauerei Huber braut hier seit mittlerweile vier Generationen. Auf der Angerer Alm kommen drei Huber-Biere aus dem Fass und ein paar weitere werden flaschenweise angeboten. Und weil die Getränkekultur auf der Angerer Alm einen besonders hohen Stellenwert hat, gibt es auch immer wieder recht ausgefallene Bierspezialitäten. Das Chambier zum Beispiel, ein feingliedriges und elegantes Bier, bei dem Champagnerhefen zum Einsatz kommen. Federführend dabei: die Sektzampanos aus Gols, die Brüder Szigeti. Auf den Tiroler Almen kommen nicht nur NaturliebhaberInnen und BergfreundInnen auf ihre Kosten. Auch für BierfreundInnen (und oft gibt es da Überschneidungen) gibt es hier einiges zu entdecken.

— Die BetreiberInnen der Angerer Alm setzen auf vielfältige Küche in makelloser Qualität. —


Die Brauerei Budweis präsentiert mit dem Budvar Reserve ein Lagerbier, bei dem neben den eingesetzten Rohstoffen auch der Reifeprozess eine bedeutende Rolle spielt.

BILD: BEZILA, BUDWEISER BUDVAR

Die geheime Zutat: Zeit! 200 Tage wird das Budvar Reserve im Brauereikeller bei 2°C gelagert. Geschmacklich ergibt das einen merkbaren Unterschied, wenn man das Reserve mit Lagerbieren vergleicht die nicht auf diese Art gelagert wurden, den Braumeister Adam Broz so beschreibt: »Nicht viele Brauereien lassen ihr Bier 200 Tage heranreifen, da es nicht gerade die profitabelste Art ist Bier zu brauen. Wir machen das, weil nur so der tiefgründige und komplexe Geschmack des Budvar Reserve entstehen kann. Das ist es warum sich für mich diese Wartezeit lohnt.« Wir haben das Bier mit dem amtierenden Biersommelier-Staatsmeister Michael Kolarik-Leingartner verkostet: »Die lange und selten praktizierte Lagerdauer gibt den typischen Aromen, stammend vom Saazer Hopfen und dem Mährischen Gerstenmalz, Zeit zur Entwicklung.

Das Bier im Stil eines Czech Imperial Lager, vereint dadurch seinen malzbetonten Körper mit einer dezent anmutenden Honigsüße und der klassisch aromatischen Bittere des edlen Saazer Hopfens. Die Geschmackskombination erinnert an Honiglebkuchen und etwas Karamell, welche durch die Hopfenaromen von getrockneten Kräutern gut ausbalanciert werden. Durch die 7,5% Vol. Alk. entsteht ein leicht wärmender Effekt am Gaumen, dennoch hinterlässt es einen balancierten und weichen Gesamteindruck.«

Budweiser Budvar – seit 1895 der Inbegriff für Tschechisches Lagerbier. Als einzige Staatsbrauerei der Tschechischen Republik befindet sich diese im Eigentum der tschechischen Bürger, nicht eines Konzerns. Man ist stolz darauf, auch heute noch unabhängig zu sein und rund 10,5 Millionen Miteigentümer zu haben, die wissen wie man fantastisches Lagerbier braut. Dank des Siegels der »geschützten geografischen Angabe«, kann jeder einzige Tropfen dieses Bieres nur an einem Ort gebraut werden und nirgendwo anders: in České Budějovice, auch als ›Budweis‹ bekannt. In Österreich ist das Budvar Reserve im Getränkefachgroßhandel bei Del Fabro Kolarik, Höfinger & Maller, sowie Wieser Kolarik & Leeb erhältlich. Ebenso bieten die E-Commerce Plattformen www.beertasting.shop und www.feingeist.at einen Versand in ganz Österreich an.

ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG

DAS NEUE BUDVAR RESERVE – AUS DEM SCHATZKELLER DER TSCHECHISCHEN REPUBLIK


BIER FRÜHLING 2021

JAUSENBOXE(L)N Es geht beim perfekten Bier zur Jause nicht immer um die feinen Akkorde der Geschmackswahr­nehmung, nicht immer um Fine Dining und darum, die Nuancen der Saucen auf die Intensität der Aromen oder der Bitterstoffe abzustimmen. Es geht schlicht um die Frage: Was passt zum Speckbrot? Was zu den Lamm­ boxeln? Und was zur Käse­semmel? Also zum Take-away ins Abenteuer. Wiener Lager & Lammboxeln

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_TEXT und BILD Jürgen Schmücking

Wir starten mit dem Highlight der Verkostung. Dazu eine kleine anekdotische Vorbemerkung: In Bayern haben sie eine Bierwurst. Eine Brühwurst aus Schweine- und Rindfleisch sowie Schweine- und Rinderherz in der Form einer Handgranate. Meist mit Senfkörnern und Knoblauch gewürzt. Bier ist nicht im Spiel – wurde eher oft dazu verzehrt. »Verzehrt« ist dabei ein bewusst gewähltes Wort, denn von Genuss kann keine Rede sein. Nach mehreren Durchgängen mit Kantwurst (gewöhnungsbedürftig), Caba-


FOODPAIRING JAUSE

als Lammboxeln findet. Schade, weil Letztere viel besser sind. Wer also die Wahl hat, sollte zum Lamm greifen. Das gilt nicht nur für die Wurst. Das Bier dazu: Wiener Lager. Nach unzähligen Versuchen, dann aber recht eindeutig. Dabei ist das nicht selbstverständlich. Im Gegenteil. Eher überraschend. Die dezente Malzsüße ließe eigentlich anderes vermuten. Aber es funktioniert. Die gefällige Bitternote legt sich wie ein feiner Schleier über das cremige Lammfett. Die leicht florale Note ergänzt sich mit der deftigen Würze der Wurst.

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nossi (schauderhaft) und Hirschsalami (eigentlich eh okay) landen wir auf der Suche nach besseren Alternativen eben bei Lammboxeln (grandios!). Die Herkunft des Namens liegt im Ungewissen. Der österreichische Lebensmittelcodex kennt sie zwar, aber nur im Diminutiv – als Lammboxerln. Im Kapitel »Rohwürste ohne Belag« werden sie in einem Atemzug mit Kaminwurzen oder Landjäger genannt. Was stimmig und schade gleichermaßen ist. Stimmig, weil man im durchschnittlichen Wanderrucksack öfter Kaminwurzen oder Landjäger

»Je weißer der Speck, desto kraftvoller das Bier. Wer jemals Reinhold Bartas Dies Irae (ein schwarzer Vorschlaghammer von einem Bier) mit frittiertem Lardo (ein weißer Vorschlaghammer von einem Speck) probiert hat, weiß, wovon die Rede ist.«


BIER FRÜHLING 2021

Bier & Käse Beim Bier wollten wir zuerst eines der Hausbiere von Stiegl probieren. Den hopfig-fruchtigen Gipfelstürmer aus der Brauerei in Wildshut. Das lag auf der Hand. Ein Bier, das so heißt, sollte mit auf den Berg. Gemeinsam mit der Käsesemmel. Wir haben rasch festgestellt, dass der Gedanke nicht wirklich ausgereift war. Erstens (ein praktisch-konditioneller Grund): Die Wildshuter Hausbiere kommen in ziemlich großen Flaschen daher. Nichts, was man so mir nichts, dir nichts in den Rucksack steckt. Zweitens (ein praktisch-kulinarischer Grund): Besagtes Bier passt kaum zu Käse. Höchstens zu einem reifen, schon leicht weichen Blauschimmelkäse. Also einen Gang zurückschalten: Goldbräu. Der Klassiker im StieglSortiment, sozusagen everybody’s

