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M.Lutz,P.Mair
from Jahrbuch 2002
by bigdetail
Martin Lutz, Peter Mair
Untersuchung zu Verletzungsmuster und V erletzungsursache bei Sturz ins Kletterseil
Investigation of trauma pattern and trauma mechanism in case of fall into a climbing rope
SUMMARY
Several years ago an experimental land mark study by Schubert and Mägdefrau evaluated the forces acting on the human body during a fall into a climbing rope.From their data the authors concluded,that any larger fall will cause severe or even life threatening injuries when using a sit harness only.This is mainly due to the possibility of spine as well as abdominal organ injury secondary to hyperextension trauma.Aim of the current retrospective,clinical study was to clarify,whether the pattern of injury postulated by Schubert and Mägdefrau is indeed found in real life falls and contributes to the morbidity and mortality of individuals injured in climbing accidents.A total of 57 individuals with a history of a fall into the rope during rock climbing were studied.Height of the fall,body position during the fall,body position at suspension,difficulty of the climbing route,type of harness used (sit harness or a combination of a sit and chest harness) and the pattern of injury were analysed.We found a correlation between the difficulty of the climbing route and the severity of injury,with a clear peak of life threatening injuries and multi trauma cases in routes of low difficulty (UIAA class III and IV).Head down position was common during the fall (33 % of all cases) without any correlation to the harness used.Head down position was rather uncommon at suspension (10 % of all cases) and was only found when a sit harness was used without chest harness.A disruption of the thoracolumbal spine or abdominal organ injuries caused by the sole use of a sit harness were not found in any of our cases,despite a significant number of larger falls up to 60 meters.Taken together,severe and life threatening injuries in rock climbing accidents are almost exclusively due to rock contact during the fall and are more common in routes of low difficulty and with increasing height of the fall. We did not find any evidence that the type of harness used significantly influences the pattern or severity of injury in rock climbing accidents.
ZUSAMMENFASSUNG
Seit den experimentellen Untersuchungen von Schubert und Mägdefrau wird die alleinige Verwendung eines Hüftgurtes als Anseilmethode vielfach abgelehnt,da diese Methode im Fall eines unkontrollierten Sturzes ins Seil zu schweren,unter Umständen lebensbedrohlichen Verletzungen führen kann.Dies ist vor allem auf die Gefahr einer Hyperextensionsverletzung der Wirbelsäule und Verletzung abdomineller Organe durch ein Nachhintenkippen des Oberkörpers zurückzuführen.Ziel dieser retrospektiven klinischen Studie war es aufzuzeigen,ob die von Schubert und Mägdefrau auf Grund experimenteller Messungen und theoretischer Überlegungen postulierten Verletzungsmuster auch in der Realität zu finden sind und ob sie das Verletzungsmuster und die Verletzungsschwere nach Kletterunfällen wesentlich prägen.Bei 57 untersuchten Kletterern fanden wir vor allem einen Zusammenhang zwischen dem Schwierigkeitsgrad der Route und der Verletzungsschwere,mit einer eindeutigen Häufung schwerer und lebensbedrohlicher Verletzungen in den Routen geringer Schwierigkeit.Verletzungsursache war in diesen Fällen nicht der Fangstoß,sondern der Aufprall am Fels.Stürze in „Kopf tief“-Position wurden regelmäßig beobachtet (33 %),unabhängig von der Anseilart.„Kopf tief“Position in der Hängephase wurde seltener (10 %),dafür auschließlich bei Kletteren mit alleiniger Hüftgurtverwendung beobachtet.Trotz einiger zum Teil sehr hoher Stürze wurde bei keinem Kletterer bei alleiniger Verwendung eines Hüftgurtes eine Hyperextensionsverletzung der Wirbelsäule oder eine Verletzung abdomineller Organe gefunden.Zusammenfassend legen unsere Daten nahe,dass schwere und lebensbedrohliche Verletzungen beim Felsklettern fast auschließlich Folge von Aufprall am Fels sind und in leichteren Routen und bei größeren Sturzhöhen gehäuft auftreten.Die Anseilart beeinflusst in unseren Daten die Verletzungsschwere und Verletzungsart nach Kletterunfällen nicht.