Starkbier & Speck Fett und Alkohol – darauf läuft es hinaus. Ein deftiges Speckbrot oder eine nicht minder deftige Speckjause (bei der die Scheibe Brot mehr oder weniger nur ein Bühnenrequisit ist) verlangt nach kräftigem Bier. Da kann man eine einfache Regel ableiten. Je weißer der Speck, desto kraftvoller das Bier. Wer jemals Reinhold Bartas Dies Irae (ein schwarzer Vorschlaghammer von einem Bier) mit frittiertem Lardo (ein weißer Vorschlaghammer von ei-

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nem Speck) probiert hat, weiß, wovon die Rede ist. Die Kombination ist einzigartig. Es geht sich halt nicht viel davon aus. Vorschlaghämmer eben. Also bei beidem etwas zurückrudern. Das Delirium Tremens ist ein belgisches Starkbier, ein Strong Ale, um genau zu sein. Nicht so stark wie das vom Gusswerk, aber immerhin. 8,5 Vol.-% sind genug Alkohol, um es mit würzigem Karreespeck aufnehmen zu können. Der Job der Volumprozente ist dabei klar definiert: dem Fett eine Bühne bieten. Das kann man – je nach Sichtweise – natürlich auch von der anderen Seite her betrachten und das Fett als Podest fürs Bier sehen. Alles eine Frage der Perspektive.


FOODPAIRING JAUSE

darling. Ein frisches und feinwürziges Salzburger Bier. Süffig ohne Ende, dafür aber mit wenig Kanten. Was es zum guten Speisenbegleiter macht. Der Weißburgunder unter den Bieren. Stiegl selbst empfiehlt dazu Braten, Schnitzel, Barbecue und Gulasch. Also eh fast alles. Wir haben es mit einem Tiroler Bergkäse probiert – und es funktioniert. Ein kleiner Tipp: der Käse sollte nicht allzu sehr gereift sein. Je intensiver der Käse, desto eher stürzt das Bier ab. Am besten ein paar stattlich dicke Scheiben vom jungen Almkäse in eine Semmel mit Almbutter und auf halbem Weg (oder am Gipfel) mit dem Goldbräu genießen. Danach daran denken, die Flaschen oder Dosen und das Papier, in dem die Semmel eingepackt war, wieder mitzunehmen.

A Glimmer of Hops & diverse Jausenbrote

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Vorab: BierpuristInnen sollten hier aufhören zu lesen. A Glimmer of Hops ist nämlich kein Bier. Aber es ist spannend. Und irgendwie gehört es doch hier her. Kurz und bündig: A Glimmer of Hops ist ein kerniger Rosé, der während der Gärung mit wildem Hopfen versetzt worden ist. Daraus ergeben sich eine Menge Fragen. Etwa, wer auf so eine Idee kommt. Und wie? Franz Weninger aus dem Burgenland ist Winzer und ein kreativer, offener Geist. In seinem Keller wird viel experimentiert. Im konkreten Fall wurde bei einem benachbarten Bauern wilder Hopfen gefunden und sofort gab es die Idee den Hopfen zu ernten und damit etwas anzustellen. Der Blick fiel dann schnell auf ein kleines Fass aus Steinzeug, in dem ein Blaufränkisch Rosé am Gären war und der Hopfen wurde liebevoll untergemischt. Auch

nach der Gärung durfte der Hopfen noch ein wenig im Rosé schweben, dann wurde der Wein abgezogen und unfiltriert, ungeschwefelt in die 0,5-Liter-Bierflasche gefüllt. Herausgekommen ist eine Hommage an den Hopfen und an das viele Bier, das während der Lese getrunken wird. Das Ergebnis: in der Nase mit einem leicht floralen Touch, Veilchen, etwas Heu und feinen Kräutern, dazu aber auch eine dezente Reduktion und reife Beeren, der Hopfen ist leicht spürbar. Am Gaumen kernig und zupackend, schwankt zwischen kräftigem Rosé und sehr leichtem Rotwein, knackige Säure und ein feines Tannin. Das Bild vom Brot ist als Symbolbild zu verstehen. Nachdem wir zig verschiedene Aufstriche probiert hatten, blieben als Favoriten zum Hopfenschimmer übrig: scharf angerichteter Liptauer, steirisches Verhackertes und ein einfaches Butterbrot.


BIER FRÜHLING 2021

NEUE HEIMBRAUER. UND HEIMBRAUERINNEN.

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_TEXT Sebastian Fasthuber

_BILDER Supersud / Michael Mickl Mash Camp GmbH Speidel


HOMEBREWING IM LOCKDOWN

Das relativ junge Hobby, eigenes Bier zu brauen, wurde während der Pandemie von vielen intensiviert.

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ie die erste Liebe, vergisst man auch das erste eigene Bier nicht. »Ich habe während der Gärung ständig in den Eimer geschaut, was grad passiert, weil ich es einfach nicht ausgehalten habe«, sagt Martina Stoll. Das Resultat war »sicher das beste Bier, das ich jemals gebraut und getrunken habe. Weil es das erste eigene Bier war. Der Stolz, mit dem ich es jedem präsentiert habe, ist unvergessen.« Brauen ist eine Leidenschaft, der man schnell verfallen kann. Sein Bier selbst herzustellen, hat noch mal eine ganz andere Qualität, als nur zu konsumieren. Es vertieft die Beziehung zum Lieblingsgetränk ungemein, wenn man miterlebt hat und weiß, wie dieses entsteht. Der ganze Prozess ist fantastisch: Zu sehen, wie die Verwandlung abläuft, wie aus Wasser, Malz, Hopfen und Hefe am Ende ein – im Idealfall – grandioses Getränk wird, hat beinahe etwas von einem religiösen Erlebnis. Es macht süchtig.

Gäreimer und Akku-Schrauber

»Ich habe während der Gärung ständig in den Eimer geschaut, was grad passiert, weil ich es einfach nicht ausgehalten habe.« ↑ MARTINA STOLL

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Martina Stolls Erinnerung an ihre Braupremiere ist noch so frisch wie ein Jungbier. Sie zählt zu jenen, die Home­office und Freizeit während der Pandemie sinnvoll nutzten und das Brauen für sich entdeckten. Im Herbst 2020, als der zweite Corona-Lockdown langsam absehbar

wurde, hat sie sich an ihrem ersten Sud versucht. Die Niederösterreicherin, die in einer Werbeagentur arbeitet, entpuppt sich im Gespräch als Frau der Tat: »Ich habe mir im Metro einen 35-Liter-Topf gekauft, sowie einen Akku-Schrauber und einen Rührer, mit dem man normalerweise Farbe anrührt. Als Gäreimer nehme ich einen Plastikkübel. So habe ich losgelegt.« Ein schneller Entschluss war das Ganze allerdings nicht. Ihre Liebe zum Bier dauert bereits länger an und hat sich durch den Craft-Bier-Boom der letzten Jahre noch intensiviert. Sie gilt vor allem »individuellen und ein bissl besonderen Sorten«, wie sie erzählt. Vorgehabt habe sie das Brauen schon lange. »Was mir gefehlt hat, war die Zeit und die letzte Initialzündung. Und ich habe mir auch

gedacht: Das kann ich nicht, das ist zu viel Aufwand.« Wer Glück hat, kennt jemand, der selbst braut und einen mal mitmachen lässt. Das erspart viele Leerkilometer und AnfängerInnenfehler, die dazu führen, dass so mancher Brauversuch im Ausguss landet. Im Fall von Martina Stoll war es ein alter Freund, der ein erfahrener Hobbybrauer ist und sie zu einem gemeinsamen Brautag einlud. Die Erfahrung bestärkte sie in ihrem Entschluss: »Ich kann das auch. Zumindest kann ich es probieren.« Der erste Sud war ein voller Erfolg. Alle, die vom Resultat kosten durften, bekräftigten die Neobrauerin weiterzumachen. Sicher auch nicht ganz uneigennützig. Martina Stolls Output im letzten Dreivierteljahr war gewaltig. Wöchentlich wirft sie zu Hause ihre improvisierte kleine Brauanlage an, um die Durstigen nicht zu enttäuschen. »Die Motivation ist, dass der Eigenbedarf immer gedeckt ist«, sagt sie. Jedes Mal kommen ziemlich genau 20 Liter Bier heraus, also zwei Kisten, rechnet Stoll vor. So viel sei das gar nicht.


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rInnen gegründet, die ihr Handwerk auch mal am Kochtopf begonnen haben. Bei ihr soll Bier jedoch Hobby bleiben: »Ich mag gerade, dass ich es freiwillig mache. Wenn das Brauen zum Teil das Leben finanzieren muss, ist es halt auch wieder ein Job. Das wäre mir zu schade.«

Keine Ablenkung und laute Musik

»Ich mag gerade, dass ich es freiwillig mache. Wenn das Brauen zum Teil das Leben finanzieren muss, ist es halt auch wieder ein Job. Das wäre mir zu schade.« ↑ MARTINA STOLL

»Wir trinken selbst einiges davon. Dazu kommt der kleinste Familienund Freundeskreis, der profitiert. Und man darf nicht vergessen: Ich arbeite in einer Werbeagentur, da ist Alkohol auch immer willkommen.« Das Ergebnis ist der flüssige Lohn der Brauerin. Gleichzeitig gilt: Der Weg ist das Ziel.

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Wer den Prozess nicht genießt, wird nicht lang dabeibleiben. Für die Werberin ist das Brauen der Ausgleich zu ihrem Bürojob. Am Ende hat man etwas in der Hand, das man noch dazu trinken kann. »Das kann man nicht mit einer Facebook-Kampagne vergleichen«, meint sie. »Es ist etwas Essenzielles.« Wegen ihres beruflichen Backgrounds wurde sie natürlich schnell gefragt, ob sie nicht ein schickes Etikett entwerfen und ihr Hobby kommerzialisieren wolle. Die meisten kleinen Craft-Breweries werden von ehemaligen Heimbraue-

Sie geht meist am Abend nach der Arbeit ans Werk. Ihre Brau-Sessions beschreibt sie als schönes, erdendes Ritual. Laute Musik gehört dazu und auch das eine oder andere zuvor Selbstgebraute darf währenddessen getrunken werden. Ansonsten gibt es nur die Brauerin und ihren Topf. Ablenkungen wie Mails lesen oder Wäsche aufhängen erlaubt die Arbeit mit ihrem einfachen Set-up nicht: »Ich muss mich ganz auf die eine Sache konzentrieren. Das ist gut zum Runterkommen. Auch wenn es manchmal mühsam ist und ich um Mitternacht immer noch dabeistehe.« Und länger. Nach dem Hopfenkochen soll der Brausud möglichst schnell abkühlen, im Winter hat sich die Brauerin den Wecker daher mitunter auf 4 Uhr gestellt, um die Hefe einzurühren. Tja: »Man muss es schon wollen.« Ein paar Lieblingssorten zeichnen sich bereits ab. Für Frauenrunden braut Stoll gern ein Belgisch Blond – »ahnlich dem Leffe, gehaltvoll, aber sehr süß«. Die Männerwelt delektiert sich vor allem an ihrem tschechischen Lager. Sowie überhaupt an der Tatsache, dass sie als Frau braut: »Bei Männern kann man damit ziemlich punkten. Es taugt ihnen voll und man hat gleich eine Gesprächsbasis.« Die Hobbybrauerin reist gern und war vor Corona seltener daheim als auf Bergen oder Campingplätzen anzutreffen. Jetzt, wo sich der Bewegungsradius wieder erweitert, wird das ein bisschen auf Kosten des Biers gehen. Aber Martina Stoll wird auf jeden Fall weiterhin brauen und will sich irgendwann vielleicht eine richtige Anlage anschaffen.


HOMEBREWING IM LOCKDOWN

Zweitgerät als Gönnung Dann könnte sie bei Ralf Leukart anklopfen. Der freundliche Schwabe ist im Vertrieb des Familienunternehmens Speidel tätig, das laut Eigendarstellung »Behälter aus Leidenschaft« fertigt: Gärfasser und Lagertanks. Am bekanntesten ist Speidel für seinen »Braumeister«, auf den viele Heimbrauer setzen. Bei dem Gerät findet der ganze Brauvorgang bequem in einem einzigen Behälter statt. Bei der neuesten Version ist neben einer vollautomatisierten Steuerung nun auch WLAN integriert. Die Marke Speidel steht an sich nicht für Innovation, sondern Beständigkeit. Dass das Brauen immer hochtechnisierter wird, sieht Leukart ambivalent: »Das Bier wird dadurch nicht besser. Unsere Geräteverarbeitung in Edelstahl ist bei den meisten Kunden nach wie vor das größte Plus. Aber wir bekommen tatsächlich sehr viele Anfragen, die zum Beispiel die Steuerung betreffen. Was davon sinnvoll und machbar ist, übernehmen wir, manches ist aber auch nur für den einen

und investierten in Zubehör. Manche gönnten sich auch ein Zweitgerät.

Neue Dynamik

— Der Braumeister von Speidel. ­—

speziellen Kunden wichtig. Wenn wir alles umsetzen würden, wäre das Gerät irgendwann nicht mehr bezahlbar.« Speidel ist sowieso schon im Hochpreissegment angesiedelt. Das Unternehmen gehört zu den GewinnerInnen der Corona-Zeit. Bei den teuren Neugeräten merkt man das weniger als beim Zubehör, aber viele, die bereits vor der Pandemie gebraut haben, nutzten die Lockdowns um ihr Hobby auszubauen

↑ RALF LEUKART, SPEIDEL

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»Bei den teuren Neu­ geräten merkt man das weniger als am Zubehör, aber viele, die bereits vor der Pandemie gebraut haben, nutzten die Lockdowns um ihr Hobby auszubauen und investierten in Zubehör. Manche gönnten sich auch ein Zweitgerät.«

Generell ist das Heimbrauen in unseren Breiten noch ein sehr junger Trend. Deutschland und Österreich sind für Speidel anfangs als Märkte gar nicht interessant gewesen. Die meisten »Braumeister« gingen früher in die USA, nach Australien oder Skandinavien. »In Norwegen ist es so extrem, da ist der Markt praktisch gesättigt«, so Leukart. Im deutschsprachigen Raum kam das Selberbrauen parallel mit der stärkeren Sichtbarke­it von Craft-Bier um 2013 langsam auf. Zwar habe es auch zuvor schon eine Heimbrauszene gegeben, »aber das waren noch richtige Bastler. Leute mit einem ›Braumeister‹ haben die despektierlich als Anzugsbrauer bezeichnet.« Nachsatz: »Diese Brauer der ersten Stunde sind auch reifer und bequemer geworden, mittlerweile zählen wir einige zu unseren Kunden.« Der Hobbybrausektor hat sich in den letzten Jahren verändert und der Markt