ÜBERSICHT ÜBER DIE VERSCHIEDENEN ANSEILMETHODEN
Die geschichtliche Entwicklung des Felskletterns spiegelt sich nicht nur in der Erschließung immer schwierigerer Routen wider,sondern sie hat auch eine Perfektionierung der Ausrüstung mit sich gebracht.Während bis in die Dreißigerjahre mit einem Hanfseil,geknotet um den Bauch, geklettert wurde,haben sich anschließend zwei unterschiedliche Philosophien zur Sicherung beim Felsklettern entwickelt. In Amerika,wo das Klettern unter Einfluss des Sachsen Fritz Wiesner
stand (Erstbesteiger der Fleischbank-Südostwand),hat sich aus der Anseilmethode um den Bauch der Hüftgurt entwickelt.Im Gegensatz dazu ist in Europa der Anseilpunkt nach oben verlagert worden und das Brustgeschirr ist entstanden.Von Flora sind in den 70er-Jahren eine Reihe tödlicher Kletterunfälle gesammelt worden,die mögliche fatale Folgen dieser Anseilmethode aufgezeigt haben.Durch die Einengung des Thorax kommt es einerseits zu einer Einschränkung der Atemmechanik, andererseits zu einer Störung der Kreislauffunktion mit einem Abfall des Herzzeitvolumens durch Versacken des Blutes in der unteren Extremität (orthostatischer Schock).Überdies führt bereits ein Hängen von nur 10 Minuten regelmäßig zu einer Lähmung der Arme durch das Einschneiden des Seiles im Achselbereich.Ist keine Trittschlinge bereit,führt freies Hängen über zwei Stunden in der Regel zum Tod.In der Folge wurden, in Anlehnung an das Fallschirmspringen,die ersten Sitzgurte von Schubert eingeführt und von Hoi weiterentwickelt.Sehr bald wurden von den meisten Bergsteigern in den Alpen Sitzgurte in Kombination mit einem Brustgurt verwendet.Ende der 70er-Jahre kam aus Amerika die Anseilmethode mit alleiniger Verwendung eines Hüftgurts nach Europa.Diese Anseilmethode erlangte sehr rasch große Popularität und in der Folge kam es zu einer sehr kontroversiellen Diskussion über die optimale Anseilmethode.
KLASSISCHE LEHRMEINUNG ÜBER VOR- UND NACHTEILE DER VERSCHIEDENEN ANSEILMETHODEN
Der alleinigen Hüftgurtsicherung wird bei einem unkontrollierten Sturz das Risiko der Lendenwirbelzerreißung im Sinne einer Überstreckungsverletzung angelastet,da der Oberkörper bei Einwirkung des Fangstoßes nach hinten kippen kann.Experimentelle Untersuchungen von Schubert und Mägdefrau mit Dummies haben dieses Risiko aufgezeigt.Bei einem Fangstoß von 4 kN wurden bei alleiniger Anwendung der Hüftanseilmethode Kräfte gemessen,die zu Zerreißungen der Lendenwirbelsäule führen können.Eine Reihe tödlicher Kletterunfälle wurde herangezogen, um das Risiko des Hüftgurtes in der Realität zu bestätigen.Die Verunfallten wurden bei diesen Unfällen in Überstreckung „wie ein zusammengeklapptes Taschenmesser“ im Seil hängend gefunden.Es wurde eine Zerreißung der Lendenwirbelsäule mit Todesfolge postuliert,Obduktionsbefunde zur Sicherung dieser Verletzung oder der Todesursache fehlten jedoch in allen Fällen.Auch die Möglichkeit eines tödlichen Schädelhirntraumas durch Rotation und Anprall des Kopfes und das Hängen in
einer Kopf-tief-Position nach dem Sturz wird der Hüftanseilmethode als wesentlicher Nachteil angelastet.Darüber hinaus sind Organverletzungen im Bereich des Abdomens mit der alleinigen Anwendung des Hüftgurtes in Zusammenhang gebracht worden. Die Verwendung der Kombination von Brustgurt mit Hüft-Sitz-Gurt soll all diese Verletzungen verhindern,da sie bei Fangstoßeinwirkung zu einem Aufrichten des Oberkörpers führt und diese aufrechte Körperhaltung auch bei Bewusstlosigkeit des Kletterers nach dem Sturz garantiert.