BIER FRÜHLING 2021

an Dynamik gewonnen. Kam man als ambitionierte/r HeimbrauerIn mangels Alternativen lange gar nicht am »Braumeister« vorbei, so gibt es inzwischen einiges an Wettbewerb, wie etwa den »Grainfather« aus Australien. Vieles davon ist günstiger zu haben und dadurch ein niederschwelliger Einstieg. Auch Alexander Beinhauer hat von der Krise profitiert. Unmittelbar vor dem ersten Lockdown war Malz bei ihm fast so begehrt wie Klopapier im Supermarkt erinnert er sich: »Nach zwei, drei Tagen waren wir ausverkauft. Die Leute glaubten, wir müssen zusperren, und haben es säckeweise rausgetragen. Aber weil wir vorrangig Lebens­ mittel verkaufen, waren wir zum Glück immer offen.« Zusammen mit Johannes Grohs betreibt er in Wien einen Shop namens Mash Camp. Wer selbst Bier brauen will und in der Hauptstadt zu Hause ist, kommt daran fast nicht vorbei. Beinhauer fielen zwei Dinge auf: »Die Stammkunden saßen zu Hause und hatten auf einmal Zeit, sie brauten mehr. Und nach ein, zwei Mona-

— Die Hersteller reagieren auf die große Nachfrage und präsentieren eine große Breite an Brauzubehör. —

ten merkten wir auch das Interesse von Neukunden.« Der Heimbraumarkt wächst nicht erst seit Corona. Aber: »Es hat den Trend zum Selbermachen noch verstärkt. Wir verkaufen viele Starter-Sets mit Anleitung zum Bierbrauen in der

»Unmittelbar vor dem ersten Lockdown war Malz fast so begehrt wie Klopapier im Supermarkt. Nach zwei, drei Tagen waren wir ausverkauft.« ↑ ALEXANDER BEINHAUER, MASH CAMP

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Küche. Die Leute wollen sich mal anschauen, wie Bierbrauen geht, ohne gleich teures Equipment anzuschaffen. Das war in allen Lockdowns so.« Der momentane Boom wird sich wieder legen, prognostiziert Beinhauer,

der selbst als Student an der TU Wien zum Bier fand und mehrfacher Staatsmeister im Hobbybrauen ist. Aber wer einmal zu brauen begonnen hat, bleibt in der Regel auch dabei: »Es ist ein beständiges Hobby.« Manche Stamm­ kundInnen seien inzwischen eingerichtet wie eine professionelle Brau­ erei. Mit dem Unterschied, dass sie nur 50 Liter produzieren. Die Mash-Camp-StammkundInnen sind für gewöhnlich Männer. Brauerinnen wie Martina Stoll die Ausnahme. Der Frauenanteil unter den KundInnen sei immer noch sehr gering, »in Prozent gesehen verschwindend«. Den Hauptgrund dafür macht Beinhauer darin aus, dass Bier speziell in Österreich immer noch ganz klar das Image eines Männergetränks habe, was auch an der Werbung liege. Hier sei noch einiges zu tun. Noch wichtiger ist ihm, dass Bier insgesamt eine Aufwertung erfährt und mit einem anderen Bewusstsein konsumiert wird. Wer selbst braut, bei dem passiere das automatisch: »Man lernt das Thema Bier dadurch noch einmal ganz anders kennen und kriegt eine extreme Wertschätzung für Craft-Bier und den Aufwand handwerklicher Brauereien.«


RADIOKULTURHAUS

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DAS ERSTE WIENER GEMÜSEORCHESTER

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WIE WIR. > Großer SendesaalORF. – 19:30 Uhr

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radiokulturhaus.ORF.at ORF. WIE WIR.

© KATSEY PHOTOGRAPHY


BIER FRÜHLING 2021

DIE STIMME DER BIERTRINK­ERiNNEN

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_TEXT Thomas Bassen

_BILDER Tom Leishman Camra


DIE STIMME DER BIERTRINK­ERiNNEN

Europäische BierkonsumentInnen­ vereinigungen setzen sich seit fast 60 Jahren durchaus erfolgreich für die Interessen der Bierfans ein – vor allem für Vielfalt und Transparenz.

E

s war der Abend des 6. Dezember 1963, als sich sieben verärgerte BierliebhaberInnen im Pub The Rising Sun in der Londoner Vorstadt Epsom zusammenfanden, um den Lauf der Dinge in der Bierindustrie zu ändern. Sie beanstandeten eine rapide zunehmende Verschlechterung von Qualität und Geschmack ihres Lieblingsgetränks. Die Ursache dafür sahen sie in der zunehmenden Verwendung von Zapf- beziehungsweise Ausschankgasen in der Gastronomie sowie in der Einführung von Edelstahlfässern, den sogenannten Kegs, die damals gerade in der Bierindustrie Einzug hielten. Um ihrem Unmut mehr Gehör zu verschaffen, gründeten sie an jenem Nikolausabend 1963 die Society for the Preservation of Beers from the Wood, kurz SPBW. Die erste BierkonsumentInnenvereinigung der Welt war geboren.

Scheinbeerdigungen

Keine Selbstverständlichkeit Auch in anderen europäischen Ländern fanden in den folgenden Jahren

Auch der Verein Bier IG Österreich ist seit seinem Gründungsjahr 2002 Mitglied in der EBCU. Insgesamt vertritt die EBCU mittlerweile die Interessen von etwa 210.000 Bierkonsumen­­ t­I nnen aus ganz Europa.

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Die noch heute aktive KonsumentInnenvereinigung mit dem sperrigen Namen – der übrigens daher rührt, dass 1963 gezapftes Bier noch fast ausschließlich aus Holzfässern kam – führte in den 1960er-Jahren einige kleinere medienwirksame Kampagnen durch, in denen sie bestimmte Modernisierungsprozesse in den großen

Brauereien und Gaststätten anprangerte und auf die damit verbundenen negativen Auswirkungen für KonsumentInnen hinwies. So wurden beispielsweise Scheinbeerdigungen vor Pubs abgehalten, die sich mit Kegs beliefern ließen. Durch die mediale Berichterstattung erreichte die SPBW einen größeren Bekanntheitsgrad in der britischen Bevölkerung und konnte Ende der 1960er bereits etwa 40 Sektionen und mehrere Tausend Mitglieder vorweisen.

Die SPBW blieb indes nicht lange allein. 1971 gründeten vier Freunde aus England im Rahmen einer Bierreise an die Westküste Irlands im beschaulichen Dunquin mit der Campaign for Real Ale (CAMRA) die zweitälteste und mit über 190.000 Mitgliedern heute weltgrößte nationale BierkonsumentInnenvereinigung der Welt. Die Ziele von CAMRA ähnelten von Anfang an jenen der SPBW: die Erhaltung der britischen Biervielfalt und Pubkultur sowie die Ablehnung des Einsatzes von Gasen bei Schankanlagen. Während die SPBW aber vor allem auf Einzelaktionen der jeweiligen Sektionen setzte, war CAMRA von Anfang an um einheitliches Auftreten und nationale Wirksamkeit bemüht.


BIER FRÜHLING 2021

BierliebhaberInnen zusammen, um der sich ausbreitenden Konsolidierung und Vereinheitlichung in der Bierindustrie sowie einer erweiterten Besteuerung von Bier seitens der Staaten entgegenzutreten und den KonsumentInnen eine Stimme zu geben. Nun mag die Existenz einer VerbraucherInnenorganisation in der Bierindustrie zunächst ganz selbstverständlich anmuten, gibt es sie doch in vielen Wirtschaftsbereichen. Allerdings gab es bis vor wenigen Jahren in vielen Ländern dieser Welt eben keine solche Interessensvertretung der BierkonsumentInnen. Teilweise gibt es sie heute noch nicht. So existiert beispielsweise in den USA, dem großen Wegbereiter der weltweiten Craft-Bier-Bewegung mit einem riesigen Absatzmarkt, bis heute keine BierkonsumentInnen­ vereinigung.

Europäischer Dachverband Da sich die Ziele der einzelnen Vereinigungen ähnelten und zudem immer mehr national bindende Beschlüsse auf europäischer Ebene gefasst wurden, gründeten drei der Organisationen – CAMRA, Objectieve Bierproe-

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— Die Weitergabe und Pflege von Bierwissen sehen die Verbände als eine ihrer Kernaufgaben. —

vers (Belgien; heute: Zythos) und PINT (Niederlande) – 1990 in Brüssel mit der European Beer Consumers Union (EBCU) einen europäischen Dachverband. Dieser sollte die Mitglieder zum einen besser untereinander vernetzen und zum anderen ihren Forderungen auch auf europäischer Ebene Gewicht verleihen.

Mittlerweile sind 18 nationale BierkonsumentInnenvereinigun­gen in der EBCU zusammengeschlossen. Neben den Gründungsorganisationen aus Großbritannien, Belgien und den Niederlanden sind dort Norwegen, Schweden, Finnland, Irland, Dänemark, Spanien, Frankreich, Italien, Tschechien, die Schweiz, Polen und Deutschland vertreten. Auch die österreichischen BierkonsumentInnen haben eine Stimme im Dachverband. Der Verein Bier IG Österreich ist seit seinem Gründungsjahr 2002 Mitglied in der EBCU. Insgesamt vertritt die EBCU mittlerweile die Interessen von etwa 210.000 BierkonsumentInnen aus ganz Europa. Im Jahr 2008 unterzeichneten die Mitgliedsorganisationen der EBCU eine Satzung, in der die Rolle traditioneller Biere als wesentlicher Bestandteil der europäischen Kultur, Geschichte und des täglichen Lebens festgelegt und die formalen Ziele und die Struktur der Organisation definiert werden. Demnach setzt sich die EBCU für einen verantwortungsvollen Bierkonsum ein und auf europäischer Ebene dafür, die Vielfalt der traditionellen europäischen Bierkulturen zu bewahren und zu pflegen, wobei ein besonderes Augenmerk auf lokale, regionale und nationale Brautraditionen und Bierstile gelegt wird. Des Weiteren sollen die VerbraucherInnen vor unfairen Preisen geschützt werden, indem die EBCU gegen unangemessene Besteuerung oder ausbeuterische Geschäftspraktiken angeht. Und schließlich drängt die EBCU darauf, dass die VerbraucherInnen ausführliche und sachliche Informationen über jedes im Handel erhältliche Bier erhalten. Um diese Ziele zu erreichen, betreibt der Verein Lobbyarbeit, schaltet Werbung, publiziert Artikel und führt Kampagnen. So kämpft die EBCU zum Beispiel seit Jahren für eine vollständige Transparenz aller kommerziell in Europa erhältlichen Biere in Bezug auf Inhaltsstoffe, Nährwertangaben und den


DIE STIMME DER BIERTRINK­ERiNNEN

genauen Herstellungsort. 2015 hängten Mitglieder der EBCU in der Brüsseler Zentrale der Brewers of Europe, der europäischen Dachorganisation der nationalen Brauereiverbände, Plakate auf, die genau diese Offenheit forderten. Der Brauereidachverband zeigte sich wenig erfreut über diese Forderung und lehnte weitere Kennzeichnungspflichten auf den Bieretiketten lange Zeit ab. Doch hier zeigte sich der zunehmende Einfluss der organisierten VerbraucherInnen: Die Brauereien konnten die Forderung ihrer Kundschaft nach mehr Transparenz nicht ewig ignorieren. 2018 lenkte der Dachverband ein und brachte eine Selbstverpflichtung für alle seine Mitglieder auf den Weg, die die genauere Kennzeichnung aller in Europa erhältlichen Dosen- und Flaschenbiere ab 2022 vorsieht und viele Forderungen der EBCU aufgenommen hat. Zwar geht dieser die Verpflichtung in einzelnen Punkten noch nicht weit genug, aber dennoch kann hier von einem Erfolg gesprochen werden, den die EBCU zugunsten aller BierkonsumentInnen in Europa erzielt hat.

So kämpft die EBCU zum Beispiel seit Jahren für eine vollständige Transparenz aller kommerziell in Europa erhältlichen Biere in Bezug auf Inhaltsstoffe, Nährwert­ angaben und den genauen Herstellungsort.

Internationale Vernetzung

— Bierverkostungen und -bewertungen finden auf vielen Events statt. —

ständnis verschiedener (Bier-)Kulturen sowie neuen Bekannt- und Freundschaften. Bier bringt Menschen seit jeher zusammen und so manch ein gutes Gespräch fängt bei einem gemeinsamen Bier an, über das es sich zu reden lohnt. Damit das auch weiterhin so bleibt und die BierkonsumentInnen ihr Recht wahrnehmen, ihre Wünsche und

Bedürfnisse an Brauindustrie und Staat heranzutragen, sind BierkonsumentInnenvereinigungen unabdingbar. Je mehr KonsumentInnen sich dabei einbringen, desto mehr fällt ihre Stimme bei zukünftigen Entscheidungsprozessen im Spannungsfeld zwischen Industrie, Staat und KonsumentInnen ins Gewicht.

AUSGABE 17

Zweimal im Jahr treffen sich die Delegierten der nationalen KonsumentInnenverbände aus ganz Europa, um aktuelle Themen zu besprechen und das bestehende Netzwerk zu erweitern. Genau diese internationale Vernetzung ist auch der größte Vorteil für die Mitglieder der nationalen Organisationen. Es werden nämlich nicht nur auf europäischer Ebene Kampagnen geplant und KonsumentInnenrechte vorangetrieben. Mitglieder der EBCU erhalten Rabatte bei Veranstaltungen aller PartnerInnenorganisationen, können im Rahmen von Bierfestivals und Bierwettbewerben hinter den Kulissen dabei sein und sich als offizielle Bier-JurorInnen für die EBCU akkreditieren lassen. Überdies führt der internationale Austausch zu einem erweiterten Ver-


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BIER FRÜHLING 2021

MEHRWEG

MEHR MEHRWEG? _TEXT Martin Mühl _BILDER istock.com / thelinke Ottakringer Brauerei

Bier ist bei Mehrweg ein Vorbild – es geht aber noch mehr.

B

2020 wegen der Corona-Schließungen nur rund 12 Prozent waren. Dafür stieg der Anteil des Bieres in 0,5-LiterMehrwegflaschen 2020 von 41,1 auf 47,7 Prozent.