WIRBELVERLETZUNGEN NACH KLETTERUNFÄLLEN: MÖGLICHE URSACHEN UND KLASSIFIKATION
Von Schubert und Mägdefrau wurden Wirbelverletzungen nach Kletterunfällen mit alleiniger Hüftgurtsicherung automatisch mit einer Hyperextensionsverletzung nach Fangstoßwirkung gleichgesetzt.Dies muss sicherlich hinterfragt werden,da Wirbelverletzungen nach Seilsturz auch Folge eines Aufpralls während des Sturzes sein können.Aus unfallchirurgischer Sicht kann jedoch aus der Art der Wirbelsäulenverletzung auf die aufgetretene Kraft zum Unfallzeitpunkt rückgeschlossen werden. Eine Überstreckungsverletzung (Folge der Hüftanseilmethode) kann somit von einer Stauchungsverletzung (Folge von Aufprall auf dem Fels) unterschieden werden.Wirbelsäulenverletzungen an der unteren Brustwirbelsäule und der Lendenwirbelsäule sind die zu erwartende Verletzungsart und sie werden in 3 Gruppen (Klassifikation nach Magerl) eingeteilt (Abbildung 1).
Abbildung 1
• Kompressionsverletzungen (Typ A): Typ-A-Verletzungen entstehen durch axiale Stauchung:es kommt zum Kompressionsbruch des vorne gelegenen Wirbelkörpers. Kriterium:Bei einer A-Verletzung ist die Wirbelsäule instabil gegen Kompression!
• Distraktionsverletzungen (Typ B): Typ-B1+2-Verletzungen entstehen entweder durch reine axiale Zugbelastung oder aber häufiger durch axiale Stauchung bei gleichzeitiger Beugung der Wirbelsäule nach vorne.Dabei kommt es einerseits zu einem Kompressionsbruch des vorne gelegenen Wirbelkörpers und andererseits zu einer begleitenden Zerreißung hinterer Wirbelanteile.Die Zerreißung der Wirbelsäule beginnt somit hinten. Typ-B3-Verletzungen entstehen hingegen durch eine Überstreckung der Wirbelsäule Die Zerreißung der Wirbelsäule beginnt vorne,entweder durch die Bandscheibe oder den Wirbelkörper selbst. Kriterium:Bei einer B-Verletzung ist die Wirbelsäule instabil gegen Distraktion!
• Rotationsverletzungen (Typ C): Typ-C-Verletzungen entstehen durch Rotations- und Scherbelastungen, was zu komplexen Verletzungen aller Wirbelsäulenbauelemente führen kann.So findet man bei diesen Verletzungen häufig zusätzliche Zeichen von A- und B-Verletzungen. Kriterium:Bei einer C-Verletzung ist die Wirbelsäule instabil gegen Rotation,häufig aber auch gleichzeitig gegen Kompression und Distraktion! Nicht selten liegt eine so genannte multidirektionale Instabilität vor!
Die Verletzungsschwere an der Wirbelsäule selbst und das Risiko von Begleitverletzungen an Rückenmark und Nervenwurzel nimmt von A nach C und innerhalb der jeweiligen Gruppen kontinuierlich zu. Die unterschiedlichen Frakturformen nach Magerl können anhand von Röntgen- bzw.CT-Bildern gut differenziert werden.Dies erlaubt auf die Krafteinwirkung zum Unfallzeitpunkt rückzuschließen.Bei der alleinigen Anwendung eines Hüftgurtes sollte bei einem Sturz ins Seil eine Überstreckungsverletzung der Wirbelsäule nach hinten auftreten und nach der eingangs dargestellten Hypothese somit klassischerweise eine Hyperextensionsverletzung vom Typ B3.Selbst wenn diese an sich sehr schwere Verletzung selbst nicht häufig vorkommen sollte,so müssten bei tatsächlichen Auftreten dieses Verletzungsmusters doch zumindest Vorstufen des Vollbildes im klinischen Alltag eines unfallchirurgischen Schwerpunktkrankenhauses häufiger diagnostiziert werden.
ZIEL DER UNTERSUCHUNG
Da lediglich experimentelle Untersuchungen und theoretische Überle-
gungen zu den Vorgängen beim Sturz ins Seil vorliegen,gut dokumentierte Daten zum tatsächlichen Unfallgeschehen jedoch fehlen,wurde diese retrospektive klinische Untersuchung über das Verletzungsmuster von Kletterern nach Sturz ins Seil durchgeführt.Inkludiert wurden Verletzte, die nach Kletterunfällen von den 3 Tiroler Christophorus-Notarzthubschraubern (1,4,5) geborgen wurden,als auch Verletzte,die nach einem Seilsturz an den unfallchirurgischen Abteilungen St.Johann,Zell am See und Innsbruck behandelt wurden.
METHODIK UND ERGEBNISSE
Zum Unfallgeschehen wurden folgende Daten erhoben (persönliche Befragung des Verletzten oder Befragung von Unfallzeugen):Sturzursache,Sturzhöhe,Schwierigkeitsgrad der Route (nach der UIAA-Klassifikation),Körperhaltung in der Flugphase,Körperhaltung in der Hängephase.Zusätzlich wurden aus der Krankengeschichte alle Einzelverletzungen des Patienten erfasst.