Sortieren, waschen und wiederbefüllen Eine Brauerei, die im Frühjahr 2020 auf die klassische braune 0,5-Liter-Mehrwegflasche umgestiegen ist, ist Otta­ kringer. Allerdings nicht von einer Einwegflasche: Auch die unverwechselbare grüne Schulterflasche von Ottakringer war eine Mehrwegflasche, wurde aber von den KonsumentInnen nicht als solche erkannt und deswegen auch nicht zurückgebracht. Tobias Frank, Braumeister und Geschäftsführer Technik bei Ottakringer: »Auch unsere grüne 0,5-Liter-Flasche war eine Mehrwegfla-

AUSGABE 17

ier ist die klare Nummer eins. Das mag in mancher persönlichen Biografie stimmen – Bier ist aber zum Beispiel auch beim Thema Mehrweg die absolute Nummer eins. War es bis in die 90er-Jahre hinein auch in Österreich noch so, dass Mehrwegglasflaschen etwa bei Mineralwasser absolut Usus waren, so ist Mehrwegglas heute nicht mehr das Gebinde erster Wahl. Außer beim Bier. Im Jahr 2020 wurden beinahe 60 Prozent der verkauften Gesamtmenge an Bier in Mehrweggebinden verkauft. Eine Zahl, die übrigens in den letzten Jahren vergleichsweise konstant geblieben ist. Was 2020 allerdings anders war, ist dass 2019 über 20 Prozent der Gesamtmenge in der Gastronomie und auf Events aus Fässern und Tanks in Gläser gezapft wurden, während dies

sche, wurde aber trotz unserer Werbung dafür nicht als solche erkannt und, weil es so eingelernt war, mit anderem grünem Glas im Buntglas entsorgt.« Das hat dazu geführt, das Ottakringer die Flaschen nicht zurückbekommen hat. Gesamt sind im deutschsprachigen Raum mehrer Milliarden braune NRW-Flaschen in Umlauf, von der grünen Ottakringer-Flasche waren es vier Millionen. Der Handel sortiert die Flaschen nicht nach Abfüller bzw. Produzent, sondern retourniert den Brauereien Flaschen, die sie dann sortieren, waschen und wiederbefüllen. Ottakringer musste seine Flaschen von anderen Brauereien abholen und zurücktauschen. Dazu kommt im Falle Ottakringers auch ein anderes Einkaufsverhalten in Wien, wo die Brauerei besonders stark ist: »Während in Restösterreich die Halbliterflasche in der 20er-Kiste besonders viel gekauft wird, sind in Wien, auch weil weniger mit dem Auto eingekauft wird, andere Gebinde beliebter«, so Tobias Frank. An der Umstellung der


BIER FRÜHLING 2021

MEHRWEG

»Während in Restösterreich die Halbliterflasche in der 20er-Kiste besonders viel gekauft wird, sind in Wien, auch weil weniger mit dem Auto eingekauft wird, andere Gebinde beliebter.« ↑ TOBIAS FRANK, GESCHÄFTSFÜHRER OTTAKRINGER

Flasche hat Ottakringer übrigens zwei bis drei Jahre gearbeitet. Solche Entscheidungen sind von großer Tragweite und für längere Zeiträume. Mehrweg ist für die Brauerein teurer und sie verzichten mit der NRW-Flasche auf optische Unverwechselbarkeit. Aktuell gibt es in Deutschland sowie Österreich regional Zusammenschlüsse und Verbände, die auch bei der 0,33-Liter-Flasche Initiativen in Richtung Mehrweg starten – bisher aber nicht erfolgreich. Frank sieht hier vor allem die Getränkehersteller aktiv, während er zu bedenken gibt, dass etwa der Handel ein Platz- und Ressourcenproblem hat. Gesetzliche Mehrwegregelungen werden hier etwas ändern. Wobei Frank auch die KonsumentInnen aufruft, selbst aktiver zu werden und Angebote wie Recycling zu nutzen und Müll nicht an unpassenden Stellen zu entsorgen.

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Chancengleichheit Auch das Bundesministerium für Klimaschutz spricht von nötigen gesetzlichen Regelungen – auch wenn man sich erfreut darüber zeigt, dass die ProduzentInnen aktiv werden. Sarah Warscher, Referentin für Abfallwirtschaft im Bundesminsterium für Klimaschutz, erklärt: »Wir haben Rückhalt aus der Bevölkerung, das ist gut. Über 80 Prozent wünschen sich sowohl verbindliche Quoten als auch ein Pfandsystem. Wenn die KonsumentInnen die Gebinde so-

wieso zurückbringen müssen, würde das Chancengleichheit bringen und auch Mehrweg unterstützen.« Die EU gibt bis 2029 eine verbindliche Trennsammelquote von 90 Prozent vor – wird diese nicht eingehalten gibt es empfindliche Strafzahlungen auf Basis von Tagsätzen bis zur Erreichung der Quote. Die Praxis in anderen Ländern habe gezeigt, dass dies nicht ohne verpflichtendes Pfandsystem zu erreichen ist. Der Weg geht also eindeutig in Richtung mehr Mehrweg.

— Die Biere von Ottakringer in der neuen Flasche —


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BIER FRÜHLING 2021

ALKOHOLFREI? LÄNGST KEIN KOMPROMISS MEHR

— Spaß geht auch ohne: Tom Mauer von Brew Age und das alkoholfreie IPA Rampensau. —

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_TEXT Manuel Fronhofer

_BILDER Brew Age Neumayr / Christian Leopold Brew Dog Gusswerk Loncium Beerkeeper


ALKOHOLFREIES BIER

Der Trend zum bewussteren Lebensstil geht auch am Biermarkt nicht vorüber. Alkoholfreies Bier ist jedenfalls nicht mehr nur aus Gründen der Verkehrs­ tüchtigkeit ein Thema. Qualität und Vielfalt helfen mit.

E

nen, die vor allem auch unseren hohen Qualitätsansprüchen gerecht werden.« In diesem Zusammenhang sollte man wissen, dass im deutschsprachigen Raum Biere mit einem Alkoholgehalt von bis zu 0,5 Vol.-% unter der Bezeichnung »alkoholfrei« verkauft werden dürfen. Genau genommen, sind viele der sogenannten Alkohol­ freien also lediglich alkoholarm.

Aber wie wird alkoholfreies – oder eben alkoholarmes – Bier eigentlich hergestellt? Im Wesentlichen gibt es zwei Verfahren: Man kann den Gärprozess durch Erhitzung stoppen, um zu unterbinden, dass die Hefe den Malzzucker mehr als über die erlaubten 0,5 % hinaus in Alkohol umwandelt. Oder man schickt das Bier durch eine Entalkoholisierungsanlage. Beide Optionen benötigen eher teure Gerätschaften und beide haben ihre Tücken, wie Tom Mauer von Brew Age erklärt: »Die gestoppte Gärung erzeugt einen ganz eigenen Geschmack, mit so einer leichten Süße. Manche mögen das nicht. Und der Kritikpunkt beim entalkoholisierten Bier ist, dass es leer schmeckt. Da heißt es, es werde dem Bier mit dem Alkohol auch die Seele genommen.«

»Wir haben viel getestet und herumexperimentiert. Man kann bei IPAs die klassischen süßlichen Noten der gestoppten Gärung durch eine schöne Hopfendosage mit Frucht- und Zitrus­ aromen überlagern.« ↑ TOM MAUER, BREW AGE