Insgesamt konnten 57 Patienten in die Studie inkludiert werden.Die Unfälle ereigneten sich zwischen 1975 und 2001.Die Verteilung der analysierten Stürze nach Schwierigkeit der Routen und Sturzhöhe ist in Tabelle 1 dargestellt.In 41 Fällen wurde lediglich ein Hüftgurt verwendet,in 16 Fällen eine Kombination aus Hüft- und Brustgurt oder Sitz- und Brustgurt (Abbildung 2).
Abbildung 2

Schwierigkeit* 3/4 5/6 7/8 Anzahl 10 26 21
Sturzhöhe 1-9 Meter** 10-19 Meter 20-29 Meter 30-39 Meter >40 Meter**
Anzahl 11 24 11 6 5 Tabelle 1:Schwierigkeit und Sturzhöhe der analysierten Kletterunfälle.
Das Verletzungsmuster war insgesamt breit gestreut.Neben 29 Patienten, bei denen der Sturz glimpflich verlaufen war (Unverletzte/Leichtverletzte),fanden sich 28 Schwerverletzte (19-mal waren schwere Einzelverletzungen Folge des Seilsturzes,9-mal Verletzungskombinationen oder ein Polytrauma):An schweren Einzelverletzungen wurden beobachtet:Schädel-Hirn-Trauma 2 Patienten,Wirbelsäulenverletzung 5 Patienten,untere Extremität 11 Patienten,obere Extremität 1 Patient.
Abbildung 3

* Angabe nach der UIAA-Klassifikation.**Die Grenzwerte bei der Sturzhöhe lagen bei 5 und 65 Metern.
In unseren Daten fand sich ein klarer Zusammenhang zwischen Verletzungsschwere und dem Schwierigkeitsgrad der Route (Abbildung 3). Schwere Einzelverletzungen und lebensbedrohliche Einzel- und Mehrfachverletzungen waren vor allem in Routen des unteren Schwierigkeitsbereiches zu beobachten.Ursächlich für diese Verletzungen war nach unseren Daten in keinem Fall die Fangstoßwirkung,sondern typischerweise ein Aufprall am Fels. Rissquetschwunden am Schädel waren bei alleiniger Verwendung des Hüftgurtes mehrfach zu beobachten.Sie waren der einzige fassbare Zusammenhang zwischen Verletzungsmuster und Anseilart in unseren Daten.Sie weisen möglicherweise auf eine Anprallverletzung des Kopfes durch einen Rotationssturz bei Fangstoßeinwirkung hin.Ansonsten wurde keine für die alleinige Verwendung eines Hüftgurtes typische Verletzung gefunden,insbesondere keine Zerreißung der Lendenwirbelsäule durch Hyperextension.Auch eine stumpfe Verletzung von Bauchorganen wurde nicht zu beobachtet. Auch bei der Verwendung einer Brustgurt-Sitzgurt-Kombination war es dreimal zu einer schweren Wirbelsäulenverletzung gekommen:a) Kompressionsbruch 1.Lendenwirbel (A-Verletzung) durch Stauchung der Lendenwirbelsäule,typische Aufprallverletzung am Fels;b) Rotationsberstungsbruch 4.Brustwirbel (C-Verletzung) durch Stauchung,Beugung
Abbildung 4

und Rotation bei anamnestischem Felskontakt in „Kopf tief“-Position während des Sturzes;c) Luxationsfraktur Halswirbel (C-Verletzung) durch Stauchung,Beugung und Rotation bei anamnestischer „Kopf tief“Position und Felskontakt während des Sturzes (Abbildung 4). Insgesamt war auffallend häufig die besonders gefährliche „Kopf tief“Position während der Sturzphase bei beiden Anseilmethoden zu beobachten (Abbildung 5a und 5b).Bei der Verwendung des Hüftgurtes war
Abbildung 5a
Abbildung 5b


24-mal (58 %) eine aufrechte Körperposition während des Sturzes zu beobachten.In 15 (37 %) Fällen ist es im Verlaufe des Sturzes zu einer „Kopf tief“-Position gekommen.Bei zwei Unfällen (5 %) war die Körperhaltung nicht mehr eruierbar.In der Gruppe mit Sitzgurt-BrustgurtKombination war der Sturz in 7 (44 %) Fällen in aufrechter Position abgelaufen.Die „Kopf tief“-Position war bei 4 (25 %) Patienten aufgetreten und in 5 (31%) Fällen war die Körperhaltung nicht zweifelsfrei ermittelbar. Betreffend die Position des Verletzten nach dem Sturz ist bei Verwendung des Hüftgurtes eine Hängeposition kopfüber möglich (6 Patienten,15 %, Abbildung 6),während diese bei Brustgurt-Sitzgurt-Kombination nie beobachtet wurde.Die Kombination Schädel-Hirn-Trauma mit Bewusstlosigkeit bei Hüftanseilmethode führte in allen 2 Fällen zur Hängeposition in „Kopf tief“-Lage,während dieses Verletzungsmuster bei Verwendung von Brustgurt und Sitzgurt in 4 Fällen zu einer aufrechten Hängeposition führte.