AUSGABE 17

s sind Zahlen, die Bände sprechen: In den letzten zehn Jahren hat sich der Inlandsabsatz von alkoholfreiem Bier in Österreich mehr als verdoppelt, verrät eine Statistik des Brauereiverbandes. Mit 258.700 Hektolitern und 3,1 Prozent Anteil am heimischen Biermarkt im Jahr 2020 ist es zwar nach wie vor ein Nischenthema, aber eines, das mehr und mehr Aufmerksamkeit bekommt – seitens der KonsumentInnen, aber auch seitens der Brauereien. »Die zunehmende Bedeutung eines gesunden Lebensstils mit Sport und bewussterem Alkoholkonsum sorgt seit einigen Jahren für eine deutlich gesteigerte Nachfrage nach alkohol­ freien Getränken«, bestätigt Christian Pöpperl, Chefbraumeister bei Stiegl. Der Trend habe europaweit zu einem wachsenden Markt geführt. Mit dem Freibier und der Sport-Weisse ist die Salzburger Brauerei am Markt für alkoholfreies Bier schon länger gut aufgestellt. Seit Anfang Mai sind nun auch das 0,0 % Freibier und ein Radler namens 0,0 % Zitrone von Stiegl erhältlich. Pöpperl: »Dafür haben wir in eine neue, topmoderne Anlage investiert, mit der wir absolut alkoholfreie Biere und Biermischgetränke herstellen kön-

Zwei Optionen mit Tücken


BIER FRÜHLING 2021

— Stiegl-Chefbraumeister Christian Pöpperl. —

Mit der Rampensau hat die Wiener Craft-Brauerei vor einem Jahr ein alkoholfreies Bier auf den Markt gebracht, das mittlerweile für immerhin sieben Prozent des Brew-Age-Gesamtausstoßes verantwortlich ist. »Alkoholfrei war immer wieder Thema bei uns«, erinnert sich Mauer. »Wir haben viel getestet und herumexperimentiert. Es war aber klar, dass es ein IPA werden würde, da wir für IPAs bekannt sind. Außerdem kann man gerade bei diesen die klassischen süßlichen Noten der gestoppten Gärung durch eine schöne Hopfendosage mit Frucht- und Zitrusaromen überlagern.« Dass man den Hopfen als Geschmacks- und Aromengeber nicht unterschätzen dürfe, findet auch Birgit Rieber vom Institut für Bierkultur, das Beerkeeper-Kurse für Gastronomiepersonal anbietet. Alkoholfreie Pale Ales und IPAs hätten daher geschmackliche Vorteile: »Die Kalthopfung ›parfümiert‹ gut.« Der Klassiker alkoholfreies Weizenbier, ebenfalls ein obergäriger Bierstil, profitiere hingegen davon, so Rieber, dass die Hefe mit ihren Gärungsnebenprodukten den fehlenden Alkohol als Geschmacksträger ein

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wenig ausgleicht: »Alkoholfreie Weißbiere sind den ›echten‹ Bieren deshalb sensorisch viel näher als die untergärigen Lagerbiere.«

Bierbar ohne Alkohol Der Körper eines Bieres sei immer eine Herausforderung, meinen die schottischen Craft-Bier-Pioniere James Watt und Martin Dickie, die mit Brew Dog ihr eigenes Bierimperium aufgebaut haben. Bei einigen ihrer Alkoholfreien setzen sie deshalb auf Laktose, um

das Mundgefühl stärker auszubauen. Dass den beiden nicht nur in Sachen Bier kaum jemand das Wasser reichen kann, sondern auch was das Marketing betrifft, bewiesen sie im Vorjahr wieder einmal, als sie in London die (eigenen Angaben zufolge) erste alkoholfreie Bierbar der Welt mit satten 15 Zapfhähnen eröffneten. Mit Nanny State haben Watt und Dickie seit einem Jahrzehnt ein alkohol­freies Bier in ihrem Sortiment: »Es ist ein ganz besonderes Bier für uns, weil es eines der ersten alkohol­ freien Craft-Biere in Großbritannien war.« Seit damals haben sie ihr Angebot in diesem Segment noch weiter ausgebaut und alkoholfreie Versionen von einigen der populärsten Brew-DogBiere umgesetzt, etwa das an den Klassiker Punk IPA angelehnte Punk AF. Wobei die Abkürzung AF nicht nur als alcohol-free, sondern umgangssprachlich auch als as fuck gelesen werden kann. Vielfalt im Segment der alkoholfreien Biere sei für sie absolut essenziell, meinen Watt und Dickie: »Wenn sich Menschen dafür entscheiden, weniger

— Birgit Rieber vom Institut für Bierkultur. —


ALKOHOLFREIES BIER

— Craft-Bier-Pioniere James Watt und Martin Dickie von Brew Dog. —

oder gar keinen Alkohol mehr zu trinken, können wir sie so dabei unterstützen und sicherstellen, dass sie nicht auf großartige Biere verzichten müssen.« Von zunehmender Vielfalt weiß auch Markus Betz als Geschäftsführer des größten Craft-Bier-Stores Österreichs zu berichten: »Als wir 2015 mit Beerlovers gestartet sind, gab es eine Handvoll alkoholfreier Craft-Biere, mittlerweile haben wir einige Dutzend im Sortiment. Es gibt eine breite Sortenvielfalt – und auch Innovationen kommen nicht zu kurz.«

Kein Kompromiss

muss sich nicht mehr dazu ›zwingen‹, sondern greift gezielt und ohne Vorurteil zu alkoholfreiem Bier. Das ist schon besonders – verglichen mit der Situation vor fünf oder zehn Jahren.«

»Man muss sich nicht mehr dazu ›zwingen‹, sondern greift gezielt und ohne Vorurteil zu alkoholfreiem Bier.« ↑ MARKUS BETZ, BEERLOVERS

— Alkoholfreies aus dem heimischen Craft-Bier-Segment: das IPA Rampensau von Brew Age, das Jakobsgold alkoholfrei vom Brauhaus Gusswerk und das FreePA von Loncium. —

AUSGABE 17

Waren es früher vor allem Menschen, die noch mit dem Auto fahren mussten, so scheint es heutzutage die eine typische Zielgruppe für alkoholfreies Bier nicht mehr zu geben. Die KonsumentInnen seien mündiger als früher, so Betz, und würden ihre Entscheidungen anhand verschiedener Parameter treffen. Einer davon sei bewussterer Genuss. »Dadurch dass sich das Thema alkoholfreies Bier in den letzten Jahren – in der Breite – so gut entwickelt hat, gibt es den ›klassischen‹ Kunden dafür nicht mehr. Durch die enorme Sorten-

und Stilvielfalt ist wirklich für jeden Geschmack, Anlass und jede Gelegenheit das richtige Bier ohne Alkohol verfügbar.« Alkoholfrei sei deshalb auch längst kein Kompromiss mehr: »Man


BIER FRÜHLING 2021

ZAUNGAST Martin Wohlkönig bringt 2021 seine ersten vier Biere mit teils außer­gewöhnlichen Geschmacks­ richtungen auf den Markt.

M

artin Wohlkönig hat in den USA die Craft-Bier-Szene kennengelernt und ist dort nach anfänglicher Skepsis auf den Geschmack eines Peanut Butter Milk Stouts gekommen. Ein Bier, das in Österreich nicht erhältlich war, weshalb er beschlossen hat, es selbst zu brauen. 2019 hat er mit ersten Experimenten im Keller begonnen, nun sind die ersten seiner Biere auf dem Markt. Ein Mango IPA, das in der nächsten Charge noch etwas mehr Hopfendruck bekommt und ein Honig Lavendel Weizen. Gerade bei diesem gelingt es ihm, die ungewöhnlichen Geschmacksrichtungen zu einem zugänglichen, runden Bier mit immer noch ordentlich Eigenständigkeit zu verbinden. Als ein Konsument, der die Nähe zu ProduzentInnen sucht, lässt er – quasi im Gegenzug – als Brauer die BiertrinkerInnen als Brau-

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kollektiv auf seiner Website über das nächste Bier abstimmen. Aktuell zwischen einem Amber Lager und einem hellen Zwickl – das Ergebnis soll im Sommer kommen. Als viertes Bier soll 2021 noch als Special Edition sein Peanut Butter Milk Stout erscheinen. Gebraut wird übrigens bei Brauschneider in Niederösterreich. Der Kärntner hat in London VWL studiert und dann dort mehrere Jahre in einer Bank gearbeitet. Das dabei verdiente Geld hat er in eine ausgiebige Weltreise investiert, die ihn eben auch

_TEXT Martin Mühl _BILD Zaungast

an die Westküste der USA geführt hat. Zurück in Österreich widmet er sich nun ganz der Selbstständigkeit, lernt selbst laufend besser zu brauen und hat auch das Rohdesign für seine Dosen und den darauf angebildeten Wolf selbst gemacht. Auf Märkten wie dem Edelstoff Markt holt er sich direkt Feedback von den KonsumentInnen. Erhältlich sind die Zaungast-Biere in seinem Webshop, im Handel bei Biergreissler, Bierboutique sowie Hafenstadt Urban Area – und bald auch in der Gastronomie.

— Martin Wohlkönig bindet die Community in Entscheidungen mit ein. —


NEUES BIER

BUDWEISER RESERVE Ein Unikat mit hohem Alleinstellungsgrad. Und ganz klassisch: eigentlich schon eine Mahlzeit. Rund und mit viel Volumen bleibt das Bier durchaus länger und seidig präsent – und das ohne allzu langen Abgang. Sommeliers denken dabei an alte, vollmundige Bockbiere. Wir kombinieren mit durchaus fetten Speisen, wie einem Schweinebauch (gern intensiv asiatisch) oder auch Käsespätzle.

OTTAKRINGER BIO-ZWICKL Ottakringer hat das Zwickl auf bio umgestellt – und auch im Handel erhältlich gemacht. Das ziemlich trübe, fast schon milchige Bier ist süffig und auf der leichteren, ja, geradezu sonnigen Seite der unfiltrierten Biere.

_BILD Budweiser, Ottakringer Brauerei, Bierol, Bruckners Erzbräu, Stiegl

BIEROL MANGO POSSUM Gutes aus dem Westen Österreichs kommt in dieser Kollaboration von Bierol aus Tirol und Gäriatrie aus Vorarl­ berg. Ein jederzeit passendes Ale, nicht zu aufdringlich, aber mit angenehm floraler Note.

hr Rund um die Urs.at ve o www.BeerL op Online Sh

Österreichs Grösster Craftbeer Store Über 1.500 kreative Biere Mehr als 100 Brauereien Begehbarer Kühlschrank Homebrewing-Equipment Bierverkostungen Business Incentives Brautage

ERZBRÄU DOCKNER MARILLENBIER Bruckners Erzbräu hat mit dem Wachauer Winzer Josef Dockner ein Bier kreiert. Die Marille, als Rohsaft hinzugefügt, ist hier sehr saftig und sehr kräftig – ungefähr das Gegenteil von Brew Ages sauer-intensivem Don Marillo.

STIEGL BIO-HAUSBIER SCHNEEWEISSCHEN & ORANGENROT Beim Öffnen in der Nase klassische Weizenbiernoten, die sich schnell verflüchtigen und blumigeren milden Orangennoten mit angenehmer Kohlensäure Platz machen.

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BIERTERMINE

BIER FRÜHLING 2021

BIERTERMINE 2021 18. JUNI 2021

25.–29. AUGUST 2021

24.–27. SEPTEMBER 2021

7.399 Tage Hawidere – 1.057 Wochen Biergenuss AUT – Wien, Hawidere hawidere.at

Hamburg Beer Week DE – Hamburg beerweek.hamburg

Historisches Bierfest AUT – Zwiefalten, Zwiefalter Klosterbräu zwiefalter.de

1. JULI–3. SEPTEMBER 2021 Ottakringer Bierfest AUT – Wien, Ottakringer Brauerei ottakringerbrauerei.at

17.–18. JULI 2021 Weitraer Bier Kirtag AUT – Weitra, Altstadt werk-stadt-weitra.com

14. AUGUST 2021 Craft Beer Festival Aarau CH – Aarau, KUK auf dem Schlossplatz hopfig.ch

26.–28. AUGUST 2021 2-Tages-Bierbraukurs – Eintauchen in die Welt des Bieres AUT – Lech am Arlberg, Hotel Gotthard gotthard.at

3.–12. SEPTEMBER 2021 Berlin Beer Week DE – Berlin facebook.com/berlinbeerweek

10.–11. SEPTEMBER 2021 Craft Brauer Festival DE – Bayreuth, Maisel’s Bier-Erlebnis-Welt biererlebniswelt.de

16.–18. SEPTEMBER 2021

50

Züricher Bierfestival CH – Zürich Altstetten, Spirgarten probier.ch _TEXT Samantha Breitler

8. OKTOBER 2021 Bier & Kost / Brauerei Rodauner AUT – Wien, Hittinger’s rodauner-biermanufaktur.at

23. OKTOBER 2021 Beer Pong Vienna 2021 AUT – Wien, Ottakringer Brauerei beerpongaustria.com/turnier

2. NOVEMBER 2021 Belgische Bierwelt AUT – Dornbirn, Mohren Creativ Brauerei mohrenbrauerei.at

26.–27. NOVEMBER 2021 Craft Bier Fest Wien AUT – Wien, Marx Halle craftbierfest.at

_BILD Craft Bier Fest / Christoph Adamek


ERLEND

HER DRE N R E TO A N F I N D E R ES E R ER BI G LA 41 DES 18

Genuss wie seinerzeit. Für Biergenießer von heute. 1841 braute Anton Dreher das erste untergärige Lagerbier der Geschichte. Seither verbindet man mit Schwechater Bier überall auf der Welt höchsten Biergenuss von besonderer Frische.

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Das Original Wiener Lager ist bernsteinfarben und überzeugt mit einer dezenten Bittere, die durch karamellartige, malzige Aromen unterstützt wird.


Unverwechselbare Aromen durch seltene Urgetreide-Sorten, ausgefallene Spezialröstungen und individuelle Kreationen an hochwertigen Getreide-Röstungen. Als Familienbetrieb mit eigener Mälzerei können wir SpezialMalz für geschmacksvielfältige Biere und Whiskys herstellen.

Sie möchten gerne mehr erfahren? Dann rufen Sie an - wir freuen uns auf ein persönliches Gespräch bei uns in der Mostelleria im Mostviertel. +43 (0) 74 75 / 53 674

Doris & Josef Farthofer

„Vom Feld in die Flasche“ ist die Philosophie von Doris und Josef Farthofer, denn das dynamische Ehepaar hat sich nicht nur mit seinen herausragenden Destillaten zum Aushängeschild des Mostviertels entwickelt, sondern baut sogar die Grundprodukte wie Nackthafer oder Schlägler Roggen auf den eigenen Feldern an. Der Nachhaltigkeitsgedanke zieht sich durch alle Produktionsprozesse. Wahrlich außergewöhnlich: Um über die gesamte Produktion die qualitative Kontrolle zu haben, errichteten Doris und Josef Farthofer sogar eine eigene Mälzerei und bieten unter anderem auch für Brauereien, Brennereien und Bäckereien hochwertigstes Bio-Malz an.

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w w w.destillerie-far thofer.at

Destillerie Farthofer GmbH, Öhling 35, 3362 Öhling, Österreich

www.undeutsch.at | Fotos: Michael Schafranek (www.michaelschafranek.at) und Prostock-studio (www.shutterstock.com)

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