Abbildung 6

DISKUSSION UND SCHLUSSFOLGERUNGEN:
Auf Grund des retrospektiven Charakters der Studie und der Zahl der untersuchten Patienten ist Vorsicht angebracht,nichtsdestotrotz erlauben die Ergebnisse gewisse Rückschlüsse.Das Risiko einer Hyperextensionsverletzung der Lendenwirbelsäule durch den Fangstoß bei alleiniger Verwendung eines Hüftgurtes kann zwar nicht 100 % ausgeschlossen werden,muss aber als sehr gering eingeschätzt werden,zumal in unserem Kollektiv einige bedeutende Stürze mit der Spitzenleistung von 65 m ohne Verletzung der Lendenwirbelsäule abgelaufen sind.Maßgeblich für die Verletzungsschwere bei Kletterunfällen ist ein Aufprall am Fels (damit die Sturzphase und nicht der Fangstoß!).Hinzu kommt,dass es häufiger als erwartet zu einer „Kopf tief“-Position in der Sturzphase kommt und die Wahrscheinlichkeit dieser Position mit der Sturzhöhe zunimmt.Diese Position während der Sturzphase ist unabhängig von der Anseilmethode und tritt nicht nur bei Griffausbruch auf.Vielmehr beginnt der Sturz häufig in aufrechter Position und nach dem ersten Felskontakt mit den Beinen kommt es zur Körperdrehung.Dieses Szenario kann nach unserer Meinung lediglich durch die Erhöhung der Anzahl von Zwischensicherungen verhindert werden.Zudem war bemerkenswert,dass im unteren Schwierigkeitsbereich die Mehrzahl an schweren Einzelverletzungen und Kombinationsverletzungen zu verzeichnen waren.Gerade hier kann auf Grund des Geländes die Verletzungsschwere nicht durch die Anseilart,sondern lediglich durch vermehrte und strategisch optimal positionierte Zwischensicherungen vermindert werden. Bei Auftreten eines Schädel-Hirn-Traumas mit Bewusstlosigkeit ist eine aufrechte Hängeposition nur durch die Kombination von Brustgurt und Sitzgurt zu erzielen.Ob der bewusstlose Schädel-Hirn-traumatisierte Patient aber ohne sofortige Erste-Hilfe-Leistung in aufrechter Position eine bessere Überlebenswahrscheinlichkeit hat,ist medizinisch auf Grund der Gefahr einer Atemwegsverlegung sehr fragwürdig. Zusammenfassend fanden wir in dieser retrospektiven Untersuchung keinen Anhalt dafür,dass die Art des Anseilens Verletzungsschwere oder Verletzungsmuster bei Kletterunfällen wesentlich beeinflusst. Eine Reduktion der Verletzungsschwere nach Kletterunfällen ist nach unseren Daten vor allem durch eine Reduktion des Aufpralltraumas in der Sturzphase durch eine erhöhte Anzahl an strategisch gut gesetzten,verlässlichen Zwischensicherungen möglich.
LITERATUR
(1) Flora G.:Der Sturz ins Seil,in Ärztliche Praxis 25 Nr.77-83,Werk-
Verlag,Dr.Edmund Banaschewski,München – Gräfelfing. (2) Magerl F.,Aebi M.,Gertzbein SD.,Harms J.,Nazarian S.:A comprehensive classification of thoracic and lubar injuries.Eur Spine
J 3:184-201 (1994). (3) Mägdefrau H.:Die Belastung des menschlichen Körpers beim Sturz ins Seil und deren Folgen.Dissertation an der Ludwig-Maximilians-
Universität München (1989). (4) Schubert P.:Sicherheit und Risiko in Fels und Eis.Bergverlag,Rudolf Rother,2.Auflage (1995).